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Drei Agrargenossenschaften und ihre Zusammenarbeit

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12<br />

reportage<br />

<strong>Drei</strong> <strong>Agrargenossenschaften</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Zusammenarbeit</strong><br />

Das Wir-Gefühl<br />

Alles begann mit einer Saatgutaufbereitungsanlage.<br />

Die war viel zu groß für jeden der drei<br />

Agrarbetriebe, die vor knapp zwanzig Jahren<br />

aus einer 7.000 ha-LPG entstanden. So wurde<br />

daraus die erste gemeinsame GbR. Aus den<br />

guten Erfahrungen wuchs der Wunsch zu<br />

weiterer <strong>Zusammenarbeit</strong>.<br />

Heute reicht das von der Schlauchsilierung<br />

bis zur Lehrlingsausbildung.<br />

Im südlichsten Zipfel von Brandenburg, in<br />

sonnewalde im Landkreis elbe-elster, sitzen<br />

drei Männer unterschiedlichen alters an<br />

einem tisch. sie kennen sich schon sehr lange.<br />

die Männer erzählen von <strong>ihre</strong>r arbeit, reden<br />

abwechselnd <strong>und</strong> hören sich gegenseitig<br />

aufmerksam zu, obwohl sie das thema in- <strong>und</strong><br />

auswendig kennen. sie ergänzen einander,<br />

nehmen den Gesprächsfaden auf, führen ihn<br />

fort <strong>und</strong> übergeben ihn an den nächsten. die<br />

ruhige, repektvolle, zugewandte atmosphäre<br />

in dem raum ist beredtes Zeichen dafür, was<br />

diese Männer geschafft haben. es ist etwas<br />

Besonderes. etwas, das oft beschrieben <strong>und</strong><br />

dessen Vorteile weithin bekannt sind, das aber<br />

im wirklichen Leben nicht selten scheitert.<br />

◼ Jeder für sich <strong>und</strong> alle zusammen<br />

Jeder der drei Männer ist Vorstandsvorsitzender<br />

einer agrargenossenschaft. thomas Jülke<br />

leitet die agrargenossenschaft sonnewalde eG,<br />

Günter Ketzmarick die agrofarm Goßmar eG<br />

<strong>und</strong> axel schulze die agrargenossenschaft eG<br />

frankena. alle drei Betriebe haben dieselben<br />

wurzeln, sie wurden aus einer LPG Pflanzenproduktion<br />

umgewandelt, die bis zur wende<br />

7.300 ha bewirtschaftete.<br />

„Zuerst war alles anders geplant“, erzählt<br />

thomas Jülke. „wäre es nach uns gegangen,<br />

hätten wir nur die LPG Pflanze mit <strong>ihre</strong>n fünf<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

tierproduktions-LPG wiedervereinigt <strong>und</strong> in<br />

dieser Größe gelassen.“ dann säßen die drei<br />

heute wahrscheinlich auch hier am tisch, denn<br />

sie kommen alle aus der ehemaligen LPG.<br />

doch dieser weg scheiterte an der Zustimmung<br />

anderer Kollegen, <strong>und</strong> so wurden 1990 vier<br />

eigenständige LPG gegründet, die im Laufe<br />

des nächsten Jahres in agrargenossenschaften<br />

umgewandelt wurden.<br />

danach lief aber auch nicht alles glatt: ein<br />

Betrieb bekam die umwandlung nicht hin <strong>und</strong><br />

wurde schon 1993 von der agrofarm Goßmar<br />

übernommen. deren Vorstandsvorsitzender<br />

Günter Ketzmarick, der älteste der drei <strong>und</strong><br />

vorheriger LPG-Vorsitzender, hat wenig später<br />

noch ein unternehmen im benachbarten<br />

Lindena integriert.<br />

Die Silowand haben die Kinder der Sonnewalder<br />

Schule bemalt – sichtbares Zeichen für<br />

eine gute <strong>Zusammenarbeit</strong>. Die ist Thomas Jülke<br />

auch sehr wichtig: „Die Kinder kommen in der ersten<br />

Klasse immer an <strong>ihre</strong>m ersten Wandertag zu<br />

uns in den Kälberstall“. Um das einmal geweckte<br />

Interesse wachzuhalten, sollen ab dem nächsten<br />

Schuljahr zwei ständige Arbeitsgemeinschaften<br />

eingerichtet werden. Eine wird sich allgemein mit<br />

Landwirtschaft befassen <strong>und</strong> die andere mehr mit<br />

dem Thema Technik.<br />

Axel Schulze, Thomas Jülke <strong>und</strong> Günter<br />

Ketzmarick (von links) sind die Vorstandsvorsitzenden<br />

der drei Betriebe, die aus der LPG Sonnewalde<br />

hervorgegangen sind. Fotos: Hahn, Jülke (1)<br />

auch der Betrieb frankena schlingerte ein<br />

bisschen durch die Zeiten: Bis 1998 hatte<br />

er schon drei Geschäftsführer verschlissen.<br />

der nächste war axel schulze, der in der LPG<br />

traktorist gelernt <strong>und</strong> nach seinem studium<br />

zurück gekommen war. „ich wollte schon<br />

einen Leitungsposten, aber Geschäftsführer<br />

zu werden, darüber hatte ich noch nie nachgedacht.<br />

die beiden haben aber gesagt, du<br />

schaffst das schon, <strong>und</strong> plötzlich war ich chef.<br />

Naja, es hat ja bis heute ganz gut funktioniert“,<br />

untertreibt er grinsend. Offenbar haben „die<br />

beiden“ mit <strong>ihre</strong>r einschätzung recht gehabt,


denn seit nunmehr elf Jahren führt schulze das<br />

unternehmen mit gut 1.100 ha <strong>und</strong> 25 Mitarbeitern<br />

erfolgreich.<br />

„Bei uns hier lief das am unspektakulärsten“, erinnert<br />

sich thomas Jülke an die Nachwendezeit.<br />

„ich hab hier in der LPG Pflanzenproduktion<br />

gelernt, bin dann nach dem studium zurück<br />

<strong>und</strong> hab‘ als alles Mögliche gearbeitet. so<br />

als ewiger Brigadier. da fing ich dann schon<br />

an nachzudenken, ob ich nicht anderswo<br />

eine Perspektive hätte. doch dann kam die<br />

wende <strong>und</strong> auf einmal gab‘s mehr als genug<br />

aufgaben.“ weil die Genossenschaftsmitglieder<br />

dem Bewerber für den Vorsitz die Zustimmung<br />

verwehrten, musste über Nacht ein Neuer her.<br />

der junge thomas Jülke bekam das Vertrauen<br />

der Kollegen.<br />

◼ Jede Gelegenheit<br />

zur <strong>Zusammenarbeit</strong> nutzen<br />

da waren nun die drei Betriebsleiter, jeder von<br />

ihnen in der Verantwortung „seinem“ Betrieb<br />

gegenüber. Gleichzeitig von anfang an gewillt,<br />

soviel wie möglich zu kooperieren.<br />

Nach wie vor werden die gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

entscheidungen zur Betriebsorganisation in<br />

jeder agrargenossenschaft einzeln getroffen.<br />

sei es die anbaugestaltung oder eine strategische<br />

entscheidung zur tierproduktion. so<br />

hat thomas Jülke zum Beispiel die Mutterkühe<br />

in seinem Betrieb abgeschafft: „sie passten<br />

irgendwie nicht in unsere struktur“.<br />

aber keine entscheidung wird gefällt, ohne<br />

dass die drei Vorstandsvorsitzenden darüber<br />

gesprochen hätten. das läuft allerdings nicht<br />

im rahmen fester Versammlungstermine mit<br />

Berichterstattung, sondern im Vorbeigehen,<br />

am telefon, „wenn man sich halt trifft“. Man<br />

merkt, das ist nichts Verordnetes, diese drei<br />

wollen das so. sie sehen die Vorteile: Je mehr<br />

Köpfe an der Lösung eines Problems beteiligt<br />

werden, desto geringer die wahrscheinlichkeit<br />

einer fehlentscheidung.<br />

die folge: Viele strategische entscheidungen<br />

ähneln sich. anders als in vielen anderen<br />

ostdeutschen Betrieben haben alle drei unternehmen<br />

die Milchproduktion behalten <strong>und</strong><br />

ausgebaut. sie nutzen <strong>ihre</strong> alten stallanlagen<br />

weiter, modernisieren sie <strong>und</strong> haben Quote<br />

zugekauft, um die Leistungssteigerungen<br />

bei gleichbleibenden Beständen zu ermöglichen.<br />

Bewusst abgesprochen <strong>und</strong> diskutiert werden<br />

alle entscheidungen, die mit dem Kauf von Betriebsmitteln<br />

zu tun haben oder gemeinsame<br />

interessen streifen. so gibt es abstimmungen<br />

bei der fruchtfolge <strong>und</strong> bei den Planungen<br />

für die saatgutvermehrung. der saatgutkauf<br />

wird wegen der größeren Mengen gemeinsam<br />

erledigt. Vor ein paar Jahren haben sie<br />

begonnen, gemeinsam Bioethanolgetreide<br />

anzubauen, doch dann angesichts der Produktionsschwierigkeiten<br />

der ethanolwerke<br />

wieder aufgehört.<br />

Jede chance zur <strong>Zusammenarbeit</strong> wird ergriffen.<br />

Jülke zählt auf: „wenns eng ist, machen wir die<br />

organische düngung gemeinsam <strong>und</strong> auch das<br />

strohpressen. die Körnermaisernte für alle drei<br />

macht sowieso sonnewalde, <strong>und</strong> mit unserem<br />

N-sensor machen wir die N-düngung für frankena<br />

<strong>und</strong> andere Betriebe in der region.“<br />

alle drei betonen die – vor allem finanziellen<br />

– synergien dieser Vorgehensweise. eine<br />

Möglichkeit ist, weniger Maschinen <strong>und</strong> Geräte<br />

kaufen zu müssen, weil man sie teilt – das gilt<br />

sowohl für Großmaschinen wie die schlauchsiliermaschine<br />

als auch für Kleinigkeiten wie<br />

astscheren.<br />

auf der anderen seite zahlt es sich aus, gemeinsam<br />

größere Mengen an Betriebsmitteln<br />

abzunehmen. so schaffen sich die drei<br />

Betriebe eine gemeinsame sicherheit – die<br />

sie im Moment auch bitter nötig haben. im<br />

Zusammenhang mit den Milchpreisen beschreibt<br />

thomas Jülke die situation so: „die<br />

Milchpreise alleine sind ja noch nicht mal das<br />

Problem – wir leben ja nicht nur von der Milch.<br />

aber wenn die Getreidepreise gleichzeitig in<br />

den Keller rutschen <strong>und</strong> dann auch noch die<br />

Betriebsmittel immer teurer werden, das kann<br />

man nicht lange durchhalten.“<br />

◼ Wie gründet man eine VO-Firma?<br />

Neben der intensiven zwischenbetrieblichen<br />

<strong>Zusammenarbeit</strong> gibt es inzwischen auch vier<br />

gemeinsame tochterunternehmen.<br />

Begonnen hatte es einst mit der frage: was<br />

wird aus der saatgutaufbereitungsanlage?<br />

schon die LPG hatte viel Getreide vermehrt<br />

<strong>und</strong> dafür eine aufbereitungs- <strong>und</strong> Lageran-<br />

reportage<br />

Agrargenossenschaft<br />

Sonnewalde eG<br />

LN: 2.290 ha, davon Ackerland 1.865 ha<br />

durchschn. Ackerzahl 35<br />

Mitarbeiter: 32<br />

Produktionsrichtungen:<br />

▪ Raps, Getreide, Saatgut <strong>und</strong> Futterproduktion<br />

▪ Milchproduktion (360 Milchkühe +<br />

Nachzucht, Milchquote: 3,06 Mio. kg,<br />

Milchleistung 9.500 kg/Kuh u. Jahr)<br />

▪ 250 Mastbullen<br />

▪ 800 Mutterschafe<br />

Agrofarm Goßmar eG<br />

LN: 3.600 ha, durchschn. Ackerzahl 35<br />

Mitarbeiter: 54<br />

Produktionsrichtungen:<br />

▪ Raps, Getreide, Saatgut <strong>und</strong> Futterproduktion<br />

▪ Milchproduktion (720 Milchkühe +<br />

Nachzucht, Quote: 6,2 Mio. kg, durchschnittliche<br />

Jahresleistung 9.650 kg)<br />

▪ Rindermast<br />

Agrargenossenschaft eG<br />

Frankena<br />

LN: 1.150 ha, durchschn. Ackerzahl 30<br />

Mitarbeiter: 25<br />

Produktionsrichtungen:<br />

▪ Raps, Getreide, Saatgut <strong>und</strong> Futterproduktion<br />

▪ Milchproduktion (345 Milchkühe +<br />

Nachzucht, Quote: 3 Mio. kg,<br />

Milchleisstung 10.200 kg/Kuh u. Jahr)<br />

▪ Rindermast<br />

Gemeinschaftliche<br />

Unternehmen der drei Betriebe<br />

Wirtschaftsgemeinschaft<br />

Stahlhalle GbR:<br />

Verwaltung von gemeinsamem<br />

Eigentum<br />

gemeinsame Technikinvestitionen<br />

Dienstleistung für andere Unternehmen<br />

AG-BAG Silierung für Mais <strong>und</strong><br />

Grünfutter<br />

NL AGRAR GmbH 1<br />

Produktion, Aufbereitung <strong>und</strong> Vermarktung<br />

von Saatgut<br />

gemeinschaftlicher Einkauf von Dünger,<br />

Pflanzenschutzmittel, Futtermittel<br />

u. a.<br />

Futtermittel<strong>und</strong><br />

Dienstleistungs GmbH 1<br />

▪<br />

▪<br />

▪<br />

▪<br />

▪<br />

▪<br />

36 Mitarbeiter, Produktion von jährlich<br />

30.000 t Mischfutter für Ferkelaufzucht <strong>und</strong><br />

20.000 t Strohpellets für Kleintiereinstreu<br />

1 mit weiteren Gesellschaftern<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

13


14 reportage<br />

In Goßmar stand die alte Saatgutaufbereitungsanlage<br />

der LPG Sonnewalde. Sie ist zu klein geworden<br />

<strong>und</strong> wird gerade durch eine größere,<br />

hochmoderne Anlage ersetzt. Die Lagerflächen<br />

der alten Anlage wurden verpachtet, außerdem<br />

kann die Kooperation hier weiterhin Futter- <strong>und</strong><br />

Konsumgetreide aufbereiten.<br />

lage gebaut. „die war einfach zu groß <strong>und</strong> zu<br />

wertvoll, um sie einem Betrieb zu überlassen<br />

oder zu teilen. also stand relativ schnell für uns<br />

fest: wir lassen sie zusammen <strong>und</strong> gründen<br />

eine Gbr, die Wirtschaftsgemeinschaft Stahlhalle.<br />

das war 1991.“ es stand immer fest, die<br />

erfahrungen mit der Vermehrung weiter zu<br />

nutzen, erklärt Jülke. also suchten sie nach<br />

einem Pächter für die aufbereitungsanlage, für<br />

den die drei Betriebe dann das saatgetreide<br />

anbauen sollten. das ging auch fünfzehn Jahre<br />

lang sehr gut, bis der Münchner Pächter in die<br />

insolvenz ging. „Mit dem nächsten stimmte die<br />

firmenphilosophie nicht, das haben wir dann<br />

nach einem Jahr wieder beendet“. in kurzen<br />

worten fasst axel schulze den entwicklungsprozess<br />

der kommenden Monate zusammen:<br />

„wir waren dann schon an dem Punkt, das<br />

wir was eigenes machen wollten. also haben<br />

wir uns noch einen Partner gesucht – die<br />

agrargenossenschaft werenzhain, die schon<br />

Mitgesellschafter in der futtermittel-Gmbh ist<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

<strong>und</strong> auch erfahrungen mit saatguterzeugung<br />

hat. 2006 wurde eine Gmbh gegründet: die<br />

NL agrar.“<br />

◼ Einer muss den Hut aufhaben<br />

axel schulze ist Geschäftsführer dieser Gmbh.<br />

auch das scheint ein Prinzip zu sein in dieser<br />

Gemeinschaft: „einer muss den hut aufhaben“.<br />

um das Projekt vor allzu viel einmischung<br />

durch die anderen zu bewahren <strong>und</strong> um<br />

sicherzustellen, dass der, der den hut aufhat,<br />

sich auch verantwortlich fühlt. <strong>und</strong> es funktioniert:<br />

im Gespräch wird ganz deutlich, wie<br />

intensiv schulze mit dem Projekt verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Lebhaft erzählt er von der suche nach<br />

informationen, Partnern, Lösungswegen:<br />

„wie sollte es aber nun weitergehen? Mit der<br />

Vermehrung kannten wir uns ja aus, aber mit<br />

Z-saatgut zu handeln war dann doch etwas<br />

anderes.“ schulze knüpfte Kontakte zu saatgut<br />

2000 – ein VO-unternehmen, das in sachsen,<br />

sachsen-anhalt <strong>und</strong> thüringen aktiv ist. „Von<br />

Landwirten für Landwirte, aus der region für<br />

In Frankena befindet sich die neue Saatgutanlage.<br />

Axel Schulze (rechts) hat den Bau geplant<br />

<strong>und</strong> geleitet. Offiziell wird sie zwar erst am<br />

2. Oktober eingeweiht, doch die Ernte 2009 wird<br />

hier schon gelagert <strong>und</strong> aufbereitet.<br />

die region“ – das Motto des im sächsischen<br />

claußnitz von Landwirten gegründeten unternehmens<br />

gefiel den Brandenburgern. eckard<br />

Kolbe, dem Geschäftsführer von saatgut<br />

2000, gefiel wiederum der Gedanke einer<br />

außenstelle in Brandenburg, <strong>und</strong> so war man<br />

sich bald einig.<br />

ursprünglich war geplant, dass die NL agrar<br />

Gmbh – deren erste zwei Buchstaben für<br />

Niederlausitz stehen – nur den saatgutbedarf


der Gesellschafter decken sollte, doch schnell<br />

wuchs das junge unternehmen. inzwischen<br />

versorgt es zwei Landkreise mit Getreide <strong>und</strong><br />

Gräsern. der Plan, den osteuropäischen Markt<br />

zu erobern, kollidierte unglücklicherweise mit<br />

der wirtschaftskrise. auch in deutschland ist<br />

der saatgutwechsel inzwischen noch weiter<br />

zurückgegangen. schulze sagt: „wir rechnen<br />

schon mit sinkenden umsätzen wegen der<br />

Krise, in Brandenburg lag der saatgutwechsel<br />

ja dieses Jahr bei unter 40 %!“ dabei ist es<br />

eindeutig eine wirtschaftliche fehlentscheidung,<br />

am saatgut zu sparen, finden die drei.<br />

Jedenfalls werden sie im kommenden Jahr die<br />

Vermehrungsfläche wieder etwas zurückfahren<br />

– auf ungefähr 120 ha. Langfristig sind aber<br />

etwa 200 ha geplant. um den saatgutwechsel<br />

in der region wieder etwas anzukurbeln<br />

– beziehungsweise, um argumente für Zsaatgut<br />

in der hand zu haben – werden sie<br />

ab diesem herbst an einem Langzeitversuch<br />

teilnehmen. initiiert vom Märkischen saatgutverband<br />

e.V., wissenschaftlich begleitet<br />

von der humboldt-uni Berlin <strong>und</strong> gefördert<br />

vom Land Brandenburg soll an vier standorten<br />

ein Vergleichsanbau von Z-saatgut <strong>und</strong><br />

mehrjährigem Nachbau stattfinden.<br />

auch sonst sind sie stets am austausch mit<br />

anderen Landwirten <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

einrichtungen interessiert. Jährlich gibt es<br />

einen regionalen feldtag zu <strong>ihre</strong>n Vermehrungsaktivitäten.<br />

Mit der Landesanstalt für<br />

Landwirtschaft Brandenburg wird ebenfalls<br />

seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet<br />

– als südbrandenburger standort für die<br />

Landessortenversuche. ab diesem herbst<br />

werden alle Getreidearten, raps, Mais <strong>und</strong><br />

sonnenblumen hier stehen.<br />

Mit dem ausbau der aktivitäten der NL agrar<br />

tat sich ziemlich schnell ein neues thema auf:<br />

die alte aufbereitungsanlage in sonnewalde<br />

stieß an <strong>ihre</strong> Grenzen. „wir konnten unsere<br />

eigenen hohen Qualitätsansprüche nicht mehr<br />

absichern. <strong>und</strong> hier kann man sich Mängel<br />

1 2<br />

1/2 In Zeckerin liegen zwei modernisierte<br />

Stallanlagen mit insgesamt ca. 1.000 Rindern<br />

– Milchkühe, Mastbullen, Jungrinder<br />

<strong>und</strong> Kälber – der Sonnewalder Agrargenossenschaft.<br />

3 Für die Schlauchsilierung gibt es ein<br />

gemeinsames Unternehmen.<br />

überhaupt nicht leisten.“ also entstand der<br />

Plan für eine neue anlage – <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

die Gelegenheit für ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen.<br />

◼ Vertrag kommt von vertragen<br />

auf dem Gelände der agrargenossenschaft<br />

frankena ist die neue anlage gerade fertig<br />

geworden. 1,4 Mio. € hat der Bau gekostet,<br />

25 % förderung kamen vom Land. insgesamt<br />

können hier 3.000 t Getreide gelagert <strong>und</strong><br />

aufbereitet werden. Viele unterschiedlich<br />

große Kammern erlauben es, sowohl große<br />

Partien als auch kleine sortenrein zu lagern,<br />

3<br />

reportage<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

15<br />

zu belüften <strong>und</strong> bei Bedarf in zwei Kammern<br />

auch zu trocknen. Beste Voraussetzungen also<br />

für die saatgutaufbereitung.<br />

<strong>und</strong> was wird aus der alten anlage? Natürlich<br />

ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen.<br />

das trockenwerk wurde umgewandelt in<br />

einen Mischfutterbetrieb, die „futtermittel-<br />

<strong>und</strong> dienstleistungs Gmbh“. sie beschäftigt<br />

inzwischen 36 Mitarbeiter, die für hendrix<br />

illesch 30.000 t ferkelfutter herstellen <strong>und</strong><br />

weitere 20.000 t strohpellets für Kleintiereinstreu.<br />

Getreide <strong>und</strong> stroh liefern – unter<br />

anderem – die Gesellschafter. auch die alte<br />

aufbereitungsanlage wird weiter genutzt: für ,


16 reportage<br />

das futtergetreide, denn die anforderungen<br />

für das ferkelfutter sind sehr hoch.<br />

<strong>und</strong> noch ein unternehmen haben die drei<br />

Betriebe in Gang gesetzt <strong>und</strong> sich damit<br />

teure einzelinvestitionen erspart. Vor über<br />

zehn Jahren schon haben sie sich gemeinsam<br />

einen ag-Bagger gekauft, eine Maschine, die<br />

verschiedene Komponenten in folienschläuche<br />

presst. so werden die futtervorräte für die rinderherden<br />

siliert – sowohl der Gesellschafter<br />

als auch in Lohn für Nachbarbetriebe.<br />

die frage, wer sie denn rechtlich berät beim<br />

aufsetzen all der Verträge für die ganzen<br />

unternehmungen, ruft belustigte Blicke <strong>und</strong><br />

leichtes Kopfschütteln hervor. „ach, wissen<br />

sie“ sagt thomas Jülke, „Vertrag kommt doch<br />

von vertragen.“ die beiden anderen stimmen<br />

zu: „wir brauchen keine extra-Berater dafür.<br />

wir entscheiden das selber <strong>und</strong> lassen es<br />

vom Genossenschaftsverband prüfen. dann<br />

wissen wir, ob es geht oder nicht. <strong>und</strong> was<br />

wir draus machen, ist doch sowieso unsere<br />

Verantwortung.“<br />

◼ Gemeinschaftsprojekt<br />

Nachwuchsförderung<br />

apropos Verantwortung. wie stellen sie denn<br />

sicher, dass die nachfolgenden Generationen<br />

auch dieses wir-Gefühl bekommen, das diese<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

drei Männer miteinander teilen? „da hatten<br />

wir wirklich ein Problem. Mit der Lehrlingsausbildung<br />

waren wir insgesamt nicht zufrieden,<br />

weder der theoretischen noch der<br />

praktischen.“ diesmal ist es Günter Ketzmarick,<br />

der zu erzählen beginnt. „2008 haben wir das<br />

dann in die hand genommen. die theoretische<br />

ausbildung bekommen alle unsere Lehrlinge<br />

inzwischen in sachsen. für die praktische<br />

ausbildung haben wir einen Lehrlingsverb<strong>und</strong><br />

gegründet.“ das bedeutet, dass jeder Betrieb<br />

jeweils einen schwerpunkt übernimmt. so<br />

lernen die jungen Leute alle unternehmen<br />

kennen <strong>und</strong> die dortigen ausbilder können<br />

sich auf weniger themen konzentrieren.<br />

„Nun ist das Ganze in kurzer Zeit riesengroß<br />

geworden“, erzählt Ketzmarick. es hat jetzt<br />

einen offiziell klingenden Namen: „Lehrlingsausbildungsinitiative“,<br />

darin sind mittlerweile<br />

26 Betriebe aus dem ganzen Landkreis versammelt.<br />

Offenbar waren auch andere nicht sehr<br />

glücklich mit dem bisherigen system der Nachwuchsförderung.<br />

es gibt einen – inzwischen<br />

sogar öffentlich geförderten – gemeinsamen<br />

topf, in den jeder einzahlt <strong>und</strong> aus dem ein<br />

Betreuer finanziert wird.<br />

„die auszubildenden, knapp fünfzig sind es<br />

inzwischen, nehmen das sehr gut an. sie lernen<br />

ganz unterschiedliche Betriebsgrößen <strong>und</strong><br />

Produktionsmethoden kennen. <strong>und</strong> wenn sie<br />

mal mit einem ausbilder nicht klarkommen,<br />

ist das nicht gleich eine Katastrophe für sie.“<br />

doch Günter Ketzmarick sieht die Vorteile für<br />

beide seiten – für die Jugendlichen <strong>und</strong> auch<br />

für die beteiligten Betriebe. „wir bilden ja nicht<br />

für irgendeinen arbeitsmarkt aus. wir kennen<br />

die meisten unserer azubis schon lange, bevor<br />

sie bei uns einen Vertrag unterschreiben. wer<br />

bei uns lernt, bleibt in der regel auch bei uns.<br />

die Jugendlichen wissen das <strong>und</strong> strengen<br />

sich mehr an. <strong>und</strong> wir strengen uns mehr an<br />

bei der ausbildung.“<br />

wenn im nächsten Jahr die Vorstandsvorsitzenden<br />

der drei agrarbetriebe sonnewalde,<br />

frankena <strong>und</strong> Goßmar zusammensitzen, wird<br />

die r<strong>und</strong>e etwas anders aussehen. Günter Ketzmarick<br />

wird dann nicht mehr dabei sein – er<br />

feiert demnächst seinen 67. Geburtstag.<br />

doch wenn ihm der abschied von seiner arbeit<br />

schwer fällt, dann höchstens deswegen, weil<br />

sie ihm so viel spaß gemacht hat. angst um<br />

den fortbestand „seines“ Betriebes oder der<br />

Kooperation mit den beiden anderen hat er<br />

nicht. der Nachfolger ist bereits gef<strong>und</strong>en,<br />

erklärt er lächelnd. <strong>und</strong> er passt in diese r<strong>und</strong>e.<br />

auch er hat das „wir-Gefühl“.<br />

(ha) NL<br />

In der Nacht hatte es geregnet, doch am frühen Nachmittag ist die Gerste wieder trocken.<br />

Routiniert läuft die Vorbereitung ab, kaum zehn Minuten nach der Ankunft fahren die Drescher ins<br />

Feld. Steffen Artner hat hier im Betrieb gelernt <strong>und</strong> fährt seit vielen Jahren Mähdrescher. Den Claas Lexion<br />

schätzt er sehr, die hochentwickelte Technik auf <strong>und</strong> in der Maschine macht ihm den Kopf frei für<br />

das Wesentliche: die Beobachtung des Erntevorganges. Am Tag schaffen er <strong>und</strong> seine zwei Kollegen<br />

80 bis 90 ha, die Transporttechnik ist darauf abgestimmt.


ubrik<br />

Neue LaNdwirtschaft 8 | 2009<br />

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