MOTORRAD 13/2015
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<strong>13</strong> 12. 6. <strong>2015</strong> www.motorradonline.de<br />
Deutschland 3,90 €<br />
FAHRBERICHT<br />
Ducati Panigale R<br />
VERGLEICHSTEST<br />
POWER-NAKEDS<br />
DIE WILDEN 9<br />
-THEMA<br />
Deutschland<br />
APRILIA<br />
Tuono<br />
V4 1100 RR<br />
BMW<br />
S 1000 R<br />
DUCATI<br />
Monster<br />
1200 S Stripe<br />
HONDA<br />
CB 1000 R<br />
KAWASAKI<br />
Z 1000<br />
KTM<br />
1290 Super Duke R<br />
MV AGUSTA<br />
Brutale<br />
1090 RR Corsa<br />
SUZUKI<br />
GSX-S 1000<br />
TRIUMPH<br />
Speed 94<br />
Gut: Made in<br />
Germany<br />
Weit: Durch die Kult: Fischereihafenrennen<br />
BRD auf der B2<br />
EXKLUSIV:<br />
So kommt<br />
die neue<br />
Horex 2016!<br />
TOP-TEST<br />
Reifentest <strong>2015</strong>, Teil 2:<br />
Die besten Enduroreifen<br />
KAWASAKI NINJA H2<br />
Österreich 4,40 € Schweiz 7,70 sFr<br />
BeNeLux 4,60 € Finnland 5,90 € Griechenland 5,70 €<br />
Italien 5,20 € Slowenien 5,20 € Spanien 5,20 €<br />
Kanaren 5,40 €
Z<br />
T<br />
U<br />
H<br />
M<br />
E M A<br />
Lebenszeichen<br />
von Horex, Naked Bikes<br />
super aufgestellt<br />
Chefredakteur Michael Pfeiffer über die<br />
starken Nackten, zu denen sich irgendwann<br />
auch einmal Horex gesellen könnte<br />
Foto: fact<br />
Exklusiv-Report ab<br />
Seite 8: So kommt die<br />
neue Horex 2016 auf<br />
den Markt<br />
Sicher wird es noch einige Zeit dauern,<br />
bis in einem solchen Naked Bike-Vergleichstest<br />
wie unserem Titelthema<br />
die Marke Horex wieder eine Rolle<br />
spielt. Aber schön wäre es doch, wenn zu<br />
den vielfältigen Motorenkonzepten, die diese<br />
Klasse heute auszeichnet, auch noch ein<br />
Sechszylinder käme. Zumal BMW sich ja bis<br />
heute standhaft weigert, seinen phänomenalen<br />
Reihensechser der Touren-K aus dem Plastik<br />
zu schälen und mal vollformatig zu zeigen.<br />
Verdient hätte er es doch wirklich. Immerhin:<br />
Gerade präsentieren die Münchner den Sechser<br />
im Bagger-Kleid aus Holz und<br />
Aluminium als Studie (Seite 22).<br />
Für Horex müssen<br />
wir sicher noch einige Zeit<br />
Geduld walten lassen. Die aktuellen<br />
Naked Bikes zeigen aber schon in dieser Ausgabe<br />
von <strong>MOTORRAD</strong>, was sie draufhaben.<br />
Und das ist eine ganze Menge. Immerhin drei<br />
Maschinen schaffen es im harten <strong>MOTORRAD</strong>-<br />
1000-Punkte-Test über die magische Schwelle<br />
von 700. Das ist insofern bemerkenswert, als<br />
dass die Kategorie der unverkleideten Motorräder<br />
in Sachen Windschutz naturgemäß eher<br />
alt aussieht und hier keine Punkte holt. Aber<br />
lesen Sie selbst ab Seite 24. Und lassen Sie sich<br />
überraschen, denn es gibt einige unerwartete<br />
Ergebnisse in diesem großen Vergleichstest.<br />
Doch zurück zu Horex – und damit auch<br />
zu unserem „<strong>MOTORRAD</strong>-Thema Deutschland“:<br />
Die Traditionsmarke zeigt nach der Insolvenz<br />
ein erstes neues Lebenszeichen. Wie unsere<br />
Exklusiv-Reportage ab Seite 8 schildert, soll aus<br />
dem zahmen Retro-Bike ein richtiger New-<br />
Classic-Renner werden – leichter, stärker, klarer.<br />
Der neue Eigentümer hat die Firma von Augsburg<br />
nach Landsberg am Lech geholt und<br />
macht sich offensichtlich mit Feuereifer ans<br />
Werk. Sein neuer Ansatz ist vielversprechend<br />
und passt in die Zeit. Möge er die nötige<br />
Standfestigkeit haben, um das durchzuziehen.<br />
Denn noch eine Pleite verträgt die Marke nicht.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Neun Naked Bikes, von Aprilia bis Triumph. Von 125 bis über 170 PS ist alles geboten<br />
Motorräder<br />
in diesem Heft:<br />
24 Aprilia Tuono V4 1100 RR<br />
<strong>13</strong>0 Benelli 250-2C<br />
22 BMW Concept 101<br />
62 BMW R 1200 GS<br />
86 BMW R nineT<br />
24 BMW S 1000 R<br />
24 Ducati Monster 1200 S Stripe<br />
44 Ducati Panigale R<br />
<strong>13</strong>3 Honda GL 1800 Gold Wing<br />
24 Honda CB 1000 R<br />
72 Honda Shadow 750 Spirit/<br />
VT 750 S<br />
8 Horex VR6 Classic<br />
20 Kawasaki KX 450 F<br />
10 Kawasaki Ninja H2<br />
52 Kawasaki Z 300<br />
24 Kawasaki Z 1000<br />
52 KTM 390 Duke<br />
24 KTM 1290 Super Duke R<br />
50 KTM SX-F 450<br />
24 MV Agusta Brutale<br />
1090 RR Corsa<br />
24 Suzuki GSX-S 1000<br />
24 Triumph Speed 94<br />
www.motorradonline.de<br />
ZUM THEMA 3
<strong>13</strong>52 PS<br />
Vergleich Power-Nakeds<br />
Neunmal Power, neunmal Sport, neunmal Spaß ohne Ende im freien<br />
Fahrtwind: Die beiden Naked Bike-Neulinge Aprilia Tuono V4 1100 RR<br />
und Suzuki GSX-S 1000 treten gegen die etablierte Konkurrenz an<br />
24<br />
REIFENTEST<br />
<strong>2015</strong><br />
Enduroreifen<br />
Reiseenduros Liebling? Fünf<br />
Paarungen der beliebten<br />
Kombination 110/80 R 19<br />
und 150/70 R 17 im Test<br />
62<br />
Vergleichstest<br />
Das andere Ende der Fahnenstange:<br />
Kawasaki Z 300<br />
gegen KTM 390 Duke<br />
Top-Test Kawasaki H2<br />
52<br />
Endlich ist der aufgeladene Sportler von Kawasaki da. Die Show stimmt<br />
schon mal – dank edler Spiegellackierung. Doch stimmt auch die Performance<br />
des Kompressor-Sportlers? Die Tester geben sich die Kante 10<br />
Fotos: Bilski (2), Daams, fact, Jahn, Northcott, Schäfer<br />
Titelfotos: fact, Ducati, Jacek Bilski, Markus Jahn, Touratech, Klaus H. Daams, Dirk Schäfer<br />
4 INHALT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
I N H A L T <strong>13</strong>/<strong>2015</strong><br />
NEUHEITEN<br />
8 Exklusiv: So kommt die neue Horex – erste Impressionen<br />
Alter Name, neue Leitung, lange Geschichte: Unter den Fittichen des<br />
Karbon-Produzenten 3C geht der Sechszylinder nochmal an den Start<br />
NEWS<br />
20 Interview: Gericke-Boss Paul Liao; BMW-Studie Concept 101;<br />
Fireblade-Rückruf wegen Öhlins-Dämpfer; Kawa-Crosser KX 450 F für<br />
2016; neue Yamaha Yard-Built-Modelle; Top-10-Bikes bei Zuladung<br />
TEST+TECHNIK<br />
10 Top-Test Kawasaki H2<br />
Schwer unter Druck: Was bringt der Kompressor-Motor im<br />
harten Alltagsbetrieb wirklich?<br />
24 Vergleichstest neun starke Power-Nakeds<br />
Aprilia Tuono V4 1100 RR, BMW S 1000 R, Honda CB 1000 R,<br />
Ducati Monster 1200 S, Kawasaki Z 1000, KTM 1290 Super Duke R,<br />
MV Agusta Brutale 1090 RR, Suzuki GSX-S 1000, Triumph Speed 94<br />
44 Fahrbericht Ducati Panigale R<br />
Der exklusive Edelracer mit reduziertem Hubraum nach dem<br />
Superbike-Reglement – echt geil, aber sauteuer<br />
50 Fahrbericht KTM-Crosser 2016<br />
Völlig neu und drastisch viel leichter – wirklich viel besser?<br />
52 Vergleichstest Kawasaki Z 300 und KTM 390 Duke<br />
Ein- gegen Zweizylinder: Zwei Spaßgeräte mit Unterhaltungswert<br />
REIFENTEST<br />
62 Teil 2: Enduroreifen für BMW R 1200 GS<br />
Vorn 110/80 R 19, hinten 150/70 R 17 – fünf Reifenpaarungen, davon<br />
zwei absolute Newcomer, im Landstraßen-, Autobahn- und Nässetest<br />
GEBRAUCHTMARKT<br />
72 Honda Shadow 750<br />
Das zuverlässige Entschleunigungsmittel – wen macht’s glücklich?<br />
RATGEBER<br />
110 Kaufen, Recht, Wissen<br />
Vanucci VTB 11-Stiefel; Rizoma-Zubehör für Yamaha MT-09;<br />
Ilmberger-Carbonparts für BMW S 1000 RR; ABM-Lenker/Lampenhalter;<br />
Motorrad-Recht im Ausland; deutsche Sonderkennzeichen<br />
SPORT<br />
114 Grand Prix Mugello/Italien<br />
Ein Jorge Lorenzo in Topform und ganz starke Ducatisti – aber auch<br />
Rossi mischte wieder vorne mit<br />
124 Superbike-WM in Portimão/P; Superbike-IDM auf dem Lausitzring;<br />
Trial-WM in Boras/S; MX-Masters in Bielstein; Motocross-WM in<br />
Villars-sous-Écot/F<br />
KULTBIKE<br />
<strong>13</strong>0 Kultbike Benelli 250-2C<br />
Heute 40 Jahre alt: Der Benelli-Zweitakter war damals das japanischste<br />
Modell aller italienischen Motorräder<br />
RUBRIKEN<br />
3 Zum Thema<br />
6 Leserbriefe, Intern<br />
76 <strong>MOTORRAD</strong>-Kleinanzeigenmarkt<br />
95 action team-Reise-Box<br />
108 <strong>MOTORRAD</strong>-Helden-Club<br />
<strong>13</strong>2 Rückspiegel/Impressum<br />
<strong>13</strong>3 Comic – die vorletzte Seite<br />
<strong>13</strong>4 Vorschau<br />
-THEMA<br />
DEUTSCHLAND<br />
Schweiz in allen Variationen<br />
Berge, Kurven, Landschaftsidyll – typisch für die echte<br />
Schweiz. Auch in Deutschland schmücken sich<br />
etliche Regionen mit dem Zusatz „Schweiz“.<br />
Kommen sie an den echten Alpenstaat heran? 86<br />
58 Zwei Erfolgsstorys made in Germany<br />
Das Bessere ist des Guten Feind: Mit dieser<br />
Geschäftsidee sind die Zubehör-Spezialisten<br />
Touratech und Wunderlich weltbekannt geworden.<br />
Porträt der beiden Motorradwelt-Verbesserer, die in<br />
diesem Jahr Jubiläen feiern<br />
96 Deutschlands billigster Motorradsport<br />
Kostet nur ein paar Euro, und jeder kann mit jedem Motorrad<br />
starten. Dabei richtig viel lernen und erleben. Ein<br />
Traum? Nein, der ADAC-Motorradslalom macht’s möglich<br />
100 Auf der Bundesstraße 2 von den Alpen bis an die Oder<br />
Sie hat nicht den Mythos der Route 66, bietet aber genug<br />
Stoff für ein Roadmovie. Wer der längsten Bundesstraße<br />
Deutsch lands folgt, lernt viel über unser Land<br />
118 Abgefahrene Kult-<br />
Veranstaltung:<br />
Fischereihafen-Rennen<br />
Bremerhaven<br />
Racing zum Anfassen –<br />
anders kann man die<br />
Sause zwischen Strohballen<br />
und Kuttern nicht<br />
beschreiben. Eine Reportage aus dem rauen Norden<br />
126 Warum Liqui Moly in Moto2 und Moto3 Gas gibt<br />
Liqui Moly ist Motorölproduzent und Mittelständler aus<br />
Süddeutschland. Und seit<br />
dieser Saison im Motorrad-Rennsport<br />
ganz vorne<br />
dabei. Warum und wieso?<br />
<strong>MOTORRAD</strong> hat nachgefragt<br />
www.motorradonline.de<br />
INHALT 5
L E S E R P O S T<br />
Mal wieder nicht<br />
Vergleichstest Masterbike<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 12/<strong>2015</strong>, Seite 22<br />
Schade, dass Ihr zum Masterbike <strong>2015</strong><br />
wieder mal nicht die MV Agusta F4 RR<br />
als Kandidatin hinzugezogen habt.<br />
Eine Chance hätte sie mehr als verdient.<br />
Stattdessen die uralte GSX-R, die eh<br />
niemanden mehr interessiert.<br />
Christopher Wagner, Nidderau<br />
<strong>MOTORRAD</strong> hatte bei MV angefragt, aber kein<br />
Testmotorrad bekommen. Das steht auch im<br />
Text. Das Gleiche gilt für KTM und EBR, Letztere<br />
sind gerade pleite. Und die GSX-R ist keineswegs<br />
uralt, sondern gerade mit ABS aufgewertet. Red.<br />
Mittelfinger<br />
Leserbrief von Andreas Flamm zum<br />
Thema „Motorradlärm nervt“<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 11/<strong>2015</strong>, Seite 8<br />
Es ist genau diese Gruppe Motorradfahrer,<br />
der man zu verdanken hat, dass<br />
immer mehr Strecken gesperrt werden.<br />
Es sind keine Motorradfahrer, sondern<br />
nur Krawallmacher, die dem Ansehen<br />
der meisten Motorradfahrer schaden.<br />
Wenn bei denen das Motorradfahren<br />
nur mit unverhältnismäßig hohem Lärmpegel<br />
verbunden ist, haben die den Sinn<br />
davon nicht verstanden. Solche, die es<br />
laut haben wollen, sollen dahin gehen,<br />
wo man es machen kann, aber bitte<br />
nicht im öffentlichen Straßenverkehr,<br />
denn die haben da nichts zu suchen.<br />
Man sollte nicht nur gegen die Streckensperrungen<br />
vorgehen, sondern zuerst<br />
gegen solche Krawallmacher und Raser.<br />
Hans-Dieter Juhl, Bruchsal<br />
Wie wär’s mit einer Sitzbank aus echtem<br />
Tigerfell und Elfenbein-Applikationen<br />
am Moped? Warum? Na, mit der<br />
gleichen Argumentation wie für das<br />
Herumlärmen: Solange man es noch<br />
kann, muss man es doch ausnutzen.<br />
Schade, dass <strong>MOTORRAD</strong> solchen<br />
Krawallbrüdern eine Plattform gibt. Von<br />
mir gibt’s für jedes dieser Exemplare,<br />
denen ich auf meiner Hausstrecke begegne,<br />
nicht die Grußhand, sondern den<br />
Mittelfinger.<br />
Michael Brunner, Straßberg<br />
Ich denke, wir sind eine große Lebensgemeinschaft,<br />
und da gehört Rücksichtnahme<br />
dazu. Was würden denn die<br />
Tütenaushöhler sagen, wenn sie ununterbrochen<br />
mit Kreissägen, Presslufthämmern<br />
oder ihrer meistgehassten<br />
Musik in Düsenjägerlautstärke beschallt<br />
würden? Gemessen am körperlichen<br />
Schaden (Körperverletzung!), der mit<br />
Lärm angerichtet werden kann, denke<br />
kontakt<br />
Bitte geben Sie bei E-Mails<br />
und Leserbriefen Name und Wohnort an.<br />
Fragen und Post an die Redaktion<br />
Leser-Service: Iris Schaber. Telefonische Anfragen dienstags und<br />
donnerstags von 10.00 bis 12.00 Uhr unter 07 11/1 82-12 25.<br />
Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Frage schriftlich stellen:<br />
Re daktion <strong>MOTORRAD</strong>, Stichwort Leser-Service, 70162 Stuttgart,<br />
Fax 07 11/1 82-17 81, E-Mail: leserbriefe_mrd@motorpresse.de<br />
Nachbestellung von Einzelheften<br />
Telefon 07 11/32 06 88 99, Telefax 07 11/1 82-25 50.<br />
Bitte Bankverbindung angeben.<br />
Ausverkauft, nicht gefunden?<br />
Ihr Zeitschriftenhändler besorgt Ihnen <strong>MOTORRAD</strong> meist für den<br />
nächsten Tag.<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu<br />
kürzen.<br />
ich, und das wird ja auch durch Herrn<br />
Flamm bestätigt, sind die Bußen für ein<br />
Vergehen viel zu gering.<br />
Horst Nordmann, Pöcking<br />
Soll abbauen<br />
Hochgeschwindigkeitspendeln<br />
bei KTM 1190 Adventure und<br />
Lesererfahrungen zum Dauertest<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 9/<strong>2015</strong>, Seite 51<br />
Als erfahrener Motorradfahrer weiß ich,<br />
ein Motorrad kann durch Luftwirbel<br />
im Schlepp des Fahrers zum Pendeln<br />
angeregt werden. Ein Topcase (Ein Leser<br />
hatte im Rahmen des Dauertests berichtet,<br />
dass bereits ein leeres Topcase ausreichte,<br />
um seine Adventure ab 155 km/h<br />
INTERNNeues aus der Redaktion<br />
Begegnung mit einem<br />
Außerirdischen<br />
Da staunten vor allem die etwas Älteren<br />
im Tross der rund 100 Journalisten aus<br />
aller Welt, und auch <strong>MOTORRAD</strong>-Testfahrer<br />
Georg Jelicic erkannte den Überraschungsgast<br />
sofort: Wie beiläufig hatte sich Ex-Motorradweltmeister<br />
Freddie Spencer (im Foto<br />
links) bei der Präsentation der beiden neuen<br />
Bridgestone-Reifen T30 Evo und A40 im por -<br />
tugiesischen Lagos unters Volk gemischt.<br />
„Fast Freddie“ bzw. „der Außerirdische“, wie<br />
er wegen seines Fahrstils auch oft genannt<br />
wurde, hatte 1983 als jüngster Motorrad-<br />
WM-Pilot die 500-Kubik-Weltmeisterschaft<br />
gewonnen, zwei Jahre später holte er die<br />
Doppelweltmeisterschaft in den Klassen bis<br />
250 und 500 Kubik –<br />
Chapeau, das hatte<br />
zuvor noch niemand<br />
geschafft! Insgesamt<br />
heimste der US-Amerikaner<br />
27 Grand-Prix-<br />
Siege ein und hat einen<br />
Platz in der Hall of Fame des Motorradrennsports.<br />
Mit großem Hallo wurde Spencer im<br />
Kreis der Motorrad-Journalisten empfangen.<br />
Ein Schwätzchen hier, ein bisschen Fachsimpeln<br />
da – völlig locker und ohne Berührungsängste.<br />
Wie eh und je war „Fast Freddie“ gut<br />
gelaunt und strahlte mit der Sonne Portugals<br />
um die Wette. „Man hatte das Gefühl, einen<br />
alten Kumpel von nebenan zu treffen“,<br />
schwärmte Tester Jelicic (oben rechts) später.<br />
Spencer, heute 54, betreibt seit 1997 die<br />
Freddie Spencer Riding School. Zuerst am Las<br />
Vegas Motor Speedway in Nevada, dann im<br />
Miller Motorsports Park nahe Salt Lake City in<br />
Utah. Inzwischen bietet Spencer auch Renntrainings<br />
in Europa an.<br />
Foto: Kawasaki<br />
6 LESERPOST <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
ins Pendeln zu bringen. Red.) ist eine<br />
Möglichkeit, viel Gepäck unterzubringen.<br />
Welcher Autofahrer kommt auf<br />
den Gedanken, mit Dachgepäckträger<br />
oder Anhänger 250 zu fahren? Wer<br />
heizen will, soll’s abbauen – und gut is’.<br />
Jetzt lasst mal die Kirche im Dorf.<br />
Thomas Lenz, Taunusstein<br />
Vier Patschen<br />
Test Tourenreifen<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 12/<strong>2015</strong>, Seite 70<br />
Endlich mal ein Test, der die Realität in<br />
etwa widerspiegelt. Ich fahre eine Suzuki<br />
Bandit 1250 N, oft zu zweit und hauptsächlich<br />
in der Allgäuer Region, sprich<br />
Landstraßen und Pässe. Nach vielem<br />
Ausprobieren fahre ich nun schon längere<br />
Zeit den Pirelli Angel GT und kann<br />
bestätigen, dass der Vorderreifen bei<br />
schweren Maschinen nach zirka 2500<br />
Kilometern verschlissen ist. Der Hinterreifen<br />
hält locker die doppelte Strecke.<br />
Hier sollte Pirelli dringend nachbessern,<br />
da der Reifen ein super Kompromiss<br />
zwischen Sport und Tour ist. Der Metzeler<br />
Z8 ist gut, jedoch nach zirka 3500 km<br />
komplett auf beiden Rädern verschlissen<br />
und somit nicht die erste Wahl.<br />
Roland Muhra, Pfronten<br />
Mir gefallen die Reifentests der Redaktion<br />
– aufwendig und aussagekräftig.<br />
Dazu ein paar Erfahrungen: Mit meiner<br />
Ducati Hypermotard bin ich jetzt 96 000<br />
km gefahren und habe dabei 22 Paar<br />
Reifen verbraucht. Ich hatte vier Plattfüße,<br />
immer hinten: zweimal Schraube,<br />
einmal Nagel, einmal spitzer Kieselstein.<br />
Alle vier Patschen waren vom gleichen<br />
Hersteller. Keine Probleme hatte ich mit<br />
Reifen anderer Hersteller. Spannend wäre,<br />
ob bestimmte Profile das Aufstellen<br />
einer Schraube begünstigen oder die<br />
Erweiterung der Tests durch Eindringungsprüfung.<br />
Der kontaktierte Hersteller<br />
antwortete dazu nur sehr lapidar.<br />
Helmut Wonisch, Graz/Österreich<br />
Egoistisch<br />
Intern „Zwei Leben“<br />
<strong>MOTORRAD</strong> 12/<strong>2015</strong>, Seite 8<br />
Ich möchte Herrn Lohse meinen herzlichsten<br />
Glückwunsch aussprechen. Sie<br />
haben einem anderen Menschen Leben<br />
geschenkt. Ich selbst war 15 Jahre registrierter<br />
Spender, bis mich eine eigene<br />
Krebserkrankung aus dem Spenderkreis<br />
ausschloss. Ich habe mir zig Male vorgestellt,<br />
wie schön es wohl sein möge,<br />
wenn eine Aufforderung der Deutschen<br />
Knochenmarkspenderdatei DKMS käme<br />
und ich einem möglichen Zwilling helfen<br />
könnte. Klingt total egoistisch, oder?<br />
Ja, seien Sie alle egoistisch, und denken<br />
Sie alle bloß an Ihr eigenes Gefühl. Das<br />
bekommen Sie aber nur, wenn Sie vorher<br />
jemandem geholfen haben, auch<br />
cool. Ich selbst darf nicht mehr spenden.<br />
Ich kann allerdings weiterhin für diese<br />
Sache kämpfen. Im Übrigen kann ich<br />
auch nachvollziehen, wie sich krebskranke<br />
Menschen fühlen.<br />
Marcus Grühn, Teltow<br />
Seit Jahren bin ich Abonnent, noch nie<br />
habe ich einen Leserbrief geschrieben.<br />
Den notorischen BMW-Hassern unter<br />
den professionellen Leserbriefschreibern<br />
ist ja letztlich ebenso wenig zu helfen<br />
wie all den politisch korrekten Besserwissern,<br />
die selbst beim Aue-Comic<br />
nicht vor Zensurwünschen haltmachen.<br />
Aber die „Intern“-Meldung hat mich nun<br />
doch aus dem Sofa gerissen und für diese<br />
Zeilen vor den PC befördert: Meinen<br />
allergrößten Respekt für Herrn Lohse!<br />
Ein toller Akt der Menschlichkeit und<br />
Hilfsbereitschaft. Und gut, dass auch<br />
über solches Engagement jenseits des<br />
Motorrads mal berichtet wird.<br />
Olaf Klein, Solingen<br />
LORIS<br />
BAZ<br />
LS2 MotoGP-Piloten<br />
Wir haben<br />
Unmögliches<br />
möglich gemacht!<br />
Du kannst jetzt auf der Straße<br />
exakt den gleichen Helm fahren,<br />
den unsere MotoGP Piloten auf<br />
der Strecke benutzen!<br />
Mehr erfahren:<br />
WWW.LS2HELMETS.COM.DE
Der<br />
N E U H E I T E N<br />
Paparazzo<br />
Erste Impressionen der neuen Horex<br />
VR 6 Classic, so sie denn weiter so<br />
heißen wird, nach der Überarbeitung<br />
durch den neuen Eigentümer der<br />
Marke: Der mächtige VR6-Motor mit<br />
1215 cm³ wird deutlich entschiedener<br />
präsentiert und klarer in den Mittelpunkt<br />
gestellt<br />
KLARE SACHEN<br />
+++ Erste Zeichnungen der neuen Horex VR6 Classic +++ Exklusivveröffentlichung<br />
in <strong>MOTORRAD</strong> +++ Deutlich klareres, kraftvolleres<br />
Design +++ Motor überarbeitet für mehr Druck +++ Schönere<br />
Auspuffanlage, schlankeres Heck, bequemere Sitzbank +++<br />
Von Michael Pfeiffer<br />
Zeichnungen, Foto: Werk<br />
Natürlich wollte <strong>MOTORRAD</strong> vom<br />
neuen Eigentümer der Traditionsmarke<br />
Horex sofort wissen, was<br />
er mit Marke und Motorrad vorhat.<br />
Und natürlich hat uns Karsten Jerschke<br />
um Zeit gebeten, denn er musste sich<br />
erst einmal in die Materie einarbeiten.<br />
Jerschke leitet die nicht ganz unbedeutende<br />
Firma 3C-Carbon Group AG, die<br />
in mehreren Branchen als Zulieferer ausgesucht<br />
hochwertiger Leichtbauteile fungiert.<br />
Doch das Thema Motorrad beschäftigt den<br />
Unternehmer schon länger: Seit 2014 tritt<br />
3C in der IDM-Superbike mit zwei Fahrern<br />
auf Ducati Panigale an – den auf Anhieb er-<br />
8 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
ungenen Meistertitel will das 3C-Team<br />
dieses Jahr gegen eine deutlich stärker gewordene<br />
Konkurrenz verteidigen.<br />
Aber immerhin können wir hier exklusiv<br />
erste Informationen preisgeben, die uns<br />
kurz vor Redaktionsschluss erreichten. Und<br />
da Worte zwar viel beschreiben können,<br />
Bilder aber noch mehr zeigen, gibt es auch<br />
noch zwei erste Zeichnungen dazu.<br />
Die neue Horex soll viel dynamischer und<br />
maskuliner auftreten. Wenn man schon<br />
einen außergewöhnlichen Sechszylindermotor<br />
einbaut, dann sollte man ihn auch<br />
standesgemäß zelebrieren. Entsprechend<br />
dieser Vorgabe lässt Jerschke die Maschine<br />
jetzt von einem kleinen Entwickler- und<br />
Designteam gestalterisch überarbeiten. Dickere<br />
Auspuffkrümmer und eine viel dynamischere<br />
Schalldämpferanlage sind schon<br />
mal ein erster richtiger Schritt. Denn selten<br />
war eine Auspuffanlage so wenig repräsentativ<br />
wie an der bisherigen VR6. Angenehmer<br />
Nebeneffekt der neuen Anlage: eine<br />
fülligere Leistungsentfaltung. Dazu will<br />
man in Landsberg am Lech, wo Horex nun<br />
sein neues Domizil hat, viel an Gewicht<br />
sparen und so Fahrdynamik gewinnen.<br />
Da Motor, Rahmen und Tank weitgehend<br />
unverändert übernommen werden sollen,<br />
werden Sitzbank, Lichtanlage, Kotflügel<br />
und weitere Anbauteile erleichtert. Kompetenz<br />
in Sachen Leichtbau sollte bei der<br />
Muttergesellschaft 3C-Carbon schließlich<br />
reichlich vorhanden sein. Dem aktuellen<br />
Zeitgeist entsprechend wird die neue<br />
Horex im Heckbereich sehr reduziert<br />
auftreten. Kleine Rücklichter und eine<br />
zweigeteilte Sitzbank ohne Kotflügel<br />
lassen die Maschine viel schlanker enden,<br />
als es die etwas pummelige erste Version<br />
tat. Gleichzeitig wird so auch der optische<br />
Schwerpunkt mehr nach vorne auf den<br />
Motor verlegt. Als zusätzlichen Gag haben<br />
sich die Horex-Entwickler die hintere<br />
Sitzbankhälfte zum Abnehmen einfallen<br />
lassen. Damit wirkt die neue VR6 dann<br />
wirklich mächtig bullig.<br />
Preislich wird sich die Horex<br />
sicher weiter im High-End-Bereich<br />
bewegen, vermutlich sogar jenseits der<br />
25 000 Euro, die eine VR6 Classic bisher<br />
kostete. Aber dafür soll es auch einen<br />
realistischen Gegenwert geben. Karsten<br />
Jerschke ist sich hier seiner Verantwortung<br />
sicher bewusst. Noch einen Fehlschlag würde<br />
die Marke Horex nicht mehr verkraften.<br />
Doch Jerschke ist kein Abenteurer, der sich<br />
mal eben eine Motorradmarke kauft. Dazu<br />
ist er schon zu lange im Geschäft. Auf der<br />
Mailänder Messe EICMA im November soll<br />
die neue Horex dann der Weltöffentlichkeit<br />
präsentiert werden.<br />
www.motorradonline.de/neuheiten<br />
Die alte Version wirkt heute<br />
vergleichsweise zerklüftet,<br />
die Auspuffanlage war<br />
noch nie schön<br />
Schon im Stand stark und schnell soll<br />
die neue Horex wirken. Die dezente<br />
Zurückhaltung der ersten Version des<br />
Sechszylinders legt der neue Eigentümer<br />
beiseite. Und das ist auch gut so!<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 9
T O P<br />
Kawasaki Ninja H2<br />
- T E S T<br />
10 TEST+TECHNIK<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
ORKAN<br />
AN BORD<br />
Nach der Z 750 Turbo aus den 1980er-Jahren hat<br />
Kawasaki wieder ein Motorrad mit aufgeladenem<br />
Motor geschaffen. Die Ninja<br />
H2 verfügt über einen 1000er-Vierzylinder<br />
mit Kompressor, und dieser<br />
Orkan im Inneren entfacht außen<br />
Orkane an Beschleunigung und<br />
Geschwindigkeit. Mit 218 PS ist die<br />
H2 die stärkste je bei <strong>MOTORRAD</strong><br />
gemessene Serienmaschine.<br />
Von Ralf Schneider; Fotos: Jacek Bilski<br />
Angebote zu<br />
diesen Motorrädern<br />
finden<br />
Sie hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2015</strong><strong>13</strong>010<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 11
Top-Test Kawasaki Ninja H2<br />
Passt bitte auf den Hinterreifen auf,<br />
ihr wisst ja, was noch kommt.“<br />
Schon vor dem Start zur Fotofahrt<br />
mit der Kompressor-Kawasaki H2<br />
sind alle besorgt um den weiteren Fortgang<br />
der Testprozedur. Die Sorge war nicht unbegründet,<br />
lebhafter morgendlicher Berufsverkehr<br />
auf der kurzen Autobahnetappe<br />
zum Fotorevier erlaubte zwar nur wenige<br />
Vorstöße ins Reich jenseits der 200 km/h,<br />
dennoch hatten die Antriebskräfte über<br />
den gesamten Umfang des Hinterreifens<br />
schon dünne Gummiwürste aus der Lauffläche<br />
gerollt.<br />
Und tiefe Eindrücke beim Fahrer hinterlassen.<br />
Was für ein Motor! Schon im unteren<br />
Drehzahlbereich mächtig präsent, wirkt er<br />
hier wie ein durchzugsstarker 1500er. Oben<br />
hinaus, wenn der Ladedruck die kleine<br />
„Boost“-Anzeige im Cockpit mit schwarzen<br />
Balken füllt, zeigt er sich fast so drehfreudig<br />
wie ein aktueller 1000er-Supersportler – nur<br />
viel mächtiger. Nach dem ersten Eindruck<br />
sogar noch weitaus stärker, als die Ergebnisse<br />
der späteren Prüfstandsläufe ausweisen<br />
(„Achtet auf den Hinterreifen, nicht dass er<br />
sich auflöst“). Wahrscheinlich rührt dieser<br />
Eindruck vom unbedingten, fast perfekt<br />
linearen Aufwärtsstreben der Leistungsund<br />
Drehmomentkurven über fast den gesamten<br />
nutzbaren Drehzahlbereich. Da gibt<br />
es keine Schwächephase, kein Verhalten.<br />
Was bei knapp über 7000/min danach aussieht,<br />
findet immerhin auf der Höhe von<br />
118 Nm statt und ist in der Fahrpraxis überhaupt<br />
nicht zu spüren. Den Gipfel bildet ein<br />
1000 Umdrehungen breites Plateau, dessen<br />
Höhe zwischen 215 und 218 PS liegt. In<br />
nicht gewollter, aber kaum vermeidbarer<br />
Blasphemie kommen einem beim Fahren<br />
Gebets fragmente wie „die Kraft und die<br />
Herrlichkeit“ in den Sinn.<br />
Dass diese Kraft nicht mit allerletzter Konsequenz<br />
auf die Beschleunigungswerte<br />
durchschlägt, liegt paradoxerweise an der<br />
relativ kurzen Übersetzung. Das gilt für die<br />
Gesamtübersetzung und speziell für die<br />
ersten drei Gänge. Während der erste Gang<br />
aktueller 1000er-Supersportler ausgedreht<br />
bis über 140 km/h reicht, dreht der H2-Motor<br />
bereits bei 125 km/h in den Begrenzer.<br />
Im Stand spielt sich im Cockpit<br />
nicht viel ab, erst bei laufendem<br />
Motor beginnt die Show<br />
Ein elektronisch gesteuerter Lenkungsdämpfer<br />
von Öhlins hatte die<br />
Lenkung stets sicher im Griff<br />
Das Kompressorgehäuse: Wegen der<br />
Aufladung wurde der Motor solider<br />
ausgeführt als bei der ZX-10R<br />
Die polierten Edelstahl-<br />
Krümmer bilden eine<br />
schöne Metallskulptur<br />
12 TEST+TECHNIK<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Kawasaki Ninja H2<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor,<br />
zwei Ausgleichswellen,<br />
zwei obenliegende, kettengetriebene<br />
Nockenwellen, vier<br />
Ventile pro Zylinder, Tassenstößel,<br />
Nasssumpfschmierung, Einspritzung,<br />
4 x Ø 50 mm, geregelter Katalysator,<br />
Lichtmaschine 420 Watt, Batterie<br />
12 V/9 Ah, hydraulisch betätigte<br />
Mehrscheiben-Ölbadkupplung,<br />
Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung<br />
44 : 18.<br />
Bohrung x Hub 76,0 x 55,0 mm<br />
Hubraum<br />
998 cm³<br />
Verdichtungsverhältnis 8,5 : 1<br />
Nennleistung<br />
147,2 kW (200 PS) bei 11000/min<br />
Max. Drehmoment<br />
<br />
<strong>13</strong>3 Nm bei 10 500/min<br />
FAHRWERK<br />
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upsidedown-Gabel,<br />
Ø 43 mm, verstellbare<br />
Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung,<br />
elektrohydraulischer<br />
Lenkungsdämpfer, Einarmschwinge<br />
aus Aluminium, Zentralfederbein<br />
mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis,<br />
Zug- und Druckstufendämpfung,<br />
Doppelscheibenbremse vorn,<br />
Ø 330 mm, Vierkolben-Festsattel,<br />
Scheibenbremse hinten, Ø 250 mm,<br />
Zweikolben-Festsattel, Traktionskontrolle,<br />
ABS.<br />
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17<br />
Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17<br />
Bereifung im Test<br />
Bridgestone Racing Street RS 10 „J“<br />
MAßE + GEWICHT<br />
Radstand 1455 mm, Lenkkopfwinkel<br />
65,5 Grad, Nachlauf 103 mm, Federweg<br />
v./h. 120/<strong>13</strong>5 mm, zulässiges<br />
Gesamtgewicht 343 kg, Tankinhalt<br />
17,0 Liter.<br />
SERVICE-DATEN<br />
Service-Intervalle 6000 km<br />
Öl- und Filterwechsel <br />
<br />
alle 6000 km 5,0 Liter<br />
Motoröl<br />
SAE 10W40<br />
Telegabelöl Kayaba KHL 15-10<br />
Zündkerzen NGK SILMAR9B9<br />
Leerlaufdrehzahl 1100 ± 100/min<br />
Reifenluftdruck solo (mit Sozius)<br />
vorn/hinten 2,5/2,9 (2,5/2,9) bar<br />
Garantie<br />
zwei Jahre<br />
FarbenChrom-Schwarz<br />
Preis<br />
25 000 Euro<br />
Nebenkosten 290 Euro<br />
Technisch bietet eine Einarmschwinge<br />
kaum Vorteile. Doch sie signalisiert das<br />
Streben nach edlem Maschinenbau<br />
Der minimalistische Rohrrahmen ist sauber<br />
geschweißt, die Fußrastenanlage von<br />
vorbildlicher Schlichtheit und Qualität<br />
Set up<br />
LANDSTRASSE<br />
GABEL<br />
Zugstufe<br />
17 Klicks von 26 offen<br />
Druckstufe<br />
14 Klicks von 30 offen<br />
Vorspannung*<br />
9 Umdrehungen<br />
Luftdruck<br />
2,5 bar<br />
FEDERBEIN<br />
Zugstufe 2 Umdrehungen offen von 3,5<br />
Druckstufe Lowspeed 10 Klicks von 23 offen<br />
Druckstufe Highspeed 1 U offen von 2,25<br />
Vorspannung*<br />
16 Klicks<br />
Luftdruck<br />
2,9 bar<br />
* Von vollständig entspannter Position aus gezählt<br />
Der zweite Gang reicht bis 157, der dritte<br />
bis 195, deshalb wird bis zum Erreichen<br />
der 200-km/h-Schwelle ein Schaltvorgang<br />
mehr nötig als in dieser Leistungsklasse<br />
üblich. Trotzdem: Von null auf 200 in sieben<br />
Sekunden ist eine entschiedene Ansage,<br />
und die positive Kehrseite der kurzen<br />
Übersetzung zeigt sich in den wahrhaft<br />
reiße rischen Durchzugswerten.<br />
Ist ein Kraftpaket wie die H2 überhaupt<br />
alltagstauglich? Abgesehen von der hohen<br />
Handkraft der Kupplungsbetätigung,<br />
kommt sie ihren Fahrern im profanen Berufsverkehr<br />
in der Stadt und über Land weit<br />
entgegen. Die direkte mechanische Koppelung<br />
von Kurbelwelle und Lader sorgt<br />
für die bereits erwähnte Kraft bei niedrigen<br />
Drehzahlen, und der lineare Aufbau der<br />
Leis tung vermeidet plötzliches Anreißen<br />
des Motors. Zudem läuft der Vierzylinder<br />
mechanisch sehr ruhig und kultiviert; vermutlich<br />
hat Kawasaki die Motorteile für<br />
die kleine Serie mit besonderer Sorgfalt zusammengestellt.<br />
Die beiden Ausgleichswellen<br />
vor und hinter dem Zylinderblock tragen<br />
den Hauptanteil zur hohen Laufkultur bei.<br />
Sittsam bewegt, hält sich die H2 sogar<br />
im Benzinverbrauch zurück. Der schon<br />
deutlich höhere Verbrauch bei konstant<br />
<strong>13</strong>0 km/h deutet jedoch an, was passiert,<br />
wenn der Kompressor häufiger auf Touren<br />
gebracht wird. Wer der Faszination erliegt<br />
und leistungsfreudig fährt, kann leicht<br />
auch weit über zehn Liter auf 100 Kilometer<br />
ab fackeln. Diese Angabe steht hier als Anachronismus,<br />
weil sie erst am Ende des Tests<br />
ermittelt wurde. Denn nach Foto-, Messund<br />
Verbrauchsmessfahrten sowie den Prüfstandsläufen<br />
war der Hinterreifen schon von<br />
den Strapazen gezeichnet. Selbst bei ziviler<br />
Fahrweise frisst ihn die H2 geradezu auf. Die<br />
Ermahnungen nahmen an Dringlichkeit zu.<br />
„Ihr solltet nicht mit zwei Kanten im Hinterreifen<br />
auf die Testrunde und in den Top-Test-<br />
Parcours gehen.“ Ja doch.<br />
TEST+TECHNIK <strong>13</strong>
Zur Traktionskontrolle KTRC gehört<br />
auch eine Wheelie-Kontrolle,<br />
deren Arbeit aber nicht immer<br />
durchschaubar ist<br />
Aufladung per Kompressor<br />
Luft-Druck<br />
Das linke Foto zeigt das Flügelrad zur Verdichtung der eingeführten Luft, das rechte<br />
die Antriebsseite des Kompressors mit Kettentrieb und Planetengetriebe<br />
Anders als beim Turbolader der Kawasaki<br />
Z 750 Turbo, bei dem das Verdichterrad<br />
vom Abgasstrom und deshalb<br />
stets verzögert angetrieben wird, ist der<br />
Kompressor der H2 mechanisch an die<br />
Kurbelwelle gekoppelt. Die Kompressorwelle<br />
wird von dort per Zahnkette in Rotation<br />
versetzt, dahinter sorgt eine starke<br />
Übersetzung mit drei Planetenrädern auf<br />
die Achse des Flügelrads für dessen extrem<br />
hohe Drehzahlen. Bis zu <strong>13</strong>0 000/min<br />
erreicht das Flügelrad, das deshalb aus<br />
äußerst hochwertigen Materialien besonders<br />
präzise gefertigt und gelagert sein<br />
muss. Voller Stolz verweisen die Kawasaki-Ingenieure<br />
in diesem Zusammenhang<br />
auf die Erfahrungen mit der Pro duktion<br />
von Turbinen, die ebenfalls zum Technologiekonzern<br />
Kawasaki Heavy Industries<br />
gehört. Der Stolz ist berechtigt, ein reiner<br />
Motorradhersteller müsste sich die technologische<br />
Kompetenz wohl von außen<br />
teuer erkaufen.<br />
Dank des mechanischen Antriebs sorgt<br />
der Kompressor bereits bei niedrigen<br />
Motordrehzahlen für eine spürbare Leistungssteigerung.<br />
Wie die Leistungskurve<br />
beweist, kennt der Motor der H2 kein<br />
sogenanntes Turboloch. Im Top-Test hat<br />
sich allerdings gezeigt, dass sich der<br />
Ladedruck im Ansaugsystem, das hier<br />
eigentlich Einblassystem heißen müsste,<br />
doch mit einer kleinen Verzögerung<br />
aufbaut. Das wird besonders deutlich<br />
bei häufigen schnellen Lastwechseln auf<br />
kurvenreichen Strecken. Saugmotoren<br />
sind für ein solches Fahrprogramm besser<br />
geeignet, weil sie rascher auf Lastwechsel<br />
reagieren können. Die nicht immer berechenbare<br />
Arbeit der elektronischen Assistenzsysteme<br />
hängt vermutlich damit<br />
zusammen. Eine Traktionskontrolle mit<br />
direktem Bremseingriff wäre wohl die<br />
bes te, weil direkt wirkende Lösung für ein<br />
Motorrad wie die H2.<br />
Weil der Kompressor auch dann Ladedruck<br />
aufbaut, wenn er nicht erwünscht<br />
ist, zum Beispiel im Schiebebetrieb, besitzt<br />
das Kompressorsystem ein Überdruckventil,<br />
das sogenannte Wastegate.<br />
Es sorgt für das markante und aufreizend<br />
klingende Zwitschern beim Gaswegnehmen.<br />
Rallye-Fans kennen dieses Geräusch,<br />
mit der H2 findet es auch Eingang<br />
in den Straßenverkehr.<br />
Wegen des Überdrucks im Einlasstrakt<br />
und wegen der höheren Drücke im Motor<br />
selbst muss dieser stärker gebaut werden<br />
als ein Saugmotor. Das im Vergleich zu<br />
1000er-Supersportlern deutlich höhere<br />
Gewicht der H2 rührt also nicht allein<br />
vom Kompressor und seinem Antrieb,<br />
sondern auch von dickeren Wandstärken<br />
von Gehäusen und Zylindern, solideren<br />
Kolben, wahrscheinlich auch stärker dimensionierten<br />
Lagern.<br />
14 TEST+TECHNIK<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Top-Test Kawasaki Ninja H2<br />
Als Referenz bei der Testrunde diente<br />
die Yamaha YZF-R1. Sie war sehr hilfreich,<br />
weil sie rasch klarstellte, was die Kawasaki<br />
H2 nicht ist: ein Supersportler. Das war zu<br />
vermuten, da sie über einen langen Radstand<br />
und einen vergleichsweise langen<br />
Nachlauf verfügt, außerdem zwischen<br />
30 und 40 Kilogramm mehr wiegt als die<br />
aktuellen Sportmotorräder. Hinzu kommt,<br />
dass 129 der insgesamt 239 Kilogramm auf<br />
dem Vorderrad lasten. Diese ungewöhnlich<br />
hohe Vorderradlast trägt zwar wie die<br />
schräg in den Fahrtwind gestellten, horizontalen<br />
Verkleidungsflächen zur lobenswerten<br />
Hochgeschwindigkeitsstabilität der<br />
H2 bei, beeinträchtigt jedoch Handlichkeit<br />
und Lenkpräzision. Forciert sportliches<br />
Fahren auf Strecken mit vielen langsamen<br />
Kurven oder im Top-Test-Parcours ist nicht<br />
ihre Sache. Sie will mit ruhiger Hand und<br />
mehr Zeit in Schräglage gebracht werden<br />
als die flink vorausturnende R1 und schiebt<br />
in weit herumgezogenen, langsam zu<br />
fahrenden Bögen spürbar übers Vorderrad.<br />
Und egal ob sich die weit nach vorne<br />
ragende Verkleidungskuppel der H2 „nur“<br />
psychologisch oder tatsächlich durch höheres<br />
Gewicht am längeren Hebelarm vor der<br />
Lenkachse bemerkbar macht, sie verstärkt<br />
das Gefühl des Untersteuerns. Auch die<br />
bisweilen harschen Lastwechsel erschweren<br />
das Fahren auf kurvigen Strecken.<br />
Die Dynamik ständiger Lastwechsel bringt<br />
noch eine weitere Eigenart des Kompressor<br />
motors zutage, die sonst gar nicht auffällt:<br />
Manchmal setzt die Leistung nach<br />
einigen Sekunden Schiebebetrieb in der<br />
Bremszone und im Kurveneingang mit<br />
winziger Ver zögerung ein, dann aber mit<br />
Macht. Dann ist rasches Reagieren gefordert,<br />
das aber keinesfalls hektisch erfolgen<br />
sollte. „Am Anfang habe ich hier so viele<br />
Fehler gemacht wie mit kaum einem anderen<br />
Motorrad, die H2 fordert alle Konzentration“,<br />
konstatierte ein sichtlich erschöpfter<br />
Top-Tester Georg Jelicic nach zahlreichen<br />
Durchgängen im schnellen und langsamen<br />
Slalom. Den wahren Kurvengenuss mit<br />
der H2 bereiten Kombinationen, die in<br />
großzügigen Schwüngen gezogen wurden.<br />
Bremsen am Limit, wie bei den Verzögerungsmessungen<br />
üblich, erfordert trotz<br />
ABS kaum weniger Konzentration. Eine<br />
Serie von Messungen ergab als mehrfach<br />
erreichten Bestwert eine hoch respektable<br />
mittlere Verzögerung von 9,6 m/s 2 . Das ist<br />
aber nur die halbe Wahrheit, denn den besten<br />
Versuchen standen auch zwei ausgesprochen<br />
schlechte entgegen, bei denen<br />
die Bremse wegen zu raschen und zu hohen<br />
Aufsteigens des Hinterrads gelöst werden<br />
musste. „Ein Abheben des Hinterrads<br />
wird durch das KIBS nicht verhindert“, steht<br />
dazu lapidar im Fahrerhandbuch. KIBS bedeutet<br />
„Kawasaki Intelligent antilock Brake<br />
System“. Doch etwas mehr Intelligenz bei<br />
der Erkennung von Stoppies würde nicht<br />
schaden, zumal die Stoppie-Neigung mit<br />
glühend heißer Bremsanlage noch zuzunehmen<br />
scheint. Hinter diesem Satz verbirgt<br />
sich übrigens ein Lob für die Brembo-<br />
Hardware der H2-Bremsanlage. Sie hält<br />
selbst zahlreiche rasch aufeinanderfolgende<br />
Messungen aus 100 km/h bis zum Stillstand<br />
durch, wobei der Druckpunkt nur<br />
ein wenig wandert und die ausgezeichnete<br />
Dosierbarkeit bloß geringfügig schlechter<br />
wird. Das will etwas heißen, weil Bremsungen<br />
bis zum Stillstand die Scheiben und<br />
Zangen mangels Fahrtwinds besonders<br />
erhitzen und die H2 ja auch ein recht<br />
schwerer Brocken ist.<br />
Wie das KIBS ist auch die KTRC (Kawasaki<br />
Traction Control) keine Vollkaskoversicherung.<br />
Beim Versuch, die nur mittelprächtigen<br />
Zeiten im langsamen Slalom zu<br />
verbessern, musste Top-Tester Georg zwei<br />
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Zug am Hinterrad mildert die Unter steu erneigung<br />
der H2. In langsamen Kurven<br />
wie dem Top-Test-Slalom tritt sie<br />
dagegen deutlich zutage<br />
Auf gefallen<br />
Eine schmale Kette hilft, Gewicht zu sparen.<br />
BMW und Yamaha verwenden selbst bei ihren<br />
starken Sportlern schmalere 525er-Ketten.<br />
Trotz ihrer gewaltigen Leistung wird die H2<br />
ebenfalls von einer solchen Kette angetrieben.<br />
Das spricht auch für deren Qualität.<br />
Der hochglänzende Lack ist sehr<br />
kratzempfindlich.<br />
Zum Ölnachfüllen<br />
muss der Einfüllstutzen<br />
mit einem Inbusschlüssel<br />
geöffnet<br />
werden. Bordwerkzeug<br />
nicht vergessen!<br />
Top-Test Kawasaki Ninja H2<br />
vehemente Rutscher trotz Traktionskontrolle<br />
selbst abfangen. Dieses Verhalten verlangte<br />
systematische Tests – „der Hinterreifen<br />
hat hoffentlich noch ein wenig Gummi<br />
auf dem Laufstreifen“ –, die in der Tendenz<br />
folgende Ergebnisse erbrachten: In der<br />
Standardeinstellung der Traktionskontrolle,<br />
der Stufe eins, die am wenigsten eingreift<br />
und die im Slalom aktiviert war, kann es<br />
beim absichtlich brachialen Beschleunigen<br />
in Schräglage tatsächlich zu heftigen Rutschern,<br />
eventuell auch zu Stürzen kommen.<br />
Wer jedoch fährt, als wäre die Traktionskontrolle<br />
nicht vorhanden, sich also beim<br />
Beschleunigen in Schräglage behutsam ans<br />
Limit herantastet, sieht die KTRC-Kontrollleuchte<br />
im Cockpit zwar ab und zu aufleuchten,<br />
spürt auch, wie die Leistung sanft<br />
wegge regelt wird, erlebt aber kein Ausbrechen<br />
des Hinterrads. Stufe zwei regelt<br />
dagegen schon sehr defensiv, man hat das<br />
Gefühl, über Gebühr gebremst zu werden.<br />
Die drei Stufen des KTRC können jeweils<br />
noch in „Normal“ und „Plus“ für stärkere sowie<br />
in „Minus“ für geringere Eingriffe unterteilt<br />
werden, und letztlich empfahlen sich<br />
die Einstellungen „zwei Minus“ oder „eins<br />
Plus“ als die besten Kompromisse. Als untauglich<br />
erwies sich der Regenmodus, selbst<br />
im Regen. Das liegt weniger an der stark<br />
minimierten Spitzenleistung, geschätzt etwa<br />
80 PS, sondern am übervorsichtigen Eingreifen<br />
der Traktionskontrolle. Sie gibt selbst<br />
bei geringster Schräg lage nur so wenig Leistung<br />
frei, dass diese nicht ausreicht, um auf<br />
einer pass ähnlichen Straße aus einer Kurve<br />
heraus einen Kleinwagen zu überholen.<br />
Generell ist es auf der H2 geboten, bei<br />
jedem Tempo höchst aufmerksam, aber<br />
gelassen zu fahren. Sie will ohne zackige<br />
Lenkmanöver auf die richtige Kurvenbahn<br />
gesetzt werden, ihr Verhalten beim scharfen<br />
Bremsen oder vehementen Beschleunigen<br />
will stets aufmerksam, nein, besonders<br />
aufmerksam beobachtet werden. Rabiate<br />
16 TEST+TECHNIK<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Fahrmanöver, die rasch ans Limit stoßen,<br />
werden ihre Fahrassistenzsysteme nicht<br />
einfangen können. Sie stammen aus der<br />
ZX-10R, wurden für die H2 adaptiert, haben<br />
aber sichtlich Schwierigkeiten, der Leistung<br />
und dem Leistungseinsatz von Motor und<br />
Bremsen hinterherzurechnen.<br />
Und jetzt? Fotos gemacht, Prüfstands- und<br />
Messfahrten erledigt, Testrunde und Parcours<br />
absolviert, Traktionskontrolle geprüft<br />
– jetzt geht’s endlich auf die Autobahn. Leider<br />
war das nicht vor nachmittags um vier<br />
möglich. So hing dieses Mal der feierabendliche<br />
Berufsverkehr an der H2 wie eine Bleikugel.<br />
Keiner konnte verstehen, welche<br />
Dynamik sie auf wenigen Hundert Metern<br />
freier linker Spur entfaltete und wie lächerlich<br />
es sich aus der Warte des H2-Fahrers<br />
ausnimmt, wenn ein ambitionierter Bürger<br />
in seinem Käfig drei Kilometer braucht, um<br />
mit 171 km/h einen anderen zu überholen.<br />
FAHRLEISTUNGEN<br />
-Messungen<br />
Höchstgeschwindigkeit 295 km/h<br />
Beschleunigung<br />
230<br />
0–100 km/h 3,1 sek<br />
220<br />
0–140 km/h 4,5 sek<br />
210<br />
0–200 km/h 7,0 sek<br />
Durchzug<br />
200<br />
140<br />
60–100 km/h 190 3,3 sek<br />
100–140 km/h 180 3,1 sek<br />
140–180 km/h 170 3,0 sek<br />
Tachometerabweichung 160<br />
effektiv (Anzeige 50/100) 48/95 150km/h<br />
Drehzahlmesserabweichung 140<br />
Anzeige roter Bereich <strong>13</strong> 100/min<br />
<strong>13</strong>0<br />
effektiv12 900/min<br />
120<br />
110<br />
VERBRAUCH<br />
100<br />
Landstraße<br />
6,2 l/100 km<br />
90<br />
bei <strong>13</strong>0 km/h<br />
7,5 l/100 km<br />
80<br />
theor. Reichweite Landstraße 274 km<br />
KraftstoffartSuper<br />
70<br />
60<br />
MAßE + GEWICHTE 50<br />
L/B/H<br />
2100/910/1120 40 mm<br />
Sitzhöhe<br />
810 30 mm<br />
Lenkerhöhe<br />
840 20 mm<br />
Wendekreis<br />
6860 10 mm<br />
Gewicht vollgetankt<br />
239 kg<br />
0<br />
Zuladung<br />
104 kg<br />
Radlastverteilung v./h. 51,9/48,1 %<br />
Motorleistung<br />
MOTOR 2<br />
170<br />
160<br />
230<br />
220<br />
210 Kawasaki Ninja H2<br />
150<br />
200 160,2 kW (218 PS) bei 11 300/min<br />
<strong>13</strong>9 Nm bei 10 800/min<br />
140 190<br />
<strong>13</strong>0<br />
180<br />
170<br />
120 160<br />
110 150<br />
100<br />
140<br />
<strong>13</strong>0<br />
90 120<br />
80 110<br />
70<br />
100<br />
90<br />
60 80<br />
50 70<br />
60<br />
140<br />
40<br />
<strong>13</strong>0<br />
50<br />
120<br />
30 40<br />
110<br />
100<br />
20 30<br />
90<br />
20<br />
80<br />
10<br />
10<br />
70<br />
kW PS<br />
60<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 <strong>13</strong> 14<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Drehmoment in Nm<br />
Geschwindigkeit in km/h<br />
GETRIEBE<br />
300<br />
280<br />
260<br />
240<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
6. 295<br />
5. 261<br />
4. 230<br />
3. 195<br />
2. 157<br />
1. 125<br />
Max.<br />
Drehzahl<br />
Nenndrehzahl<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Wie mit dem Lineal gezogen – so<br />
wird in den Lehrbüchern und im<br />
Volksmund die optimale Leistungskurve<br />
beschrieben. Die Kurven der H2<br />
kommen diesem Ideal so nahe wie<br />
noch kein anderes Motorrad zuvor.<br />
Das Gangdiagramm zeigt die kurze<br />
Übersetzung der H2, sowohl insgesamt<br />
wie auch der unteren drei Gänge.<br />
Diese Auslegung verstärkt das<br />
Gefühl brachialer Motormacht, ist in<br />
Sachen Spritverbrauch und Reifenverschleiß<br />
aber ein Nachteil.<br />
FAHRDYNAMIK<br />
Handling-Parcours I (schneller Slalom)<br />
Rundenzeit<br />
19,8 sek<br />
Referenz Street Triple<br />
19,4 sek<br />
Vmax am Messpunkt 108,0 km/h<br />
Referenz Street Triple 121,0 km/h<br />
Die Ninja untersteuert am Umkehrpunkt.<br />
Dadurch kann keine enge Linie gefahren<br />
werden. Die verzögerte Gasannahme verhindert<br />
schnellere Zeiten.<br />
Handling-Parcours II (langsamer Slalom)<br />
Rundenzeit<br />
28,2 sek<br />
Referenz Street Triple<br />
27,1 sek<br />
Vmax am Messpunkt<br />
56,1 km/h<br />
Referenz Street Triple<br />
57,0 km/h<br />
Hier stört die verzögerte Gasannahme im<br />
mittleren Drehzahlbereich enorm. Es muss<br />
im hohen Gang und rund gefahren werden.<br />
Auch hier starkes Untersteuern.<br />
Kreisbahn (Ø 46 Meter)<br />
Rundenzeit<br />
10,7 sek<br />
Referenz Street Triple 10,1 sek<br />
Vmax am Messpunkt<br />
53,9 km/h<br />
Referenz Street Triple<br />
54,1 km/h<br />
Einmal in Schräglage gebracht, fährt die<br />
Ninja wie auf Schienen. Auch die Trennfuge<br />
bringt das Fahrwerk nicht aus der<br />
Spur. Große Schräglagenfreiheit.<br />
1<br />
Verzögerung in m/s 2<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
BREMSEN<br />
2<br />
0<br />
Zeit t<br />
Mittlere Bremsverzögerung: 9,6 m/s 2 , entspricht<br />
einem Bremsweg von 40,2 m aus 100 km/h<br />
Bremsmessung aus 100 km/h<br />
Bremsweg<br />
Referenz BMW HP 4 (Sport-Modus)<br />
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000 11000 12000 <strong>13</strong>000 14000<br />
50<br />
Der steile erste Anstieg der Verzögerung<br />
reicht bis 11 m/s² und verdeutlicht<br />
das Potenzial der Bremsanlage.<br />
Sie ist der hohen Leistung und<br />
dem Fahrzeuggewicht stets gewachsen.<br />
Auch nach dem Einsetzen der<br />
Regelvorgänge bleibt die Verzögerung<br />
auf hohem Niveau. Dass daraus<br />
die mehrfach erwähnten Stoppies<br />
erwachsen können, nimmt Kawasaki<br />
wahrscheinlich bewusst in Kauf.<br />
Restgeschwindigkeit<br />
20,1 km/h<br />
40,2 m<br />
41,9 m<br />
Bei einer Vollbremsung<br />
hebt das Hinterrad<br />
mitunter rasch und weit<br />
ab. Dann muss die<br />
Bremse kurz geöffnet<br />
werden, sonst droht<br />
der Überschlag<br />
1<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Testparcours, Werte vom Bremsentest aus den drei besten Fahrversuchen gemittelt; Referenz: Motorrad aus der jeweiligen Kategorie mit den bisherigen Bestwerten;<br />
2<br />
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %<br />
www.motorradonline.de TEST+TECHNIK 17
Konkurrenz <br />
BMW K <strong>13</strong>00 S<br />
Motorsport<br />
175 PS, Gewicht 259 kg,<br />
0–100 km/h: 2,9 sek,<br />
Vmax: 285 km/h,<br />
Verbrauch: 5,1 Liter, ABS,<br />
20 620 Euro*<br />
Ducati<br />
1299 Panigale S<br />
205 PS, Gewicht 194 kg,<br />
0–100 km/h: 3,2 sek,<br />
Vmax: 299 km/h,<br />
Verbrauch: 5,4 Liter, ABS,<br />
25 795 Euro*<br />
Kawasaki ZZR 1400<br />
200 PS, Gewicht 267 kg,<br />
0–100 km/h: 2,9 sek,<br />
Vmax: 298 km/h,<br />
Verbrauch: k. A., ABS,<br />
15 975 Euro*<br />
* inklusive Nebenkosten<br />
Top-Test Kawasaki Ninja H2<br />
Das muss auch niemand verstehen,<br />
deshalb fuhr der Autor und zeitweilige H2-<br />
Fahrer leicht frustriert nach Hause, stellte<br />
das Motorrad ab und setzte sich in einen<br />
Gartenstuhl daneben. In der langsam einkehrenden<br />
Muße erfreute er sich an der<br />
gediegenen Verarbeitung der exklusiven<br />
Kawa, die leicht hitzeflimmernd und leise<br />
knisternd abkühlte. Die Restprofiltiefe<br />
des Hinterreifens betrugt nach knapp 1400<br />
Kilometern noch 1,9 Millimeter in der Mitte.<br />
Und er nahm sich vor, am kommenden<br />
Sonntag ganz früh aufzustehen.<br />
www.motorradonline.de/kawasaki<br />
Fazit <br />
Die Kawasaki H2 ist ein exklusives,<br />
mit feinen Komponenten<br />
ausgestattetes und sehr starkes<br />
Motorrad. Leichter und sportlicher<br />
als ihre dicke Schwester<br />
ZZR 1400, aber schwerer und<br />
träger als aktuelle Supersportmaschinen,<br />
steht sie zwischen<br />
beiden Gattungen. Trotz ABS<br />
und Traktionskontrolle fordert<br />
sie beim Bremsen und beim Einsatz<br />
ihrer Leistung einen stets<br />
hoch konzentrierten Fahrer.<br />
Und solvent sollte er auch sein.<br />
Fotos: Hersteller<br />
MOTOR<br />
-Punktewertung<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
Kawasaki<br />
Ninja H2<br />
Durchzug 40 37<br />
Beschleunigung 40 38<br />
Topspeed 30 30<br />
Motorcharakteristik 30 28<br />
Ansprechverhalten 20 11<br />
Lastwechsel 20 <strong>13</strong><br />
Laufruhe 20 14<br />
Kupplung 10 7<br />
Schaltung 20 14<br />
Getriebeabstufung 10 9<br />
Starten 10 8<br />
Summe 250 209<br />
FAHRWERK<br />
Handlichkeit 40 24<br />
Stabilität in Kurven 40 37<br />
Lenkverhalten 40 31<br />
Rückmeldung 10 8<br />
Schräglage 20 19<br />
Geradeauslaufstabilität 20 18<br />
Fahrwerksabstimmung vorn 20 15<br />
Fahrwerksabstimmung hinten 20 15<br />
Einstellmöglichkeiten Fahrwerk 10 6<br />
Federungskomfort 10 5<br />
Fahrverhalten mit Sozius 20 0<br />
Summe 250 178<br />
ALLTAG<br />
Ergonomie Fahrer 40 22<br />
Ergonomie Sozius 20 0<br />
Windschutz 20 8<br />
Sicht 20 <strong>13</strong><br />
Licht 20 11<br />
Ausstattung 30 18<br />
Handhabung/Wartung 30 18<br />
Gepäckunterbringung 10 0<br />
Zuladung 10 3<br />
Reichweite 30 15<br />
Verarbeitung 20 18<br />
Summe 250 126<br />
SICHERHEIT<br />
Bremswirkung 40 34<br />
Bremsdosierung 30 27<br />
Bremsen mit Sozius/Fading 20 0<br />
Aufstellmoment beim Bremsen 10 7<br />
ABS-Funktion 20 16<br />
Lenkerschlagen 20 16<br />
Bodenfreiheit 10 7<br />
Summe 150 107<br />
KOSTEN<br />
Garantie 30 15<br />
Verbrauch (Landstraße) 30 <strong>13</strong><br />
Inspektionskosten* 20 11<br />
Unterhaltskosten 20 3<br />
Summe 100 42<br />
GESAMTWERTUNG 1000 662<br />
Preis-Leistungs-Note<br />
Bestnote<br />
1,0 4,0<br />
*Vorläufige Wertung, endgültige Vorgaben noch nicht verfügbar<br />
DIE ERSTEN VIER DISZIPLINEN KÜNDEN VON DER<br />
MACHT DES H2-ANTRIEBS. Weniger gut gelang das<br />
Ansprechverhalten, das trotz ordentlicher Mechanik<br />
auch zu recht harten Lastwechseln führt. Gut dosierbar<br />
ist die Kupplung, leider verlangt die Betätigung wegen<br />
starker Federn hohe Handkräfte, die im Stadtverkehr<br />
ganz schön anstrengend werden können. Der Schaltassistent<br />
arbeitet erst bei höheren Drehzahlen ab etwa<br />
6000/min richtig geschmeidig, darunter empfiehlt sich<br />
Schalten mit Kupplungseinsatz.<br />
DIE BESTEN SUPERSPORTLER ERREICHEN IM KRI-<br />
TERIUM HANDLICHKEIT vier bis fünf Punkte mehr als<br />
die H2, und beim Lenkverhalten ergeben sich ähnlich<br />
große Differenzen. Bedächtige Einlenkmanöver<br />
empfehlen sich auf der starken Kawasaki, dafür ist die<br />
Stabilität in Kurven und geradeaus bei Hochgeschwindigkeit<br />
vorbildlich. Weil die H2 erst gar keinen Soziusplatz<br />
besitzt, verliert sie viele Punkte in der Gesamtwertung.<br />
Wer sich für sie interessiert, muss genauer<br />
hinsehen und sich anhand der Einzelwertungen über<br />
ihre Qualitäten informieren.<br />
NICHT NUR WEGEN DER FEHLENDEN MÖGLICH-<br />
KEITEN, GEPÄCK ZU TRANSPORTIEREN, nimmt es<br />
die H2 nicht so wichtig mit der Alltagstauglichkeit. Der<br />
Windschutz wird erst in stark gebückter Haltung gut,<br />
die Ausleuchtung der Fahrbahn bei Nacht hat man<br />
auch schon besser gesehen und die Reichweite mit einer<br />
Tankfüllung verdient auch nur bei äußerst zurückhaltender<br />
Fahrweise die hier vergebene Punktzahl.<br />
Wer weckt, was in ihr steckt, wird viele neue Tankstellen<br />
kennenlernen.<br />
VORSICHT BEI BORDSTEINEN: DIE WEIT NACH<br />
UNTEN RAGENDE ÖLWANNE versorgt den Motor zwar<br />
auch bei voller Beschleunigung zuverlässig mit Schmierstoff,<br />
erfordert jedoch Aufmerksamkeit. Bewährte<br />
Brembo-Zangen mit mächtigen 330er-Scheiben sorgen<br />
für gute Noten bei den Bremswertungen. Die ABS-Funktion<br />
im Grenzbereich dürfte besser berechenbar sein.<br />
UNTERHALTSKOSTEN SIND SO GAR NICHT DAS THE-<br />
MA DER H2, zumal sie ihren Hinterreifen regelrecht<br />
aufzufressen scheint. Auch dann, wenn nicht ständig<br />
Vollgas auf der Autobahn gefahren wird.<br />
DER EXKLUSIVE PREIS und eine mittelprächtige Punktzahl<br />
lassen keine bessere Note zu. Wer sowieso nicht<br />
mit Sozius fahren will, kann sie sich besser rechnen.<br />
18 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
N E W S<br />
„Entscheidungen nicht mehr<br />
nachvollziehbar“<br />
Interview über die Hintergründe des Rauswurfs:<br />
Paul Liao, seit 2007 Boss des chinesischen Helmherstellers<br />
LS2 mit Sitz in Barcelona und jetzt alleiniger<br />
Geschäftsführer von Hein Gericke, erklärt die überraschende und sofortige Trennung von seinen beiden<br />
Mitgeschäftsführern, knapp ein Jahr nachdem sie von Polo zu Gericke gewechselt waren (siehe Heft 12/<strong>2015</strong>).<br />
Foto: Hertie<br />
? Herr Liao, was waren die<br />
Beweggründe für die Umstrukturierungen<br />
im Management?<br />
! Die sehr ambitionierte<br />
Umsatzplanung der ehemaligen<br />
Geschäftsführung für das<br />
Jahr <strong>2015</strong> erwies sich zunehmend<br />
als nicht realistisch. Es<br />
wurde zudem nicht rechtzeitig<br />
auf die Umsatzentwicklung<br />
reagiert. Durch die vorgenommene<br />
Verschlankung in der<br />
zweiten Führungsebene haben<br />
wir eine Kosten- und Managementstruktur<br />
erreicht, die<br />
der jetzigen Größe des Unternehmens<br />
entspricht.<br />
? Hein Gericke war erst seit<br />
Paul Liao, Chef von Helmhersteller Kurzem neu aufgestellt, wäre es nicht<br />
LS2 und seit 2014 HG-Boss<br />
besser gewesen, mit der bestehenden<br />
Mannschaft weiterzumachen?<br />
! Das Vertrauensverhältnis in die Geschäftsführung hat unter<br />
anderem durch die Verfehlungen der Umsatzziele stark gelitten.<br />
Zudem waren die Zielsetzungen, Handlungsweisen und Personalentscheidungen<br />
der ehemaligen Geschäftsführung nicht mehr<br />
nachvollziehbar.<br />
? Wer wird die Aufgaben der bisherigen Geschäftsführer übernehmen,<br />
und sind schon Nachfolger benannt?<br />
! Es wird keine Nachfolger geben. Ich werde zusammen mit<br />
unseren sehr kompetenten Hein Gericke-Mitarbeitern die anstehenden<br />
Aufgaben übernehmen. Es war nicht unsere Absicht,<br />
lediglich einzelne Spieler auszuwechseln, sondern die Mannschaft<br />
neu aufzustellen und mit einer optimierten Taktik anzutreten.<br />
? Was ändert sich im Tagesgeschäft durch die Umstrukturierung?<br />
! Unser Tagesgeschäft ändert sich derart, dass die Entscheidungswege<br />
kürzer sind und jeder Mitarbeiter auch mehr in der<br />
Ver antwortung steht. Wir können noch besser auf die Bedürfnisse<br />
des Marktes reagieren.<br />
? Sind weitere Änderungen in der Belegschaft geplant?<br />
! Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Firma werden<br />
sich immer wieder mal Änderungen im Personalbereich ergeben.<br />
Dies geschieht in jedem Unternehmen. Man trennt sich von<br />
Mitarbeitern, oder Mitarbeiter kündigen. Eine Kündigung darf<br />
jedoch immer nur das letzte Mittel sein.<br />
Kawa-Crosser KX 450 F für 2016<br />
Nicht grundlegend überarbeitet, aber doch etwas modifiziert,<br />
geht der 450er-Crosser von Kawasaki 2016 an den<br />
Start. Als wichtigste Änderung bezeichnet Kawasaki eine<br />
„signifikante“ Gewichtseinsparung von rund drei Kilo an Motor<br />
und Fahrwerk. Modifikationen an Zylinderkopf, Einlassventilen,<br />
Auslasssteuerzeiten und Abgassystem sollen den Einzylinder<br />
druckvoller machen. Ein FLACHERER TANK und eine angepasste<br />
Optional gibt’s ein Abstimmungskit<br />
für die<br />
Einspritzung zur Kawa<br />
Sitzbank sollen dem Fahrer eine<br />
bessere Bewegungsfreiheit<br />
bieten.<br />
Neues Licht aus alten Teilen<br />
Sein Vater hatte Andrew Ziec aus Chicago gelehrt, dass<br />
man alles noch gebrauchen kann. Und so fand er die alten<br />
Ersatzteile seiner Yamahas zu schade zum Wegwerfen. Die Idee<br />
war geboren: Gebrauchsartikel aus Kurbelwellen, Gangrädern,<br />
alten Ritzeln. Eine Serie Barhocker aus Gabelholmen und Bremsscheiben<br />
machte den<br />
Anfang, dann kam<br />
die Nachttischlampe<br />
mit Gangrad als Fuß<br />
und LEDS im Kolbenhemd:<br />
ab 415 US-<br />
Dollar, Kontakt via<br />
Facebook (Andrew<br />
Ziec) oder etsy.com<br />
(AZCustomFab).<br />
Foto: Kawasaki<br />
Fotos: AZCustomFab<br />
Pleuel mit Yamaha-<br />
Schriftzug und XS<br />
650-Zündschloss<br />
als Schalter: Lampe<br />
von AZCustomFab<br />
20 NEWS <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Fotos: Bilski<br />
Rückruf für Öhlins-Federbein<br />
Wegen eines Herstellungsfehlers kann sich bei TTX-Federbeinen<br />
die Verschraubung der Kolbenstange lösen, warnt<br />
Öhlins seit Wochen die Besitzer von Nachrüst-Dämpfern TTX GP,<br />
TTX RT und TTX 36. Motorräder mit solchen Federbeinen dürfen<br />
nicht mehr bewegt werden, es besteht „LEBENSGEFAHR“, so<br />
der Hersteller auf<br />
seiner Website. Dort<br />
können Besitzer<br />
anhand der Produktionsnummer<br />
klären, ob ihr Federbein<br />
unter den<br />
Rückruf fällt. Weil<br />
der TTX-Dämpfer<br />
Gefahr vom Federbein:<br />
Honda Fireblade SP<br />
von 11/20<strong>13</strong> bis 3/<strong>2015</strong><br />
stehen lassen: Der TTX-<br />
Dämpfer kann sich<br />
lösen<br />
auch als Serienteil<br />
in der Honda Fireblade<br />
SP verbaut ist,<br />
ruft Honda jetzt europaweit 829<br />
SPs zurück, in Deutschland 229. Die<br />
Halter wurden angeschrieben. Die<br />
betroffe nen Federbeine müssen zu<br />
Öhlins geschickt werden, Reparaturdauer:<br />
sieben bis zehn Tage. Das<br />
Federbein ist auch in DUCATIS<br />
PANI GA LE 1199 S/R, 1299 S<br />
UND SUPERLEGGERA<br />
Serie. Ein Rückruf<br />
von Ducati ist in<br />
Vorbereitung.<br />
Foto: vimeo.com<br />
Urteil: längere Fahrtenbuchauflage<br />
Behörden können Biker bei Verstößen zu längerer Fahrtenbuchpflicht<br />
als Autofahrer verdonnern, hat das Bundesverwaltungsgericht<br />
Leipzig bestätigt. Konkret war ein Motorradfahrer<br />
mit 97 km/h bei erlaubten 70 geblitzt worden – Fahrer auf<br />
dem Foto nicht zu erkennen. Also gab der Halter an, nicht zu<br />
wissen, wer gefahren sei. Folge: 15 MONATE Fahrtenbuchpflicht,<br />
drei mehr als für Autofahrer üblich – verhängt durch das Landratsamt<br />
Stade. Korrekt, urteilten die Richter, da das Motorrad nur<br />
saisonal bewegt werde und die Pflicht im Winter nutzlos sei.<br />
Film: das Auf und Ab des Erik Buell<br />
Ungünstiger hätte der Erscheinungstermin nicht sein<br />
können: Exakt zur Firmenpleite von Erik Buell Motorcycles EBR<br />
(Heft 10/<strong>2015</strong>) erschien in den USA die Filmdokumentation<br />
über Buells Comeback,<br />
nachdem Harley sich<br />
2009 von dem Ingenieur<br />
getrennt und<br />
die Sportmarke aufgegeben<br />
hatte. Den Film<br />
„The Ragged Edge“<br />
GIBT’S ALS STREAM<br />
UND DOWNLOAD<br />
auf der Videoplattform<br />
www.vimeo.com<br />
(englisch, 5 US-Dollar).<br />
CLASSIC RIDE,<br />
ULTIMATE PERFORMANCE.<br />
NEUER SPORTEC KLASSIK.<br />
Erlebe ein neuartiges Fahrgefühl durch<br />
den Einsatz modernster Reifentechnologie.
N E W S<br />
Studie: klar<br />
zum Baggern<br />
Nein, die BMW-Studie Concept 101 hat weder mit<br />
plumper Anmache noch mit Erdaushub zu tun. Sie<br />
ist Bayerns Version eines in den USA angesagten Stils.<br />
Vorn hoch und breit, dann nach hinten tropfenförmig ins<br />
spitze, tiefliegende Heck auslaufend. Dieser von 50er-Jahre-<br />
Straßenkreuzern inspirierte Look beschreibt im Wesentlichen<br />
einen „Bagger“, wie ihn Customizer derzeit gerne bauen. Ein Trend,<br />
dem sich BMW nicht verschließen will. Darauf deutet nicht nur das<br />
hier gezeigte EINZELSTÜCK Concept 101 hin (die 101 entspricht<br />
den 1649 Kubikzentimetern des Sechszylinders, umgerech net in<br />
US Cubic Inches). Bereits mehrfach zeigte <strong>MOTORRAD</strong> Erlkönigfotos<br />
der BMW K 1600 mit Design anleihen<br />
aus dieser Stilrichtung (20/2014, 9/<strong>2015</strong>).<br />
Die Konzeptstudie soll nun zeigen, was<br />
machbar ist und bei Custom-Fans offenbar<br />
Appetit anregen – vor allem in den USA,<br />
wo die Concept 101 auch entstand.<br />
Fotos: BMW<br />
Geöltes Echtholz – die erste BMW aus<br />
nachwachsenden Rohstoffen? Nicht<br />
ganz, der Rest der Verkleidung ist Alu<br />
Auf acht Routen zum Bikertag <strong>2015</strong><br />
Auf geht’s: Am Sonntag, 21. Juni, ist Bikertag in Stuttgart!<br />
Wer will, kann auf einer von acht Routen gemeinsam mit Tausenden<br />
anderen Bikern auf der von Polizei<br />
und Fahrlehrern geführten Sternfahrt<br />
zum Gelände der neuen Messe<br />
Stuttgart anrollen (alle Infos auf<br />
www.bikertag.de). Dort geht es ab<br />
10 Uhr los mit Programm, Infoveranstaltungen<br />
rund ums Thema Sicherheit,<br />
Shows und Livemusik. Ebenfalls<br />
dabei ist die Redaktion <strong>MOTORRAD</strong>,<br />
deren Testfahrer in spektakulären<br />
Showfahrten demonstrieren, was<br />
moderne Bikes heute können (Foto).<br />
Foto: Jahn<br />
Customparts für XJR <strong>13</strong>00 und XV 950<br />
Zwei neue Bikes aus Yamahas Yard-Built-Reihe zeigen, was<br />
mit einer XJR und einer XV 950 machbar ist: Der Spanier Matt<br />
Black tunte den V-Twin unter anderem mit 21-Zoll-Rädern, Springergabel<br />
und PLEXIGLAS am Zylinderkopf. Aus Portugal stammt<br />
die mit Monocoque, Upside-down-Gabel der R1 und Drahtspeichenrädern<br />
umgebaute XJR. Die Teile sind einzeln zu bestellen.<br />
Neue Hoffnung für Marzocchi?<br />
Der italienische Zulieferer VRM hat Interesse am angeschlagenen<br />
Federelemente-Bauer Marzocchi. Dessen US-Mutterkonzern<br />
Tenneco hatte im April angekündigt, sich aus dem<br />
Motorradgeschäft zurückzuziehen und das Werk zu schließen<br />
(<strong>MOTORRAD</strong> 10/<strong>2015</strong>). Kaufinteressent VRM ist wie Marzocchi ein<br />
Zulieferer aus der Nähe Bolognas, entwickelt Prototypen und<br />
fertigt Serien- und Zubehörteile wie den Heckrahmen der Ducati<br />
Multistrada und den Rahmen der MV Agusta F3. In nur zehn Jahren<br />
verwandelte Firmenchef Florenzo Vanzetto VRM vom Familienbetrieb<br />
mit sieben Angestellten in einen Mittelständler mit<br />
200 Beschäftigten und 37 Millionen Euro Umsatz. Noch im Juni<br />
will Vanzetto einen Übernahmeplan für Marzocchi vorlegen.<br />
Yard-Built-XV 950 mit Teilen von www.mattblack.eu<br />
Die XJR-Teile aus Portugal gibt’s bei www.itrocksbikes.com<br />
Fotos: Yamaha<br />
22 NEWS <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Fotos: jkuenstle.de, privat Foto: Archiv<br />
Heavy unterwegs: die zehn Zuladungs-Spitzenreiter<br />
Zwei nicht magersüchtige Erwachsene plus Urlaubsgepäck für drei Wochen?<br />
Da geht so manches aktuelle Motorrad schon mal in die Knie – zumindest gemessen<br />
an der Maximalzuladung laut Papieren. Nicht so diese zehn Modelle:<br />
Ducati: Deutschland-Chef wechselt<br />
Marcel Driessen folgt Walter Bauer (l.),<br />
Stillschweigen über die Hintergründe<br />
Victory Magnum<br />
Harley-Davidson Road King Classic<br />
Harley-Davidson Street Glide Special<br />
Indian Chieftain<br />
Triumph Trophy SE<br />
Harley-Davidson Road Glide Special<br />
Triumph Thunderbird Commander<br />
Victory Vision Tour<br />
BMW F 800 GS<br />
Kawasaki 1400 GTR<br />
248 kg<br />
246 kg<br />
245 kg<br />
243 kg<br />
239 kg<br />
232 kg<br />
232 kg<br />
230 kg<br />
229 kg<br />
227 kg<br />
Walter Bauer, seit 2005 Chef der<br />
deutschen Ducati-Zentrale in Köln,<br />
hat seinen Helm genommen. Für ihn<br />
kommt Marcel Driessen als neuer Geschäftsführer.<br />
Er soll VON KÖLN AUS den<br />
Markt in Deutschland und der Schweiz<br />
koordinieren. Driessen (46) ist bei Ducati<br />
kein Unbekannter. Der Deutschniederländer<br />
war bis 2006 u. a. Verkaufschef der<br />
Niederlassung. Ab 2010 war Driessen<br />
Boss von BMW Motorrad Frankreich.<br />
kurz notiert<br />
Neuer 125er-Roller<br />
Mit dem N-Max bietet Yamaha ab Juli<br />
einen sportlichen 125er-Scooter für<br />
den Alltagseinsatz in der<br />
City. Der Viertakter (9 kW/<br />
12 PS) ist neu konstruiert,<br />
die vier Ventile werden<br />
va riabel gesteuert, was für<br />
Spar samkeit und Druck sorgen<br />
soll. Mit ABS. 2895 Euro.<br />
Foto: Yamaha<br />
Dainese D-air Armor<br />
Daineses neueste Airbag-Technik heißt D-air<br />
Armor, braucht keine am Motorrad installierte<br />
Hardware mehr und soll auch in Kombis anderer<br />
Hersteller einsetzbar sein.<br />
Älteste Kawasaki gesucht<br />
Kawasaki Deutschland<br />
feiert <strong>2015</strong> sein 40-<br />
Jähriges und sucht aus<br />
diesem Anlass die älteste<br />
Kawa Deutschlands (Datum der Erstzulassung<br />
entscheidet, mehr auf kawasaki.de). Gefeiert<br />
wird das Jubiläum vom 15. bis 16. August mit<br />
den Kawasaki Days beim Schottenring Grand<br />
Prix. Programm: Probefahrten, Bike-Ausstellungen,<br />
Händler, Clubs, Stuntshows.<br />
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Vergleichstest Power-Nakeds<br />
K<br />
WINDSTÄRKE<br />
NEUN<br />
24 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
APRILIA<br />
TUONO V4 1100 RR<br />
ab Seite 27<br />
SUZUKI<br />
GSX-S 1000<br />
ab Seite 29<br />
KTM<br />
1290 SUPER DUKE R<br />
ab Seite 30<br />
BMW<br />
S 1000 R<br />
ab Seite 32<br />
DUCATI<br />
MONSTER<br />
1200 S STRIPE<br />
ab Seite 33<br />
MV AGUSTA<br />
BRUTALE<br />
1090 RR CORSA<br />
ab Seite 34<br />
HONDA<br />
CB 1000 R<br />
ab Seite 37<br />
TRIUMPH<br />
SPEED 94<br />
ab Seite 38<br />
KAWASAKI<br />
Z 1000<br />
ab Seite 40<br />
Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Neun der stärksten Naked Bikes aller Zeiten<br />
treffen zum großen Vergleichstest aufeinander. Brandneue, frisch renovierte<br />
oder längst erprobte Maschinen. 31 Zylinder, <strong>13</strong>52 PS und eine Frage: Welche<br />
ist der beste Kraft-Nackedei des Jahrgangs <strong>2015</strong>?<br />
Von Peter Mayer und Johannes Müller; Fotos: fact, Yamaha (1)<br />
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TEST+TECHNIK 25
APRILIA<br />
TUONO V4 1100 RR<br />
Analoger Drehzahlmesser, digitale Zusatzeinheit.<br />
Hervorragend ablesbar, aber die<br />
Menüführung verlangt Eingewöhnung<br />
Bananarama: Die polierte Bananenschwinge ist<br />
wunderschön und ein Alleinstellungsmerkmal.<br />
Die Schutzfolie löst sich aber<br />
Knackfrisches Sportlerderivat: Man sieht der<br />
Tuono schon im Stand ihre Herkunft an.<br />
So viel Superbike steckt nicht mal in der BMW<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
Unverkleidete Motorräder mit<br />
viel bis sehr viel Leistung, das<br />
sind Power-Nakeds. Die nackten<br />
Kanonen verkörpern wie keine<br />
andere Fahrzeugkategorie die pure, unverfälschte<br />
Lust am Fahren. Zügig, auf der<br />
Landstraße, einfach so, aus Lust an der Freude.<br />
Vergesst Alukoffer, Zusatzscheinwerfer<br />
und beheizbare Sitzbänke. Motoren mit<br />
reichlich Schmackes, knackige Fahrwerke,<br />
die auch auf Buckelpisten nicht die Segel<br />
streichen, aufrecht-sportliche Ergonomie –<br />
das macht die Kraft-Nackedeis zum idealen<br />
Wetzeisen abseits der Rennstrecke. Aber<br />
welche ist die Beste? Das herauszufahren,<br />
ist das Ziel des großen Power-Naked-Vergleichs<br />
<strong>2015</strong>.<br />
Ein bunter Haufen hat sich dazu versammelt,<br />
alles, was Rang und Namen hat.<br />
Die Preise bewegen sich zwischen rund<br />
10 500 (Honda) und 22 500 Euro (MV Agusta).<br />
Dafür gibt es japanische Vierzylinder<br />
zwischen 125 und fast 160 PS, einen Vau-<br />
Zwei und einen Vau-Vier sowie die exotische<br />
MV Agusta aus Italien, einen Drilling<br />
aus England und schließlich die beiden<br />
Über-Nakeds des letzten Jahres, BMW<br />
S 1000 R und KTM 1290 Super Duke R aus<br />
Deutschland respektive Österreich. Nur<br />
Yamaha war leider nicht in Partystimmung,<br />
erteilte der FZ1 Hausarrest (siehe Kasten<br />
26 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Seite 33), Benelli verkauft die TnT nur noch<br />
außerhalb Europas, Moto Morini (Corsaro)<br />
und Bimota (DB9) besitzen kaum noch Relevanz.<br />
Für BMW tritt eben das reinrassige<br />
Naked Bike S 1000 R statt des entblätterten<br />
Sporttourers K <strong>13</strong>00 R an. Damit genug des<br />
Vorgeplänkels. Helm auf, Musik an!<br />
APRILIA TUONO V4 1100 RR<br />
Los geht es mit der Jüngsten im Bunde.<br />
Für die aktuelle Saison neu aufgelegt, trägt<br />
die Aprilia Tuono noch immer ganz viel<br />
RSV4 im Herzen, ihres Zeichens immerhin<br />
Siegerin des Rennstrecken-Masterbike<br />
<strong>2015</strong>. Weniger Verkleidung, Stange statt<br />
Stummellenker, gekappte Spitzenleistung,<br />
aber 77 Kubikzentimeter mehr Hubraum –<br />
fertig ist ein hochgradig emotionaler Straßensport-V4<br />
mit so viel Race-DNA, dass<br />
sie förmlich aus jeder Schweißnaht tropft.<br />
Im Vergleich allerdings zur enorm<br />
spitzen Vorgängerin hat die neue Tuono<br />
dank Hubraumerweiterung und kürzerer<br />
Übersetzung deutlich an Punch im Keller<br />
und damit Landstraßen-Performance zugelegt.<br />
Unten verbindlich, in der Mitte sehnig,<br />
oben explosiv – ein herrlicher Motor, der<br />
in Sachen Fahrleistungen zusammen mit<br />
BMW und Suzuki die Messlatte legt. Und<br />
dann diese Akustik! Im Stand hämmert<br />
der 65-Grad-V4 martialisch, ändert beim<br />
Hochdrehen seine Tonlage mehrmals, um<br />
schließlich mit infernalischem Zorn Richtung<br />
Begrenzer zu feuern. Für viele der am<br />
Mehr Sein als Schein: Mit etwas weniger aggres siver<br />
Optik jagt die GSX-S nicht dem Zeitgeist hinterher.<br />
Auch eine Form von Selbstbewusstsein<br />
SUZUKI<br />
GSX-S 1000<br />
Das reicht: Ohne überbordende elektronische<br />
Einstellmöglichkeiten bleibt auch das<br />
Display aufgeräumt und übersichtlich<br />
Multinationale Verzögerung: Druckmodulator<br />
von Bosch, Bremssattel von<br />
Brembo, Scheibe von Suzuki<br />
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TEST+TECHNIK 27
KTM 1290 SUPER DUKE R<br />
Das Beste aus zwei Welten: analoger Drehzahlmesser<br />
mit zwei digitalen Zusatzdisplays.<br />
Sehr gut ablesbar und übersichtlich<br />
Direkt durchgeschüttelt? Nicht ganz, aber<br />
das Ansprechen des direkt angelenkten<br />
Federbeins lässt etwas Sensibilität vermissen<br />
Kiskas Meisterstück? Fans des Oberherzogs<br />
sagen Ja. Proportionen und<br />
Präsenz sind spektakulär<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
besten klingende Motor überhaupt, für<br />
einige eine Zumutung.<br />
Ansprechverhalten und Lastwechsel<br />
könnten geschmeidiger sein. Doch nicht<br />
der Antrieb, sondern das Chassis setzt das<br />
eigentliche Highlight. Fahrwerke bauen<br />
können sie in Noale, das beweisen 54 WM-<br />
Titel und das agile, präzise Einlenken der<br />
Tuono. Sie setzt schon kleinste Impulse<br />
in Richtungsänderungen um, sticht dann<br />
neutral und stabil durch Kurven aller Art.<br />
Die Federelemente sprechen höchst sensibel<br />
an, morsen Straßenverhältnisse mit<br />
großer Transparenz zum Piloten, und das<br />
Standard-Setup trifft für zügiges Landstraßenfahren<br />
die goldene Mitte zwischen<br />
straff und komfortabel. Die Sitzposition<br />
unterstreicht das knackige Handling, auf<br />
der Tuono lauert man regelrecht: hoch,<br />
mit spitzem Kniewinkel, sehr zum Vorderrad<br />
orientiert. Gut fürs Gefühl, aber auf Dauer<br />
auch fordernd.<br />
In Sachen Elektronik ist die RR gänzlich<br />
auf der Höhe der Zeit und muss sich<br />
lediglich der vollgepackten BMW geschlagen<br />
geben. Ihre achtstufige Traktionskontrolle<br />
funktioniert, unterstützt durch<br />
modernste Schräglagensensorik, ausgezeichnet<br />
und lässt sich als einzige im Feld<br />
während der Fahrt einfach justieren. Ein<br />
sportliches Bosch-ABS und die Wheelie-<br />
28 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Kontrolle komplettieren das verlässliche<br />
Sicherheitsnetz.<br />
Die Aprilia ist ohne Frage die ungezähmteste,<br />
am schärfsten fokussierte Maschine im<br />
Feld. Der wilde Ritt auf der Hausstrecke, eine<br />
Ladung Super durch die Einspritzdüsen jagen,<br />
das mag sie am liebsten. Hier liegt auch der<br />
Hauptgrund, wa rum es nicht für eine bessere<br />
Platzierung reicht. Der V4 liebt Benzin, und<br />
wer könnte ihm das übel nehmen? Trotzdem,<br />
wegen ihres hohen Verbrauchs (6,5 l/100 km)<br />
und der kürzesten Reichweite (285 km) lässt sie<br />
viele Punkte liegen und fällt dadurch zurück.<br />
Wem das egal ist und wer es gern richtig sportlich<br />
mag, der sollte sich die Tuono ansehen.<br />
Ein faszinierendes Motorrad.<br />
SUZUKI GSX-S 1000<br />
Eins steht fest: Die Konkurrenz war schneller.<br />
Viel schneller. Triumph mit der 1994 kreierten<br />
Speed Triple sowieso. Aber auch Kawa mit<br />
der Z 1000 (2003), Yamaha mit der FZ1 (2006)<br />
und Honda mit der CB 1000 R (2008). Und<br />
Suzuki? Schickt nach der nicht mehr produzierten<br />
B-King den zweiten Kraft-Nackedei erst<br />
jetzt auf die Straße. Im Jahr <strong>2015</strong>. Und wer<br />
nun vermutet, dass die neue GSX-S 1000 deshalb<br />
den mit Elektronik vollgepfropften und<br />
zeitgeistig konzipierten Nudisten von Aprilia,<br />
BMW oder Ducati mit gleichen Mitteln an die<br />
nackte Haut will, der täuscht sich.<br />
Kanten, Ecken, stilistisch dokumentierte<br />
Aggression? Fehlanzeige. Rundungen dominieren<br />
die Optik. Elektro-Komplettinstallation?<br />
Auch kein Thema. Eine dreistufige Traktionskontrolle<br />
muss reichen. Auweia, die Chance<br />
der späten Geburt verpasst? Nicht zu vorschnell<br />
urteilen.<br />
Stattdessen gleich einen Blick auf die Fahrleistungen<br />
werfen. Denn mit dem um 1,7 mm<br />
langhubigeren Motor aus dem 2007er-Modell<br />
der GSX-R dost die GSX-S in der Beschleunigung<br />
das Testfeld weitestgehend ein und muss<br />
sich nur von der Aprilia und der BMW knapp<br />
bezwingen lassen. Der Prüfstand verrät:<br />
Im 1000er-Vierzylinder stecken mit 157 PS elf<br />
Pferde mehr als angegeben.<br />
Auch wenn der Vierling die satte Spitzenleistung<br />
mit einem Drehmomenthänger<br />
zwischen 4500/min und 6500/min (siehe Diagramm<br />
Seite 39) bezahlt, für den flotten Strich<br />
Big-Bike-untypisch gedreht werden will und<br />
mit seiner harten Gasannahme am Kurvenscheitelpunkt<br />
schon mal einen Zacken in die<br />
runde Linie malt. Auch die straffe Hinterhand<br />
will nicht so recht zum gutmütigen Äußeren<br />
der GSX-S passen. Trotz allem versteht es die<br />
Suzuki, sich geschickt zu rehabilitieren. Im Alltag<br />
reicht auch der gezähmte Druck bei Drehzahlmitte<br />
noch locker für den flüssigen Kurvenswing<br />
und nimmt die fein gepolsterte Sitzbank<br />
auch harten Schlägen die Spitzen. Flink sticht<br />
sie um die Kurven, beweist, dass sie sich trotz<br />
breitem Knieschluss und pummeligen Formen<br />
mit 212 Kilogramm nur von der BMW (207 kg)<br />
unterbieten lassen muss. Ohnehin baut der<br />
Charme der GSX-S auf betont rationalen<br />
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BMW S 1000 R<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
Trennung: Der analoge Drehzahlmesser<br />
bringt Ruhe ins Display. Die Anzeige ist<br />
trotz Infoflut übersichtlich<br />
Newcomer: Auch im zweiten Modelljahr<br />
ist die S 1000 R das bestverkaufte<br />
Power-Naked-Bike. Aus gutem Grund<br />
Vergangene Zeiten: Ruhig und bedächtig –<br />
das war BMW früher. Auch die S 1000 R<br />
röhrt grenzwertig<br />
Argumenten. Der geringste Verbrauch im<br />
Testfeld (4,5 l/100 km), die größte Reichweite,<br />
die niedrigsten Inspektionskosten und<br />
der moderate Preis von 11 745 Euro – all das<br />
mögen nicht die Kernkompetenzen eines<br />
Power-Naked-Bikes sein. Für diejenigen,<br />
die so lange auf die GSX-S gewartet haben,<br />
können die aber oft genauso viel zählen<br />
wie der emotionale Kick.<br />
KTM 1290 SUPER DUKE R<br />
Mit den Kernkompetenzen eines Power-<br />
Nakeds kennt man sich bei KTM jedenfalls<br />
bestens aus. Spürt man bei der Aprilia<br />
auf jedem Meter deren Superbike-Gene,<br />
ist es beim Oberherzog dagegen eher<br />
Supermoto-DNA, die das Fahrgefühl maßgeblich<br />
bestimmt. Aufrechter sitzt man,<br />
dank hohem Lenker und niedrigen Fußrasten.<br />
Dadurch ist der Mensch-Maschine-<br />
Kontakt etwas weniger innig, andererseits<br />
darf so die fixe Runde auch mal eine ausgedehntere<br />
werden.<br />
Herzstück bleibt aber der potente<br />
Motor, der über den gesamten Drehzahlbereich<br />
mit der Macht des satten Hubraums<br />
phänomenal puncht. Dazu begeistern die<br />
Manieren des Twin. Die Gasannahme ist<br />
so geschmeidig, der Schub exakt dosierbar,<br />
beinahe könnte man die Super Duke R als<br />
Fahrschulmotorrad empfehlen. Überhaupt<br />
macht es die KTM dem Piloten einfach.<br />
30 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Im Gegensatz etwa zu Aprilia und MV, die<br />
für zügiges Vorankommen Konzentration<br />
einfordern, schüttelt die Super Duke R mit<br />
ihrem umgänglichen Wesen Speed quasi<br />
nebenbei aus dem Ärmel. Sie lässt sich zwar<br />
nicht ganz so knackig und präzise, aber sehr<br />
stressfrei und entspannt durchs Winkelwerk<br />
zwirbeln. Viel davon geht auf das Konto<br />
des als Erstbereifung aufgezogenen Dunlop<br />
Sportsmart 2, eine gute Wahl. Und (Achtung,<br />
Ketzerei!) die KTM kann auch langsam. Ihr<br />
tief und dezent grummelnder V2 macht,<br />
sollte die Unterhose ausnahmsweise mal<br />
nicht in Brand stehen, auch gediegenes<br />
Drehmoment-Surfen zu einem sehr befriedigenden<br />
Erlebnis.<br />
Nicht ganz mit den Besten mithalten<br />
kann das KTM-Fahrwerk, das Ansprechverhalten<br />
der Gabel und insbesondere des<br />
direkt angelenkten Federbeins lässt ein<br />
wenig Spielraum nach oben. Die Elektronik<br />
der KTM zeigt, wie groß die Entwicklungssprünge<br />
in diesem Sektor derzeit sind.<br />
War die nicht einstellbare Traktionskontrolle<br />
mit ihrem weichen, transparenten Regelverhalten<br />
vor knapp zwei Jahren noch<br />
Stand der Dinge, wirkt sie jetzt neben den<br />
ausgefeilten Systemen von BMW und<br />
Aprilia schon etwas altmodisch. Sie greift<br />
recht früh ein, was bei griffigen Straßenverhältnissen<br />
bald den Wunsch aufkommen<br />
lässt, sie abzuschalten. Dann aber räubert<br />
das Drehmomentbiest, Manieren hin oder<br />
her, ohne Maulkorb durch die freie Wildbahn,<br />
also Obacht! Davon abgesehen bleibt<br />
die KTM, in erster Linie dank ihrem Pracht-<br />
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Optimierte Aerodynamik / Belüftung mit<br />
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Lowrider: Lang und niedrig geriet die<br />
Ducati, das macht sich im Fahrverhalten<br />
bemerkbar. Die Monster ist unaufgeregt<br />
Theorie und Praxis: umfassendstes<br />
Informationsangebot, auf TFT schick<br />
präsentiert, aber oft schlecht ablesbar<br />
Mach mich Monster: Der Sound der Duc<br />
ist ein großes Spektakel. Bollern, Bratzeln,<br />
Röhren und Knallen – und das recht laut<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
DUCATI<br />
MONSTER 1200 S STRIPE<br />
stück von einem Motor und dem stimmigen<br />
Gesamtpaket, auch in diesem Jahr<br />
ein ganz heißes Eisen.<br />
BMW S 1000 R<br />
Sie brabbelt rotzig beim Gaswegnehmen,<br />
brüllt unverschämt beim Beschleunigen,<br />
streckt ihre spitze Nase aggressiv in den<br />
Wind. Dass BMW auch anders kann als<br />
bedächtig, ist spätestens seit dem im Jahr<br />
2009 aufgelegten Supersportler S 1000 RR<br />
bekannt. Auf dem basiert das zur vergangenen<br />
Saison präsentierte Naked Bike. Ein R<br />
weniger, keine Verkleidung, 168 statt 212<br />
PS, dafür zwischen 2500/min und 8000/min<br />
bis zu 10 Nm mehr Drehmoment. Das hört<br />
sich nicht nur gut an, sondern fährt auch so.<br />
Blitzsauber hängt der Vierzylinder am<br />
E-Gas und peitscht anschließend mit Macht<br />
und Schwung durchs Drehzahlband. Leichter<br />
dosierbar als die Honda, spritziger als<br />
die Kawasaki und homogener als die Suzuki<br />
wirft sich der kurzhubigste aller Reihenvierer<br />
in die Brust. Noch einen Tick perfekter<br />
als mit der Aprilia lässt es sich mit dem<br />
Schaltassistenten durchs Getriebe steppen<br />
und sich das Potenzial des Sportskerls<br />
kinderleicht nutzen. Ohnehin brilliert die<br />
Bayerin mit feinstgeschliffener Elektronik.<br />
Nicht nur, dass sich durch die vier Fahrmodi<br />
(Rain, Sport und die aufpreispflichtigen<br />
Dynamic sowie Dynamic Pro) Gasannahme,<br />
32 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Yamaha nimmt nicht am Vergleichstest teil<br />
Wo ist die FZ1?<br />
Traktionskontrolle und ABS-Abstimmung<br />
regeln lassen, Bits und Bytes mischen<br />
sich auch bei den semiaktiv arbeitenden<br />
Federelementen, den einzigen in diesem<br />
Testfeld, ein. Was sich aufwendig und<br />
kompliziert anhören mag, bleibt in der<br />
Praxis ein Kinderspiel. Beladungszustand<br />
per ESA-Knöpfchen justieren, den Rest<br />
übernimmt die Elektronik. Locker stecken<br />
Gabel und Mono shock onduliertes Terrain<br />
weg und halten die Front auch beim<br />
verschärften Anbremsen oben. Grundsätzlich<br />
gut. Allerdings: Die Aprilia setzt sich –<br />
mit den ebenfalls von Sachs gelieferten,<br />
jedoch konventionellen Federelementen –<br />
genauso gut in Szene, bietet unterm<br />
Strich sogar mehr Komfort.<br />
Was aber das einzige Argument bleibt,<br />
von dem sich die BMW am Lack kratzen<br />
lassen muss. Denn mit besagt quirligem<br />
Inklusive der Yamaha wäre der Naked<br />
Bike-Vergleichstest mit allen zehn in<br />
diesem Segment involvierten Herstellern<br />
komplett gewesen. Doch die deutsche<br />
Yamaha-Niederlassung konnte/wollte MO-<br />
TORRAD keine FZ1 für diesen Zweck zur<br />
Verfügung stellen. Lag’s am zu erwartenden<br />
Resultat? Mit 640 Zählern hatte das<br />
Powerbike bei der letzten 1000-Punkte-<br />
Bewertung in <strong>MOTORRAD</strong> 3/2014 nämlich<br />
eher moderat abgeschnitten. Was Fans<br />
der seit 2006 gebauten FZ1 nicht stört. Mit<br />
penibler Verarbeitung und<br />
bulliger Optik reizt das Kraftpaket<br />
auch heute noch. Der<br />
einzige Schwachpunkt der<br />
Yamaha, der für ein Bike dieser<br />
Kategorie recht schwache<br />
Punch unterhalb von 7000/<br />
min, ließe sich nachträglich<br />
mit einer kürzeren Gesamtübersetzung<br />
kaschieren. Zudem<br />
wird in den einschlägigen Internet-Plattformen<br />
die knapp 12 000 Euro<br />
teure FZ1 (Listenpreis) derzeit für weit<br />
unter 10 000 Euro angeboten. Womit –<br />
nebenbei bemerkt – die 150 PS starke FZ1<br />
im Wortsinn das beste Preis-Leistungs-Verhältnis<br />
aller Power-Nakeds besitzt.<br />
Wo ist sie denn? 150 PS<br />
stark, tolles Finish, aber<br />
nicht beim Test dabei –<br />
die FZ1. Schade!<br />
und kultiviertem Motor, bombensicherer<br />
Straßenlage, traumhaftem Lenkverhalten<br />
und erstklassigen Bremsen spielt die S 1000<br />
R in jeder Beziehung in der Erstliga mit, pariert<br />
die Attacken der KTM, der noch jungen<br />
Suzuki und auch der frisch aufgepeppten<br />
Aprilia. Dass sie sich trotz des gelungenen<br />
Auftritts und Vollausstattung obendrein<br />
preislich moderat hält, rundet den gelungenen<br />
Auftritt vollends ab.<br />
DUCATI MONSTER 1200 S STRIPE<br />
Wem angesichts so viel teutonischer Perfektion<br />
der Sinn nach etwas italienischer Unvernunft<br />
steht, der darf einen genaueren<br />
Blick auf Ducatis Monster 1200 S werfen.<br />
Was keinesfalls bedeutet, dass diese nicht<br />
ein technisch sehr ausgereiftes Motorrad<br />
wäre – das ist sie, keine Frage. Aber die<br />
Monster wählt, ganz Ducati, einen erfri-<br />
Foto: Yamaha<br />
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diesen Motorrädern<br />
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motorradonline.de/<strong>2015</strong><strong>13</strong>024<br />
schend emotionalen, herzlichen Ansatz,<br />
und der steht ihr hervorragend. Sie ist ein<br />
klassischer, ehrlicher Dolce-Vita-Power-<br />
Roadster. Schon optisch trägt jedes Teilchen<br />
zum runden Gesamtbild mit bei, erst recht<br />
in der hier gezeigten Ausstattungsvariante<br />
Stripe (rund 750 Euro Aufpreis) mit Kohlefaser-Radabdeckung,<br />
kleiner Lampenmaske,<br />
längenverstellbarem Kennzeichenhalter<br />
und, echt wichtig, Racing-Streifen.<br />
Ihr ganz serienmäßiger, wassergekühlter<br />
L-Twin strotzt nur so vor Vitalität, was<br />
sich in Fahrleistungen und Geräuschkulisse<br />
niederschlägt. Zwar wirkt die Gasannahme<br />
noch immer etwas hibbelig, und ganz<br />
unten hackt die Duc mürrisch, aber der<br />
stramme Antritt des 1200ers bei niedrigen<br />
bis mittleren Drehzahlen ist auch in diesem<br />
Testumfeld eine Bank, wie das Leistungsdiagramm<br />
eindrucksvoll belegt. Obenheraus<br />
erreicht er nicht ganz die Explosivität<br />
der stärksten Konkurrenten, doch diese<br />
Tatsache belegt eher, in welch luftigen<br />
Leistungskategorien die Power-Nakeds<br />
Jahrgang <strong>2015</strong> angekommen sind. Es mag<br />
hart klingen, aber 143 PS sind hier eben nur<br />
noch Mittelfeld. Wie die BMW verfügt auch<br />
die Ducati über verschiedene Fahrmodi, die,<br />
bei Bedarf frei konfigurierbar, Einstellungen<br />
zu ABS, Traktionskontrolle, Motorleistung<br />
und Ansprechverhalten bündeln.<br />
Das Fahrverhalten ist geprägt vom<br />
relativ langen Radstand und dem niedrigen<br />
Schwerpunkt. Nicht hyperhandlich, aber<br />
stabil, vertrauenerweckend und bei Weitem<br />
neutraler als die früheren, etwas unwillig<br />
fahrenden luftgekühlten Monster. Lediglich<br />
das spürbare Aufstellmoment beim Bremsen<br />
in Schräglage des Pirelli Diablo Rosso II<br />
(„D“) trübt etwas das ansonsten stimmige<br />
Gesamtbild der Monster S.
MV AGUSTA<br />
BRUTALE 1090 RR CORSA<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
Separat: Auch MV trennt den Drehzahlmesser<br />
vom Display. Doch Anzeige und Bedienung<br />
sind der edlen Italienerin unwürdig<br />
Noble Kombination: Die Monoblockanlage<br />
lässt sich sehr gut dosieren,<br />
die Öhlins-Gabel arbeitet supersensibel<br />
Runde Sache: Im Kreis der futuristisch<br />
gestylten Nakeds wirken die runden<br />
Formen der MV eigenständig und elegant<br />
Vertrauen erweckt auch die Sitzposition,<br />
denn man sitzt eher in als auf ihr, was besonders<br />
kleineren Piloten sehr entgegenkommt.<br />
Spitze ist die 1200 S auf der Bremse,<br />
wo sie dank feinster Hardware und langem<br />
Radstand zur Referenz wird. Auch wenn sie<br />
in diesem hochkarätigen Umfeld ansonsten<br />
objektiv keine Akzente setzen kann, besticht<br />
die Ducati Monster wie eh und je mit enormem<br />
Erlebniswert.<br />
MV BRUTALE 1090 RR CORSA<br />
Im Heer der zackig gestylten Outfits bleibt<br />
die MV Agusta das Gesicht in der Menge.<br />
Zarte rundliche Linien bestimmen die Optik,<br />
positionieren die Dame vom Vareser See<br />
eher als Feingeist denn als Straßenkämpfer.<br />
Von der kunstvoll geschwungenen Einarmschwinge<br />
über die filigranen Räder oder<br />
die schräg kupierten Schalldämpfer bis hin<br />
zu den gefrästen klappbaren Handhebeln<br />
fängt sich der Blick an jeder Menge liebevoll<br />
gezeichneter Details. Und spätestens<br />
beim Druck aufs Knöpfchen vereinnahmt<br />
die MV den Rest der Sinne. Knurrig mahlt<br />
der Vierzylinder mit seinem aufwendigen<br />
Radial-Zylinderkopf vor sich hin, weit nach<br />
vorn rückt das Ensemble aus Lenker, Fußrasten<br />
und Sitzbank den Piloten. Also doch<br />
Attacke statt Edelbiker? Klare Antwort: ja.<br />
Allein schon, weil sich der Vierzylinder<br />
34 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Den Bogen raus: Kein Zweifel – Power-Naked-Bikes gehören zum Aufregendsten, was auf zwei Rädern steht<br />
zunächst etwas zurückhält, erst ab der Drehzahlmitte<br />
zur Form aufläuft und mit dieser<br />
Charakteristik immer wieder den Piloten<br />
reizt. Kann er auch, schließlich pariert<br />
das Fahrwerk den fordernden Anspruch.<br />
Genauso flink wie die BMW lässt sich die<br />
Brutale abklappen, ähnlich präzise wie die<br />
Bayerin und die Aprilia hält sie die Linie.<br />
Und auf faltigem Geläuf stecken die Öhlins-<br />
Gabel und der von Sachs gelieferte Monoshock<br />
die Schläge sogar besser weg als die<br />
Federungs-Kombos des gesamten Testfelds.<br />
Dennoch fällt vom Lorbeer dieses ordentlichen<br />
Auftritts manches Blättchen ab.<br />
Denn die noble Mechanik scheint mit der<br />
Elektronik noch nicht so recht zu harmonieren.<br />
Nicht nur, dass die Bedienung des<br />
Mäusekinos recht fummelig geriet, auch<br />
das kontrastarme Display lässt sich nur<br />
schwer ablesen. Vor allem aber läuft der<br />
Motor aus unerfindlichen Gründen gelegentlich<br />
im Schiebebetrieb mit erhöhtem<br />
Standgas nach und zeigt sich obendrein<br />
äußerst durstig. 7,3 l/100 km bei moderatem<br />
Landstraßentempo konterkarieren die<br />
vornehme Attitüde der Brutale, setzen die<br />
in dieser Beziehung unrühmliche Tradition<br />
Alles für Ihre BM<br />
ERGONOMIE, KOMFORT, SICHERHEIT …<br />
BMW-Motorräder fahren ganz oben in<br />
ihrer Liga! Drei Jahrzehnte Erfahrung und<br />
unser Programm von über 3.000 Artikeln<br />
geben uns die Gewissheit, dass wir daran<br />
dennoch vieles verbessern und ergänzen<br />
können. Ergonomie, Komfort und Sicherheit<br />
sind unsere Kernkompetenzen.<br />
Probieren Sie es aus, wir sind für Sie da!<br />
… UND NOCH VIELES MEHR FÜR IHRE BMW.<br />
Tag<br />
20. Juni <strong>2015</strong> in Sinzig<br />
Wir freuen uns auf Sie!<br />
Wunderlich GmbH<br />
Kranzweiherweg 12<br />
D-53489 Sinzig<br />
Tel. +49 2642 9798-0<br />
info@wunderlich.de<br />
www.wunderlich.de
Daten und Messwerte<br />
Aprilia<br />
Tuono V4 1100 RR<br />
BMW<br />
S 1000 R<br />
Ducati<br />
Monster 1200 S Stripe<br />
Honda<br />
CB 1000 R<br />
Kawasaki<br />
Z 1000<br />
MOTOR<br />
FAHRWERK<br />
Bauart Vierzylinder-Viertakt-<br />
65-Grad-V-Motor<br />
Vierzylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Zweizylinder-Viertakt-<br />
90-Grad-V-Motor<br />
Vierzylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Vierzylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Einspritzung 4 x Ø 48 mm 4 x Ø 48 mm 2 x Ø 53 mm 4 x Ø 36 mm 4 x Ø 38 mm<br />
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
Mehrscheiben-Ölbad-<br />
Mehrscheiben-Ölbad-<br />
Mehrscheiben-<br />
Mehrscheiben-<br />
(Anti-Hopping) kupplung (Anti-Hopping) kupplung (Anti-Hopping) Ölbadkupplung<br />
Ölbadkupplung<br />
Bohrung x Hub 81,0 x 52,3 mm 80,0 x 49,7 mm 106,0 x 67,9 mm 75,0 x 56,5 mm 77,0 x 56,0 mm<br />
Hubraum 1077 cm³ 999 cm³ 1198 cm³ 998 cm³ 1043 cm³<br />
Verdichtung <strong>13</strong>,0:1 12,0:1 12,5:1 11,1:1 11,8:1<br />
Leistung 129,0 kW (175 PS)<br />
bei 11000/min<br />
118,0 kW (161 PS)<br />
bei 11000/min<br />
101,0 kW (<strong>13</strong>7 PS)<br />
bei 8750/min<br />
92,0 kW (125 PS)<br />
bei 10 000/min<br />
104,5 kW (142 PS)<br />
bei 10 000/min<br />
Drehmoment 121 Nm bei 9000/min 112 Nm bei 9250/min 125 Nm bei 7250/min 99 Nm bei 7750/min 111 Nm bei 7300/min<br />
Rahmen<br />
Brückenrahmen aus<br />
Aluminium<br />
Brückenrahmen aus<br />
Aluminium<br />
Gitterrohrrahmen aus<br />
Stahl, Motor mittragend<br />
Brückenrahmen aus<br />
Aluminium<br />
Gabel Upside-down-Gabel, Upside-down-Gabel, Upside-down-Gabel, Upside-down-Gabel,<br />
Ø 43 mm<br />
Ø 46 mm<br />
Ø 48 mm<br />
Ø 43 mm<br />
Lenkungsdämpfer hydraulisch hydraulisch – – –<br />
Rückgratrahmen aus<br />
Aluminium, Motor<br />
mittragend<br />
Upside-down-Gabel,<br />
Ø 41 mm<br />
Bremsen vorne/hinten Ø 320/220 mm Ø 320/220 mm Ø 330/245 mm Ø 310/256 mm Ø 310/250 mm<br />
Assistenzsysteme ABS, Traktionskontrolle ABS, Traktionskontrolle ABS, Traktionskontrolle ABS ABS<br />
Räder 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 5.50 x 17 3.50 x 17; 6:00 x 17<br />
Reifen 120/70 ZR 17;<br />
190/55 ZR 17<br />
120/70 ZR 17;<br />
190/55 ZR 17<br />
120/70 ZR 17;<br />
190/55 ZR 17<br />
120/70 ZR 17;<br />
180/55 ZR 17<br />
120/70 ZR 17;<br />
190/50 ZR 17<br />
Bereifung Pirelli Diablo Rosso Corsa Pirelli Diablo Rosso Corsa Pirelli Diablo Rosso II, Bridgestone BT 015 „L“ Dunlop D 214 „T“<br />
vorne „D“<br />
MAßE + GEWICHTE<br />
Radstand 1445 mm 1439 mm 1511 mm 1445 mm 1435 mm<br />
Lenkkopfwinkel 63,0 Grad 65,4 Grad 65,7 Grad 65,0 Grad 65,5 Grad<br />
Nachlauf 107 mm 99 mm 93 mm 99 mm 101 mm<br />
Federweg vorne/hinten 111/<strong>13</strong>2 mm 120/120 mm <strong>13</strong>0/152 mm 120/128 mm 120/122 mm<br />
Sitzhöhe 1 840 mm 820 mm 765–795 mm 830 mm 815 mm<br />
Gewicht vollgetankt 1 214 kg 207 kg 2<strong>13</strong> kg 220 kg 222 kg<br />
Zuladung 1 187 kg 200 kg 177 kg 190 kg 179 kg<br />
Tankinhalt/Reserve 18,5/4,0 Liter 17,5/4,0 Liter 17,5/3,5 Liter 17,0/4,0 Liter 17,0 Liter<br />
Service-Intervalle 10 000 km 10 000 km 15 000 km 6000 km 6000 km<br />
Preis 16 490 Euro <strong>13</strong>100 Euro 17 250 Euro 10 485 Euro 12195 Euro<br />
Preis Testmotorrad 16 490 Euro 14 820 Euro 2 17 250 Euro 11279 Euro 3 12195 Euro<br />
Nebenkosten inkl. 390 Euro 305 Euro 265 Euro 290 Euro<br />
-MESSWERTE<br />
Höchstgeschwindigkeit 255 (280*) km/h 258 km/h* 255 km/h* 230 km/h* 237 km/h*<br />
Beschleunigung<br />
0–100 km/h 3,2 sek 3,3 sek 3,2 sek 3,3 sek 3,2 sek<br />
0–140 km/h 4,8 sek 4,9 sek 5,0 sek 5,5 sek 5,1 sek<br />
0–200 km/h 8,3 sek 8,1 sek 9,2 sek 11,8 sek 10,0 sek<br />
Durchzug<br />
60–100 km/h 3,1 sek 2,8 sek 3,3 sek 3,8 sek 2,9 sek<br />
100–140 km/h 2,8 sek 2,9 sek 3,2 sek 4,3 sek 3,0 sek<br />
140–180 km/h 2,8 sek 2,8 sek 3,7 sek 5,1 sek 3,1 sek<br />
Verbrauch Landstraße/100 km 6,5 Liter 5,9 Liter 4,9 Liter 4,9 Liter 5,3 Liter<br />
Reichweite Landstraße 285 km 297 km 357 km 347 km 321 km<br />
*Herstellerangabe; 1 <strong>MOTORRAD</strong>-Messungen; 2 Dynamik-Paket (930 Euro), Sport-Paket (790 Euro); 3 Akrapovic-Endschalldämpfer (794 Euro); 4 Bremshebel klappbar (184 Euro),<br />
Deckel Bremsflüssigkeitsbehälter (86 Euro), Deckel Kupplungsflüssigkeitsbehälter (86 Euro), Fußrasten-Kit (110 Euro), Kennzeichenhalter (141 Euro)<br />
36 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
KTM<br />
1290 Super Duke R<br />
MV Agusta<br />
Brutale 1090 RR Corsa<br />
Suzuki<br />
GSX-S 1000<br />
Triumph<br />
Speed 94<br />
Zweizylinder-Viertakt-<br />
75-Grad-V-Motor<br />
Vierzylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Vierzylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Dreizylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
2 x Ø 56 mm 4 x Ø 46 mm 4 x Ø 44 mm 3 x Ø 46 mm<br />
Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
Mehrscheiben-Ölbad-<br />
Mehrscheiben-<br />
Mehrscheiben-<br />
(Anti-Hopping) kupplung (Anti-Hopping) Ölbadkupplung<br />
Ölbadkupplung<br />
108,0 x 71,0 mm 79,0 x 55,0 mm 73,4 x 59,0 mm 79,0 x 71,4 mm<br />
<strong>13</strong>01 cm³ 1078 cm³ 999 cm³ 1050 cm³<br />
<strong>13</strong>,2:1 <strong>13</strong>,0:1 12,2:1 12,0:1<br />
127,0 kW (173 PS)<br />
bei 8870/min<br />
116,0 kW (158 PS)<br />
bei 11900/min<br />
107,0 kW (146 PS)<br />
bei 10 000/min<br />
99,0 kW (<strong>13</strong>5 PS)<br />
bei 9400/min<br />
144 Nm bei 6500/min 100 Nm bei 10100/min 106 Nm bei 9500/min 111 Nm bei 7750/min<br />
Gitterrohrrahmen aus<br />
Stahl, Motor mittragend<br />
Gitterrohrrahmen aus<br />
Stahl mit verschraubten<br />
Alugussteilen<br />
Upside-down-Gabel,<br />
Ø 50 mm<br />
Brückenrahmen aus<br />
Aluminium<br />
Brückenrahmen aus<br />
Aluminium<br />
Upside-down-Gabel,<br />
Ø 48 mm<br />
Upside-down-Gabel,<br />
Ø 43 mm<br />
Upside-down-Gabel,<br />
Ø 43 mm<br />
hydraulisch hydraulisch – –<br />
Ø 320/240 mm Ø 320/210 mm Ø 310/250 mm Ø 320/255 mm<br />
ABS, Traktionskontrolle ABS, Traktionskontrolle ABS, Traktionskontrolle ABS<br />
3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17<br />
120/70 ZR 17;<br />
120/70 ZR 17;<br />
120/70 ZR 17;<br />
120/70 ZR 17;<br />
190/55 ZR 17<br />
190/55 ZR 17<br />
190/50 ZR 17<br />
190/55 ZR 17<br />
Dunlop Sportsmart 2 Pirelli Diablo<br />
Dunlop D 214 „M“ Metzeler Racetec<br />
Supercorsa SP<br />
Interact K3<br />
1482 mm 1438 mm 1460 mm 1435 mm<br />
65,1 Grad 64,0 Grad 65,0 Grad 67,2 Grad<br />
107 mm 104 mm 100 mm 91 mm<br />
125/156 mm 125/120 mm 120/<strong>13</strong>0 mm 120/<strong>13</strong>0 mm<br />
830 mm 825 mm 810 mm 830 mm<br />
2<strong>13</strong> kg 218 kg 212 kg 221 kg<br />
193 kg 175 kg 188 kg 186 kg<br />
18,0/3,5 Liter 23,0/4,0 Liter 17,0 Liter 17,5 Liter<br />
15 000 km 6000 km 12 000 km 10 000 km<br />
15 795 Euro 21490 Euro 11495 Euro 14170 Euro<br />
15 795 Euro 22 097 Euro 4 11495 Euro 14170 Euro<br />
200 Euro 275 Euro 250 Euro 450 Euro<br />
272 (290*) km/h 250 (265*) km/h 240 km/h* 248 km/h*<br />
3,3 sek 3,3 sek 3,0 sek 3,2 sek<br />
4,9 sek 5,1 sek 4,6 sek 5,1 sek<br />
8,8 sek 8,7 sek 8,5 sek 10,5 sek<br />
3,4 sek 3,3 sek 3,2 sek 3,5 sek<br />
3,4 sek 3,2 sek 3,3 sek 3,8 sek<br />
3,8 sek 3,3 sek 3,5 sek 4,8 sek<br />
6,0 Liter 7,3 Liter 4,5 Liter 5,2 Liter<br />
300 km 315 km 378 km 337 km<br />
Einmal anders: Die Kraftmäxe können<br />
auch gemütlich – sogar sehr gut<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
bei MV fort – und in der Neunergruppe den<br />
Verbrauchsrekord. Der gerade angesichts<br />
des Spitzentarifs der 1090er von über<br />
22 000 Euro das feingeistige Renommee<br />
der Italienerin ankratzt.<br />
HONDA CB 1000 R<br />
Ausverkauft! Ohne Probefahrt, ohne<br />
Rabatt, vom Prospekt weg. Welch einen<br />
Aufschlag hatte die CB 1000 R damals im<br />
Jahr 2008. Ein Streetfighter, so radikal, wie<br />
man ihn aus dem Hause Honda damals<br />
nicht erwartet hätte. Aggressive Front,<br />
Minimalheck, Einarmschwinge. Als Herz<br />
pocht der Fireblade-Motor des Jahrgangs<br />
2007 mit CBF 1000-Zylinderkopf. Alles<br />
zusammen von italienischen Designern<br />
so gekonnt verpackt, dass die Honda auch<br />
sieben Jahre nach ihrem Stapellauf noch<br />
kein bisschen angegraut ausschaut.<br />
Wahrscheinlich weil sie sich von den<br />
Kollegen mit den dicken Muckis und den<br />
kantigen Gesichtern nicht aufmischen<br />
ließ, optisch ihrer Linie treu und technisch<br />
bis heute unverändert blieb. Weshalb sie<br />
schnell den weichen Kern hinter ihrer eleganten<br />
Schale zeigt. Nur die weit nach vorn<br />
gerückte, vorderradorientierte Sitzposition<br />
animiert zu frecher Gangart – um sie gleich<br />
danach wieder zurückzunehmen.<br />
Seidenweich, leise, durch und durch<br />
kultiviert schnurrt der Vierzylinder, lässt<br />
sich im sechsten durch Ortschaften rollen,<br />
danach lochfrei hochziehen. Schmusekurs<br />
statt Böser-Bube-Feeling. Das passt. Schon<br />
weil sich mit 125 PS – bei ihrem Stapellauf<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 37
HONDA<br />
CB 1000 R<br />
Digitale Welt: Die Aufteilung des Displays<br />
bringt Ruhe in die Anzeige. Die Infos<br />
beschränken sich ohnehin aufs Wesentliche<br />
Selten: Nicht radial angeschlagen, Dreikolben-Zangen,<br />
Kombibremse – Honda<br />
geht bei der Verzögerung eigene Wege<br />
Forever young: Auch im achten Modelljahr<br />
sieht die CB 1000 R noch elegant aus.<br />
Ihr Design entstand in Italien<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
noch State of the Art im Power-Naked-<br />
Lager – im Umfeld der aktuellen Kraftmäxe<br />
kaum Eindruck schinden, aber viel Sympathie<br />
ernten lässt.<br />
Denn wenn die wilden Jungs auf der<br />
Kawa oder KTM über Kanaldeckel und<br />
Querrillen kurz zusammenzucken oder auf<br />
der Suzuki am Kurvenscheitelpunkt den<br />
harten Antritt mit dem Finger an der Kupplung<br />
glätten müssen, kann der Honda-<br />
Treiber nur lächeln. Lässig schlucken Gabel,<br />
Monoshock-Federbein und Sitzbank Holperpisten<br />
weg, völlig stressfrei schiebt der<br />
Vierling an. Verschiedene Fahrmodi, diverse<br />
ABS-Abstimmungen, Traktionskontrolle –<br />
das alles erscheint auf der Honda CB 1000 R<br />
so überflüssig wie ein Fahrsicherheitstraining<br />
für Marc Márquez.<br />
Zugegeben, nicht nur dem MotoGP-Star<br />
mag auf der braven Honda der Kick fehlen.<br />
Den spektakulären Antritt, den radikalen<br />
Sound, die modernen elektronischen Assistenzsysteme<br />
oder eine Federung, die sich<br />
auch bei forciertem Tempo über Asphaltrunzeln<br />
nicht aufschaukelt, diese Dinge<br />
überlässt das Fireblade-Derivat der Konkurrenz.<br />
Und sich nicht aufregen zu müssen,<br />
hat offensichtlich auch was Aufregendes.<br />
Denn die CB 1000 R gehört hierzulande<br />
nach wie vor zu den 50 bestverkauften Motorrädern<br />
– und das im achten Modelljahr.<br />
38 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
TRIUMPH SPEED 94<br />
Oldie but Goldie – so lässt sich die Speed<br />
Triple in Kürze zusammenfassen. Zwar ist<br />
die Honda das älteste Motorrad im Feld,<br />
doch gefühlt hat sich die Speedy in all den<br />
Jahren am wenigsten von ihrer ursprünglichen<br />
Basis entfernt. Warum auch? Schließlich<br />
hat sie seinerzeit die Kategorie Power-<br />
Naked quasi erfunden, und seitdem ist<br />
sie sich selbst treu geblieben, trägt nicht<br />
Superbike- oder Supermoto-, sondern einfach<br />
Speed Triple-DNA. Davon macht auch<br />
das schicke Sondermodell Speed 94, das<br />
an die T300 von 1994 erinnern soll, keine<br />
Ausnahme. Sie ist ein Roadster alter Schule,<br />
fühlt sich, obwohl mit 221 Kilogramm nur<br />
unwesentlich schwerer als die Konkurrenz,<br />
wegen des breiten Tanks massiger an.<br />
Dabei fährt sie keineswegs träge, sondern<br />
eher satt und ruhig. Der Metzeler Racetec<br />
K3 der Speedy braucht zwar Temperatur,<br />
einmal warm gefahren, gefällt er allerdings<br />
mit sehr neutralem Einlenkverhalten, großer<br />
Spurstabilität und endlosem Grip. Auf<br />
ihm rollt die Triumph einfach schön stabil<br />
und homogen dem Vorderrad hinterher,<br />
ein ausgesprochen gediegenes Fahrgefühl.<br />
Dazu passt der geschmeidige Dreizylinder,<br />
Liebe Biker,<br />
1. Reifencheck<br />
2. Helm auf<br />
3. Visier runter<br />
Leistungs - Messung<br />
Motorleistung<br />
140<br />
Aprilia Tuono V4 1100 RR<br />
180 126,2 kW (172 PS) bei 11 300/min<br />
<strong>13</strong>0<br />
117 Nm bei 9300/min<br />
170<br />
BMW S 1000 R<br />
120<br />
123,6 kW (168 PS) bei 10 800/min<br />
160 117 Nm bei 9200/min<br />
110 150 KTM 1290 Super Duke R<br />
123,5 kW (168 PS) bei 9900/min<br />
140 Nm bei 7900/min<br />
140<br />
100<br />
MV Agusta Brutale 1090 RR Corsa<br />
<strong>13</strong>0 117,2 kW (159 PS) bei 11 300/min<br />
106 Nm bei 8100/min<br />
90<br />
120 Suzuki GSX-S 1000<br />
115,6 kW (157 PS) bei 11 300/min<br />
80 110 111 Nm bei 9400/minn<br />
Ducati Monster 1200 S Stripe<br />
100 105,0 kW (143 PS) bei 8500/min<br />
Triumph Speed 94<br />
70<br />
124 Nm bei 7300/min<br />
99,6 kW (<strong>13</strong>5 PS) bei 9300/min<br />
90<br />
111 Nm bei 7800/min<br />
Kawasaki Z 1000<br />
103,6 kW (141 PS)<br />
Honda CB 1000 R<br />
60 80<br />
bei 9900/min<br />
92,3 kW (125 PS) bei 9500/min<br />
112 Nm bei 7400/min<br />
101 Nm bei 7300/min<br />
50<br />
70<br />
60<br />
140<br />
40<br />
<strong>13</strong>0<br />
50<br />
120<br />
30 40<br />
110<br />
100<br />
30<br />
20<br />
90<br />
20<br />
80<br />
10<br />
70<br />
10<br />
60<br />
kW PS<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 <strong>13</strong><br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Drehmoment in Nm<br />
Aprilia Tuono V4 1100 RR<br />
126,2 kW (172 PS) bei 11 300/min<br />
117 Nm bei 9300/min<br />
BMW S 1000 R<br />
123,6 kW (168 PS) bei 10 800/min<br />
117 Nm bei 9200/min<br />
KTM 1290 Superduke R<br />
123,5 kW (168 PS) bei 9900/min<br />
140 Nm bei 7900/min<br />
MV Agusta Brutale 1090 RR<br />
117,2 kW (159 PS) bei 11 300/min<br />
106 Nm bei 8100/min<br />
Suzuki GSX-S1000 ABS<br />
115,6 kW (157 PS) bei 11 300/min<br />
111 Nm bei 9400/min<br />
+++ Markenreifen richtig günstig! +++<br />
Ducati Monster 1200 S<br />
105,0 kW (143 PS) bei 8500/min<br />
124 Nm bei 7300/min<br />
Kawasaki Z1000<br />
103,6 kW (141 PS) bei 9900/min<br />
112 Nm bei 7400/min<br />
Die Macht der großen Pötte: Wer auf der<br />
Drehmomentwelle ganz oben reitet, wird<br />
im Diagramm auf den ersten Blick klar.<br />
Die Drehmomentkurven der Ducati und der<br />
KTM schweben mit Abstand über dem Rest<br />
des Felds. Auch in der Praxis vermitteln die<br />
beiden V2-Motoren diesen beeindruckenden<br />
Punch. Der leichte Drehmomenthänger der<br />
KTM bei 5000/min ist im Fahrbetrieb kaum<br />
spürbar. Dass die beiden dicken Pötte bei<br />
8500 und 10 000/min bereits früher als die<br />
Vierzylinder an ihre Drehzahl grenze stoßen,<br />
stört bei Naked Bikes kaum.<br />
Den Preis für den kräftigsten Nackedei übernimmt<br />
die zu dieser Saion mit vergrößertem<br />
Hubraum angetretene, nun 172 PS starke<br />
Aprilia vom 168 PS kräftigen Duo aus BMW<br />
und KTM.<br />
Bemerkenswert: Während sich die Honda bei<br />
ihrem Debüt im Jahr 2008 auf Augenhöhe<br />
mit den damals etwa <strong>13</strong>0 PS starken Power-<br />
Nakeds (Ducati Monster, Kawasaki Z 1000,<br />
KTM Super Duke, Triumph Speed Triple)<br />
bewegte, fällt die CB heute trotz immerhin<br />
125 PS nach unten aus dem Raster. Die<br />
Zeiten ändern sich.<br />
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG,<br />
maximal mögliche Abweichung ± 5%<br />
www.motorradonline.de<br />
140<br />
<strong>13</strong>0<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
Triumph Speed Triple<br />
Aachen · Bielefeld · Castrop-Rauxel<br />
99,6 kW (<strong>13</strong>5 PS)<br />
· Dortmund<br />
bei 9300/min<br />
Düsseldorf · Duisburg 111 · Essen Nm bei · 7800/min Frankfurt<br />
Frankfurt/Ost · Kassel · Köln / Nord · Köln / Süd<br />
Mainz · Mülheim a.d. R.<br />
Münster · Paderborn Honda · Verl CB · Wuppertal<br />
1000 R<br />
reifen com GmbH · Am Stadtholz 92,324 kW – 26 (125 · 33609 PS) bei Bielefeld 9500/min<br />
101 Nm bei 7300/min<br />
Berlin/Marzahn · Berlin/Spandau · Berlin/Weißensee<br />
Bonn · Braunschweig · Bremen/Stuhr · Celle<br />
Dresden · Hamburg · Hamburg/Nord · Hameln<br />
Hannover/Nord · Hannover/West<br />
Leipzig/Schkeuditz · München · München/West<br />
Nürnberg · Nürnberg/Süd · Osnabrück<br />
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Modern Classic: Zeitlos schön wirkt<br />
die Speed Triple, dank gelungener<br />
Proportionen und eleganter Linien<br />
Schlicht, gut: hervorragend ablesbares<br />
Kombi-Instrument mit analogem Drehzahlmesser<br />
und dem Wichtigsten digital<br />
Rund oder eckig? Wir finden: Egal,<br />
die Speedy ist sich so oder so über<br />
die Jahre stets treu geblieben<br />
TRIUMPH<br />
SPEED 94<br />
Vergleich Power-Nakeds<br />
der schon im Drehzahlkeller kernig<br />
und in der Mitte dann druckvoll<br />
anschiebt. Obenheraus dreht<br />
er allerdings etwas bleiern und<br />
verliert ein wenig den Anschluss.<br />
Auch Kupplung und Getriebe<br />
würde etwas Feinschliff gut stehen,<br />
stellenweise fühlen sich die Gangwechsel<br />
arg rustikal an. Nein, ihr Alter kann sie<br />
in diesem Testfeld nicht ganz verhehlen –<br />
aber ihre wohltuende britische Zurückhaltung<br />
macht sie zum Gentleman-Racer im<br />
Feld. Sie kann’s noch, die Speedy.<br />
KAWASAKI Z 1000<br />
Die wenigsten werden es wissen: Bei der<br />
Entwicklung der Z 1000 diente auch die<br />
Benelli TnT als Referenzfahrzeug. So vorderradorientiert<br />
sollte sich die Kawa fahren,<br />
genauso böse sollte sie dreinschauen, und<br />
ähnlich schaurig wie der mahlende Dreizylinder<br />
der Italienerin sollte der Reihenvierer<br />
klingen und sich anfühlen. Massenkompa<br />
tibel klingt das nicht, stattdessen selbstbewusst<br />
und charakterstark.<br />
Und genauso gibt sich die erst im<br />
vergangenen Jahr überarbeitete Kawasaki<br />
(neue Airbox, geänderte Steuerzeiten,<br />
leichtere Felgen, geringfügig kürzerer Radstand<br />
und Nachlauf, zehn Millimeter größere<br />
Bremsscheiben, um zwei auf 17 Liter<br />
vergrößerter Tank). Sie positioniert sich<br />
40 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
KAWASAKI<br />
Z 1000<br />
gewissermaßen am gegenüberliegenden<br />
Ende der Aggressionsskala der braven Honda<br />
CB 1000 R oder der Suzuki GSX-S 1000.<br />
Allein die Sitzposition. Gefühlt logiert es<br />
sich direkt auf dem Lenkkopf, fordert die<br />
Kawa von der ersten Sekunde zur Attacke<br />
auf. Dazu passend faucht der Vierzylinder<br />
grummelnd, kribbelt gewollt rau in den<br />
Fußrasten und Lenkerenden.<br />
Langweilig wird es mit der Kawa nie.<br />
Nicht nur weil sich die Selbstdarstellerin<br />
elektronischen Fahrhilfen verweigert und<br />
Traktionskontrolle oder Ansprechverhalten<br />
ausschließlich der rechten Hand des Piloten<br />
überlässt. Sondern weil sich die Grüne auch<br />
ungewollt aufsässig gibt. Nervös stellt sie<br />
sich beim Bremsen mit den serienmäßigen<br />
Dunlop D 214 („T“) auf, lenkt unpräzise ein<br />
und stochert verwirrt durch die Kehren.<br />
Kein Zweifel, mit anderen Reifen ginge es<br />
besser. <strong>MOTORRAD</strong> hat’s ausprobiert. Doch<br />
gewertet wird der Serientrimm. Hart geht<br />
sie auch ans Gas, fordert für die geschmeidige<br />
Linie öfter die glättende Hand am<br />
Kupplungshebel. Und je holpriger der Belag,<br />
desto intensiver ihr Eigenleben. Eigenwillig<br />
stellt sie sich beim Bremsen in Schräglage<br />
auf und schlägt bei Querfugen selbst im<br />
Vergleich zur recht rigid abgestimmten<br />
Suzuki noch ein wenig härter ins Kreuz.<br />
Trotzdem: Er hat Tradition und Unterhaltungswert,<br />
dieser widerspenstige Charakter.<br />
Allein wie der Vierzylinder aus dem<br />
allertiefsten Drehzahlkeller vorandrückt,<br />
Eckig: Das kantige Display passt zur aggressiven<br />
Front (rechts) der Kawa. Der Digitaldrehzahlmesser<br />
läuft über beide Anzeigen<br />
Böse, böser … Nicht einmal das Design<br />
der KTM polarisiert derart wie das der Z 1000.<br />
Die Kawa zeigt sich selbstbewusst<br />
Keine Gnade: Die Z zieht den Darth Vader-<br />
Look durch. Lampenmaske und Display-<br />
Rückseite wirken wie Kampf-Laser<br />
www.motorradonline.de TEST+TECHNIK 41
-Testergebnis<br />
1<br />
BMW S 1000 R<br />
Die BMW leistet sich nicht die geringste<br />
Schwäche. Ist Perfektion langweilig? Die feinstgeschliffene<br />
S 1000 R beweist das Gegenteil.<br />
2<br />
KTM 1290 Super Duke R<br />
Was für ein Motor! Druck, Druck, nochmals<br />
Druck – und Manieren. Ein stimmiges Gesamtpaket,<br />
trotz leichter Fahrwerksschwächen.<br />
6<br />
Triumph Speed 94<br />
Eher James Bond als John Rambo, punktet die<br />
Triumph mit ihrer Ausgewogenheit. Gediegen<br />
und unaufgeregt, dabei nicht langweilig.<br />
3<br />
Suzuki GSX-S 1000<br />
Die GSX-S imponiert mit tollen Fahrleistungen,<br />
unkompliziertem Wesen und viel Motorrad fürs<br />
Geld. Spaß und Vernunft – eine gute Kombination.<br />
7<br />
Honda CB 1000 R<br />
Sie sammelt zwar weniger Punkte als BMW und<br />
Co., dafür viele Sympathien. Die elegante Honda<br />
ist das Power-Naked-Bike in Nadelstreifen.<br />
4<br />
Ducati Monster 1200 S Stripe<br />
Klassische Optik, moderne Technik, liebevoll,<br />
italienisch, bärig und vor allem ausgewogen.<br />
Die Duc ist kompetent, aber auch teuer.<br />
8<br />
MV Agusta Brutale 1090 RR Corsa<br />
Die noble MV lenkt neutral, federt gut und<br />
drückt vehement. Ihre Trinkgewohnheiten sollte<br />
die blaublütige Diva aber hinterfragen.<br />
5<br />
Aprilia Tuono V4 1100 RR<br />
Herrlich, die pure Unvernunft. Der Verbrauch ist<br />
hoch, doch die Fahrdynamik noch höher. Ein<br />
dramatisches Kurvenskalpell für Sportsgeister.<br />
9<br />
Kawasaki Z 1000<br />
Kerniger Motor, betont frontorientiertes<br />
Fahrwerk, radikale Optik und ein eigenwilliges<br />
Lenkverhalten – die Z mag man oder nicht.<br />
Vergleichstest Power-Nakeds<br />
anregend kribbelnd durchs Drehzahlband<br />
peitscht und sich so schaltfaul wie kein<br />
Zweiter in diesem Testfeld fahren lässt, das<br />
vermittelt eine Macht, die von den Reihenvierern<br />
nur die BMW toppen kann. Everybody’s<br />
Darling zu sein, Punkte scheffeln?<br />
Keine interessiert das weniger als die Z –<br />
wie früher eine Benelli.<br />
Und damit geht das Licht an, die Party<br />
ist vorbei. Ganz oben stehen noch immer<br />
die Referenz-Nakeds des letzten Jahrgangs.<br />
Auf Platz eins, mit einigem Punkteabstand,<br />
die BMW S 1000 R, gefolgt von der Super<br />
Duke R. Auf Platz drei, ein gelungener Einstand,<br />
dann die brandneue Suzuki. „Schon<br />
wieder eine BMW“, mag manch einer maulen,<br />
doch am Perfektionismus der Blau-Weißen<br />
beißen sich die anderen derzeit schlicht<br />
die Zähne aus. Rein objektiv ist die S 1000 R<br />
zweifelsfrei das beste Motorrad hier. Doch<br />
dass dies nicht alles ist, beweist besonders<br />
die Tuono. Von neun Fahrern erklärten vier<br />
die punktemäßig etwas abgeschlagene<br />
Aprilia zu ihrer Favoritin, bei den meisten<br />
anderen stand sie hinter der BMW auf Platz<br />
zwei. Damit ist sie die Siegerin der Herzen.<br />
Demgegenüber steht die Suzuki, der in<br />
Sachen Preis-Leistung kein anderes Power-<br />
Naked auch nur ansatzweise das Wasser<br />
reichen kann. Eins wurde klar: Der Power-<br />
Naked-Jahrgang <strong>2015</strong> ist wahnsinnig<br />
breit aufgestellt, hier findet sich für jeden<br />
Geschmack das passende Bike.<br />
www.motorradonline.de/vergleichstests<br />
42 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
MOTOR<br />
-Punktewertung<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
Aprilia Tuono<br />
V4 1100 RR<br />
BMW<br />
S 1000 R<br />
Ducati Monster<br />
1200 S Stripe<br />
Honda<br />
CB 1000 R<br />
Kawasaki<br />
Z 1000<br />
KTM 1290<br />
Super Duke R<br />
MV Agusta<br />
Brutale 1090 RR C.<br />
Suzuki<br />
GSX-S 1000<br />
Triumph<br />
Speed 94<br />
Durchzug 40 40 40 36 30 38 36 37 36 32<br />
Beschleunigung 40 35 35 34 30 33 34 34 37 33<br />
Topspeed 30 24 24 24 19 20 27 23 21 22<br />
Motorcharakteristik 30 26 28 23 24 26 27 25 25 26<br />
Ansprechverhalten 20 <strong>13</strong> 16 14 15 12 15 14 11 16<br />
Lastwechsel 20 <strong>13</strong> 14 <strong>13</strong> 15 14 14 <strong>13</strong> 14 <strong>13</strong><br />
Laufruhe 20 <strong>13</strong> 14 9 14 12 11 12 <strong>13</strong> <strong>13</strong><br />
Kupplung 10 7 9 8 9 9 9 6 8 8<br />
Schaltung 20 <strong>13</strong> 16 11 15 <strong>13</strong> <strong>13</strong> <strong>13</strong> <strong>13</strong> 12<br />
Getriebeabstufung 10 8 9 9 9 9 8 9 9 9<br />
Starten 10 8 9 7 8 8 8 8 9 8<br />
Summe 250 200 214 188 188 194 202 194 196 192<br />
FAHRWERK<br />
Handlichkeit 40 30 31 28 30 27 30 31 28 29<br />
Stabilität in Kurven 40 35 35 31 29 25 33 31 30 33<br />
Lenkverhalten 40 33 33 28 29 24 31 30 29 29<br />
Rückmeldung 10 9 9 9 8 7 9 8 8 8<br />
Schräglage 20 20 20 18 16 16 19 19 18 18<br />
Geradeauslaufstabilität 20 18 18 16 15 14 16 15 18 17<br />
Fahrwerksabstimmung vorn 20 16 18 16 15 <strong>13</strong> 15 16 14 15<br />
Fahrwerksabstimmung hinten 20 16 18 15 14 <strong>13</strong> 15 16 <strong>13</strong> 14<br />
Einstellmöglichkeiten Fahrwerk 10 6 10 6 5 5 5 6 5 6<br />
Federungskomfort 10 6 5 6 6 4 5 6 5 6<br />
Fahrverhalten mit Sozius 20 11 10 <strong>13</strong> 12 14 11 <strong>13</strong> 14 <strong>13</strong><br />
Summe 250 200 207 186 179 162 189 191 182 188<br />
ALLTAG<br />
Ergonomie Fahrer 40 26 29 26 31 28 30 27 28 28<br />
Ergonomie Sozius 20 4 6 11 7 7 8 6 7 8<br />
Windschutz 20 1 1 1 1 1 1 1 1 2<br />
Sicht 20 11 11 12 12 <strong>13</strong> 11 10 12 <strong>13</strong><br />
Licht 20 12 14 14 12 9 14 12 14 14<br />
Ausstattung 30 20 21 21 12 15 27 17 20 14<br />
Handhabung/Wartung 30 17 17 17 17 17 19 17 19 16<br />
Gepäckunterbringung 10 1 1 2 2 1 1 1 2 1<br />
Zuladung 10 5 7 3 5 4 6 3 5 5<br />
Reichweite 30 16 17 22 21 19 17 18 24 20<br />
Verarbeitung 20 15 16 15 14 14 16 17 14 16<br />
Summe 250 128 140 144 <strong>13</strong>4 128 150 129 146 <strong>13</strong>7<br />
SICHERHEIT<br />
Bremswirkung 40 33 34 34 31 33 33 34 32 30<br />
Bremsdosierung 30 26 27 27 24 26 26 26 26 24<br />
Bremsen mit Sozius/Fading 20 11 10 12 15 14 11 11 <strong>13</strong> <strong>13</strong><br />
Aufstellmoment beim Bremsen 10 8 8 6 7 6 8 7 7 6<br />
ABS-Funktion 20 15 16 15 15 14 16 14 15 12<br />
Lenkerschlagen 20 14 15 <strong>13</strong> <strong>13</strong> 11 15 11 14 <strong>13</strong><br />
Bodenfreiheit 10 6 6 6 6 7 7 6 7 7<br />
Summe 150 1<strong>13</strong> 116 1<strong>13</strong> 111 111 116 109 114 105<br />
KOSTEN<br />
Garantie 30 17 17 17 15 15 17 15 17 15<br />
Verbrauch (Landstraße) 30 12 15 20 20 18 14 8 22 18<br />
Inspektionskosten 20 11 16 18 11 10 19 9 20 16<br />
Unterhaltskosten 20 5 6 7 8 7 5 6 7 7<br />
Summe 100 45 54 62 54 50 55 38 66 56<br />
GESAMTWERTUNG 1000 686 731 693 666 645 712 661 704 678<br />
PLATZIERUNG 5. 1. 4. 7. 9. 2. 8. 3. 6.<br />
Preis-Leistungs-Note<br />
Bestnote<br />
1,0 2,7 1,8 2,9 1,7 2,3 2,2 4,0 1,2 2,4<br />
MIT IMPOSANTEN DURCHZUGSWERTEN zeigen<br />
sich Aprilia und BMW der Kernkompetenz<br />
von Power-Naked-Bikes bewusst, während die<br />
Honda hier ihrem Leistungsmanko Tribut zollt.<br />
Dafür rehabilitiert sich die CB 1000 R mit bester<br />
Laufkultur. Eine exzellente Traktion verhilft der<br />
Suzuki trotz geringerer Spitzenleistung als das<br />
Top-Quartett zu beeindruckenden Beschleunigungswerten.<br />
Punktabzug gibt’s bei der MV für<br />
ihre im sportlichen Einsatz rupfende Kupplung.<br />
SIEGER MOTOR: BMW<br />
DIE NUR MÄSSIG MIT DER FAHRWERKSGEO-<br />
METRIE harmonierende Originalbereifung und<br />
die harte Federung vermasseln der Kawa die<br />
Tour. Mit gelungenem Handling, satter Kurvenlage<br />
und präzisem Lenkverhalten überzeugt<br />
das Trio aus Aprilia, BMW und MV Agusta. Gut<br />
ab gestimmt zeigen sich die einzigen semiaktiven<br />
Federelemente des Testfelds in der BMW.<br />
Unerwartet: Der Preis der komfortabelsten<br />
Federungsabstimmung geht an die MV Agusta.<br />
SIEGER FAHRWERK: BMW<br />
WENIG GRÜN, WENIG ROT – der Alltag ist für<br />
Power-Naked-Bikes von untergeordneter Bedeutung.<br />
Mit kommoder Sitzbank und unverkrampfter<br />
Fahrposition schlagen sich die KTM und besonders<br />
die Honda auch bei weniger sportiven<br />
Einsätzen achtbar. Fürs Herz: eine so liebevolle<br />
Verarbeitung wie bei der MV Agusta. Für den Verstand:<br />
Den Reichweitenrekord (378 km) schafft<br />
die Suzuki, am zeitigsten zur Tanke (285 km)<br />
zwingt es den Aprilia-Piloten.<br />
SIEGER ALLTAG: KTM<br />
EIN DURCHGÄNGIG HOHES NIVEAU bieten die<br />
Bremsanlagen der Nakeds. Selbst die Verzögerer<br />
der Schlusslichter Triumph und Honda liefern<br />
eine solide Performance ab. Nervig: die ausgeprägte<br />
Aufstellneigung der Monster, Speed<br />
Triple und vor allem der Z 1000.<br />
SIEGER SICHERHEIT: BMW/KTM<br />
BESCHÄMEND sind die Verbräuche der Aprilia<br />
(6,5 l) und der MV (7,3 l). Was trotz satter<br />
Leistung möglich ist, zeigt die Suzuki (4,5 l).<br />
SIEGER KOSTEN: SUZUKI<br />
SIEGER PREIS-LEISTUNG: SUZUKI<br />
Viele Punkte, viel Vernunft – und ein<br />
akzeptabler Tarif im hochpreisigen<br />
Naked-Bike-Segment. Die GSX-S<br />
siegt klar.<br />
www.motorradonline.de
T E S T + T E C H N I<br />
Fahrbericht Ducati Panigale R<br />
K<br />
ZWISCHEN DEN<br />
WELTEN<br />
Die Panigale R bildet die Basis für die<br />
aktuellen WM-Superbikes und ist die<br />
jüngste Schöpfung dieser Baureihe.<br />
Technisch und preislich liegt sie zwischen<br />
der exklusiven 1199 Superleggera und der 1299 Panigale<br />
S. Das weckt Erwartungen. Von Volkmar Jacob; Fotos: Ducati<br />
Zack, vorbei! Ducati-Werksfahrer<br />
Chaz Davies lässt den staunenden<br />
Autor gnadenlos stehen. Dabei<br />
jagt der Brite nicht einmal<br />
mit seinem Einsatzgerät um den Kurs von<br />
Imola, sondern sitzt ebenfalls auf der straßenzugelassenen<br />
Variante. Noch kurz die<br />
geniale Linie des Profis in den Kurvenkombinationen<br />
Tamburello und Villeneuve<br />
genießen, dann verschwindet er hinter<br />
der Tosa-Kurve auf Nimmerwiedersehen.<br />
Anlass der spannenden Begegnung ist<br />
die Präsentation der Panigale R. Zwei Tage<br />
nach den beiden WM-Läufen auf dem<br />
oberitalienischen Kurs stellt Ducati einer<br />
Handvoll Journalisten seinen jüngsten<br />
Supersportler vor, der den pfeilschnellen<br />
Werksbikes als Basis dient. Und der hat<br />
einiges zu bieten.<br />
Beispielsweise werkelt in der „R“ nahezu<br />
derselbe Antrieb wie in dem sündteuren<br />
und federleichten Edelrenner 1199<br />
Superleggera: Kolben mit nur zwei Ringen<br />
und gefrästen Böden, gefräster Brennraum,<br />
Titanpleuel, Kurbelwelle mit Mini-<br />
Kurbelwangen und Ausgleichsgewichten<br />
aus superdichtem Wolfram. Im Gegensatz<br />
zur Superleggera verwenden die Italiener<br />
beim R-Motor aber keine Titan-Auslassventile.<br />
Einen größeren Aufwand betrieben<br />
die Konstrukteure dagegen bei den<br />
Ventilführungen. Dort schufen sie Platz für<br />
Nockenwellen mit mehr Hub. Diese rotieren<br />
bisher allerdings nur in den WM-Maschinen.<br />
Neu sind auch Verstrebungen an<br />
den Magnesium-Abdeckungen der Zylinderköpfe<br />
und der Kupplung. Sie sollen die<br />
Festigkeit erhöhen. Den Vergleich zur vorherigen<br />
R-Version aus dem Jahr 20<strong>13</strong> zieht<br />
Ducati erst gar nicht: „Die Unterschiede<br />
sind generell sehr groß, die aktuelle R ist<br />
ein ganz anderes Motorrad“, erklärt ein<br />
Sprecher. Damit keine Verwechslungen<br />
entstehen, ließen die Italiener bei der<br />
Bezeichnung der neuen einfach die<br />
Hubraumangabe weg.<br />
205 PS und <strong>13</strong>6 Nm verspricht<br />
Ducati für die Panigale<br />
R. Das sind 2 PS<br />
und 2 Nm mehr als in<br />
der Superleggera.<br />
Wie viele davon tatsächlich<br />
den Weg<br />
zum Leistungsprüfstand<br />
finden, muss<br />
ein späterer Test zeigen.<br />
Klar ist jedoch:<br />
Auch der R-Antrieb<br />
liefert seine maximale<br />
Leistung bei für Big-<br />
Bore-Zweizylindern ungewöhnlich<br />
hohen Nenndrehzahlen<br />
von<br />
11 500/min. Dazu<br />
liegt das höchste<br />
Drehmoment mit<br />
10 250/min<br />
ebenfalls sehr<br />
spät an. Dadurch<br />
unterscheidet<br />
sich<br />
das Triebwerk<br />
trotz identischer<br />
Spitzenleistung<br />
deutlich von der<br />
hubraumstärkeren<br />
1299 Panigale (S), die ja<br />
auch erst seit diesem Jahr über<br />
die Straßen räubert. Die weiteren<br />
Unterschiede der beiden Motoren stehen<br />
im Kasten auf Seite 46. Doch was hat die R<br />
in der Praxis drauf?<br />
Starterknopf drücken. Schlagartig<br />
dröhnt ein zorniger V2-Sound durch die<br />
44 TEST+TECHNIK<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 45
Technisch, gewichtsmäßig und preislich liegt die Panigale R<br />
zwischen der Superleggera und der 1299 Panigale S. Sie bildet<br />
die Basis für die Superbike-WM<br />
Technik Motoren der Panigale-Baureihe<br />
Das Foto oben zeigt die jüngste<br />
Variante des Panigale-Antriebs. Sie<br />
befeuert die neue R-Version. In<br />
ihr rotiert die leichtere Kurbelwelle<br />
der Superleggera (ganz rechts)<br />
Den Anfang machte 2012 die 1199 Panigale.<br />
In ihr arbeitet ein von Grund<br />
auf neu konstruierter Motor, den Ducati<br />
wegen seines extremen Bohrung/Hub-<br />
Verhältnisses (112,0 zu 60,8 Millimeter)<br />
„Superquadro“, also „Überquadrat“, taufte.<br />
Auf Basis dieses Antriebs entwickelten<br />
die Italiener den Motor der Superleggera,<br />
die letztes Jahr in limitierter Auflage<br />
von 500 Exemplaren erschien. Die wichtigsten<br />
Unterschiede stehen schon im<br />
Haupttext und sind weiter unten nochmals<br />
aufgeführt. Der Superleggera-Motor<br />
treibt im Wesentlichen auch die neue<br />
Panigale R an. Abweichungen: keine Titanschrauben,<br />
Auslassventile aus Stahl,<br />
modifizierte Ventilführung, stabilisierende<br />
Verstrebungen an Zylinderkopf- und<br />
Kupplungsdeckel. Doch welche Unterschiede<br />
bestehen zwischen diesem Antrieb<br />
und jenem der ebenfalls dieses Jahr<br />
vorgestellten 1299 Panigale (S)? Bei der<br />
Nennleistung zunächst einmal keine.<br />
Beide sind mit 205 PS angegeben. Wichtigstes<br />
Merkmal der 1299er ist ihr größerer<br />
Hubraum. Dank 116er-Bohrung bei<br />
identischem Hub wuchs er von 1198 auf<br />
1285 Kubikzentimeter. Ansonsten verzichtet<br />
das 1299er-Triebwerk auf die feinen<br />
Zutaten wie leichte Kolben mit nur<br />
zwei Ringen, gefräste Kolbenböden und<br />
Brennräume, Titanpleuel und Kurbelwelle<br />
mit kleinen Kurbelwangen. Auch die<br />
Verdichtung ist anders: 12,6:1 beim<br />
1299er, <strong>13</strong>,2:1 bei der R. Außerdem entfaltet<br />
der 1299er seine Kraft früher, und<br />
natürlich liefert er auch mehr Drehmoment:<br />
145 Nm bei 8750/min zu <strong>13</strong>6 Nm<br />
bei 10 250/min. Auch die Spitzenleistung<br />
liegt früher an. Beim 1299er bei 10 500/<br />
min, bei der R bei 11 500/min (alles<br />
Werksangaben).<br />
Fahrbericht Ducati Panigale R<br />
Boxengasse. In Sachen Lautstärke ist man<br />
von Bologna-Superbikes ja einiges gewöhnt,<br />
doch dieser Donnerhall hat eine<br />
ganz eigene Qualität. „Die Testmaschinen<br />
sind mit Racing-Auspuffen bestückt“, sagt<br />
Baureihenleiter Cristian Gasparri. „Mit entsprechendem<br />
Mapping sind die Motoren<br />
in der Mitte bis zu 20 Prozent kräftiger, und<br />
auch die Spitzenleistung steigt um zirka 6<br />
bis 8 PS.“ Für den Ritt auf der Rennstrecke<br />
haben die Techniker zudem das Schaltschema<br />
umgedreht: erster Gang oben, Rest unten.<br />
Dazu passt perfekt der Schaltautomat.<br />
Er gestattet rennmäßiges Hoch- und Runterschalten<br />
ohne Kupplung.<br />
Derart aufgerüstet schiebt die rote Diva<br />
mächtig aus den Ecken. Das gilt selbst für<br />
die beiden engen Schikanen „Variante Alta“<br />
und „Variante Bassa“, die langsamsten Passagen<br />
der Strecke. Der zweite Gang genügt,<br />
und schwupp, schon feuert die Italienerin<br />
auf und davon. Auch den Spurt durchs<br />
Drehzahlband meistert sie bravourös: kein<br />
spürbarer Einbruch, keine Schwächephase,<br />
nur schiere Kraft. Ob sich die R mit Serienauspuff<br />
und Standardmapping ähnlich<br />
tapfer schlägt? Die Antwort darauf bleibt<br />
sie erst einmal schuldig.<br />
Dafür zeigt sie heute schon ihr Talent<br />
beim Kurvenwetzen. Die Duc brennt wunderbar<br />
leichtfüßig um die Radien und trifft<br />
die gewünschte Linie millimetergenau.<br />
Außerdem ermöglicht ihre ausgezeichnete<br />
Stabilität in Schräglage hohe Kurvenspeeds.<br />
Einen großen Anteil an dieser Darbietung<br />
hat sicher das sensationell niedrige Ge-<br />
46 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Z1000SX<br />
JEDER HERAUSFORDERUNG<br />
GEWACHSEN<br />
Sieger Leserwahl <strong>2015</strong>:<br />
Sportliche Allrounder<br />
Abgebildetes Fahrzeug ist mit optionalem Zubehör ausgestattet.<br />
Die Z1000SX bringt alles mit, um sich jeder Herausforderung zu stellen. Sportliche<br />
Einsätze? Aber gerne. Ausgedehnte Touren? Jederzeit. Sie bietet das Beste aus beiden<br />
Welten: enorme Power, direktes Feedback sowie eine Top-Langstreckenausstattung. Und das geräumige Koffer-Set (optional) mit<br />
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Die Abstimmung der Federelemente geriet sehr straff. Beim Beschleunigen über Bodenwellen und beim Schalten unter Volllast<br />
gelangen Impulse und mit ihnen Unruhe ins Fahrwerk. Die Panigale R sei eben eine reinrassige Rennmaschine – sagt Ducati<br />
Fahrbericht Ducati Panigale R<br />
wicht. 184 Kilogramm vollgetankt gibt<br />
Ducati an. Damit liegt sie ungefähr mittig<br />
zwischen der Superleggera (177 Kilo) und<br />
der 1299 Panigale S (190 Kilo).<br />
Um ihre Vorteile voll auszukosten, verlangt<br />
die R jedoch einen aktiven Piloten. Am<br />
besten funktioniert ein Fahrstil mit viel Hanging-off.<br />
Dennoch gelangt mit steigendem<br />
Tempo immer mehr Unruhe ins Fahrwerk.<br />
Zackig durchgesteppte Gangwechsel bei<br />
weit geöffneten Drosselklappen genügen,<br />
um die Italienerin um die Längsachse rühren<br />
zu lassen. Gleiches gilt beim Beschleunigen<br />
über Bodenwellen. Im Extremfall hilft<br />
nur, das Gas zuzudrehen. Andernfalls geraten<br />
die Ausschläge zu heftig. Was tun?<br />
Setup checken. Im Stand lassen sich Gabel<br />
und Federbein (beide arbeiten konventionell)<br />
nur wenig komprimieren, die Abstimmung<br />
geriet extrem hart. Je weiter die<br />
Fahrwerkstechniker die Dämpfung öffnen,<br />
desto besser absorbieren die Federelemente<br />
die eingeleiteten Impulse und desto ruhiger<br />
liegt die Duc. Außerdem hilft es, den<br />
Lenkungsdämpfer etwas weiter zu schließen.<br />
Doch komplett beruhigen lässt sich<br />
die Italienerin nicht. Zumindest nicht auf<br />
dieser Strecke. Imola fordert das Fahrwerk<br />
wegen seiner vielen Bodenwellen, Kuppen,<br />
Bergauf- und Bergab-Passagen wie kaum<br />
eine andere Piste. Außerdem stimmte<br />
Ducatis Testfahrer Alessandro Valia das Bike<br />
offenbar für Racing-Profis ab, die das Fahrwerk<br />
stärker fordern als Normalsterbliche.<br />
„Die Panigale R ist eine reinrassige Rennmaschine“,<br />
bestätigt der deutsche Importeur.<br />
„Für Hobby-Rennstreckenfahrer sind sicher<br />
die 1299 Panigale und die 1299 Panigale S<br />
die bessere Wahl.“<br />
Genau von diesen hat die R die Geometrie<br />
übernommen. Lenkkopfwinkel und<br />
Nachlauf sind identisch, lediglich der Radstand<br />
wuchs um fünf Millimeter. Hierfür<br />
Ducati Panigale R<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-<br />
V-Motor, je zwei obenliegende, kettengetriebene<br />
Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch<br />
betätigt, Nasssumpfschmierung,<br />
Einspritzung, 2x Ø 68 mm, geregelter Katalysator,<br />
Lichtmaschine 440 W, Batterie 12 V/6 Ah,<br />
hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
(Anti-Hopping), Sechsganggetriebe,<br />
O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,733.<br />
Bohrung x Hub<br />
112,0 x 60,8 mm<br />
Hubraum<br />
1198 cm³<br />
Verdichtungsverhältnis<strong>13</strong>,2:1<br />
Nennleistung150,8 kW (205 PS) bei 11500/min<br />
Max. Drehmoment <strong>13</strong>6 Nm bei 10 250/min<br />
Herstellerangaben<br />
versetzten die Techniker die Lenkkopflager<br />
etwas weiter nach vorn. Auch das Monocoque<br />
besteht wie bei den 1299ern aus<br />
Alu, Magnesium bleibt der Superleggera<br />
vorbehalten. Dennoch ist die Panigale R<br />
ein exklusives Motorrad. Dafür spricht allein<br />
schon der Preis. Rund 33 000 Euro ruft<br />
Ducati für die in der Stückzahl unlimitierte<br />
R auf. Auch in dieser Kategorie liegt sie<br />
zwischen den Welten – jenen von Superleggera<br />
und 1299 Panigale S.<br />
www.motorradonline.de/ducati<br />
FAHRWERK<br />
Monocoque aus Aluminiumguss, Upside-down-<br />
Gabel, Ø 43 mm, hydraulischer Lenkungsdämpfer,<br />
Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein,<br />
liegend, mit Hebelsystem, Doppelscheibenbremse<br />
vorn, Ø 330 mm, Vierkolben-<br />
Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm,<br />
Zweikolben-Festsattel, Traktionskontrolle, ABS.<br />
Alu-Schmiederäder 3.50 x 17; 6.00 x 17<br />
Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17<br />
MAß E + GEWICHTE<br />
Radstand 1442 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad,<br />
Nachlauf 96 mm, Federweg v/h 120/<strong>13</strong>0 mm,<br />
Sitzhöhe 830 mm, Gewicht vollgetankt 184 kg,<br />
zulässiges Gesamtgewicht 370 kg, Tankinhalt<br />
17,0 Liter.<br />
Garantie<br />
zwei Jahre<br />
FarbeRot<br />
Preis<br />
32 990 Euro<br />
Nebenkosten<br />
305 Euro<br />
48 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
T<br />
K<br />
E<br />
O<br />
S<br />
M<br />
T<br />
P A K T<br />
◼Fahrbericht ◼<br />
KTM-Crosser 2016<br />
Radikalkur<br />
Die Ansage kam von ganz oben: Der<br />
Speck muss weg. KTM-Crosser sollen<br />
auch in puncto Gewicht ganz vorn sein,<br />
verlangte Boss Stefan Pierer. Bislang war<br />
das nicht der Fall, in erster Linie wegen des<br />
E-Starters, auf den die Mitbewerber (noch)<br />
verzichten. Der bleibt natürlich, trotzdem<br />
haben die Österreicher bei den drei Viertakt-Crossern<br />
des Modelljahres 2016 bis<br />
zu fünf Kilogramm wegrationalisiert.<br />
Wie geht das? Nur mit radikalen Maßnahmen.<br />
Jedes einzelne Bauteil musste erst<br />
auf die Waage und dann zur Diät. Bei der<br />
450er bringen allein drei wesentliche Teile<br />
über vier Kilogramm: Der in allen Abmessungen<br />
geschrumpfte Motor spart 1,8 kg,<br />
die WP-Luftgabel 1,4 kg und die Li-Ion-<br />
Batterie mit nur noch 2,2 Ah ein ganzes<br />
Kilogramm. Damit der Strom zum Starten<br />
sicher reicht, muss der Fahrer übrigens<br />
mittels Taste vorglühen, dies aber nur bei<br />
niedrigen Temperaturen.<br />
Auf der italienischen GP-Piste von Maggiora<br />
konnte <strong>MOTORRAD</strong>-Tester und Multi-<br />
Champion Didi Lacher die neuen Maschinen<br />
erstmals ausprobieren. Schon bei der<br />
Sitzprobe stellt sich ein neues KTM-Feeling<br />
ein. Die Maschinen wirken weniger hoch<br />
und groß, stattdessen sitzt der Fahrer mehr<br />
in als auf einer schmaler konturierten Sitzbank.<br />
Zudem positionierte man den Lenker<br />
nun einen Zentimeter tiefer. Der ist nun in<br />
Gummi gelagert und filtert so die letzten<br />
Vibrationen des ohnehin sehr ruhig laufenden<br />
450er-Motors raus.<br />
So sanft das ohc-Aggregat läuft, so gewaltig<br />
schiebt es in jedem Drehzahlband<br />
an. Satte 62 PS proklamiert KTM, das erscheint<br />
glaubhaft. Zwei Mappings stehen<br />
zur Wahl, das sanftere ist auf dieser harten<br />
Piste das bessere. Das nutzbare Drehzahlband<br />
ist gigantisch, hier geht alles in den<br />
Gängen drei und vier. Der große Viertakter<br />
besitzt sehr wenig Schleppmoment. Andererseits<br />
ist die Schwungmasse groß genug,<br />
dass der Motor unten satt und kraftvoll<br />
wirkt und selbst bei tiefsten Drehzahlen<br />
nicht zum Absterben neigt.<br />
Ein Novum für KTM/WP stellt die Luftgabel<br />
dar, die mit nur einer Kammer das<br />
Abstimmen unkompliziert macht. Sie<br />
spricht sauber an und arbeitet im mittleren<br />
Bereich ohne einen unangenehm harten<br />
Punkt. Wer partout keine Luftgabel mag,<br />
soll die Gabel mittels Zubehör-Kit auf eine<br />
Stahlfeder umrüsten können. Verblüffend<br />
ist das Handling des großen Viertakters, in<br />
Diät-Programm: Die SX-F 450 ist komplett neu<br />
aufgebaut, nahezu jedes Einzelteil wurde in<br />
puncto Gewicht optimiert; Krümmer mit integrierter<br />
Resonanzbirne ähnlich wie beim Zweitakter<br />
50 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
DAS IST NEU<br />
Hier alles aufzulisten ergäbe eine lange Liste,<br />
denn prinzipiell sind alle drei Viertaktmodelle<br />
von oben bis unten in nahezu jedem Detail<br />
renoviert. Hier im Überblick die wichtigsten<br />
Änderungen (Gewichtsersparnis):<br />
• Motoren leichter und kompakter<br />
(250: 1,1 kg, 350: 1,0 kg, 450: 1,8 kg)<br />
• Pleuel kürzer für reduzierte Bauhöhe<br />
• Drosselklappengehäuse neu<br />
• Kupplung verstärkt mit verringerten<br />
Bedienkräften<br />
• Li-Ion-Starterbatterie mit 2,2 Ah (1,0 kg)<br />
• Mapping nun gangspezifisch<br />
• zwei Fahr-Mappings plus Startprogramm<br />
• Rahmen neu mit verringerter Biegesteifigkeit<br />
und erhöhter Torsionssteifigkeit (380 g)<br />
• Rahmenheck leichter<br />
• Schwinge leichter (250 g)<br />
• Sitzhöhe um 20 mm verringert<br />
• Lenker in Gummi gelagert und 10 mm tiefer<br />
• Bremsscheiben erleichtert (114 g)<br />
• WP-Gabel AER 48 mit Luftfederung (1,4 kg)<br />
• WP-Federbein mit verlängertem Hub und<br />
geänderter Hebelei<br />
• Auspuffkrümmer mit integrierter<br />
Resonanzkammer (nur SX-F 450)<br />
• Endschalldämpfer kürzer<br />
• Airbox neu mit steiferem Ansauggummi<br />
Kehren kann man mühelos ganz enge<br />
250er-Linien fahren. Überhaupt ist die einfache<br />
Kontrollierbarkeit frappierend. Nur<br />
darf man nie den brutalen Schub vergessen,<br />
der auf jeder Geraden ganz schön an<br />
der Kondition zehrt.<br />
Für das Zwittermodell SX-F 350 gilt<br />
prinzipiell das Gleiche, was die technischen<br />
Änderungen betrifft. Hier wurden rund vier<br />
Kilo eingespart, auch das ist auf der Strecke<br />
deutlich spürbar. Der enorme <strong>13</strong> 400/min<br />
drehende, ebenfalls leicht geschrumpfte<br />
dohc-Motor soll in allen Bereichen ein<br />
wenig an Kraft zugelegt haben. Wichtiger<br />
ist wohl, dass auch er noch feiner und<br />
ruhiger als sein Vorgänger läuft.<br />
Größere Eingriffe gab es wiederum<br />
beim 250er-Aggregat, um ihm mehr Drehmoment<br />
im unteren und mittleren Bereich<br />
Fotos: KTM<br />
Klein-Kunst: Unterhalb<br />
der schmaleren<br />
Sitzbank<br />
findet sich eine<br />
geradezu winzige<br />
Batterie, die sich<br />
bei Kälte vor dem<br />
Starten durch ein<br />
elektronisches<br />
Programm selbst<br />
aufheizen muss<br />
zu verschaffen. Oben raus ging er ja bisher<br />
schon wie der Teufel, wirkt nun aber nicht<br />
mehr gar so spitz. Geblieben sind Drehfreude<br />
und ein relativ hohes Schleppmoment.<br />
Letzteres ist vielleicht auch der Grund, weshalb<br />
die Gewichtsreduktion trotz immerhin<br />
vier Kilogramm Differenz hier nicht ganz so<br />
stark auffällt. Das Fahrwerk erscheint etwas<br />
weniger straff abgestimmt als bei den beiden<br />
größeren Viertaktern und sehr schön<br />
ausbalanciert.<br />
Optisch erscheinen die neuen Modelle<br />
eher zurückhaltend. Wer den Werksmaschinen-Look<br />
möchte, wird sicher im reichhaltigen<br />
PowerParts-Katalog fündig. Sofern er<br />
noch das nötige Kleingeld hat, denn mit<br />
Lis tenpreisen von 8795 (SX-F 250) bis 9395<br />
(SX-F 450) Euro sind die Bikes finanziell gesehen<br />
wahrlich keine Leichtgewichte. gt/dl<br />
Doch nach sieben Jahren<br />
ist auch der beste Helm<br />
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ausschließlich extrem hochwertiges<br />
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Dennoch härtet EPS mit der Zeit aus.<br />
Somit verliert jede Innenschale mit zunehmendem<br />
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K<br />
Vergleichstest Kawasaki Z 300, KTM 390 Duke<br />
NACHWUCHS-HOF<br />
Von Jens Möller-Töllner; Fotos: Jacek Bilski<br />
Exakt 5853 neu zugelassene Motorräder<br />
– diese Zahl steht auf dem<br />
Habenkonto von KTM für die ersten<br />
vier Monate dieses Jahres. Zum<br />
markeninternen Topseller hat sich die 390<br />
Duke gemausert. 1049 neue Besitzer griffen<br />
<strong>2015</strong> bereits zu. Bei Kawasaki sah das mauer<br />
aus. Nachdem die Ninja 250 R ab 2008 das<br />
Segment quasi wiederbelebt hat, gab’s<br />
<strong>2015</strong> bisher nur 340 neue Fans für die Bikes<br />
aus Akashi mit 250 bis 499 cm 3 Hubraum.<br />
Das soll mit der Z 300 anders werden. Wie<br />
die kleine Duke greift sie auf bewährte<br />
Optik zurück, nutzt Stilelemente der großen<br />
Schwestern Z 800 und Z 1000. Das macht<br />
was her. Auch weil die Z 300 mit echten<br />
296 cm 3 Hubraum selbst dem kritischen<br />
Blick bis ins Detail standhält. 5195 Euro und<br />
deshalb nicht ganz so hübsch verarbeitet?<br />
Nicht mit Kawasaki. Einzig bei den Reifen<br />
drückt das Spardiktat. Die IRC Roadwinner<br />
sehen zwar ganz keck aus, beim Feedback<br />
zeigen sie dem Piloten aber die lange Nase.<br />
Den Fehler macht KTM bei der 390er-<br />
Duke nicht, die für 4995 Euro zu haben ist.<br />
Bei ihr rotiert Metzelers M5 auf den Felgen.<br />
Der gript gut und schenkt viel Vertrauen.<br />
Dafür ist die Verarbeitung der Duke nicht<br />
ganz so fein. Frei liegende Stecker links hinterm<br />
Wasserkühler und eine Schwingenachse<br />
aus dem Baumarkt lassen Luft nach<br />
oben. Liegt’s an der Fertigung durch Bajaj<br />
in Indien? Ohne Tadel sind also beide nicht.<br />
Genug geschaut – rauf und los!<br />
KTMs kleine 390er-Duke schaut fesch<br />
aus, fährt fetzig und verkauft sich wie<br />
geschnitten Brot. Da will Kawasaki nicht<br />
tatenlos zusehen und stellt der Ninja<br />
300 die neue Z 300 zur Seite. Kann die<br />
im herzoglichen Revier wildern und<br />
Nachwuchs-Biker begeistern?<br />
Wespentaillenschmal fällt der Knieschluss<br />
bei der KTM aus. Viel Platz für die Beine.<br />
Hinzu kommt: Die Rasten liegen sportlich<br />
weit hinten und nicht zu hoch. Der Kniewinkel<br />
bleibt entspannt. Das gilt nicht für den<br />
Hintern. Das harte Sitzpolster in 790 Millimeter<br />
Höhe kennt den Begriff Komfort nur<br />
vom Hörensagen. Das kann die Z 300 aber<br />
auch nicht besser. Aufsteigen klappt dagegen<br />
noch leichter als auf der 390er-Duke.<br />
Der Fahrerplatz liegt nur 780 Millimeter<br />
hoch. Da der Tank breiter baut und die Rasten<br />
ähnlich, aber weiter vorne positioniert<br />
sind, fällt das Arrangement für den Piloten<br />
versammelter aus als auf der KTM.<br />
Ein kurzer Druck auf den Starter, und<br />
die Kawa ist da. Leise säuselnd läuft der<br />
Zweizylinder sofort rund. Die KTM benötigt<br />
schon mal eine Zündung mehr, bis ihr einzelner<br />
Kolben mit der Arbeit beginnt. Dafür<br />
punktet der 373 cm 3 große Einzylinder mit<br />
höherem Anfahrdrehmoment und einer<br />
leichtgängigen, präzise dosierbaren Kupplung.<br />
Die trennt bei der Z 300 nicht so fein.<br />
Ihr Schleifpunkt ist zudem knapp bemessen.<br />
Daher lieber beim Anfahren satt Gas<br />
geben, damit’s vorwärtsgeht. Das bleibt<br />
auch weiter so. Die Kawasaki will Drehzahlen.<br />
7000 Umdrehungen sind auf der Landstraße<br />
mindestens gefordert. Ab 9500/min<br />
folgt noch ein kleiner Power-Nachschlag.<br />
Erst knapp vor <strong>13</strong> 000 Umdrehungen beendet<br />
der Begrenzer das Treiben sanft. Mindestens<br />
ebenso wichtig wie die richtige<br />
52 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
FNUNGEN<br />
Drehzahl ist die Wahl der Gangstufe. Kurz<br />
unaufmerksam vor der Kurve und nicht<br />
runtergeschaltet? Das bestraft die Z 300<br />
beim Herausbeschleunigen ab dem Kurvenscheitel<br />
mit sehr gebremstem Vortrieb.<br />
Also lieber einen Gang zu viel als zu wenig<br />
im präzise rastenden Getriebe nach unten<br />
gesteppt. Dann stimmt auch der Speed.<br />
Die KTM lässt sich deutlich ruhiger<br />
durch die Lande treiben – zumindest in<br />
Sachen Drehzahlen. Sie macht es immer<br />
mit 3000 Umdrehungen weniger als die Z<br />
300. Und da ihr Drehmoment ab 5000/min<br />
sogar einen kleinen Hügel anhäuft, verzeiht<br />
sie auch Nachlässigkeiten bei der Gangwahl<br />
eher als die Kawasaki. Trotzdem: Wer flott<br />
Angebote zu<br />
diesen Motorrädern<br />
finden<br />
Sie hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2015</strong><strong>13</strong>052<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 53
6 PS = 1 kW<br />
5 kW = 1 PS<br />
205<br />
190<br />
175<br />
160<br />
145<br />
<strong>13</strong>0<br />
115<br />
100<br />
85<br />
70<br />
55<br />
40<br />
25<br />
10<br />
Vergleich Einstiegs-Nakeds<br />
sein will, muss auch die KTM ordentlich<br />
ausquetschen. Zwischen 7500 und 8000/<br />
min flackert in den Gängen eins bis fünf<br />
der Schaltblitz. Einfach ignorieren. Lieber<br />
das Gas bis kurz vorm Begrenzer stehen<br />
lassen und dann den nächsten Gang<br />
reindrücken. So passt auch das nutzbare<br />
Drehzahlband. Im sechsten Gang bittet das<br />
Schaltlämpchen im Cockpit übrigens erst<br />
kurz vorm Drehzahlende bei 10 000/min<br />
KAWASAKI<br />
Z 300<br />
KTM 390<br />
DUKE<br />
Leistungs - Messung<br />
35<br />
Wohlwollend gesprochen:<br />
Bis 5000/min tren-<br />
45<br />
nen die Z 40300 und die<br />
390 Duke nur wenige<br />
35<br />
Pferdestärken. Danach<br />
klaffen die 30 Leistungskurven<br />
auseinander. Die<br />
25<br />
Lücke wird bei guten<br />
7000 Umdrehungen<br />
20<br />
mehr als zehn PS groß.<br />
15<br />
Die Kawasaki dreht relativ<br />
gleichförmig 10 hoch –<br />
nur bei 7500 und 9500<br />
5<br />
Touren gibt es zarte<br />
Ausschläge nach oben.<br />
Dagegen<br />
0<br />
steigert die<br />
KTM Leistung und<br />
Motorleistung<br />
10<br />
15<br />
40<br />
10<br />
30<br />
5<br />
20<br />
5<br />
10<br />
kW PS<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 <strong>13</strong> 14<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Drehmoment ab der 5000er-Marke deutlich. Das ist auch im direkten<br />
Vergleich immer spürbar. Die Z 300 will jubeln, die KTM reitet lieber auf<br />
ihrer Drehmomentwoge. Die bietet zwischen 7000 und 9000/min als<br />
Extra sogar ein gut nutzbares Nm-Plateau.<br />
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250,<br />
korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5%<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
KTM 390 Duke<br />
32,4 kW (44 PS)<br />
bei 9000/min<br />
36 Nm bei 7100/min<br />
Kawasaki Z 300<br />
28,7 kW (39 PS)<br />
bei 11 100/min<br />
26 Nm bei<br />
9800/min<br />
Drehmoment in Nm<br />
Daten und Messwerte<br />
um Aufmerksamkeit. Sonst würde der eilige<br />
Reiter jeden Versuch zum Erreichen der<br />
Topspeed von 160 km/h wohl viel zu früh<br />
abbrechen.<br />
So schnell rennt die Z 300 auch, sie<br />
packt sogar noch sechs km/h obendrauf.<br />
Wie die KTM flitzt sie dabei nicht bombenstabil,<br />
aber gut beherrschbar geradeaus.<br />
Wenig Kopfzerbrechen bereitet die Kawasaki<br />
auch beim flotten Strich über Landstraßen.<br />
Zwar ist die Gabel gar nicht und<br />
das Federbein – allerdings nur schlecht<br />
erreichbar – in der Federbasis zu verstellen,<br />
Front und Heck machen ihren Job aber<br />
Kawasaki<br />
Z 300<br />
KTM<br />
390 Duke<br />
MOTOR<br />
Bauart Zweizylinder-Viertakt-<br />
Reihenmotor<br />
Einzylinder-Viertakt-<br />
Motor<br />
Einspritzung 2 x Ø 32 mm 1 x Ø 46 mm<br />
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
(Anti-Hopping)<br />
Mehrscheiben-Ölbadkupplung<br />
Bohrung x Hub 62,0 x 49,0 mm 89,0 x 60,0 mm<br />
Hubraum 296 cm³ 373 cm³<br />
Verdichtung 10,6:1 12,9:1<br />
Leistung 29,0 kW (39 PS)<br />
bei 11000/min<br />
32,0 kW (44 PS)<br />
bei 9500/min<br />
Drehmoment 27 Nm bei 10 000/min 35 Nm bei 7250/min<br />
FAHRWERK<br />
Rahmen Brückenrahmen aus Stahl Gitterrohrrahmen aus Stahl<br />
Gabel Telegabel, Ø 37 mm Upside-down-Gabel, Ø 43 mm<br />
Bremsen vorne/hinten Ø 290/220 mm Ø 300/230 mm<br />
Assistenz-Systeme ABS ABS<br />
Räder 2.75 x 17; 4.00 x 17 3.00 x 17; 4.00 x 17<br />
Reifen 110/70 17; 140/70 17 110/70 ZR 17; 150/60 ZR 17<br />
Bereifung IRC Roadwinner Metzeler Sportec M5 Interact<br />
MAßE + GEWICHTE<br />
Radstand 1405 mm <strong>13</strong>67 mm<br />
Lenkkopfwinkel 64,0 Grad 65,0 Grad<br />
Nachlauf 82 mm 94 mm<br />
Federweg vorne/hinten 120/<strong>13</strong>2 mm 150/150 mm<br />
Sitzhöhe 1 780 mm 790 mm<br />
Gewicht vollgetankt 1 172 kg 152 kg<br />
Zuladung 1 178 kg 183 kg<br />
Tankinhalt/Reserve 17,0 Liter 11,0 Liter<br />
Service-Intervalle 6000 km 7500 km<br />
Preis 5195 Euro 4995 Euro<br />
Nebenkosten 170 Euro 200 Euro<br />
-MESSWERTE<br />
Höchstgeschwindigkeit* 166 km/h 160 km/h<br />
Beschleunigung<br />
0–100 km/h 6,1 sek 5,3 sek<br />
0–140 km/h <strong>13</strong>,3 sek 10,8 sek<br />
Durchzug<br />
60–100 km/h 7,5 sek 7,1 sek<br />
100–140 km/h 10,2 sek 7,1 sek<br />
Verbrauch Landstraße/100 km 3,8 Liter 3,7 Liter<br />
Reichweite Landstraße 447 km 297 km<br />
*Herstellerangabe; 1 <strong>MOTORRAD</strong>-Messungen<br />
54 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Die Reise<br />
beginnt jetzt<br />
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FJR<strong>13</strong>00A<br />
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So kommt bei allem Tourenkomfort die Sportlichkeit nicht zu kurz. Souveräne 107,5 kW (146,2 PS),<br />
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www.yamaha-motor.de
KAWASAKI<br />
Z 300<br />
KTM<br />
390 DUKE<br />
Ein Federbein mit Umlenkung hat nur die Z 300. Das KTM-<br />
Pendant ist direkt angelenkt. Halbrund und gut ablesbar: Der<br />
Drehzahlmesser der Z 300 liegt ideal im Blick<br />
Ungeschütztes Steckerwirrwarr links hinterm Kühler bei der KTM.<br />
Ob die auf Dauer funktionieren? Viele Infos versammelt das Duke-<br />
Dashboard. Fürs Ablesen der Drehzahl braucht’s aber eine Lupe<br />
Vergleich Einstiegs-Nakeds<br />
gut. Bügeln das glatt, was glatt zu bügeln<br />
ist. Dazu biegt die Z 300 spielerisch ums<br />
Eck. Nur gucken, fast nicht lenken, und die<br />
Kawa liegt in Schräglage. Richtig gierig –<br />
oder fast schon nervös? Die <strong>MOTORRAD</strong>-<br />
Tester waren sich nicht einig. Spaß hatten<br />
sie trotzdem.<br />
Den gab’s auch mit der KTM. Die benötigt<br />
eine Nuance mehr Kraft für den Einlenkimpuls,<br />
gibt sich nicht ganz so handlich<br />
wie die Z 300. Dafür liegt sie satter, stabiler.<br />
Bis sich die ersten Fahrbahnunebenheiten<br />
in den Weg stellen. Die halten die Gabel<br />
kräftig auf Trab. Fiese Störimpulse machen<br />
sich schnell in der Lenkung breit. Richtig<br />
ruhig folgt die Front der KTM eigentlich nie<br />
der Straßenoberfläche. Da Einstellmöglichkeiten<br />
fehlen, heißt das: dran gewöhnen.<br />
Etwas besser agiert das Federbein. Dessen<br />
Verstellung der Federbasis klappt zwar<br />
leichter als bei der Kawasaki, dafür hat KTM<br />
die Umlenkung eingespart. Eine progressive<br />
Feder soll es richten. Die gute Mischung<br />
aus Komfort und Ansprechverhalten der Z<br />
300 erreicht das KTM-Federbein aber nicht.<br />
Vorteil Kawasaki.<br />
Wobei beide trotz der einen oder anderen<br />
Schwäche im Kurvendickicht richtig aufblühen.<br />
Je kleiner die Straßen werden, desto<br />
besser. Dann fällt ihre Leistung nicht so<br />
sehr ins Gewicht. Stattdessen drängt sich<br />
das flinke Wesen der zwei in den Vordergrund.<br />
Das zaubert ein Lächeln ins Gesicht.<br />
Das Grinsen bleibt auch beim Blick auf die<br />
Kosten erhalten. Unter vier Liter Benzin konsumieren<br />
beide im Laufen-lassen-Modus.<br />
Bei viel Vollgas ist es ein Liter mehr.<br />
Weit ab von richtig knackigen Glanzleistungen<br />
bleiben bei 390 Duke und Z 300 die<br />
Bremsen. Ihre ABS-Systeme verhindern wirkungsvoll<br />
den Sturz übers Vorderrad oder<br />
den Überschlag. Sie regeln aber etwas grob<br />
und sind nicht allzu bissig. Oder positiv ausgedrückt:<br />
voll anfängertauglich. Da schreckt<br />
nichts. Allerdings: Um in den ABS-Bereich<br />
vorzudringen, ist kräftiges Ziehen angesagt.<br />
Mit der ganzen Hand und nicht mit zwei<br />
Fingern. Nach mehreren Vollbremsungen<br />
wandert der Druckpunkt zudem spürbar.<br />
Die nicht einstellbaren Hebel lassen sich immer<br />
mehr zum Lenker ziehen. Zum Stehen<br />
kommen trotzdem beide jederzeit sicher.<br />
Bleibt am Ende nur die Frage: Welche<br />
darf es sein? Die kantig gestylte KTM, die<br />
mehr Motorpunch bietet, aber beim Fahrwerk<br />
Federn lassen muss? Oder die Z 300<br />
im Manga-Design, die für Drehzahl pur<br />
steht, bei Gabel und Federbein vor der<br />
390 Duke liegt, diesen Vorteil mit der Erstbereifung<br />
aber fast wieder verspielt? Eigentlich<br />
egal. Wichtig ist: Für beide hätten<br />
Motorrad-Newcomer vor 20 Jahren ihre<br />
Oma nicht nur angepumpt, sondern glatt<br />
verkauft. Ganz sicher. Gute Aussichten für<br />
den Nachwuchs.<br />
www.motorradonline.de/vergleichstests<br />
-Testergebnis<br />
Kawasaki Z 300<br />
Die Z 300 ist ein drehzahlhungriges Spielmobil. Federleichtes Handling,<br />
ausgewogenes Fahrwerk – da ist Freude garantiert. Die ließe sich mit<br />
anderen Reifen sogar noch steigern.<br />
KTM 390 Duke<br />
Die kleine Duke ist nicht ohne Grund ein Bestseller im KTM-Programm.<br />
Sie bietet viel Motorrad fürs Geld. Verarbeitung und Fahrwerk könnten zwar<br />
besser sein – solche Fauxpas leisten sich aber auch teurere Bikes.<br />
56 TEST+TECHNIK <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
www.kiska.com<br />
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Losfahren war noch nie so einfach. Ganz bequem<br />
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welches Motorrad – wir tauschen es ein. Dazu gibt’s<br />
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Photo: R. Schedl<br />
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zeigt teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis. Nähere Informationen dazu beim KTM Fachhändler.
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Die deutschen Zubehör-Kings<br />
ERFOLGS-<br />
GESCHICHTEN<br />
MADE IN<br />
GERMANY<br />
Touratech und Wunderlich –<br />
beide weltbekannte Zubehör-<br />
Profis, beide aus der Idee entstanden,<br />
Bikes besser zu machen.<br />
Doch die einen fertigen<br />
fast alles selbst, die anderen<br />
lassen fertigen. Zwei Firmen,<br />
zwei Jubiläen, zwei Philosophien<br />
– zwei Porträts.<br />
Von Brigitte Haschek und Michael Schümann<br />
Fotos: Touratech, Wunderlich<br />
Wunderlich GmbH<br />
Touratech AG<br />
Erst daheim am Wohnzimmertisch (Foto unten), später<br />
in einem ausrangierten Blumenladen: Schwarz und<br />
Schanz 1990 beim Löten und Montieren der Chala-Zeltlampe,<br />
einem der ersten Touratech-Produkte. Mittlerweile<br />
machen Laserschneider und Schweißroboter<br />
solcherlei Arbeiten. An Manpower braucht es heute<br />
rund 300, wofür früher zwei reichten<br />
Schwarzwald-Fernweh<br />
Von <strong>MOTORRAD</strong> fast plattgemacht, noch bevor’s die Firma gab, verkauft<br />
TOURATECH heute aus’m Schwarzwald weltweit Zubehör für Reisebikes.<br />
Drei-Wochen-Bart, die Hände<br />
tief in den Taschen verwaschener<br />
Jeans, das T-Shirt lose<br />
dar über und um den Hals einen<br />
großen Silberanhänger mit den<br />
Umrissen Afrikas – den CEO (Wirtschaftsneusprech<br />
für Chef bzw.<br />
Geschäftsführer) einer millionenschweren<br />
Aktiengesellschaft stellt<br />
man sich anders vor. Doch die<br />
Krawattenwelt ist der einzige Erdteil,<br />
den Touratech-Gründer Herbert<br />
Schwarz bisher erfolgreich<br />
ge mieden hat. Lässig schlendert<br />
er durchs Großraumbüro seiner<br />
Firmenverwaltung, untergebracht<br />
im nachträglich eingezogenen<br />
Obergeschoss einer 2007 zugekauften<br />
ehemaligen Tennishalle,<br />
3000 Quadratmeter groß. Darunter<br />
sind Shop und Lager der<br />
Firma, dahinter in weiteren Gebäuden<br />
Entwicklung, Versand und<br />
natürlich die Produktion mit all<br />
ihren automatisierten Abkantund<br />
Biegemaschinen, computergesteuerten<br />
Laserschneidern und<br />
Schweißrobotern. Überall wuseln<br />
Mitarbeiter in schwarzen T-Shirts,<br />
drinnen wie draußen stehen jede<br />
Menge Motorräder rum, meist Enduros.<br />
Das Firmengelände platzt<br />
aus allen Nähten. 2016 ist der Umzug<br />
in eine neue, größere Halle<br />
geplant. Der Betrieb brummt.<br />
„Ich bin jedes Jahr fünf Wochen<br />
für die Firma mit dem Motorrad<br />
unterwegs, Minimum, und dann<br />
noch mal vier Wochen mit den<br />
Kindern.“ Der Betrieb brummt so<br />
sehr, dass sich Schwarz, Jahrgang<br />
1960, solche scheinbare Extra -<br />
va ganz locker leisten kann. Nicht<br />
finanziell gesehen, denn er ist bis<br />
heute am liebsten mit Zelt und<br />
Schlafsack unterwegs. Aber zeit-<br />
58 BLICKPUNKT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
lich. „Ich habe so ein cooles Team,<br />
meine Mitarbeiter machen das<br />
möglich“, sagt er mit einem jungenhaften<br />
Grinsen. 300 Leute arbeiten<br />
in Niedereschach im Südschwarzwald<br />
für ihn und seinen<br />
Kompagnon Jochen Schanz. Und<br />
im Rest der Welt kommen noch<br />
mal 150 dazu. Die Anfänge aber<br />
waren eine One-Man-Freizeit-<br />
Show: Neben seiner Ausbildung<br />
zum Elektroniker ertüftelte sich<br />
Schwarz ein paar Alukoffer. Angeregt<br />
von einem Kumpel, der<br />
sich aus Aluprofilen und Sperrholz<br />
Transportkisten für Musikinstrumente<br />
selbst baute, hatte Herbert<br />
bald den Bogen raus, wie man<br />
auf ähnliche Weise zu robusten<br />
Gepäckboxen fürs Reisemotorrad<br />
kam. Und er verfasste für einen<br />
Koffer-Workshop auf einem Travellertreffen<br />
eine Bauanleitung:<br />
17 Seiten, maschinengetippt, mit<br />
Fotos und Skizzen illustriert, 50-<br />
mal kopiert. Eine der Kopien fand<br />
den Weg zu <strong>MOTORRAD</strong> und wurde<br />
1989 im Reisemagazin MOTOR-<br />
RAD Touren vorgestellt. Mit dem<br />
Zusatz: „Der in 7735 Dauchingen<br />
ansässige Tüftler bietet die Bauanleitungen<br />
zum Preis von drei<br />
Mark an.“ Erfahren hat Herbert<br />
Schwarz erst davon, als ihm die<br />
ersten Bestellungen in den Briefkasten<br />
flatterten: „Das hat mich<br />
fertiggemacht, und war auch mit<br />
mir nicht abgesprochen. Rund<br />
200 Bestellungen kamen, jede hat<br />
mich für Kopien und Porto rund<br />
fünf Mark gekostet. Habe ich also<br />
400 Mark draufgelegt.“ So hatte<br />
<strong>MOTORRAD</strong> Touratech schon an<br />
den Rand des Ruins gebracht,<br />
bevor es die Firma überhaupt<br />
gab. Denn gegründet wurde sie<br />
ein Jahr später. Mit dem IMO<br />
200T, einem selbst entwickelten<br />
Motorrad-Bordcomputer, wollte<br />
Schwarz das Geld wieder einspielen.<br />
Also meldete er 1990 ein<br />
Gewerbe an – die Geburt der Firma.<br />
Das Ziel, 100 IMOs zu verkaufen,<br />
war nach drei Jahren erreicht.<br />
Doch die karge Gründerzeit war<br />
wichtig für Touratech. Denn<br />
wäh renddessen bastelte Schwarz<br />
weiter an einem Tripmaster, einer<br />
Zeltlampe und an seinen Koffern.<br />
Dabei entstand der Bauplan für die<br />
Zega-Cases. Und die sind heute<br />
der Grundstock für den seither<br />
rasch und immer weiter wachsenden<br />
Betrieb.<br />
Ein Vierteljahrhundert später ist<br />
das Thema Alukoffer heißer denn<br />
je: BMW und KTM lassen die<br />
Transportkisten für ihre Adventure-<br />
Model le bei Touratech produ zieren.<br />
Pro Jahr verarbeitet die 1999<br />
zur Aktiengesellschaft geworde ne<br />
Firma 200 Tonnen Edelstahl und<br />
280 weitere Tonnen Stahl zu über<br />
7000 Zubehörteilen. Der Katalog<br />
ist von zwölf Seiten 1995 auf heute<br />
1924 Seiten gewachsen, gedruckt<br />
in fünf Sprachen. Über 40 Importeure<br />
vertreiben die Motorradteile<br />
aus dem Schwarzwald auf<br />
fünf Kontinenten. Und zur letzten<br />
Mitarbeiter-Weihnachtsfeier in<br />
Nie dereschach ließ sich Herbert<br />
Schwarz per Skype zuschalten. Aus<br />
Neuseeland, wo er gerade fünf<br />
Wochen Motorrad fuhr und Fernweh-Produkte<br />
testete. Bis er Heimweh<br />
hatte.<br />
MS<br />
Leicht, robust, zweckdienlich –<br />
aber nicht billig. Das darf für alles<br />
von Touratech gelten, ob Fußraste<br />
oder Federbein, ob Krümmerschutz<br />
oder Koffersatz. Die Touratech-<br />
Chefs Herbert Schwarz und Jochen<br />
Schanz (oben links und rechts)<br />
entwickeln, testen und fertigen<br />
meist für Enduros und Rallyebikes<br />
Erstes eigenes Produkt unter der Marke:<br />
Motorradcomputer IMO 200T im Jahr 1990<br />
Anzahl der Produkte heute:<br />
über 7000<br />
Bestseller – das erfolgreichste Produkt:<br />
Alukoffer der Zega-Familie<br />
Der Flop der Firmengeschichte:<br />
Hinterer Spritzschutz für die BMW R 1200 GS<br />
bis 20<strong>13</strong>. Grund: nirgendwo anzubringen.<br />
Teuerstes Produkt:<br />
ReVamp-Komplettumbau-Kit für BMW R 850/<br />
1100 GS und R 1150 GS/Adv. (3169 Euro)<br />
Billigstes Produkt:<br />
Arno-Spannriemen (2,90 Euro)<br />
Anteil der in Deutschland gefertigten<br />
Produkte:<br />
zirka 90 Prozent<br />
Auslandsstandorte:<br />
Mit über 40 Importeuren weltweit auf jedem<br />
Erdteil vertreten<br />
Mitarbeiter in der Entwicklung:<br />
10 (ohne Entwicklungswerkstatt)<br />
Anzahl der Mitarbeiter in Deutschland/<br />
weltweit:<br />
300/450<br />
Umsatz 20<strong>13</strong>/2014:<br />
32 Millionen Euro<br />
www.motorradonline.de<br />
BLICKPUNKT 59
„Ein gewisses Quäntchen Verrücktheit erwünscht“<br />
– die Wunderlich-Truppe vor der Firmenzentrale<br />
in Sinzig am Rhein. Der 52-jährige Firmengründer<br />
fährt privat R 80 GS Basic, R 1200 Speedcruiser<br />
und Laverda 1200 GS-LC. So hat es einmal angefan<br />
gen: Schraubertreff in der Werkstatt im Elternhaus<br />
in Ahrweiler (von links nach rechts)<br />
„MADE IN GERMANY“<br />
IST BEI UNS KEIN<br />
SLOGAN, SONDERN<br />
EINE VERPFLICHTUNG.<br />
ES GEHT UM NACH-<br />
HALTIGKEIT. DER<br />
ZUFRIEDENE KUNDE<br />
IST WICHTIGER ALS<br />
SCHNELLER UMSATZ<br />
Eifel-Spezialitäten<br />
Vor 30 Jahren begann die Erfolgsstory: BMW-Veredler WUNDERLICH hat sich<br />
zum weltweit größten Spezialanbieter für Zubehör der Marke entwickelt.<br />
Die Antwort auf die Frage<br />
nach seinem Erfolgsgeheimnis<br />
kommt wie aus der Pistole geschossen:<br />
„Unkonventionell denken<br />
und kreativ sein“, so lautet das<br />
Credo von Erich Wunderlich, dem<br />
er sich seit 30 Jahren verpflichtet<br />
fühlt. Das Erfinden, Tüfteln und<br />
Verbessern ist seine Leidenschaft<br />
und liegt ihm im Blut. Vater Alberto,<br />
ein tüchtiger Arzt, war in seiner<br />
Freizeit begeisterter Bastler. „Alles<br />
was es zu Hause nicht gab, wurde<br />
selbst gemacht“, sagt er. So diente<br />
die bestens ausgestattete Werkstatt<br />
im Elternhaus in Ahrweiler<br />
ihm und seinen beiden älteren<br />
Brüdern denn auch als Experimentierstube<br />
für Schraubereien<br />
an diver sen Mopeds.<br />
Dass es überhaupt dazu kommen<br />
konnte, ist einem Zufallsfund zu<br />
verdanken: einem Foto, das Vater<br />
Wunderlich in den 50er-Jahren<br />
stolz auf einer uralten Indian zeigt.<br />
Warum das? „Zwei Sachen waren<br />
zu Hause verboten“, erklärt Sohn<br />
Erich: „Rauchen und Motorradfahren.“<br />
Angesichts der Zweirad-<br />
Vergangenheit des Vaters war dies<br />
dann jedoch nicht mehr durchzusetzen.<br />
Und Rauchen tut Wunderlich<br />
mit 52 Jahren ebenfalls<br />
noch so leidenschaftlich wie Motorradfahren.<br />
Im Jahr 1984 kauft er kurz vor<br />
dem Abitur seine erste Maschine<br />
– eine Yamaha XT 500. Der großvolumige<br />
Einzylinder ist das angesagteste<br />
Bike zu dieser Zeit.<br />
„Ein echtes Männer-Motorrad“,<br />
schwärmt der 52-Jährige noch<br />
heute. Und es wurde mit vollem<br />
Körpereinsatz zum Laufen gebracht.<br />
„E-Starter war damals was<br />
für Weicheier.“ Doch die Macho-<br />
Erich Wunderlich<br />
60 BLICKPUNKT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Kis te hat Schwachstellen – eine<br />
davon ist die Ventiltriebschmierung.<br />
Wunderlich ersinnt aus<br />
diesem Grund eine verbesserte<br />
Schmie rung der obenliegenden<br />
Nockenwelle durch Verlegung der<br />
Ölleitung direkt zur Kipphebelwelle.<br />
Die Idee ist einfach, aber genial.<br />
Und sie wird zum Geschäftsmodell:<br />
Yamahas verbessern.<br />
Die ersten Modifikationen wie<br />
etwa verbesserte Schwingenund<br />
Lenkkopflager verwirklicht er<br />
noch in der Garagenwerkstatt im<br />
Elternhaus. Mit der Firmengründung<br />
im Jahr 1985 erscheint der<br />
erste Katalog – acht selbst getippte<br />
Scheibmaschinenseiten<br />
stark, die in der XT- und SR-Szene<br />
schnell jede Menge Interesse wecken.<br />
Von nun an geht’s bergauf.<br />
Nur zwei Jahre später steht ein<br />
um fangreiches Angebot von der<br />
Fahrwerksoptimierung bis zur<br />
aufwendigen Leistungssteigerung<br />
– der Betrieb ist längst der heimischen<br />
Garage entwachsen und<br />
hat sein Domizil in einer Lagerhalle<br />
am Ahrweiler Bahnhof. 1988<br />
hängt Wunderlich sein BWL-Studium<br />
in Bielefeld an den Nagel – der<br />
Betrieb fordert inzwischen vollen<br />
Einsatz. Im selben Jahr kommt<br />
auch der erste Mitarbeiter dazu.<br />
Drei Jahre später stellt der Jungunternehmer<br />
die Weichen neu<br />
und überrascht das IFMA-Publikum<br />
1991 mit einer kräftig verfeinerten<br />
BMW R 100 GS. Er war<br />
enttäuscht, dass Yamaha die Tradition<br />
der großvolumigen Einzylinder<br />
nicht fortgesetzt hatte.<br />
„BMW bot mit der R 100 GS, was<br />
meiner Vorstellung entsprach“,<br />
sagt er. „ Einen durchzugsstarker<br />
Zweizylinder mit 1000 cm 3 .“ Bereits<br />
1992 erscheint ein 68 Seiten<br />
starker Katalog mit mehr als 200<br />
Zubehörteilen für Bikes der weißblauen<br />
Marke.<br />
Die neue R 1100 GS löst bei Wunderlich<br />
1994 dann eine richtungsweisende<br />
Entscheidung aus: Die<br />
Firma konzentriert sich fortan voll<br />
und ganz auf die Marke. Und<br />
längst hat sie auf diesem Gebiet<br />
Kernkompetenz und beachtlichen<br />
Erfolg damit. Das Gros der<br />
Ideen für neue, innovative Produkte<br />
wird in der eigenen Forschungs-<br />
und Entwicklungsabteilung<br />
geboren. Mindestens einmal<br />
pro Woche trifft sich das achtköpfige<br />
Team. Firmengründer<br />
Wunderlich sprüht immer noch<br />
vor Einfallsreichtum. In der Runde<br />
wird meist heiß diskutiert und<br />
auch genau gerechnet. Es geht<br />
darum, aus der Vielfalt der Ideen<br />
jene herauszufiltern, die den größten<br />
Nutzen für den Kunden haben<br />
– aber auch wirtschaftlich sinnvoll<br />
umsetzbar sind.<br />
Ist eine positive Entscheidung gefallen,<br />
wird die Produktidee zur<br />
Entwurfszeichnung. Daraus entsteht<br />
in Handarbeit ein Modell,<br />
schließlich der Prototyp. Die Erprobung<br />
findet dann in der Praxis<br />
statt – getestet, belastet, geprüft<br />
und immer wieder beurteilt. „Wenn<br />
ein Produkt nicht so funktioniert,<br />
wie wir uns das vorgestellt hatten,<br />
wird es wieder eingestampft“,<br />
sagt Perfektionist Wunderlich. Und<br />
er verzichtet bewusst auf eine<br />
eigene Produktion. „Wir lassen alles<br />
von Fachleuten aus Spezialbetrieben<br />
nach unseren Vorgaben fertigen.“<br />
Ob Drehen, Fräsen, Spritzguss,<br />
Blechbiegearbeiten oder<br />
Textilfertigung – für ihn ist es der<br />
beste Weg, diese Arbeiten von<br />
„Leuten erledigen zu lassen, die ihr<br />
Handwerk perfekt beherrschen“,<br />
und ein optimales Preis-Leistungs-<br />
Verhältnis zu erzielen. Das Gros<br />
seiner Produzenten stammt aus<br />
der Re gion. „Made in Germany“<br />
wird in Sinzig ernst genommen:<br />
Fast 100 Prozent der Eigenentwicklungen<br />
werden hierzulande<br />
hergestellt. Hk<br />
Erstes eigenes Produkt unter der Marke:<br />
zweifache Direktschmierung für XT/SR 500<br />
Anzahl der Produkte heute:<br />
rund 3500<br />
Bestseller – das erfolgreichste Produkt:<br />
Kotflügelergänzung<br />
Der Flop der Firmengeschichte:<br />
Zubehörserien für die G 650 X-Country/<br />
X-Moto/X-Challenge. Grund: Fahrzeuge<br />
setzten sich im Markt nicht durch<br />
Teuerstes Produkt:<br />
Retro-Umbaukit R 1200 GS (bis Baujahr 2012)<br />
auf R 120 G/S (2990 Euro)<br />
Billigstes Produkt:<br />
Sicherung für Zündkerzen-Abdeckungen<br />
R 850/1100 GS, R, RS, S (kostenlos)<br />
Anteil der in Deutschland gefertigten<br />
Produkte:<br />
95 Prozent<br />
Auslandsstandorte:<br />
420 Händler in Europa (BMW-Spezialisten)<br />
oder Importeure (Nicht-EU-Länder, weltweit)<br />
Anzahl der Mitarbeiter/<br />
in der Entwicklung:<br />
52/8<br />
Umsatz 20<strong>13</strong>/2014:<br />
10,5 Millionen Euro<br />
Einer der frühen Kataloge aus der<br />
Anfangszeit. Yamaha XT 500 vor<br />
der ersten größeren Werkstatt in<br />
einem alten Weingut in Walporzheim.<br />
Das Teilelager des Shops<br />
und das Fräszentrum der Entwicklungsabteilung<br />
im Firmensitz<br />
www.motorradonline.de<br />
BLICKPUNKT 61
P<br />
R O D U K T T E S T<br />
Enduroreifen 110/80 R 19, 150/70 R 17<br />
GRIPPARA<br />
ABS und Traktionskontrolle sind unverzichtbar, um Reiseenduros wie die BMW R 1200 GS sicher<br />
über nasses Terrain zu bewegen. Echte Vorteile bringt aber das richtige Gummi auf der Felge.<br />
Fünf Enduroreifen müssen zeigen, wer nicht nur bei Regen die besten Haftreserven zu bieten hat.<br />
Von Jörg Lohse und Karsten Schwers; Fotos: Markus Jahn<br />
62 PRODUKTTEST
DE<br />
REIFENTEST<br />
<strong>2015</strong><br />
In <strong>MOTORRAD</strong> 12/<strong>2015</strong>: Sechs Tourenreifen im großen<br />
Langstreckentest – einmal Korsika und zurück<br />
In diesem Heft: Fünf Enduroreifen im Funktionstest<br />
auf trockenem und nassem Asphalt<br />
In <strong>MOTORRAD</strong> 14/<strong>2015</strong>: Grobe Stolle oder feine<br />
Rille? Reifen-Konzeptvergleich für die GS-Klasse<br />
PRODUKTTEST 63
Zeitenfeilen beim <strong>MOTORRAD</strong>-Reifentest. Auch beim Boxenstopp geht es um Sekunden: Datarecording auslesen, Radwechsel vorbereiten<br />
Enduroreifen-Test<br />
Wie kann man eigentlich einen<br />
Universalkünstler wie die „alte“<br />
luftgekühlte BMW R 1200 GS<br />
noch besser machen? Einfachste,<br />
aber effektivste Maßnahme: Man<br />
zieht einfach einen Satz neuer Reifen auf.<br />
Allerdings setzt diese Tuningmethode<br />
voraus, dass auch die Reifenindustrie entsprechend<br />
aufbereitetes Material aus den<br />
Backformen schält. Das wiederum steht und<br />
fällt mit den Absatzzahlen in dieser Reifengattung.<br />
Wo aber nur wenig verkauft wird,<br />
lohnt sich keine kostenintensive Entwicklungsarbeit.<br />
Schließlich muss man als Wirtschaftsunternehmen<br />
auch den „Return<br />
on Investment“ kalkulieren. Natürlich sind<br />
Motorräder wie die R 1200 GS – altes wie<br />
neues Modell – seit Jahren die Topseller. Was<br />
heißt, dass daher mit wachsendem Bestand<br />
auch der Reifenabsatz gesichert sein wird.<br />
Zumal der Reiseendurist im Regelfall über<br />
entsprechenden Kilometerhunger verfügt<br />
und dank hoher Laufleistung schließlich<br />
öfter mal zum Reifenwechsel anrückt.<br />
Haken wir unter dem Stichwort „Laufleistung“<br />
gleich einmal den wunden Punkt<br />
dieses Tests ab. Denn Verschleißwerte werden<br />
Sie auf den folgenden Seiten leider<br />
vergeblich suchen. Der Test der Tourenreifen<br />
in der letzten <strong>MOTORRAD</strong>-Ausgabe hat<br />
mög licherweise einen kleinen Eindruck<br />
vermitteln können, wie aufwendig die Laufleistungsanalyse<br />
von Motorradreifen ist. Vor<br />
allem wenn sie nicht nur praxisnah, sondern<br />
auch vergleichbar sein soll.<br />
<strong>2015</strong> wäre eigentlich ein prima Jahr gewesen,<br />
um die Enduroreifen auch unter diesem<br />
Aspekt wieder unter die Lupe zu nehmen.<br />
Schließlich treten von den sechs Premiummarken<br />
gleich drei Anbieter mit neuen<br />
Profilen an. Allerdings hat Bridge stone den<br />
neuen A40 als Nachfolger des stark ange-<br />
64 PRODUKTTEST <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Die Enduroreifen auf Landstraßen und Autobahnen<br />
Grob geschnitzt, aber<br />
glatt gebügelt<br />
den Reifen nicht auf unserer Nass-Teststrecke<br />
einsetzen konnten. Von daher bleibt es bei<br />
einem reinen Fahreindruck unter Idealbedingungen<br />
auf trockener Straße. Klar, dass das<br />
nicht reicht, um in die Wertung mit aufgenommen<br />
zu werden. Zu einem ersten Eindruck<br />
reicht es aber: siehe Seite 68.<br />
Neben der Landstraßenperformance wurde<br />
auf der nahe gelegenen A 81 die Hochgeschwindigkeitsstabilität<br />
überprüft. Denn auch<br />
unsere Dauertest-KTM 1190 Adventure hat<br />
wieder gezeigt, wie neuralgisch Hochbeingefährte<br />
auf Topspeed reagieren. Deshalb die<br />
spannende Frage: Mit welchen Reifen bolzt<br />
die GS wie auf Schienen über die Bahn?<br />
Mittlerweile ist die Standardbereifung,<br />
mit der moderne Reiseenduros ab<br />
Werk ausgeliefert werden, genau<br />
den Ansprüchen der Fahrer gefolgt. Was bedeutet,<br />
dass kernig aussehende Grobstollen-<br />
Gummis im Regelfall nicht auf die Felgen gezogen<br />
werden. Das Profilbild der aktuellen<br />
Enduroreifen-Generation ist zwar noch etwas<br />
gröber geschnitzt, doch im Wesentlichen sind<br />
die Reifen auf den regulären Straßeneinsatz<br />
abgestimmt. Wie viel Offroadperformance tatsächlich<br />
noch in den Enduropellen steckt, wird<br />
übrigens ausführlich der dritte Teil unseres<br />
Reifentests in <strong>MOTORRAD</strong> 14/<strong>2015</strong> klären.<br />
Zunächst ging es aber für diesen Test mit<br />
insgesamt sechs Reifenpaarungen auf eine<br />
abwechslungsreiche Landstraßenpartie ins<br />
Jagsttal – die Region zwischen Würzburg und<br />
Heilbronn gilt als Geheimtipp für kurvensüchtige<br />
Motorradfahrer! Moment, sechs Reifenmodelle<br />
im Test, aber nur fünf in der Tabelle?<br />
Ja, denn leider schaffte es Bridgestone nicht,<br />
den A40 als dritte Neuerscheinung in diesem<br />
Segment fristgerecht zu liefern. Weshalb wir<br />
Landstraße/<br />
Autobahn<br />
im Neuzustand<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
Continental<br />
Trail Attack 2<br />
Dunlop<br />
Trailsmart<br />
Metzeler<br />
Tourance Next<br />
Michelin<br />
Anakee III<br />
Handlichkeit 30 28 27 26 25 27<br />
Lenkpräzision 30 26 26 26 25 27<br />
Kurvenstabilität 20 18 18 18 17 19<br />
Haftung in Schräglage 10 9 9 9 8 9<br />
Haftung beim Beschleunigen 10 9 9 9 8 9<br />
Geradeauslauf mit Beladung 10 7 7 8 10 8<br />
Fahrverhalten mit Sozius 20 16 17 17 16 17<br />
Grenzbereichverhalten 10 8 9 8 7 9<br />
Aufstellmoment 10 8 8 8 7 8<br />
Gesamt 150 129 <strong>13</strong>0 129 123 <strong>13</strong>3<br />
Platzierung 3. 2. 3. 5. 1.<br />
Pirelli<br />
Scorpion Trail II<br />
Fazit Ein Blick auf die Platzierung, und<br />
es ist klar, welches Gummi als Nächs -<br />
tes über die Felgen von GS und Co. gestreift<br />
wird? Halt, über die Punktevergabe<br />
in den Einzelkapiteln lässt sich<br />
die Wunschbereifung noch eindeutiger<br />
rausfiltern. Klar ist, dass bedenkenlos<br />
zu den beiden Erstplatzierten gegriffen<br />
werden kann. Wer dagegen auf extreme<br />
Agilität im Landstraßenmodus Wert<br />
legt, auf maximale Stabilität aber verzichten<br />
kann, sollte auch den Conti Trail<br />
Attack 2 ins Auge fassen. Wer dagegen<br />
eher einen ausgewogenen Mix aus<br />
allem sucht, wird mit dem Metzeler<br />
Tourance Next glücklich werden.<br />
grauten Battle Wings zeitlich so knapp kalkuliert,<br />
dass selbst zu Testbeginn Mitte April<br />
noch keine Reifen aus Japan zur Verfügung<br />
standen. Weshalb der A40 schließlich nur<br />
als Randbemerkung in diesem Vergleich<br />
auftaucht. Denn erst lange nach Testbeginn<br />
konnte noch ein Exemplar des A40 gegen<br />
seine fünf Mitbewerber gefahren werden.<br />
Da aber die wichtigen Nass-Testergebnisse<br />
zu dem Zeitpunkt schon unter Dach und<br />
Edelschrauber Schmidt am Vorderrad.<br />
Nach zwei Tagen war die Buxe<br />
erstaunlicherweise immer noch weiß<br />
Fach waren, blieb es lediglich beim Eindruck<br />
unter Idealbedingungen (sonnig, warm und<br />
trocken) auf der Landstraße und Autobahn.<br />
Diese sind kurz und knapp auf der letzten<br />
Seite dieses Tests zusammengefasst.<br />
Alle anderen ließen sich dagegen deutlich<br />
intensiver unter die Lupe nehmen.<br />
Und da der letzte Verschleißtest für diese<br />
Reifengattung gar nicht mal so lange her<br />
ist (Ausgabe 11/20<strong>13</strong>, gefahren auf der<br />
Triumph Tiger Explorer), lassen sich daher<br />
auch Querverweise zu den Laufleistungserwartungen<br />
ziehen.<br />
In alphabetischer Sortierung steht an<br />
erster Stelle mit dem Conti Trail Attack 2 ein<br />
www.motorradonline.de<br />
PRODUKTTEST 65
Die Enduroreifen bei Nässe<br />
Digital hilft, analog bringt<br />
die Entscheidung<br />
Nass-Teststrecke<br />
Referenzbereich<br />
Referenzbereich<br />
Geschwindigkeit in km/h<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Pirelli Scorpion Trail 2 im<br />
Referenzbereich: Ø 73,2 km/h<br />
bei Ø 28,6 Grad Schräglage<br />
Continental Trail Attack 2 im Referenzbereich:<br />
Ø 66,7 km/h bei Ø 23,9 Grad Schräglage<br />
0 1175<br />
Wegstrecke in m<br />
Die Datarecording-Aufzeichnung von<br />
der Michelin-Teststrecke in Frankreich<br />
beweist, wie der Gripvorteil des<br />
Pirelli in Zahlen zu fassen ist<br />
Staubige Pisten, magisch glitzernde Küstenstraßen<br />
oder majestätische Alpenpässe.<br />
Natürlich denkt man auf einer GS,<br />
Varadero, V-Strom oder Super Ténéré genau<br />
über solche Destinationen nach und nicht<br />
über ein glitschig verregnetes und zudem<br />
noch bitumenübersätes Asphaltflickwerk.<br />
Wenn der Pilot aber tatsächlich auf so einem<br />
Streckenabschnitt unterwegs ist, denkt er mit<br />
Schweißperlen auf der Stirn über die Auswahl<br />
seiner aktuellen Bereifung nach.<br />
Bitte dazu noch einmal kurz die Tabelle der<br />
Landstraßen/Autobahn-Wertung ins Gedächtnis<br />
rufen. Erst- und Letztplatzierten trennen<br />
gerade einmal zehn Punkte – bei 150 möglichen.<br />
Das sind keine sieben Prozent. Die Tabelle<br />
unserer Nasstest-Wertung zeigt hingegen,<br />
dass die Unterschiede auf verregneten<br />
Straßen deutlich gravierender sind. Ganze 20<br />
Punkte trennen Platz eins und fünf – bei 100<br />
möglichen. Und das, obwohl die R 1200 GS<br />
mit ABS und Traktionskontrolle schon einmal<br />
bestens für den Einsatz bei widrigen Straßenbedingungen<br />
gerüstet ist. Besonders die Zeile<br />
mit den Bremswegen spricht Bände. Während<br />
der Boxer mit den besten Reifen auf dem nassen<br />
Untergrund nach rund 55 Metern steht,<br />
rauscht er mit dem Conti oder Michelin im<br />
ungünstigsten Fall ein bis zwei Autolängen<br />
weiter. Keine angenehme Vorstellung, oder?<br />
Fahrverhalten<br />
bei Nässe<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
Continental<br />
Trail Attack 2<br />
Fazit Mit ganzen sechs Punkten<br />
Vorsprung weist der neue Pirelli die<br />
beiden gar nicht mal schlechten<br />
Regenreifen von Dunlop und Metzeler<br />
in die Schranken. Ein Wahnsinnsreifen<br />
bei Nässe, Conti und Michelin<br />
sind dagegen nur noch zweite Liga<br />
Dunlop<br />
Trailsmart<br />
Metzeler<br />
Tourance Next<br />
Michelin<br />
Anakee III<br />
Handlichkeit 10 9 9 9 8 10<br />
Lenkpräzision 20 17 18 18 16 19<br />
Haftung Kurven 20 15 19 19 17 20<br />
Haftung Beschleunigung 20 16 19 19 16 20<br />
Grenzbereich 20 14 19 18 16 20<br />
Bremsverzögerung 10 7 8 9 7 9<br />
Bremsweg aus 100 km/h (m) 63,2 55,9 54,3 61,2 55,1<br />
Geschwindigkeit im Omega (km/h) 66,7 69,9 67,4 68,3 73,2<br />
Rundenzeiten (min) 1.08,84 1.06,43 1.06,46 1.07,75 1.03,02<br />
Gesamt 100 78 92 92 80 98<br />
Platzierung 5. 2. 2. 4. 1.<br />
Pirelli<br />
Scorpion Trail II<br />
Enduroreifen-Test<br />
alter Bekannter. In unseren Tests fallen die<br />
Reifen der Hannoveraner Reifenbäcker immer<br />
wieder durch Sportlichkeit und Agilität<br />
auf. Der TA2 mit dem Vorderreifen in Z-Spezifikation<br />
macht auf unserer Test-GS keine<br />
Ausnahme. Zumal er sich auf der BMW noch<br />
wohler fühlt als auf der hart abgestimmten<br />
Triumph vor zwei Jahren. Trübte dort noch<br />
Akkordarbeit für den Michelin-Mann.<br />
Beim Nasstest rollt die GS alle 30 Minuten<br />
mit einem anderen Reifensatz aus<br />
ausgeprägtes Shimmy den Fahrkomfort,<br />
war in diesem Jahr auf der GS nichts mehr<br />
davon zu spüren. Einzig beim Thema Geradeauslauf<br />
schwächeln die hyperaktiven<br />
Contis in unseren Tests traditionell. Highspeed<br />
auf schnurgeraden Pisten ist auch<br />
nicht die Stärke des TA2 – er giert dagegen<br />
förmlich nach Kurven aller Art. Welcher<br />
Enduropilot ebenso veranlagt ist, wird mit<br />
dem Conti eine glückliche Beziehung eingehen.<br />
In der es aber besser nicht regnen sollte,<br />
denn nasse Straßen mag der Conti nicht<br />
wirklich. Wobei man den letzten Tabellenplatz<br />
in diesem Jahr etwas relativieren muss.<br />
Beim Test vor zwei Jahren hat der TA2 ge-<br />
66 PRODUKTTEST <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
zeigt, dass er sich im Regen deutlich besser<br />
fahren lässt als der Vorgänger. In diesem<br />
Jahr wird ihm allerdings zum Verhängnis,<br />
dass die zwei aktuellen Neuerscheinungen<br />
kräftig vorangeprescht sind. Kommen wir<br />
zu D wie Dunlop und damit zum ersten<br />
Newcomer im Vergleich.<br />
Mit Erstaunen mussten wir zunächst zur<br />
Kenntnis nehmen, dass Dunlop den 2011<br />
erfolgreich gestarteten Trailmax TR91 schon<br />
wieder vom Markt genommen hat. Er wird<br />
jetzt komplett durch den Trailsmart ersetzt<br />
und leider auch nicht als günstiger Budgetreifen<br />
weiterlaufen. Natürlich spürt man<br />
beim Nachfolger eindeutig die Gene des<br />
TR91 durchschimmern. Bereits dieser<br />
wusste auf der Landstraße zu überzeugen,<br />
und der Trailsmart bleibt diesem Charakter<br />
erfolgreich treu.<br />
Das gleiche Bild zeigt sich bei Nässe,<br />
wo der Trailsmart dem Piloten ein sicheres<br />
Gefühl vermittelt. Das Problem des TR91<br />
war sein hoher Verschleiß, was Dunlop jetzt<br />
beim Trailsmart mit einer neuen Mischung,<br />
verbessertem Silica und neuem Profildesign<br />
besser in den Griff bekommen möchte. Ob<br />
das tatsächlich geklappt hat? Wir müssen<br />
diese Frage leider um ein Jahr vertagen …<br />
Bei den nächsten beiden Reifen in der<br />
Sortierung lässt sich diese Frage dagegen<br />
WER WILL DIE GS?<br />
Woher nur eine alte GS als Reifentest-Motorrad bekommen?<br />
Gut, dass <strong>MOTORRAD</strong> auf Karl Maier vertrauen kann. Denn bei dem BMW-Händler<br />
aus Neufinsing stand noch das Sondermodell „Triple Black“ im Fuhrpark. Und jetzt<br />
steht sie dort zum Verkauf: 1. Hand, EZ 5/<strong>13</strong>, Safety- und Touring-Paket, 12 900 km,<br />
<strong>13</strong> 500 Euro, Kontakt: Tel. 0 81 21/8 15 15, www.motorrad-kmaier.de
CONTINENTAL<br />
TRAIL ATTACK 2<br />
DUNLOP<br />
TRAILSMART<br />
METZELER<br />
TOURANCE NEXT<br />
GEWICHT: vorne 4,9 kg, hinten 7,1 kg<br />
SPEZIFIKATION: vorne „Z“<br />
HERSTELLUNGSLAND: Deutschland<br />
INFOS/FREIGABEN: Continental Reifen,<br />
Tel. 05 11/9 38 01, www.conti-moto.de<br />
BEWERTUNG<br />
Landstraße/Autobahn: (129 Punkte, PLATZ 3)<br />
Conti-Reifen sind in der Regel echte Landstraßenjäger<br />
– da macht auch dieses Enduroformat keine<br />
Ausnahme. In unserem Landstraßentest überzeugt<br />
der Trail Attack 2 mit der besten Handlichkeit<br />
gegenüber seiner Konkurrenz. Dazu besticht<br />
er auf der R 1200 GS durch seine Neutralität über<br />
den gesamten Schräglagenbereich, gefällt durch<br />
seine klare Rückmeldung und vermittelt ein gutes<br />
Gefühl für seine Haftreserven. Das Aufstellmoment<br />
beim Bremsen in Schräglage ist noch tolerierbar,<br />
doch das Thema „Stabilität“ ist ein wunder<br />
Punkt beim Conti: etwas nervös beim Geradeauslauf<br />
auf der Autobahn, vor allem in voller Beladung,<br />
dazu leichte Unruhen in schnellen Kurven.<br />
Nasstest: (78 Punkte, PLATZ 5)<br />
Auf dem permanent bewässerten Testkurs kommen<br />
dem Conti zwar seine gute Handlichkeit und<br />
Lenkpräzision entgegen, weshalb er noch gut<br />
zum Michelin auf Platz vier aufschließen kann.<br />
Insgesamt überwiegen bei Regen aber Defizite.<br />
Schmaler Grenzbereich, spontane Rutscher und<br />
dazu noch lange Bremswege: Wenn der Metzeler<br />
steht, hat der Conti noch ganze 37 km/h drauf!<br />
GEWICHT: vorne 5,2 kg, hinten 7,6 kg<br />
HERSTELLUNGSLAND: Frankreich<br />
INFOS/FREIGABEN: Goodyear Dunlop Tires<br />
Germany, Tel. 0 61 81/68 01, www.dunlop.de<br />
BEWERTUNG<br />
Landstraße/Autobahn: (<strong>13</strong>0 Punkte, PLATZ 2)<br />
Schon der Dunlop TR91 wusste in diesem Testkapitel<br />
zu glänzen, und der brandneue Trail smart<br />
macht dem Vorgängermodell alle Ehre. Schon<br />
nach wenigen Metern hat sich dank guter Rückmeldung<br />
ein angenehmes Gefühl für die vorhandenen<br />
Haftreserven eingestellt. In Kurven gefällt<br />
der Dunlop durch seine Neutralität und Handlichkeit.<br />
Mit seiner hohen Lenkpräzision animiert der<br />
Trailsmart regelrecht zu einer besonders sportlichen<br />
Fahrweise. Sollte der Reifen nicht äußerst<br />
penibel gewuchtet sein, könnte ein kleiner Shimmy-Effekt<br />
sowohl bei Geradeausfahrt als auch in<br />
Kurven spürbar sein. Die leichte Pendelneigung<br />
der voll beladenen R 1200 GS bei Topspeed auf<br />
der Autobahn ist tolerierbar.<br />
Nasstest: (92 Punkte, PLATZ 2)<br />
Auch hier schließt der Trailsmart mit einer überzeugenden<br />
Vorstellung auf nassem Parkett an die<br />
Qualitäten des Vorgängers TR91 an. Das Messprotokoll<br />
spuckt eindeutige Werte aus: Kurventempo<br />
und Rundenzeit nur knapp hinter dem<br />
erstplatzierten Pirelli Scorpion Trail II, dazu eine<br />
tadellose Bremsleistung aus 100 km/h. Breiter<br />
Grenzbereich und starke Haftung vermitteln bei<br />
Regen ein sicheres Fahrgefühl.<br />
GEWICHT: vorne 5,1 kg, hinten 7,2 kg<br />
HERSTELLUNGSLAND: Deutschland<br />
INFOS/FREIGABEN: Pirelli Deutschland,<br />
Tel. 0 89/14 90 83 02, www.metzelermoto.de<br />
BEWERTUNG<br />
Landstraße/Autobahn: (129 Punkte, PLATZ 3)<br />
Die reine Sportlichkeit überlässt der Reifen mit<br />
dem Elefanten im Logo seinen Konkurrenten von<br />
Conti, Dunlop oder – aus gleichem Haus – von<br />
Pirelli. Der Tourance Next kann eher durch seine<br />
hervorragende Ausgewogenheit glänzen. In<br />
Schräglagen bleibt er neutral und lässt sich mit<br />
einer tollen Lenkpräzision ums Eck zirkeln. Geht es<br />
nur stumpf geradeaus auf der Autobahn, weiß er<br />
in unserem Test mit vertrauenerweckender Stabilität<br />
zu überzeugen, egal ob die 1200er-GS solo<br />
oder voll besetzt und sogar mit Gepäck auf Topspeed<br />
beschleunigt wird. Dafür muss sich der<br />
Tourance Next allerdings auf kurvenreichen Landstraßen<br />
den agileren Modellen wie Trail Attack 2,<br />
Trail smart oder Scorpion Trail II beugen.<br />
Nasstest: (92 Punkte, PLATZ 2)<br />
In der Punktebilanz steht der Metzeler auf gleicher<br />
Höhe wie der Dunlop, doch vom Reifencharakter<br />
her gibt es spürbare Unterschiede. In<br />
Schräglage hat der Trailsmart durch bessere Haftreserven<br />
die Nase vorn, dafür brilliert der Tourance<br />
Next mit hervorragenden Nassgripwerten<br />
beim Beschleunigen und auf der Bremse. Auf die<br />
Runde gerechnet ergibt das eine Pattsituation<br />
und für zwei Reifen einen guten zweiten Platz.<br />
FAZIT FAZIT FAZIT<br />
Conti baut auch im Endurosegment mit Der Newcomer von Dunlop startet mit<br />
Der Metzeler ist und bleibt der Allrounder<br />
dem Trail Attack 2 einen tollen Landstraßenreifen.<br />
tollen Fahrleistungen in seine erste<br />
unter den Enduroreifen. Wer auf<br />
Bei schnellen Reiseetap-<br />
Saison. Auf Landstraßen überzeugen<br />
absolute Neutralität, hohe Stabilität und<br />
pen mangelt es aber an Stabilität, bei<br />
die sportlichen Qualitäten des Trail-<br />
solide Regentauglichkeit steht, greift<br />
Regen fehlt Grip und damit Vertrauen.<br />
smart, bei Regen sein starker Grip.<br />
zum Tourance Next der Münchner Marke.<br />
Urteil: Platz 4 207 Punkte Urteil: Platz 2 222 Punkte Urteil: Platz 3 221 Punkte<br />
So testet <strong>MOTORRAD</strong><br />
Gummis im Grenzbereich<br />
Noch immer gehören die Reifendimensionen<br />
110/80 R 19 und<br />
150/70 R 17 zu den Verkaufsschlagern,<br />
weshalb wir als Basismotorrad<br />
für den Test nicht die BMW R 1200<br />
GS mit Wasserboxer, sondern „die Alte“<br />
mit luftgekühltem Motor ausgewählt<br />
haben. Der Nasstest fand auf<br />
dem Michelin-Testgelände in Fontagne<br />
(Salon-sur-Provence/Frankreich)<br />
statt. Im Dynamik-Test geht es<br />
vor allem um diese Eigenschaften:<br />
Handlichkeit …<br />
… ist die Lenkkraft, um die Maschine<br />
in Schräglage zu bringen und sie in<br />
Wechselkurven auf Linie zu halten.<br />
Haftung/Beschleunigen … *<br />
… bezeichnet die Seitenführung und<br />
Kraftübertragung in unterschiedlich<br />
schnellen Kurven (nass/trocken).<br />
Lenkpräzision …*<br />
… in unterschiedlich schnellen Passagen<br />
mit komplizierten Kurvenradien.<br />
Gibt Auskunft darüber, ob das<br />
Motorrad dem gewünschten Kurs<br />
folgt, der über die Lenkkräfte vorgegeben<br />
wird, oder ob deutliche<br />
Linienkorrekturen erforderlich sind.<br />
Grenzbereichverhalten …*<br />
… steht für die Beherrschbarkeit<br />
des Reifens im Limit. Test auf nasser<br />
und trockener Fahrbahn.<br />
Kurvenstabilität …<br />
… testet das Aufschaukeln in (Wechsel-)Kurven<br />
und bei Bodenwellen.<br />
Wird in unterschiedlichen Modi (solo/mit<br />
Sozius) und in großer Schräglage<br />
beim Beschleunigen getestet.<br />
Haftung/Schräglage …*<br />
… ist die Seitenführung in maximaler<br />
Schräglage auf nassem und trockenem<br />
Asphalt. Eine Gratwanderung,<br />
die nur auf abgesperrter Strecke<br />
möglich ist.<br />
*Die mit Stern gekennzeichneten Abschnitte sind auf Motorräder übertragbar, die eine ähnliche Geometrie wie die abgebildete BMW R 1200 GS besitzen.<br />
68 PRODUKTTEST <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
MICHELIN<br />
ANAKEE III<br />
PIRELLI<br />
SCORPION TRAIL II<br />
testsieger<br />
11.-14. JUNI <strong>2015</strong><br />
TRAVEL EVENT<br />
DE 78078 NIEDERESCHACH<br />
GEWICHT: vorne 5,6 kg, hinten 6,9 kg<br />
HERSTELLUNGSLAND: Thailand<br />
INFOS/FREIGABEN: Michelin Reifenwerke,<br />
Tel. 07 21/53 00, motorrad.michelin.de<br />
BEWERTUNG<br />
Landstraße/Autobahn: (123 Punkte, PLATZ 5)<br />
Auch wenn das Profil mit den breiten Kerben eher<br />
den Geländeeinsatz suggeriert – der Anakee setzt<br />
sich in diesem Test vor allem auf der Autobahn in<br />
Szene. Eine seiner Stärken ist der unerschütterliche<br />
Geradeauslauf. Selbst über 200 km/h bleibt<br />
der Michelin stabil in seiner Spur, egal ob man<br />
solo oder in voller Besatzung mit reichlich Gepäck<br />
auf der GS hockt. Ein Reifen also für die Fast-Forward-Tourer.<br />
Abseits der Bahn auf schmalen Landstraßen<br />
muss man mit dem Anakee III dagegen<br />
deutlich ackern. Mit seinem trägen Einlenkverhalten<br />
findet er kaum Anschluss an die Konkurrenz.<br />
Auch will sich kein Gefühl für die tatsächlich vorhandenen<br />
Haftreserven einstellen. Die Eigendämpfung<br />
fällt geringer als bei der Konkurrenz<br />
aus, und beim Bremsen in Schräglage ist ein starkes<br />
Aufstellmoment zu spüren.<br />
Nasstest: (80 Punkte, PLATZ 4)<br />
Anders als seine Schwestermodelle aus anderen<br />
Reifengattungen zeichnet sich der Anakee III<br />
nicht durch die von Michelin bekannten, also<br />
überragenden Regenqualitäten aus. Früher als<br />
bei der Konkurrenz sind die Haftreserven bei<br />
Regen ausgeschöpft, und auch auf der Bremse<br />
fällt der Franzose deutlich vom Spitzentrio ab.<br />
GEWICHT: vorne 5,3 kg, hinten 7,2 kg<br />
HERSTELLUNGSLAND: Deutschland<br />
INFOS/FREIGABEN: Pirelli Deutschland,<br />
Tel. 0 61 63/7 10, www.pirellimoto.de<br />
BEWERTUNG<br />
Landstraße/Autobahn: (<strong>13</strong>3 Punkte, PLATZ 1)<br />
Pirelli bleibt auch beim brandneuen Enduroreifen<br />
seiner Maxime treu und schickt mit dem Scorpion<br />
Trail II eine erstklassige Sportbesohlung für die<br />
GS-Klasse auf die Piste. In den Fahrtests überzeugt<br />
der Italoreifen aus deutscher Herstellung mit der<br />
besten Lenkpräzision. Genauso überragend verhält<br />
es sich mit seiner hohen Kurvenstabilität, die<br />
förmlich zu einer extrem sportlichen Fahrweise<br />
animiert. Glasklar auch die Rückmeldung für die<br />
vorhandenen Haftreserven, weshalb man die GS<br />
voller Vertrauen bis in hohe Schräglagen hinein<br />
abwinkelt. Der Conti gibt sich zwar noch eine kleine<br />
Spur handlicher, doch dafür ist der Pirelli auch<br />
bei Autobahntempo nicht aus der Ruhe zu bringen<br />
und bolzt – ob solo oder mit Passagier und<br />
Beladung – bei Topspeed stabil über Highways.<br />
Nasstest: (98 Punkte, PLATZ 1)<br />
Ähm, der Punktestand sagt wohl alles. Nur zwei<br />
Zähler fehlen zum Optimum. Die „verliert“ der<br />
Scorpion Trail II ausgerechnet gegen die Konzernschwester<br />
Tourance Next auf der Bremse,<br />
wo Metzeler minimal schneller steht. Ansonsten<br />
brilliert der Pirelli auf nasser Strecke wie kein<br />
Zweiter. Die Gripleistung ist phänomenal, der<br />
Abstand zu den Zweitplatzierten beträchtlich.<br />
Seit 25 Jahren<br />
Koffer für<br />
die echten<br />
Abenteurer.<br />
FAZIT<br />
Fahren wie auf Schienen. Wer seine Reiseenduro<br />
im ICE-Tempo durchs Land<br />
treibt, kann mit dem Michelin glücklich<br />
werden. Kurven, noch dazu verregnete,<br />
sollte man vom Fahrplan streichen.<br />
FAZIT<br />
Wow, dieser Einstand ist gelungen.<br />
Pirellis nagelneue Sohle für die GS-Klasse<br />
kann im Dynamikmodus nicht besser<br />
sein. Top-Landstraßenperformance und<br />
dazu diese irre Show im Regen. Salute!<br />
Urteil: Platz 5 203 Punkte Urteil: Platz 1 231 Punkte<br />
NEU<br />
Geradeauslaufstabilität …<br />
… wird bei Highspeed getestet. Bleibt<br />
das Motorrad stabil auf Kurs, oder stört<br />
Pendeln die Fahrt?<br />
Aufstellmoment …<br />
… bezeichnet das Aufrichten beim<br />
Bremsen in Schräglage. Diese Reaktion<br />
muss mit einer Gegenkraft (Drücken)<br />
am kurven inneren Lenker ende ausgeglichen<br />
werden.<br />
Fülldruck im Test<br />
2,2 bar vorn, 2,5 bar hinten.<br />
www.motorradonline.de<br />
Enduroreifen-Test<br />
eindeutiger beantworten. Denn sowohl<br />
Metzelers Tourance Next wie auch Michelins<br />
Anakee III sind bereits vor zwei Jahren<br />
beim Enduroreifen-Test angetreten und haben<br />
sich auf der Triumph Tiger Explorer ihre<br />
4000 Kilometer lange Abreibung geholt.<br />
Allerdings hat der Metzeler diese Laufleistung<br />
erstaunlich gut weggesteckt. Das<br />
Ergebnis nach der damaligen Verschleißfahrt<br />
über die gripintensiven Landstraßen der<br />
Cevennen war ein starker zweiter Platz:<br />
„Ein Pluspunkt in Sachen Wirtschaftlichkeit“,<br />
hieß es im 20<strong>13</strong>er-Testprotokoll. Noch besser<br />
schnitt Michelins Anakee III ab. Er belegte<br />
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Die Kuh mal richtig fliegen lassen: Mit den Pirellis läuft die GS nicht nur bei Nässe zur Bestform auf. Der Trail II ist der Newcomer des Jahres<br />
Enduroreifen-Test<br />
im Verschleiß Platz eins. Fazit im damaligen<br />
Testabschnitt: „Das Profil wirkt nicht nur<br />
äußerst robust, es lässt sich auch auf der<br />
4000-Kilometer-Runde wenig beeindrucken.“<br />
Diese Ergebnisse lassen sich nun vortrefflich<br />
mit den Dynamik-Erkenntnissen<br />
auf der R 1200 GS aus diesem Jahr kombinieren.<br />
Bei denen wiederum distanziert<br />
sich der Tourance Next allerdings klar vom<br />
Anakee III. Denn Michelins Enduroreifen<br />
kann sich in der reinen Funktionsprüfung<br />
auf trockenen und nassen Straßen nicht<br />
wirklich in Szene setzen. Auf Landstraßen<br />
bleibt er zu träge, bei Nässe vermisst man<br />
das Gefühl für mehr Sicherheit. Ganz anders<br />
dagegen der Metzeler. Sein großer Pluspunkt<br />
ist die Ausgewogenheit, die Landstraßenfahrer<br />
sehr schätzen werden. Auch<br />
bei Nässe stimmt das Bild. Ebenfalls positiv:<br />
die hervorragende Geradeauslaufstabilität<br />
auf der Autobahn. Zusammen mit den<br />
Endwertung<br />
PIRELLI SCOR-<br />
PION TRAIL II<br />
DUNLOP<br />
TRAILSMART<br />
METZELER<br />
TOURANCE NEXT<br />
CONTINENTAL<br />
TRAIL ATTACK 2<br />
MICHELIN<br />
ANAKEE III<br />
Landstraße/<br />
Autobahn<br />
Nasstest<br />
Summe<br />
<strong>13</strong>3 98 231 1.<br />
<strong>13</strong>0 92 222 2.<br />
129 92 221 3.<br />
129 78 207 4.<br />
123 80 203 5.<br />
Erfahrungen aus dem Verschleiß klingt das<br />
beim Metzeler doch fast schon nach einer<br />
unschlagbaren Kombination.<br />
Der nächste große Reifentest in dieser Gattung<br />
verspricht jedenfalls sehr spannend<br />
zu werden. Denn in puncto Dynamik legt<br />
der brandneue Pirelli Scorpion Trail II die<br />
Messlatte verdammt hoch. Für die R 1200<br />
GS jedenfalls ist dieser Reifen eine der besten<br />
Tuningmaßnahmen. Behäbigkeit war<br />
zwar noch nie Thema beim Geländeboxer,<br />
aber nach der Umbereifung auf den Scorpion<br />
Trail II könnte man es glatt meinen.<br />
Und bei Nässe fährt die Pirelli-GS Kreise um<br />
das Verfolgerfeld. Schatten kennt der Sieger<br />
im <strong>2015</strong>er-Enduroreifen-Test noch keine.<br />
Aber: Sein Vorgänger war Letzter im Verschleiß.<br />
Doch das will Trail Nr. 2 besser<br />
können. Unsere Erfahrungen sagen jedenfalls:<br />
So viel Performance kostet. Meist<br />
auch viel Profil. Wie viel, bleibt abzuwarten.<br />
Nach dem Test ist vor dem Test.<br />
www.motorradonline.de/reifentest<br />
Platzierung<br />
FAZIT<br />
Eine Abschlusstabelle, wie sie im<br />
Reifentest schon lange nicht mehr<br />
zu sehen war. Mit einem krassen Vorsprung<br />
entscheidet der nagelneue<br />
Pirelli Scorpion Trail II diesen Enduroreifen-Test<br />
auf der alten R 1200 GS<br />
für sich. Der zweite Newcomer der<br />
Saison, Dunlops Trailsmart, kann<br />
sich zwar gut platzieren, nicht aber<br />
entscheidend vom Metzeler Tourance<br />
Next absetzen, der vor zwei Jahren<br />
Testsieger wurde. Damals punktete<br />
dieser auch noch mit sehr guten Verschleißwerten.<br />
Kurztest: Bridgestone A40<br />
Made in Japan<br />
für die GS<br />
Die Wachablösung war überfällig.<br />
Seit Jahren rangierte der<br />
Bridgestone Battle Wing in unseren<br />
Tests unter „ferner liefen“. Tragisch<br />
nun, dass der neue A40 nicht rechtzeitig<br />
kam. Es reichte nur für einen kurzen<br />
Abgleich gegen die Konkurrenz auf trockener<br />
Straße. Seine Stärken dort: Stabilität,<br />
Neutralität und gute Rückmeldung.<br />
In puncto Handlichkeit haben aber<br />
Conti, Dunlop und Pirelli die Nase vorn.<br />
REIFENTEST<br />
Teil 3 in <strong>MOTORRAD</strong> 14/<strong>2015</strong><br />
Großer Konzeptvergleich für Reiseenduristen:<br />
Was leistet der Klassiker<br />
Conti TKC 80, was sind moderne Alternativen?<br />
Fünf Reifentypen im Test<br />
70 PRODUKTTEST <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
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G<br />
B<br />
E<br />
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B<br />
R<br />
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HONDA<br />
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Den Mittelklasse-Cruiser mit sehr zuverlässigem<br />
V2 gibt es in verschiedenen Ausführungen für<br />
jeden Geschmack: opulent und barock oder karg<br />
und spartanisch. Ein toller Alltagsentschleuniger,<br />
der sich auch für 48-PS-Einsteiger eignet.<br />
T<br />
Von Thorsten Dentges; Fotos: Hersteller, Jacek Bilski, fact<br />
-<br />
SHADOW 750<br />
SPIRIT/VT 750 S<br />
Bloß keine Duelle mit sportlichen Kompaktwagen! Man verliert.<br />
Die Shadow mit 46 PS bei gut fünf Zentnern ist von der<br />
gemütlichen Sorte, und das sollte der Fahrer auch<br />
sein. Diese Maschine will sich gar nicht messen,<br />
sie will einfach nur Freude machen. Für Alltagsfluchten<br />
ist das Motorrad prima. Der 52-Grad-V2 gilt<br />
als fast unzerstörbar und hat sich in diversen<br />
Hondas – von Tourenmaschine bis Reiseenduro<br />
und vor allem im Vorgängermodell<br />
VT 750 C Shadow – zigtausendfach<br />
bewährt. Seitdem die Maschine<br />
(seit 2004 bzw. 2007) nur<br />
noch Shadow respektive Shadow<br />
Spirit heißt, unterstreicht<br />
ein tadelloser Kardanantrieb<br />
das No-Stress-Prinzip.<br />
Ab 2010 kam eine ABS-Bremse<br />
hinzu, von da an gab es außer den etwas<br />
schwachen Fahrleistungen an diesem sehr<br />
ausgewogenen Bike mit unbeschwertem<br />
Handling eigentlich nichts auszusetzen. Kopfzerbrechen<br />
bereitet dem Interessenten nur die<br />
Modellauswahl: Mit tiefgezogenen Kotflügeln auf<br />
Cruiser-Pfaden? Oder etwas cooler zum Café-Treff mit<br />
der chopperesken Shadow Spirit? Die goldene, äh, schwarze Mitte, also die Black Spirit?<br />
Vielleicht auch ein schnickschnackfreies, narrensicher zu lenkendes Retro-Bike, ergo die preisgünstige<br />
VT 750 S? Als Gebrauchte gelten die Shadow 750 und deren Varianten als gute<br />
Op tion. Unter anderem auch wegen des vielfältigen Secondhand-Angebots.<br />
MODELLE<br />
2010 gibt es zusätzlich das Modell Black<br />
Spirit – natürlich nur in der Farbe Schwarz –<br />
mit dickem 17-Zoll-Vorderrad, aber ohne ABS<br />
Die Shadow Spirit (2007 bis 2010) sagt<br />
eher Chopper- denn Cruiserfans zu. Stilprägend:<br />
das große 21-Zoll-Vorderrad<br />
und ein knapp geschnittenes Blechkleid<br />
Sollte 48-PS-Einsteiger locken:<br />
Die güns tige, spartanische VT 750 S<br />
mit Kette war offiziell nur 2010/2011<br />
im Programm<br />
72 GEBRAUCHTBERATUNG <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
BESICHTIGUNG<br />
Der erst 2004 bei der Shadow eingeführte Kardanantrieb<br />
hat sich als bessere Alternative zum<br />
Kettenantrieb bewährt und bereitet nur selten<br />
Stress. Dennoch: Bei jedem zweiten Wartungsintervall<br />
(Honda schreibt 6000er-Intervalle vor)<br />
sollte das Öl im Endantrieb (163 ml Füllmenge)<br />
gewechselt werden. Erst bei 36 000 Kilometern<br />
steht eine größere Inspektion an, bei der das<br />
Ventilspiel geprüft und Öle, Kühlflüssigkeit sowie<br />
Filter und Zündkerzen getauscht werden.<br />
In einer Werkstatt stehen 3,5 Arbeitsstunden<br />
plus Teilekosten an, also locker mal 350 Euro. Der<br />
wohl nur selten arg strapazierte V2 gilt bei<br />
re gelmäßiger Wartung als extrem langlebig. Am<br />
ehes ten tauchen technische Probleme bei ungepflegten<br />
Privatofferten auf. Meist zu er ken nen<br />
an schlampig gepflegten Rädern und korrodierten<br />
Metallteilen. Vorsicht bei extrem günstigen<br />
Händlerangeboten ohne Wartungshistorie<br />
– nach professioneller Aufbereitung sehen<br />
selbst größte Problem-Maschinen lecker aus.<br />
MARKTSITUATION<br />
Was alle Modelle vereint: der Motor, der sich im Laufe der Modellgeschichte<br />
kaum verändert hat. Andere Dinge sind es also, die für VT 750-Interes senten<br />
entscheidend sind. Die Shadow 750 als klassischer Cruiser wird mit hoher<br />
Windschutzscheibe und Lederpacktaschen gerne von etwas älteren Herren<br />
um die 60 als Gebrauchte genommen – und zwar für gemütliche, ausgedehnte<br />
Touren und kürzere Reisen. Die schlankere Shadow Spirit ist eher in<br />
der Ü-40-Klasse angesagt – zum Beispiel als Untersatz für den Kurz ausflug<br />
am Samstagnachmittag. Beide Modelle sind aus zweiter Hand etwa gleich<br />
stark gefragt, sofern Pflegezustand und Preis gut sind. Als gute Preise gelten alle unter 4500 Euro, wenn auf dem Tacho noch keine 20 000<br />
Kilometer stehen. Zwar gibt es auch Käufer, die gezielt nach maximal zweijährigen Neuwert-Bikes mit Laufleistungen unter 5000 Kilometern<br />
suchen, die aber sind selten bereit, mehr als 6000 Euro zu bezahlen. Das nur kurzzeitig angebotene Sondermodell Black Spirit ist<br />
selten im Angebot. Gute Schnäppchen finden sich bei der VT 750 S: um 4500 Euro mit teilweise nur 5000 Kilometern. Vereinzelt tauchen in<br />
Kleinanzeigen sehr aufwendige Umbauten auf – teilweise teurer als Neufahrzeuge. Für solche individualisierten Maschinen gibt es kaum<br />
Interessenten – hilfreich für erfolgreiche Preisgespräche.<br />
Preisniveau in Euro Baujahre km-Stand<br />
Niedrig3200–3900 2004–2008 25 000–50 000<br />
Mittel4000–5400 2004–2011 7500–20 000<br />
Hoch5500–7000 2010–20<strong>13</strong> unter 7500<br />
Typ im Programm Verkäufe<br />
RC50/53/58 2004 bis heute 75<strong>13</strong>*<br />
▸ Verfügbarkeit am Markt: mittelhoch<br />
*Stand Mai <strong>2015</strong><br />
IM DETAIL<br />
Internet<br />
Fansites:<br />
www.shadowforum.de<br />
(hier trifft sich die Online-<br />
Community, Registrierung<br />
erforderlich)<br />
Tests in <strong>MOTORRAD</strong><br />
8/2004 (FB), 16/2007 (FB), 6/2008 (FB), 15/2008<br />
(VT), <strong>13</strong>/2009 (VT), 8/2010 (VT), 15/2010 (VT),<br />
19/2010 (VT)<br />
FB = Fahrbericht, T = Test, TT = Top-Test, VT = Vergleichstest;<br />
Artikel-Download unter www.motorradonline.de/ekiosk<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
MOTOR<br />
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-<br />
52-Grad-V-Motor, drei Ventile pro Zylinder,<br />
Nasssumpfschmierung, Einspritzung, geregelter<br />
Katalysator, mechanisch betätigte<br />
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe,<br />
Kardan.<br />
Bohrung x Hub<br />
79,0 x 76,0 mm<br />
Hubraum 745 cm³<br />
Nennleistung<br />
33,5 kW (46 PS) bei 5500/min<br />
Max. Drehmoment<br />
64 Nm bei 3500/min<br />
FAHRWERK<br />
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel,<br />
Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Fe-<br />
MODELLPFLEGE<br />
(Typ RC50, Modelljahr 2010)<br />
derbeine, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse<br />
vorn und hinten, ABS.<br />
Alu-Gussräder 3.00 x 17; 3.50 x 15<br />
Reifen 120/90 17; 160/80 15<br />
MAßE + GEWICHT<br />
Radstand 1640 mm, Lenkkopfwinkel 56,0<br />
Grad, Nachlauf 161 mm, Federweg v./h.<br />
116/90 mm, Sitzhöhe* 660 mm, Gewicht<br />
vollgetankt* 261 kg, Tankinhalt/Reserve<br />
14,6/3,5 Liter.<br />
MESSUNGEN<br />
(<strong>MOTORRAD</strong> 8/2010)<br />
Höchstgeschwindigkeit** 155 km/h<br />
Beschleunigung 0–100 km/h 7,9 sek<br />
Durchzug 60–100 km/h<br />
8,3 sek<br />
Verbrauch 4,1 l/100 km (Landstraße)<br />
*<strong>MOTORRAD</strong>-Messungen, **Herstellerangaben<br />
Der Tachometer ist<br />
elegant im Tank mit<br />
Chromschale eingefasst<br />
und baut vergleichsweise<br />
zierlich. Die Kontrollleuchten<br />
sind allerdings<br />
schlecht ablesbar<br />
Bewährt und ein Freund<br />
für alle, die ihr Motorrad<br />
gerne glänzend sauber<br />
halten wollen: der Kardan.<br />
Bei der Shadow<br />
750 ist er seit 2004 als<br />
Endantrieb im Einsatz<br />
2004 Aus der VT 750 C/C2 Shadow bzw.<br />
Black Widow wird mit neuer Bezeichnung<br />
das Modell Shadow 750 (Typ RC50). Der<br />
Vergaser-V2-Motor mit drei Ventilen pro<br />
Zylinder (46 PS) wurde von den Vorgängerinnen<br />
übernommen, ansonsten Neugestaltung:<br />
Rahmen niedriger, Sattel, Tank,<br />
Lenker, Kotflügel, Kardan (statt Kette). Farben:<br />
Rot und Schwarz. Gewicht: 254 kg.<br />
Preis: 6990 Euro.<br />
2007 Neues Modell Shadow Spirit (Typ<br />
RC53) mit Einspritzung, 21-Zoll-Vorderrad,<br />
einteiliger Sitzbank, Gabel ohne Hüllrohre,<br />
kleineren Schutzblechen. Gewicht: 248 kg.<br />
Preise Shadow/Spirit: 7290/7490 Euro.<br />
2008 Einspritzung nunmehr auch bei der<br />
Shadow. Preis unverändert.<br />
2010 Shadow 750 und Shadow Spirit mit<br />
Scheiben- statt Trommelbremse hinten<br />
und ABS. Sondermodell Black Spirit mit<br />
kleinen Kotflügeln wie bei Shadow Spirit<br />
und 17-Zoll-Vorderrad wie bei Shadow<br />
750, Trommelbremse hinten, kein ABS.<br />
Preise Shadow/Spirit/Black Spirit:<br />
8750/8970/8370 Euro. Parallel neues<br />
Modell VT 750 S (Typ RC58), technisch basierend<br />
auf Shadow-Modellreihe, aber mit<br />
Trommelbremse hinten. Kein ABS. Weitere<br />
Unterschiede: 19-Zoll-Vorder- und 16-Zoll-<br />
Hinterrad, Tank 10,7 l, Kettenantrieb. Gewicht:<br />
234 kg. Preis: 6990 Euro.<br />
2011 VT 750 S entfällt, danach Abverkauf.<br />
20<strong>13</strong> Letztes Modelljahr für Shadow Spirit.<br />
Preis: 9090 Euro.<br />
www.motorradonline.de<br />
GEBRAUCHTBERATUNG 73
HONDA<br />
SHADOW 750<br />
SPIRIT/VT 750 S<br />
In vollem Ornat mit Zweifarb-Lackierung und<br />
Satteltaschen kommt der 750er-Mittelklasse-<br />
Cruiser sehr gut beim etwas älteren Publikum an<br />
E<br />
Weitere Testberichte<br />
zu diesem<br />
Motorrad<br />
finden Sie hier:<br />
motorradonline.de/shadow750<br />
Angebote zu<br />
diesem Motorrad<br />
finden Sie<br />
hier:<br />
motorradonline.de/<strong>2015</strong><strong>13</strong>070<br />
DIE WETTBEWERBER<br />
Kawasaki VN 900 Klassenprimus<br />
und Bestseller. Die hier<br />
gezeigte Custom-Variante (ab<br />
2007) mit 21-Zöller vorn konkurriert<br />
mit der Shadow Spirit<br />
Suzuki Intruder M 800 Die kleine,<br />
53 PS starke Trude (2005 bis<br />
2012) haben einige Cruiser-Fans<br />
gar nicht auf dem Schirm. Gebraucht<br />
einigermaßen günstig<br />
Triumph Speedmaster Den 61 Yamaha XVS 950 A Midnight<br />
PS starken Reihen-Zweizylinder Star Satte 77 Newtonmeter<br />
gab es ab 2007 mit Einspritzung. Drehmoment, 54 PS, Riemenantrieb<br />
– seit 2009 ist der lang-<br />
Gedrosselt auch beliebt bei<br />
48-PS-Einsteigern. Wertstabil gestreckte Cruiser sehr beliebt<br />
Demnächst in der <strong>MOTORRAD</strong>-Gebrauchtberatung<br />
in Ausgabe 14/<strong>2015</strong> in Ausgabe 15/<strong>2015</strong><br />
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Volker Breid, Norbert Lehmann. Vertrieb: Belieferung,<br />
Betreuung und Inkasso erfolgen durch DPV Deutscher<br />
Pressevertrieb GmbH, Nils Oberschelp (Vorsitz), Heino<br />
Dührkop, Dr. Michael Rathje, Düsternstraße 1, 20355 Hamburg,<br />
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Ja, ich möchte auch von weiteren Inhalten, Vorabnachrichten, Themen und Vorteilen profi tieren. Deshalb<br />
bin ich damit einverstanden, dass mich Motor Presse Stuttgart und ihre zur Verlagsgruppe gehörenden<br />
Unternehmen Rodale-Motor-Presse GmbH & Co. KG und Verlagsgesellschaft Stuttgart mit ihren Titeln<br />
künftig per Telefon und E-Mail über weitere interessante Medienangebote informiert. Dieses Einverständnis<br />
kann ich jederzeit per eMail an widerruf@dpv.de widerrufen.<br />
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20355 Hamburg, Gläubiger-Identifi kationsnummer DE77ZZZ00000004985, wiederkehrende Zahlungen<br />
von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die<br />
von der DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die<br />
Mandatsreferenz wird mir separat mitgeteilt. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend<br />
mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit<br />
meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.<br />
Verlagsgarantie: Sie können die Bestellung binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen.<br />
Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Sie die erste bestellte Ausgabe erhalten, nicht jedoch vor<br />
Erhalt einer Widerrufsbelehrung gemäß den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Zur<br />
Wahrung der Frist genügt bereits das rechtzeitige Absenden Ihres eindeutig erklärten Entschlusses, die<br />
Bestellung zu widerrufen. Sie können hierzu das Widerrufs-Muster aus Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB<br />
nutzen. Der Widerruf ist zu richten an:<br />
<strong>MOTORRAD</strong>, Aboservice, Postfach, 70<strong>13</strong>8 Stuttgart, Telefon: + 49 (0) 711 320 688 99,<br />
Telefax: +49 (0) 711 182 255 0, E-Mail: motorrad@dpv.de<br />
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Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG<br />
<strong>MOTORRAD</strong>-Markt<br />
D-70162 Stuttgart<br />
Überall, wo es Bücher gibt,<br />
oder unter<br />
128 Seiten,<br />
Format 140 x 205 mm<br />
ISBN 978-3-6<strong>13</strong>-03642-0<br />
c 9,95<br />
www.motorbuch.de<br />
Service-Hotline: 0711/ 98 80 99 85<br />
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
<strong>13</strong>/<strong>2015</strong><br />
Foto: Daams<br />
86<br />
96<br />
100<br />
Die Schweizen in Deutschland<br />
Berge, Kurven, Spielzeuglandschaft. Nicht<br />
nur die echte Schweiz bietet solche Reize,<br />
sondern auch etliche Regionen in Deutschland.<br />
Besuch der Fränkischen Schweiz und<br />
zwölf weiterer „Schweizen“ in der BRD.<br />
Deutschlands billigster Slalom<br />
Beim Motorradslalom zwischen Pylonen<br />
zu zaubern, macht richtig Laune und<br />
bringt jede Menge Erfahrung für sichere<br />
Fahrzeugbeherrschung. Reportage über<br />
Deutschlands billigsten Straßensport.<br />
Im Bann der Bundesstraße 2<br />
Sie hat nicht den schillernden Nimbus einer<br />
Route 66, ist aber dafür mit 845 Kilometern<br />
die längste und eine der ältesten Bundesstraßen<br />
der Republik. Der Bundesstraße 2<br />
zu folgen, heißt, Deutschland kennenzulernen<br />
und ein Roadmovie zu drehen.<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 85
LEBEN Schweizen in Deutschland<br />
WIR SIND ALLE<br />
SCHWEIZ<br />
Wem die Schweiz zwar landschaftlich supergut gefällt, wegen ihrer restriktiven<br />
Verkehrspolitik aber nicht geheuer ist und vielleicht auch zu teuer, der findet allein<br />
in Deutschland zahlreiche Alternativen: von der Fränkischen über die Sächsische<br />
bis hin zur Elfringhauser Schweiz. Glück auf! Text und Fotos von Klaus H. Daams<br />
86 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Kurven swingen oder Kletterfelsen bezwingen in der Fränkischen Schweiz (großes Bild). Hügel stürmen in der<br />
Hers brucker Schweiz, Aug in Aug mit Bisons in der Rüdigsdorfer Schweiz, MZ-Gespann in der Vogtländischen Schweiz<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 87
Unterhalb der Burg Hohenstein in der Hersbrucker Schweiz (großes Bild). Auf der Suche nach der Hinterländer<br />
Schweiz bei Kehlbach, Käse mit Löchern im Hotel „Hormersdorf“ und Feld mit Weg in der Rüdigsdorfer Schweiz<br />
88 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
FORMIDABLE FELSENTÜRME VOR<br />
FRÄNKISCHEM FACHWERK<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 89
Gasthof in Obertrubach, Blech und Chrom im Hachenburger Cadillac-Museum mit Monika<br />
Gomez Ruis. Ausflug nach Lungsdorf (v. l. n. r.). Anflug auf die Ischenröder Schweiz (r.)<br />
Schweizen in Deutschland<br />
Die R nineT geht wie Sau. Tacho<br />
230: kein Problem. Nach der<br />
Autobahn eine kurze Pause<br />
zur Orientierung, wie es nun<br />
über Land weitergeht. „Ist das schon die<br />
Schweiz?“ „Noch nicht ganz, aber fast!“<br />
Die Indizien sprechen für sich. 14 Prozent<br />
Gefälle zwischen Klingenhof und Ittelshofen,<br />
steile Felswände bei Happurg und<br />
sogar ein Altdorf gibt es – zwar nicht<br />
Schauplatz des legendären Apfelschusses<br />
von Wilhelm Tell, sondern in diesem Fall ein<br />
Städtchen bei Nürnberg. Was im Gegensatz<br />
zum schönen Land der Eidgenossen<br />
fehlt, ist das mulmige Gefühl, stets könne<br />
dich aus heiterem Himmel ein vernichtender<br />
Radarstrahl treffen. Worauf wir gerne<br />
verzichten, zumal, da im Tankrucksack<br />
eine Liste mit <strong>13</strong> vorsortierten deutschen<br />
Schweizen steckt, die unbeschwerten Kurvenspaß<br />
versprechen, ganz ohne Bremse,<br />
pardon: Schere im Kopf.<br />
Als Erstes also jetzt die Hersbrucker<br />
Schweiz, quasi die kleine oder auch südliche<br />
Schwester der Fränkischen Schweiz.<br />
Womit Kenner wissen, was sie hier wie<br />
dort erwartet: ein feines Netz von Motorradsträßchen<br />
sowie markante, oft im Wald<br />
versteckte Kletterfelsen. Wie ein brünftiger<br />
Hirsch schiebt und röhrt der Roadster vor<br />
lauter Lust durchs hügelige Terrain rund<br />
um die Burg Hohenstein, zeigt, dass er auch<br />
„von ganz unten“ kommen kann. Apropos:<br />
Höhlen gibt’s ebenfalls reichlich, in einer<br />
davon, dem Doggerstollen, sollten gegen<br />
Ende des Zweiten Weltkrieges BMW-Flugzeugmotoren<br />
produziert werden; 4000<br />
KZ-Häftlinge kamen beim Errichten des<br />
Stollens ums Leben. Aus der damaligen<br />
Zeit stammt auch noch die Harley WLA von<br />
Adolf Zimmermann, Wirt des Motels „Hormersdorf“.<br />
Fürs Zweiradhobby hat er zwar<br />
kaum mehr Muße, aber stets ein Herz für<br />
Biker, selbst wenn diese spät oder gleich im<br />
Dutzend anreisen.<br />
Sonntagmorgen. Die Sonne brennt<br />
Löcher durch eine neblige Wolkendecke,<br />
auf dem Frühstücksteller dominiert in gelben<br />
Käsescheiben rundes Nichts. Nichts<br />
wie los. Putzmunter pufft das Akrapovic-<br />
Pärchen durchs pittoreske Pegnitztal, wo<br />
sowohl Kanuten als auch die Besucher<br />
eines Feuerwehrfestes feuchtfröhliche<br />
Stunden er warten, während in Lungsdorf<br />
formidable Fels türme faul vor fränkischem<br />
Fachwerk her umlungern. Über Betzenstein<br />
von der Hersbrucker in die Fränkische<br />
Schweiz gewetzt – und dort dann die Qual<br />
der Streckenwahl. Wie beim Bachelor die<br />
Frage: Welche der vielen kurvigen Kandidatinnen<br />
näher kontakten, welcher Verführung<br />
widerstehen? Immer wieder gerne<br />
genommen werden Trubachtal, Pottenstein<br />
und der Motorradtreff „Kathi-Bräu“, aber<br />
auch weniger Prominentes wie Prügeldorf<br />
und Bösenbirkig kannst du lieb gewinnen.<br />
Wer Zeit hat, gondelt durchs mal bewaldete,<br />
mal beackerte Land bis in die Sächsische<br />
Schweiz, dank bizarrer Felsformationen<br />
wohl die „schweizerischste“ der deutschen<br />
Schweizen. Doch wir können heute<br />
nicht alles haben, schwenken schon vorher<br />
ab in die Vogtländische Schweiz. Und landen<br />
dort in einer Welt zwischen Aufbruch<br />
und Untergang rund um die Talsperre Pöhl.<br />
1961 war es, als das Dörfchen Pöhl geflutet<br />
und die Talsperre gebaut wurde,<br />
beliebtes Ferienzentrum inzwischen mit<br />
Autokino, FKK-Strand sowie auch einem<br />
Gasthaus namens Frohsinn. Kein Kind von<br />
Traurigkeit ist Gespannfahrer Michael,<br />
der seine cremefarbene MZ ES 250/2 am<br />
See ufer spontan wendet, um in lockerem<br />
Benzin- respektive Gemischgespräch (1: 33)<br />
zu erfahren, was die Bayerischen Motoren<br />
Werke an (R)evolution geschaffen haben.<br />
Noch aus der frühen Dampflokära stammt<br />
die Elstertalbrücke, zweitgrößte Ziegelsteinbrücke<br />
der Welt, die auf dem Mittelbogen<br />
sogar per pedes zu überqueren und Prunkstück<br />
der Region ist.<br />
90 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
UNBESCHWERTER KURVENSPASS<br />
OHNE SCHERE IM KOPF<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 91
DIE FRÄNKISCHE SCHWEIZ REICHT FAST<br />
AN DIE ECHTE HERAN<br />
92 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
„Erstbesteigung“ in der Fränkischen Schweiz (links), Oldtimer in der Vogtländischen<br />
Schweiz, im Kartenfach die Rühler Schweiz und Kurvenrausch in der Kroppacher Schweiz<br />
Schweizen in Deutschland<br />
Wir drehen Richtung Westen und<br />
steuern die Fehrenbacher Schweiz an. Nie<br />
gehört? Aber Thüringer Wald. Womit wieder<br />
klar sein dürfte, was dich erwartet:<br />
Motorradsträßchen en masse! Schon der<br />
Anflug ist der Knaller: Knau, Kalte Schenke,<br />
Katzhütte – da werden die Reifen lecker<br />
warm. Nur schade dann, dass es in Fehrenbach<br />
in der Pension „Schwarzer Adler“ ab<br />
20 Uhr keine Küche mehr gibt und auch der<br />
Stamm tisch anscheinend Ruhe vor Fremden<br />
braucht. Gastfreundlicher der Empfang<br />
in Masserberg im Kurhotel „Auerhahn“, wo<br />
der Tag, der mit Käse voller Löcher begann,<br />
ohne selbige im Magen endet. Zufällig läuft<br />
auch noch ein Schweizer „Tatort“.<br />
Täter war das Unterperm, das ihn so<br />
zugerichtet hat, den Zigeunerfelsen, eine<br />
Art überdimensionale Steinfrikadelle, von<br />
Geologen etwas präziser als Schiefer-Konglomerat<br />
bezeichnet und den Einstieg markierend<br />
ins Wanderparadies Fehrenbacher<br />
Schweiz, Quellgebiet übrigens der Werra.<br />
„Der Reichtum von Fehrenbach ist die Kraft<br />
der unverbrauchten Natur“, kämpft „Thüringen<br />
Info“ gegen die Tristesse eines Ortes,<br />
an dem 1564 die älteste Glashütte Deutschlands<br />
gegründet wurde, und wo es die<br />
Jugend heute nicht mehr hält. Ein wenig<br />
Farbe ins Tal der Biber bringen gelegentlich<br />
auch Fähnchen und Parteiplakate, Heil<br />
versprechend bei der nächsten Wahl.<br />
Wir wählen die Kraft kerngesunder 110<br />
PS, stürmen aus dem dunklen Thüringer<br />
Wald in die lichte Rhön, das „Land der offenen<br />
Fernen“ mit weiten Hochflächen und<br />
Blicken bis zum Horizont. Punktlandung,<br />
buchstäblich, in der Wiesenthaler Schweiz.<br />
Man muss sie schon mit der Lupe suchen,<br />
weil diese Schweiz nur 34 Hektar misst.<br />
Und findet schließlich, oh Wunder, eine<br />
Wiese im Tal. Es ist so ruhig, dass du fast<br />
die Fische im nahen Teich zu hören meinst.<br />
Und während den Botaniker die Einknollige<br />
Honigorchis und die Gemeine Kuhschelle,<br />
das Manns-Knabenkraut sowie die Fuchssche<br />
Kuckucksblume begeistern, freut sich<br />
der gemeine Biker im Gras liegend über die<br />
schwarze Orchidee unter den Motorrädern.<br />
Ende der Siesta und weiter, nicht gerade<br />
im Blümchenpflück-Modus. Eisenach,<br />
Bad Langensalza, Sondershausen, Nordhausen:<br />
viel Bundesstraße und Berufsverkehr.<br />
Was sich schlagartig ändert, als wir in Nordhausen-Krimderode<br />
nach rechts von der B 4<br />
abbiegen. Kopfsteinpflaster-Gehoppel, die<br />
Fahrbahn durchwebt von grünem Flaum,<br />
Gretchen’s Flick- und Änderungsatelier,<br />
Kleingartenverein Braune Erde: Einstimmung<br />
auf die Rüdigsdorfer Schweiz. Auch<br />
sie so klein, dass sie fast auf eine Kuhhaut<br />
passt. Oder zumindest auf die Häute der<br />
Bisons, die hier zu Hause sind, zusammen<br />
mit Highland Cattles und Paint Horses. Deren<br />
„Zuchtmeister“ ist Meyk Forst, und auch<br />
Ehefrau Annette kümmert sich intensiv ums<br />
Wohlergehen der Geschöpfe, allerdings<br />
der zweibeinigen. So gibt es in der Pension<br />
„Rüdigs dorfer Schweiz“ für die müde Haut<br />
sogar ein Zimmer mit rundem Wasserbett.<br />
Morgentau liegt auf den Feldern, als der<br />
Flat-Twin am Harz-Südrand in die Ischenröder<br />
Schweiz eintaucht. Der namensgebende<br />
Ort zählt rund 150 Einwohner, bei<br />
einem steht ein feiner Borgward vorm Haus.<br />
Und dann stehen da noch ungezählte<br />
Bäume Spalier an der L 567. Eine Allee, auf<br />
der die Ischenröder schwungvoll durch ihr<br />
Schweizchen rauschen können.<br />
Mit mehr als nur einer schönen Strecke<br />
punktet die Rühler Schweiz, anders als viele<br />
ihrer Artverwandten übrigens auch auf der<br />
Generalkarte eingezeichnet. Ganz oben auf<br />
der Beliebtheitsskala das Serpentinengeschlängel<br />
zwischen Golmbach und Rühle.<br />
Das bestätigt uns sowohl Matthias aus Celle,<br />
den nur die Sturzbügel an seiner R 1200 R<br />
daran hindern, die Angststreifen ganz runterzufahren.<br />
Applaus, Applaus. Und nun<br />
das Navi raus. Weserbergland und Motorradtreff<br />
Köterberg liegen zwar direkt vor<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 93
Schweizen in Deutschland<br />
der Nase, doch dort wollen wir uns heute<br />
nicht mehr amüsieren, sondern stattdessen<br />
im südlichen Sauerland. Was den Einspritzdüsen<br />
ordentlich zu tun gibt auf den folgenden<br />
150 schnellen Landstraßenkilometern.<br />
Welche Schweiz kann da mithalten?<br />
Landung im „Haus Wiesengrund“ bei<br />
Hallenberg, ein BMW-Testride-Hotel. Während<br />
dort acht Weiß-Blaue auf Kundschaft<br />
warten, hat 20 Kilometer weiter eine schnittige<br />
Aprilia RS4 125 schon ihre Lebensabschnittspartnerin<br />
gefunden, Nicole Feige.<br />
Die Blondine ist Filialleiterin eines Tedi-<br />
Marktes – und wohnt auf dem elterlichen<br />
„Landgasthof Wittgensteiner Schweiz“,<br />
eine ebenfalls motorradaffine Adresse.<br />
Neben der Wittgensteiner gibt es drei weitere<br />
Schweizen für uns, wie genial. Sie alle<br />
liegen im Großraum Sauerland-Westerwald<br />
und garantieren allein schon dadurch<br />
schwungvolle Stunden am kurvigen Band,<br />
bescheren aber auch Überraschendes: Wir<br />
haben soeben die Hinterländer Schweiz<br />
entdeckt, winzig klein, auf der Infotafel am<br />
Gladenbacher Stadtwald. Von ganz anderem<br />
Kaliber, was in der Kroppacher Schweiz<br />
steht: das Cadillac-Museum in Hachenburg.<br />
Die bombastischen Schnauzen der Flossenkreuzer<br />
sind so chromüberladen, als hätte<br />
GM seinerzeit vom edlen Metall nichts für<br />
Harley überlassen wollen.<br />
Zeit, das gebürstete Aluminium des<br />
BMW-Tanks wieder zwischen die Knie zu<br />
klemmen und durch den Westerwald zu<br />
schunkeln, verwinkelter Vergnügungspark<br />
südöstlich von Köln. Noch in der Kroppacher<br />
Schweiz bittet der Bikertreff „Boele’s<br />
Place“ zum Boxenstopp, wen es weiterzieht,<br />
der erlebt einen flotten Tanz auf der Talstraße<br />
von Leuscheid nach Herchen-Bahnhof.<br />
Womit wir fast die vierte im heutigen<br />
Bunde erreicht haben, die Eitorfer Schweiz.<br />
Das gleichnamige Landgasthaus im Ortsteil<br />
Stein hat den Betrieb schon lange eingestellt<br />
– das kommt davon, wenn die Leute<br />
in ferne Schweizen düsen, in den heimischen<br />
ihr Bier aber zu Hause zischen.<br />
„Eineinhalb Stunden Landstraße oder<br />
eine Stunde Autobahn?“ „Landstraße!“ Start<br />
frei zur Überlandpartie in unsere letzte<br />
Schweiz. Die liegt zwischen Ruhrpott und<br />
Wuppertal. Erst Schwebebahn, Fabrikhallen,<br />
Mietshäuser, Arabischer Supermarkt – und<br />
dann die Elfringhauser Schweiz. Das hügelige<br />
Grün aus Wiesen und Wäldern wird<br />
durchzogen von der federbeinfordernden<br />
Felderbachstraße und dem Wodantal. Dazu<br />
diverse Querverbindungen, eine mit steiler<br />
Spitzkehre. Später statt Rösti Pommes mit<br />
Currywurst und Panorama. Dann heim.<br />
Die R NineT geht wie die Sau.<br />
www.motorradonline.de/unterwegs<br />
infos<br />
Mit dem Begriff „Schweiz“ als werbewirksamem Synonym<br />
für schöne Berglandschaft schmücken sich in Deutschland<br />
etwa 100 Regionen, selbst wenn dabei die „Berge“ häufig<br />
eher Hügeln gleichen; auch die zweidimensionale Ausdehnung<br />
ist manchmal recht gering. Dem Reiz einer Motorradtour<br />
durch diese Schweizen schadet das nicht, rücken so<br />
doch manch feine Fleckchen Erde überhaupt erst in den Fokus.<br />
Auch die Verbindungsetappen können Laune machen.<br />
ANREISE: von Nürnberg aus<br />
auf die A 6 Richtung Amberg bis zur<br />
Abfahrt 62 Altdorf/Leinburg. Von<br />
dort gen Norden in die Hersbrucker<br />
Schweiz.<br />
DIE <strong>13</strong> SCHWEIZEN:<br />
Hersbrucker Schweiz, Fränkische<br />
Schweiz, Vogtländische Schweiz,<br />
Fehrenbacher Schweiz, Wiesenthaler<br />
Schweiz, Rüdigsdorfer Schweiz,<br />
Ischenröder Schweiz, Rühler<br />
Schweiz, Wittgensteiner Schweiz,<br />
Hinterländer Schweiz, Kroppacher<br />
Schweiz, Eitorfer Schweiz, Elfringhauser<br />
Schweiz.<br />
ÜBERNACHTEN: Kriterium<br />
für die Quartiersuche war, dass<br />
die Hotels oder Pensionen möglichst<br />
benannt sind nach „ihrer“<br />
jeweiligen Schweiz. Aber natürlich<br />
gibt es unterwegs auch andere<br />
geeignete Unterkünfte.<br />
Motel „Hormersdorf“, Arzbühlstr. 8,<br />
91220 Schnaittach/Hormersdorf,<br />
Telefon 0 91 52/9 29 60, www.<br />
motel-hormersdorf.de, EZ 49 Euro,<br />
DZ 69 Euro. Kurhotel „Auerhahn“,<br />
Neustädter Str. 1, 98666 Masserberg,<br />
Telefon 03 68 70/5 60, www.<br />
kurhotel-auerhahn.de, EZ ab 46 Euro,<br />
DZ ab 62 Euro. Pension „Rüdigsdorfer<br />
Schweiz“, Winkelberg <strong>13</strong>/15,<br />
99734 Nordhausen/Rüdigsdorf,<br />
Telefon 0 36 31/4 75 80, www.forstruedigsdorf.de,<br />
EZ ab 45 Euro,<br />
DZ 62 Euro. Campingplatz „Rühler<br />
Schweiz“, Im Großen Tal, 37619 Bodenwerder/Rühle,<br />
Telefon 0 55 33/<br />
24 86, www.brader-ruehler-schweiz.<br />
de, ÜN 16 Euro. „Landgasthof Wittgensteiner<br />
Schweiz“, Teiche 2, 57319<br />
Bad Berleburg, Telefon 0 27 50/2 14,<br />
www.wittgensteiner-schweiz.de,<br />
DZ 73 Euro. „Haus Wiesengrund“,<br />
Höfestr. 3, 59969 Hallenberg-<br />
Braunshausen, Telefon 0 29 84/5 60,<br />
94 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
REISE-BOX<br />
Stadtoldendorf<br />
Weserbergland<br />
Golmbach<br />
Göttingen<br />
Motorradtreff Köterberg<br />
Harz<br />
Rühler Schweiz<br />
Nordhausen<br />
DORTMUND<br />
IFA Museum<br />
Wuppertal Warburg<br />
Rüdigsdorfer Schweiz<br />
Elfringhauser Schweiz<br />
Ischenröder<br />
Sondershausen<br />
Schweiz<br />
Remscheid<br />
Hallenberg<br />
Teistungen<br />
Bad Langensalza<br />
Wittgensteiner<br />
Bad Berleburg<br />
Schweiz<br />
Sächsische Schweiz<br />
KÖLN<br />
Sauerland<br />
Eisenach<br />
Kaulsdorf Zeulenroda<br />
Eitdorf<br />
Bikertreff Boele's Place<br />
Eitofer Schweiz<br />
Bad Salzungen<br />
Moxa<br />
Elstertalbrücke<br />
Kroppacher Schweiz<br />
Thüringer Wald<br />
Greiz<br />
Westerwald Wiesenthaler Schweiz<br />
Katzhütte<br />
Talsperre Pöhl<br />
Meiningen<br />
Hinterländer Schweiz<br />
Rhön<br />
Plauen<br />
Fehrenbacher<br />
Vogtländische Schweiz<br />
Leuscheid<br />
Gladenbach<br />
Fehrenbach<br />
Schweiz<br />
Helmbrechts<br />
Masserberg<br />
Kulmbach<br />
DEUTSCHLAND<br />
100 km<br />
www.wiesengrund.net, EZ ab 55<br />
Euro, DZ ab 90 Euro. Hotel „Schützenhof“,<br />
Windecker Str. 2, 53783<br />
Eitorf, Telefon 0 22 43/88 70, www.<br />
hotel-schuetzenhof-eitorf.de, EZ<br />
ab 62 Euro, DZ ab 92 Euro. „Landhaus<br />
Siebe“, Am Stuten 29, 45529<br />
Hattingen, Telefon 0 23 24/5 98 00,<br />
www.landhaus-siebe.de, EZ 68<br />
Euro, DZ 90 Euro.<br />
LITERATUR UND<br />
KARTEN: Reiseführer benötigt<br />
man auf dieser Tour nicht unbedingt,<br />
wohl aber eine Übersichtskarte<br />
Deutschland zur groben<br />
Orientierung sowie Detailkarten<br />
(mindestens 1: 200 000) für die<br />
Suche nach den oft recht winzigen<br />
„Schweizen“ in Deutschland.<br />
ADRESSEN:<br />
www.ifa-museum-nordhausen.de,<br />
www.cadillac-museum.com<br />
www.motorradonline.de<br />
Aufseß<br />
Fränkische Schweiz<br />
Motorradtreff Kathi-Bräu Pottenstein<br />
Pegnitztal<br />
Hormersdorf<br />
Burg Hohenstein<br />
Hersbrucker Schweiz<br />
Happburg<br />
NÜRNBERG<br />
Altdorf<br />
!<br />
Reisedauer: 5 Tage<br />
Gefahrene Strecke:<br />
1500 Kilometer<br />
Köln<br />
Berlin<br />
Nürnberg<br />
München<br />
Deutschland<br />
Hauptstadt: Berlin<br />
Fläche: 357 340,08 km 2<br />
Gründung: 1949 (BRD)<br />
Währung: Euro<br />
Einwohnerzahl: 81,084 Mio<br />
Karte: MAIRDUMONT/Claudia Werel<br />
Tourenparadies Dolomiten<br />
Wie Stein gewordene Fantasie wirken die Felsgebilde in<br />
den Dolomiten. Lange galten die spitzen Nadeln und engen<br />
Schluchten als unüberwindlich – außer für die Könige der<br />
Lüfte. Heute schaffen es auch Motorradfahrer wie im Flug bis<br />
in die luftigen Höhen, doch noch immer versetzt der Anblick<br />
der Straßen, die sich durch die wilde Bergwelt winden, jeden<br />
in Erstaunen. Tausende von Kurven und Kehren gilt es bis<br />
zum Gipfelglück zu<br />
überwinden. Die<br />
legendäre Runde um<br />
die Sella könnte man<br />
immer wieder fahren.<br />
Wären da nicht noch<br />
Marmolada, Campolongo,<br />
Sottoguda,<br />
Fahrspaß pur: Berge, Kehren und<br />
Kurven ohne Ende<br />
TERMINE<br />
Dolomiten 07.07.–11.07.<strong>2015</strong> 690 Euro<br />
01.09.–05.09.<strong>2015</strong> 690 Euro<br />
Alpenkarussell<br />
Es kann einem schon schwindelig werden, wenn man die<br />
etlichen Höhenmeter zählt und an die sich in unzähligen<br />
Kurven und Kehren hinaufschlängelnden Straßen denkt, die<br />
es in den Zentralalpen rund um Pfunds zu befahren und zu<br />
bewältigen gibt. Während der drei Tagestouren der MOTOR-<br />
RAD action team-Reise lassen sich gleich mehrere Ehrfurcht<br />
gebietende Alpenpässe bezwingen. Allen voran der höchste<br />
der Zentralalpen,<br />
das Stilfser Joch mit<br />
seinen 2758 Metern,<br />
dessen 48 Kehren<br />
der Ostrampe längst<br />
Legende sind. Ebenso<br />
imposant wie berüchtigt:<br />
das schaurig<br />
Fantastische Touren und tolle<br />
Ausblicke im Herzen der Alpen<br />
TERMINE<br />
<strong>MOTORRAD</strong> action team, 70162 Stuttgart,<br />
Telefon 0711/182-1977, Fax -2017,<br />
E-Mail: info@actionteam.de, Internet: www.actionteam.de<br />
reisen<br />
Foto: jkuenstle.de<br />
Valparola oder Falzarego,<br />
der Sella Ronda<br />
würde man wohl für<br />
immer verfallen.<br />
schöne Timmelsjoch.<br />
Neugierig? Dann steigen<br />
Sie ein in unser<br />
Alpenkarussell.<br />
Zentralalpen 29.06.–03.07.<strong>2015</strong> 550 Euro<br />
24.08.–28.08.<strong>2015</strong> 550 Euro<br />
31.08.–04.09.<strong>2015</strong> 550 Euro<br />
Foto: Gerhard Eisenschink<br />
trainings enduro events<br />
LEBEN 95
Reportage Motorradslalom<br />
HÜTCHEN<br />
SPIELE<br />
seine tägliche Sicherheit lernt: Unmöglich? Nein, ganz normal bei Deutschlands<br />
Eine absolut familienfreundliche<br />
Rennserie, wo Groß und Klein, Alt<br />
und Jung antreten können, für die<br />
ein paar Euros genügen! Und wo<br />
man mit enormem Spaß viel für<br />
günstigstem Straßensport, dem Motorradslalom.<br />
Text und Fotos von Thomas Schmieder<br />
96 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Ein strahlend blauer Himmel mit<br />
weißen Schäfchenwolken spannt<br />
sich über Nordbaden. An diesem<br />
besonderen Sonntag ist ein sonst<br />
eher graues Gewerbegebiet eine Welt in<br />
Rot-Weiß: Viele Hundert Pylonen stecken<br />
den Parcours aus Kurven, Kreisen und Kehren<br />
ab. Der MSC Dr. Carl Benz Ladenburg<br />
hat mal wieder zum Motorradslalom geladen,<br />
einer spaßigen und besonders günstigen<br />
Motorsportserie des ADAC. „Wir üben<br />
hier das, was man für die Straße braucht“,<br />
sagt Organisator Stefan Otto, „Fahrzeugbeherrschung<br />
auch in kniffligen Situationen –<br />
nur eben gepaart mit ganz individueller<br />
Rasanz.“ Denn es wird auf Zeit gefahren,<br />
einmal um den ganzen, 850 Meter langen<br />
Parcours, Start und Ziel sind identisch.<br />
Dann muss Stefan Otto selbst ran. Er<br />
prügelt seine 1150er-GS um den Kurs, tanzt<br />
artistisch um die 50 Zentimeter hohen<br />
Hütchen. Fast setzt dabei der Sturzbügel<br />
seiner dicken Kuh in den engen Kurven<br />
auf. Strohballen sichern die Bordsteine ab.<br />
Wie auf der Isle of Man. Als Stefan zurückkommt,<br />
lächelt er übers ganze Gesicht, ist<br />
zufrieden mit seiner Zeit. Sie wird per Lichtschranke<br />
ermittelt. 50 Teilnehmer sind heute<br />
hier, von sechs bis über 60 Jahre. Ein bunt<br />
gemischtes Völkchen, von Anfängern bis<br />
zu alten Hasen, Führerschein-Novizen bis<br />
Rennstreckenfüchsen ist alles dabei. Hier<br />
fahren Väter gegen ihre Söhne, Ehefrauen<br />
gegen ihre Männer: „Am Anfang sind die<br />
Alten wegen ihrer Erfahrung noch flotter.“<br />
Motorradfahren lernt man nicht an einem<br />
Tag. Aber hier mit viel Freude rasch dazu.<br />
Yvonne Schwanzer (28) hat eine Suzuki Bandit<br />
600: „Auf eine echte Rennstrecke würde<br />
ich damit nicht gehen“, sagt sie. „Aber es<br />
bringt einfach viel, das Handling der eigenen<br />
Maschine so toll kennenzu lernen.“<br />
Nicht viel anders machen es die Profis von<br />
<strong>MOTORRAD</strong>, wenn sie neuen Motorrädern<br />
auf dem Top-Test-Gelände auf den Zahn<br />
fühlen. Beim Drücken, Legen, Gas anlegen<br />
und Zusammenbremsen offenbart sich viel<br />
übers Motorrad und die Interaktion Mensch<br />
– Maschine. Seit 1975 richtet der ADAC<br />
Nordbaden diese Veranstaltung aus, aktuell<br />
mit neun Terminen pro Saison: „Motorrad-<br />
Die Zeitnahme erfolgt per<br />
Lichtschranke. Eine gute<br />
Minute Anspannung, Konzentration<br />
und Adrenalin pur<br />
Macht Spaß und bleibt bei Supermotos<br />
nicht aus: ein Stoppie im Zielkorridor<br />
Motorsport für alle: Auch viele Frauen feilen<br />
hier an Rundenzeiten und Fahrkönnen<br />
Finale: Letzte Hütchen, dann ist man zurück<br />
am Start, vom Moderator kommentiert<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 97
Sich noch einmal<br />
sammeln, und wenn<br />
alles passt, mit Elan<br />
zwischen die rot-weißen<br />
Pylonen werfen<br />
Motorradslalom<br />
slalom gibt es nur in dieser Region Deutschlands“,<br />
sagt Stefan Otto. Leider.<br />
Manche Fahrer kommen nur für einen<br />
einzigen Renntag, andere treten bei möglichst<br />
vielen der acht Läufe an. „So manchen<br />
schaukelt sein eigener Ehrgeiz da<br />
ganz schön hoch.“ Immerhin geht’s in verschiedenen<br />
Klassen um die Nordbadischen<br />
Meisterschaften, mit Teilnehmern aus<br />
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und<br />
Nordrhein-Westfalen, aber auch aus der<br />
Schweiz und sogar Österreich.<br />
Christian Galehr reiste mit seiner BMW<br />
R 1200 GS eigens aus Schruns in Vorarlberg<br />
an. Er hat extra einen Dolomiten-Urlaub<br />
abgekürzt, um heute zum fünften Mal beim<br />
Motorradslalom in der offenen Klasse anzutreten:<br />
„Das hier macht mir mehr Spaß als<br />
in den Alpen ständig dösige Autofahrer,<br />
Moun tainbiker oder holländische Caravans<br />
beim Touristenslalom zu überholen.“<br />
Das Motto hier und heute: mehr Erlebnis<br />
pro Meter! Big Bikes kommen hier über<br />
den zweiten oder dritten Gang nie hinaus,<br />
mehr als 80 km/h stehen in den seltensten<br />
Fällen auf der Uhr. Andreas Fischer bestreitet<br />
die komplette Saison auf seiner Suzuki<br />
DR-Z 400: „Die hatte ich sowieso, aber sie ist<br />
hier fast ideal, leicht und wendig.“<br />
Wie man in dem Gewühl den Überblick<br />
behält, wo’s lang geht? „Zwei Pylonen nebeneinander<br />
bilden 2,40 Meter breite Tore“,<br />
erklärt Stefan Otto, „da muss man mitten<br />
hindurchfahren.“ Wie im Riesenslalom beim<br />
Ski. Und dann gibt es noch die „Schweizer“,<br />
eine Pylone steht, eine liegt quer – dann<br />
muss man auf der Seite der stehenden<br />
Pylone vorbeifahren. Bloß nicht vertun!<br />
Wer die Hütchen reißt, bekommt<br />
Strafsekunden, wer auf der falschen Seite<br />
vorbeifährt, fliegt aus der Wertung. Streckenposten<br />
kontrollieren das. Also heißt es<br />
Gleichgewicht finden aus Tempo und Konzentration.<br />
Manchmal purzeln die Pylonen<br />
dennoch oder werden von einer Karosserie<br />
eingefangen – in je einer der elf Klassen<br />
dürfen auch Gespanne und Quads ran.<br />
Stim men Blickführung und das Gefühl fürs<br />
Gleichgewicht für die Maschine? Das Spiel<br />
mit Gas, Kupplung und Bremse entscheidet<br />
über gute oder nicht so gute Zeiten. Ko ordination<br />
trifft Konzentration. Gilt auch für<br />
die Knirpse, kleine Pocketbike-Fahrer ab<br />
acht Jahren, die kaum größer sind als die<br />
Pylonen. Dieser Breitensport macht Laune.<br />
Hier hat jeder seinen ganz eigenen Spaß,<br />
je nach Lust und Fahrkönnen. Schon der<br />
Vorstart ist verdammt bunt: Ducatis bis hin<br />
zur 1200er-Multistrada, Zweiventil-Boxer,<br />
Honda CBR und CBF 600, MuZ Skorpion.<br />
Selbst Kardan-Tourer vom Schlage Yamaha<br />
FJR <strong>13</strong>00 treten an. Sieht spektakulär aus,<br />
wenn solch ein Koloss um die Hütchen zirkelt.<br />
„Man sieht manchen Motorrädern gar<br />
nicht an, was man damit machen kann“,<br />
sagt Jürgen Frank (44) aus Bretten über<br />
seine Honda NTV 650. Klar im Vorteil sind<br />
KTMs, diese Sportart ist knackigen Supermotos<br />
einfach auf ihr knappes Kunststoffkleid<br />
geschneidert. Manche Teilnehmer<br />
fahren bis zu zehn Durchgänge am Tag –<br />
in verschiedenen Klassen.<br />
Wie im wahren Gespannleben: akrobatische<br />
Einlagen der Schmiermaxe in Kurven<br />
Die Kleinen kommen nicht zu kurz, dürfen<br />
auf Pocketbikes selber ran. Papa hilft<br />
Dicht dran. Spezielle Klassen sind Oldies<br />
vorbehalten – Menschen wie Maschinen<br />
98 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Klassement und Infos<br />
Motorradslalom:<br />
Fahr-Spaß<br />
Der ADAC Motorradslalom trägt schon seit 1975 „zur<br />
Fahrsicherheit und Konzentration von Motorradfahrern<br />
im Straßenverkehr“ bei: Interessierte Besucher<br />
oder aktive Teilnehmer sind immer herzlich willkommen,<br />
selbst mitfahren auf einem straßenzugelassenen<br />
Motorrad ist auch spontan möglich, per Nennung<br />
vor Ort. Und zwar in elf verschiedenen Klassen:<br />
Klasse 1: bis 125 cm3 (beinhaltet Jahresendwertung<br />
für Jugendliche von 16–18 Jahren)<br />
Klasse 2: über 125 bis 400 cm3<br />
Klasse 3: über 400 bis 750 cm3<br />
Klasse 4: über 750 cm3<br />
Klasse 5: Supermotos & Enduros von 300–700 cm3<br />
Klasse 6: Gespanne (Beifahrer ab 16 Jahre)<br />
Klasse 7: Quad/ATV<br />
Klasse 8: Motorroller<br />
Klasse 9: Veteranenfahrzeuge (Baujahr 1989 und<br />
älter, Gleichmäßigkeitsprüfung)<br />
Klasse 10: Oldies (Fahrer ab 60 Jahren mit eigenem<br />
Motorrad, Gleichmäßigkeitsprüfung)<br />
Klasse 11: Pocketbikes nach DMSB-Richtlinien<br />
In den Klassen 8 bis 11 gibt es nur Tageswertungen,<br />
keine Saison-Meister (ADAC Gauwertung) wie in den<br />
Klassen 1 bis 7. Ein Lauf kostet in den Klassen 1 bis 5<br />
sowie Klasse 7 jeweils acht Euro, in den Klassen 8 bis 11<br />
drei Euro und in Klasse 6 elf Euro. Hinzu kommen<br />
Mannschaftsläufe (drei Fahrer) zu neun Euro. Es gibt<br />
Sonderpokale für Damen oder eine markeninterne<br />
Wertung. Wer diese zusätzlich nennt, zahlt drei Euro<br />
pro Lauf. Die nächsten Termine <strong>2015</strong> sind:<br />
21. Juni in Ladenburg (Nordbaden), 28. Juni in Karlsruhe-Grötzingen<br />
und am 12. Juli in Malsch.<br />
Symbadische Sache:<br />
Am Ende winken<br />
Pokale und Siegerehrung.<br />
Organisator<br />
Stefan Otto vom MSC<br />
Dr. Carl Benz Ladenburg (r.)<br />
hat angesichts reger Teilnahme<br />
und langer Tradition gut<br />
lachen. Einschreibung geht<br />
ganz ohne Lizenz vor Ort<br />
beim Open-Air-Nennbüro<br />
Kontakt:<br />
ADAC Nordbaden e. V., Sportabteilung, Steinhäuserstraße<br />
22, 76<strong>13</strong>5 Karlsruhe, E-Mail: sport.karlsruhe@<br />
nba.adac.de, interpressepeter@gmx.de. Alle Infos, sowie<br />
Ergebnislisten und Fotos bisheriger Veranstaltungen<br />
finden sich unter www.motorradslalom.de<br />
Motorradslalom in Nordbaden<br />
Im Parcours richtig gut zu fahren ist<br />
kniffliger, als es von außen aussieht. Echte<br />
Cracks brauchen weniger als eine Minute<br />
für die gesamte Strecke. Aber, ehrlich wahr,<br />
diese Minute hat es in sich. Tobias Lober (27)<br />
schafft mit seiner 660er-KTM flotte 59 Sekunden,<br />
dübelt hier durch, als gäbe es keinen<br />
Morgen. Durchschnittstempo: 51 km/h.<br />
Aber dafür schwitzt man oder frau ordentlich.<br />
Man muss kein Motorsport-Enthusiast<br />
sein, um diesen Sport total klasse zu finden.<br />
Man muss nicht reich sein, um hier eine<br />
ganze Rennserie bestreiten zu können.<br />
Noch nicht mal einen Verbrennungsmotor<br />
haben: Leichte kalifornische Zeros sind dank<br />
Elektromotor mit vollem Drehmoment ab<br />
dem ersten Meter voll in ihrem Element.<br />
Am Ende eines Durchgangs muss man<br />
an definierter Stelle halten, was mitunter<br />
(bei Supermotos!) ein abhebendes Hinterrad<br />
provoziert. In den Klassen für ältere<br />
Semester, was Menschen wie Maschinen<br />
meint, wird auf Gleichmäßigkeit gefahren:<br />
Die geringsten Unterschiede zwischen zwei<br />
Läufen zählen. Hannes Peter fährt seit 30<br />
Jahren Motorrad, ist 62. Und voll vom Motorradslalom<br />
begeistert: „Das hilft im täglichen<br />
Verkehr, bringt das Motorrad besser<br />
unter Kontrolle. Und Motorsport für acht<br />
Euro, wo gibt’s denn so was.“ Allerdings<br />
müssen die Teilnehmer zwischen ihren<br />
Läufen (eine Proberunde, zwei Wertungsläufe)<br />
viel Geduld haben, oft lange warten:<br />
Stunden für Minuten. Sie wissen wofür,<br />
stehen geduldig an, bleiben ganz relaxed.<br />
Alles erinnert ein bisschen an die selige<br />
Fahrschulausbildung, nur eben als Wettbewerb<br />
und mit eigenem Motorrad. Ideal<br />
für Anfänger, Wiedereinsteiger und Profis.<br />
Echt symbadisch. „Wenn man irgendwo<br />
Fahr fehler macht, lässt man augenblicklich<br />
Zeit liegen, hat also eine direkte Rückmeldung“,<br />
sagt Organisator Stefan Otto. „Hier<br />
habe ich mich in kurzer Zeit deutlich verbessert“,<br />
freut sich Julia Bachem. Mann oder<br />
Frau muss nur eine Menge beachten dabei.<br />
Die spaßigen Hütchenspiele sind eben eine<br />
ech te fahrerische Herausforderung.<br />
www.motorradonline.de<br />
LEBEN 99
LEBEN Einmal durch Deutschland<br />
ROADMOVIE<br />
DURCH GERMANY<br />
Die B 2 führt vom Alpenrand im schmucken Bayern<br />
bis zum ungeschminkten Osten an der polnischen<br />
Grenze. Ein 845 Kilometer langer Quer-Längs-Schnitt<br />
durch Deutschland – dicht am Puls der Nation.<br />
Text und Fotos von Klaus H. Daams<br />
Karten: MAIRDUMONT/Claudia Werel<br />
100 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Stettin<br />
Berlin POLEN<br />
www.motorradonline.de<br />
Wittenberg<br />
Wittenberg<br />
Kemberg<br />
Kemberg<br />
Bitterfeld<br />
Bitterfeld<br />
Dübener Dübener Heide<br />
Heide<br />
Bad Bad Düben<br />
Düben<br />
Krotitz<br />
Krotitz<br />
Leipzig<br />
Leipzig<br />
Löbschütz<br />
Löbschütz<br />
Zeitz<br />
Zeitz<br />
Gera<br />
Gera<br />
2 2<br />
Auma<br />
Auma<br />
Schleiz<br />
Schleiz<br />
Mödlareuth<br />
Mödlareuth<br />
Fichtelgebirge<br />
Fichtelgebirge<br />
Hof<br />
Hof<br />
Bad Berneck<br />
Bad Berneck Münchberg<br />
Münchberg<br />
Pottenstein<br />
Pottenstein<br />
Bayreuth<br />
Bayreuth<br />
Truchbachtal<br />
Truchbachtal<br />
Pegnitz<br />
Pegnitz<br />
Motorradmuseum Motorradmuseum Möchs<br />
Möchs<br />
Fränkische<br />
Fränkische<br />
Großgeschaidt<br />
Großgeschaidt<br />
Schweiz<br />
Schweiz<br />
Nürnberg<br />
Nürnberg<br />
Schwabach<br />
Schwabach<br />
100 100 km<br />
km<br />
Georgensgmünd<br />
Georgensgmünd<br />
2<br />
Treuchtlingen<br />
2<br />
Treuchtlingen<br />
Donauwörth<br />
Donauwörth<br />
Meitingen<br />
Meitingen<br />
Augsburg<br />
Augsburg<br />
Gauting<br />
Gauting<br />
Fürstenfeldbruck<br />
Fürstenfeldbruck<br />
München<br />
München<br />
Kloster Andechs<br />
Kloster Andechs<br />
Starnberg<br />
Starnberg<br />
Weilheim<br />
Weilheim<br />
Hoher Peißenberg<br />
Hoher Peißenberg Starnberger Starnberger See<br />
See<br />
Oberammergau<br />
Oberammergau<br />
Murnau<br />
Murnau<br />
Staffelsee<br />
Staffelsee<br />
Garmisch<br />
Garmisch<br />
Klais<br />
Klais<br />
Partenkirchen<br />
Partenkirchen<br />
Mittenwald<br />
Mittenwald<br />
Zugspitze<br />
Zugspitze<br />
Donau<br />
DEUTSCHLAND<br />
Stettin<br />
Nürnberg TSCHECHIEN<br />
Gartz<br />
München<br />
2 2<br />
Mittenwald<br />
ÖSTERREICH<br />
Schwedt<br />
Schwedt<br />
Eberswalde<br />
Eberswalde<br />
Biesenthal<br />
Biesenthal<br />
Bernau<br />
Schloss Schloss Sanssouci<br />
Sanssouci<br />
Berlin<br />
Potsdam<br />
Potsdam<br />
Babelsberg<br />
Babelsberg<br />
Treuen-<br />
Treuenbrietzebrietzen2<br />
2<br />
Donau<br />
Elbe<br />
Elbe<br />
Oder<br />
Oder
Einmal durch Deutschland<br />
Wie zu Großvaters Zeiten senst Ferdinand Strodl aus<br />
Klais frisches Gras für die Kaninchen, immer im Blick<br />
dabei die Zugspitze. Das weiße Haar des verschmitzten<br />
Bauern ist zerzaust vom Föhn. Oder sind es die<br />
Druckwellen des Verkehrs, der auf der B 2 von und nach Innsbruck<br />
rauscht? An der österreichischen Grenze, zwischen den schroffen<br />
Gipfeln von Wetterstein- und Karwendelgebirge, flankiert von viel<br />
saftigem Grün fürs Vieh und, vereinzelt, neonroter Werbung für<br />
eine Erotik-Messe, beginnt Deutschlands längste Bundesstraße.<br />
Ihr wollen wir die nächsten Tage folgen – möglichst ohne dabei<br />
dem Reflex nachzugeben, auf kleine Nebenstrecken auszuweichen.<br />
Get your Kicks auf der B 2 statt on Route 66. Was mit einer Street<br />
Glide als Straßenkreuzer nicht so schwerfallen sollte.<br />
Umgehungsstraße oder Zentrum? Eine Frage, die sich fortan<br />
oft stellt. Und die man gleich am Anfang der Reise in Mittenwald<br />
wenigstens exemplarisch mal zugunsten dessen entscheiden<br />
sollte, was entlang der B 2 an städtebaulichen Schmankerln alles so<br />
wartet. Auch wenn dadurch Zeitpläne schnell Makulatur werden.<br />
Ehrenrunde also um die Peter-und-Paul-Kirche, mit der schwarzen<br />
Batwing-Verkleidung einen markanten Kontrapunkt zur pastelligen<br />
Lüftlmalerei an den hübschen Hausfassaden setzend, und erst dann<br />
weiter nach Garmisch-Partenkirchen. Sportmoden im Haus Rosi<br />
Mittermaier, eine ausrangierte blaue Lok der Zugspitzbahn – das<br />
muss zur Beschreibung der Kandidatin für Olympia 2018 genügen.<br />
Abzweige zum Fernpass und Kochelsee gilt es, tapfer zu ignorieren,<br />
sich dafür mit der Rolle als Zorro in einer Wohnmobilschlange zu<br />
arrangieren. Mehr als 20 000 Kraftfahrzeuge täglich zählt die Statistik<br />
hier an neuralgischen Punkten, Tendenz steigend.<br />
Langsam werden im Rückspiegel die Berge kleiner. Statt links<br />
ab zur Passionsspielstadt Oberammergau: Höhenkontrolle und vierspuriger<br />
Tunnel. In Oberau taucht plötzlich der feixende Trikotagen-<br />
Schimpanse von Trigema auf, zumindest in der Fantasie; Lagerverkauf<br />
auch in Spatzenhausen, diesmal Dirndl und Lederhosen; nicht<br />
zu vergessen die schöne, vom Durchgangsverkehr entkoppelte<br />
Altstadt von Murnau. Wie Perlen eines Rosenkranzes verbindet die<br />
B 2 Reales und Imaginäres, Auswahl und Verweildauer sind ganz<br />
individuell. Wir beten weiter mit der Heilig-Davidson, grüßen aus<br />
der Ferne den Hohen Peißenberg, Aussichtspunkt über den Pfaffenwinkel<br />
und beliebter Motorradtreff. In Starnberg links ab – München<br />
bleibt schön rechts liegen, so weit geht die Anhänglichkeit<br />
dann doch nicht – und auf sechs kurvigen Kilometern durch kühlen<br />
Wald nach Gauting. Wer ein schlechtes Gewissen hat, der B 2 untreu<br />
geworden zu sein, fahre ins nahe Kloster Andechs zur Beichte.<br />
Ein Himmelreich für eine verlässliche Ausschilderung. In Fürsten<br />
feldbruck macht sich das gelbe Rechteck mit dem schwarzen<br />
Nümmerchen ziemlich rar. Das gleiche Spiel in Augsburg, sodass<br />
statt Fuggerei und Puppenkiste nur ein gesichtsloser Tunnel bleibt.<br />
Autobahnmäßig ausgebaut, pfeilt die B 2, paradoxerweise hier<br />
ausgewiesen als Abschnitt der Romantischen Straße, anschließend<br />
nach Norden. Zwiebeltürme stehen wie einsame Propheten auf<br />
verlorenem Posten, Solarmodule wachsen bei Meitingen fußball-<br />
Idylle im Süden: Aussicht auf<br />
frisches Gras für die Kaninchen<br />
von Ferdinand Strodl (oben),<br />
Tunnelblick auf die Alpenkette<br />
bei Oberau (rechts)<br />
102 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
feldgroß neben der Bahn. Nach Überquerung der Donau und Altmühl<br />
endlich ein passendes Quartier im Rotlichtmilieu von Georgensgmünd.<br />
Direkt vorm „Landgasthof Wensbach“ zucken immer<br />
wieder Blitze durch die Nacht, wenn die Radarfalle zuschnappt.<br />
Rot dürften sich auch am morgigen Sonntag die Felder färben,<br />
wenn 50 Jäger auf Druckjagd gehen; nach dem Wildschwein-Halali<br />
werden sie dreckig und durstig die Gaststube stürmen, wie uns<br />
die Wirtin Giesela Scherbaum verrät.<br />
Unterhaltsam beschallt von Lady Gaga und ihrem Alejandro<br />
laufen wir in Nürnberg ein. Doch, doch, so ein Moped mit Audioanlage<br />
hat was. Besonders, wenn’s nieselt. Was jetzt stimmungsmäßig<br />
gut zum Reichsparteitagsgelände passt, wo einst Adolf Gaga<br />
& Co. getönt haben und heute neben dem Volksfestplatz ein<br />
Dokumentationszentrum an den Größenwahn der Nazis erinnert.<br />
Unbegradigte Ortsdurchfahrten wie in Groß- und Kleingeschaidt,<br />
Abzweige ins Trubachtal und nach Pottenstein, beides<br />
Ikonen der Fränkischen Schweiz: Die B 2 betritt den fahrerisch reizvollsten<br />
Teil ihrer Bühne. Von der schon längst abgetreten sind<br />
jene Akteure, die im Motorradmuseum Möchs bewundert werden<br />
können. Ein ganz Großer der Zunft, Richard Wagner, ist untrennbar<br />
mit der nächsten Station verbunden: Bayreuth.<br />
Von der Festspielstadt ins als motorradfreundlich ausgewiesene<br />
Bad Berneck. Kopfsteingepflastert holpert die B 2 auf den<br />
Marktplatz des märklinkatalogtauglichen Städtchens. Am pinkroten<br />
„Rheingold“, Biker-Kneipe und Music-Club, treffen wir den<br />
Wirt Klaus Hutzler. Bevor gleich Bandprobe mit The Hohlblocks ist,<br />
Georgensgmünd<br />
2<br />
Fränkische<br />
Schweiz<br />
Schwabach<br />
Augsburg<br />
Nürnberg<br />
Treuchtlingen<br />
Donauwörth<br />
Meitingen<br />
Großgeschaidt<br />
Fürstenfeldbruck<br />
Kloster Andechs<br />
Gauting<br />
Starnberg<br />
München<br />
Amerikanischer V2-Feinripp<br />
auf der Bundesstraße 2,<br />
die kurz vor Augsburg noch<br />
unendliche Weiten wie im<br />
Land der unbegrenzten Möglichkeiten<br />
vorgaukelt (unten).<br />
Bad Berneck im Fränkischen<br />
besticht ganz un amerikanisch<br />
mit viel fein renoviertem<br />
Fachwerk (unten rechts)<br />
Weilheim<br />
Hoher Peißenberg<br />
Garmisch<br />
Partenkirchen<br />
Staffelsee<br />
Oberammergau<br />
Zugspitze<br />
Klais<br />
Starnberger See<br />
Murnau<br />
2<br />
Mittenwald<br />
www.motorradonline.de
Einmal durch Deutschland<br />
erklärt er: „Rennsemmeln fahren in die Fränkische Schweiz, Cruiser<br />
und Tourer eher ins Fichtelgebirge. Aber auch auf eurer Strecke<br />
kommt jetzt eine Kurve nach der anderen.“ Zur Stärkung ins<br />
„Markt platzstüberl“, wo so Exotisches wie Antilopensteak und<br />
Afrikanischer Springbockrücken den Weg auf die Karte gefunden<br />
hat, und anschließend begrenzt tatsächlich nur noch die Schräglagen<br />
freiheit den kurvigen Spaß.<br />
„Keine Autobahn durch unser Fichtelgebirge“, fordern Schilder.<br />
An die Zeit, als Protest kaum nutzte, gemahnt das Deutsch-Deutsche<br />
Grenzmuseum Mödlareuth. Mitten durch das bayerischthüringische<br />
Dorf, bekannt auch als Little Berlin, schnitt der mit<br />
Selbstschussanlagen und Wachttürmen gerüstete Eiserne Vorhang.<br />
Abzweig ins sehenswerte Mödlareuth ist an der B 2 in Juchhöh.<br />
Ein paar überraschende Meter mit rot-weißen Curbs übers Schleizer<br />
Dreieck, älteste Naturrennstrecke Deutschlands, eine Einladung<br />
zur Bad-Taste-Party im mit Plattenbauten zugestellten Gera, und<br />
dann, zwischen Niederlassungen von Mercedes und BMW, Einfahrt<br />
in Leipzig. Qual der Wahl bei der Suche nach Fotomotiven. Farbbedürftige<br />
Fassaden oder legendäre Nikolaikirche, Schauplatz der<br />
Montagsdemonstrationen, die 1989 die Wiedervereinigung auslösten?<br />
Als sich direkt an der B 2 das bombastische Völkerschlachtdenkmal<br />
in den Himmel reckt, ist die Suche spontan beendet.<br />
Ergänzend werden noch grüne und rote Ampelmännchen vor den<br />
neuen Einkaufspalästen an der Rosa-Luxemburg-Straße gepixelt,<br />
ehe uns Leipzig wieder entlässt. Als ideale Ruhestätte erweist<br />
sich in Bad Düben die „Waldschänke“, wo man mittels riesiger<br />
Fleischportionen auf den Tellern versucht, der regionalen Wildplage<br />
Herr zu werden.<br />
2200 Umdrehungen, Tacho 100, sechster Gang. Es ist keine<br />
Eilig-Davidson, die vorbei an abgeernteten Feldern, großflächigen<br />
Hochwasserpfützen und spargeligen Windparks durchs nun flache<br />
Land gleitet. Wie zuvor etwa Oberammergau beflügeln Orte, auch<br />
wenn nicht direkt an der B 2 gelegen, die Imagination. Zum Beispiel<br />
Bitterfeld, einst Chemiekombinat und Kloake der sozialistischen<br />
Nation, heute um Rekultivierung des geschundenen Bodens bemüht;<br />
oder die Baggerstadt Ferropolis, Vorzeigeprojekt dafür,<br />
wie man Tagebau-Folgelandschaften touristisch attraktiv gestalten<br />
kann. In der Lutherstadt Wittenberg überqueren wir die Elbe, entdecken<br />
dort en passant aber keine Spuren des protestantischen<br />
Reformers, sondern stattdessen vorm Restaurant „Alabama“ eine<br />
Freiheitsstatue. Schon fast obligatorisch Sex-Shop und Praktiker –<br />
genauso wie die uns umschlingenden Arme der Alleen auf dem<br />
kerzengeraden Vormarsch nach Potsdam.<br />
Schloss Sanssouci und die Filmstadt Babelsberg zählen auch<br />
ohne zwei durchreisende Motorradfahrer sicher genügend Besucher,<br />
und so reicht als Potsdamer Impression die rostige Brücke des<br />
Friedens über den Sacrow-Paretzer Kanal.<br />
Berlin. Erstaunlich grün gibt sich die Hauptstadt beim Landeanflug<br />
aus Südwest; als Besonderheit notiert der Chronist zunächst<br />
nur „Luftwaffenmuseum“ ins Heft. Das ändert sich rasch. Die Straße<br />
des 17. Juni – wer’s vergessen hat oder nie gelernt: Sie erinnert an<br />
104 LEBEN
den Volksaufstand 1953 in der DDR – führt um die Siegessäule herum<br />
schnurstracks zum Brandenburger Tor. Wir driften etwas ab zum<br />
Reichstag. Dort, mit Blick auf „Dem deutschen Volke“ sowie „Quaxis<br />
Busreisen“, werden im trendigen Pavillon ganz volkstümlich Bratkartoffeln<br />
mit Currywurst verzehrt. Dann nichts wie raus aus dem<br />
Moloch. Der Verkehr wälzt sich, immer wieder unterbrochen durch<br />
coitus ampeluptus, auf der B 2 Richtung Bernau. Und das jeden Tag?<br />
In Biesenthal Stopp an einem drolligen Trabi im geflochte nen<br />
Weidenhemdchen, Gastgeschenk der Korbmacherstadt Nowy<br />
Tomyśl, in Spechthausen noch zu satt für den Halt am Bikertreff<br />
und Imbiss „Boxenstopp“. Dann Eberswalde, anschließend<br />
Schwedt. Dreimal besoffen und einen Offizier geschlagen – dafür<br />
fuhr man früher in den berüchtigten NVA-Knast von Schwedt<br />
ein. Tja, manche Dinge bleiben haften. Doch die Stadt ist nicht nur<br />
dafür bekannt: Hier endet die Druschba-Pipeline, die Erdölleitung<br />
Freundschaft, durch die das Schwarze Gold aus Russland kommt.<br />
Apokalyptische Fackeltürme der Raffinerie nehmen das Auge<br />
gefangen. Was brennende Probleme aber bestenfalls kaschiert:<br />
knapp 18 Prozent Arbeitslosigkeit, seit der Wende etwa ein Drittel<br />
Bevölkerungsschwund.<br />
Schlussspurt. Als Teil der Märkischen Eiszeitstraße springt die<br />
B 2 durch ein hügeliges Feldermeer bis zur polnischen Grenze bei<br />
Stettin, wo sie nach 845 Kilometern Deutschland unspektakulär<br />
endet; den Staffelstab gibt sie jenseits der Ziellinie weiter an die rotweiße<br />
<strong>13</strong>, dank Schengener Abkommen unkontrolliert von Beamten.<br />
Spannender ist da Gartz, letztes Städtchen vor der Grenze und<br />
Bitterfeld<br />
Leipzig<br />
Löbschütz<br />
Elbe<br />
Kemberg<br />
Schloss Sanssouci<br />
Potsdam<br />
2<br />
Bad<br />
Düben<br />
Krotitz<br />
Wittenberg<br />
Dübener Heide<br />
Babelsberg<br />
Treuenbrietzen<br />
Berlin<br />
Für das Kopfkino: Voller<br />
Patina ist die Brücke<br />
des Friedens über den<br />
Sacrow-Paretzer Kanal in<br />
Potsdam (unten), voller<br />
Reisebusse das Gelände<br />
vor dem Reichstag in<br />
Berlin (ganz unten)<br />
Zeitz<br />
Gera<br />
Es müssen nicht immer<br />
US-Highways sein:<br />
Prachtfassaden an der<br />
Ecke Rosa-Luxemburg-<br />
Straße/Friedrich-List-<br />
Platz in Leipzig (links).<br />
Alleenpracht bei<br />
Marzahna (kleines<br />
Bild oben)<br />
Schleiz<br />
Fichtelgebirge<br />
Auma<br />
2<br />
Mödlareuth<br />
Hof<br />
Münchberg<br />
Bad Berneck<br />
Bayreuth<br />
Truchbachtal<br />
Motorradmuseum Möchs<br />
Pottenstein<br />
Pegnitz<br />
Fränkische<br />
Schweiz<br />
Großgeschaidt<br />
Nürnberg
Stettin<br />
2<br />
Gartz<br />
Schwedt<br />
Eberswalde<br />
Biesenthal<br />
Bernau<br />
Berlin<br />
Bundesstraßen zu cruisen heißt Abwechslung erleben:<br />
Seit der EU-Osterweiterung fließt der Verkehr<br />
ungehindert über die deutsch-polnische Grenze<br />
bei Stettin (oben). Schon deutlich länger rauscht so<br />
mancher Wildbach durch das Fichtelgebirge, wo<br />
die Harley auch mal Kurven kratzen kann (rechts)<br />
belsberg<br />
rietzen<br />
Einmal durch Deutschland<br />
aschenputtelige Verwandte der Musterschönheit Mittenwald. Auf<br />
der tristen Pommernstraße ein kleiner türkisfarbener Kia, die Motorhaube<br />
gepimpt mit Abzieh-Adler, Schwarz-Rot-Gold und „GERMA-<br />
NY“. Klischee, ik hör dir trapsen. Aber das ist längst nicht alles. Bis zu<br />
15 000 Kraniche lieben das Nest so sehr, dass sie zweimal jährlich<br />
Station machen, und auch sonst geizt das Untere Odertal nicht mit<br />
ganz viel Natur. Wer zusieht, wie ein fangfrischer Hecht ausgenommen<br />
wird, im Magen des Räubers noch ein kleiner Güster, ist schon<br />
neugierig auf das, was in der gastlichen „Pommernstube“ aufgetischt<br />
wird. Irene Fatke, gelernte Uhrmacherin und nach 20 Jahren<br />
mutig umgesattelt zur Wirtin, erzählt: „Seeadler krallen sich hier<br />
sogar manchmal Frischlinge – oder ertrinken, wenn sie die Fänge<br />
nicht rechtzeitig aus einem abtauchenden Karpfen rauskriegen.“<br />
Und fährt fort, während draußen ein Pferdegespann vorbeirumpelt:<br />
„Von wegen rückständige Polen. Die haben uns längst eingeholt.<br />
Der Real in Stettin ist größer als der in Schwedt, er hat 66 Kassen.“<br />
Bleibt nur noch als Liebeserklärung an die B 2 ein Abschiedssong<br />
von Nena aus den Boxen des Batmobils: „Wunder geschehn, ich<br />
hab’s gesehn, es gibt so vieles, was wir nicht verstehn … Immer weiter,<br />
immer weiter geradeaus … Was auch passiert, ich bleibe hier,<br />
ich geh den ganzen langen Weg mit dir …“<br />
www.motorradonline.de/unterwegs<br />
infos<br />
Die B 2 durchquert Deutschland<br />
von der österreichischen<br />
bis zur polnischen<br />
Grenze. Die Eindrücke dürften<br />
noch vielfältiger sein<br />
als auf der Aachen und<br />
Küstrin verbindenden West-<br />
Ost-Achse B 1.<br />
ANREISE: Die nächste Autobahnabfahrt<br />
zum zwischen Mittenwald<br />
und dem österreichischen<br />
Scharnitz liegenden Beginn (oder<br />
auch Ende) der B 2 ist die Anschlussstelle<br />
Eschenlohe der A 95;<br />
alternativ Zirl Ost auf der Innsbrucker<br />
Autobahn.<br />
ÜBERNACHTEN: Das Angebot<br />
an Quartieren jedweder<br />
Art ist an der B 2 natürlich schier<br />
grenzenlos. Nicht zuletzt die<br />
abendliche Suche nach einer passenden<br />
Bleibe macht den Reiz<br />
einer solchen Reise aus. Als<br />
authentisch befindet unser Autor<br />
die folgen den Häuser: Traditionsgasthof<br />
„Alpen rose“, Obermarkt<br />
1, 82481 Mittenwald, Telefon<br />
0 88 23/9 27 00, www.hotelalpenrose-mitten<br />
wald.de, EZ ab<br />
39 Euro, DZ ab 71 Euro; „Landgasthof<br />
Wernsbach“, Wernsbach 5,<br />
91166 Georgensgmünd, Telefon<br />
0 91 72/ 66 33 08, www.<br />
landgasthof wernsbach .de, EZ 25<br />
Euro, DZ 45 Euro; „Waldschänke“,<br />
Alaun werksweg 30, 04849 Bad<br />
Düben, Telefon 03 42 43/2 26 40,<br />
EZ 25 Euro, DZ 50 Euro; Gaststätte<br />
& Pension „Pommernstube“,<br />
Pom mernstraße 20, 16307 Gartz/<br />
Oder, Telefon 03 33 32/8 64 00,<br />
01 60/97 60 22 64, EZ 26 Euro,<br />
DZ 47 Euro.<br />
<strong>MOTORRAD</strong>FAHREN:<br />
Zugegeben, es gibt Strecken, die<br />
sind motorradtauglicher als die<br />
Bundesstraße 2, zumindest nach<br />
gängigen Kriterien: mehr Kurven,<br />
weniger Verkehr, mehr Landschaftsgenuss<br />
statt mitunter<br />
Groß stadt-Überfluss. Andererseits<br />
aber nirgends so viel mögliches<br />
Kopfkino wie auf dieser Straße<br />
durch Deutschland, die neben<br />
touristischen Highlights auch jede<br />
Menge Anregungen bietet, die<br />
Gedanken auf Achterbahnfahrt zu<br />
schicken. Dass dafür ein Cruiser<br />
der deutlich geeignetere „Kinosessel“<br />
ist als etwa Enduro oder<br />
Sportler, versteht sich fast von<br />
selbst. Und wen es juckt, kann immer<br />
wieder mal auf die übli chen<br />
Spielwiesen ausweichen. Denn<br />
davon gibt’s an der B 2 reichlich.<br />
SEHENSWERT: Hier jetzt<br />
keine Litanei von Ausflugszielen<br />
und „Muss-man-gesehen-haben“,<br />
sondern nur ein Tipp: „Baedeker“ –<br />
ein Reiseführer, der auf <strong>13</strong>08<br />
handli chen Taschenbuchseiten<br />
doch recht viele entsprechende<br />
Hinweise parat hat.<br />
LITERATUR UND<br />
KARTEN: „Baedeker Allianz<br />
Reiseführer Deutschland“, Karl<br />
Baedeker Verlag, 14,95 Euro. Da<br />
die Ausschilderung der B 2 keineswegs<br />
lückenlos ist, kann passendes<br />
Kartenmaterial nur nützen.<br />
Es empfehlen sich die Blätter 5, 8,<br />
12, 15 und 18 der „Shell-Regionalkarten“<br />
im Maßstab 1: 150 000 für<br />
jeweils 7,50 Euro; deutlich günstiger,<br />
falls verfügbar, das Komplett-Set<br />
„Deutschland“ für dann<br />
unschlagbare 14,95 Euro.<br />
ADRESSE:<br />
www.deutschland-tourismus.de<br />
Reisedauer: 3 Tage<br />
Gefahrene Strecke:<br />
900 Kilometer<br />
106 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Perfektes Training auf einer der schönsten Rennstrecken überhaupt. Willkommen beim Perfektionstraining<br />
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SPONSOREN:
PROBEFAHRER<br />
GESUCHT<br />
Wir suchen fünf Clubmitglieder, die das neue Navigationsgerät<br />
TomTom Rider 400 ausgiebig ausprobieren. Vorteil<br />
für die Lesertester: Sie dürfen das Navi behalten. Außerdem<br />
suchte Harley-Davidson Probefahrer für ein E-Bike.<br />
Von Thorsten Dentges; Fotos: Jahn, TomTom, Harley-Davidson<br />
Der erste Test bei der Präsentation<br />
des neuen TomTom Rider 400 in<br />
Marbella/Spanien verlief noch<br />
etwas holprig, weil dort für die<br />
Presse nur Vorseriengeräte bereitstanden<br />
(unter www.motorrad-helden.de berichteten<br />
wir bereits). Der Hersteller hat uns aber<br />
kurz danach wie versprochen das endgültige<br />
Produkt zukommen lassen – inklusive<br />
aktueller Software. Nun also kann der Tom-<br />
Tom Rider 400 als eines der vielversprechendsten<br />
Geräte auf dem Markt für Motorradnavigation<br />
mit der Konkurrenz verglichen<br />
werden. Wir sind gespannt. Aber noch<br />
bevor es zum vergleichenden Produkttest<br />
geht, haben wir eine besondere Aufgabe<br />
für <strong>MOTORRAD</strong>-Helden: Fahrt das Teil bitte<br />
Probe!<br />
Fünf ausgesuchte Clubmitglieder sollen<br />
den Rider 400 ausgiebig auf Herz und<br />
Nieren prüfen. Auf Ausflügen, Kurztrips,<br />
Reisen und im Alltag. Optimal, wenn manche<br />
Touren auch schon am PC mit der entsprechenden<br />
Tyre-Software geplant werden,<br />
um alle Stärken, aber auch Schwächen<br />
gnadenlos zu offenbaren. Bewerber für den<br />
Lesertest sollten regelmäßig mit dem Mo-<br />
Eine Funktion ist besonders interessant:<br />
„Spannende Tour planen“. Klappt das?<br />
torrad unterwegs sein, Freude am Schreiben<br />
und Protokollieren mitbringen und möglichst<br />
auch mit Digitalfotografie und sozialen<br />
Netzwerken vertraut sein. Die Lesertester<br />
dürfen nach der Aktion den TomTom<br />
Rider 400 behalten. Alle Erfahrungen werden<br />
ausführlich im Mitgliederbereich unter<br />
www.motorrad-helden.de publiziert. Dort<br />
findet sich auch ein entsprechender Artikel<br />
mit Lesertester-Bewerbung bis zum 30. Juni<br />
<strong>2015</strong>. Klickt rein und macht mit!<br />
NOCH MEHR PROBEFAHRER<br />
Von wegen „potata, potata“, eher<br />
„sssssss“ – Harley möchte sein<br />
neues Elektrobike zunächst von<br />
Motorradfahrern testen lassen.<br />
Zehn <strong>MOTORRAD</strong>-Helden wurden<br />
für diese Aktion in Hockenheim<br />
bevorzugt, die sich im geschlossenen<br />
Bereich unter www.<br />
motorrad -helden.de bewarben.<br />
HELDEN- Infos<br />
Das lohnt sich: Entdeckt immer wieder<br />
neue Möglichkeiten rund um<br />
den Club ausweis. Alle I nfos über die<br />
vielen Vorteile und aktuelle preisreduzierte<br />
Produkte, Gewinnspiele,<br />
den Zugang, die Aktivitäten, das<br />
exklusive Wissen und den Mitgliederbereich<br />
findet ihr auf<br />
www.motorrad-helden.de<br />
108 LEBEN <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Europas größte Motorradzeitschrift präsentiert <strong>MOTORRAD</strong> COACH BESSER FAHREN <strong>2015</strong>.<br />
Das neue Sonderheft mit Insider-Wissen, Trainings-Reportagen, Kauftipps<br />
und 25-seitigem Spezial zur richtigen Fahrwerkseinstellung.<br />
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Neue Bücher<br />
Nettes von der<br />
Drucker-Kolonne<br />
Schon wieder Bücher? Jawoll, denn dem Online-Hype zum<br />
Trotz gibt’s <strong>2015</strong> besonders viele interessante Neuerscheinungen<br />
in herrlich klassischer, nämlich gedruckter Form.<br />
Fotos: mps-Fotostudio<br />
▲ VESPA-KONKURRENZ<br />
Im 20<strong>13</strong> erschienenen englischen Original<br />
heißt dieser 184-Seiter wenig bescheiden<br />
„The Lambretta Bible“. Nicht zu viel versprochen,<br />
denn was hier über den besten aller<br />
Vespa-Konkurrenten zusammengetragen<br />
wurde, ist schon extrem ausführlich und darf<br />
als Standardwerk gelten. Modellpflegemaßnahmen,<br />
Fahrgestellnummern, Farbcodes,<br />
Getriebeübersetzungen – was zwischen<br />
1947 und 1971 bei Innocenti gebaut wurde,<br />
wird in „Lambretta“ ausführlich beschrieben.<br />
Einziger Wermutstropfen: die sehr biedere<br />
Grafik. Motorbuch Verlag, 24,90 Euro.<br />
▼ GENIESSER-<br />
REISEN<br />
Klaus H. Daams kann<br />
beides: fotografieren<br />
und schreiben. Wenn er<br />
Lust hat. Hier hatte er<br />
ganz viel Lust, und so<br />
gibt’s in „Motorradreisen<br />
zwischen Nordkap und Bosporus“ auf<br />
208 Seiten 21 sehens- und lesenswerte Reisen<br />
der etwas anderen Art und aus spezieller<br />
Daams-Sicht zu genießen. Heel, 29,95 Euro.<br />
▼ ALTERNATIV-TOUR<br />
Drei Freunde und Männer im besten Alter,<br />
drei alte Vespas, acht Wochen Zeit, um von<br />
Los Angeles nach New York City zu rollern<br />
– heraus kam „Auf der<br />
Vespa durch die USA“,<br />
eines der muntersten<br />
Reisebücher der letzten<br />
Jahre. Witzige Texte, tolle<br />
Bilder und eine geniale<br />
Grafik. Man muss kein<br />
Vespa-Fan sein, um es zu<br />
mögen. Delius Klasing,<br />
19,90 Euro.<br />
▼ BESTSELLER-<br />
BASTELEI<br />
Komplette Motor- oder<br />
Getriebeüberholungen<br />
werden in den bereits<br />
über sechs Millionen Mal<br />
verkauften Bucheli-Reparaturanleitungen<br />
traditionell<br />
nicht beschrieben.<br />
Dafür ist all das zu finden, was der ambitionierte<br />
Hobbyschrauber an Wartung, Pflege<br />
und Reparatur realistisch<br />
selbst machen kann, im<br />
Fahrerhandbuch aber<br />
nicht beschrieben bekommt.<br />
Zwei neue Bände<br />
widmen sich auf 184<br />
bzw. 176 Seiten BMW-<br />
Bestsellern: Band 5306<br />
dem „Wasserboxer“<br />
R 1200 GS LC (mit genialen<br />
Schnittbildern über Kabelverlegung<br />
und Öl-/Kühlkreislauf ) und Band 5302 der<br />
F 800 S/ST/GT. Bucheli Verlag, je 29,90 Euro.<br />
▼ ITALO-KUNSTWERKE<br />
In diesem Buch steht auf 240 Seiten alles.<br />
Im wahrsten Sinne des Wortes: „The Art of<br />
Ducati“ zeigt die Highlights aus über 60<br />
Jahren Ducati-Geschichte statisch in perfekt<br />
ausgeleuchteter und von allem Drumherum<br />
befreiter Studio-Fotografie. Damit<br />
der erstmalig 2014 in den USA erschie nene<br />
Großformater nicht nur ein leckerer „Motorrad-Porno“<br />
ist, steuerte Ducati-Experte<br />
Ian Falloon fundierte Texte zur Markenund<br />
Modellgeschichte<br />
bei.<br />
Für den fast<br />
schon offiziellen<br />
Segen<br />
sorgte Ducatis<br />
Ex-Designchef<br />
Pierre Terblanche<br />
mit<br />
dem Vorwort.<br />
Delius Klasing,<br />
39,90 Euro.<br />
▶ ARCHIV-SCHÄTZE<br />
Wer lange genug wartet, bekommt manchmal<br />
vormals sündhaft teure Wälzer im Sonderangebot.<br />
Wie zum Beispiel diese (ergänzte)<br />
Softcover-Ausgabe des 2008 erschienenen<br />
offiziellen<br />
Harley-Museumskatalogs.<br />
Auf 416 Seiten<br />
zeigt „The Harley-Davidson<br />
Motor Co. Archiv-Kollektion“<br />
über 600 Studio-Aufnahmen.<br />
Delius Klasing,<br />
29,90 Euro.<br />
▶ PILGER-POWER<br />
Wer die beiden Reißer „Ein<br />
Tag im Zoo“ und „Mein<br />
schönstes Urlaubserlebnis“<br />
mag, wird „Pilgerfahrt nach<br />
Santiago de Compostela“<br />
lieben. Für alle anderen<br />
könnte der Reisebericht<br />
des 66-jährigen Max vom<br />
Orlandshof (Künstlername!)<br />
eventuell etwas zu aufregend<br />
sein. 144 Seiten Abenteuer<br />
mit der Kawasaki 250 Estrella – das<br />
rockt. Oder so. www.bod.de, 12,99 Euro.<br />
▼ OST-VOGELKUNDE<br />
So gut wie keine langweiligen Werksbilder,<br />
keine Schwarz-Weiß-Tristesse, dafür jede<br />
Menge Farbfotos aus dem heutigen Simson<br />
Alltag – der handliche 144-Seiter „Simson.<br />
Legendäre<br />
Zweiräder aus<br />
Suhl“ wirkt angenehm<br />
unverkrampft<br />
und<br />
glänzt mit vielen<br />
Hintergrund-Infos<br />
zu Typen und<br />
Tech nik. Gera-<br />
Mond, 19,99 Euro.<br />
110 RATGEBER <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Foto: Hersteller<br />
Ausprobiert: Vanucci VTB 11<br />
KERNIGER<br />
KUMPEL<br />
Ausprobiert: S100 Leder-Balsam<br />
AUSGEÖLT<br />
Ist Dr. Wack Dermatologe? Nein,<br />
von Haut versteht er aber etwas.<br />
Das Top-Modell der Louis-<br />
Hausmarke (korrekt: „Exklusivmarke“)<br />
überzeugt.<br />
Einer von 18 – nicht irgendeiner,<br />
denn unter den Markenkollegen<br />
im Louis-Katalog ist der Vanucci<br />
VTB 11 mit 289,95 Euro das teuerste<br />
Modell. Und vermutlich auch das<br />
robusteste, obwohl der aus wasserabweisend behandeltem Nubukleder gefertigte,<br />
top verarbeitete und mit einer Sympatex-Klimamembran bestückte<br />
Treter nicht als Endurostiefel, sondern als „Adventure Boot“ beworben wird<br />
– wofür auch die flache und damit „straßentaugliche“ Sohle spricht. Drei<br />
verstellbare und auswechselbare Kunststoffschnallen sorgen für knackigen<br />
Sitz. Das Fußbett dürfte noch etwas ausgeprägter sein. Infos: www.louis.de<br />
Urteil: gut<br />
Die Chemie-Mixer von Dr. Wack (www.<br />
wackchem.com) kümmern sich jetzt auch<br />
um die zweite Haut. Mit dem S100 Leder-<br />
Balsam haben die Ingolstädter ein Pflegemittel im Programm, das eines<br />
glücklicherweise nicht tut: schmieren. Denn teures Jojobaöl steckt zwar drin,<br />
doch das für Geschmeidigkeit sorgende Produkt ist eher ein Wachs. „Richtiges“<br />
Wachs macht das Pflegeglück komplett: Bienenwachs sorgt für Nässeschutz.<br />
Fazit: einfache Anwendung, top Ergebnis; 250 ml für 12,99 Euro.<br />
Urteil: sehr gut<br />
Foto: Hersteller<br />
RECHT UND RAT<br />
Andere Länder, andere Fritten. Doch<br />
nicht nur in Belgien (oben) ist manches<br />
anders. Auch in weiteren europäischen<br />
Ländern gibt es Sonderregelungen<br />
für Motorradfahrer. Eine Auswahl.<br />
Belgien: Warnwestenpflicht (mitführen/Panne) auch<br />
für Motorradfahrer, Vorbeischlängeln an stehenden<br />
oder langsamen Kolonnen erlaubt (mit max. 50 km/h<br />
und max. 20 km/h Differenzgeschwindigkeit). Dänemark:<br />
Krafträder dürfen nicht nebeneinanderfahren. Frankreich:<br />
An wartenden Kolonnen (z. B. vor roten Ampeln) darf links<br />
vorbeigefahren werden, wenn der Gegenverkehr nicht<br />
behindert und die durchgezogene Linie nicht überfahren<br />
wird. Italien: Helm muss nach ECE-Regelung Nr. 22 geprüft<br />
und gekennzeichnet sein; Motorräder unter 150 cm³ dürfen<br />
nicht auf Autobahnen und Schnellstraßen; Vorderrad muss<br />
während der Fahrt stets Bodenkontakt haben; bei Verstößen<br />
droht zusätzlich zur Geldbuße auch die Beschlagnahmung<br />
des Fahrzeugs für einen Zeitraum von 60 Tagen.<br />
Luxemburg: Warnwestenpflicht. Niederlande: Vorbeifahren<br />
an Fahrzeugkolonnen erlaubt, wenn die Differenzgeschwindigkeit<br />
nicht über 10 km/h liegt. Österreich: Verbandsbeutel-Pflicht;<br />
Vorbeischlängeln an bereits anhaltenden<br />
Fahrzeugen an z. B. Kreuzungen oder Bahnübergängen<br />
erlaubt (Voraussetzungen: ausreichend Platz, keine Behinderung).<br />
Schweiz: Nebeneinanderfahren verboten; Motorräder<br />
dürfen nicht rechts an Fahrzeugkolonnen vorbeifahren.<br />
Spanien: Ladung darf seitlich nicht mehr als 50 cm und<br />
hinten nicht mehr als 25 cm überstehen. Quelle: ADAC.<br />
Foto: Archiv<br />
Foto: Hersteller<br />
Darauf haben Putz-Profis<br />
vermutlich lange gewartet:<br />
Kunststoff-Tiefenpfleger mit<br />
verschiedenen Duftnoten –<br />
Green Apple, New Car und<br />
Cool Ice. Das chemische Wunderwerk<br />
stammt von Armor<br />
All (www.armorall. eu) und<br />
ist natürlich vor rangig fürs<br />
Auto gedacht. Andererseits:<br />
Eine Sitzbank, die nach<br />
grünem Apfel riecht, hat<br />
was! 120/300 ml für 3,99/<br />
7,99 Euro.<br />
Die italienischen Metallveredler von Rizoma (www.<br />
rizoma.com) haben sich der Yamaha MT-09 Tracer<br />
angenommen: Spiegel, Blinker, Tank- und Bremsflüssigkeitsbehälterdeckel,<br />
Fahrer- und Soziusrasten – alles bewährte<br />
und piekfein gemachte Teile. Besonders erwähnenswert:<br />
eine verstellbare Fußrastenaufnahme für den<br />
Sozius (199 Euro), Sturz-Pads „Pro“ und Radachsen-Pads<br />
(je 79 Euro) sowie der Kennzeichenhalter „Fox“ (149<br />
Euro). Verstellbare Hand- und Kupplungshebel „Free“<br />
hat Rizoma für jeweils 169 Euro im 250-Seiten-Katalog.<br />
Foto: Hersteller<br />
RATGEBER 111
R A T G E B E R<br />
Kaufen, Recht, Wissen<br />
Alles nur<br />
Kinderkram<br />
Foto: Hersteller<br />
Her mit der Kohle!<br />
Sie ist schon recht leicht, aber es geht immer noch<br />
etwas leichter: Für den stark überarbeiteten Supersportler<br />
BMW S 1000 RR liefert Ilmberger Carbonparts<br />
(www.ilmberger-carbon.de) bereits jede Menge Kohlefaserteile:<br />
28 Stück für die Straßenversion, 27 für das Rennmodell.<br />
Zündrotorabdeckung, Kennzeichenträger und<br />
natürlich Verkleidungsteile, alles für 69,90 bis 1299,90 Euro.<br />
Wer die Kurzen auf dem Motorrad<br />
mitnehmen möchte, sollte den<br />
Nachwuchs in passende Ausstattung<br />
stecken. Polo (www.polo-motorrad.<br />
de) hätte da etwas: Nexo Junior Pro Integralhelm<br />
(ab 59,95 Euro), Drive Youngster Touren-Kinderstiefel<br />
(69,95 Euro), Road Catchme-Kinderhandschuh<br />
(29,95 Euro), Safe Max<br />
Klemmer<br />
Mit ABM-Teilen (www.ab-m.de)<br />
wird’s an der Front noch schöner:<br />
Stummellenker „Multiclip“, passend<br />
für viele gängige Sportmotorräder inklusive<br />
<strong>2015</strong>er-Modelle. Komplette Kits, ggf. mit<br />
allen Leitungen, Zügen und Halterungen ab<br />
319 Euro. CNC-gefräste Lampenhalter (zwei<br />
Längen: 52/72 mm, fünf Durchmesser: 49/<br />
50/52/55/56 mm) kosten 159 Euro pro Paar.<br />
SK2 Rückenprotektorweste (79,95 Euro),<br />
Drive Reflex Kids-Jacke (79,95 Euro), Drive<br />
Union City-Kinderhose (79,95 Euro). Und<br />
wer jetzt mitgerechnet hat, stellt freudig<br />
erregt fest, dass die Hannah-Marie und der<br />
Finn-Torben bereits für unter 400 Euro komplett<br />
eingekleidet werden können. Sehr kleine<br />
Erwachsene (Frauen?) übrigens auch…<br />
Triumph steckt sie alle in die Tasche. Und zwar<br />
in eine hauseigene. Etwa in die 25 Liter<br />
fassenden Duffle Bag (79,90 Euro, links im<br />
Bild). Oder aber in Trolleys mit 35 bzw.<br />
100 Litern Fassungsvermögen (79,90/<br />
149,90 Euro). Rucksäcke? Bitteschön: 20<br />
Liter Volumen für 79,90 Euro, 35 Liter für<br />
94,90 Euro. www.triumphmotorcycles.de<br />
Foto: Hersteller Fotos: Hersteller<br />
Fotos: Hersteller<br />
Foto: dpa<br />
BESONDERE KENNZEICHEN<br />
Nein, hier geht es nicht um österreichische<br />
Kennzeichen – das<br />
Thema ist einfach zu sensibel.<br />
Hier steht, was es so an deutschen<br />
Sondernummern gibt.<br />
AD, AF, HK Privatfahrzeuge der US-Streitkräfte<br />
Dienstfahrzeuge Bund:<br />
BD Bundestag, Bundesrat, Bundespräsidialamt<br />
BG (alt), BP Bundesgrenzschutz, Bundespolizei<br />
BW Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes<br />
THW Technisches Hilfswerk<br />
0 Diplomatisches Korps<br />
0–1 Bundespräsident<br />
0–2 Bundeskanzler<br />
0–3 Außenminister<br />
1–1 Bundestagspräsident<br />
X Bundeswehrfahrzeuge der NATO-Hauptquartiere<br />
Y Bundeswehr<br />
Dienstfahrzeuge Länder:<br />
B* Senat/Abgeordnetenhaus Berlin<br />
BBL Landesregierung/Landtag Brandenburg<br />
BWL Landesregierung/Landtag Baden-Württemberg<br />
BYL Landesregierung/Landtag Bayern<br />
HB* Senat/Bürgerschaft Hansestadt Bremen<br />
HEL Landesregierung/Landtag Hessen<br />
HH* Senat/Bürgerschaft Hansestadt Hamburg<br />
LSA Landesregierung/Landtag Sachsen-Anhalt<br />
LSN Landesregierung/Landtag Sachsen<br />
MVL Landesregierung/Landtag Mecklenburg-Vorp.<br />
NL Landesregierung/Landtag Niedersachsen<br />
NRW Landesregierung/Landtag Nordrhein-Westfalen<br />
RPL Landesregierung/Landtag Rheinland-Pfalz<br />
SAL Landesregierung/Landtag Saarland<br />
SH Landesregierung/Landtag Schleswig-Holstein<br />
THL Landesregierung/Landtag Thüringen<br />
*Es folgen keine Buchstaben, nur Zahlen<br />
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DAS POWER-ANGEBOT<br />
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S P O R T<br />
Grand Prix in Mugello/I<br />
ITALIENISCHE<br />
MOMENTE<br />
Von Friedemann Kirn<br />
Fotos: 2snap, Milagro (3), Northcott/Monster (1)<br />
Maßarbeit auf engstem Raum: Im Kampf um<br />
Platz zwei gingen Andrea Dovizioso (#04),<br />
An drea Iannone (#29), Dani Pedrosa dahinter<br />
und Marc Márquez (#93) ans absolute Limit …<br />
114 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Valentino Rossi reiste als<br />
WM-Leader an, Ducati<br />
mit Werksmaschinen in<br />
bestechender Form – der<br />
Grand Prix in der Toskana<br />
konnte nur ein großes<br />
Teatro italiano werden.<br />
Dabei wurden auch zwei<br />
Spanier zu Hauptdarstellern:<br />
Jorge Lorenzo jubelte,<br />
Marc Márquez haderte – wie<br />
zuletzt beim Frankreich-GP.<br />
Jorge Lorenzo lebt zurzeit in einem<br />
Tunnel. Der Yamaha-Star, so die Analyse<br />
des spanischen Teamchefs Sito<br />
Pons, ist ganz auf sich selbst und das<br />
helle Licht am Ende fixiert; es gibt derzeit<br />
nichts, was ihn stört, was ihn ablenkt und<br />
seine Selbstsicherheit erschüttert. Nur ein<br />
freches Überholmanöver würde ihn aus<br />
dem seelischen Gleichgewicht bringen.<br />
Aber da es derzeit niemanden gibt, der ihm<br />
das Wasser reichen kann, kommt es nicht<br />
zu solchen Angriffen. Deshalb konnte Lorenzo<br />
beim Italien-Grand-Prix nun schon<br />
zum dritten Mal hintereinander den Hammer<br />
auspacken und allein davonfahren.<br />
Marc Márquez, so Pons weiter, hatte<br />
diesen Tunnelblick im letzten Jahr, wo ihn<br />
ebenfalls nichts anfechten, wo er mit einer<br />
überlegenen Maschine in eine eigene Welt<br />
aufbrechen und zum Seriensieger werden<br />
konnte. Doch jetzt, ein Jahr später, fehlt ihm<br />
die Geborgenheit des Tunnels, er ist einem<br />
Trommelfeuer von Störfaktoren ausgesetzt,<br />
irritierend wie grelle Lichtblitze, die ständig<br />
und von allen Seiten in sein Gesichtfeld<br />
dringen und ihn aus dem Konzept bringen.<br />
So weit die psychologischen Aspekte.<br />
Zu den technischen Fakten zählt, dass sich<br />
Lorenzos Yamaha leicht und neutral in die<br />
Kurven einfädeln lässt, in enge Spitzkehren<br />
ebenso wie in die Highspeed-Passagen der<br />
Mugello-Strecke, während sich Márquez<br />
auf der Honda beim Anbremsen und Einbiegen<br />
immer wieder vertat und so häufig wie<br />
kein anderer die Ideallinie verpasste. Mit Vorliebe<br />
am Ende der 350-km/h-Zielgeraden.<br />
„Ich fahre mit viel Vorderradlast in die Kurve.<br />
Doch wenn ich dabei hinten keinen Grip<br />
habe und die Drifts beim Einbiegen nicht<br />
kon trollieren kann, funktioniert dieser Fahrstil<br />
nicht“, erklärte er.<br />
Das trat schon im Training in aller Deutlichkeit<br />
zutage. Am Samstagmorgen, im<br />
dritten freien Training, verzettelte sich sein<br />
Team mit der Elektronikabstimmung und<br />
versäumte es, für den Endspurt einen frischen<br />
Hinterreifen aufzuziehen, worauf<br />
Márquez als Elfter die Top-Qualifikation der<br />
zehn Schnellsten verpasste. Im vierten freien<br />
Training baute er einen Sturz. Und als er<br />
am Nachmittag in der Qualifikation der Hinterbänkler<br />
eine Top-Zeit vorlegen und auf<br />
diese Weise in die erste Gruppe nachrücken<br />
wollte, scheiterte auch dieser Angriff grandios.<br />
Während Márquez die Zeitenjagd wegen<br />
der Fahrwerksunruhen vorzeitig abbrach,<br />
zuckte es auf den Monitoren. Statt Márquez<br />
standen plötzlich Yonny Hernández und der<br />
frisch an einer Sehne des rechten Daumens<br />
operierte Aleix Espargaró ganz oben auf der<br />
Zeitenliste. Márquez musste sich mit Startplatz<br />
<strong>13</strong> begnügen.<br />
www.motorradonline.de<br />
SPORT 115
… undübrs Limit hinaus. Márquez<br />
stürzte, das Duell um Platz zwei<br />
gewann Iannone vor Valentino Rossi<br />
Grand Prix in Mugello/I<br />
Doch es sollte noch schlimmer kommen.<br />
Mit frischem Hinterreifen katapultierte<br />
sich der Weltmeister im Rennen zwar sofort<br />
in die Spitzengruppe, tauchte bereits nach<br />
drei Runden an zweiter Stelle auf und saugte<br />
sich an den führenden Lorenzo an. Doch<br />
als der Hinterreifen abzubauen begann,<br />
nach etwa zehn Runden, holten ihn die<br />
bekannten Probleme wieder ein. Márquez<br />
verpasste wieder die Linien, fiel in die Verfolgergruppe<br />
mit Iannone und Pedrosa<br />
zurück. Er kämpfte mit seinem Alles-odernichts-Stil<br />
aber trotzdem verwegen weiter,<br />
anstatt sich mit sicheren Punkten abzufinden.<br />
„Ich hatte schon immer die Mentalität,<br />
100 Prozent zu geben, und es fällt mir<br />
schwer, mit anzusehen, wie Lorenzo aufdreht,<br />
während ich hinten feststecke. Wer<br />
nicht wagt, gewinnt auch nicht“, argumentierte<br />
er später. Doch das Glück lässt sich<br />
nicht mit der Brechstange erzwingen: Sechs<br />
Runden vor Schluss hatte Márquez den<br />
einen entscheidenden Vorderradrutscher<br />
zu viel und stürzte.<br />
Ebenso bedenklich wie sein 49-Punkte-<br />
Rückstand in der WM-Wertung ist dabei<br />
die Tatsache, dass die Techniker weiterhin<br />
am Rätselraten sind. „Honda hat mir erklärt,<br />
dass sie ihre gesamte Artillerie auffahren<br />
werden, um die Probleme zu lösen, und das<br />
gibt mir das Vertrauen und die Motivation,<br />
weiterhin 100 Prozent zu geben“, sagte<br />
Márquez zwar. Doch wo schon ein anderer<br />
Rahmen nichts brachte und wo die Motoren<br />
verplombt sind, können dem Team wohl<br />
nur elektronische Tricks aus der Patsche helfen.<br />
Dabei müssen sich die Ingenieure allerdings<br />
beeilen, denn ab Anfang Juli wird im<br />
Hinblick auf die 2016 kommende Einheitselektronik<br />
die Weiterentwicklung der Management-Systeme<br />
der einzelnen Hersteller<br />
eingefroren – eine Regelung, auf der Honda<br />
im letzten Jahr bestanden hatte und die<br />
jetzt zum Bumerang werden könnte.<br />
Die Ducati Desmosedici gilt als derzeit fortschrittlichste<br />
Maschine der MotoGP-Klasse,<br />
von der hoch entwickelten Elektronik bis<br />
hin zu den eleganten Flügeln an den Verkleidungsflanken,<br />
die für zusätzlichen Abtrieb<br />
sorgen. Nach den vielen Tests in Mugello,<br />
der Hausstrecke des Werks, fuhr das Team<br />
schon am Samstag die erste Ernte ein, mit<br />
der Pole Position von Andrea Iannone und<br />
dem dritten Startplatz von Andrea Dovizioso.<br />
Nach dem Rennsturz von Marc Márquez<br />
stand fest, dass die Fans auf der zum Bersten<br />
gefüllten, in sattes Rot getauchten Ducati-<br />
Tribüne abermals feiern würden. Dovizioso<br />
war zwar nach 16 Runden in der Box verschwunden,<br />
weil er seltsame Geräusche vernahm,<br />
sein Motorrad nur noch ruckelnd beschleunigte<br />
und ein kapitaler Motorschaden<br />
bevorzustehen schien. Wie sich herausstellen<br />
sollte, hatte die Havarie der Hightech-<br />
Maschine eine überaus profane Ursache: Der<br />
Zahnkranz am Hinterrad, bei Ducati nicht<br />
aus Titan, sondern aus Aluminium gefertigt,<br />
hatte eine Reihe von Zähnen verloren.<br />
Doch der wilde Andrea Iannone, „the<br />
maniac“, wie er sich selbst bezeichnet, hatte<br />
vor 90 000 begeisterten Zuschauern alles<br />
unter Kontrolle. Vor allem den Start: Er<br />
brauste so früh los, dass fast alle Beobachter<br />
damit rechneten, er werde zu einer Zeitstrafe<br />
in die Boxengasse zitiert. Nur Rennleiter<br />
Sonntagsausfahrt<br />
durch die malerische<br />
Toskana mit einem<br />
MotoGP-Motorrad?<br />
Sieger Jorge Lorenzo<br />
ließ es beim Mugello-<br />
GP fast so aussehen<br />
116 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Ein verschlissenes Kettenrad<br />
verhinderte womöglich<br />
einen Podiumsplatz<br />
für Andrea Dovizioso auf<br />
der zweiten Werks-Ducati<br />
– bevor in Runde zehn die<br />
Probleme begannen, lag<br />
er auf Rang zwei<br />
Italienische Nationalhelden vor der grandiosen Kulisse in Mugello:<br />
Andrea Iannone (links) und Valentino Rossi feierten auf dem Podest<br />
Dominique Aegerter war bester deutschsprachiger<br />
Fahrer – Platz drei im Moto2-GP<br />
Mike Webb, der die Bilder einer Highspeed-<br />
Kamera untersuchte, kam zu einem anderen<br />
Ergebnis und stellte fest, dass Iannone<br />
zwar irgendwann einfach die Kupplung losließ,<br />
dabei aber auch zufällig jene Millisekunde<br />
erwischte, in der die Startampel bereits<br />
erloschen war – und dank purem<br />
Glück gegen keine Regel verstoßen hatte.<br />
Am Schluss stand Iannone auf dem<br />
Podium. Arm in Arm mit Valentino Rossi,<br />
dem die auf der Zielgeraden zusammengeströmten<br />
Fans mit den üblichen Sprechchören,<br />
Fahnen und einem Feuerwerk gelber<br />
Rauchpatronen huldigten. Einmal mehr hatte<br />
er es geschafft, den Spieß umzudrehen,<br />
von Startplatz acht nach vorn zu fahren und<br />
einen Podestplatz sicherzustellen, ohne sich<br />
zu übertriebenen Risiken verleiten zu lassen.<br />
Der WM-Leader zeigt die Konstanz, die<br />
die deutschsprachigen Piloten vermissen<br />
lassen. Stefan Bradl lag an 14. Stelle, als er in<br />
Runde sieben des Rennens nach einer Kollision<br />
mit Nicky Hayden zu Boden ging. In<br />
der Moto2-Klasse verspielte Frankreich-Sieger<br />
Tom Lüthi den nächsten Triumph, als er<br />
in Führung liegend übers Vorderrad ins Aus<br />
rutschte. Nur wenige Runden später, nachdem<br />
er sich im Kampf um Platz drei gerade<br />
gegen Johann Zarco, Luis Salom und Sam<br />
Lowes durchgesetzt hatte, teilte Jonas Folger<br />
sein Schicksal. Marcel Schrötter hatte<br />
schon im Training zwei heftige Stürze übers<br />
Vorderrad gebaut, im Rennen entsprechend<br />
wenig Vertrauen ins Motorrad und<br />
blieb als 16. ohne Punkte. Florian Alt fuhr<br />
dem Feld als Letzter hinterher, weil ihm ein<br />
Kollege am Start ins Heck gedonnert war,<br />
den Auspuff abgespreizt hatte und er deshalb<br />
einen frühen Boxenstopp einlegen<br />
musste. Am Ende blieben nur zwei Resultate<br />
als zählbare Ausbeute der deutschsprachigen<br />
Fraktion: der dritte Platz von Lüthis<br />
Schweizer Teamkollegen Dominique Aegerter,<br />
der sich nach dem Umstieg von Suter<br />
mittlerweile mit seiner neuen Kalex-Maschine<br />
anfreunden konnte, und der achte Rang<br />
von Sandro Cortese, der nach langer Durststrecke<br />
einen psychologisch wichtigen<br />
Lichtblick für den Schwaben bedeutete.<br />
Ein schweres technisches Missgeschick<br />
erlebte Philipp Öttl. Mit WM-Punkten in<br />
Reichweite war er in die letzte Kurve eingebogen,<br />
konnte dann aber nicht mehr<br />
schalten und rollte an den Streckenrand.<br />
Vor dem Rennen hatte KTM die Kundenteams<br />
zum Einbau neuer Getriebe mit verstärkten<br />
Ringen zwischen den einzelnen<br />
Getriebe rädern gedrängt, um möglichen<br />
Getriebeschäden vorzubeugen. Ebendieses<br />
neue Getriebe versagte kurz vor der Zielflagge<br />
den Dienst.<br />
www.motorradonline.de/sport<br />
Ergebnisse Grand Prix Mugello/I<br />
Datum: 31. Mai <strong>2015</strong><br />
Streckenlänge: 5,245 km<br />
Wetter: sonnig<br />
Zuschauer: 90 477<br />
MotoGP<br />
23 Runden (= 120,635 km) WM-Stand<br />
Fahrer/Nation Maschine Zeit/min Fahrer Pkt.<br />
1. Jorge Lorenzo (E) Yamaha 41.39,173 Rossi 118<br />
2. Andrea Iannone (I) Ducati* +5,563 Lorenzo 112<br />
3. Valentino Rossi (I) Yamaha +6,661 Dovizioso 83<br />
4. Dani Pedrosa (E) Honda +9,978 Iannone 81<br />
5. Bradley Smith (GB) Yamaha +15,284 Márquez 69<br />
6. Pol Espargaró (E) Yamaha +15,665 Smith 57<br />
7. Maverick Viñales (E) Suzuki* +23,805 Crutchlow 47<br />
8. Michele Pirro (I) Ducati* +29,152 P. Espargaró 45<br />
9. Danilo Petrucci (I) Ducati* +32,008 Viñales 36<br />
10. Yonny Hernández (COL) Ducati* +34,571 Petrucci 32<br />
11. Scott Redding (GB) Honda +38,553 A. Espargaró 31<br />
12. Loris Baz (F) Yamaha* +42,158 Hernández 26<br />
<strong>13</strong>. Héctor Barberá (E) Ducati* +44,801 Pedrosa 23<br />
14. Álvaro Bautista (E) Aprilia* +50,435 Redding 18<br />
15. Eugene Laverty (IRL) Honda* +53,060 Barberá 16<br />
Trainingsbestzeit: Iannone in 1.46,489 min = 177,314 km/h<br />
Schnellste Rennrunde: Márquez in 1.47,654 min = 175,395 km/h<br />
Schnitt des Siegers: 173,772 km/h<br />
Moto2<br />
21 Runden (= 110,145 km) WM-Stand<br />
Fahrer/Nation Maschine Zeit/min Fahrer Pkt.<br />
1. Tito Rabat (E) Kalex 39.40,545 Zarco 109<br />
2. Johann Zarco (F) Kalex +0,308 Rabat 78<br />
3. Dominique Aegerter (CH) Kalex +5,280 Lüthi 68<br />
4. Sam Lowes (GB) Speed-up +5,554 Lowes 67<br />
5. Luis Salom (E) Kalex +7,493 Folger 57<br />
6. Xavier Simeon (B) Kalex +7,896 Rins 54<br />
7. Julián Simón (E) Speed-up +10,495 Morbidelli 54<br />
8. Sandro Cortese (D) Kalex +17,380 Simeon 49<br />
9. Axel Pons (E) Kalex +17,775 Simón 34<br />
10. Lorenzo Baldassarri (I) Kalex +18,836 Kallio 31<br />
11. Alex Rins (E) Kalex +20,698 Syahrin 31<br />
12. Alex Márquez (E) Kalex +20,923 Cortese 30<br />
<strong>13</strong>. Takaaki Nakagami (J) Kalex +22,433 Aegerter 26<br />
14. R. Krummenacher (CH) Kalex +22,762 Salom 25<br />
15. Azlan Shah (MAL) Kalex +27,715 Baldassarri 23<br />
Trainingsbestzeit: Lowes in 1.1.51,514 min = 169,324 km/h<br />
Schnellste Rennrunde: Rabat in 1.52,530 min = 167,795 km/h<br />
Schnitt des Siegers: 166,568 km/h<br />
Moto3<br />
20 Runden (= 104,900 km) WM-Stand<br />
Fahrer/Nation Maschine Zeit/min Fahrer Pkt.<br />
1. Miguel Oliveira (P) KTM 39.39,510 Kent 124<br />
2. Danny Kent (GB) Honda +0,071 Bastianini 78<br />
3. Romano Fenati (I) KTM +0,127 Fenati 67<br />
4. Francesco Bagnaia (I) Mahindra +0,<strong>13</strong>0 Oliveira 66<br />
5. Enea Bastianini (I) Honda +0,200 Vázquez 60<br />
6. Niccolò Antonelli (I) Honda +0,381 Viñales 55<br />
7. Jorge Navarro (E) Honda +1,498 Quartararo 52<br />
8. Isaac Viñales (E) Husqvarna +1,576 Bagnaia 50<br />
9. Alexis Masbou (F) Honda +1,985 Binder 50<br />
10. Brad Binder (RSA) KTM +2,<strong>13</strong>9 Masbou 33<br />
11. Hiroko Ono (J) Honda +4,966 Antonelli 29<br />
12. Niklas Ajo (FIN) KTM +5,142 McPhee 28<br />
<strong>13</strong>. Andrea Locatelli (I) Honda +5,160 Navarro 21<br />
14. Livio Loi (B) Honda +5,161 Hanika 18<br />
15. Andrea Migno (I) KTM +5,650 Kornfeil 17<br />
Trainingsbestzeit: Kent in 1.56,615 min = 161,917 km/h<br />
Schnellste Rennrunde: Binder in 1.57,318 min = 160,947 km/h<br />
Schnitt des Siegers: 158,705 km/h<br />
*Kennzeichnet Motorräder der MotoGP-Klasse, die von den Vorteilen der Open-Kategorie profitieren: 24 statt 20 Liter Benzin pro Rennen, optional weichere Hinterradreifen, zwölf statt fünf Motoren<br />
pro Jahr sowie freie Weiterentwicklung der Motoren. Für diese Maschinen ist die Verwendung der Dorna-Einheitselektronik für die Motorsteuerung Pflicht.
S P O R T<br />
Fischereihafen-Rennen Bremerhaven<br />
Fischereihafen – das<br />
ist die Hatz durch<br />
einen 2,7 Kilometer<br />
langen Strohballenkanal<br />
HAFEN<br />
RUNDFAHRT<br />
Furchtlos müssen sie beim Fischereihafen-Rennen in Bremerhaven alle sein, Piloten wie<br />
Zuschauer. Beide Parteien trennen nur hüfthohe Strohballen und eine lange Kette niedriger<br />
Stellgitter. Das Rennen ist ein herrlicher Anachronismus in pittoreskem Ambiente.<br />
Von Markus Schocker; Fotos: Dirk Schäfer<br />
118 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Bei Transgourmet Seafood steht als<br />
Blickfang ein fünf Meter langer<br />
Holzkahn vor dem Eingang. Nette<br />
Idee. Nur nicht an diesem Pfingstwochenende.<br />
Denn drei Meter davor bremsen<br />
sich die Fahrer von 170 km/h runter<br />
auf 120 und stechen dann durch die mit<br />
provisorischen Curbs angelegte Schikane.<br />
Also hat man den Kahn mit Strohballen<br />
gepolstert. Ob das viel Unterschied macht?<br />
Egal. Auch der Laternenpfahl bekam<br />
seinen Strohballen. Ebenso die Hauswand<br />
100 Meter weiter, die sich im 90-Grad-<br />
Winkel den Piloten entgegenstellt. Wer hier<br />
vom Motorrad fällt, beim Einfädeln in die<br />
Schikane, rechts Transgourmet Seafood,<br />
links Fischermann GmbH Frischfisch-<br />
Import-Marinaden, den empfangen im<br />
günstigsten Fall die Plastik-Curbs. Im<br />
ungünstigsten Fall der Laternenpfahl oder<br />
die Hauswand. Oder eben der Holzkahn.<br />
Fischereihafen-Rennen Bremerhaven – das<br />
ist ein Rennen, das völlig aus der Zeit fällt.<br />
In einer Epoche der Retortenrennstrecken,<br />
mit asphaltierten Auslaufzonen groß wie<br />
Supermarktparkplätze, fühlt man sich in<br />
Bremerhaven, als hätte einen die Zeit ma-<br />
schine weit zurück in die 60er gespuckt:<br />
2,7 Kilometer, 14 Kurven, Tempi bis knapp<br />
200 km/h, abwechselnd zwischen Fischund<br />
Industriehallen oder den Spalier stehenden<br />
Fans hindurch. Alles auf Straßen,<br />
über die einen Tag zuvor noch die Fischlaster<br />
rollten. Profis trauen sich hier nicht<br />
her. IDM- und Ex-WM-Pilot Max Neukirchner<br />
kam <strong>2015</strong> zwar nach Bremerhaven,<br />
beließ es aber bei Demo-Runden.<br />
Die Protagonisten in Fishtown sind<br />
andere. Elmar Geulen etwa, Glatze, Sonnenbrille,<br />
Zehn-Zentimer-Kinnbart, der ewige<br />
„Mister Hayabusa“, der sich ansonsten seine<br />
www.motorradonline.de<br />
SPORT 119
Zwei Fischereihafen-<br />
Routiniers: Oliver<br />
Jaensch und seine<br />
RS 500 von 1978<br />
Slippery when wet: Im Nassen wird<br />
der Straßenkurs noch tückischer, als<br />
er ohnehin bereits ist<br />
Fischereihafen-Rennen<br />
Zeit mit Geschwindigkeitsweltrekorden<br />
vertreibt. Oder Stefan Merkens, vor langer<br />
Zeit sporadisch in der Langstrecken-WM<br />
unterwegs. In Bremerhaven tritt er mal<br />
eben in vier Klassen an, auch bei den Seitenwagen.<br />
Macht sieben Rennen am Tag.<br />
Doch das Gros der rund 400 Piloten –<br />
verteilt auf zehn Klassen von „Fishtown<br />
Superbike Open“ bis „Fishtown Sidecars<br />
Classic“ – treibt die pure Leidenschaft ohne<br />
Aussicht auf den Rennsieg. Jeder mag seinen<br />
kleinen Traum haben, und sei es nur,<br />
endlich die 1:50er-Marke zu knacken, die<br />
man im Vorjahr haarscharf verpasst hat.<br />
Doch vorrangig geht es darum, die Maschine,<br />
an der man fünf Monate lang zig Nächte<br />
durchgeschraubt hat, endlich ausfahren zu<br />
können. Und im Fahrerlager eine nette Zeit<br />
zu haben mit all den anderen liebenswerten<br />
Verrückten, die in ihren alten Sprintern<br />
schlafen, während das zerschlissene Camping-Vorzelt<br />
das Bike und den ganzen<br />
Krempel vor Regen schützt.<br />
Der Mann, ohne den es dieses Rennen<br />
längst nicht mehr gäbe, sitzt auf dem staubigen<br />
Boden eines Containers neben der<br />
Start-Ziel-Geraden. Fünf Meter links sägt ein<br />
Zweitakter vorbei, es sticht in den Ohren.<br />
Hinrich „Hinni“ Hinck, 60, Vokuhila (vorne<br />
kurz, hinten lang), leicht ergraut mit Dreitagebart,<br />
zwei Finger bandagiert, weil beim<br />
Anschieben eines Motorrads am Morgen<br />
der Bock schneller als er laufen konnte.<br />
Dieser „Hinni“ Hinck ist es, der das Fischereihafen-Rennen<br />
wiederbelebte. 2000 war das,<br />
nach zehn Jahren Pause.<br />
Seither ist das FHR, so das Kürzel, eine<br />
Familienangelegenheit der Hincks. Ehefrau<br />
Heidi ist die gute Seele des Rennens, Sohnemann<br />
Kenny fungiert als Technikexperte,<br />
Schwiegersohn Christoph erledigt die Medienarbeit,<br />
Tochter Sabrina Adeline gestaltet<br />
das Programmheft. Und auch sonst gibt<br />
es kaum einen auch nur weitläufig Verwandten<br />
der Hincks, der an diesem Wochenende<br />
Links: On the sunny side of life: Robert Bergmann zeigt, wofür eine Kawasaki GPZ 1000 RX auch gut sein kann.<br />
Rechts: Nirgendwo sind die Fans dichter dran als im Fischereihafen. Auch <strong>2015</strong> kamen wieder 20 000 an die Wesermündung<br />
120 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
FISCHTEILE LIEGEN HEUTE<br />
KEINE MEHR AUF DER PISTE<br />
In der Klasse „Corsa Speciale“ zahlenmäßig<br />
überlegen: Maschinen von MV Agusta<br />
Wer im Fischereihafen die Zielflagge als<br />
Erster sehen will, muss furchtlos sein<br />
nicht mithilft. „Dieses Rennen“, sagt Sabrina<br />
Adeline, „hat unsere Familie geprägt. Es<br />
bestimmt unser Leben.“ Damals, in der<br />
Schule, hätten die anderen immer erzählt,<br />
wie schön es in den Ferien in Tunesien<br />
war. Sie selbst aber kannte nur den Sachsenring<br />
oder das Schleizer Dreieck. Urlaub<br />
war bei den Hincks gleichbedeutend mit<br />
Rennen, alle mussten mitziehen.<br />
Heute sitzt „Hinni“ gelegentlich noch<br />
selbst im Sattel. Einmal Racer, immer Racer.<br />
„Aber“, sagt er, „nicht auf permanenten<br />
Rennstrecken. Die sind nichts für mich. Keine<br />
Zuschauer, keine Atmosphäre.“ Hockenheim,<br />
Sachskurve, zweiter Gang, während<br />
sich hoch oben auf der riesigen Steintribüne<br />
in 50 Meter Entfernung ein paar Gestalten<br />
verlieren – das ist nichts für einen Mann wie<br />
„Hinni“. Road Racing ist seine Liebe. Rennen<br />
auf öffentlichen Straßen, wie die TT auf<br />
der Isle of Man oder das North West 200 in<br />
Nordirland. Mitten durch die Dörfer, mit<br />
den Fans auf Tuchfühlung. Echte, pure Gefühle,<br />
ohne die Auswüchse des modernen<br />
Sports mit seinem oftmals übersteigerten<br />
Sicherheitsstreben und all dem Kommerz-,<br />
Medien- und Marketing-Gedöns. Also gründete<br />
„Hinni“ die German Road Racing GmbH<br />
und führt seit 15 Jahren wieder das Fischereihafen-Rennen<br />
durch.<br />
Jetzt sitzt er da, der Vater dieses Rennens,<br />
im Container neben Start/Ziel und<br />
klopft sich eine „Ernte 23“ aus der Packung.<br />
„Ernte 23“, immer, seit er 16 war. „Schon<br />
Papa hat die geraucht“, sagt „Hinni“. Traditionen<br />
werden bewahrt im Hause Hinck.<br />
Es war 1952, als es erstmals im Fischereihafen<br />
rund ging. Mit 1500 Fischkisten steckten<br />
sie einen 1,4 Kilometer langen Parcours<br />
ab. Es regnete in Strömen. Schietwetter<br />
nennen sie das hier im Norden. Die Piloten<br />
hatten nicht nur mit dem tückischen Blaubasaltpflaster<br />
zu kämpfen. Wer Pech hatte,<br />
erwischte auch eines der vielen Fischteile,<br />
die noch auf der Straße lagen. Und um<br />
18 Uhr musste alles vorbei sein, die Fischlaster<br />
konnten nicht länger warten.<br />
Heute fährt man in Bremerhaven auf<br />
Asphalt statt Pflaster. Fischteile liegen auch<br />
keine mehr rum. Höchstens hier und da mal<br />
ein Plastikbecher. Was freilich kaum angenehmer<br />
ist. Die Strecke ist fast doppelt so<br />
lang wie damals, es gibt die „Kutter-Kehre“<br />
und die „Schrott-Kurve“, Letztere benannt<br />
nach Schrotthandel Brexendorf.<br />
Das gerne bemühte und so abgehangene<br />
Prädikat „Kult“ – wenn es nicht für<br />
das Fischereihafen-Rennen gilt, wofür dann,<br />
bitte? Neben dem Frohburger Dreiecksrennen<br />
bei Leipzig ist der Fischereihafen<br />
das letzte Road Race auf deutschem Boden.<br />
Die übrigen Traditionsveranstaltungen,<br />
Halle-Saale-Schleife, das Eilenriederennen<br />
in Hannover oder das Battenberg-Rennen<br />
bei Marburg – alle längst Vergangenheit.<br />
„Road Racing ist ein bedrohtes Kulturgut“,<br />
sagt „Hinnis“ Schwiegersohn Christoph,<br />
der Pressebetreuer. Deshalb sei das<br />
Fischereihafen-Rennen so wichtig. Der<br />
Slogan fürs Rennen, den er sich zusammen<br />
mit Gattin Sabrina Adeline ausgedacht hat,<br />
bringt es auf den Punkt: „Laut. Roh. Echt.“<br />
Die Fans lieben ihr Laut-roh-echt-Rennen,<br />
Links: Speedway-Legende Egon Müller, hier mit Seriensieger Stefan Merkens, sorgt für unterhaltsame Streckenreportagen.<br />
Rechts: Die Seitenwagen gingen gleich in zwei Klassen an den Start
Volle Felder, volles Rohr:<br />
In manchen Klassen starten<br />
über 40 Motorräder<br />
Fischereihafen-Rennen<br />
20 000 kommen alljährlich und bezahlen<br />
30 Euro für eine Zweitageskarte. Doch<br />
finanziell sei alles knapp kalkuliert, betont<br />
Christoph. „So ein Rennen organisierst du<br />
nicht, um Geld zu verdienen.“ Dann spricht<br />
er von Idealismus, den jeder hier einbringen<br />
würde. Es ist dieser Idealismus, der alle<br />
beim Fischereihafen-Rennen verbindet:<br />
die Fahrer, die Fans, die Helfer, die Hincks.<br />
Wer mitfahren möchte, benötigt mindestens<br />
eine Tageslizenz. Aber die kriegt<br />
nicht jeder. Mindestens ein Renntraining<br />
muss der Kandidat vorweisen können, damit<br />
„Hinni“ und seine Leute die Nennung<br />
akzeptieren. Bei den schnellen, großvolumigen<br />
Klassen schaut „Hinni“ genauer hin,<br />
da reicht ein Renntraining nicht. „Um erste<br />
Rennerfahrungen zu sammeln, ist der<br />
Fischereihafen der falsche Ort“, sagt „Hinni“.<br />
Alljährlich lehnt er diverse Bewerber ab.<br />
Zum Charme dieses Rennens gehört die<br />
Unverbindlichkeit des Zeitplans. Entweder<br />
wird mal wieder eine Schikane umgebaut.<br />
Oder es kommt Regen. Oder die Siegerehrung<br />
verzögert sich, weil der Erste wegen<br />
Überholens unter Gelb fünf Plätze zurückgestuft<br />
werden muss. All das kostet Zeit.<br />
Und am Ende des Tages, nach 19 Rennen<br />
und der obligatorischen gemeinsamen<br />
Schlussrunde aller Fahrer, ist erst gegen<br />
19.15 Uhr Schluss. Geplant war 18 Uhr –<br />
aber das stört keinen. Auch weil Speedway-<br />
Legende Egon Müller, der als Strecken-<br />
ZEHN KLASSEN – UND<br />
NUR EINE LEIDENSCHAFT<br />
Es ist sein Rennen: „Hinni“ Hincks (rechts),<br />
hier mit IDM-Pilot Max Neukirchner<br />
Thilo Günther: Sieger in der Königsklasse,<br />
der „Fishtown Superbike Open“<br />
sprecher fungiert („Der Stefan gibt Gas wie<br />
ein Schwerverbrecher“) für Kurzweil sorgt.<br />
Die Fans wandern derweil um die<br />
Strecke, durchs Fahrerlager und entlang<br />
der Händlermeile, die Kleinen fahren Kids-<br />
Cross, Mama genießt ihren Schoko-Crêpe,<br />
während Papa sich von Startnummer 85<br />
deren MV Agusta 350 Corsa, Baujahr 1972,<br />
zeigen lässt.<br />
Im VIP-Zelt, das diese Bezeichnung<br />
netterweise zu Unrecht trägt, servieren<br />
Freundinnen von „Hinnis“ Gattin Heidi<br />
selbst gebackenen Kuchen, die Zeitenlisten<br />
werden mit Reißnägeln auf Biertische gepinnt,<br />
und die Enkelin von Heidis Schwester<br />
Monika packt derweil die Geschenktüten<br />
für die nächste Siegerehrung: Putztuch, ein<br />
Päckchen Gummibärchen und jeweils eine<br />
Dose Kettenspray und Insektenentferner<br />
gibt’s zu jedem Pokal als Zugabe.<br />
Die Hincks wissen, dass ein schwerer<br />
Unfall das Aus für ihr geliebtes Fischereihafen-Rennen<br />
bedeuten kann. Zumal wenn<br />
Zuschauer betroffen wären. An den Todessturz<br />
vor zwei Jahren, erstaunlicherweise<br />
der einzige bei 58 Ausgaben dieses Rennens,<br />
erinnern sich alle noch mit Schaudern.<br />
Damals war in der letzten Runde des Junior-<br />
600er-Rennens ein Pilot in die Streckenbegrenzung<br />
gerast.<br />
Die Gefahr ist im Fischereihafen allgegenwärtig.<br />
Das ist der Preis für ein Rennen,<br />
bei dem die Zuschauer näher dran sind als<br />
überall sonst, bei dem das Erlebnis Motorradrennen<br />
ungleich intensiver ist als auf diesen<br />
sterilen Hochsicherheitstrakten namens<br />
Hockenheim-, Nürburg- oder Lausitzring.<br />
Laut. Roh. Echt.<br />
Auf dass es hier, im Norden, noch ganz<br />
lange so bleiben möge.<br />
122 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
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◼Superbike-WM ◼<br />
in Portimão/P<br />
Das Glück des Tüchtigen<br />
Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass der<br />
Brite Jonathan Rea in der Superbike-WM<br />
derzeit einen Lauf hat: Mit acht Siegen aus zwölf<br />
Rennen startete der Kawasaki-Werksfahrer in das<br />
Portugal-Wochenende – zuletzt in Donington<br />
hatte er seinem Landsmann und Teamkollegen<br />
Tom Sykes jedoch in beiden Rennen den Vortritt<br />
lassen müssen. An diese Erfolge wollte Ex-Weltmeister<br />
Sykes anknüpfen und fuhr nach beiden<br />
Rennstarts sofort an die Spitze. Doch es sollte<br />
nicht sein. Rea konnte ihm die Führung zweimal<br />
abjagen, Sykes’ Konter wurden durch zeitweise<br />
abfallende Drehzahl im ersten Lauf und Druckverlust<br />
am Hinterrad im zweiten Lauf vereitelt.<br />
Im Supersport-Rennen sorgten einmal mehr<br />
Kenan Sofuoglu und Jules Cluzel beim Kampf um<br />
die Führung für Unterhaltung – nach drei zweiten<br />
Plätzen hinter dem Türken siegte dieses Mal der<br />
Franzose. Das beste Ergebnis aus deutscher Sicht<br />
lieferten in Portimão die Superstock-600-Piloten<br />
Julian Puffe und Toni Finsterbusch mit den<br />
Punkterängen <strong>13</strong> und 14 ab.<br />
abs<br />
Tom Sykes (#66) vor Jonathan<br />
Rea: in Portimão nur<br />
eine Momentaufnahme<br />
Jules Cluzel (#16) vor Kenan<br />
Sofuoglu: Diesmal war MV<br />
Agusta schneller als Kawasaki<br />
Fotos: 2snap, Browne/Kawasaki<br />
◼Superbike-IDM ◼<br />
am Lausitzring<br />
Handicap-Sieg<br />
Erster Sieg für die neue Yamaha YZF-R1M und<br />
Max Neukirchner (#76) in der Superbike-<br />
IDM – damit hat die R1M auch auf deutschem<br />
Boden bewiesen, dass sie in seriennahen Meisterschaften<br />
konkurrenzfähig ist. Markus Reiterberger<br />
(#21), der bis dahin alle vier Einzelrennen<br />
gewonnen hatte, musste wegen seiner Erfolge<br />
allerdings mit vier Kilo Zusatzgewicht an seiner<br />
BMW S 1000 RR starten. Trotzdem holte er sich<br />
in der Qualifikation die Bestzeit und gewann<br />
den sechsten IDM-Lauf.<br />
abs<br />
Foto: Wiessmann<br />
Foto: Schiffner<br />
◼Trial-WM ◼<br />
in Borås/S<br />
Bous Sixpack<br />
Trial-Multi-Weltmeister Toni Bou bleibt in<br />
der Erfolgsspur: Bei den WM-Meetings<br />
in Sokolov/CZ und Borås/S mit den Läufen<br />
drei bis sechs holte sich der spanische<br />
Montesa-Honda-Pilot vier weitere Tagessiege<br />
und führt die WM jetzt mit der Maximalpunktzahl<br />
120 an. Der deutsche WM-<br />
Newcomer Franz Kadlec (Foto) erzielte in<br />
Sokolov mit Rang sieben sein bestes Karriereergebnis<br />
und ist guter WM-Neunter. abs<br />
Kevin Wölbert (Foto), Tobias Kroner<br />
und Martin Smolinski sind die drei<br />
deutschen Fahrer, die am 27. Juni<br />
in den Qualifikations-Semifinals<br />
von Terenzano/I (Kroner, Smolinski)<br />
und Riga/LAT (Wölbert) weiter<br />
um einen Dauerstartplatz in der<br />
Speedway-GP-Weltmeisterschaft<br />
2016 kämpfen werden.<br />
Foto: G2FMedia/FIM<br />
124 SPORT
◼ADAC-MX-Masters ◼<br />
in Bielstein<br />
Gelb gewinnt<br />
Suzuki-Gelb dominierte das Geschehen am dritten MX-<br />
Masters-Wochenende in Bielstein. Nach beiden Wertungsläufen<br />
standen mit dem Schweizer Jeremy Seewer (Foto),<br />
dem Niederländer Glenn Coldenhoff und dem deutschen<br />
Titelverteidiger Dennis Ullrich drei offizielle Fahrer der Marke<br />
in der genannten Reihenfolge auf dem Siegerpodest. In der<br />
Meisterschaftswertung führt Coldenhoff mit <strong>13</strong>5 Punkten vor<br />
Ullrich (110) und Seewer (103).<br />
abs<br />
Honda-Werksfahrer<br />
Eli Tomac, der die<br />
ersten fünf Rennen<br />
der diesjährigen<br />
US-Motocross-Meisterschaft<br />
gewonnen<br />
hatte, fällt für den<br />
Rest der Saison aus.<br />
Der 22-Jährige hat<br />
sich an beiden<br />
Schultern verletzt.<br />
◼Motocross-WM ◼<br />
in Villars-sous-Écot/F<br />
Nagls Gegner stürzt<br />
Der Deutsche Max Nagl bleibt auch nach dem achten von<br />
18 Grand Prix-Wochenenden an der Spitze der Motocross-WM-Tabelle.<br />
Obwohl dem 26-jährigen Husqvarna-Piloten<br />
bei den letzten beiden GP kein Laufsieg gelang, konnte<br />
er seinen Vorsprung auf die besten Verfolger sogar auf 19<br />
Punkte ausbauen. Ihren Anteil daran hatte die brutale Strecke<br />
in Frankreich, die viele prominente Opfer forderte – allen<br />
voran Suzuki-Werksfahrer Clement Desalle. Der Belgier, der<br />
mit nur vier Punkten Rückstand auf Nagl nach Villars-sous-<br />
Écot kam, stürzte bereits im Zeittraining und renkte sich<br />
die rechte Schulter aus. Trotzdem nahm er am Sonntag das<br />
Rennen auf, musste aber nach einer Runde aufgeben. aho<br />
www.motorradonline.de<br />
Foto: Hodgkinson Foto: Simon Cudby/HRC<br />
Foto: Bauerschmidt/ADAC<br />
19.-21. Juni <strong>2015</strong><br />
ADAC<br />
Sachsenring<br />
Classic<br />
Motorsportlegenden der<br />
50er/60er & 70er/80er<br />
u.a. mit Hugh Anderson<br />
Jan de Vries, Luigi Taveri,<br />
Eugenio Lazzarini, Dieter Braun,<br />
Ralf Waldmann, Heinz Rosner …<br />
weltmeisterliches Starterfeld<br />
<strong>13</strong> verschiedene Klassen | Offenes Fahrerlager<br />
PRO SUPERBIKE Revival | Autogrammstunden<br />
Fankorso | MZ RE | Seitenwagen<br />
www.sachsenring-classic.de
S P O R T<br />
Motorrad-WM als Werbeplattform<br />
Preisfrage: Welches namhafte deutsche<br />
Unternehmen kommt einem<br />
beim Stichwort Motorrad-Straßenweltmeisterschaft<br />
zuerst in den<br />
Sinn? Ganz richtig – BMW. Aber nicht der<br />
Motorradhersteller BMW, denn die Bayern-<br />
Bikes eignen sich nicht für Grand Prix-Sport<br />
auf höchstem Niveau. Nein, es ist die BMW<br />
M GmbH, bei der Großserienmodelle der<br />
Marke zu exklusiven Sportwagen veredelt<br />
werden. Bereits seit 17 Jahren ist die BMW<br />
M GmbH offizieller Fahrzeuglieferant des<br />
GP-Vermarkters Dorna, stellt vom Safety-Car<br />
über das Medical Car und VIP-Shuttles bis<br />
hin zur Luxuskarosse von Dorna-Chef Carmelo<br />
Ezpeleta den Fuhrpark zur Verfügung.<br />
Und sonst? Da war mal was mit Heiztechnik-Hersteller<br />
Viessmann, mit dessen<br />
Unterstützung Stefan Bradl 2011 Moto2-<br />
Weltmeister wurde. Doch Viessmann war<br />
nicht im GP-Sport vertreten, weil die Firma<br />
im Hightech-Umfeld MotoGP eine geeignete<br />
Umgebung zur Präsentation ihrer innovativen<br />
Produkte sah. Es war vielmehr so,<br />
dass Viessman-Chef Dr. Martin Viessmann<br />
Ende 2008 nicht tatenlos dabei zusehen<br />
wollte, wie die Karriere des talentierten Stefan<br />
Bradl mangels Budget vorzeitig zu Ende<br />
geht. Mit Bradls WM-Gewinn war Viessmanns<br />
Mission dann sozusagen erfüllt, den<br />
finanziell wesentlich aufwendigeren Schritt<br />
Bradls in die MotoGP-Klasse wollte er nicht<br />
ÖLGEMÄLDE<br />
Der Ulmer Schmierstoffproduzent<br />
Liqui Moly tritt<br />
dieses Jahr erstmals als Exklusiv-Lieferant<br />
der Moto2-<br />
und Moto3-Weltmeisterschaft<br />
auf. Er zeigt sein<br />
Logo auf der MotoGP-Internetseite,<br />
auf Werbebanden<br />
an Rennstrecken, bei TV-<br />
Übertragungen sowie auf<br />
der Maschine von Sandro<br />
Cortese. Eine außergewöhnliche<br />
Präsenz im GP-<br />
Sport, der von deutschen<br />
Firmen als Reklameumfeld<br />
sonst eher gemieden wird.<br />
Von Andreas Schulz; Fotos: 2snap, racepixx (2),<br />
Liqui Moly (1), Andrew Northcott (1)<br />
126 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
mitgehen. Das lasse sich auch mit den Unternehmenszielen<br />
in Sachen Energieeffizienz<br />
und Umweltschutz nicht vereinbaren.<br />
Werbung im MotoGP-Sport: für deutsche<br />
Firmen offenbar eine schwierige Sache.<br />
Jetzt versucht sich erneut ein Unternehmen<br />
aus der Heimat daran, seinen Bekanntheitsgrad<br />
durch Präsenz bei den Motorrad-<br />
Grand-Prix zu vergrößern. 20<strong>13</strong> war der Ulmer<br />
Schmierstoff-Fabrikant Liqui Moly als<br />
wichtiges Gründungsmitglied in das neue<br />
IntactGP-Team eingestiegen, in dem der<br />
frisch gekürte Moto3-Weltmeister Sandro<br />
Cortese sich zum Bradl-Nachfolger in der<br />
Moto2-Klasse entwickeln soll. Und obwohl<br />
Corteses Ergebnisse in den ersten beiden<br />
Jahren eher bescheiden blieben, hat Liqui<br />
Moly sein Engagement in der Motorrad-<br />
WM <strong>2015</strong> erheblich ausgeweitet. Bei IntactGP<br />
und Cortese bleibt der mit rund 700<br />
Mitarbeitern vergleichsweise kleine Ölproduzent<br />
an Bord. Hinzu kommt eine Vereinbarung<br />
mit der Dorna, die Liqui Moly zum<br />
Exklusivlieferanten für Schmierstoffe in den<br />
kleinen Klassen Moto3 und Moto2 macht.<br />
Das geht einher mit Bandenwerbung an<br />
den Rennstrecken und Online-Anzeigen auf<br />
der WM-Homepage www.motogp.com.<br />
Was steckt hinter dieser Strategie?<br />
„Aus rein deutscher Sicht ist MotoGP<br />
vielleicht tatsächlich nicht so der Renner“,<br />
bringt es Peter Baumann, der Marketingleiter<br />
von Liqui Moly, direkt auf den Punkt,<br />
„und obwohl der deutsche Markt als unser<br />
Heimatgebiet wichtig ist, betrachten wir die<br />
Sache aus dem globalen Blickwinkel. Liqui<br />
Moly ist in 120 Ländern aktiv. Außerdem<br />
machen wir unser Hauptgeschäft mit Automobilprodukten,<br />
und heute hat praktisch<br />
jeder, der sich für Motorradrennen interessiert,<br />
ein Auto. Weltweit ist die MotoGP-WM<br />
tatsächlich eine der stärksten Rennserien<br />
im Fernsehen. Die Zahlen liegen auf dem<br />
Tisch.“ Zahlen gibt es tatsächlich massenhaft.<br />
Denn bei jeder Veranstaltung lässt die<br />
Teamvereinigung IRTA die gesendeten TV-<br />
Bilder detailliert daraufhin überprüfen, wie<br />
lange welche Sponsorenlogos zu sehen waren.<br />
Aus dem Bericht dazu gehen Informationen<br />
wie diese hervor: Beim Moto3-WM-<br />
Lauf in Qatar 2014 war das Logo des spanischen<br />
Bierbrauers Estrella Galicia, beispielsweise<br />
auf der Teamuniform, der Lederkombi<br />
und der Verkleidung des späteren Weltmeisters<br />
Alex Márquez, 348 Sekunden lang zu sehen.<br />
Allein aus dieser Zeitspanne haben die<br />
Experten einen Werbewert von fast 140 000<br />
Euro berechnet. Die Zahlen sollen den Teams<br />
bei der Sponsorenakquise helfen.<br />
Das 2014 noch glücklos agierende deutsche<br />
Kiefer-Team war in Qatar vom Qualifying<br />
bis zum Rennen lediglich zwölf Sekunden<br />
lang sichtbar – errechneter Werbewert<br />
knapp 4761 Euro. Auch das ein Grund dafür,<br />
dass Liqui Moly dieses Jahr nochmals kräftig<br />
investiert hat. „Natürlich war unser Einstieg<br />
bei IntactGP und Sandro Cortese 20<strong>13</strong><br />
auch eine Art Versuchsballon“, sagt Peter<br />
Baumann, „aber wir wussten von vornherein:<br />
Wenn wir einen einzelnen Fahrer unterstützen,<br />
kann der sich im Freitagstraining<br />
wehtun und am Sonntag womöglich nicht<br />
am Rennen teilnehmen. Mit dem Team in<br />
der WM vertreten zu sein, ist ein ganz wichtiger<br />
Punkt, wir brauchen die Bilder davon<br />
für Prospekte, Broschüren, Presseaktivitäten<br />
und Kundeneinladungen.“ Speziell die, da<br />
ist Baumann sicher, würden ohne das Team<br />
und Sandro Cortese als Anknüpfungspunkt<br />
im Fahrerlager nur schwierig zu realisieren<br />
sein. „Darüber hinaus brauche ich aber die<br />
garantierte weltweite TV-Präsenz, und die<br />
schaffen wir über die Bandenwerbung.“ Einen<br />
mittleren zweistelligen Millionenbetrag<br />
soll Liqui Moly dem Vernehmen nach bei<br />
der Dorna für den Drei-Jahres-Deal abgeliefert<br />
haben. „Die Zahl kommentiere ich<br />
nicht“, sagt Baumann, „nur so viel: Es ist die<br />
größte Maßnahme, die Liqui Moly in dieser<br />
Art je durchgezogen hat.“<br />
Damit nicht genug. Im deutschen Sendefenster<br />
von Eurosport, wo die GP-Übertragungen<br />
für Deutschland exklusiv laufen,<br />
Als Schmierstoffproduzent<br />
ist<br />
Liqui Moly in der<br />
Motorrad-Straßenweltmeisterschaft<br />
in bester<br />
Gesellschaft. Von<br />
oben nach unten:<br />
Castrol wirbt bei<br />
Cal Crutchlow, Suzukis<br />
Eigenmarke<br />
EcStar bei den<br />
Suzuki-Werksfahrern.<br />
Yamaha zeigt<br />
seine Hausmarke<br />
Yamalube direkt<br />
neben dem Konkurrenzprodukt<br />
Eneos. Liqui Moly<br />
glänzt bei Sandro<br />
Cortese, Motorex<br />
bei Tom Lüthi,<br />
Motul bei Pol<br />
Espargaró. Repsol<br />
ist Hauptsponsor<br />
des Honda-MotoGP-Werksteams<br />
und Shell Technikpartner<br />
der<br />
Ducati-Truppe<br />
„Für global agierende Firmen ist die MotoGP-WM eine hervorragende<br />
Werbeplattform“, ist sich Liqui Moly-Marketingleiter<br />
Peter Baumann sicher. Bei den TV-Übertragungen<br />
tritt die Marke als „Official Presenter“ in Erscheinung<br />
www.motorradonline.de
WM als Werbeplattform<br />
Philipp Öttl<br />
(links) und<br />
Teamchef Terrell<br />
Thien: Öl-<br />
Sponsor Motorex<br />
ist weg –<br />
wegen Liqui<br />
Moly? Sie müssen<br />
das deutsche<br />
Öl fahren,<br />
werben dürften<br />
sie für Motorex<br />
gibt Liqui Moly den „Official Presenter“, das<br />
Markenlogo erscheint jedes Mal vor Beginn<br />
einer Live-Übertragung. Mit der Eurosport-<br />
Entscheidung, lediglich die Hälfte der<br />
Grand Prix im Free-TV und den Rest auf<br />
dem Bezahl-Kanal Eurosport2 zu zeigen, ist<br />
Baumann nicht besonders glücklich: „Das<br />
ist ein Problem“, sagt er, nachdem die ersten<br />
Rennen gelaufen sind. Nicht zuletzt<br />
deshalb, weil es für Eurosport2 keine unabhängig<br />
erhobenen Einschaltquoten gibt.<br />
Und bei den Werten, die von den Quotenzählern<br />
bei Media Control für das frei empfangbare<br />
Eurosport-Programm erfasst wurden,<br />
ist im Vergleich zum Vorjahr, als der<br />
Sender Sport1 für die Übertragungen zuständig<br />
war, noch Luft nach oben.<br />
Eine andere Thematik macht Baumann<br />
weniger Kopfzerbrechen. Nicht überall im<br />
Fahrerlager war der neue Öl-Exklusivlieferant<br />
herzlich willkommen. So beklagt beispielsweise<br />
Terrell Thien, Teammanager der<br />
deutschen Moto3-Hoffnung Philipp Öttl,<br />
dass ihm sein bisheriger Sponsor Motorex,<br />
ein Schweizer Ölhersteller, mit Hinweis auf<br />
Liqui Moly abgesprungen sei. „Ein anderes<br />
Öl würde vielleicht auch noch ein oder zwei<br />
PS mehr aus den Motoren holen“, grummelt<br />
er noch, um aber gleich hinterherzuschieben:<br />
„Weil aber alle das gleiche Öl fahren<br />
müssen, gelten auch für alle die gleichen<br />
Voraussetzungen – und das ist in den kleinen<br />
Klassen gut so.“<br />
Baumann nimmt’s gelassen: „So ist halt<br />
das Geschäft – uns hat auch nicht geschmeckt,<br />
dass wir in den vergangenen<br />
Jahren ein Konkurrenzprodukt in unser Liqui<br />
Moly-Motorrad kippen mussten.“ Er hat<br />
übrigens nichts dagegen, dass die Teams<br />
und Fahrer weiterhin für andere Schmierstoffmarken<br />
werben: „Ich will ja nicht, dass<br />
die einen Schmierstoff-Sponsor verlieren.“<br />
Dass aber tatsächlich Liqui Moly-Öl gefahren<br />
wird, ist für ihn wichtig. „Wir wollen<br />
auch die Qualität unserer Produkte unter<br />
diesen extremen Bedingungen unter Beweis<br />
stellen. Die Teams sind verpflichtet,<br />
unser Öl in ihren Motoren zu verwenden,<br />
egal, für welches Öl sie werben. Das wird<br />
von der IRTA stichprobenartig kontrolliert.“<br />
Eine erste Zwischenbilanz zur neuen<br />
Kampagne fällt positiv aus. „Wir erhalten<br />
begeistertes Feedback von Händlern aus<br />
der ganzen Welt“, freut sich Baumann, „unser<br />
Konzept scheint aufzugehen.“ Ob es<br />
auch unterm Strich ein Erfolg ist? Abgerechnet<br />
wird in drei Jahren.<br />
www.motorradonline.de/sport<br />
Öl in MotoGP-Motoren Hausmannskost oder Spezialität?<br />
Liqui Moly ist exklusiver Motoröl-Lieferant für die kleinen WM-Kategorien Moto3 und Moto2, aber nicht in der Königsklasse MotoGP.<br />
Wäre das zu teuer gewesen? Nein, sagen die Techniker. Die Anforderungen der MotoGP-Motorenhersteller wären zu speziell gewesen.<br />
Motoröl soll schmieren – das ist klar.<br />
Aber es hat außerdem noch viel mehr<br />
Aufgaben zu erfüllen. Es muss kühlen, das<br />
Innenleben der Motoren vor Korrosion<br />
schützen, das Triebwerk sauber halten, indem<br />
es Abrieb, Schmutz oder Verbrennungsrückstände<br />
zum Ölfilter transportiert,<br />
abdichten und nicht zuletzt Kräfte<br />
übertragen. Dabei soll es möglichst gute<br />
Fließeigenschaften haben, um die Motorleistung<br />
nicht zu reduzieren. In Motorradmotoren,<br />
in denen – anders als bei Pkw-<br />
Triebwerken – Motor, Getriebe und gegebenenfalls<br />
die Ölbadkupplung im gleichen<br />
Ölkreislauf sind, muss es zusätzlich<br />
bestimmte Reibwerte einhalten. Sonst<br />
rutscht die Kupplung.<br />
Welche Eigenschaften<br />
ein Öl hat, wird<br />
durch die Rezeptur<br />
bestimmt, das Mischungsverhältnis<br />
zwischen Grundöl<br />
und verschiedenen<br />
Additiven. Zu jedem<br />
Öl gehört ein umfangreiches<br />
Datenblatt,<br />
das viel mehr<br />
Informationen enthält<br />
als die allgemein<br />
bekannte Viskositätsklasse,<br />
beispielsweise<br />
10W-40. Die sagt lediglich<br />
etwas darüber<br />
aus, in welchem Temperaturbereich<br />
ein Öl gut funktioniert. Die übrigen Daten<br />
helfen Motorkonstrukteuren bei der Auswahl<br />
des richtigen Öls für ihren Motor.<br />
Längst wird Öl mit seinen Eigenschaften<br />
genau wie eine Welle oder ein Zahnrad in<br />
den Entwurf eines Triebwerks einbezogen.<br />
Fordert beispielsweise die Marketingabteilung<br />
für ein neues Fahrzeug extrem lange<br />
Ölwechselintervalle als Verkaufsargument,<br />
kann der Ingenieur ein besonders<br />
langlebiges Öl auswählen und die Bauteile<br />
seines Motors passend zu den übrigen Parametern<br />
des Schmierstoffs auslegen. Nur<br />
die besten Eigenschaften in einem Öl zu<br />
vereinen, funktioniert leider nicht – ein<br />
Kompromiss ist gefragt.<br />
Je nachdem, welchen Anforderungen ein<br />
Öl genügt, erfüllt es die Standards verschiedener<br />
Organisationen wie des American<br />
Petroleum Institute (API) oder der<br />
Japa nese Automotive Standards Organization<br />
(JASO). Üblicherweise wählen Konstrukteure<br />
ein Öl nach diesen Standards<br />
aus, und weil die Einheitsmotoren der Moto2-Klasse<br />
auf dem Großserien-Vierzylinder<br />
der Honda CBR 600 RR basieren (und<br />
die Hersteller der Einzylinder-250er für die<br />
Moto3-Klasse ebenfalls auf Standardöle<br />
setzen), konnten die Liqui Moly-Leute einfach<br />
ins Regal greifen, um das passende<br />
Produkt zu liefern. In diesem Fall das Motorbike<br />
4T Synth 5W-40 Street Race. Das<br />
erfüllt die Anforderungen der höchsten<br />
API-Klasse SM und der höchsten JASO-<br />
Norm MA2. Mit der JASO-Norm wird die<br />
Eignung für Ölbadkupplungen festgestellt.<br />
In der MotoGP-Klasse sind die Eigenschaften<br />
der verwendeten Öle ein Betriebsgeheimnis<br />
der Motorenhersteller. Wären sie<br />
bekannt, ließe das Rückschlüsse darauf zu,<br />
mit welcher konstruktiven Strategie die<br />
einzelnen Prototypen-Kraftwerke auf<br />
Höchstleistung getrimmt wurden. Daran<br />
hat kein Werk Interesse. Folgerichtig kann<br />
es keinen Einheits-Öllieferanten geben.<br />
Vielmehr ist zu erwarten, dass die einzelnen<br />
Motorenbauer mit den Ölmischern<br />
ihres Vertrauens Spezialschmierstoffe austüfteln,<br />
die besonders gut zu ihren Triebwerken<br />
passen – und nur zu diesen.<br />
128 SPORT <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
Der Mythos lebt!<br />
24 Heures du Mans.<br />
Alles über das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Die Geschichte, die Entwicklung,<br />
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auto motor und sport. Dieses Sonderheft macht das 24-Stunden-Rennen<br />
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K U L T B I K E<br />
Klare Formen und zierlicher<br />
Aufbau münden<br />
in <strong>13</strong>4 kg Gewicht. Da<br />
wirkt die nachgerüstete<br />
zweite Brembo-<br />
Bremsscheibe schon<br />
fast übertrieben<br />
<strong>13</strong>0 KULTBIKE <strong>13</strong>/<strong>2015</strong>
BENELLI 250-2C<br />
Wer eine 250er-Zweizylinder hatte,<br />
der durfte mitreden. Damals, vor<br />
gut 40 Jahren. Die meisten verlangten<br />
mindestens 30 PS, nur Mutige<br />
entschieden sich für italienische<br />
Eleganz und Leichtigkeit.<br />
Von Fred Siemer; Fotos: Stefan Wolf<br />
Alessandro de Tomaso glaubte felsenfest, Erfolg<br />
könne man kopieren. Deshalb formte der Ex-Rennfahrer<br />
und Industrielle das Modellprogramm der<br />
Benelli-Gruppe schon kurz nach der Übernahme<br />
ganz in japanischem Stil. Im besonders kostensensiblen<br />
Segment zwischen 125 und 250 cm³ setzte<br />
er auf bereits vor seiner Regentschaft entwickelte<br />
Zweitakt-Twins, darüber auf Viertakt-Fours, nur ganz<br />
obenraus betrat er mit der Sechszylinder 750 Sei<br />
Neuland. Doch obwohl alle Konstruktionen den<br />
technischen Vorgaben aus Fernost folgten und sich<br />
hier von Yamaha, dort von Honda beeinflussen<br />
ließen, offenbaren sie beim zweiten Hinsehen liebenswürdige<br />
Eigenheiten.<br />
Dies gilt ganz besonders für die 1972 auf dem<br />
Mailänder Salon präsentierten und vom deutschen<br />
Zweitakt-Spezialisten Peter Dürr entwickelten 125<br />
und 250-2C. Beide verwenden das gleiche horizontal<br />
geteilte Motorgehäuse, Getriebe und Kupplung<br />
sind ebenfalls identisch, dito die Kurbelwelle in ihren<br />
Hauptmaßen und leider auch die für eine 250er sehr<br />
knapp dimensionierte Sekundärkette. Die Leichtmetallzylinder<br />
des Viertellitermotors besitzen eine<br />
hartverchromte Laufbahn – hält zwar eine ganze<br />
Zeit, kann dann aber nicht nachgeschliffen werden.<br />
Heftig kontrastiert die kontaktlose Zündung mit<br />
dem vorsintflutlichen Sechs-Volt-Stromgenerator.<br />
Auch Mischungsschmierung 1:25 und simple<br />
Schlitzsteuerung waren unter fortschrittlichen Zweitaktern<br />
längst nicht mehr angesagt. Aber dafür<br />
glänzt der Benelli-Twin bis in höchste Drehzahlen<br />
mit einem seidenweichen Lauf und sorgt für Fahrleistungen,<br />
die an seinen amtlich bescheinigten<br />
24 PS zweifeln lassen. 150 km/h Spitze liegen jedenfalls<br />
auf dem Niveau einer Suzuki GT 250 und nur<br />
<strong>13</strong> km/h unter jener der 32-PS-Rakete RD 250. Freilich<br />
beschleunigt die Yamaha nicht zuletzt dank ihres<br />
eng gestuften und besser schaltbaren Sechsganggetriebes<br />
deutlich besser, zumal die Benelli eine leise<br />
Antrittsschwäche plagt. Ihrer leichten Kurbelwelle<br />
fehlt es zum beherzten Angasen an Schwungmasse,<br />
die Kupplung will wohldosiert werden.<br />
Egal, es soll Leute geben, die es gern laufen lassen.<br />
Denen kommt die Benelli entgegen: Sie wiegt<br />
satte 20 Kilo weniger als die Nippon-Konkurrenz<br />
und vereint rund um ihren wunderschön klar und<br />
zierlich gezeichneten Doppelschleifenrahmen Fahrwerkskomponenten,<br />
wie sie die Japaner damals<br />
eben noch nicht hinbekamen. Sensibel ansprechende,<br />
aber nicht zu weiche Marzocchi-Federelemente<br />
überzeugen ebenso wie lässige Spurtreue und<br />
vor allem leichtes Handling. Die schöne Duplex-<br />
Trommelbremse lieferte Grimeca, sie konnte mit<br />
den gängigen Scheibenbremsen ihrer Zeit gut<br />
mithalten, ehe 1976 dann auch Benelli auf eine<br />
knackige Brembo-Scheibenbremse<br />
umrüstete. Trotz genannter<br />
Schwächen – gelinde Qualitätsmängel<br />
kamen noch<br />
hinzu – bezirzte die<br />
Benelli jeden mit<br />
ihrer feinen, kultivierten<br />
Art, mit<br />
ihrem überzeugenden<br />
Einstehen für<br />
absolute Leichtigkeit.<br />
Bei <strong>MOTORRAD</strong> jedenfalls<br />
schwärmten<br />
1974, beim Eintreffen<br />
der ersten Exemplare für<br />
den deutschen Markt,<br />
nicht nur die altgedienten<br />
und Adler-infizierten<br />
Dauerzweitakter.<br />
DATEN (BAUJAHR 1975)<br />
Luftgekühlter Zweizylinder-<br />
Zweitakt-Reihenmotor, 231 cm³,<br />
17,7 kW (24 PS) bei 7500/min,<br />
23 Nm bei 7000/min, Fünfganggetriebe,<br />
Doppelschleifenrahmen<br />
aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt<br />
<strong>13</strong>4 kg, Reifen vorn 3.00<br />
x 18, hinten 3.25 x 18, Tankinhalt<br />
12,5 Liter, Höchstgeschwindigkeit<br />
(lang liegend) 150 km/h,<br />
0–100 km/h in 12,9 sek.<br />
SZENE Die 2C-Modelle ersetzten<br />
mehrere Zwei- und Viertakter<br />
des Benelli-Gemischtwarenladens,<br />
sie wurden auch als<br />
Motobi und etwas geändert als<br />
Moto Guzzi angeboten. Obwohl<br />
preislich konkurrenzfähig, misslang<br />
der Durchbruch in Deutschland.<br />
Immerhin begeistern sie<br />
heute eine stabile Fangemeinde.<br />
Noch sind gute Exemplare<br />
im Umlauf, die Preise beginnen<br />
bei der 125er um die 1000, bei<br />
der 250er um die 1500 Euro.<br />
Richtig gute Maschinen kosten<br />
1000 Euro mehr. Ersatzteile sind<br />
ausreichend vorhanden.<br />
INFO Es gibt keine deutsche Literatur<br />
zur 250-2C. Über Benelli<br />
allgemein informiert das englische<br />
Werk „Benelli“ (18 Euro)<br />
von Mick Walker. Weiterhin ist<br />
das italienische Werkstatthandbuch<br />
erhältlich (25 Euro). Beide<br />
Titel vertreibt www.benelli-bauer.<br />
com, gleichzeitig größter Ersatzteilhändler<br />
sowie zentraler<br />
Anlaufpunkt der Szene. Weitere<br />
Infos unter: www.benelli-ig.de<br />
und www.zweitakte.de<br />
In Ausgabe 4/<strong>2015</strong> hat unsere<br />
Schwesterzeitschrift einen Vergleich<br />
der 250-2C mit der Suzuki<br />
GT 250 und der Maico MD 250<br />
gebracht. Nachbestellungen unter<br />
07 11/32 06 88 99.<br />
Alter Test gesucht?<br />
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www.motorradonline.de<br />
KULTBIKE <strong>13</strong>1
R Ü C K S P I E G E L<br />
Neues von damals aus dem <strong>MOTORRAD</strong>-Archiv<br />
30<br />
07/1985 Basiswissen für Stammtischdiskussionen.<br />
Welches Fahrzeug<br />
bremst besser – Auto oder Motorrad? Um diese wichtige<br />
Frage zu klären, ließen die <strong>MOTORRAD</strong>-Tester<br />
fünf Zwei- und Dreiräder (Honda XL 500, Honda VF<br />
500 F II, MZ-Gespann, Moto Guzzi V 1000 SP, Suzuki<br />
GSX 1100) gegen drei Vierräder (Audi Quattro mit ABS,<br />
VW Passat, VW-Kleintransporter) antreten. Von 100<br />
auf 0 km/h auf möglichst kurzem Wege – darum ging<br />
es. Sowohl auf trockener als auch auf nasser Fahrbahn<br />
stand die VF am schnellsten und benötigte die XL<br />
am meis ten<br />
Meter. Größte<br />
Überraschung<br />
aber:<br />
Das MZ-<br />
Gespann<br />
bremste richtig<br />
gut und<br />
stand ähnlich<br />
schnell<br />
wie der ABS-<br />
Pkw.<br />
45<br />
12/1970 Gasttester haben bei<br />
<strong>MOTORRAD</strong> Tradition. Heute sind es<br />
die <strong>MOTORRAD</strong>-Helden, die hinter die Kulissen blicken<br />
dürfen. Vor 45 Jahren waren es die Teenager Albert,<br />
Christian, Ulli und Volker, die in den Testbetrieb eingebunden<br />
wurden. Ernst „Klacks“ Leverkus ließ die<br />
Jungspunde das Neckermann-Discountangebot Garelli<br />
Rekord und den Fernost-Exoten Yamaha FS 1 ausführlich<br />
testen. Die rund fünf PS starken Kleinkrafträder<br />
schlugen sich tapfer. Garelli: Ölundichtigkeiten,<br />
gerissener Kupplungszug, verlorenes Spiegelglas,<br />
undichter Ansaugstutzen, gebrochene Tachowelle.<br />
Yamaha: Bremslicht defekt – alles nur Kleinkram.<br />
Viele Originalartikel finden Sie unter www.motorradonline.de/rueckspiegel<br />
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Herausgeber: Paul Pietsch †, Ernst Troeltsch †<br />
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Im dritten Teil des Reifentests<br />
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