Ausgabe 1-2013 - IGZ
Ausgabe 1-2013 - IGZ
Ausgabe 1-2013 - IGZ
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Sc h w e r p u n k t t h e m a |<br />
DAJ-Studie nur 54% der Kinder Milchgebisse ohne<br />
Karieserfahrung. Mit einer Kariesreduktion im Milchgebiss<br />
von rund 35% innerhalb von 16 Jahren macht<br />
die Reduktion nur ca. die Hälfte der im bleibenden<br />
Gebiss realisierten Verbesserungen aus. Offensichtlich<br />
sind die Konzepte, die bei den 12-Jährigen im<br />
bleibenden Gebiss herausragende Erfolge gezeitigt<br />
haben, nicht geeignet, um im Milchgebiss ebensolche<br />
Verbesserungen zu erzielen. Da die zur Verfügung<br />
stehenden präventiven Instrumente im Grunde aber<br />
in beiden Altersgruppen gleich sind, muss eine wichtige<br />
Ursache für diese unterschiedliche Entwicklung<br />
in der Anwendung dieser Instrumente sowie im Gesamtkonzept<br />
liegen.<br />
Es kann gemutmaßt werden, dass unter anderem<br />
der Zeitfaktor, zu dem die Kinder in zahnmedizinische<br />
Betreuung kommen, für die unterschiedliche<br />
Entwicklung mitverantwortlich ist. Wenn die ersten<br />
bleibenden Zähne im Alter von 6 Jahren in die<br />
Mundhöhle durchbrechen, befindet sich das Kind in<br />
der Regel in einem bereits etablierten präventiven Betreuungsverhältnis,<br />
sei es im Rahmen der Gruppenoder<br />
der Individualprophylaxe. Die Zähne können daher<br />
von Anfang an mit der bestmöglichen fachlichen<br />
Aufmerksamkeit umsorgt werden. Anders verhält es<br />
sich hingegen beim Milchgebiss: Hier steht die Bezahnung<br />
bereits komplett in der Mundhöhle und ist<br />
den dortigen Gegebenheiten ausgesetzt, bevor eine<br />
adäquate präventive Betreuung erfolgt. Wenn diese<br />
einsetzt, ist es in vielen Fällen bereits zu spät, und<br />
das Kind hat schon Karies.<br />
Dies dokumentieren zahlreiche epidemiologische Untersuchungen<br />
zur frühkindlichen Karies. Stellvertretend<br />
seien Zahlen aus Hamburg zitiert. Hier hatten im<br />
Jahr 2006 73% der 3- bis 6-jährigen Kinder Gebisse<br />
ohne Karieserfahrung. Die übrigen Kinder mit Karieserfahrung<br />
hatten aber bereits einen durchschnittlichen<br />
DMFT-Wert von mehr als vier Zähnen. Noch<br />
deutlicher wird das präventive Versorgungsdilemma<br />
beim Blick auf die Dreijährigen. In diesem Alter<br />
setzt im Allgemeinen frühestens eine zahnmedizinische<br />
Betreuung ein. Unter den dreijährigen Kindern<br />
waren zwar 84% kariesfrei, doch bedeutet dies, dass<br />
bereits 16% von Karies betroffen waren. Diese betroffenen<br />
Kleinkinder wiesen einen mittleren DMFT-<br />
Wert von 3,4 auf. Es lässt sich unschwer erkennen,<br />
dass hier bereits der Grundstein für die Kariespolarisation<br />
gelegt ist und dass die etablierten präventiven<br />
Versorgungsangebote offensichtlich deutlich zu<br />
spät einsetzen.<br />
Die konsequente Folgerung muss sein, die präventive<br />
Betreuung deutlich früher als bislang beginnen zu lassen.<br />
Bereits bei den unter Dreijährigen sind funktionierende<br />
zahnärztlich betreuende Strukturen zu etablieren.<br />
Dass diese Schlussfolgerung berechtigt ist,<br />
zeigen neben individuellen Fällen auch Daten, die in<br />
Kinderkrippen bei 1- und 2-jährigen Kleinkindern erhoben<br />
wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder<br />
schon sehr früh Karies entwickeln: In dieser Altersgruppe<br />
haben bereits 4% der Kinder manifeste,<br />
das Dentin einbeziehende Karies. Unter Berücksichtigung<br />
von Initialläsionen sind sogar 15% der Kinder<br />
betroffen. Diese Kinder mit Karies haben im Schnitt<br />
fast 4 betroffene Zähne!<br />
Eine sehr früh einsetzende Betreuung der<br />
Kleinkinder ist unumgänglich. Die bisherige<br />
Betreuungslücke bei den unter Dreijährigen<br />
muss geschlossen werden.<br />
Die Zahlen sind eindeutig, und die Schlussfolgerungen<br />
erscheinen zwingend: Eine sehr früh einsetzende<br />
Betreuung der Kleinkinder ist unumgänglich. Die<br />
bisherige Betreuungslücke bei den unter Dreijährigen<br />
muss geschlossen werden. Fachübergreifend arbeiten<br />
derzeit die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung<br />
(KZBV), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK),<br />
die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde<br />
(DGK) und der Bundesverband der Kinderzahnärzte<br />
(BuKiZ) gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband<br />
(DHV) an einem gesundheitspolitischen<br />
Konzept zur zahnmedizinischen Prävention der frühkindlichen<br />
Karies, um gesetzliche Rahmenbedingungen<br />
für einen Zahnarztbesuch ab dem ersten Lebensjahr<br />
zu schaffen.<br />
Für eine erfolgreiche Prävention bedarf es auch des<br />
Zusammenwirkens mehrerer Berufsgruppen. Bei Familien,<br />
deren Kinder von frühkindlicher Karies betroffen<br />
sind, sind mitunter schwierige familiäre und<br />
soziale Bedingungen gegeben, die das Mitwirken<br />
von Familienhebammen oder Sozialdiensten erforderlich<br />
machen.<br />
Es kann auch diskutiert werden, ob ein Screening von<br />
Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko von diesen Berufsgruppen<br />
erfolgen kann. Wiederholt wurde aufgezeigt,<br />
dass ein hoher Kariesbefall mit gut sichtbaren<br />
Zahnbelägen auf den Oberkiefer-Frontzähnen einhergeht.<br />
Dem Screening aufgrund dieses einfachen<br />
Kriteriums muss dann aber die Weiterleitung in die<br />
zahnmedizinische Fachkompetenz folgen. Dort haben<br />
die betroffenen Kinder dann die Chance, von den<br />
bewährten Methoden der Kariesprophylaxe wie der<br />
Anleitung zu adäquater Mundhygiene und angemessener<br />
Ernährungsweise, aber auch von eigenverantwortlichen<br />
oder professionellen Fluoridierungsmaßnahmen<br />
zu profitieren.<br />
<strong>IGZ</strong> Die Al t e r n a t iv e Nr. 1/<strong>2013</strong> |<br />
23