Ausgabe 1-2013 - IGZ
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| Sc h w e r p u n k t t h e m a<br />
schultes Personal, das parodontal erkrankte Patienten<br />
in Verhaltensänderungen unterweist und über<br />
lange Zeit führen und überwachen kann.<br />
Parodontitis und Diabetes sind Volkskrankheiten<br />
In Deutschland gibt es schätzungsweise 20 Millionen<br />
Patienten mit behandlungsbedürftigen Parodontalerkrankungen,<br />
davon 8 Millionen schwere Fälle<br />
mit Zahnfleischtaschen tiefer als 6 mm. Diabetes ist<br />
ähnlich weit verbreitet - auch hier rechnet man mit<br />
rund 8 Millionen Erkrankten. Beide Erkrankungen<br />
sind hochprävalent in der Bevölkerung. Bislang wird<br />
aber nur ein kleiner Teil der schweren Parodontalerkrankungen<br />
umfassend behandelt. Über die gesetzliche<br />
Krankenversicherung wurden nach Angaben der<br />
KZBV aus dem Jahr 2011 nur 954 100 Parodontalbehandlungen<br />
abgerechnet. Deshalb könnte eine Ausweitung<br />
der Parodontalbehandlungen, selbst wenn<br />
sie nur eine mäßige Verbesserung des Blutzuckerspiegels<br />
bei Diabetikern bewirken würde, eine bevölkerungsweite<br />
Auswirkung auf den Diabetes und<br />
seine Folgeerkrankungen haben.<br />
Eine Abschwächung der Diabetesfolgen ließe nicht<br />
zuletzt auch Einsparungen bei den Kassenausgaben<br />
erwarten. Von den anfallenden Behandlungskosten<br />
bei Diabetes (ca. 48 Mrd. Euro jährlich) gehen drei<br />
Viertel zu Lasten der mit Diabetes verbundenen Gefäßprobleme,<br />
allen voran die Kostentreiber Herzinfarkt,<br />
Schlaganfall und Nierenversagen. Eine stärkere<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten und<br />
Zahnärzten könnte erhebliche positive Effekte bewirken.<br />
Dazu bedarf es jedoch der vereinten Anstrengungen<br />
aller Partner im Gesundheitswesen.<br />
Wolfgang Hoffmann<br />
Medizin durch Zahnmediziner<br />
Die Zahnärzte könnten künftig eine wichtige Rolle bei der<br />
Prävention und Behandlung von Allgemeinerkrankungen<br />
spielen<br />
Prof. Dr. med. Wolfgang<br />
Hoffmann, MPH<br />
Versorgungsepidemiologe<br />
am Institut für Community<br />
Medicine der Universität<br />
Greifswald<br />
Viele Allgemeinerkrankungen sind mit Erkrankungen<br />
des Mundraumes assoziiert. Neben dem Diabetes werden<br />
auch Erkrankungen der Atemwege, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Osteoporose und auch Komplikationen<br />
in der Schwangerschaft mit Prozessen im<br />
Mundraum in Verbindung gebracht. Eine Früherkennung<br />
oder Aufdeckung dieser Erkrankungen in<br />
der zahnärztlichen Praxis wäre möglich und oft auch<br />
ohne aufwändige Diagnostik zu leisten.<br />
Doch noch gibt es Barrieren sowohl im zahnärztlichen<br />
wie auch im ärztlichen Bereich: Viele Zahnärzte<br />
fühlen sich für die Prävention außerhalb ihres Kerngebietes<br />
nicht zuständig oder nicht kompetent. Ärzte<br />
denken bei der Therapie selten an die zahnmedizinischen<br />
Implikationen einer Erkrankung. Gegenseitige<br />
Überweisungen zwischen Ärzten und Zahnärzten<br />
sind derzeit nicht möglich, die Abrechnungsmöglichkeiten<br />
für arbeitsteilig übernommene Aufgaben<br />
nicht flexibel genug.<br />
Auch im Studium müssen neue Strukturen verankert<br />
werden: Zahnmedizinstudenten brauchen einen größeren<br />
Anteil Medizin in der Ausbildung, Medizin-<br />
studenten profitieren von einer besseren Integration<br />
zahnmedizinischer Ausbildungsinhalte.<br />
Die Zahnärzteschaft verfügt über exzellente Voraussetzungen,<br />
um künftig eine stärkere Rolle bei der<br />
Früherkennung und beim Monitoring von Allgemeinerkrankungen<br />
zu spielen. Zahnarztpraxen sind in den<br />
meisten städtischen und auch in ländlichen Bereichen<br />
flächendeckend vorhanden. Die Mehrheit der Bevölkerung<br />
hat regelmäßigen Kontakt zum Zahnarzt. Untersuchungen<br />
zeigen, dass Patienten deutlich häufiger<br />
in die Zahnarztpraxis als zum Hausarzt gehen (s.<br />
Grafik rechts). Die regelmäßige Kontrolluntersuchung<br />
beim Zahnarzt hat - unterstützt durch die Bonusheft-<br />
Regelung und Recalls - im Bewusstsein vieler Menschen<br />
einen festen Platz eingenommen.<br />
Die hohe Inanspruchnahme und gute regionale Verteilung<br />
der Praxen bilden hervorragende Voraussetzungen<br />
für eine bessere Integration der Zahnärzte im<br />
Gesundheitssystem und deren konsequente Einbindung<br />
in die regionale Versorgung. Gerade wegen der<br />
hohen Verbreitung der mit dem Mundraum assoziierten<br />
Krankheiten würde eine große Zahl an Patienten<br />
von der interdisziplinären Behandlung profitieren.<br />
28 | <strong>IGZ</strong> DIe Al t e r n A t I v e nr. 1/<strong>2013</strong>