368 Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler<strong>Die</strong>s ist eine weitere Eigenschaft, welche die natürliche Exponentialfunktion <strong>und</strong> damitdie natürliche Basis e auszeichnet: Bis auf einen konstanten Faktor ist exp die einzigeFunktion, die ihre eigene <strong>Ableitung</strong>sfunktion ist. Man kann das Ergebnis auch aus derExponentialreihe e x = 1 + 1 1! x + 1 2! x2 + 1 3! x3 + . . . herleiten, indem man sie Glied für Glieddifferenziert: Das Ergebnis ist 0 + 1 1! 1 + 1 2! 2x + 1 3! 3x2 + 1 4! 4x3 + . . . = 1 + 1 1! x + 1 2! x2 +13! x3 + . . . = e x . Das Vorgehen kann mit einigem mathematischen Aufwand gerechtfertigtwerden <strong>und</strong> zeigt, dass man bei der Suche nach einer Funktion in Form einer Potenzreihef(x) = c 0 +c 1 x+c 2 x 2 +c 3 x 3 +. . ., die f = f ′ erfüllt, automatisch auf die Exponentialreihegeführt wird.Für eine allgemeine Exponentialfunktion a x mit Basis 0 < a ≠ 1 können wir die Differenzenquotientenschreiben 1 h [ah+x − a x ] = a x 1 h [ah − 1] = a x 1 k [ek − 1] ln a mit k := h ln a,<strong>und</strong> da mit h auch k gegen Null geht sowie 1 k [ek − 1] gegen die <strong>Ableitung</strong> der natürlichenExponentialfunktion an der Stelle 0, also gegen e 0 = 1, erhalten wir als Limes den Werta x ln a. Damit ist die <strong>Ableitung</strong> einer allgemeinen Exponentialfunktion berechnet:ddx ax = a x · ln a für x ∈ R <strong>und</strong> a > 0 ,was auch für a = 1, also a x = 1 konstant <strong>und</strong> ln a = 0 , richtig ist.• Man differenziert eine Exponentialfunktion, indem man sie mit dem natürlichenLogarithmus der Basis multipliziert.Da ln a = 1 nur für a = e gilt, sehen wir, dass die natürliche Exponentialfunktion dieeinzige ist, die Steigung 1 an der Stelle x = 0 hat; dies ist eine weitere Eigenschaft, welchedie natürliche Basis besonders auszeichnet.Für Exponentialfunktionen der Form e ct = (e c ) t lautet die <strong>Ableitung</strong>sformelddt ect = c · e ct .<strong>Die</strong> <strong>Ableitung</strong> einer solchen Funktion ist also proportional zu der abgeleiteten Funktionmit Proportionalitätsfaktor c ; derselbe Zusammenhang zwischen f <strong>und</strong> f ′ besteht dannauch bei Vielfachen de ct der Funktion e ct . Ein solches Gesetz f ′ (t) = cf(t) ist gr<strong>und</strong>legendfür ungehemmte kontinuierliche Wachstums- oder Zerfallsprozesse, bei denen die Änderungeines “Bestandes” f(t) zu jedem Zeitpunkt t proportional zur aktuellen Größe desBestandes ist. Ein Beispiel ist die Kapitalentwicklung bei kontinuierlicher Verzinsung einesAnfangskapitals K 0 , welche bei Jahreszinsfuß p% gegeben ist durch K(t) = K 0 e pt/100(siehe 1.3 ). Hier wächst der Bestand, weil der Proportionalitätsfaktor c = 1 p positiv ist100(<strong>und</strong> der Anfangswert K 0 auch). Zerfallsprozesse dagegen, wie z.B. radioaktiver Zerfalleiner Substanz oder Ähnliches, werden beschrieben durch <strong>Funktionen</strong> f(t) = de −ct mitc > 0 <strong>und</strong> erfüllen f ′ = −c · f mit negativem Proportionaltätsfaktor −c .6) Für die natürliche Logarithmusfunktion kann man die Differenzenquotienten zuStellen x 0 = ln y 0 <strong>und</strong> x = ln y schreiben (ln x − ln x 0 )/(x − x 0 ) = (y − y 0 )/(e y − e y 0) .Das Reziproke des letzten Quotienten strebt gemäß 5) gegen e y 0= x 0 bei y → y 0 . Da dieLogarithmusfunktion stetig ist, strebt mit x → x 0 aber auch y gegen y 0 , <strong>und</strong> damit dieDifferenzenquotienten der Logarithmusfunktion gegen 1/x 0 . Also ist 1/x 0 die <strong>Ableitung</strong><strong>von</strong> ln x an der Stelle x 0 , <strong>und</strong> da x 0 hier eine beliebige Stelle in R >0 ist, haben wir für die<strong>Ableitung</strong> der natürlichen Logarithmusfunktion gezeigt:ddx ln x = 1 xfür x ∈ R >0 .
Kap. 4, Abschnitt 4.3 369Das Argument, mit dem wir die <strong>Ableitung</strong> <strong>von</strong> ln aus Kenntnis der <strong>Ableitung</strong> <strong>von</strong> exp hierhergeleitet haben, funktioniert übrigens ganz allgemein bei der Berechnung der <strong>Ableitung</strong>der Umkehrfunktion einer streng monotonen Funktion mit <strong>Ableitung</strong> ohne Nullstelle; wirkommen darauf bei den Rechenregeln für das Differenzieren zurück. <strong>Die</strong> <strong>Ableitung</strong> andererLogarithmusfunktionen log a x = (ln x)/(ln a) ist nun einfach: Ihre Differenzenquotientenunterscheiden sich <strong>von</strong> denen der natürlichen Logarithmusfunktion alle nur um den Faktor1/ ln a, also erhalten wir für den Limes der Differenzenquotientenddx log a x = 1x ln afür x > 0 <strong>und</strong> 0 < a ≠ 1 .<strong>Die</strong> Berechnung der <strong>Ableitung</strong>en der Logarithmusfunktionen füllt übrigens eine Lücke inder Liste der <strong>Ableitung</strong>sfunktionen, die wir bisher bestimmt haben. Für alle Exponentenr ∈ R außer r = −1 kennen wir nämlich eine Funktion, die x r als <strong>Ableitung</strong> hat, wenigstensbis auf einen Faktor ≠ 0, nämlich x r+1 mit <strong>Ableitung</strong> (r+1)x r ; die Funktion 1r+1 xr hatdann genau x r als <strong>Ableitung</strong> (wie man leicht überlegt oder mit der “ersten Faktorregel”weiter unten schließt). Für r = −1 hat aber x r+1 = x 0 ≡ 1 <strong>Ableitung</strong> Null, <strong>und</strong> wirerhalten somit keine Potenzfunktion mit <strong>Ableitung</strong> 1/x . <strong>Die</strong>se Lücke schließt gerade dienatürliche Logarithmusfunktion.7) <strong>Die</strong> <strong>Ableitung</strong> der Kreisfunktionen geben wir hier nur ohne Beweis an, weil sie in derÖkonomie nicht so wichtig sind:d sin x = cos x , d cos x = − sin x für x ∈ R .dx dx8) Hier einige Beispiele für die Berechnung <strong>von</strong> partiellen <strong>Ableitung</strong>en: Für Potenzfunktionenx s einer Variablen x haben wir als <strong>Ableitung</strong> sx s−1 berechnet. <strong>Die</strong> Differenzenquotienten<strong>von</strong> Vielfachen cx s unterscheiden sich dann alle nur durch den Faktor c <strong>von</strong>den Differenzenquotienten zu x s , daher ist auch die <strong>Ableitung</strong> <strong>von</strong> cx s , also der Limes derDifferenzenquotienten, gleich csx s−1 . <strong>Die</strong>se Argumentation beweist für differenzierbare<strong>Funktionen</strong> f ganz allgemein die erste Faktorregel:(cf) ′ = c · f ′ für Konstanten c ∈ R .Es folgt z.B.∂∂x xr y s = rx r−1 y s , ∂∂y xr y s = sx r y s−1 ,da bei der <strong>Ableitung</strong> nach x die Potenz y s als konstanter Faktor anzusehen ist <strong>und</strong> bei der<strong>Ableitung</strong> nach y die Potenz x r . <strong>Die</strong> Rechnung gilt für x, y ∈ R >0 , bei natürlichen (bzw.ganzen) Zahlen als Exponenten sogar für beliebige x, y ∈ R (bzw. in R≠0 ). <strong>Funktionen</strong>der Form x r y s kommen in der Wirtschaftswissenschaft als Produktionsfunktionen vor.Allgemeiner verwendet man als Ansatz für Produktionsfunktionen sog. Cobb-Douglas-<strong>Funktionen</strong>x(r 1 , r 2 , . . . , r k ) = c · r s 11 · r s 22 · . . . · r s kkmit reellen Exponenten s i > 0 , um in bestimmten Situationen einen Produktions-Outputx (Produktionseinheiten) in Abhängigkeit vom Einsatz <strong>von</strong> k Produktionsfaktoren r 1 , r 2 ,. . . , r k > 0 (Rohstoffe, Energie, Arbeitsleistung, . . . jeweils in Faktoreinheiten) zu beschreiben.<strong>Die</strong> partielle <strong>Ableitung</strong>∂ x(r∂r 1 , r 2 , . . . , r k ) = c · r s 11 · . . . · s i r s i−1i · . . . · r s kk= s iir · x(r 1 , r 2 , . . . , r k )igibt dann die Änderung des Outputs bei Erhöhung des i-ten Faktoreinsatzes um eine(kleine) Einheit bei c.p.-Bedingung an, wenn also der Einsatz der anderen Faktoren unverändertbleibt.
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