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Praxishefte • Band 4 Gesunde Kinder – gleiche Chancen für alle?

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lögd Landesinstitut<br />

<strong>für</strong> den Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst NRW<br />

ISBN 3-88139-092-8<br />

lögd<br />

<strong>Gesunde</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>–</strong> <strong>gleiche</strong> <strong>Chancen</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>? <strong>•</strong> Ein Leitfaden <strong>für</strong> den Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Förderung gesundheitlicher Teilhabe<br />

<strong>Gesunde</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>gleiche</strong> <strong>Chancen</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

lögd: <strong>Praxishefte</strong> <strong>•</strong> <strong>Band</strong> 4<br />

Ein Leitfaden <strong>für</strong> den Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst zur Förderung<br />

gesundheitlicher Teilhabe<br />

lögd<br />

Landesinstitut<br />

<strong>für</strong> den Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst NRW


<strong>Gesunde</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>gleiche</strong> <strong>Chancen</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

Ein Leitfaden <strong>für</strong> den Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

zur Förderung gesundheitlicher Teilhabe<br />

von<br />

Jutta Kamensky<br />

unter Mitarbeit von<br />

Dr. Andreas Mielck<br />

Dr. Antje Richter<br />

Monika Gickeleiter


Impressum:<br />

Herausgeber:<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und Landesinstitut <strong>für</strong> den Öffentlichen Gesundheitsdienst (lögd)<br />

Druck und Verlag:<br />

Landesinstitut <strong>für</strong> den Öffentlichen Gesundheitsdienst (lögd)<br />

Leitung: Dr. Helmut Brand<br />

Westerfeldstr. 35-37<br />

33611 Bielefeld<br />

Telefon 0521/8007-0<br />

Telefax 0521/8007-200<br />

Redaktion: Manfred Dickersbach (lögd), Barbara Leykamm (Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg),<br />

Gestaltung: Evi Buschlinger, Martina Stille<br />

Die Fotos sind Teil der Wanderausstellung „Kennen wir uns? Straßenkinder fotografieren ihre Welt“ - eine Aktion von<br />

Off-Road-Kids e.V. und Vodafone. Weitere Infos: www.offroadkids.de<br />

Das lögd ist eine Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen und gehört zum Geschäftsbereich des Ministeriums <strong>für</strong> Gesundheit,<br />

Soziales, Frauen und Familie.<br />

Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung von lögd und Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg.<br />

ISBN 3-88139-116-9<br />

Bielefeld, 2003<br />

Kontakt Baden-Württemberg:<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />

Wiederholdstr. 15<br />

70174 Stuttgart<br />

Telefon 0711/1849-326<br />

Telefax 0711/1849-325<br />

E-mail: leykamm@lga.bwl.de<br />

www.landesgesundheitsamt.de


Inhaltsverzeichnis<br />

Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Kapitel 1 Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1.1 Soziale Ungleichheit - ein Einstieg ins Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1.2 Gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland: Daten und Fakten . . . . . . . . . . . 11<br />

1.3 Soziale Ungleichheit vor Ort: Daten und Fakten aus Nordrhein-Westfalen<br />

und Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

1.4 Ansätze zur Erklärung und Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit . . 23<br />

Kapitel 2 <strong>Kinder</strong> und Jugendliche - die wichtigste Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.1 Soziale Ungleichheit und die Folgen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

<strong>–</strong> eine Einstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.2 Gesundheitsverhalten von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

<strong>–</strong> das Beispiel Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

2.3 Risiko Alleinerziehen: Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aus<br />

Ein-Eltern-Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

2.4 Strategien und Ressourcen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zur<br />

Bewältigung von Armut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Kapitel 3 Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

3.1 <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> benachteiligte <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche: Zielbereiche und Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

3.2 Das professionelle Hilfesystem - was es (nicht) leistet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

3.3 Wenn Hilfe nicht ankommt - Barrieren <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung . . . . . . . . . 56<br />

3.4 Die Rolle des ÖGD im Hilfesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Kapitel 4 Die lokale Praxis oder „Wie gehen Sie vor?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

4.1 Sie machen eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

4.2 Sie finden Prioritäten und planen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

4.3 Sie bringen Ihr Projekt in die Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

3


4<br />

Teil I. Zur Einführung<br />

Zur Einführung<br />

Armut und soziale Benachteiligung sind auch in unserer Wohlstandsgesellschaft keine Fremdwörter<br />

mehr. Dies ist nicht erst seit Erscheinen des Armutsberichts der Bundesregierung so.<br />

Auch wenn Armut unterschiedlich definiert werden kann <strong>–</strong> soziale Benachteiligung wird im gesellschaftlichen<br />

Alltag zunehmend sichtbar; die Schere zwischen Arm und Reich klafft offensichtlich<br />

immer weiter auseinander.<br />

Davon bleibt auch der Gesundheitsbereich nicht unberührt. Der Zusammenhang zwischen<br />

Armut und Reichtum, Krankheit und Gesundheit ist mittlerweile kaum noch zu bestreiten. Unbestreitbar<br />

ist aber auch, dass das große Thema Armut und Gesundheit nicht mehr in den engen<br />

Grenzen des Gesundheitssektors zu bewältigen ist. Hier ist ein bereichs- und politikfelderübergreifendes<br />

Vorgehen angezeigt; die gesamtgesellschaftliche Dimension des Themas ist in übergreifenden<br />

strukturbezogenen Maßnahmen zu berücksichtigen. Gesundheitsförderung und -versorgung<br />

müssen sich mit Jugendhilfe und Drogenprävention, mit Wohlfahrtsverbänden, mit<br />

Handlungsfeldern des Sozial- und Umweltbereichs, aber auch des Wohnungsbaus, der Raumplanung<br />

oder der Wirtschaftsentwicklung sinnvoll verzahnen.<br />

Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Nicht nur,<br />

weil er die Geschäftsführung bzw. Koordination der kommunalen Gesundheitskonferenzen oder<br />

Regionalen Arbeitsgemeinschaften innehat, zur Bündelung der Kräfte im Gesundheitswesen<br />

beitragen und wichtige Steuerungsimpulse geben kann. Sondern auch, weil er aufgrund seiner<br />

Einbindung in die kommunale Verwaltung prädestiniert ist, Brücken herzustellen <strong>–</strong> zu anderen<br />

Bereichen von Politik und Administration, aber auch zwischen handelnder Basis und den lokalen<br />

Gremien der Planung und Entscheidungsfindung. Der ÖGD transportiert das Thema Armut<br />

und Gesundheit auf die politische Ebene. Er vertritt die Forderung nach einer Verringerung der<br />

sozialen und gesundheitlichen Ungleichheit auf <strong>alle</strong>n Schauplätzen gesundheitspolitischer Diskussion<br />

<strong>–</strong> in konkreten Basisprojekten, in Ausschüssen, verwaltungsintern, bereichsübergreifend<br />

im Gesundheitswesen, politikfelderübergreifend etwa in Prozessen der Stadtentwicklungsplanung.<br />

Er kann dazu beitragen, das kommunalpolitische Klima zu prägen, zu wandeln und den<br />

Gedanken einer gemeinschaftlichen Verantwortung <strong>für</strong> sozial Benachteiligte weiter zu verankern.<br />

Deshalb haben wir in diesem Praxisheft die Rolle des ÖGD (wieder) besonders hervorgehoben.<br />

Sicher gehört einiges der oben skizzierten Rollenbeschreibung noch in den Bereich der<br />

Zukunftsvision. Wir wollen aber mit unserem Heft erste Schritte in diese Richtung aufzeigen,<br />

dabei den gegebenen Rahmen und die in <strong>alle</strong>r Regel begrenzten Ressourcen <strong>–</strong> kurz: das Machbare<br />

<strong>–</strong> nicht aus dem Auge verlieren.<br />

Gleichzeitig setzen wir einen Schwerpunkt, der uns aus pragmatischen und inhaltlichen<br />

Überlegungen <strong>gleiche</strong>rmaßen geboten scheint <strong>–</strong> wir konzentrieren uns auf die Gesundheit von<br />

sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Gesellschaftlicher Frieden, Stabilität und allgemeine<br />

Lebenszufriedenheit in unserem Land hängen wesentlich davon ab, ob es gelingt,<br />

nachwachsenden Generationen gleichverteilte <strong>Chancen</strong> zu bieten <strong>–</strong> auf Wohlstand, Integration,<br />

gesellschaftliche Anerkennung und natürlich auch Gesundheit.<br />

Dabei ist es uns <strong>–</strong> wie immer bei den <strong>Praxishefte</strong>n <strong>–</strong> wichtig, Theorie und Praxis zu verbinden,<br />

erarbeitetes Know-How zugänglich zu machen und Einsteigern und „alten Hasen“ gleich-


Teil I. Zur Einführung<br />

ermaßen nützlich zu sein. Wir akzeptieren dabei notgedrungen, dass nicht jeder Leser von jedem<br />

Kapitel gleichviel profitiert. Zögern Sie deshalb nicht, das Heft <strong>für</strong> sich zu einem Steinbruch zu<br />

machen, und greifen Sie die Abschnitte heraus, die Ihnen hilfreich sind. Wir haben uns bemüht,<br />

die einzelnen Kapitel <strong>für</strong> sich stehen zu lassen und auch <strong>für</strong> diejenigen verständlich zu gestalten,<br />

die das Heft nicht von Seite 1 an durcharbeiten wollen.<br />

Wir sind uns bewusst, dass wir mit dem Thema „Gesundheit <strong>für</strong> sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche“ ein breites Feld aufgreifen und ein ehrgeiziges Ziel in Angriff nehmen.<br />

Nennenswerte Fortschritte können auf Dauer nur durch Bündelung der Kräfte innerhalb und<br />

außerhalb des Gesundheitswesens und durch neue politische Prioriäten erreicht werden. Aber<br />

auch hier liegt der Anfang im Kleinen. Bezogen auf die Rolle des ÖGD wollen wir den Einstieg<br />

ins Thema veranschaulichen, erleichtern und zur Initiative ermutigen.<br />

Jutta Kamensky, Barbara Leykamm, Manfred Dickersbach<br />

Ulm, Stuttgart, Bielefeld im Januar 2003<br />

5


6<br />

Notizen


Ruth Wir müssen draußen bleiben?<br />

Foto: www.offroadkids.de<br />

7


8<br />

Soziale Ungleichheit in<br />

Deutschland<br />

Definitionen von Armut<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

1. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

1.1 Soziale Ungleichheit <strong>–</strong> ein Einstieg ins Thema<br />

1.2 Gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland: Daten und Fakten<br />

1.3 Soziale Ungleichheit vor Ort: Daten und Fakten aus Nordrhein-Westfalen<br />

und Baden-Württemberg<br />

1.4 Ansätze zur Erklärung und Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit<br />

1.1 Soziale Ungleichheit <strong>–</strong> ein Einstieg ins Thema<br />

Notleidende Familien in den Ländern der Dritten Welt, Straßenkinder in Südamerika und die<br />

Opfer von Kriegen und anderen Katastrophen prägen unser Bild von „Armut“. Dieser Eindruck<br />

von Armut in Verbindung mit Hunger, Elend und Obdachlosigkeit macht es schwer, zu glauben,<br />

dass selbst in Deutschland Menschen am Existenzminimum leben. Armut klopft aber mittlerweile<br />

auch an die Türen des Wohlstands. Sie hat hier nur andere Dimensionen und Bezugsgrößen<br />

als in Ländern der Dritten Welt (Gillen/Möller 1992).<br />

Einen allgemeingültigen Maßstab <strong>für</strong> Armut <strong>–</strong> d.h. eine verbindliche offizielle Armutsgrenze<br />

gibt es in Deutschland bislang nicht. Je nach Interessenlage finden unterschiedliche Konzepte<br />

Anwendung, die sich im Wesentlichen an der Verfügbarkeit materieller Ressourcen orientieren.<br />

Gesellschaftliche oder politische Akteure legen in der Regel die Grenze fest, ab wann ein<br />

Mensch von Armut betroffen ist (Kamensky/Zenz 2001). Das stimmt bedenklich, weil das Verfahren<br />

zur Messung einen erheblichen Einfluss auf Umfang und Struktur des Armutspotentials<br />

hat (Hanesch et al. 2000).<br />

Armut in Deutschland ist eine relative Größe, d.h. ob Familien und Haushalte als arm zu bezeichnen<br />

sind, hängt davon ab, in welcher Lebenslage sie sich relativ zum Wohlfahrtsstandard<br />

der Gesamtbevölkerung befinden.<br />

Relative Armut nach der Definition des Rates der EU von 1984<br />

„Relativ arm“ sind Personen oder Familien, die über so geringe Mittel verfügen,<br />

dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat,<br />

in dem sie leben, als annehmbares Minimum gesehen wird.<br />

Einkommensarmut<br />

Einkommensarm sind Personen oder Familien, wenn sie über weniger als<br />

50 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens in der Bundesrepublik<br />

Deutschland verfügen.


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Politisch-normative Armut<br />

Arm ist, wer Anspruch auf Sozialhilfe hat. Der Indikator <strong>für</strong> Armut ist hier<br />

insbesondere der Bezug der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt. Als Bemessungsgrundlage<br />

<strong>für</strong> die Sozialhilfe gelten 40 % des durchschnittlichen<br />

Nettoeinkommens (Hartmann 1986).<br />

Verdeckte Armut<br />

Wer über weniger als 40 % des Durchschnittseinkommens verfügt und<br />

trotzdem beim Sozialamt keine Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt, ist<br />

„verdeckt arm“. Es wird geschätzt, dass die Dunkelziffer bei ca. 50 % liegt.<br />

D.h. die Hälfte <strong>alle</strong>r sozialhilfeberechtigten Haushalte ziehen es vor, ohne<br />

die staatliche Unterstützung zu existieren, aus welchen Gründen auch immer<br />

(Hartmann 1981; Hauser/Hübinger 1993; Neumann/Hertz 1998).<br />

Arm nach dem Lebenslagenkonzept<br />

Armut ist ein mehrdimensionales Phänomen, denn neben dem Einkommen<br />

umfasst die Lebenslage einer Person noch weitere Dimensionen wie Wohnen,<br />

Bildung, Gesundheit, Familiensituation, Freizeit und soziales Netzwerk.<br />

Eine „Unterversorgung“ liegt vor, wenn der Handlungsspielraum<br />

von Personen eingeschränkt ist und eine gleichberechtigte Teilhabe an den<br />

Aktivitäten und Lebensbedingungen der Gesellschaft unmöglich ist. Arm<br />

nach dem Lebenslagenkonzept sind Menschen dann, wenn sie in einem<br />

oder in mehreren Lebensbereichen unterversorgt sind (Döring et al. 1990;<br />

Bundesministerium 2001).<br />

In der Bundesrepublik Deutschland geht es weniger um Armut als „Kampf um das rein physische<br />

Überleben“. Vielmehr steht die zunehmende soziale Ungleichheit in der Bevölkerung im<br />

Blickpunkt, sowie der damit verbundene un<strong>gleiche</strong> Zugang zu (u.a. gesundheitlichen) Gütern,<br />

Dienstleistungen und <strong>Chancen</strong> und die Nachteile, die das <strong>alle</strong>s mit sich bringt.<br />

In den letzten Jahren wurden diverse Berichte über das Ausmaß der Einkommens-Armut in<br />

Deutschland publiziert. Hervorzuheben sind hier v.a. die drei folgenden:<br />

<strong>•</strong> Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands<br />

(Hanesch et al. 2000)<br />

<strong>•</strong> Erster Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (vorgelegt im April 2001).<br />

<strong>•</strong> Sozialbericht 2000 der Arbeiterwohlfahrt (AWO): „Gute Kindheit <strong>–</strong> Schlechte Kindheit. Armut<br />

und Zukunftschancen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in Deutschland“ (vorgelegt im<br />

Oktober 2000).<br />

Im Armutsbericht von W. Hanesch et al. (2000) wird Einkommens-Armut z.B. über den allgemein<br />

üblichen Indikator „50% oder weniger des durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommens“<br />

definiert, wobei in die Berechnung des „gewichteten Pro-Kopf-Einkommens“ (in der<br />

wissenschaftlichen Terminologie auch „Äquivalenz-Einkommen“ genannt) sowohl Anzahl als<br />

auch Alter der Haushaltsmitglieder eingehen (ebenda, S. 51). Im Jahr 1998 verfügten die Haus-<br />

9


10<br />

Ausmaß der sozialen<br />

Ungleichheit<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche sind<br />

besonders häufig von Armut<br />

betroffen<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

halte in Deutschland über ein „gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen“ von durchschnittlich 1.062<br />

Euro (2.077 DM). Die Armutsgrenze lag somit bei 530 Euro (1.038,50 DM) (ebenda, S. 54).<br />

Nach diesen Berechnungen waren 1998 in Deutschland ca. 9,1 % der Bevölkerung von Einkommens-Armut<br />

betroffen. Die Unterteilung nach Altersgruppen zeigt ein eindeutiges Bild: Die<br />

Einkommens-Armut von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen hat in Deutschland in den letzten Jahren erheblich<br />

zugenommen. Sie ist mit 14,2 % am höchsten, und mit zunehmendem Alter sinkt die Armutsquote<br />

kontinuierlich ab bis hin zu 3,3 % bei den über 76-Jährigen (vgl. Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Einkommens-Armut in Deutschland, 1998 (Angaben in %)<br />

Anteil in der Bevölkerung Anteil in Einkommens-<br />

Armut a<br />

Bevölkerung insgesamt<br />

Alter<br />

100 9,1<br />

- bis 15 Jahre 17,1 14,2<br />

- 16 bis 30 Jahre 18,1 13,2<br />

- 31 bis 45 Jahre 23,8 9,1<br />

- 46 bis 60 Jahre 19,8 6,0<br />

- 61 bis 75 Jahre 15,5 4,8<br />

- 76 Jahre und älter 5,7 3,3<br />

Haushaltsgröße<br />

- 1 Person 16,3 7,2<br />

- 2 Personen 29,0 5,0<br />

- 3 Personen 20,1 8,0<br />

- 4 Personen 23,0 10,4<br />

- 5 oder mehr Personen 11,6 21,4<br />

Haushaltstyp<br />

- Single 16,9 7,2<br />

- Paar, ohne mindj. Kind(er) 26,5 3,7<br />

- Paar, mit mindj. Kind(ern) 37,8 11,9<br />

- Eineltern, mit mindj. Kind(ern) 3,5 29,9<br />

- Eineltern, mit erw. Kind(ern) 15,3 8,9<br />

a: 50 % oder weniger des durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommens<br />

Quelle: Hanesch et al. 2000 (S. 81-83)<br />

Die Unterteilung nach Haushaltsgröße und -typ (vgl. Tabelle 1) bietet eine erste Antwort auf die<br />

Frage, warum die Einkommens-Armut vor <strong>alle</strong>m bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen so verbreitet ist:<br />

große Familien, Paare mit <strong>Kinder</strong>n und vor <strong>alle</strong>m Alleinerziehende leben besonders häufig am<br />

Existenzminimum.<br />

Auch andere Berichte weisen immer wieder darauf hin, dass die Einkommens-Armut bei<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen besonders groß ist. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung<br />

wird Einkommens-Armut u.a. über den Indikator „Empfang von Sozialhilfe“ definiert:<br />

„Unter den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt waren <strong>Kinder</strong> unter 18 Jahren mit rd.<br />

1,1 Million die größte Gruppe. Die Sozialhilfequote von <strong>Kinder</strong>n unter 18 Jahren war mit 6,8 %<br />

fast doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt und hat sich seit 1982 im früheren


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Bundesgebiet mehr als verdreifacht. (...) Das mit Abstand höchste Sozialhilferisiko (28,1 %)<br />

hatten Haushalte <strong>alle</strong>inerziehender Frauen. Mehr als die Hälfte <strong>alle</strong>r <strong>Kinder</strong> unter 18 Jahren im<br />

Sozialhilfebezug wuchs im Haushalt von Alleinerziehenden auf“ (S. XXII).<br />

Die Ursachen, weswegen immer mehr deutsche Bürgerinnen und Bürger einkommensarm<br />

sind, liegen hauptsächlich in Arbeitslosigkeit, <strong>Kinder</strong>reichtum, Alleinerziehen und Nationalität<br />

begründet. Als das größte Risiko, den Lebensunterhalt nicht mehr ausreichend aus eigener Kraft<br />

finanzieren zu können, gilt der Verlust des Arbeitsplatzes. Da es sich bei Arbeitslosen häufig um<br />

Personen handelt, die eine Familie oder wenigstens eine „Teil-Familie“ haben, sind so auch die<br />

<strong>Kinder</strong> von der finanziellen Not ihrer Eltern betroffen. Im Jahr 1996 gab es in Deutschland z.B.<br />

1,8 Millionen <strong>Kinder</strong> unter 18 Jahren, von denen ein oder beide Elternteile keine Arbeit hatten<br />

(Klocke/Hurrelmann 1998).<br />

Scheidung bzw. Trennung kommen als weitere Ursache <strong>für</strong> das Leben am Existenzminimum<br />

hinzu. Ebenso birgt die Geburt eines Kindes ein Armutsrisiko. Bei zwei Drittel <strong>alle</strong>r geschiedenen<br />

Ehen sind <strong>Kinder</strong> mitbetroffen. Selbst wenn <strong>alle</strong>inerziehende Mütter oder Väter berufstätig<br />

sind, bedeutet das <strong>–</strong> aufgrund der häufig niedrigen Lohnsätze <strong>–</strong> oft noch keine Lösung der finanziellen<br />

Misere. Armut in Deutschland ist auch eine Armut von Familienhaushalten. <strong>Kinder</strong> kosten<br />

Geld und werden so zum „Einkommensproblem“ der Eltern. Pro Monat benötigen Eltern <strong>für</strong> ein<br />

Kind zwischen 250 und 400 Euro, was in kinderreichen Familien gewaltig am Budget zehrt<br />

(Deutscher <strong>Kinder</strong>schutzbund 1998). <strong>Kinder</strong>reichtum gilt deshalb als weiterer Risikofaktor <strong>für</strong><br />

Armut. Überdurchschnittlich von Armut betroffen sind die Haushalte von ausländischen Mitbürgern<br />

<strong>–</strong> nicht zuletzt deshalb, weil diese Familien einen großen Teil der sogenannten „kinderreichen<br />

Familien“ ausmachen. Zwei- bis dreimal höher als die Quote der Gesamtbevölkerung stellen<br />

sich die Armutsquoten von Ausländern, aber auch von Spätaussiedlern dar. Besonders betroffen<br />

vom Leben am Existenzminimum sind die türkischen Mitbürger (Hanesch et al. 2000).<br />

Dem Sozialbericht 2000 der Arbeiterwohlfahrt liegt als Definition von Armut der Lebenslagenansatz<br />

zugrunde. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: „Wie erlebt ein Kind die Armut?“<br />

Demnach besteht die Armut bei <strong>Kinder</strong>n aus den folgenden fünf Komponenten:<br />

<strong>•</strong> niedriges Einkommen<br />

<strong>•</strong> unzureichende materielle Grundversorgung (Wohnen, Nahrung, Kleidung etc.)<br />

<strong>•</strong> unzureichende Förderung der kognitiven, sprachlichen und kulturellen Kompetenzen<br />

<strong>•</strong> unzureichende Förderung der sozialen Kontakte und der sozialen Kompetenzen<br />

<strong>•</strong> unzureichende Förderung der körperlichen Entwicklung, schlechter Gesundheitszustand<br />

Fazit und Ausgangslage <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung von sozial benachteiligten<br />

Menschen:<br />

Wieviele Menschen sind von sozialer Ungleichheit betroffen (im Jahr 1998)?<br />

<strong>•</strong> 9,1 % der deutschen Bevölkerung sind einkommensarm.<br />

<strong>•</strong> 14,2 % der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen wachsen in einkommensarmen<br />

Familien auf.<br />

<strong>•</strong> 1,1 Millionen <strong>Kinder</strong> unter 18 Jahren leben von Sozialhilfe.<br />

<strong>•</strong> 17 % <strong>alle</strong>r Familien in Deutschland sind Ein-Eltern-Familien.<br />

<strong>•</strong> Ein Drittel <strong>alle</strong>r Ein-Eltern-Familien bezieht Sozialhilfe.<br />

11<br />

<strong>Kinder</strong>armut in Deutschland<br />

<strong>–</strong> Warum?


12<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Welche Zielgruppen ergeben sich <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung?<br />

<strong>•</strong> Angehörige aus einkommensarmen Familien<br />

<strong>•</strong> Arbeitslose und Familienangehörige<br />

<strong>•</strong> Alleinerziehende<br />

<strong>•</strong> <strong>Kinder</strong>reiche Familien<br />

<strong>•</strong> Ausländische Mitbürger(innen)<br />

Zum Vertiefen:<br />

AWO Bundesverband e.V. (2000): AWO-Sozialbericht 2000. Gute Kindheit <strong>–</strong> Schlechte Kindheit.<br />

Armut und Zukunftschancen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in Deutschland. Bonn<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.) (2001): Lebenslagen in Deutschland.<br />

Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn<br />

Deutscher <strong>Kinder</strong>schutzbund Bundesverband e.V., Hannover; Volkswagen AG, Kommunikation<br />

Wolfsburg (Hrsg.) (1998): Taschenbuch der <strong>Kinder</strong>presse. Remagen-Rolandseck<br />

Döring, D.; Hanesch, W.; Huster, E.U. (Hrsg.) (1990): Armut im Wohlstand. Frankfurt/Main<br />

Gillen, G.; Möller, M. (1992): Anschluß verpaßt. Armut in Deutschland. Bonn<br />

Hanesch, W.; Krause, P.; Bäcker, G.; Maschke, M.; Otto, B. (2000): Armut und Ungleichheit<br />

in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbands. Reinbek<br />

Hartmann, H. (1981): Sozialhilfebedürftigkeit und „Dunkelziffer der Armut“. Schriftenreihe<br />

des Bundesministers <strong>für</strong> Jugend, Familie und Gesundheit. <strong>Band</strong> 98. Stuttgart<br />

Hartmann, H. (1986): Offizielle und alternative Armutsgrenzen in der Bundesrepublik. In:<br />

Blätter der Wohlfahrtspflege. 133. Jg. S. 259-261<br />

Hauser, R.; Hübinger, W. (1993): Arme unter uns. Teil 1: Ergebnisse und Konsequenzen der<br />

Caritas-Armutsuntersuchung. Hrsgg. vom Deutschen Caritasverband. Freiburg im Breisgau<br />

Kamensky, J.; Zenz, H. (2001): Armut <strong>–</strong> Lebenslagen und Konsequenzen. Ursachen, Ausmaß<br />

und Bewältigung sozialer Ungleichheit am Beispiel des Landkreises Neu-Ulm. Ulm<br />

Klocke, A., Hurrelmann K. (Hrsg.) (1998): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. Opladen<br />

Neumann, U.; Hertz, M. (1998): Verdeckte Armut in Deutschland. Forschungsbericht im Auftrag<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung. ISL Institut <strong>für</strong> Sozialberichterstattung und Lebenslagenforschung.<br />

Frankfurt am Main


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

1.2 Gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland: Daten und Fakten<br />

Gesundheitliche Ungleichheit beschreibt den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und<br />

Gesundheitszustand. Die Ergebnisse verschiedener Berichte über Art und Ausmaß der gesundheitlichen<br />

Ungleichheit zeigen deutlich, dass Personen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status<br />

zumeist eine besonders hohe Mortalität und Morbidität aufweisen (Mielck 2000a; Helmert<br />

et al. 2000; Laaser et al. 2000; Mielck 2000b; Mielck/Bloomfield 2001).<br />

<strong>•</strong> Erwachsene ohne Abitur weisen eine kürzere Lebenserwartung auf als Erwachsene mit Abitur,<br />

<strong>•</strong> die Sterblichkeit bei Un- und Angelernten ist höher als bei oberen Angestellten,<br />

<strong>•</strong> die Sterblichkeit in der unteren Einkommensgruppe ist höher als in der oberen,<br />

<strong>•</strong> die Überlebenszeit nach einem Erst-Infarkt bei Erwachsenen mit geringem beruflichen Status<br />

ist kürzer als bei Erwachsenen mit höherem beruflichen Status.<br />

<strong>•</strong> Erwachsene mit Haupt- oder Realschulabschluss erleiden häufiger einen Herzinfarkt als Erwachsene<br />

mit Abitur oder Fachhochschulabschluss,<br />

<strong>•</strong> die Prävalenz psychischer Störungen bei Erwachsenen ist mit niedrigem beruflichen Status<br />

größer als bei Erwachsenen mit höherem beruflichen Status,<br />

<strong>•</strong> Erwachsene aus der unteren Einkommensgruppe antworten bei der Frage nach dem allgemeinen<br />

Gesundheitszustand häufiger mit „schlecht“ als Erwachsene aus der oberen Einkommensgruppe,<br />

<strong>•</strong> <strong>alle</strong>inerziehende Mütter weisen eine höhere Morbidität auf als die anderen Mütter.<br />

Gesundheitliche Ungleichheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

Studien zur gesundheitlichen Ungleichheit beziehen sich meist auf die Altersspanne zwischen<br />

20 und 65 Jahre, d.h. auf das erwerbsfähige Alter. Die wenigen Untersuchungen aus Deutschland<br />

über jüngere Altersgruppen deuten jedoch darauf hin, dass bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

ähnliche sozio-ökonomische Unterschiede im Gesundheitszustand vorhanden sind wie bei den<br />

20- bis 65-Jährigen (Behörde 1996, Hurrelmann 2000, Mielck 2001, Siegrist et al. 1997). Mit<br />

anderen Worten: Auch bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen ist der Gesundheitszustand in der unteren<br />

Statusgruppe meistens erheblich schlechter als in der oberen Statusgruppe. Arme <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche sind häufiger körperlich krank und weisen mehr psychische und psychosomatische<br />

Störungen auf als <strong>Kinder</strong> aus bessergestellten Familien. Die wichtigsten Ausnahmen von dieser<br />

Regel bilden Allergien und Hauterkrankungen. Offenbar sind sie bei den <strong>Kinder</strong>n aus der unteren<br />

Statusgruppe seltener als bei den <strong>Kinder</strong>n aus der oberen Statusgruppe <strong>–</strong> die Ursachen dieser<br />

„umgekehrten“ gesundheitlichen Ungleichheit liegen jedoch noch weitgehend im Dunkeln<br />

(Bolte 2000, Heinrich et al. 2000).<br />

Eine von diesen wenigen Studien ist die 1994 durchgeführte Befragung von 3.328 Schülern<br />

zwischen 11 und 15 Jahren in Nordrhein-Westfalen (Klocke/Hurrelmann 1995). Um den sozialen<br />

Status zu bestimmen, wurden die Schüler gefragt, welchen Bildungsabschluss und welchen<br />

Beruf ihre Eltern haben, wie viele PKW's ihre Eltern besitzen, wie viele Urlaubsreisen die Familie<br />

im letzten Jahr unternommen hat, und ob der Schüler ein eigenes Zimmer hat. Nach Zu-<br />

13<br />

Forschungsergebnisse zur<br />

Mortalität <strong>–</strong> Beispiele<br />

Forschungsergebnisse zur<br />

Morbidität <strong>–</strong> Beispiele<br />

Studien zur gesundheitlichen<br />

Ungleichheit


14<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

sammenfassung dieser Angaben wurden fünf soziale Schichten unterschieden. Die Fragen zum<br />

Gesundheitszustand betrafen sowohl physische wie auch psychische Beschwerden.<br />

Die subjektive Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes hängt stark vom sozio-ökonomischen<br />

Status ab. So verwundert es nicht, dass sich die Schüler aus der unteren Statusgruppe<br />

erheblich kränker fühlen als die Schüler aus der oberen (vgl. Tabelle 2). Während z.B. nur 1 %<br />

der Schüler aus der oberen Gruppe sich täglich oder öfters pro Woche gesundheitlich schlecht<br />

fühlt, waren dies in der unteren Gruppe 16 %. Bei einer Bewertung dieses eklatanten Unterschiedes<br />

muss jedoch berücksichtigt werden, dass hier (etwas überspitzt formuliert) zwei extreme<br />

Gruppen verglichen werden <strong>–</strong> die ganz Reichen mit den ganz Armen. In einer später vorgestellten<br />

Auswertung dieser Daten wurden die Schüler in fünf gleich große Gruppen (d.h. in Quintile)<br />

unterschieden. Hier ist das Ausmaß der gesundheitlichen Ungleichheit daher nicht so groß.<br />

Tabelle 2: Soziale Schicht und Gesundheit bei Schulkindern<br />

Prävalenz (Angaben in %) a<br />

S o z i a l e S c h i c h t d e r E l t e r n b<br />

1 2 3 4 5 Insg.<br />

(unten) (oben)<br />

Anteil in der Stichprobe 5,3 38,1 24,2 26,2 6,2 100,0<br />

Allgemein schlechter<br />

Gesundheitszustand<br />

16 7 8 5 1 7<br />

c<br />

Kopfschmerzen c 22 11 13 11 9 12<br />

Rückenschmerzen c 16 10 9 7 7 9<br />

Nervosität c 22 12 15 13 8 13<br />

schlechtes Einschlafen c 26 17 18 15 16 17<br />

Hilflosigkeit d 14 7 6 5 3 6<br />

Einsamkeit e 19 14 9 8 9 11<br />

a: Kontrolle von Alter und Geschlecht bei Vergleich zwischen sozialen Schichten<br />

b: Index aus Ausbildung und Beruf der Eltern, finanzielle Lage der Familie<br />

c: täglich oder öfters pro Woche; d: immer oder sehr oft; e: sehr oft oder ziemlich oft<br />

Stichprobe: 3.328 Schüler (11-15 Jahre) in Nordrhein-Westfalen<br />

Datenbasis: Befragung 1994, Quelle: Klocke/Hurrelmann 1995<br />

Einen weiteren Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n fand eine Befragung<br />

zur Schuleingangsuntersuchung 1994 im Land Brandenburg heraus. 15 % der <strong>Kinder</strong> von<br />

arbeitslosen Eltern hatten Sprech- und Stimmstörungen, aber nur 10 % der <strong>Kinder</strong> von nichtarbeitslosen<br />

Eltern. Geistige Leistungsschwächen wiesen 11 % der armen <strong>Kinder</strong> zu 3,6 % der reicheren<br />

auf. 4,5 % bzw. 3,2 % neigten zu Übergewicht. 21,4 % der <strong>Kinder</strong> von arbeitslosen Eltern<br />

bzw. 11,4 % lebten in Wohnungen, die von Schimmelpilzen bef<strong>alle</strong>n sind.<br />

In der 1997 durchgeführten Dritten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS III) wurden 1.043<br />

Jugendliche im Alter von 12 Jahren aus den alten und neuen Bundesländern von Zahnärzten<br />

untersucht (Micheelis/Reich 1999). Die Zahngesundheit ist in der unteren Bildungsgruppe erheblich<br />

schlechter als in der oberen (vgl. Tabelle 3). Ähnliche Ergebnisse wurden in der Studie<br />

auch <strong>für</strong> die beiden Altersgruppen 35-44 Jahre bzw. 65-74 Jahre gefunden.


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Tabelle 3: Schulbildung der Eltern und Zahngesundheit der <strong>Kinder</strong><br />

Schlechte Zahngesundheit (in %)<br />

S c h u l b i l d u n g d e r E l t e r n a<br />

niedrig mittel hoch<br />

Anteil in der Stichprobe 40,4 34,9 24,7<br />

Plaque in großer Menge vorhanden 2,9 2,8 1,9<br />

Starkes Zahnfleischbluten 9,2 6,1 3,2<br />

a: niedrig: Volksschulabschluss, Abschluss der 8. Klasse oder kein Schulabschluss<br />

mittel: Mittlere Reife, Abschluss 10. Klasse (POS);<br />

hoch: Fachhochschulreife oder Abitur<br />

Stichprobe: 715 bzw. 328 Jugendliche (12 Jahre, Deutsche, alte bzw. neue Bundesländer)<br />

Datenbasis: Befragung/Untersuchung 1997 in den alten und neuen Bundesländern<br />

Quelle: Micheelis/Reich 1999<br />

Gesundheitliche Ungleichheit trifft die <strong>Kinder</strong> bedauerlicherweise oft schon im Säuglingsalter.<br />

Damit liegt nahe, dass Gesundheitsförderung von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

bereits vor der Geburt beginnen muss.<br />

<strong>Kinder</strong>, Armut und die Folgen <strong>für</strong> die Gesundheit <strong>–</strong> ein Überblick<br />

Quellen: Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (2000): <strong>Kinder</strong>gesundheit in<br />

Baden-Württemberg; Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (1998):<br />

Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

Bezüglich... ... bedeutet Armut<br />

<strong>•</strong> Vorgeburtliche Versorgung Schlechtere Energie- und Nährstoffversorgung<br />

sowie häufige Anämien ihrer Mütter<br />

<strong>•</strong> Geburt Geburtsgewicht ist häufig unter 2500 g, Risiko<br />

von Totgeburten ist erhöht.<br />

<strong>•</strong> Stillzeit Säuglinge werden seltener und kürzer gestillt.<br />

<strong>•</strong> Versorgung mit Vitaminen Versorgung mit Calcium, Vitamin C, Folsäure<br />

und Mineralstoffen und Eisen ist vor <strong>alle</strong>m bei Schulkindern im<br />

Alter von 10 <strong>–</strong> 15 Jahren unzureichend. Bei<br />

Mädchen ist dieses Versorgungsdefizit noch<br />

ausgeprägter als bei Jungen.<br />

<strong>•</strong> Zuckerverbrauch Höhere Zufuhr von Zucker<br />

<strong>•</strong> Anteil gesättigter Fettsäuren Höhere Zufuhr von gesättigten Fettsäuren<br />

<strong>•</strong> Ballaststoffaufnahme Niedrigere Zufuhr von Ballaststoffen<br />

<strong>•</strong> Zahngesundheit <strong>Kinder</strong> haben häufiger Karies<br />

<strong>•</strong> Wachstum <strong>Kinder</strong> wachsen langsamer<br />

<strong>•</strong> Körpergewicht Sowohl Adipositas als auch Untergewicht<br />

kommt häufiger vor als bei anderen <strong>Kinder</strong>n.<br />

<strong>•</strong> Blutfettwerte Häufiger erhöhte Blutfettwerte<br />

<strong>•</strong> Anämien, Infektionskrankheiten Bei Säuglingen findet man öfter Anämien<br />

und Infektionskrankheiten<br />

15<br />

Zahngesundheit der <strong>Kinder</strong>


16<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

<strong>•</strong> Knochenmasse Schulkinder im Alter von 10 bis 15 Jahren<br />

haben eine geringere Knochenmasse.<br />

<strong>•</strong> Mortalitätsrate Unfälle enden bei armen <strong>Kinder</strong>n 2 <strong>–</strong> 3 mal<br />

öfter mit dem Tod als bei <strong>Kinder</strong>n aus<br />

höheren Sozialschichten.<br />

<strong>•</strong> Chronische Krankheiten Häufiger chronische Krankheiten<br />

<strong>•</strong> Suchtverhalten Bereitschaft zu gesundheitsschädigendem<br />

Verhalten erhöht: Rauchen, Alkohol,<br />

Drogenkonsum<br />

<strong>•</strong> Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9 werden seltener in Anspruch<br />

genommen.<br />

<strong>•</strong> Impfungen Werden seltener in Anspruch genommen<br />

<strong>•</strong> Motorische Koordination Störungen sind häufig anzutreffen<br />

<strong>•</strong> Sprachstörungen Arme <strong>Kinder</strong> haben häufiger Sprachstörungen.<br />

<strong>•</strong> Entwicklung allgemein Entwicklung häufig verzögert<br />

<strong>•</strong> Verhalten Häufiger auffällig als bei <strong>Kinder</strong>n aus besser<br />

gestellten Familien<br />

Zum Vertiefen:<br />

Behörde <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.)<br />

(1996): Armut und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n in Hamburg. Dokumentation der Fachtagung am<br />

20. November 1995. Hamburg<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (1998): Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n <strong>–</strong> Epidemiologische<br />

Grundlagen <strong>–</strong> Dokumentation einer Expertentagung. Köln<br />

Bolte, G. (2000): Soziale Ungleichheit und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n. Über den Zusammenhang<br />

von Indikatoren der sozialen Lage mit immunologischen Parametern und respiratorischen<br />

Erkrankungen am Beispiel einer umweltepidemiologischen Studie. Regensburg<br />

Heinrich, J.; Mielck, A.; Schäfer, I.; Mey, W. (2000): Social inequality and environmentally-related<br />

diseases in Germany. Review of empirical results. Sozial- und Präventivmedizin 45: S.<br />

106-118<br />

Helmert, U.; Bammann, K.; Voges, W.; Müller, R. (Hrsg.) (2000): Müssen Arme früher<br />

sterben? Soziale Ungleichheit und Gesundheit in Deutschland. Weinheim und München<br />

Hurrelmann, K. (2000): Gesundheitsrisiken von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n. In: Altgeld, T.;<br />

Hofrichter, P. (Hrsg.): Reiches Land <strong>–</strong> kranke <strong>Kinder</strong>? Frankfurt am Main. S. 21-29<br />

Klocke, A., Hurrelmann, K. (1995): Armut und Gesundheit. Inwieweit sind <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

betroffen? Zeitschrift <strong>für</strong> Gesundheitswissenschaften, 2. Beiheft: S. 138-151


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Laaser, U.; Gebhardt, K.; Kemper, P. (Hrsg.) (2000): Gesundheit und soziale Benachteiligung.<br />

Lage<br />

Micheelis, W.; Reich, E. (Gesamtbearbeitung) (1999): Dritte Deutsche Mundgesundheitsstudie<br />

(DMS III). Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), Deutscher Ärzte-Verlag, Köln<br />

Mielck, A. (2000a): Soziale Ungleichheit und Gesundheit: Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze,<br />

Interventionsmöglichkeiten. Bern et al.<br />

Mielck, A. (2000b): Fortschritte bei der Erklärung von gesundheitlicher Ungleichheit und bei<br />

der Entwicklung von Interventionsmaßnahmen (Editorial). Zeitschrift <strong>für</strong> Gesundheitswissenschaften<br />

8: S. 194-197<br />

Mielck, A.; Bloomfield, K. (Hrsg.) (2001): Sozial-Epidemiologie. Einführung in die Grundlagen,<br />

Ergebnisse und Umsetzungsmöglichkeiten. Weinheim<br />

Mielck, A. (2001): Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen: Ergebnisse der sozial-epidemiologischen<br />

Forschung in Deutschland. In: Klocke, A.; Hurrelmann, K. (Hrsg.)<br />

(2001): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Opladen. S.<br />

230-253<br />

Robert-Koch-Institut (Hrsg.) (2001): Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 03/01:<br />

Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Verfasst von Prof. Dr. Andreas Klocke. Berlin<br />

Siegrist, J.; Frühbuß, J.; Grebe, A. (1997): Soziale <strong>Chancen</strong>gleichheit <strong>für</strong> die Gesundheit von<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Expertise im Auftrag des Bundesministeriums <strong>für</strong> Gesundheit.<br />

Düsseldorf<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (2000): <strong>Kinder</strong>gesundheit in Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart<br />

17


18<br />

Soziale Ungleichheit<br />

und Armut<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

1.3 Soziale Ungleichheit vor Ort: Daten und Fakten aus NRW<br />

und Baden-Württemberg<br />

Soziale Ungleichheit in Nordrhein-Westfalen<br />

<strong>•</strong> Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsstärkste Bundesland mit 18 Millionen gemeldeten<br />

Einwohnern. D.h. mehr als ein Fünftel der Bevölkerung der BRD (21,8 %)<br />

lebt in Nordrhein-Westfalen. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung lag 1995 nach<br />

Angaben des Mikrozensus bei 10,8 %.<br />

<strong>•</strong> 2 Millionen Menschen und damit 11,5 % der Bürger in Nordrhein-Westfalen lebten<br />

1995 in Armut (50 %-Armutsgrenze) im Gegensatz zur gesamten Armutsquote in<br />

Westdeutschland von 10,1 %.<br />

<strong>•</strong> Von diesen 2 Millionen Armen in NRW war die Hälfte weiblich und knapp jede dritte<br />

Person (32,6 %) unter 15 Jahre alt. Mehr als jeder Dritte (35 %) in der Armutspopulation<br />

hatte eine nichtdeutsche Nationalität.<br />

<strong>•</strong> Nahezu 4 von 10 armen Personen gehören Haushalten mit 5 und mehr Personen an.<br />

14,9 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze sind Alleinerziehenden-Haushalte.<br />

<strong>•</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche sind auch in NRW die am meisten von Armut bedrohte und<br />

betroffene Personengruppe.<br />

<strong>•</strong> Von den knapp 2,9 Millionen Sozialhilfeempfängern in der Bundesrepublik Deutschland<br />

(außerhalb von Einrichtungen) wohnten 1997 fast 700.000 Personen in NRW. Als<br />

größtes Bundesland verzeichnete NRW damit auch den größten Anteil an <strong>alle</strong>n in<br />

Deutschland lebenden Sozialhilfebeziehern. Im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg<br />

leben in NRW drei mal so viele Hilfebezieher. Unter <strong>alle</strong>n 16 Bundesländern<br />

wies NRW auch den höchsten Anteil weiblicher Sozialhilfeempfänger (58 %) auf.<br />

<strong>•</strong> Die meisten Sozialhilfebezieher finden sich in der Gruppe der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

sowie der Erwachsenen im mittleren Alter. 262.000 (38 %) der Sozialhilfeempfänger<br />

sind unter 18 Jahre, 51 % zwischen 18 und 59 Jahre, knapp 11 % 60 Jahre<br />

und älter und 7 % 65 Jahre und älter.<br />

<strong>•</strong> Insgesamt lebten 30 % <strong>alle</strong>r sozialhilfebeziehenden Personen in Bedarfsgemeinschaften<br />

von <strong>alle</strong>inerziehenden Frauen. 48 % der Minderjährigen war diesem Haushaltstyp<br />

zuzuordnen. Die Hälfte <strong>alle</strong>r <strong>Kinder</strong> von Alleinerziehenden war noch keine 7 Jahre alt.<br />

<strong>•</strong> 22,4 % und damit mehr als jede 5. Person unter 15 Jahren wächst in einem Haushalt<br />

an der Armutsgrenze auf. Diese Quote liegt doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

<strong>•</strong> Mit der <strong>Kinder</strong>zahl steigt das Armutsrisiko überproportional an. 1995 zählte NRW<br />

ca. 288.000 Haushalte mit mindestens drei <strong>Kinder</strong>n unter 18 Jahren. Annähernd<br />

123.000 Sozialhilfebezieher (18 %) lebten in einem sogenannten kinderreichen Haushalt.<br />

In 42 % der Fälle waren die Mütter oder Väter <strong>alle</strong>inerziehend.<br />

<strong>•</strong> Alleinerziehende und ihre <strong>Kinder</strong> sind in NRW in hohem Maße auf die Sozialhilfe angewiesen.<br />

Im Vergleich zu Ehepaaren mit <strong>Kinder</strong>n sind Alleinerziehende 10 mal mehr<br />

gefährdet, von Sozialhilfe leben zu müssen. Das Risiko steigt, umso mehr <strong>Kinder</strong> im<br />

Haushalt leben. Bei drei und mehr <strong>Kinder</strong>n liegt die Wahrscheinlichkeit, Sozialhilfe zu<br />

benötigen, bei 60 %.<br />

<strong>•</strong> Der Anteil der ausländischen Mitbürger an den Sozialhilfebeziehern lag bei 24 % (d.h.<br />

jeder vierte Sozialhilfeempfänger in NRW war 1997 nichtdeutscher Nationalität), bei<br />

einer Sozialhilfedichte von 7,9 %. Die Quote der deutschen Sozialhilfebezieher war<br />

mit 3,2 % weniger als halb so hoch. Hilfsbedürftige Ausländerinnen und Ausländer<br />

lebten <strong>alle</strong>rdings viel häufiger in Ehen als Deutsche. Alleinerziehende Haushalte mit<br />

nichtdeutschem Haushaltsvorstand in der Sozialhilfe belaufen sich auf 16 %.<br />

<strong>•</strong> In NRW lebt nahezu die Hälfte der Bevölkerung in einer Großstadt (47,4 %). Die<br />

Großstädte in NRW hatten im Durchschnitt die höchsten Armutsquoten. Insgesamt<br />

13.1 % der Bevölkerung in Städten mit über 500.000 Einwohnern fielen unter die Armutsgrenze.<br />

<strong>•</strong> Im Ruhrgebiet und in Kreisen am Rande von NRW sind die meisten Armen zu Hause.<br />

Die niedrigsten Armutsquoten findet man in ländlichen Kreisen rund um Düsseldorf<br />

und Köln und südlich des Ruhrgebiets.<br />

<strong>•</strong> Die Mehrzahl der Kreise weist niedrigere Sozialhilfedichten auf als die Städte. Auch<br />

die ausländische Bevölkerung unter den Sozialhilfebeziehern konzentriert sich in den<br />

Städten.<br />

<strong>•</strong> In den kreisfreien Städten ist das Sozialhilferisiko <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> besonders hoch. Bezogen<br />

auf Erwachsene gibt es mit zunehmendem Alter nur noch kleine Dichteunterschiede<br />

zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten.<br />

Fazit: Arme Familien und Alleinerziehende mit ihren <strong>Kinder</strong>n bleiben in den<br />

industriellen Ballungsräumen.<br />

<strong>•</strong> Im Ruhrgebiet gibt es so viele Sozialhilfeempfänger wie Gelsenkirchen Einwohner<br />

hat, nämlich ca. 250.000 Personen. D.h.: Mehr als ein Drittel <strong>alle</strong>r Sozialhilfebezieher<br />

in NRW lebten 1997 im Ruhrgebiet (35,7 %). Davon waren 92.153 Personen minderjährig<br />

(13 % <strong>alle</strong>r Sozialhilfebezieher). In Dortmund lebte sogar jedes 7. Kind unter 7<br />

Jahren von Sozialhilfe (entspricht 14,3 %). Rechnet man diese Zahlen auf durchschnittliche<br />

Grundschul-Klassenstärken um, so könnte man daraus ca. 200 Klassen<br />

Sozialhilfeempfänger<br />

Regionale Unterschiede<br />

19


20<br />

Viele <strong>Kinder</strong><br />

erhalten Sozialhilfe<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

pro Jahrgangsstufe mit <strong>Kinder</strong>n bilden, die unter Armutsbedingungen aufwachsen<br />

(Kersting 2000).<br />

<strong>•</strong> Fast sechs von zehn (58 %) Sozialhilfebeziehenden im Ruhrgebiet lebten Ende 1997<br />

in einem Haushalt mit Kind(ern). Der größte Anteil an armen Personen (31 %) fiel davon<br />

auf die Alleinerziehenden-Haushalte.<br />

<strong>•</strong> Die Hälfte <strong>alle</strong>r minderjährigen Sozialhilfebezieher im Ruhrgebiet gehörte einem Alleinerziehenden-Haushalt<br />

an. Von diesen war wiederum die Hälfte noch keine 7 Jahre<br />

alt und somit auf verlässliche und kontinuierliche Betreuung angewiesen.<br />

Im Ruhrgebiet entwickelt sich laut der Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum<br />

Armut zu einem Massenphänomen.<br />

Tabelle 4: Betroffenheit von Einkommensarmut in Nordrhein-Westfalen<br />

Jahr 40 % Grenze<br />

1991 <strong>–</strong> 1997 in %<br />

50 % Grenze 60 % Grenze<br />

1991 3,6 8,3 17,9<br />

1992 2,7 8,8 19,4<br />

1993 3,8 10,4 22,4<br />

1994 3,6 10,7 21,5<br />

1995 5,3 11,5 20,5<br />

1996 3,4 10,0 19,4<br />

1997* 2,7 8,4 18,0<br />

Quelle: SOEP 1991-1997 und eigene Berechnungen Ruhr-Universität Bochum<br />

*Vorläufiges Ergebnis<br />

Soziale Ungleichheit in Baden-Württemberg<br />

<strong>•</strong> Die Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs betrug 2001 (Mikrozensus)<br />

10.537.700 Einwohner.<br />

<strong>•</strong> Ende 1998 nahm Baden-Württemberg mit einem <strong>Kinder</strong>anteil von 16,9 % den ersten<br />

Platz unter den alten Bundesländern ein.<br />

<strong>•</strong> 1998 lebten in Baden-Württemberg 1.303.828 ausländische Mitbürger. Das entspricht<br />

einem Anteil von 12,5 % an der Gesamtbevölkerung. Unter den <strong>Kinder</strong>n ist der Ausländeranteil<br />

mit 14,5 % höher.<br />

<strong>•</strong> Im Jahr 2000 lebten in Baden-Württemberg 209.044 Menschen von Sozialhilfe, das<br />

entspricht einer Sozialhilfedichte von 2,0 % (2,8 Millionen und 3,4 % in der gesamten<br />

Bundesrepublik, 1999).


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

<strong>•</strong> Knapp 40 % der Sozialhilfeempfänger in Baden-Württemberg sind <strong>Kinder</strong> unter 18<br />

Jahren. Jedes 18. Kind unter 7 Jahren (5,4 %) wächst mit Sozialhilfe auf. Dagegen beziehen<br />

nur 1 % <strong>alle</strong>r Personen über 64 Jahre 1998 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.<br />

<strong>•</strong> 1998 hatten ein Drittel bis die Hälfte <strong>alle</strong>r Sozialhilfeempfänger in Baden-Württemberg<br />

keinen beruflichen Bildungsabschluss.<br />

<strong>•</strong> Über ein Viertel <strong>alle</strong>r Bedarfsgemeinschaften von Empfängern laufender Hilfe zum<br />

Lebensunterhalt waren 1998 Alleinerziehende. Der Ausländeranteil an den Sozialhilfeempfängern<br />

beträgt ebenfalls etwa ein Viertel.<br />

<strong>•</strong> Im Jahr 1998 lag die Sozialhilfequote in der deutschen Bevölkerung Baden-Württembergs<br />

bei 2,0 %, in der ausländischen Bevölkerung knapp unter 5 %. Im Vergleich dazu<br />

beträgt die Sozialhilfequote bei Alleinerziehenden unabhängig von der Nationalität<br />

mit knapp 19 % das Vierfache der Quote in der ausländischen Bevölkerung und liegt<br />

damit mehr als achtmal so hoch wie die Quote in der Gesamtbevölkerung (2,3 %).<br />

<strong>•</strong> Besonders armutsgefährdet sind Haushalte von Alleinerziehenden und von Familien<br />

mit drei und mehr <strong>Kinder</strong>n.<br />

Sozialhilfe<br />

21


22<br />

Deutlich mehr<br />

Sozialhilfeempfänger<br />

in großen Städten<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

<strong>•</strong> Während 2000 die Sozialhilfequote in der Gesamtbevölkerung unter 18 Jahren im<br />

Landesdurchschnitt 3,8 % beträgt, leben in den Stadtkreisen Mannheim (12,5 %),<br />

Freiburg (9,7 %), Karlsruhe (7,9 %), Stuttgart (7,2 %) und Heilbronn (7,2 %) wesentlich<br />

mehr <strong>Kinder</strong> unter 18 Jahren am Existenzminimum.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Hank, K.; Kersting, V.; Langenhoff, G.; Strohmeier, K.P. (Ruhr-Universität Bochum <strong>–</strong> Zentrum<br />

<strong>für</strong> interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung, ZEFIR) (2000): Armut in Nordrhein-Westfalen.<br />

Umfang und Struktur des Armutspotentials. Bochum.<br />

Kersting, V., Ruhr-Universität Bochum <strong>–</strong> ZEFIR: <strong>Kinder</strong>armut im Ruhrgebiet. Fakten eines<br />

Armutszeugnisses der Region. Referat auf der GEW-Konferenz „<strong>Kinder</strong>armut im Ruhrgebiet“<br />

am 2.2.2000 in Gelsenkirchen<br />

Landeshauptstadt Stuttgart, Sozialamt (Hrsg.) (2001): Armut in Stuttgart. Quantitative und<br />

qualitative Analysen. Sozialbericht 1. Stuttgart<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Landesgesundheitsamt<br />

Baden-Württemberg, (2000): <strong>Kinder</strong>gesundheit in Baden-Württemberg. Stuttgart


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

1.4 Ansätze zur Erklärung und Verringerung der gesundheitlichen<br />

Ungleichheit<br />

Bei der Erklärung der gesundheitlichen Ungleichheit wird meistens zwischen den beiden folgenden<br />

grundlegenden Hypothesen unterschieden:<br />

<strong>•</strong> Der sozio-ökonomische Status beeinflusst den Gesundheitszustand<br />

(plakativ formuliert: „Armut macht krank“)<br />

<strong>•</strong> der Gesundheitszustand beeinflusst den sozio-ökonomischen Status<br />

(plakativ formuliert: „Krankheit macht arm“)<br />

Die in Deutschland diskutierten Erklärungsansätze beziehen sich meistens auf die erste Hypothese.<br />

In der zweiten Hypothese wird das Problem angesprochen, dass die Gefahr eines sozialen<br />

Abstiegs bei kranken Personen häufig größer ist als bei gesunden; es wird jedoch davon ausgegangen,<br />

dass der Zusammenhang „Krankheit macht arm“ bei uns nicht so bedeutend ist wie<br />

der Zusammenhang „Armut macht krank“.<br />

Für den Zusammenhang „Armut macht krank“ kommt eine Vielzahl von Erklärungsansätzen<br />

in die Diskussion:<br />

<strong>•</strong> Arbeitsbedingungen: Von vielen physischen und psychischen Arbeitsbelastungen <strong>–</strong> z.B.<br />

körperlich schwerer Arbeit, Lärm, Eintönigkeit, geringen Möglichkeiten des Mitentscheidens<br />

<strong>–</strong> sind die Erwerbstätigen in der unteren Statusgruppe besonders stark betroffen.<br />

<strong>•</strong> Wohnbedingungen: Die Angehörigen der unteren Statusgruppe wohnen besonders häufig<br />

an verkehrsreichen Straßen, und die Luftverschmutzung ist in den Arbeiterwohngebieten<br />

höher als in anderen Wohngebieten.<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsgefährdendes Verhalten: Die meisten Ergebnisse liegen <strong>für</strong> Rauchen, Übergewicht,<br />

Bluthochdruck und Mangel an sportlicher Betätigung vor. Die Prävalenz dieser<br />

zentralen kardiovaskulären Risikofaktoren ist in den unteren Statusgruppen besonders<br />

hoch. Auch zur Ernährung sind mehrere Untersuchungen vorhanden, und sie lassen keinen<br />

Zweifel daran, dass die Ernährung in den status-niedrigen Gruppen zumeist ungesünder<br />

ist als in den status-hohen.<br />

<strong>•</strong> Vorsorge-Verhalten: Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen werden in den unteren<br />

Statusgruppen seltener in Anspruch genommen als in den oberen.<br />

<strong>•</strong> Gesundheitliche Versorgung: Erwachsene mit niedriger Schulbildung sind mit der ambulanten<br />

Versorgung unzufriedener als Erwachsene mit höherer Schulbildung. Bei statusniedrigen<br />

Personen fehlen erheblich mehr Zähne als bei status-hohen.<br />

Von einer ausreichenden Erklärung der gesundheitlichen Ungleichheit sind wir jedoch noch<br />

weit entfernt, denn wir wissen sehr wenig darüber,<br />

<strong>•</strong> wie groß der Anteil der einzelnen Faktoren an der Erklärung der gesundheitlichen Ungleichheit<br />

ist, und wie sich die einzelnen Faktoren gegenseitig beeinflussen.<br />

Armut macht krank <strong>–</strong><br />

Erklärungsansätze<br />

23


24<br />

Erklärung der<br />

gesundheitlichen<br />

Ungleichheit bei <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen<br />

Ansätze zur Verringerung<br />

der sozialen Ungleichheit<br />

Kurz- und mittelfristig<br />

planen<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

<strong>•</strong> ob und wie sich eine gesundheitliche Benachteiligung im Kindesalter bis in das Erwachsenenalter<br />

hinein fortsetzen kann.<br />

<strong>•</strong> wie sozial benachteiligte Personen selber ihre gesundheitliche Benachteiligung erklären.<br />

Die meisten der oben genannten Ansätze zur Erklärung der gesundheitlichen Ungleichheit lassen<br />

sich auf <strong>Kinder</strong> und Jugendliche übertragen. Wenig sinnvoll ist eine direkte Übertragung nur<br />

beim Ansatz „Arbeitsbedingungen“. Sind jedoch die Eltern der unteren Statusgruppe durch ihre<br />

Arbeitsbedingungen physisch und psychisch besonders stark belastet, dann wird dies auch auf<br />

ihre <strong>Kinder</strong> ausstrahlen. In diesem Sinne bieten die Arbeitsbedingungen bei den Erwachsenen<br />

auch einen wichtigen Ansatz zur Erklärung der gesundheitlichen Ungleichheiten bei den <strong>Kinder</strong>n.<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche aus der unteren Statusgruppe sind erheblich größeren gesundheitlichen<br />

Belastungen ausgesetzt als die besser gestellten <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen. Bezogen auf<br />

die Wohnbedingungen wurde z.B. festgestellt, dass <strong>Kinder</strong> aus den unteren Statusgruppen häufiger<br />

als andere <strong>Kinder</strong> an Hauptverkehrsstraßen und in Regionen mit erhöhter Konzentration an<br />

Außenluft-Schadstoffen wohnen. Schüler aus der unteren Statusgruppe ernähren sich besonders<br />

ungesund. Empirische Ergebnisse liegen vor <strong>alle</strong>m zum Rauchen vor. Mit zunehmendem sozioökonomischem<br />

Status nimmt das Rauchen bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen <strong>–</strong> auch bei ihren Eltern<br />

<strong>–</strong> immer weiter ab. Bezogen auf das Vorsorge-Verhalten ist z.B. die Teilnahme an den U1bis<br />

U9 Untersuchungen bei den unteren Statusgruppen besonders niedrig (Robert-Koch-Institut<br />

2001). Bezogen auf die gesundheitliche Versorgung von erkrankten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

liegen bisher keine größeren Untersuchungen über statusspezifische Unterschiede vor.<br />

Auf einer sehr allgemeinen Ebene besteht kein Zweifel daran, was zur Erreichung des Ziels<br />

„Verbesserung des Gesundheitszustandes in den unteren Statusgruppen“ getan werden sollte.<br />

Wir wissen sehr viel über die Möglichkeiten der Gesundheitsförderung bzw. der primären, sekundären<br />

und tertiären Prävention <strong>–</strong> jetzt geht es um die praktische Umsetzung bei den Angehörigen<br />

der unteren Statusgruppen.<br />

Auf einer etwas konkreteren Ebene lassen sich die folgenden Ansatzpunkte zur Verringerung<br />

der gesundheitlichen Ungleichheit unterscheiden: Zum einen die Verringerung der sozialen Ungleichheit<br />

(d.h. Verringerung der Unterschiede in der schulischen und beruflichen Ausbildung,<br />

im beruflichen Status und im Nettoeinkommen), und zum anderen die Verbesserung der Gesundheits-<strong>Chancen</strong><br />

von status-niedrigen Personen, d.h.:<br />

<strong>•</strong> Verringerung ihrer Expositionen gegenüber gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen<br />

<strong>•</strong> Verstärkung ihrer gesundheitsfördernden Umweltbedingungen<br />

<strong>•</strong> Verbesserung ihrer präventiven und kurativen gesundheitlichen Versorgung<br />

<strong>•</strong> Verbesserung ihres Gesundheitsverhaltens<br />

<strong>•</strong> Verbesserung ihrer beruflichen und finanziellen Absicherung bei Krankheit<br />

Die Verringerung der sozialen Ungleichheit würde das Problem quasi an der Wurzel anpacken.<br />

Dies setzt jedoch fundamentale strukturelle Veränderungen voraus, die (wenn überhaupt) nur in<br />

langfristigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen erreicht werden können. Die Bemühungen<br />

um eine kurz- und mittelfristige Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit sind ver-


Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

mutlich erfolgreicher, wenn sie sich zunächst auf die Verbesserung der Gesundheits-<strong>Chancen</strong><br />

von status-niedrigen Personen konzentrieren.<br />

Es ist nicht einfach, einen aktuellen Überblick über die Maßnahmen der Gesundheitsförderung<br />

zu erhalten, die sich auch und vor <strong>alle</strong>m an die sozial Benachteiligten richten. In Deutschland<br />

ist u.E. bisher viermal versucht worden, eine derartige Bestandsaufnahme zu erstellen:<br />

<strong>•</strong> Die erste Übersicht stammt aus Baden-Württemberg (Sozialministerium 1996).<br />

<strong>•</strong> Die zweite Übersicht stammt aus Niedersachsen (Hofrichter/Deneke 2000). Im Rahmen<br />

der niedersächsischen Landesarmutskonferenz hat sich dort 1996 der Arbeitskreis „Armut<br />

und Gesundheit“ gebildet; er wird seitdem von der Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit<br />

Niedersachsen e.V. aus organisiert.<br />

<strong>•</strong> Die dritte Übersicht wurde im Institut <strong>für</strong> Medizinische Soziologie der Heinrich-Heine-<br />

Universität in Düsseldorf erstellt. Im Rahmen des „European Network of Health Promotion<br />

Agencies (ENHPA)“ wurde das Projekt „Tackling Inequalities in Health“ durchgeführt.<br />

Es hatte zum Ziel, die „bisherigen Strategien der Gesundheitsförderung, die auf<br />

sozial und wirtschaftlich benachteiligte Gruppen gerichtet sind, (...) zu analysieren und<br />

die praktischen Möglichkeiten zur Verringerung dieses Problems darzustellen“ (BZgA<br />

2001, S. 3).<br />

<strong>•</strong> Gemeinsam mit Partnern aus Großbritannien und Schweden wurde im Rahmen eines<br />

von der EU finanzierten Projektes versucht, die Gesundheitsförderungs-Maßnahmen zu<br />

finden, die nachweislich zu einer Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit bei<br />

<strong>Kinder</strong>n geführt haben. Die Suche beschränkte sich dabei auf publizierte Studien aus den<br />

westeuropäischen Staaten. Insgesamt wurden ca. 40 Maßnahmen gefunden, aber davon<br />

stammte keine aus Deutschland (Mielck et al. 2000).<br />

Auff<strong>alle</strong>nd ist zunächst, dass diese Aktivitäten <strong>alle</strong> relativ neuen Datums sind. Offenbar wird in<br />

Deutschland erst seit wenigen Jahren versucht, die Gesundheitsförderung sozial Benachteiligter<br />

systematisch zu erfassen. Noch wichtiger ist jedoch eine andere Feststellung: Uns fehlt ein<br />

System, das es uns ermöglichen würde, aus den Erfahrungen der bereits durchgeführten Projekte<br />

zu lernen. Wir wissen zu wenig darüber, wo welche Projekte durchgeführt werden und wie erfolgreich<br />

diese Projekte waren.<br />

Die Frage, welche Gesundheitsförderungs-Maßnahmen nachweisbar zu einer Verringerung<br />

der gesundheitlichen Ungleichheit geführt haben, und was diese Maßnahmen auszeichnet, ist<br />

hier nur durch Rückgriff auf Erfahrungen aus dem Ausland zu beantworten. Als Beispiel kann<br />

die oben angesprochene Studie gelten, die im Rahmen eines von der EU finanzierten Projektes<br />

gemeinsam mit Partnern aus Großbritannien und Schweden durchgeführt wurde (Mielck et al.<br />

2000).<br />

Vermutlich lassen sich die Eigenschaften dieser Projekte (siehe Auflistung unten) auch auf<br />

Projekte in Deutschland übertragen. Dies entbindet uns jedoch nicht von der Aufgabe, eigene<br />

Gesundheitsförderungs-Maßnahmen <strong>für</strong> sozial Benachteiligte zu entwickeln und aus diesen Erfahrungen<br />

zu lernen.<br />

25<br />

Gesundheitsförderung <strong>für</strong><br />

sozial Benachteiligte <strong>–</strong><br />

Ansätze in Deutschland<br />

Erfahrungen aus<br />

dem Ausland


26<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Erfolgreiche Projekte zur Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit<br />

bei <strong>Kinder</strong>n haben folgende Eigenschaften (laut Erfahrungen aus dem Ausland):<br />

<strong>•</strong> energisches und intensives Engagement<br />

<strong>•</strong> sorgfältige Bedarfsanalyse vor Beginn der Intervention<br />

<strong>•</strong> Verknüpfung verschiedener Ansätze und Disziplinen<br />

<strong>•</strong> sorgfältige Auswahl und Ausbildung der vor Ort tätigen Vertrauenspersonen<br />

<strong>•</strong> Partizipation der Zielgruppe bei Planung und Durchführung der Maßnahme<br />

<strong>•</strong> persönliche Einladung der Personen aus der Zielgruppe (z.B. telephonisch<br />

durch Ärzte), persönlicher und enger Kontakt mit den Personen aus der<br />

Zielgruppe (Treffen unter vier Augen, in kleinen Gruppen etc.)<br />

<strong>•</strong> Vermittlung von Wissen und von Fertigkeiten<br />

<strong>•</strong> Anpassung an die regionalen Umstände.<br />

Fazit <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung von sozial benachteiligten Menschen:<br />

Gesundheitliche Ungleichheit bei armen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen: Warum?<br />

<strong>•</strong> Schlechte Arbeitsbedingungen der Eltern<br />

<strong>•</strong> Schlechte Wohnbedingungen<br />

<strong>•</strong> Häufig gesundheitsschädigendes Verhalten in Form von Rauchen, ungesunder<br />

Ernährung und Bewegungsmangel<br />

<strong>•</strong> Schlechteres Vorsorge-Verhalten: Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen<br />

sowie Impfungen werden selten in Anspruch genommen<br />

<strong>•</strong> Schlechte gesundheitliche Versorgung<br />

Wodurch könnte sich die gesundheitliche Ungleichheit verringern?<br />

<strong>•</strong> Verringerung der Expositionen gegenüber gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen<br />

<strong>•</strong> Verstärkung der gesundheitsfördernden Lebensbedingungen<br />

<strong>•</strong> Verbesserung der präventiven und kurativen gesundheitlichen Versorgung<br />

<strong>•</strong> Verbesserung des Gesundheitsverhaltens<br />

<strong>•</strong> Verbesserung der Bildungschancen<br />

<strong>•</strong> Verbesserung der beruflichen und finanziellen Absicherung bei Krankheit<br />

<strong>•</strong> Stärkung der Bewältigungsressourcen


Zum Vertiefen:<br />

Teil I. Die Grundlagen oder „Was sollten Sie wissen?“<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2001): „Tackling Inequalities in Health“<br />

<strong>–</strong> ein Projekt des „European Network of Health Promotion Agencies“ (ENHPA) zur Gesundheitsförderung<br />

bei sozial Benachteiligten. Abschlussbericht <strong>für</strong> das deutsche Teilprojekt.<br />

Vorgelegt von Prof. Dr. Johannes Siegrist und Dr. Ljiljana Joksimovic (Universität Düsseldorf,<br />

Institut <strong>für</strong> Medizinische Soziologie)<br />

Hofrichter, P.; Deneke, C. (Hrsg.) (2000): Armut und Gesundheit. Praxisprojekte aus Gesundheits-<br />

und Sozialarbeit in Niedersachsen. Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit Nds. e.V.,<br />

Zentrum <strong>für</strong> Angewandte Gesundheitswissenschaften der Fachhochschule Nordostniedersachsen<br />

und der Universität Lüneburg. Lüneburg<br />

Mielck, A.; Graham, H.; Bremberg, S. (2000): Armut macht auch <strong>Kinder</strong> krank. Können Strategien<br />

der Gesundheitsförderung gesundheitliche <strong>Chancen</strong>gleichheit schaffen? Empirische<br />

Ergebnisse aus Westeuropa. 6. bundesweiter Kongress „Armut und Gesundheit“. Berlin, 1.-<br />

2. Dezember 2000<br />

Robert-Koch-Institut (Hrsg.) (2001): Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 03/01:<br />

Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Verfasst von Prof. Dr. Andreas Klocke. Berlin<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (1996): Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten.<br />

Eine Bestandsaufnahme von Initiativen, Projekten und kontinuierlichen Angeboten.<br />

Stuttgart<br />

27


28<br />

Notizen


Nicole T. Fürsorge<br />

Foto: www.offroadkids.de<br />

29


30<br />

Wenige Erkenntnisse<br />

über subjektives<br />

Erleben von Armut<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

2. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

2.1 Soziale Ungleichheit und die Folgen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong><br />

eine Einstimmung<br />

2.2 Gesundheitsverhalten von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen <strong>–</strong> das Beispiel Ernährung<br />

2.3 Risiko Alleinerziehen: Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendliche<br />

aus Ein-Eltern-Familien<br />

2.4 Strategien und Ressourcen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zur<br />

Bewältigung von Armut<br />

2.1 Soziale Ungleichheit und die Folgen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong><br />

eine Einstimmung<br />

Die Folgen von Armut in den Familien sind vielfältig und tiefgreifend <strong>–</strong> das wurde oben wiederholt<br />

angedeutet. Belastende Lebensbedingungen, ein ungünstiges Gesundheitsverhalten, Unterschiede<br />

in der gesundheitlichen Versorgung und nicht zuletzt unzureichende Ressourcen zur Bewältigung<br />

des Ganzen beeinflussen neben dem körperlichen und seelischen Wohlbefinden auch<br />

die Entwicklung und Lebenschancen der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen.<br />

Der 10jährige Clemens lebt mit seinen Eltern und den 4 jüngeren Geschwistern im<br />

sozialen Brennpunkt in Großburgfeld-Süd. Seit 4 Jahren ist sein Papa arbeitslos,<br />

was ihm gegenüber seinen Schulkameraden schrecklich peinlich ist. Mama hat <strong>für</strong><br />

ihn keine Zeit und scheint auch sonst mit <strong>alle</strong>m überfordert: Die Wohnung gleicht<br />

einer Müllhalde, der Schuldenberg steigt ins Unermessliche und im Kühlschrank<br />

herrscht oft gähnende Leere. Clemens geht nicht gerne in die Schule, weil er dort<br />

von den anderen oft gehänselt wird. Er schämt sich <strong>für</strong> seine altmodische Büchertasche,<br />

die zerschlissene no-name-Jeans, seine schlechten Zeugnisse und da<strong>für</strong>, dass<br />

er nachmittags immer auf seine kleinen Geschwister aufpassen muss und nicht zum<br />

Spielen darf. Clemens hätte so viele große und kleine Wünsche, wie <strong>alle</strong> Jungs in<br />

seinem Alter. Kaum angefangen, seiner Mutter davon zu erzählen, weiß er schon die<br />

Antwort: „Sei still, wir haben kein Geld.“<br />

Wir kennen Daten und Fakten über soziale und gesundheitliche Ungleichheit aus empirischen<br />

Studien. Aber wir wissen wenig über diejenigen, die sich hinter diesen Zahlen und Statistiken<br />

verbergen: die betroffenen <strong>Kinder</strong>, Jugendlichen und ihre Eltern. Wie aber <strong>Kinder</strong> das Aufwachsen<br />

in Armut erleben, welche Konsequenzen es <strong>für</strong> sie hat und wie ihnen bei der Bewältigung<br />

ihrer schwierigen Situation geholfen werden könnte, ist wissenschaftlich kaum erfasst. Le-


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

benslagenorientierte Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial Benachteiligte funktioniert nicht gut ohne<br />

Einblick in das, was <strong>für</strong> die Betroffenen „Alltag“ ist.<br />

Der Lebensstandard von <strong>Kinder</strong>n bestimmt sich über das Einkommen der Eltern. Damit haben<br />

<strong>Kinder</strong>, die in Armutshaushalten aufwachsen, kaum eine Chance, dieser Situation mit eigenen<br />

Anstrengungen zu entkommen, denn sie sind auf ihre Eltern angewiesen und materiell von<br />

ihnen abhängig (Mansel/Brinkhoff 1998). Werden <strong>Kinder</strong> in eine solche Lebenslage hineingeboren,<br />

kennen sie kein anderes Leben als das mit finanzieller und sozialer Benachteiligung.<br />

Geld ist häufig ein Thema in sozial benachteiligten Familien <strong>–</strong> auch <strong>für</strong> die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen.<br />

Sie schämen sich <strong>für</strong> die Situation ihrer Eltern und sind zudem in der schwierigen<br />

Lage, das <strong>alle</strong>s nach draußen schlecht verschweigen zu können. Die Angst vor der Stigmatisierung<br />

setzt die <strong>Kinder</strong> unter Druck und führt zum Abbruch ihrer sozialen Kontakte. Am meisten<br />

leiden die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen wohl unter der Tatsache, dass sie „nicht mithalten können“.<br />

Sie sind und sie fühlen sich sozial ausgegrenzt. Im schlimmsten Fall kommt es zu depressiven<br />

Störungen und Selbstwertkrisen. Wenn solche psychischen Beschwerden im Kindes- und Jugendalter<br />

auftreten, können sie negative Entwicklungen in Gang setzen, die ein ganzes Leben<br />

lang prägen (Klocke/Hurrelmann 1998).<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche, denen schon an der Kleidung die finanzielle Misere der Familie anzusehen<br />

ist, werden schnell zu Außenseitern abgestempelt: keine Freunde, keine Markenkleidung,<br />

keine Schulausflüge, keine Mitgliedschaft im Sportverein, kein Urlaub in Mallorca, ein<br />

altes Fahrrad oder keines. Sofern irgendwie erschwinglich, setzen deshalb manche Eltern <strong>alle</strong>s<br />

daran, ihren Sprösslingen diese Akzeptanzprobleme in Schule und Freundeskreis zu ersparen.<br />

Zum Teil versuchen sie, den <strong>Kinder</strong>n das <strong>gleiche</strong> zu bieten, was die Freunde in der Clique auch<br />

besitzen. Das gelingt entweder über die drastische Reduzierung der elterlichen Bedürfnisse<br />

oder hin und wieder auch über Privatschulden. Auf viele Aktionen, bei denen es darum geht, mit<br />

Gleichaltrigen etwas zu tun, müssten die <strong>Kinder</strong> ansonsten verzichten. Ein Kind büßt schnell an<br />

Wertschätzung in der Gleichaltrigengruppe ein, wenn es den ganz normalen Standard nicht erreicht<br />

(Mansel/Neubauer 1998).<br />

Manche Probleme wären <strong>für</strong> die <strong>Kinder</strong> sicher besser zu bewältigen, wenn sie unter ihren<br />

Kameraden in der Schule auf Verständnis und Unterstützung hoffen könnten. Das erweist sich<br />

in der Praxis aber als schwierig. Im heutigen Schulsystem stoßen Lehrer mit dem Wunsch, die<br />

sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong> besonders zu unterstützen, schnell an die Grenze ihrer Belastbarkeit<br />

(Andrä 2000).<br />

Auch zu Hause lauern die Einschränkungen beim Spielen und Hausaufgaben machen. Der oft<br />

beengte Wohnraum lässt den <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen wenig bis gar keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen.<br />

Häufig gibt es keinen Platz in der Wohnung, an dem die Hausaufgaben in Ruhe erledigt<br />

werden können. Nervosität und Konzentrationsstörungen folgen fast zwangsläufig. Mit andauernder<br />

Armut verschlechtert sich oft das Klima in der Familie. Konflikte und Spannungen<br />

sind unumgänglich und werden meistens nicht konstruktiv gelöst <strong>–</strong> mit dem Nebeneffekt, dass<br />

die <strong>Kinder</strong> so wahrscheinlich kaum soziale Kompetenzen erwerben.<br />

<strong>Kinder</strong> lernen am Modell, und wenn die Vorbilder mit verfügbaren Finanzen schlecht umgehen<br />

können, dann verwundert es nicht, dass sich auch die <strong>Kinder</strong> damit schwer tun. Laut einer<br />

Befragung der Universität Oldenburg würden 64,5 % der Schüler aus 7.-10. Klassen sich eher<br />

verschulden als auf Anschaffungen verzichten. Aus Studien mit Erwachsenen ist bekannt, dass<br />

Überschuldung Folgen <strong>für</strong> die Gesundheit hat. Vor <strong>alle</strong>m psychosomatische und Sucht-Erkran-<br />

31<br />

Aufwachsen mit wenig Geld<br />

Konflikte und Spannungen<br />

Überschuldung <strong>–</strong> Beginn<br />

eines Teufelskreises


32<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

kungen kommen bei überschuldeten Personen häufig vor (Zimmermann 2000). Schulden zu machen<br />

erweitert nur kurzfristig den Handlungsspielraum, langfristig schränkt es die Perspektiven<br />

der Jugendlichen entscheidend ein <strong>–</strong> als Auslöser und Triebfeder eines Teufelskreises, dem die<br />

Betroffenen kaum mehr entkommen.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Andrä, H. (2000): Begleiterscheinungen und psychosoziale Folgen von <strong>Kinder</strong>armut: Möglichkeiten<br />

pädagogischer Interventionen. In: Butterwegge, C. (Hrsg.): <strong>Kinder</strong>armut in Deutschland.<br />

Ursachen, Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen. Frankfurt am Main<br />

Andreß, H.-J. (1999): Leben in Armut: Analysen der Verhaltensweisen armer Haushalte mit<br />

Umfragedaten. Opladen<br />

Iben, G. (Hrsg.) (1998): Kindheit und Armut. Analyse und Projekte. Münster<br />

Kamensky, J.; Heusohn, L.; Klemm, U. (Hrsg.) (2000): Kindheit und Armut in Deutschland:<br />

Beiträge zur Analyse, Prävention und Intervention. Ulm<br />

Klocke, A.; Hurrelmann, K. (Hrsg.) (1998): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. Umfang, Auswirkungen<br />

und Konsequenzen. Opladen<br />

Mansel, J.; Neubauer, G. (Hrsg.) (1998): Armut und soziale Ungleichheit bei <strong>Kinder</strong>n. Opladen<br />

Mansel, J.; Brinkhoff, K.-P. (Hrsg.) (1998): Armut im Jugendalter. Soziale Ungleichheit, Gettoisierung<br />

und die psychosozialen Folgen. Weinheim/München<br />

Otto, U. (Hrsg.) (1997): Aufwachsen in Armut. Erfahrungswelten und soziale Lagen von<br />

<strong>Kinder</strong>n armer Familien. Opladen<br />

Zimmermann, G. E. (2000): Ansätze zur Operationalisierung von Armut und Unterversorgung<br />

im Kindes- und Jugendalter. In: Butterwegge, C. (Hrsg.): <strong>Kinder</strong>armut in Deutschland. Frankfurt.<br />

S. 59-77


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

2.2 Gesundheitsverhalten von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen <strong>–</strong> das Beispiel Ernährung<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien weisen vielfach <strong>–</strong> ebenso wie ihre<br />

Eltern <strong>–</strong> ein ungünstiges Gesundheitsverhalten auf. Dies zu ändern, ist schwierig, wenn die guten<br />

Vorbilder fehlen, weil die Eltern auch nicht über die entsprechenden Kompetenzen und die<br />

Bereitschaft zur praktischen Umsetzung verfügen.<br />

Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum als Risikofaktoren<br />

<strong>für</strong> viele Erkrankungen sind bei armen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen häufiger anzutreffen<br />

als bei ihren Altersgenossen aus oberen sozialen Schichten. Bedenklich muss die Erkenntnis<br />

stimmen, dass Gesundheitsverhalten in der Kindheit gelernt und so im Erwachsenenalter<br />

beibehalten wird (Kamensky 2000a; Langnäse et al. 2000).<br />

Die Datenlage zum Ernährungsverhalten von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Deutschland bietet keine Grundlage <strong>für</strong> differenzierte Erkenntnisse. So ist man bei der<br />

Beschreibung des Essverhaltens dieser Gruppe vermehrt auf die Schilderungen von Sozialarbeitern,<br />

Lehrern oder <strong>Kinder</strong>ärzten angewiesen.<br />

Dennoch: Die Universität Bielefeld befragte in ihrer Untersuchung 3.328 Schüler auch zum<br />

Thema Ernährung. Die <strong>Kinder</strong> aus der unteren sozialen Schicht ernährten sich im Vergleich zur<br />

oberen deutlich ungesünder (Klocke 1995) (Tabelle 5). So essen die ärmeren <strong>Kinder</strong> z.B. weniger<br />

Vollkornbrot, Obst und Gemüse als die <strong>Kinder</strong> aus bessergestellten Familien. Da<strong>für</strong> konsumieren<br />

sie mehr Chips und Pommes Frites. Es wird vermutet, dass auch hier das Ernährungsverhalten<br />

der Eltern eine große Rolle spielt. Für Chips und Pommes Frites gäbe es durchaus billigere<br />

Alternativen. Offensichtlich wird dabei weniger auf das Einkommen als auf den<br />

psychosozialen Zusatznutzen dieser Lebensmittel geachtet.<br />

Tabelle 5: Ernährung der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen nach sozialer Ungleichheit<br />

(Alter: 11 <strong>–</strong> 15 Jahre)<br />

Soziale Lage<br />

Lebensmittel „arme <strong>Kinder</strong>“ in % „reiche <strong>Kinder</strong>“ in %<br />

Gemüse wöchentlich 48 54<br />

Obst, mehrmals täglich 32 42<br />

Vollkornbrot, täglich 26 51<br />

Vollmilch, mehrmals täglich 31 43<br />

Chips, täglich 54 36<br />

Pommes Frites, wöchentlich 55 37<br />

Hamburger, Hot Dogs, wöchentlich 23 22<br />

Cola, Fanta, täglich 45 28<br />

Süßigkeiten, mehrmals täglich 30 25<br />

Kaffee, wöchentlich 37 24<br />

Datenbasis: Health Behaviour in School-Age Children, Survey,<br />

Universität Bielefeld 1994, Quelle: Klocke 1995<br />

Sellin und Besselmann (1987) stellten ebenfalls fest, dass im Sozialhilfeempfängerhaushalt mit<br />

<strong>Kinder</strong>n weitgehend auf Fleisch, frisches Obst und Gemüse verzichtet wurde. Ebenso berichten<br />

Arme <strong>Kinder</strong> essen<br />

und trinken ungesund<br />

33


34<br />

Verzicht auf Frühstück<br />

Gesundheit kein<br />

vorrangiges Thema<br />

Auch ein Thema: Rauchen,<br />

Alkohol und Drogen<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

die Mitarbeiter einer <strong>Kinder</strong>tagesstätte in einem sozialen Brennpunkt in Bremen, dass viele <strong>Kinder</strong><br />

nicht frühstücken und kein Pausenbrot mit in die Schule bekommen. Für die Schüler ist das<br />

Mittagessen im Hort dann oft die erste <strong>–</strong> und zum Teil auch die einzige warme <strong>–</strong> Mahlzeit am<br />

Tag (Busch-Geertsema/Ruhstrat 1993). Im Sozialbericht 2000 der Arbeiterwohlfahrt wird ebenfalls<br />

bestätigt, dass arme <strong>Kinder</strong> oft hungrig in den <strong>Kinder</strong>garten bzw. in die Schule gehen müssen.<br />

Sie wirken zudem ungepflegt, vernachlässigt und viele von ihnen zeigen Entwicklungsverzögerungen<br />

(AWO 2000).<br />

Fehl- und Mangelernährung ist unter <strong>Kinder</strong>n, die in Armut aufwachsen, weit verbreitet<br />

(Köttgen 2000; Dangschat 2000). Die Folgen der ungesunden Ernährung manifestieren sich<br />

nicht selten im Erwachsenenalter in Form von Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />

Weiterhin wurde in der Bielefelder Studie untersucht, welche Faktoren das Ernährungsverhalten<br />

beeinflussen. Positiv wirken sich die Unterstützung durch die Eltern und die Einbindung<br />

in eine Gleichaltrigengruppe aus. <strong>Kinder</strong>, die sich in der Schule wohl fühlen und auch regelmäßig<br />

Sport treiben, achten mehr auf ihre Ernährung. Dagegen erwiesen sich ein umfangreicher<br />

Fernsehkonsum und die soziale Ungleichheit selbst als ungünstig <strong>für</strong> das Essverhalten. Ebenfalls<br />

von Nachteil ist es, wenn die <strong>Kinder</strong> viele Abende außer Haus verbringen (Klocke 1995),<br />

wo dann die elterliche „Kontrolle“ völlig außen vor ist.<br />

In der Studie der Universität Ulm zum „Ernährungsverhalten von Sozialhilfeempfängerinnen“<br />

setzten die befragten Mütter <strong>alle</strong>s daran, dass ihre <strong>Kinder</strong> von den Einsparungen am Essen<br />

nichts bemerkten. Zum Teil tun sie das, um so ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen (Kamensky<br />

2000a). D.h. die Mütter sind in armen Familien noch schlechter ernährt als die <strong>Kinder</strong>, wenn<br />

sie zugunsten anderer verzichten. Die Frage, wie gesund und vollwertig ihre eigene Ernährung<br />

ist, steht bei armen Frauen meist nicht im Vordergrund. Vorrangig widmen sie ihre Aufmerksamkeit<br />

der Bewältigung ihrer Lebensumstände. Die (oft erfolglose) Suche nach einem Arbeitsplatz,<br />

die Bewältigung der Schuldenlast, das Aufbringen der Miete, die vielen Belastungen<br />

einer Alleinerziehenden <strong>–</strong> dagegen erscheint das Thema Gesundheit <strong>für</strong> die Frauen kaum bedeutend<br />

(Kamensky 2000b).<br />

Neben ungesunder Ernährung sind gesundheitsschädigende Verhaltensweisen wie Rauchen,<br />

Alkoholgenuss und Drogenkonsum bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aus der unteren sozialen<br />

Schicht relativ oft zu beobachten (Mielck 1998). Scholz und Kaltenbach (1995) fanden z.B. heraus,<br />

dass der Anteil der Raucher in der Hauptschule im Vergleich zu Realschule und Gymnasium<br />

am höchsten ist. Auch rauchten deutlich mehr Eltern von Hauptschülern als andere Eltern.<br />

In Anbetracht der realen Lage der Betroffenen ist die These nachzuvollziehen, dass Armut den<br />

Genussmittelkonsum ansteigen läßt. Kaffee, Zigaretten und Alkohol haben zweifellos eine entspannende<br />

Wirkung, auch wenn das Budget dadurch noch kleiner wird (Kamensky 1995; Roth<br />

1992).


Zum Vertiefen:<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

AWO Bundesverband e.V. (2000): AWO-Sozialbericht 2000. Gute Kindheit <strong>–</strong> Schlechte Kindheit.<br />

Armut und Zukunftschancen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in Deutschland. Bonn<br />

Bieligk, A. (1996): Die armen <strong>Kinder</strong> <strong>–</strong> Armut und Unterversorgung bei <strong>Kinder</strong>n, Belastungen<br />

und ihre Bewältigung. Essen<br />

Busch-Geertsema, V.; Ruhstrat, E.-U. (1993): „Das macht die Seele so kaputt...“. Armut in<br />

Bremen. Bremen<br />

Dangschat, J.S. (2000): Armut und eingeschränkte Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in ihrem Stadtteilbezug. In: Altgeld, T.; Hofrichter P. (Hrsg.): Reiches Land <strong>–</strong> kranke<br />

<strong>Kinder</strong>? Frankfurt am Main. S. 155-178<br />

Kamensky, J. (1995): Essen und Ernähren mit Sozialhilfe <strong>–</strong> Ein Bericht aus der Praxis. In:<br />

Barlösius, Eva; Feichtinger, Elfriede; Köhler, Barbara Maria (Hrsg.): Ernährung in der Armut.<br />

Gesundheitliche, soziale und kulturelle Folgen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin. S.<br />

237-253<br />

Kamensky, J: (2000a): <strong>Kinder</strong>armut: Folgen <strong>für</strong> die Ernährung. In: Kamensky, J.; Heusohn,<br />

L.; Klemm, U. (Hrsg.) (2000): Kindheit und Armut in Deutschland: Beiträge zur Analyse, Prävention<br />

und Intervention. Ulm. S. 86-106<br />

Kamensky, J. (2000b): Ernährung und Sozialhilfe: Ergebnisse eines Forschungsprojekts. In:<br />

Hofrichter, P.; Altgeld, T. (Hrsg.): Suppenküchen im Schlaraffenland <strong>–</strong> Armut und Ernährung<br />

von Familien und <strong>Kinder</strong>n in Deutschland. Hannover. S. 37-43<br />

Klocke, A. (1995): Der Einfluss sozialer Ungleichheit auf das Ernährungsverhalten im <strong>Kinder</strong>-<br />

und Jugendalter. In: E. Barlösius/E. Feichtinger/B. M. Köhler (Hrsg.): Ernährung in der Armut.<br />

Gesundheitliche, soziale und kulturelle Folgen in der Bundesrepublik. Berlin. S. 185-203<br />

Koettgen, C. (2000): In der Seele verletzt. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche im sozialen Abseits. In: Altgeld,<br />

T.; Hofrichter P. (Hrsg.): Reiches Land <strong>–</strong> kranke <strong>Kinder</strong>? Frankfurt am Main. S. 75-88<br />

Langnäse, K.; Mast, M.; Müller, M.J. (2000): Sozialer Status, Ernährung und Gesundheit.<br />

Akt. Ernähr. Med. 25: S. 16-19<br />

Mielck, A. (1998): Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen: Ergebnisse der sozial-epidemiologischen<br />

Forschung in Deutschland. In: Klocke, A.; Hurrelmann, K. (Hrsg.):<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. Opladen, S. 225-249<br />

Robert-Koch-Instititut (Hrsg.) (2001): Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 03/01:<br />

Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Verfasst von Prof. Dr. Andreas Klocke. Berlin<br />

35


36<br />

Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen aus<br />

Ein-Eltern-Familien<br />

Junge Mütter besonders<br />

betroffen<br />

Alleinerziehende Mütter<br />

haben schlechtere<br />

Schulbildung<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Roth, R. (1992): Über den Monat am Ende des Geldes. Frankfurt am Main<br />

Scholz, M.; Kaltenbach, M. (1995): Zigaretten-, Alkohol- und Drogenkonsum bei 12- bis<br />

13jährigen Jugendlichen <strong>–</strong> eine anonyme Befragung bei 2979 Schülern. In: Gesundheitswesen,<br />

57, 1995<br />

Sellin, C.; Besselmann, K. (1987): Erscheinungsformen und Auswirkungen sozialer Not und<br />

Verarmung. Untersuchung im Auftrag des Diakonischen Werkes der EKD. Köln<br />

2.3 Risiko Alleinerziehen<br />

<strong>Kinder</strong> aus Ein-Eltern-Familien unterscheiden sich hinsichtlich verschiedener Gesundheitsrisiken<br />

deutlich von <strong>Kinder</strong>n aus Zwei-Eltern-Familien. Dies betrifft im Wesentlichen die psychische<br />

Entwicklung, die Nutzung präventiver Maßnahmen (Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen,<br />

Impfungen) sowie die Erkrankungs- und Unfallhäufigkeit. Der Mangel an finanziellen<br />

Ressourcen ist dabei nur eine von vielen Ursachen (Montgomery et al. 1996).<br />

Eine im Rahmen der Einschulungsuntersuchung in den Jahren 1996 und 1998 von der Universität<br />

Ulm in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Ulm durchgeführte Studie bei 3.131<br />

<strong>Kinder</strong>n lieferte wertvolle Hinweise zur gesundheitlichen Situation von <strong>Kinder</strong>n aus Ein-Eltern-<br />

Familien (Gickeleiter 2000). 2.686 der <strong>Kinder</strong> im Alter zwischen 5 und 6 Jahren lebten zum<br />

Zeitpunkt der Untersuchungen in Ulm in einer Familie mit zwei Eltern. In reinen Ein-Eltern-Familien<br />

wuchsen 307 <strong>Kinder</strong> (9,9 %) auf, die meistens deutscher Herkunft waren.<br />

Das Alter der <strong>alle</strong>inerziehenden Mütter war durchschnittlich niedriger als bei den nicht <strong>alle</strong>inerziehenden<br />

Müttern. Dies ist vor <strong>alle</strong>m auf den großen Anteil der Alleinerziehenden bei den<br />

sehr jungen Müttern zurückzuführen. Mütter unter 25 Jahren hatten ein 2,5-faches Risiko <strong>alle</strong>inerziehend<br />

zu sein im Vergleich zu den Müttern zwischen 30 und 40 Jahren. In den Altersgruppen<br />

über 40 Jahre bestanden keine gravierenden Unterschiede. Das weist darauf hin, dass das<br />

Augenmerk in der Gesundheitsförderung noch immer besonders auf die sehr jungen Mütter ausgerichtet<br />

sein muss.<br />

Auch bei den Unterschieden in der Schulbildung zwischen den beiden Familienformen<br />

machte sich das Alter der Mutter bemerkbar. Alleinerziehende Frauen haben häufiger keinen<br />

Abschluss (6,3 %) oder einen Hauptschulabschluss (38,3 %) als Frauen aus Zwei-Eltern-Familien<br />

(5,0 % und 33,6 %), und Frauen aus Zwei-Eltern-Familien sind sehr viel häufiger in der Kategorie<br />

„Abitur“ vertreten (26,8 % zu 19,8 %). Eine Erklärung hier<strong>für</strong> könnte das jüngere Alter<br />

der <strong>alle</strong>inerziehenden Mütter sein, die möglicherweise durch ihre frühe Schwangerschaft und<br />

Geburt die begonnene Schulausbildung nicht beendet haben.


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

In den Wohnungen der Ein-Eltern-Familien wurde viel häufiger geraucht als bei den Zwei-Eltern-Familien.<br />

40,2 % der Ein-Eltern-Familien <strong>–</strong> aber nur 28,8 % der Zwei-Eltern-Familien <strong>–</strong><br />

gaben an, dass in ihrer Wohnung geraucht wird. Im Ernährungsverhalten unterschieden sich die<br />

beiden Gruppen kaum. Die körperliche Untersuchung der <strong>Kinder</strong> ergab, dass <strong>Kinder</strong> aus Ein-Eltern-Familien<br />

durchschnittlich größer und schwerer waren als die <strong>Kinder</strong> aus Zwei-Eltern-Familien.<br />

Als Ursache <strong>für</strong> Übergewicht im Kindesalter wird neben den Ernährungsfaktoren auch<br />

die Dauer des Fernsehkonsums gesehen und damit einhergehend fehlende körperliche Betätigung<br />

(Ministerium <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung 1994). Wenn nur ein Erwachsener<br />

<strong>für</strong> die Betreuung des Kindes zuständig ist, ist die Zeit knapper bemessen, die er mit dem<br />

Kind verbringen kann. Außerdem ist es aus zeitlichen Gründen oft nicht möglich, die <strong>Kinder</strong> in<br />

einen Sportverein zu bringen und von dort wieder abzuholen. Sportliche Betätigung ist zudem<br />

häufig mit Kosten verbunden und die finanziellen Mittel sind bei Ein-Eltern-Familien deutlich<br />

geringer als bei Zwei-Eltern-Familien.<br />

<strong>Kinder</strong> Alleinerziehender sind seltener geimpft als <strong>Kinder</strong> aus Zwei-Eltern-Familien. Bei<br />

fünf von acht abgefragten Impfungen bestanden geringere Impfraten bei den <strong>Kinder</strong>n aus Ein-<br />

Eltern-Familien. Vorsorgeuntersuchungen und Impfberatungstermine <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> nehmen <strong>alle</strong>inerziehende<br />

Eltern seltener wahr als Eltern der Zwei-Eltern-Familien (Fleming/Charlton<br />

1998; Lutz 1990; Fergusson et al. 1981). Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass <strong>alle</strong>inerziehende<br />

Eltern den <strong>Kinder</strong>arzt nicht vorbeugend aufsuchen, sondern nur im Krankheitsfall der<br />

<strong>Kinder</strong>. Dieser Umstand könnte u.a. durch den Zeitmangel in Ein-Eltern-Familien erklärt werden.<br />

Es fällt auf, dass Unterschiede zwischen Ein-Eltern-Familien und Zwei-Eltern-Familien besonders<br />

in Bezug auf psychosomatische Komponenten diskutiert werden. Gastrointestinale Beschwerden,<br />

besonders Bauchschmerzen, sind im Kindesalter ein häufiger Symptomkomplex<br />

Rauchen, Übergewicht,<br />

Bewegungsmangel<br />

Geringere Vorsorge<br />

37


38<br />

Vermehrt psychische<br />

Krankheitsursachen<br />

Alleinerziehende Mütter<br />

häufiger krank<br />

Ansätze <strong>für</strong> die<br />

Gesundheitsförderung<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

und oft Ausdruck eines psychosomatischen Geschehens (Illing/Spranger 1993; Adler et al.<br />

1998). <strong>Kinder</strong> aus Ein-Eltern-Familien klagten 1,9 mal mehr über häufige Bauchschmerzepisoden<br />

als <strong>Kinder</strong> aus Zwei-Eltern-Familien. Auch die Angabe, manchmal Durchfall zu haben,<br />

machten die <strong>Kinder</strong> der Ein-Eltern-Familien öfters. Beides deutet auf vermehrten Stress oder<br />

psychischen Druck hin. Neurodermitits, Ekzeme und das Asthma zählen ebenfalls zu den Erkrankungen,<br />

auf die der psychische Zustand und die sozialen Umstände einen Einfluss haben<br />

(Adler et al. 1998). <strong>Kinder</strong> <strong>alle</strong>inerziehender Eltern der Ulmer Untersuchung hatten ein signifikant<br />

erhöhtes Risiko einer Hautkrankheit. Noch höher lag das Risiko <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> aus Ein-Eltern-<br />

Familien bei asthmatischen Symptomen.<br />

Die Ulmer Studie zeigt deutlich, dass <strong>Kinder</strong> von Alleinerziehenden auch dann ein höheres<br />

Erkrankungsrisiko haben, wenn es keine Unterschiede gibt hinsichtlich Schulbildung, Erwerbstätigkeit<br />

und Alter der Mütter, Nationalität, Anzahl der Geschwister und Rauchen in der Wohnung.<br />

Gesundheitliche Ungleichheit zwischen diesen beiden Familienformen hat also noch andere<br />

Gründe.<br />

Es gibt viele Erklärungsmodelle <strong>für</strong> diese Ergebnisse. Die kindlichen Symptome werden von<br />

Alleinerziehenden oft ernster interpretiert. Es ist kein zweiter Erwachsener da, der die Symptome<br />

mitbeurteilt, der die Verantwortung teilt und der mitentscheidet. Alleinerziehende Mütter<br />

sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt (Arbeit, Kind, ständiger Zeitdruck und oft finanzielle<br />

Sorgen) und die <strong>Kinder</strong> reagieren auf Stress mit psychosomatischen Beschwerden. In zahlreichen<br />

Studien wurde nachgewiesen, dass der Gesundheitszustand <strong>alle</strong>inerziehender Mütter deutlich<br />

schlechter ist als der von verheirateten Müttern (Shouls et al. 1999; Benzeval 1998; Baker/Taylor<br />

1997; Compas/Williams 1990). Die Auswirkungen der gesundheitlichen Verfassung<br />

der Mütter auf das Wohlbefinden der <strong>Kinder</strong> ist nicht zu unterschätzen. Van den Bosch et al.<br />

(1993) beschrieben in ihrer Studie, dass die Morbidität der Mutter der wichtigste Einflussfaktor<br />

<strong>für</strong> die Morbidität des Kindes ist. Sie hat einen höheren Einfluss als die soziale Klasse.<br />

Handlungsbedarf zeichnet sich deutlich ab bei der Impfrate der <strong>Kinder</strong> von Alleinerziehenden<br />

und der mäßigen Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen. Gesundheitsberatungen<br />

und Impfungen sowie Vorsorgeuntersuchungen sollten niederschwellig in <strong>Kinder</strong>gärten und<br />

Schulen durchgeführt würden. Eine Kooperation von öffentlichem Gesundheitsdienst mit den<br />

niedergelassenen <strong>Kinder</strong>ärzten wäre hier sehr von Vorteil.<br />

Alleinerziehende Mütter sollten spätestens mit der Geburt ihres Kindes eine aufmerksame<br />

Zuwendung erhalten, wie zum Beispiel im Bremer Modellprojekt der „Familienhebamme“. In<br />

Bremen betreuen Hebammen <strong>alle</strong>instehende Mütter nach der Geburt mindestens sechs Monate<br />

lang zu Hause weiter. Das Hamburger Modell der Behörde <strong>für</strong> Arbeit unterstützt Eltern, deren<br />

<strong>Kinder</strong> erkrankt sind, durch den Besuch von <strong>Kinder</strong>krankenschwestern.<br />

Als hilfreich <strong>für</strong> die <strong>alle</strong>inerziehenden Mütter erwies sich auch die ärztliche Beratung in<br />

Mütterzentren (Angebote vor Ort) oder die Einrichtung einer Gesundheitsberatungsstelle im sozialen<br />

Brennpunkt (dezentrale Versorgung). Im Münchner Stadtteil „Hasenbergl-Nord“ wurde<br />

z.B. bereits vor zwanzig Jahren eine solche dezentrale Gesundheitsberatungsstelle als Außenstelle<br />

der Gesundheitsbehörde Münchens eingerichtet und blieb bisher die einzige ihrer Art.<br />

Dort kümmern sich ein <strong>Kinder</strong>arzt, eine Arzthelferin, eine <strong>Kinder</strong>krankenschwester und eine<br />

Sozialpädagogin um die kleinen und großen <strong>–</strong> nicht nur gesundheitlichen <strong>–</strong> Probleme der Bewohner.<br />

Dem großen Engagement der Mitarbeiter und ihrem breiten Angebot (von regelmäßigen<br />

Sprechstunden, Hausbesuchen, Kursen, Gesprächskreisen über Ernährungsberatung und


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Ausstellungen bis hin zu Mitmachaktionen und Sommerfesten) und der hervorragenden Kooperation<br />

mit sämtlichen Einrichtungen vor Ort ist es zu verdanken, dass die Bewohner im Hasenbergl<br />

diese Einrichtung gerne und zahlreich in Anspruch nehmen (Trumpp 2000; Weißbacher<br />

2002).<br />

Nicht zuletzt muss das Problem der Vereinbarung von Berufstätigkeit und <strong>Kinder</strong>erziehung<br />

an der Wurzel gepackt werden. Dies ist langfristig nicht ohne tiefgreifende strukturelle Änderungen<br />

möglich (und sprengt damit den Rahmen dieses <strong>Praxishefte</strong>s). Es liegt auf der Hand,<br />

dass in diesem Zusammenhang wieder über den Ausbau an <strong>Kinder</strong>betreuungsangeboten nachgedacht<br />

werden muss.<br />

Die Situation von Alleinerziehenden und deren <strong>Kinder</strong>n <strong>–</strong> Fazit <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung:<br />

<strong>Kinder</strong> aus Ein-Eltern-Familien unterscheiden sich von <strong>Kinder</strong>n aus<br />

Zwei-Eltern-Familien so:<br />

Sie zeigen mehr Auffälligkeiten in der psychischen Entwicklung.<br />

Sie nehmen Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen weniger in Anspruch.<br />

Sie haben mehr Unfälle.<br />

Sie leiden häufiger unter Bauchschmerzen, Hauterkrankungen und<br />

Asthmaerkrankungen.<br />

Alleinerziehende unterscheiden sich von Frauen aus Zwei-Eltern-Familien so:<br />

Sie sind häufig junge Mütter (unter 25 Jahren).<br />

Sie haben öfter keinen oder einen niedrigen Bildungsabschluss.<br />

Sie rauchen häufiger.<br />

Gesundheitliche Unterschiede von <strong>Kinder</strong>n aus Ein-Eltern-Familien könnten<br />

folgende Ursachen haben:<br />

Zeitmangel der Mutter<br />

Stress und Überforderung<br />

Schlechter gesundheitlicher Zustand der Mutter als wichtiger Einflussfaktor auf<br />

die Gesundheit der <strong>Kinder</strong><br />

Dieser Handlungsbedarf resultiert daraus:<br />

Verbesserung der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen und<br />

Impfungen.<br />

Gesundheitsförderung und Suchtprävention der <strong>alle</strong>inerziehenden Mütter<br />

(Väter).<br />

Einrichtung niedrigschwelliger und wenig zeitintensiver Angebote.<br />

Integration von Gesundheitsberatung und Impfung in den Lebensbereich der<br />

<strong>Kinder</strong> (<strong>Kinder</strong>garten, Schule).<br />

Gesundheitsberatung ab der Schwangerschaft z.B. durch eine „Familienhebamme“.<br />

39


40<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Aufsuchende Beratungs- und Betreuungsangebote z.B. durch <strong>Kinder</strong>krankenschwestern.<br />

Flexible <strong>Kinder</strong>betreuungsangebote schaffen.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Adler, R.H.; Hermann, J.M.; Köhle, K.; Schonecke O.W.; von Uexküll, T.; Wesiack, W. (Hrsg.)<br />

(1998): Psychosomatische Medizin. München<br />

Benzeval, M. (1998): The self-reported health status of lone parents. In: Soc Sci Med 46, S.<br />

1337-1353<br />

Baker, D.; Taylor, H. (1997): Inequality in health and health service use for mothers of young<br />

children in south west England. In: Journal of Epidemiology and Community Health 51, S. 75-79<br />

Compas, B.E.; Williams, R.A. (1990): Stress, coping, and adjustment in mothers and young<br />

adolescents in single- and two-parent-families. In: Am J. Commun. Psychol. 18, S. 525-545<br />

Fergusson, D.M.; Horwood, J.; Shannon, F.T. (1981): Birth placement and child health. In: NZ<br />

Med J 93, S. 37-41<br />

Fleming, D.M.; Charlton, J.R.H. (1998): Morbidity and healthcare utilisation in households<br />

with one adult: a comparative study. In: BMJ 316, S. 1572-1576<br />

Gickeleiter, M. (2000): Der Gesundheitszustand von <strong>Kinder</strong>n aus Ein-Eltern-Familien. Magisterarbeit<br />

im Aufbaustudiengang Gesundheitswissenschaften an der Universität Ulm. Unveröffentlichtes<br />

Manuskript<br />

Illing, S.; Spranger, S. (Hrsg.) (1993): Klinikleitfaden Pädiatrie. Neckarsulm, Stuttgart<br />

Lutz, M.E. (1990): The effects of family structure and regular places of care on preventive health<br />

care for children. In: Health Val Health Behav Education Promotion 14, S. 38-45<br />

Montgomery, L.E.; Kiely J.L.; Pappas, G. (1996): The effects of poverty, race and family structure<br />

on US children`s health: data from NHIS, 1978 through 1980 and 1989 through 1991.<br />

In: American Journal of Public Health 86, S. 1401-1405<br />

Ministerium <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg (Hrsg.) (1994):<br />

Zur gesundheitlichen Lage der <strong>Kinder</strong> in Baden-Württemberg. Stuttgart<br />

Shouls, S.; Whitehead, M.; Burström, B.; Diderichsen, F. (1999): The health and the socioeconomic<br />

circumstances of British lone mothers over the last two decades. In: Pupul Trends 95,<br />

S. 41-46


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Trumpp, P. (2000): Gesundheit und psychische Befindlichkeit von <strong>Kinder</strong>n in Armutsverhältnissen.<br />

In: Kamensky, J.; Heusohn, L.; Klemm, U. (Hrsg.): Kindheit und Armut in Deutschland.<br />

Beiträge zur Analyse, Prävention und Intervention. Ulm.<br />

Weißbacher, S. (2002): Dezentraler Ansatz in einem sozialen Brennpunkt Münchens <strong>–</strong> Gesundheitsberatungsstelle<br />

Hasenbergl-Nord. In: Mielck, A.; Abel, M.; Heinemann, H.; Stender,<br />

K.-P. (Hrsg.): Städte und Gesundheit. Projekte zur <strong>Chancen</strong>gleichheit. Lage. S. 149-168<br />

2.4 Strategien und Ressourcen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zur<br />

Bewältigung von Armut<br />

Früh im Leben erfahrene Armut verstärkt langfristig Ängstlichkeit und Depressivität. Das Gefühl<br />

Opfer zu sein, bleibt <strong>Kinder</strong>n arbeitsloser Eltern noch Jahrzehnte später erhalten, ebenso eine<br />

erhöhte Anfälligkeit <strong>für</strong> Stress (Krappmann 2000; Schindler et al. 1990). Die damit verbundenen<br />

Selbstabwertungen können die eigene Identität sehr dauerhaft formen. Sie erzeugen bei<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen genau wie bei Erwachsenen in unterschiedlichem Maß Niedergeschlagenheit,<br />

Hilflosigkeit und Rückzug, ebenso wie Ärger und aggressives Verhalten.<br />

Sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong> verarbeiten Belastungen und Konflikte überwiegend selbstbezogen<br />

<strong>–</strong> sie versuchen, mit ihren Problemen <strong>alle</strong>in fertig zu werden. Dabei bemühen sie sich, die<br />

eigenen Einstellungen und Emotionen zu steuern und zu regulieren. In Interviews einer Studie<br />

mit betroffenen Grundschulkindern (Richter 2000) finden sich zahlreiche Beispiele, die den<br />

Umgang mit verschiedenen Belastungssituationen illustrieren.<br />

Ein Achtjähriger äußert sich auf die Frage nach Einladungen zu <strong>Kinder</strong>geburtstagen, einem<br />

wichtigen kinderkulturellen Ereignis in dieser Altersstufe, wie folgt:<br />

Frage: Wirst du auch manchmal zum Geburtstag eingeladen?<br />

Antwort: Ja. Mehrmals. ...Aber öfter bei den Mädchen.<br />

Frage: Und was tust du dann?<br />

Antwort: Ja, meistens gehe ich nicht hin, weil, ja, ich gehe einfach nicht gerne zu den Mädchen.<br />

Dann müssen wir wieder Geschenke kaufen und dann ist wieder <strong>alle</strong>s so teuer.<br />

Frage: Und ist es jetzt mehr, weil du nicht gerne zu den Mädchen eingeladen wirst oder ist es eher<br />

wegen der Geschenke?<br />

Antwort: Es ist auch so wegen der Geschenke, weil wir müssen dann immer so viel kaufen, dann<br />

haben wir schon wieder Geld weniger.<br />

Ein zehnjähriger Junge regelt dieses Finanzproblem, indem er sich bescheiden zurücknimmt:<br />

Frage: Du kannst ja einfach mal erzählen, von deinem letzten Geburtstag. Was ihr gemacht habt.<br />

Antwort: Auf dem letzten Geburtstag, da hab ich also nur mit den Älteren gefeiert und dann, aber<br />

so mit den <strong>Kinder</strong>n....... Also da, also da fehlte uns........ also, hatten wir ...... da hab ich keinen<br />

<strong>Kinder</strong>geburtstag gefeiert, sondern nur Elterngeburtstag. Also es kamen nur die Erwachsenen.<br />

Frage: Du sagst gerade, <strong>Kinder</strong>geburtstag hast du nicht gefeiert, da fehlte euch? Was fehlte euch da?<br />

Selbstbezogene<br />

Bewältigungsstrategien<br />

41


42<br />

Weniger häufig:<br />

Bewältigung über Gewalt<br />

und Aggression<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Antwort: Also da fehlte uns so ... Also wie soll ich das jetzt sagen? Hm. Also, wir hatten nicht genug<br />

Geld ... da wollte meine Mama nur mit Erwachsenen feiern. Mir war das recht. Mir war das<br />

egal.<br />

Belastungen werden im Rückgriff auf eigene Ressourcen bewältigt. Zerstörerisches Verhalten<br />

gegenüber Gegenständen oder Mitschüler(inne)n scheint als mögliche Konfliktlösung eher<br />

nachgeordnet zu sein. Trotzdem kommt auch das vor. Ein Zehnjähriger schildert die Konflikte,<br />

in die er verwickelt ist:<br />

Letzten Geburtstag hab ich von meiner Tante einen Rucksack bekommen und noch irgendwas. Und<br />

kurzfristig hab ich <strong>für</strong> einen Tornister 40 Mark bekommen, mein Ledertornister, der sieht ja noch<br />

gut aus. Den hast du ja bestimmt schon gesehen?<br />

Frage: Ich glaube ja, wenn du so vorbeigelaufen bist. Und, bist stolz darauf, auf deinen Ledertornister?<br />

Antwort: Ja. Der ist besser. Dann lästern die anderen nicht, dass man nur so'n einfachen hat.<br />

Frage: Kennst du das, dass die das gemacht haben? Wie machen die das?<br />

Antwort: Paar aus unserer Klasse, sechs Stück, haben gesagt: kannst dir keinen Tornister leisten<br />

und so was. Weil ich neidisch war, dass die einen Ledertornister hatten und ich hab keinen bekommen.<br />

Das war ja, weil meine Eltern so oft umgezogen sind und, weil wir neue Möbel kaufen<br />

mussten.<br />

Frage: Ja, und dann, was haben die anderen <strong>Kinder</strong> dann gemacht?<br />

Antwort: Haben gesagt: hast kein Geld und so was.<br />

Frage: Wie findest du das, wenn die das sagen?<br />

Antwort: Doof. Da hab ich mich zuerst auch aufgeregt, deswegen hab ich auch Ärger bekommen<br />

und wegen einem Schüler habe ich von meiner Mutter Ärger bekommen.<br />

Frage: Was war da los?<br />

Antwort: Ja, das war bei D., der hat mich gehänselt und ohne Grund gehauen, aus Spaß sagte er,<br />

und dann hab ich zurückgehauen und da hab ich auch gesagt, Spaß, da dachte er nicht mehr, das<br />

ist Spaß, hat er immer mit kloppen angefangen und deswegen habe ich Ärger bekommen von meiner<br />

Mutter, dass ich mich dauernd klopp in der Schule.<br />

Aber auch andere Bewältigungsmethoden finden sich (Hölscher 2001). Zu den gesellschaftlich<br />

legitimierten Formen dieser Reaktionsweisen gehören Musizieren oder Sport, die von<br />

den Jugendlichen als befreiend wahrgenommen werden.<br />

„Wenn es mir nicht so gut geht, dann geh ich oft joggen, weil das tut total gut und dann machen<br />

wir einen Spaziergang und ich kann die Gedanken wieder frei kriegen. Ich denke darüber nach,<br />

was ich daran unternehmen kann, dass sich irgendetwas verändert.“<br />

Häufiger berichten die Befragten jedoch über ihre Versuche, die Situation <strong>für</strong> sich umzudeuten<br />

oder „auf bessere Zeiten“ zu warten. Jugendliche beschreiben ihre Versuche, Schwierigkeiten<br />

zu verdrängen und sich von ihren Sorgen abzulenken, wie folgt:


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

„So meistens will ich das gar nicht lösen. Da versuch ich irgendwie auf andere Gedanken zu<br />

kommen, ich verdräng das, oder so. <strong>–</strong> Wie schaffst du das? <strong>–</strong> Das ist natürlich nicht leicht, wenn<br />

es etwas Größeres ist, aber ich weiß nicht, ich denk dann einfach an irgendwas anderes, beschäftige<br />

mich mit Sachen, die ich sonst gern mach. Und dann will ich das vergessen.“<br />

Auch hier begegnet das Kind seinen Schwierigkeiten mit dem Rückzug auf sich selbst und<br />

auf eigene Ressourcen, auch wenn es damit letztlich überfordert ist. Angst vor Stigmatisierung,<br />

Verleugnung der eigenen Situation vor sich selbst und anderen und Rückzug oder Abbruch von<br />

Kontakten führen jedoch in die soziale Isolation mit fatalen Folgen <strong>für</strong> die weitere Alltagsorganisation.<br />

Armut erhöht das Risiko von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen, krank zu werden, sich psychisch<br />

nicht wohlzufühlen, auf schlechte soziale Integration und nur mäßige Erfolge in der Schule zu<br />

haben. Und dennoch gibt es zahlreiche arme <strong>Kinder</strong>, die hier keine Auffälligkeiten zeigen. In deren<br />

Umfeld sind schützende Faktoren zu finden, die Defizite und Unterversorgung aus<strong>gleiche</strong>n<br />

(Krappmann 2000).<br />

Insbesondere die Unterstützung von seiten der Eltern hat einen positiven Effekt auf die Entwicklung<br />

der <strong>Kinder</strong>, ebenso wie ein förderliches Schulklima (Walper 1995; Rutter 1998; Hölscher<br />

2001). Andere Faktoren, die eine erhebliche Rolle spielen, sind das Geschlecht und das Alter,<br />

in dem die Unterversorgungslage eintritt. Im Kindesalter können betroffene Mädchen eher<br />

auf Ressourcen im näheren Umfeld zurückgreifen als Jungen, denen in diesem Alter generell eine<br />

erhöhte Verwundbarkeit zugesprochen wird. Eine große Rolle spielt dabei die Fähigkeit der<br />

Mädchen, sich gegenseitig zu unterstützen, Freundschaften einzugehen. Eine enge emotionale<br />

Verbundenheit der Mädchen mit der Mutter wirkt sich ebenfalls positiv aus, wenn es darum<br />

geht, hinreichende Freundschaftsnetzwerke aufzubauen (Rutter 1998; Elder/Caspi 1991; Richter<br />

2000).<br />

Diese Fähigkeit wird bereits im Kindesalter ausgebildet und bedarf der Förderung. Es ist zu<br />

vermuten, dass sich ein Defizit in diesem Bereich <strong>für</strong> die Jungen im weiteren Lebensverlauf negativ<br />

auswirkt (Keupp 1987; Walper 1995; Nestmann 1992). Sozial benachteiligte Jungen nehmen<br />

Freundschaftskontakte weniger engagiert wahr, ziehen sich schneller zurück und gehen von<br />

einer negativeren Selbsteinschätzung aus. Außerdem sind sie im Vergleich zu gleichaltrigen Jungen<br />

aus besser gestellten Familien seltener in Sport- oder anderen Vereinen engagiert und fühlen<br />

sich selbst weniger fähig zur Lösung von Konflikten.<br />

Mädchen weisen im Vergleich zu Jungen eher im jugendlichen Alter eine erhöhte Verwundbarkeit<br />

auf. Sie leiden dann mehr unter dem Gefühl, nicht mithalten zu können, und haben wenig<br />

Selbstvertrauen (Hölscher 2001). Sie haben seltener eine beste Freundin oder einen besten<br />

Freund. Zwar sind sie genauso oft Mitglied einer Clique wie andere Mädchen, sie verbringen<br />

aber weniger Zeit mit ihrer Clique. Es ist anzunehmen, dass in dieser Lebensphase die durch die<br />

Armut bedingte Belastung und eine entwicklungsbedingte Verwundbarkeit zusammentreffen.<br />

Auch auf eine angespannte Atmosphäre im Elternhaus reagieren Mädchen in diesem Alter<br />

sensibler. Jungen sind oft nicht mehr so stark an das Elternhaus gebunden, leiden daher weniger<br />

unter dieser Familienatmosphäre bzw. suchen mehr Anschluss an Gleichaltrige. Für beide<br />

Geschlechter gilt, dass insbesondere ein bester Freund/eine beste Freundin und die Zugehörigkeit<br />

zu einer größeren Freundschaftsgruppe positive Auswirkungen hat (Ulich 1988; Elder/Caspi<br />

1991; Walper 1995; Richter 2000; Hölscher 2001).<br />

Rückzug = Isolation<br />

Schützende Prozesse<br />

Negatives Selbstbild<br />

besonders bei Jungen<br />

43<br />

Mädchen besonders im Jugendalter<br />

verwundbar


44<br />

Wichtigste Ressource:<br />

soziale Integration<br />

Schulische<br />

Unterstützungsformen<br />

Sportvereine:<br />

Zugangsbarrieren abbauen<br />

Trennungsbelastungen<br />

verringern<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Auch profitieren <strong>Kinder</strong> von einer außerhäuslichen Betreuung in ihrer Sozialentwicklung und<br />

ihren Schulleistungen.<br />

Sich nicht geschlechtsstereotyp zu verhalten, gilt bei Mädchen wie Jungen als eine weitere<br />

Ressource. Gleiches gilt <strong>für</strong> die Fähigkeit, überwiegend positive Reaktionen in der Umwelt hervorzurufen<br />

und eine hohe Erwartung an sich selbst, die Kontrolle über das eigene Tun zu behalten.<br />

Die Integration in Vereine, Freundschaftsgruppen oder Ähnliches fördern die erwähnten<br />

wichtigen sozialen Ressourcen weiter.<br />

Ansatzpunkte <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung<br />

Die wichtigste Prämisse vorweg: Gesundheitsförderung sollte Gesundheitsressourcen stärken<br />

und an den Lebensbedingungen der Menschen ansetzen.<br />

Im schulischen Alltag beeinflussen in erster Linie das Klassenklima und das Verhalten der<br />

Lehrer die Lage von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Schülerinnen und Schüler<br />

sind häufig darauf angewiesen, dass Lehrer und Sozialarbeiter sie auf wahrgenommene Probleme<br />

ansprechen, denn sie gehen mit solchen Anliegen nur selten von sich aus auf Erwachsene<br />

zu. Eine Sensibilisierung <strong>für</strong> Armutslagen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen und die Einbeziehung<br />

von Schulsozialarbeitern und Beratungslehrern sind erste Schritte. Betreuungsprojekte, die<br />

Frühstück, Mittagessen, Hilfe bei den Hausaufgaben, gezielte Förderung im Sprachbereich und<br />

Spiel- und Freizeitangebote bereitstellen, unterstützen <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armutslagen<br />

gezielt (vgl. dazu die gemeinsamen Richtlinien und Handlungsempfehlungen der gesetzlichen<br />

Krankenkassen zur Umsetzung des § 20 SGB V). Beispiele <strong>für</strong> die gesundheitsfördernden Wirkungen<br />

in diesem Sinne finden sich beim OPUS <strong>–</strong> Projekt (OPUS-Tagungsdokumentation<br />

1999).<br />

Eine gesundheitsfördernde und gesellschaftlich integrative Wirkung liegt im regelmäßigen<br />

sportlichen Engagement. Hierbei müssen sozial benachteiligte Mädchen besonders gefördert<br />

und direkt zur Teilnahme aufgefordert werden. Die Schwellen <strong>für</strong> eine kontinuierliche und längere<br />

Teilnahme über das Kindesalter hinaus sind sonst oft zu hoch. Generell gilt, dass <strong>alle</strong> Angebote<br />

<strong>für</strong> Mädchen und Jungen auf niedrigschwellige Zugangsbedingungen hin untersucht<br />

werden müssen (Brinkhoff/Mansel 1997).<br />

Nach Hölscher (2001) berichten Jugendliche, die das Scheidungsverfahren ihrer Eltern aktuell<br />

erleben, dass sie mit dieser Situation <strong>alle</strong>in zurechtkommen müssen. Gleichzeitig ergibt<br />

sich plötzlich eine finanzielle Notlage, mit der sie nicht umgehen können. Gleichaltrigen Freunden<br />

oder Freundinnen können sie ihre Sorgen kaum mitteilen, gegenüber Erwachsenen ist die<br />

Hemmschwelle oft zu hoch. Die ihnen im Verlauf von Trennungs- und Scheidungsverfahren zustehenden<br />

Beratungs- und Unterstützungsangebote nach §§ 17 und 18 KJHG (<strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfegesetz)<br />

müssen von ihnen nahe stehenden Unterstützungspersonen stärker eingefordert<br />

werden. Jugendliche brauchen diese Hilfe insbesondere während und nach Abschluss des Verfahrens.<br />

Denkbar wäre in diesen Fällen eine enge Kooperation zwischen (<strong>Kinder</strong>-)Arztpraxen<br />

und Beratungsstellen, um <strong>Kinder</strong>n, Jugendlichen und Erwachsenen z.B. in den Praxisräumen die<br />

Möglichkeit zum Gespräch anzubieten.


Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Folgen der Armut <strong>für</strong> das psychosoziale Wohlbefinden der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen:<br />

Fazit <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung<br />

Arme <strong>Kinder</strong> und Jugendliche verarbeiten Belastungen und Konflikte häufig<br />

mit Ängstlichkeit und Depressivität.<br />

Schwierigkeiten werden oft verdrängt.<br />

Die eigene Situation wird auch vor anderen verleugnet. Dadurch kommt es<br />

zum Abbruch sozialer Kontakte.<br />

Hilflosigkeit und Rückzug auf sich selbst und auf die eigenen Ressourcen, aber<br />

auch Ärger, aggressives und normenverletztendes Verhalten sind bei armen<br />

<strong>Kinder</strong>n häufig anzutreffen.<br />

Arme <strong>Kinder</strong> haben Angst vor Stigmatisierung und leiden unter dem Gefühl<br />

der Einsamkeit.<br />

<strong>Kinder</strong> erleben die Arbeitslosigkeit ihrer Eltern als Opfer und sind anfälliger<br />

gegen Stress.<br />

Mädchen leiden im Jugendalter mehr als die Jungen unter dem Gefühl, nicht<br />

mithalten zu können. Das Selbstvertrauen der Mädchen ist auffällig niedrig.<br />

Mädchen im Jugendalter belastet die angespannte Atmosphäre im Elternhaus<br />

stärker als die Jungen.<br />

Protektive Faktoren <strong>für</strong> die Gesundheit armer <strong>Kinder</strong>:<br />

Gute Beziehung zu den Eltern und deren Unterstützung<br />

Förderliches Schulklima<br />

Geschlecht: weiblich. (Mädchen greifen eher auf Ressourcen im näheren Umfeld<br />

zurück als Jungen. Mädchen können besser soziale Netzwerke knüpfen<br />

als Jungen.)<br />

Ein(e) beste(r) Freund(in) oder die Zugehörigkeit zu einer Gleichaltrigengruppe<br />

Musizieren und Sport<br />

Erfolg in der Schule<br />

Handlungsbedarf zur Verringerung von Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen:<br />

Förderung der sozialen Ressourcen<br />

Angebote der außerhäuslichen Betreuung<br />

Integration der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen in Vereine, Freundschaftsgruppen<br />

oder andere Bezugssysteme<br />

Zugangsbarrieren niedrig halten bei Vereinsangeboten<br />

Die Schule könnte zur Verringerung der Armutsfolgen helfen durch:<br />

Vermittlung von Bewältigungskompetenzen<br />

Psychosoziale Unterstützung durch die Lehrer oder Schulsozialarbeiter<br />

Sensibilisierung der Klassenkameraden bzgl. Armut<br />

Angebot von Betreuungsprojekten wie z.B. Frühstück, Pausenbrot, Mittagstisch,<br />

Hilfe bei den Hausaufgaben, Freizeitaktivitäten<br />

45


46<br />

Teil II. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche <strong>–</strong> die wichtigste Zielgruppe<br />

Zum Vertiefen:<br />

Brinkhoff, K.-P.; Mansel, J. (1997): Soziale Ungleichheit, Sportengagement und psychosoziales<br />

Befinden im Jugendalter. In: Mansel, J.; Brinkhoff, K.-P.(Hrsg.): Armut im Jugendalter. Soziale<br />

Ungleichheit, Ghettoisierung und die psychosozialen Folgen. Weinheim und München.<br />

Elder, B.G.; Caspi, A.(1991): Lebensverläufe im Wandel der Gesellschaft: Soziologische und<br />

Psychologische Perspektiven. In: Engfer, A.: Minsel, B.; Walper, S. (Hrsg.): Zeit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>!<br />

<strong>Kinder</strong> in Familie und Gesellschaft. Weinheim.<br />

Hölscher, P. (2001): Mädchen und Jungen in Armut. Lebenslagen und Bewältigungsstrategien<br />

materiell deprivierter Jugendlicher. Dissertation in der Fakultät der Rehabilitationswissenschaften<br />

der Universität Dortmund. Dortmund<br />

Keupp, H.; Röhrle, B. (Hrsg.) (1987): Soziale Netzwerke. Frankfurt am Main<br />

Krappmann, L. (2000): <strong>Kinder</strong>armut. Expertise im Auftrag des Bundesministeriums <strong>für</strong> Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend. Berlin<br />

Mädchen in Bewegung: Tagungsdokumentation der Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit<br />

Niedersachsen und des nds. Ministeriums <strong>für</strong> Frauen, Arbeit und Soziales, 2001<br />

Nestmann, F.; Schmerl, C. (Hrsg.) (1992): Frauen <strong>–</strong> das hilfreiche Geschlecht. Dienst am<br />

Nächsten oder soziales Expertentum? Reinbeck.<br />

OPUS-Tagungsdokumentation vom 27.4.1999: Balance halten ... <strong>Chancen</strong> <strong>für</strong> ein gesundes<br />

Gleichgewicht im Lebensraum Schule.<br />

Richter, A. (2000): Wie erleben und bewältigen <strong>Kinder</strong> Armut? Eine qualitative Studie über<br />

die Belastungen aus Unterversorgungslagen und ihre Bewältigung aus subjektiver Sicht von<br />

Grundschulkindern einer ländlichen Region. Aachen<br />

Rutter, M. (1998): Psychosocial Adversity: Risk, Resilience and Recovery. Unveröffentlichtes<br />

Manuskript.<br />

Schindler, H.; Wacker, A.; Wetzels, P. (Hrsg.) (1990): Familienleben in der Arbeitslosigkeit. Ergebnisse<br />

neuer europäischer Studien. Heidelberg.<br />

Ulich, M. (1988): Risiko- und Schutzfaktoren in der Entwicklung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />

Sonderdruck aus: Zeitschrift <strong>für</strong> Entwicklungspsychologie u. Pädagogische Psychologie.<br />

Bd. XX, Heft 2 146-166.<br />

Walper, S. (1995): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. In: Bieback, K.-J.; Milz, H. (Hrsg.): Neue<br />

Armut. Frankfurt/New York


Ute G. Ruhekissen<br />

Foto: www.offroadkids.de<br />

47


48<br />

Teil III. Hilfen<br />

3. Hilfen<br />

3.1 <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> arme <strong>Kinder</strong> und Jugendliche:<br />

Zielbereiche und Leitsätze<br />

3.2 Das professionelle Hilfesystem <strong>–</strong> was es (nicht) leistet.<br />

3.3 Wenn Hilfe nicht ankommt <strong>–</strong> Barrieren <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung<br />

3.4 Die Rolle des ÖGD im Hilfesystem<br />

3.1 <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> benachteiligte <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche: Zielbereiche und Leitsätze<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit wird seit vielen Jahren in Veröffentlichungen und Programmatiken<br />

thematisiert. Strategien und Handlungsfelder sind formuliert, aber die Umsetzung<br />

in regionale oder überregionale Aktivitäten steht noch am Anfang. Gesundheitsbezogene Angebote<br />

gibt es genug. Nur sind diese Angebote nicht <strong>alle</strong>n in <strong>gleiche</strong>m Maß zugänglich. Und <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche haben auf Dauer am meisten an den Folgen gesundheitlicher Benachteiligung<br />

zu tragen.<br />

Die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial<br />

benachteiligte <strong>Kinder</strong> und Jugendliche benötigt Ziele. Sie dienen sowohl als Basis <strong>für</strong> die Konzeption<br />

als auch als Kriterien <strong>für</strong> die Evaluation von Projekten und die Bewertung bereits vorhandener<br />

Hilfsangebote. In der Ottawa-Charta von 1986 wurden Handlungsfelder der Gesundheitsförderung<br />

definiert, die hier nachfolgend als Zielbereiche dargestellt werden. Um diese Ziele<br />

zu erreichen, muss die Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche bestimmten Anforderungen entsprechen.<br />

Ziele Anforderungen<br />

Gesundheitsförderung will... Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial benachteiligte<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche...<br />

eine gesundheitsförderliche<br />

Gesamtpolitik entwickeln<br />

<strong>•</strong> ist mehr als medizinische und soziale Versorgung<br />

<strong>•</strong> muss auf mehreren Ebenen und Politiksektoren ein<br />

Anliegen sein: Sozial-, Gesundheits-, Familien- und<br />

Bildungspolitik<br />

<strong>•</strong> sensibilisiert Verantwortliche und Entscheidungsträger<br />

<strong>für</strong> die Reduzierung un<strong>gleiche</strong>r Gesundheitschancen<br />

<strong>•</strong> macht den Handlungsbedarf offenkundig durch<br />

kontinuierliche Berichterstattung


Ziele Anforderungen<br />

gesundheitsförderliche<br />

Lebenswelten schaffen<br />

die Gesundheitsdienste neu<br />

orientieren<br />

gesundheitsbezogene<br />

Gemeinschaftsaktionen<br />

unterstützen<br />

persönliche Kompetenzen<br />

entwickeln helfen<br />

Teil III. Hilfen<br />

<strong>•</strong> übernimmt Verantwortung und wird aktiv<br />

<strong>•</strong> handelt vernetzt und interdisziplinär<br />

<strong>•</strong> ermöglicht <strong>alle</strong>n <strong>Kinder</strong>n, Jugendlichen und ihren<br />

Eltern den <strong>gleiche</strong>n Zugang zur Gesundheit.<br />

<strong>•</strong> verbessert die Lebensbedingungen von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Eltern z.B. durch Verringerung der Arbeitslosigkeit<br />

der Eltern, Verbesserung der Vereinbarkeit<br />

von Erwerbstätigkeit und Erziehung, Verringerung<br />

der Einkommensarmut, Bereitstellen eines Angebots<br />

an niedrigschwelligen Maßnahmen <strong>für</strong> betroffene<br />

Familien<br />

<strong>•</strong> schafft Lebensbedingungen und Strukturen, die gesundheitsförderliches<br />

Handeln ermöglichen<br />

<strong>•</strong> entwickelt lebenslagenorientierte Projekte<br />

<strong>•</strong> arbeitet in Settings: <strong>Kinder</strong>garten, Schule, Stadtteil,<br />

Jugendzentrum...<br />

<strong>•</strong> verbessert die kommunale Infrastruktur: unterversorgte<br />

Wohnviertel brauchen Betreuungs-, Bildungs-<br />

und Freizeitangebote<br />

<strong>•</strong> fördert Fachkompetenzen und bietet Fortbildung an<br />

<strong>•</strong> kooperiert mit Experten und Einrichtungen vor Ort<br />

<strong>•</strong> vernetzt und koordiniert Angebote<br />

<strong>•</strong> verbindet Gesundheits- mit Sozialberichterstattung<br />

<strong>•</strong> bevorzugt und fördert gemeinschaftliche Aktionen,<br />

die dennoch mit individuellen Bedürfnissen übereinstimmen<br />

<strong>•</strong> arbeitet interdisziplinär<br />

<strong>•</strong> bezieht Betroffene in Entscheidungen und die<br />

Durchführung von Aktivitäten mit ein<br />

<strong>•</strong> fördert flächendeckende gesundheitsförderliche<br />

Strukturen<br />

<strong>•</strong> stärkt soziale und gesundheitsbezogene Kompetenzen<br />

der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen und ihrer<br />

Eltern<br />

<strong>•</strong> nutzt vorhandene Ressourcen der Betroffenen<br />

<strong>•</strong> sorgt <strong>für</strong> die Ausbildung von Fachkräften<br />

<strong>•</strong> berücksichtigt die Bedürfnisse, Werte und<br />

Einstellungen der Menschen<br />

<strong>•</strong> ist Hilfe zur Selbsthilfe und fördert Autonomie und<br />

Eigenverantwortung<br />

49


50<br />

Teil III. Hilfen<br />

Da<strong>für</strong> bieten sich <strong>–</strong> wieder in Anlehnung an die Ottawa-Charta <strong>–</strong> folgende übergreifende Strategien<br />

an:<br />

Interessen vertreten<br />

„Ein guter Gesundheitszustand ist eine wesentliche Bedingung <strong>für</strong> soziale, ökonomische<br />

und persönliche Entwicklung und ein entscheidender Bestandteil der<br />

Lebensqualität. Politische, ökonomische, soziale, kulturelle, biologische sowie<br />

Umwelt und Verhaltensfaktoren können <strong>alle</strong> entweder der Gesundheit zuträglich<br />

sein oder auch sie schädigen. Gesundheitsförderndes Handeln zielt darauf<br />

ab, durch aktives anwaltschaftliches Eintreten diese Faktoren positiv zu beeinflussen<br />

und der Gesundheit zuträglich zu machen.“<br />

Befähigen und ermöglichen<br />

„Gesundheitsförderung ist auf <strong>Chancen</strong>gleichheit auf dem Gebiet der Gesundheit<br />

gerichtet. Gesundheitsförderliches Handeln bemüht sich darum, bestehende<br />

soziale Unterschiede des Gesundheitszustandes zu verringern sowie <strong>gleiche</strong><br />

Möglichkeiten und Voraussetzungen zu schaffen, damit <strong>alle</strong> Menschen befähigt<br />

werden, ihr größtmögliches Gesundheitspotential zu verwirklichen. Dies umfasst<br />

sowohl Geborgenheit und Verwurzelung in einer unterstützenden sozialen Umwelt,<br />

den Zugang zu <strong>alle</strong>n wesentlichen Informationen und die Entfaltung von<br />

praktischen Fertigkeiten als auch die Möglichkeit, selber Entscheidungen in Bezug<br />

auf die persönliche Gesundheit treffen zu können. Menschen können ihr Gesundheitspotential<br />

nur dann weitestgehend entfalten, wenn sie auf die Faktoren,<br />

die ihre Gesundheit beeinflussen, auch Einfluss nehmen können ....“<br />

Vermitteln und vernetzen<br />

„Der Gesundheitssektor <strong>alle</strong>in ist nicht in der Lage, die Voraussetzungen und guten<br />

Perspektiven <strong>für</strong> die Gesundheit zu garantieren. Gesundheitsförderung verlangt<br />

vielmehr ein koordiniertes Zusammenwirken unter Beteiligung der Verantwortlichen<br />

in Regierungen, im Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftssektor, in<br />

nichtstaatlichen und selbstorganisierten Verbänden und Initiativen sowie in lokalen<br />

Institutionen, in der Industrie und in den Medien. Menschen in <strong>alle</strong>n Lebensbereichen<br />

sind daran zu beteiligen als Einzelne, als Familien und als Gemeinschaften.<br />

Die Berufsgruppen und sozialen Gruppierungen sowie die Mitarbeiter<br />

des Gesundheitswesens tragen große Verantwortung <strong>für</strong> eine gesundheitsorientierte<br />

Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Interessen in der<br />

Gesellschaft.“ (Ottawa-Charta 1986)


Zum Vertiefen:<br />

Teil III. Hilfen<br />

Amann, G.; Wipplinger, R. (Hrsg.) (1998): Gesundheitsförderung <strong>–</strong> Ein multidimensionales<br />

Tätigkeitsfeld. Tübingen<br />

Franke, M.; Geene, R.; Luber, E. (Hrsg.) (1999): Armut und Gesundheit. Berlin<br />

Ottawa-Charta (1986)<br />

3.2 Das professionelle Hilfesystem <strong>–</strong> was es (nicht) leistet<br />

Welche Maßnahmen gibt es auf Bundesebene? <strong>–</strong> Eine Auswahl<br />

Soziale Benachteiligung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen und deren Gesundheit wird zunehmend<br />

zu einem sozialpolitischen Thema. So wurde die Bekämpfung der Armut in der Koalitonsvereinbarung<br />

zwischen SPD und Bündnis 90/ die Grünen vom 20.10.1998 als ein Schwerpunkt der<br />

Politik der neuen Bundesregierung festgelegt. Im Frühjahr 2001 erschien daraufhin der erste<br />

„Armuts- und Reichtumsbericht“ <strong>für</strong> die Bundesrepublik Deutschland.<br />

Das Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit richtete im Januar 2000 eine Arbeitsgruppe „Armut<br />

und Gesundheit“ ein, der Vertreter von Bund und Land, der Krankenkassen, der Kassenärztlichen<br />

Bundesvereinigung, der Bundesärztekammer, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und<br />

Experten aus Wissenschaft und Praxis angehören. Diese Arbeitsgruppe hat das Ziel, Armut<br />

nach dem Lebenslagenansatz zu untersuchen und Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung<br />

der Situation aufzuzeigen. Empfehlungen zu den Themen „Gesundheitliche Versorgung Obdachloser“<br />

sowie „Migration und Gesundheit“ existieren bereits.<br />

Die Krankenkassen erhielten mit der Neufassung des § 20 SGB V die Möglichkeit, mit ihren<br />

Leistungen zur Primärprävention einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit<br />

von Gesundheitschancen zu erbringen. Damit bleibt zu hoffen, dass sich die Krankenkassen<br />

verstärkt auch an der Finanzierung von Angeboten zur Gesundheitsförderung armer<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendlicher beteiligen. Im Leitfaden der Spitzenverbände der Krankenkassen „Gemeinsame<br />

und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien zur Umsetzung von § 20 Abs. 1 und<br />

2 SGB V“ (Juni 2000) heißt es in der Präambel: „Maßnahmen zur Primärprävention sollen den<br />

allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung<br />

sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen leisten.“ Es werden spezifische und niedrigschwellige<br />

Zugangswege angeregt, insbesondere der Zugang über Settings.<br />

Zur Verhältnisprävention in der Kommune bietet das Bund-Länder-Programm „Stadtteile<br />

mit besonderem Entwicklungsbedarf <strong>–</strong> die soziale Stadt“ den Akteuren vor Ort eine Möglichkeit,<br />

auch auf gegebene Strukturen einzuwirken. Ca. 50 Millionen Euro stellt die Bundesregierung<br />

von 1999 <strong>–</strong> 2003 da<strong>für</strong> zur Verfügung. 249 Gebiete in 184 Städten und Gemeinden beteiligen<br />

sich derzeit an diesem Programm.<br />

„Entwicklung und <strong>Chancen</strong> junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ ist ein weiteres<br />

Programm des Bundesministeriums <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in dem auf Pro-<br />

51<br />

BMfG-Arbeitsgruppe<br />

„Armut und Gesundheit“<br />

§20 SGB V <strong>–</strong> die Krankenkassen<br />

als Gesundheitsförderer<br />

Bund-Länder-Programme


52<br />

Sozial- und Gesundheitsberichterstattung<br />

<strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendhilfegesetz<br />

Teil III. Hilfen<br />

bleme und Schwierigkeiten junger Menschen in sozialen Brennpunkten eingegangen und auf<br />

bessere Voraussetzungen <strong>für</strong> ihre Zukunft hingewirkt wird.<br />

Auch in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wird der Einfluss der sozialen Lage<br />

auf die Gesundheit mittlerweile berücksichtigt. So gab kürzlich das Robert-Koch-Institut eine<br />

Schrift zum Thema „Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen und die Auswirkung auf die Gesundheit“<br />

heraus (Robert Koch-Institut 2001).<br />

Welche Maßnahmen gibt es auf Landesebene? <strong>–</strong> Einige Beispiele<br />

Soziale Benachteiligung hat als politisches Thema seit einiger Zeit auch in den Ländern und<br />

Kommunen an Stellenwert gewonnen. Viele Kommunen haben Armuts- bzw. Sozialberichte erstellt.<br />

Unterschiedliche Zielsetzungen und Aufträge liegen diesen Veröffentlichungen zugrunde,<br />

was eine Vergleichbarkeit schwierig macht. Art und Ausmaß der Handlungsempfehlungen variieren.<br />

Eher selten berücksichtigen Verfasser von Sozialberichten das Thema Gesundheit. In einzelnen<br />

Fällen erscheint ein Kapitel „Behinderte“ unter dem Stichwort „Hilfe in besonderen Lebenslagen“.<br />

Insgesamt aber gibt es meistens weder eine Bestandsaufnahme der Folgen von Armut<br />

<strong>für</strong> das körperliche und seelische Wohlbefinden noch entsprechende Empfehlungen <strong>für</strong><br />

Maßnahmen. Für die Praktiker in der sozialen Arbeit und Gesundheitsförderung bleibt zu wünschen,<br />

dass „Armut und Gesundheit“ in diesen Berichten zukünftig mit mehr Leben gefüllt wird<br />

und klarere Bezüge sowie konkretere Ansätze <strong>für</strong> Veränderungen aufgezeigt werden.<br />

Nicht viel anders stellt sich die Situation bei den Gesundheitsberichten dar. Auch hier wird<br />

die Darstellung von Einflüssen der sozialen Schicht auf die Gesundheit noch sehr zurückhaltend<br />

gehandhabt.<br />

Ausnahmen bestätigen die Regel. Nordrhein-Westfalen etwa bezieht das Thema „Soziale<br />

Ungleichheit und Gesundheit“ bereits in die Leitliniendiskussion mit ein. Auch in einigen kommunalen<br />

Gesundheitsberichten gibt es hier klare Bezüge. Im Stuttgarter Gesundheitsbericht<br />

und im Bericht zur <strong>Kinder</strong>gesundheit von Baden-Württemberg wurde Armut im Zusammenhang<br />

mit Gesundheit als eigenes Kapitel aufgenommen.<br />

Die Verbindung von Gesundheits- und Sozialberichterstattung <strong>–</strong> möglichst mit kleinräumiger<br />

Darstellung <strong>–</strong> sollte zum Standard werden, denn in der Praxis bestätigt sich immer wieder:<br />

das Eine kann ohne das Andere nicht viel bewirken. Wenn auf dieser Ebene bereits kooperiert<br />

würde, könnte man sich später bei der Suche nach kompetenten Partnern zur Vernetzung und<br />

Unterstützung viel Zeit und Kraft sparen.<br />

Welche gesetzlichen und institutionalisierten Hilfen gibt es? <strong>–</strong> Anregungen<br />

und Stichpunkte<br />

Der Anspruch des <strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII), <strong>alle</strong> jungen Menschen in ihrer<br />

individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu<br />

vermeiden bzw. abzubauen, enthält im Prinzip auch die Forderung nach <strong>Chancen</strong>gleichheit und<br />

Gesundheit <strong>–</strong> wenngleich aus der Sicht des Jugendamts Gesundheit im engeren Sinn nicht das<br />

vordergründige Thema ist.


Angebotsformen der Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen sind:<br />

Teil III. Hilfen<br />

<strong>•</strong> Der Rechtsanspruch auf einen <strong>Kinder</strong>gartenplatz eröffnet <strong>Kinder</strong>n im Vorschulalter die<br />

Möglichkeit, ein soziales Miteinander zu üben.<br />

<strong>•</strong> Mit den Angeboten zur Ganztagsbetreuung wird auch schulpflichtigen <strong>Kinder</strong>n das<br />

Erproben von sozialen Kompetenzen ermöglicht.<br />

<strong>•</strong> Die Reform des Landesjugendplans im Jahr 1999 war Grundlage da<strong>für</strong>, Angebote <strong>für</strong><br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Notlagen und Konfliktsituationen fördern zu können.<br />

<strong>•</strong> Sozial schwache Familien werden gezielt unterstützt <strong>–</strong> z.B. über Angebote <strong>für</strong> Erholungsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> Familien mit <strong>Kinder</strong>n.<br />

<strong>•</strong> Den Zugang zu neuen Medien und damit eine Schlüsselqualifikation erhalten sozial<br />

benachteiligte Jugendliche im Rahmen der Jugendsozialarbeit und über Projekte der<br />

Jugendmedienarbeit.<br />

<strong>•</strong> Schulmüde Jugendliche erhalten eine gezielte Förderung in speziellen Angeboten.<br />

<strong>•</strong> Sozial benachteiligten jungen Menschen stehen darüber hinaus spezielle Beratungsangebote<br />

und handwerklich orientierte Projekte offen.<br />

Über eine vertiefte Kooperation von Jugendhilfe und Gesundheitspolitik könnten weitere Verbesserungen<br />

in der Prävention erreicht werden. Folgende Anregungen sind denkbar:<br />

<strong>•</strong> Ein konkretes Zusammenwirken von Jugendhilfe und Gesundheitspolitik sollte besonders<br />

dort angestrebt werden, wo Armut gehäuft auftritt. Insbesondere sollten Kooperationen mit<br />

den Einrichtungen der <strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfe gesucht werden <strong>–</strong> zur gezielten gesundheitlichen<br />

Förderung und Suchtprävention. Gesundheitsfördernde Interventionen z.B. zur<br />

Gesundheitserziehung im <strong>Kinder</strong>garten könnten gemeinsam mit dem Träger der <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendhilfe durchgeführt werden.<br />

<strong>•</strong> Die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der offenen Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit<br />

erweist sich als sinnvoll, weil hier vor <strong>alle</strong>m sozial benachteiligte Jugendliche anzutreffen<br />

sind. Die Jugendwerkeinrichtungen bieten sich als geeignetes Feld <strong>für</strong> präventive Gesundheitspolitik<br />

an, da Jugendliche dort über einen längeren Zeitraum erreichbar sind.<br />

<strong>•</strong> Als Datenbasis <strong>für</strong> die Entwicklung zielgruppenspezfischer Angebote eignen sich die<br />

kommunalen Jugendhilfepläne. Wünschenswert wäre aber auch im Bereich der Jugendhilfeplanung<br />

eine Verbindung mit der Gesundheitsberichterstattung auf kommunaler Ebene.<br />

Die Jugendhilfe in<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

53


54<br />

Die Enquetekommission<br />

„Jugend-Arbeit-Zukunft“<br />

in Baden-Württemberg<br />

Mobile Jugendarbeit<br />

Landesprogramm<br />

„Mutter und Kind“<br />

Landesstiftung<br />

„Familie in Not“<br />

Teil III. Hilfen<br />

Exemplarische Angebote in Baden-Württemberg sind:<br />

<strong>•</strong> Die Enquetekommission „Jugend-Arbeit-Zukunft“ des Landtags stand seit Juni 1997 im<br />

Mittelpunkt des jugendpolitischen Interesses in Baden-Württemberg. Sie wurde beauftragt,<br />

eine Bestandsaufnahme zu erstellen, um daraus praktische Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> die<br />

Politik zu formulieren. Der Bericht bewertete die Lebenslage junger Menschen, ihre Zukunftschancen<br />

in Ausbildung und Beruf und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen<br />

und politischen Leben. Handlungsempfehlungen ergaben sich u.a. bei Maßnahmen zur<br />

beruflichen Eingliederung arbeitsloser junger Menschen und zur Suchtvorbeugung, bei der<br />

Integrationsförderung <strong>für</strong> ausländische <strong>Kinder</strong> und Spätaussiedlerkinder, bei der Förderung<br />

der Mobilen Jugendsozialarbeit in Problemgebieten und von Modellen in der Jugendhilfe.<br />

Gemeinsamkeiten des Gesundheitsförderungskonzepts und Leitgedanken der<br />

Jugendhilfe waren Anlass, ein Stadtteilprojekt „Gesundheitsförderung mit Jugendlichen<br />

in Waiblingen-Süd“ in Kooperation von Mobiler Jugendarbeit und<br />

Gesundheitsamt durchzuführen. Ziel war es, die Lebenssituation von sozial benachteiligten<br />

Mädchen und Jungen durch Stärkung ihrer persönlichen und sozialen<br />

Ressourcen zu verbessern. Darüber hinaus sollte die Zusammenarbeit und<br />

Vernetzung im Stadtteil zwischen Bürgern und Experten aus dem Sozial-, Jugend-<br />

und Gesundheitsbereich gefördert werden. Die Projekterfahrungen ergaben,<br />

dass Gesundheitsförderung mit sozial benachteiligten Mädchen und Jungen<br />

kaum über befristete Kursangebote zu erreichen ist, sondern eine kontinuierliche<br />

Gruppenarbeit im Rahmen der mobilen Jugendarbeit erforderlich ist.<br />

<strong>•</strong> Die Mobile Jugendarbeit mit ihrem stadtteilbezogenen, gemeinwesenorientierten Ansatz<br />

gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese Arbeitsform will Ressourcen der betroffenen jungen<br />

Menschen selbst wie auch aus den Institutionen des Gemeinwesen bündeln. Mobile Jugendarbeit<br />

ist vorrangig in das Lebensfeld der Jugendlichen eingebettet und stellt sich damit<br />

als ein hervorragender Kooperationspartner <strong>für</strong> Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung<br />

von armen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen dar.<br />

<strong>•</strong> Das Programm „Mutter und Kind“ bietet <strong>alle</strong>inerziehenden Müttern und Vätern finanzielle<br />

und pädagogische Hilfen während der ersten drei Lebensjahre des Kindes. Durch die Inanspruchnahme<br />

kombinierter kommunaler und staatlicher Leistungen (Sozialhilfe und Erziehungszuschlag<br />

des Landes in Höhe von monatlich 306,78 €) bekommen Alleinerziehende<br />

ein sozialpädagogisches Betreuungsangebot, berufliche Beratung und die wirtschaftliche<br />

Grundlage, ihr Kind selbst zu erziehen. Der Erziehungszuschlag wird im Anschluss an das<br />

Bundeserziehungsgeld bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes gezahlt. Eine<br />

Teilzeitbeschäftigung oder eine Ausbildung während der Programmteilnahme ist möglich.<br />

Die Teilnehmerinnen finden sich zu regelmäßigen Gruppentreffen zusammen.<br />

<strong>•</strong> Dort wo andere finanzielle Hilfemöglichkeiten nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig gegeben<br />

sind, tritt die vom Land Baden-Württemberg im Jahr 1980 gegründete Stiftung „Fa-


Teil III. Hilfen<br />

milie in Not“ mit ihren Leistungen <strong>für</strong> werdende Mütter in Not- und Konfliktsituationen ein.<br />

Sie hilft auch Familien, die durch ein schwerwiegendes Ereignis wie Krankheit, Tod, längere<br />

Arbeitslosigkeit, Scheidung oder durch die Geburt eines Kindes in Not geraten sind. In einigen<br />

Kreisen ist Schwangeren und <strong>alle</strong>in Erziehenden die Aufnahme in das Programm<br />

„Mutter und Kind“ möglich.<br />

Wo gibt es Handlungsbedarf?<br />

Eine bundesweite Recherche über Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten (veröffentlicht<br />

im nationalen Abschlussbericht des EU-Projektes „Tackling Inequalities in Health“, herausgegeben<br />

von der BZgA) ergab, dass länderübergreifende Entwicklungsimpulse auf dem Gebiet<br />

der Prävention eher selten sind. Trotz der großen <strong>Band</strong>breite von ermutigenden Einzelprojekten<br />

haben solche Modellvorhaben eine begrenzte Reichweite. Die ungebrochene Brisanz<br />

ungleich verteilter Gesundheitschancen erfordert Vernetzung, Kooperation, Transparenz und<br />

nicht zuletzt den Rückhalt durch die Politik.<br />

Die meisten Projekte, die im Bericht zu „Tackling Inequalities in Health“ ausgewertet wurden,<br />

widmen sich der gesundheitlichen Versorgung und Aufklärung. Wenige Projekte zielen auf<br />

die Stärkung von Ressourcen der Betroffenen. Selten zu finden waren auch mehrdimensionale<br />

Ansätze, die etwa Information, Verhaltensänderung und strukturellen Änderungen verbanden.<br />

Betroffene durften selten aktiv werden.<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

Das müsste eingeführt, ausgebaut oder optimiert werden:<br />

Verbesserte Vernetzung von Bund, Land und Kommune<br />

Verbindung von Gesundheits- und Sozialberichterstattung<br />

Überblick über vorhandene Projekte<br />

Koordination von Projekten, Handlungsfeldern und Kooperationspartnern<br />

Übertragung geeigneter Projekte von der kommunalen Ebene auf die Landesebene<br />

Fachkompetente Informationsstellen und Beratung<br />

Langfristige Projekte mit ganzheitlichem Ansatz: Verhalten, Wissen und Verhältnisse<br />

verbessern (Kombinationsprojekte)<br />

Möglichkeit, längerfristig geeignete Projekte zu finanzieren<br />

Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit<br />

Niedrigschwellige Angebote<br />

Angebote vor Ort zur Beratung, Unterstützung und Entlastung<br />

Integration von Bezugspersonen der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen <strong>–</strong> wie Eltern,<br />

Erzieher, Lehrer, <strong>Kinder</strong>ärzte <strong>–</strong> in entsprechende Maßnahmen<br />

55<br />

Wenig länderübergreifende<br />

Entwicklungen


56<br />

Teil III. Hilfen<br />

Zum Vertiefen:<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2001): „Tackling Inequalities in Health“<br />

<strong>–</strong> ein Projekt des „European Network of Health Promotion Agencies“ (ENHPA) zur Gesundheitsförderung<br />

bei sozial Benachteiligten. Köln<br />

Kamensky, J.; Zenz, H. (2001): Armut <strong>–</strong> Lebenslagen und Konsequenzen. Ursachen, Ausmaß<br />

und Bewältigung sozialer Ungleichheit am Beispiel des Landkreises Neu-Ulm. Ulm<br />

Laaser, U; Gebhardt, K.; Kemper, P. (Hrsg.) (2001): Gesundheit und soziale Benachteiligung.<br />

Informationssysteme <strong>–</strong> Bedarfsanalysen <strong>–</strong> Interventionen. Verlag Hans Jacobs, Lage<br />

Landeshauptstadt Stuttgart (Referat Soziales, Jugend und Gesundheit, Gesundheitsamt) (Hrsg.)<br />

(2000): Gesundheitsbericht Stuttgart 2000. Stuttgart<br />

Mielck, A. (2000): Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze,<br />

Interventionsmöglichkeiten. Bern<br />

Robert Koch-Institut (Hrsg.) 2001: Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen und die Auswirkungen<br />

auf die Gesundheit. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 03/1<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (2000): <strong>Kinder</strong>gesundheit in Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (2000): Landesjugendplan 2000/2001. Jugendhilfe in<br />

Baden-Württemberg. Stuttgart<br />

Ministerium <strong>für</strong> Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (2001): 7. <strong>Kinder</strong>- und Jugendbericht<br />

der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.<br />

3.3 Wenn Hilfe nicht ankommt <strong>–</strong> Barrieren <strong>für</strong> die<br />

Gesundheitsförderung<br />

Kennen Sie das?<br />

Aktionstag „Cocktails ohne Alkohol“ auf dem Rathausplatz: „Wir hatten uns<br />

so viel Mühe gegeben, aber die Jugendlichen (die gewünschte Zielgruppe)<br />

hat das wohl nicht interessiert.“<br />

„Patrick hat eine Sprachstörung.“ sagt die Erzieherin. „Seine Mutter will<br />

davon nichts wissen.“<br />

Julia, 14 Jahre, ist stark übergewichtig. Sie würde gerne einen Kurs besuchen<br />

oder mehr Sport treiben. Einen Abnehmkurs <strong>für</strong> Mädchen ihrer Altersgruppe


Teil III. Hilfen<br />

in ihrer Nähe gibt es nicht, der Beitrag im Sportverein ist zu teuer, und zu Hause<br />

findet sie weder Gehör <strong>für</strong> ihr Problem noch ein Interesse an gesunder Ernährung.<br />

Vortrag über Suchtprävention: „Es waren nur 3 Leute da.“<br />

„Den <strong>Kinder</strong>n hat unser Bewegungstag viel Spaß gemacht. Der Elternabend war<br />

gut besucht. Aber: die Eltern, die es eigentlich betrifft, waren wieder nicht da.“<br />

Impfaktion im Gesundheitsamt: „Es kamen nur die Mütter mit ihren <strong>Kinder</strong>n aus<br />

dem „besseren“ Stadtviertel“.<br />

Wenn Ihrem Aktionstag die Teilnehmer fehlen (oder die falschen da sind), dann kann das viele<br />

Gründe haben:<br />

Es könnte sein, dass Ihr Thema an der Zielgruppe vorbei geht, dass Sie Interessen und Bedürfnisse<br />

falsch einschätzen. Vielleicht sind auch Veranstaltungsort und -zeit ungünstig gewählt,<br />

oder der Preis <strong>für</strong> Ihr Angebot ist zu hoch.<br />

Bei der Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten stehen <strong>alle</strong>rdings noch andere<br />

Barrieren zwischen den Gesundheitsanbietern und den potentiellen Nachfragern. Es geht dabei<br />

übergreifend um diese Fragen:<br />

<strong>•</strong> Wie erreichen wir die Zielgruppe besser?<br />

<strong>•</strong> Wie bringen wir zukünftige Akteure (Kooperationspartner, Verantwortliche, Sponsoren) mit<br />

der Zielgruppe zusammen?<br />

<strong>•</strong> Wie überzeuge ich intern (Kollegen, Vorgesetzte), dass ich <strong>für</strong> genau diese Zielgruppe ein<br />

Angebot erstellen möchte?<br />

Der Wunsch, sich gegenseitig besser zu erreichen, erfordert zunächst eine Bestandsaufnahme:<br />

Welche Barrieren existieren? Wodurch entstehen sie überhaupt? Wer oder was erhält sie aufrecht?<br />

Ist irgendwo der Zugang erschwert, tauchen meist immer wieder die <strong>gleiche</strong>n Defizite<br />

auf. Es fehlt an Offenheit, Verständnis, Transparenz und Flexibilität. Ein erster Schritt auf dem<br />

Weg zueinander könnte demnach mit folgenden Überlegungen beginnen: „Was wissen oder denken<br />

wir voneinander und wie gehen wir miteinander um?“<br />

Ein (nicht ganz) fiktives Beispiel aus der Schulpraxis<br />

Das folgende Praxis-Beispiel ist <strong>–</strong> in Ablauf und handelnden Personen <strong>–</strong> bewusst ein wenig zugespitzt.<br />

Der geschilderte Fall soll deutlich machen, dass subjektive Sichtweisen, Einstellungen<br />

und Interessen oft die größten Handlungsbarrieren darstellen. Gesundheitsförderer müssen das<br />

in ihrer Strategie berücksichtigen.<br />

Tina, Jenny, Stefan und Ali sind die Sorgenkinder von Frau Schmelzer, Klassenlehrerin der<br />

Klasse 5a in der Hauptschule einer Kleinstadt. Die <strong>Kinder</strong> kommen täglich ohne Frühstück und<br />

Pausenbrot zum Unterricht und sehen sehr müde aus. Frau Schmelzer teilt dieses Leid mit vielen<br />

Kollegen, die auch über unkonzentrierte Schüler klagen. Tinas Mutter arbeitet morgens ab<br />

6.00 Uhr als Reinigungsfrau in einem Amt und kann sich nicht um das Frühstück kümmern. Der<br />

Vater schläft zu dieser Zeit seinen Rausch aus. Bei Jenny und Stefan wird grundsätzlich nicht gefrühstückt.<br />

Ali hat noch 5 Geschwister und ist komplett sich selbst überlassen. Er bekommt täg-<br />

Barrieren ermitteln und<br />

analysieren<br />

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58<br />

Teil III. Hilfen<br />

lich Geld mit in die Schule, das er aber lieber in Zigaretten und Comics umsetzt. Gespräche mit<br />

den <strong>Kinder</strong>n verlaufen ohne Erfolg. Die <strong>–</strong> mehrfach versuchte <strong>–</strong> Kontaktaufnahme mit den Eltern<br />

schlägt fehl. Ein gemeinsames Pausenbrot in der Klasse oder die Einrichtung einer <strong>Kinder</strong>tafel<br />

(ein Verpflegungsangebot, wo <strong>Kinder</strong> und Jugendliche kostenlos oder gegen einen minimalen<br />

Unkostenbeitrag mehrmals in der Woche oder auch täglich ein warmes Mittagessen erhalten)<br />

scheitert an den unterschiedlichen Ansichten bezüglich eines Handlungsbedarfs.<br />

Wie denken die Beteiligten über das Problem?<br />

Bürgermeister und Stadtrat:<br />

„Eine <strong>Kinder</strong>tafel einrichten an der Hauptschule? Bloß keine schlafenden Hunde wecken, sonst<br />

möchten <strong>alle</strong> anderen Schulen auch einen gemeinsamen Mittagstisch, und das kann keiner bezahlen.<br />

Richtige Ernährung ist Angelegenheit der Eltern.“<br />

Der Rektor:<br />

„Schlechte Konzentration bei einigen Schülern ist durchaus problematisch. Aber <strong>für</strong> das Pausenbrot<br />

haben wir ja unseren Hausmeister.“<br />

Die Lehrerinnen und Lehrer:<br />

„Das ist ganz typisch <strong>für</strong> die Eltern von solchen <strong>Kinder</strong>n. Schieben die Verantwortung der<br />

Schule zu, und wir müssen sehen, wie wir mit den <strong>Kinder</strong>n zurechtkommen. Täglich ein gemeinsames<br />

Pausenbrot zu veranstalten, wäre schon gut <strong>–</strong> aber wann sollen wir dann den Lernstoff<br />

durchnehmen? Schließlich haben wir einen Lehrplan, der abgearbeitet werden muss. Am<br />

Elternabend haben wir das Thema schon öfters diskutiert, aber diese Eltern zeigen weder Einsicht<br />

noch Interesse.“<br />

Die Eltern:<br />

Mutter von Tina:<br />

„Um was soll ich mich noch <strong>alle</strong>s kümmern? Das Kind ist jetzt 11 Jahre alt und wird sich doch<br />

selbst ein Frühstück machen können. Ständig haben die Lehrer etwas anderes zu nörgeln. Wozu<br />

geht das Kind in die Schule, wenn sie dort nicht in der Lage sind, dem Kind etwas beizubringen?<br />

Zum Elternabend gehe ich nicht, weil ich um 5 Uhr aufstehen muss, um rechtzeitig auf der Arbeit<br />

zu sein. Seit mein Mann seine Arbeit verloren hat, besäuft er sich den ganzen Tag <strong>–</strong> der ist<br />

mir auch keine große Hilfe“.<br />

Mutter von Jenny:<br />

„Wir frühstücken grundsätzlich nicht, weil da<strong>für</strong> keine Zeit ist. Ich habe 4 <strong>Kinder</strong>, die <strong>alle</strong> zur<br />

<strong>gleiche</strong>n Zeit aus dem Haus müssen. Die Nerven habe ich nicht, auch noch jedes Kind zum Frühstück<br />

zu überreden. Das Pausenbrot haben sie <strong>alle</strong> immer wieder mit nach Hause gebracht. Das<br />

ist rausgeworfenes Geld. Die Lehrerin soll sich das mal antun mit 4 minderjährigen <strong>Kinder</strong>n in<br />

einer viel zu kleinen Wohnung.“<br />

Mutter von Stefan:<br />

„Wenn der Junge in der Schule müde ist, dann hat er mal wieder zu lange vor dem Fernseher<br />

gesessen. Aber zu essen bekommt er genug! Der <strong>Kinder</strong>arzt meint wohl auch, der Stefan ist zu


Teil III. Hilfen<br />

dünn, aber das glaube ich nicht. Diese ganzen Broschüren vom Arzt lese ich sowieso nicht, da<br />

kann doch kein Mensch was mit anfangen und was das <strong>alle</strong>s kostet. Zum Elternabend gehe ich<br />

nicht mehr, weil die einen immer so blöd anschauen, wenn man keinen Mann und keine Arbeit<br />

hat. Die meinen immer, ich bin zu <strong>alle</strong>m zu faul. Wenn mein Ex-Mann den Unterhalt bezahlen<br />

würde, dann hätten wir keine Probleme.“<br />

Mutter von Ali:<br />

„Der Junge macht, was er will. Da komme ich nicht mehr weiter. Soll sich doch die Schule darum<br />

kümmern. Die Lehrerin wollte mich schon mal in einen Vortrag schicken über gesunde Ernährung.<br />

Was soll ich da? <strong>–</strong> Ich koche türkisch. Mit dem bisschen Sozialhilfe kann ich sowieso<br />

nur das Nötigste kaufen und Extrageld <strong>für</strong> die <strong>Kinder</strong> muss man ständig erbetteln. Der Sachbearbeiter<br />

redet leicht, ich soll mir Hilfe holen wegen Ali von so einer Erziehungsberatungsstelle.<br />

Hier im Stadtteil gibt es sowas nicht, und das Geld <strong>für</strong> den Bus kann ich woanders besser gebrauchen.“<br />

Die Entscheidungsträger sehen die Dinge aus der Distanz des nicht direkt Betroffenen. Die Lehrer<br />

haben ihre Möglichkeiten ausgeschöpft und brauchen einen Vermittler, neue Strategien und<br />

personelle Unterstützung. Sie wissen wenig über die Lebenslage ihrer Schüler bzw. können<br />

schlecht damit umgehen. Die Eltern verfügen nicht über ausreichende Bewältigungskompetenzen<br />

und haben Angst vor Diskriminierung, keine Zeit oder ganz andere, existentielle Probleme.<br />

Die <strong>Kinder</strong> sitzen zwischen den Stühlen.<br />

Was ist zu tun? <strong>–</strong> Eine Checkliste der Möglichkeiten<br />

<strong>•</strong> Analyse von Bedarf und möglichen Handlungsoptionen vor Ort, z.B. über eine Befragung<br />

(Einverständnis von Schulamt und Beteiligten vor Ort einholen)<br />

<strong>•</strong> Formulierung eines Berichts (in Vorbereitung eines Auswertungsgesprächs, siehe unten,<br />

und ggf. zur Vorlage in Ausschüssen, im Stadtrat, in der Gesundheitskonferenz etc.);<br />

versuchen Sie, das Problem zu objektivieren und in Tatsachenform zu präsentieren.<br />

<strong>•</strong> Auswertung und Besprechung der Befragungsergebnisse im Kreis von Lehrer-, Eltern-,<br />

Schüler- und Politikvertretern, unter Mitwirkung der Schulleitung, des Hausmeisters und<br />

anderer Beteiligter<br />

<strong>•</strong> Ausarbeitung eines Handlungsplans unter Herstellung einer Balance zwischen Wünschenswertem<br />

und Machbarem<br />

<strong>•</strong> Mobilisierung geeigneter Kooperationspartner, „Verbündeter“ und Sponsoren vor Ort<br />

<strong>•</strong> Planung und Durchführung einer Aktion „<strong>Gesunde</strong>s Pausenbrot“ (gemeinsam mit den Schülern)<br />

<strong>•</strong> Einrichtung eines Schülercafés in der Schule, das von den Schülern organisiert wird<br />

<strong>•</strong> Vermittlung einer Fortbildung „<strong>Gesunde</strong> <strong>Kinder</strong>ernährung“ <strong>für</strong> interessierte Lehrer<br />

<strong>•</strong> Einrichtung eines Essenangebots im Stadtteilzentrum, bei dem verschiedene Akteure und<br />

ggf. auch die besserverdienenden Eltern einbezogen werden (z.B. eine <strong>Kinder</strong>tafel, damit<br />

die <strong>Kinder</strong> wenigstens mit einer sicheren Mahlzeit rechnen können)<br />

Handlungsoptionen<br />

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Teil III. Hilfen<br />

<strong>•</strong> Formulierung lebenslagenorientierter Empfehlungen, die die Betroffenen im Alltag umsetzen<br />

können<br />

<strong>•</strong> Einrichtung einer Anlaufstelle in Sachen <strong>Kinder</strong>ernährung, mit Beratungs- und Informationsangeboten<br />

und ggf. <strong>–</strong> je nach Ressourcen (Freiwillige einbinden!) <strong>–</strong> auch aufsuchende Arbeit<br />

Natürlich ist diese Liste nicht vollständig. Sie zeigt aber die Abfolge der wesentlichen prinzipiellen<br />

Handlungsschritte auf, die von der Erfassung und Objektivierung des Tatbestands über<br />

die Einbindung und Aktivierung <strong>alle</strong>r Beteiligten hin zur Planung und Umsetzung einer zunehmend<br />

differenzierten und anspruchsvollen Maßnahmekette reicht. Dabei gilt grundsätzlich:<br />

Auch ein kleiner Einstieg kann ein guter Anfang sein.<br />

Auf den Punkt gebracht <strong>–</strong> die 7 wichtigsten Barrieren zwischen Gesundheitsförderung<br />

und sozial Benachteiligten<br />

1. Informationsdefizite<br />

Sozial benachteiligte Personengruppen wissen wenig über:<br />

<strong>•</strong> Risikoverhalten und die Bewältigung von gesundheitlichen Problemen<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsförderung allgemein und die Umsetzung von Empfehlungen in den Alltag<br />

<strong>•</strong> die Regelversorgung und die relevanten Ansprechpartner<br />

<strong>•</strong> Bedarfe von <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen und besondere Fördermöglichkeiten<br />

<strong>•</strong> ihre Rechte<br />

Die Anbieter von Gesundheitsförderung wissen oft wenig über:<br />

<strong>•</strong> die Zusammenhänge von Armut und Gesundheit<br />

<strong>•</strong> Bedürfnisse, Probleme, Lebenslage und Bedarf der Zielgruppe<br />

<strong>•</strong> das Ausmaß des Armutspotentials vor Ort<br />

<strong>•</strong> mögliche Kooperationspartner<br />

<strong>•</strong> bereits vorhandene Hilfsangebote <strong>für</strong> die Zielgruppe<br />

Hürden überwinden: Wie stellen Sie den Informationsfluss her?<br />

Regelmäßige Berichterstattung über Gesundheit und soziale Lage vor Ort<br />

Bereitstellung und Verbreitung gut aufbereiteter Daten zum Ausmaß<br />

der sozialen Benachteiligung<br />

Herstellung von Transparenz zu Ihren und anderen Angeboten <strong>für</strong><br />

einen besseren Überblick durch den Behördendschungel, z.B. durch<br />

einen Sozial- und/oder Gesundheitswegweiser<br />

Erstellung und/oder Verbreitung lebensstilorientierter Info-Materialien<br />

Einbindung von Betroffenen in Projekte z.B. stadtteilbezogener<br />

Gesundheitsförderung<br />

Erstellung von Leitlinien <strong>für</strong> die Arbeit mit der Gruppe sozial Benachteiligter<br />

Durchführung oder Vermittlung von Multiplikatorenschulungen


2. Fehlende Zeit und mangelnde Mobilität<br />

Teil III. Hilfen<br />

Alleinerziehende Mütter nennen häufig die fehlende <strong>Kinder</strong>betreuung als ein Hindernis bei der<br />

Teilnahme an den Angeboten der Gesundheitsförderung. <strong>Kinder</strong>reiche Familien fühlen sich<br />

überfordert, mit mehreren <strong>Kinder</strong>n zu verschiedenen Angeboten oder Behandlungen zu gehen.<br />

Sie sind ohne eigenes Auto weniger mobil und brauchen Fahrzeit und Geld <strong>für</strong> öffentliche Verkehrsmittel,<br />

die dann auch nur zu bestimmten Zeiten fahren. Länger dauernde Angebote können<br />

wegen der hohen Anforderungen der Alltagsroutine nicht in Anspruch genommen werden.<br />

Hürden überwinden: Wie helfen Sie beim Management von Raum und Zeit?<br />

Arbeiten Sie in Settings und ersparen Sie damit der Zielgruppe Fahrtzeit<br />

und - kosten.<br />

Organisieren Sie <strong>Kinder</strong>betreuung zu Ihren Angeboten.<br />

Die klassische „Komm-Struktur“ (Der Patient kommt zum Arzt) funktioniert<br />

nicht so gut bei sozial benachteiligten Menschen. Besser ist die<br />

„Geh-Struktur“: Bieten Sie Ihr Angebot an den Orten an, wo sich die<br />

Betroffenen auch befinden, wie z.B. im <strong>Kinder</strong>garten, in der Schule, im<br />

Hort, im Stadtteil, in der Entbindungsstation.<br />

Stellen Sie bei der Bekanntmachung Ihres Angebots den Nutzeffekt <strong>für</strong><br />

die Betroffenen deutlich heraus. Wer schon seine rare Zeit auf Ihr Angebot<br />

verwendet, will genau wissen, was er da<strong>für</strong> bekommt.<br />

3. Sprachbarrieren<br />

Viele Personen mit niedrigem sozialen Status verstehen komplexe Gesundheits- und Krankheitssachverhalte<br />

nicht bzw. fühlen sich vom Arzt nicht verstanden. Das Vokabular des durchschnittlichen<br />

sozial benachteiligten Menschen enthält in der Regel keine oder nur wenige medizinische<br />

Fachwörter. Klar und deutlich Beschwerden zu nennen und die Fragen des Arztes<br />

knapp und korrekt zu beantworten, fällt ihnen oft schwer. Problemlösekompetenzen bringen sie<br />

in der Regel nicht mit und sind ihnen aufgrund der Sprachprobleme auch nur schwer zu vermitteln.<br />

Anbieter und Nachfrager gesundheitlicher Leistungen können ihre Erwartungen aneinander<br />

oft nicht adäquat ausdrücken. Verständigungsprobleme resultieren zudem <strong>–</strong> vor <strong>alle</strong>m bei<br />

Migrantinnen und Migranten <strong>–</strong> aus derem Mangel an Deutschkenntnissen, insbesondere bezogen<br />

auf den Bereich Gesundheit.<br />

Hürden überwinden: So verstehen Sie sich besser!<br />

Sprechen Sie klar, deutlich, einfach und konkret.<br />

Begeben Sie sich sprachlich in etwa auf das Niveau ihrer Zielgruppe.<br />

Erklären Sie an Beispielen.<br />

Setzen Sie neben Broschüren auch andere Medien ein wie Schaubilder,<br />

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62<br />

Teil III. Hilfen<br />

plastische Modelle (Lebensmittelattrappen, Wirbelkörper usw.), Filme<br />

oder auditive Medien.<br />

Nehmen Sie sich die Zeit, wichtige Dinge zu wiederholen.<br />

Vergewissern Sie sich, ob Sie verstanden wurden.<br />

Verfassen oder benutzen Sie Informationsmaterial in mehreren Sprachen.<br />

Nehmen Sie ggf. Kontakt mit Dolmetschern auf.<br />

Denken Sie bei häufigen Kontakten zu sozial Benachteiligten über eine<br />

Fortbildung in klientenzentrierter Gesprächsführung nach.<br />

Versuchen Sie, den Patient in seinem sozialen Kontext zu erfassen und<br />

auch zu verstehen.<br />

4. Angebote ohne Lebenslagenbezug<br />

Viele Angebote zur Gesundheitsförderung sind mittelschichtsorientiert. Sie berücksichtigen weder<br />

Bildungsstand noch Einkommenssituation von sozial Benachteiligten. Auch bei der Auswahl<br />

von Inhalten und Methoden <strong>–</strong> meistens Kurse oder Vorträge <strong>–</strong> findet die Lebenslage der Teilnehmer<br />

wenig Beachtung. <strong>Kinder</strong>, die nicht nur unter Bewegungsmangel leiden, sondern auch<br />

noch schlimme familiäre Konflikte zu erdulden haben, stoßen auf wenig Verständnis <strong>für</strong> ihre Situation.<br />

Tipps und Ratschläge <strong>für</strong> Menschen aus mittleren und oberen sozialen Schichten sind<br />

vielfach im Armutshaushalt nicht in die Praxis umzusetzen.<br />

Was den Zugang <strong>für</strong> sozial Benachteiligte zu solchen Angeboten noch erschwert, ist die Angst,<br />

von den anderen Teilnehmern als „Mensch zweiter Klasse“ identifiziert zu werden. Von der<br />

Kleidung über das nicht vorhandene Fahrrad bis hin zu der „Peinlichkeit“, dass Papa keine Arbeit<br />

hat <strong>–</strong> die anderen könnten es bemerken und verurteilen. Man gehört einfach nicht dazu.<br />

Hürden überwinden: Wie passen Sie Ihre Angebote an die Zielgruppe an?<br />

Gestalten Sie spezifische Angebote sowohl in der Gesundheitsförderung als<br />

auch in der gesundheitlichen Versorgung <strong>für</strong> die Menschen mit sozialer Benachteiligung.<br />

Entwickeln Sie lebenslagenorientierte Projekte, die sich an Bedarf,<br />

Alltag und den Fähig- und Fertigkeiten der Betroffenen orientieren. Aufklärung,<br />

Information und Beratung muss in ganz kleinen Schritten serviert<br />

werden, sonst kann es sein, dass Sie die Zielgruppe überfordern und ihre Bemühungen<br />

nur noch auf Reaktanz stoßen. Binden Sie Kooperationspartner<br />

ein, um der Vielschichtigkeit der Probleme gewachsen zu sein. Prüfen Sie bestehende<br />

Maßnahmen und deren Veranstalter auf die Tauglichkeit <strong>für</strong> die spezielle<br />

Zielgruppe der sozial Benachteiligten.


5. Das Image der Behörde<br />

Teil III. Hilfen<br />

Behörden machen vielen Menschen vordergründig Angst vor:<br />

<strong>•</strong> übermächtiger Autorität<br />

<strong>•</strong> Sanktionierung (wie Kürzung von Leistungen)<br />

<strong>•</strong> mangelndem Datenschutz und nicht eingehaltener Schweigepflicht (z.B. bei der „Amtshilfe“)<br />

<strong>•</strong> der Tatsache, dass man abermals darauf hingewiesen wird, etwas falsch gemacht zu haben,<br />

und unfähig ist, sich selbst zu helfen<br />

<strong>•</strong> der Bewusstwerdung, ein Mensch zweiter Klasse zu sein<br />

<strong>•</strong> Stigmatisierung und Diskriminierung, Ablehnung und Unverständnis<br />

<strong>•</strong> dem Aufwand, sein Problem in Worte fassen und Argumente finden zu müssen.<br />

Viele einkommensschwache Personen haben negative Erfahrungen mit Behörden. Sie können<br />

sich nur schwer vorstellen, dass Amtspersonen ihnen wohlwollend gegenüberstehen.<br />

Hürden überwinden: So schaffen Sie Vertrauen <strong>–</strong> ein Beispiel<br />

Im Sozialamt im Landkreis Neu-Ulm existiert seit 1999 eine Sondersachbearbeitung<br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong>inerziehende Sozialhilfempfänger mit der Zielsetzung, Betroffene<br />

bedarfsgerecht und lebenslagenorientiert zu beraten. Gegenseitiges Vertrauen<br />

sehen die Sachbearbeiter, neben dem Ausbau ihrer Fachkompetenz,<br />

als die Basis der Beratung. So veranstaltete das Sozialamt Neu-Ulm (auf eigene<br />

Kosten) einen Workshop <strong>für</strong> Sachbearbeiter und Betroffene zum „näher<br />

kennenlernen“. Einen ganzen Tag lang wurden in „neutralen“ Räumen Erfahrungen<br />

darüber ausgetauscht, wie jeder den anderen in seiner Rolle erlebt,<br />

Perspektivenwechsel ausprobiert, gegenseitige Erwartungen und Wünsche<br />

herausgearbeitet und Regeln <strong>für</strong> ein konstruktives Miteinander aufgestellt.<br />

Das Klima zwischen Beamten und Hilfebeziehern hat in jedem Fall profitiert.<br />

Die Vorstellung von der „Allmächtigkeit einer Behörde“ könnten Sie auch dadurch mildern,<br />

dass Sie die Zielgruppe <strong>–</strong> soweit wie möglich <strong>–</strong> an Entscheidungen teilhaben lassen. Den Eindruck,<br />

Hilfen würden über den Kopf der Betreffenden hinweg „im Gießkannenprinzip“ verteilt,<br />

kann man der Klientel nicht übel nehmen. Also: Fragen Sie auch mal nach dem individuellen<br />

Bedarf und schaffen Sie Situationen, in denen Betroffene zu Wort kommen.<br />

6. Kognitive Barrieren: Einstellungen, Werte und Prioritäten<br />

Einstellungen steuern Verhaltensweisen. In unteren sozialen Schichten trifft man oft auf Gedanken<br />

und Gewohnheiten, die Gesundheitsförderung schwierig machen. So nehmen manche<br />

Betroffene ihren Bedarf an Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Versorgung gar nicht<br />

wahr, weil sie in ihrem Risikoverhalten keine Gefahr sehen.<br />

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64<br />

Teil III. Hilfen<br />

Übergewicht z.B. ist eher positiv besetzt. Statussymbole in Form materieller Güter erscheinen<br />

wichtiger als immaterielle Werte wie etwa Gesundheit. Wünsche und Probleme der <strong>Kinder</strong> werden<br />

mit einer Extraportion Süßigkeiten kompensiert. Die Teilnahme am „Vegetarischen Kochkurs“<br />

birgt vielleicht das Risiko, dass liebgewonnene Essgewohnheiten sich als gesundheitsschädigend<br />

herausstellen <strong>–</strong> damit ist dann das letzte bisschen Freude am Leben hinfällig.<br />

Mit langfristig andauernder Armutslage macht sich Resignation breit. Wenig Aussicht auf<br />

das Ende der misslichen Situation steigert dieses Gefühl noch. „Was bringt das <strong>alle</strong>s?“ „Gesundheit<br />

ist schon wichtig, aber das löst meine Probleme wie Unterhaltsklagen, Arbeitslosigkeit<br />

und Geldmangel auch nicht.“<br />

Was sozial benachteiligte Menschen über die Bemühungen und Nicht-Bemühungen der Gesundheitsförderer<br />

und Versorger denken, ist kaum wissenschaftlich erforscht.<br />

Kognitive Barrieren gibt es auch auf der Seite der Anbieter von gesundheitsfördernden Aktivitäten.<br />

Die Erfahrung von Projekten mit geringem Erfolg ist beim zweiten Versuch mehr oder<br />

weniger ein großes Hindernis. Maßnahmen <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung sozial Benachteiligter<br />

brauchen einen langen Atem.<br />

Hürden überwinden: Wie berücksichtigen Sie Werte und Einstellungen Ihrer<br />

Zielgruppe?<br />

Hoffen Sie nicht darauf, dass die Betroffenen einen Beratungsbedarf erkennen.<br />

Wirken Sie vorsichtig auf Bewusstseinsbildung hin. Verknüpfen Sie die<br />

Gesundheitsförderung mit anderen Gesprächsanlässen, die die sozial Benachteiligten<br />

vordergründiger wahrnehmen. Laden Sie z.B. nicht zur Gesundheitsförderungsmaßnahme<br />

ein, sondern zum Sommerfest im Stadtteil mit Spiel und<br />

Spaß rund um das leibliche Wohl, und integrieren Sie dort Ihr Angebot. Einstellungen<br />

sind veränderbar durch neue und positive Erfahrungen. Stellen Sie<br />

Möglichkeiten und Räume zur Verfügung <strong>–</strong> <strong>für</strong> neue Erfahrungen, <strong>für</strong> die Steigerung<br />

des Selbstwertgefühls und das Einbringen eigener Kompetenzen. Planen<br />

Sie z.B. mit den <strong>Kinder</strong>n im sozialen Brennpunkt den Bau eines Abenteuerspielplatzes,<br />

rufen Sie zur Gemeinschaftsaktion „Stadtviertelmarathon“ auf,<br />

und machen Sie die Betroffenen zum Organisator. Psychosoziale Probleme haben<br />

Vorrang vor der Verringerung der direkt gesundheitsschädigenden Risikofaktoren<br />

wie Bewegungsmangel oder Rauchen. Respektieren Sie das Wertesystem<br />

von Menschen in benachteiligten Lebenslagen.<br />

7. Finanzen<br />

Gesundheitsförderliches Verhalten bringt häufig zusätzliche Kosten mit sich. Der Beitrag im<br />

Sportverein, eine gesunde Ernährung, Teilnahme an Entspannungskursen, der Kauf eines Fahrrads<br />

etc. erfordern Geld, das man nicht hat. Über Ermäßigungen (oder sogar die Befreiung von<br />

der Zuzahlung beim Zahnersatz) wissen viele Menschen nicht Bescheid. Außerdem müsste man<br />

sie erst beantragen. Das schreckt die Betroffenen ab.


Teil III. Hilfen<br />

Im einkommensschwachen Haushalt dreht sich oft ohnehin <strong>alle</strong>s nur ums Geld. Jede zusätzliche<br />

Ausgabe geht zu Lasten anderer Bedürfnisse. Es ist nur zu gut zu verstehen, dass zuerst einmal<br />

der notwendige Bedarf gedeckt wird und anderes ganz weit hinten ansteht.<br />

Hürden überwinden: Wie machen Sie Gesundheitsförderung <strong>für</strong> wenig Geld?<br />

Versuchen Sie, wenn immer möglich kostenfreie oder zumindest sehr günstige<br />

Angebote zu machen. Das geht nicht ohne Kooperationspartner <strong>–</strong> lokale Sponsoren,<br />

Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen. Die regionale Arbeitsgemeinschaft<br />

oder kommunale Gesundheitskonferenz ist auch hier<strong>für</strong> das erste Diskussionsund<br />

Akquiseforum. Sorgen Sie <strong>für</strong> mehr Information der Zielgruppe über Ansprüche<br />

und Vergünstigungen im gesundheitlichen Versorgungssystem. Die Möglichkeit<br />

einer Krankenkostzulage z.B. ist vielen Sozialhilfeempfängern nicht bekannt.<br />

Vermitteln Sie den Betroffenen gesundheitsförderliche Verhaltensweisen<br />

als finanzierbar und wenig aufwendig <strong>–</strong> bei großem Nutzeffekt.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Böhm, B.; Janßen, M.; Legewie, H (1999): Zusammenarbeit professionell gestalten. Praxisleitfaden<br />

<strong>für</strong> Gesundheitsförderung, Sozialarbeit und Umweltschutz. Freiburg im Breisgau<br />

Brucks, U.; v. Salisch, E.; Wahl, W.-B. (1987): Soziale Lage und ärztliche Sprechstunde, Hamburg<br />

Dierks, M.-L. et al. (2001): Patientensouveränität <strong>–</strong> Der autonome Patient im Mittelpunkt. Arbeitsbericht<br />

(Nr. 195) herausgegeben von der Akademie <strong>für</strong> Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart<br />

3.4 Die Rolle des ÖGD im Hilfesystem<br />

Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland hat<br />

seit nunmehr 7 Jahren Entschließungen zum Thema „Auswirkungen von sozialer Benachteiligung<br />

auf die Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n“ verabschiedet.<br />

Die GMK fordert:<br />

<strong>•</strong> eine lebenslagenorientierte, vernetzte Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe als prioritäre<br />

Perspektive im Gesundheitswesen,<br />

<strong>•</strong> die Erhöhung der Selbstbestimmungsmöglichkeiten und die Steigerung der Kompetenzen<br />

<strong>für</strong> die Stärkung der eigenen Gesundheit.<br />

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GMK-Entschließungen<br />

Qualitätsstandards<br />

Symposium „Soziale<br />

Ungleichheit als<br />

Herausforderung <strong>für</strong><br />

Gesundheitsförderung“<br />

Teil III. Hilfen<br />

Einige zentrale Aspekte der Entschließungen der GMK sind dabei:<br />

<strong>•</strong> der Ausbau der Gesundheitsberichterstattung zum Zusammenhang sozialer Mangellagen<br />

und ihrer gesundheitlichen Folgen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche,<br />

<strong>•</strong> der Abbau von Zugangsbarrieren zu gesundheitlichen Versorgungsangeboten,<br />

<strong>•</strong> die Verbesserung der Handlungskompetenzen durch gesundheitsfördernde Aktivitäten, die<br />

als interdisziplinäre und ressortübergreifende Querschnittsaufgabe angelegt sind.<br />

Auch in Bezug auf den ÖGD werden Handlungsmuster formuliert:<br />

<strong>•</strong> Der ÖGD entwickelt kompensatorisch Angebote, soweit andere Akteure die Zielgruppe<br />

nicht angemessen erreichen.<br />

<strong>•</strong> Der ÖGD übernimmt die Koordinierungs- und Steuerungsfunktion des gesamten Aufgabenfeldes<br />

vor Ort.<br />

<strong>•</strong> Der ÖGD braucht Partner wie z.B. Krankenkassen, Sozialversicherungsträger, <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendärzte, <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen, Sportvereine, den Selbsthilfebereich und Weiterbildungsträger.<br />

Vom Bundesland Hamburg wurden zur Umsetzung dieser Entschließungen Qualitätsstandards<br />

entwickelt. Sie enthalten konkrete Vorschläge zur Verminderung der Auswirkungen von sozialer<br />

Benachteiligung auf die Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n. Angeregt wird dort außerdem ein regelmäßiger<br />

Erfahrungsaustausch des Bundesgesundheitsministeriums und der Länder über erfolgreiche<br />

Maßnahmen und Initiativen zur Verbesserung des Zugangs zu gesundheitsfördernden Angeboten<br />

<strong>für</strong> Benachteiligte.<br />

Entwicklungen in Baden-Württemberg<br />

Vom Symposium „Soziale Ungleichheit als Herausforderung <strong>für</strong> Gesundheitsförderung“, veranstaltet<br />

vom Sozialministerium Baden-Württemberg 1995, gingen landesweite Impulse <strong>für</strong><br />

Gesundheitsförderungsstrategien aus, die auf eine Verbesserung der gesundheitlichen <strong>Chancen</strong><br />

<strong>für</strong> sozial benachteiligte Gruppen hinwirken. Während bisherige Konzepte und Methoden eher<br />

mittelschichtorientiert waren, sollte Gesundheitsförderung zukünftig auf neue Zielgruppen ausgeweitet<br />

werden und methodisch neue Wege einschlagen. Auf überregionaler Ebene wurden<br />

vermehrter Austausch und stärkere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis<br />

gewünscht.<br />

Daraufhin führte das Sozialministerium Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) 1996 eine Bestandsaufnahme von Projekten<br />

und Initiativen zu „Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten“ durch. Es konnten 115<br />

Projekte aus unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern mit den Schwerpunkten <strong>Kinder</strong>, Jugendliche


Teil III. Hilfen<br />

und Migranten erfasst werden. Defizite waren hinsichtlich Projekten mit Sozialhilfeempfänger/innen,<br />

alten Menschen und stadtteilbezogenen Aktivitäten zu erkennen. Die Ergebnisse dieser<br />

Bestandsaufnahme <strong>–</strong> die im LGA erhältlich ist <strong>–</strong> wurden im Rahmen von Gesundheitsförderungs-Fachtagungen<br />

mit Gesundheitsämtern diskutiert und bewertet. Die Fachkräfte <strong>für</strong> Gesundheitsförderung<br />

waren übereinstimmend der Meinung, dass die Verringerung gesundheitlicher<br />

Ungleichheiten ein Rahmenziel <strong>für</strong> künftige Angebote der Gesundheitsförderung in Baden-Württemberg<br />

ist (vgl. Fachliche Empfehlungen zu den Schwerpunktaufgaben des ÖGD, LGA 2000).<br />

Im Jahr 2000 gab eine weitere Befragung genauer Aufschluss darüber, in welchen Bereichen<br />

der Gesundheitsförderung die Gesundheitsämter Handlungsbedarf zur Verbesserung gesundheitlichen<br />

<strong>Chancen</strong> sehen. Die Befragungsergebnisse basieren auf einer Rücklaufquote von<br />

70% (entsprechend 27 Bürgermeister-/Landratsämter <strong>–</strong> Gesundheitsämter):<br />

<strong>•</strong> Die Mehrzahl der Gesundheitsämter hält ein stärkeres Engagement des ÖGD <strong>für</strong> erforderlich.<br />

Vorrangige Zielgruppen bzw. Lebenswelten sind aus Sicht der Befragten: <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche, Familien/ Alleinerziehende, Migranten, Schulen, <strong>Kinder</strong>tagesstätten und<br />

Stadtteile/Gemeinden.<br />

<strong>•</strong> Folgende Aufgaben werden dabei dem ÖGD zugewiesen:<br />

- Gesundheitsberichterstattung/Bedarfsermittlung,<br />

- Informations- und Beratungsangebote,<br />

- Koordination und Vernetzung,<br />

- Initiierung von Maßnahmen und<br />

- Herstellung von Öffentlichkeit <strong>für</strong> das Thema.<br />

Verbesserung der Zugangswege, niedrigschwellige Angebote, Vernetzung der Ämter und<br />

Verbesserung der regionalen Infrastruktur sind aus dem Blickwinkel der Gesundheitsämter<br />

die zentralen Handlungsfelder.<br />

Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen<br />

In Nordrhein-Westfalen verabschiedete die 8. Landesgesundheitskonferenz am 16. Juni 1999 eine<br />

Entschließung: „Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in NRW“.<br />

Ausgangspunkt dieser Entschließung war eine Situationsanalyse in Nordrhein-Westfalen<br />

u.a. zum Ausmaß von sozialer Benachteiligung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen im Bundesland.<br />

In der Entschließung wird u.a. eine bessere Analyse der aktuellen Situation der <strong>Kinder</strong>gesundheit<br />

in Nordrhein-Westfalen, die Entwicklung und Umsetzung prospektiver Studien und Längsschnittuntersuchungen<br />

und der Nachweis der Effizienz von Maßnahmen zur Verbesserung der<br />

<strong>Kinder</strong>gesundheit gefordert.<br />

Die Entschließung gibt Empfehlungen und benennt u.a. folgende notwendigen Schritte:<br />

Stärkung und Entlastung der Familien mit <strong>Kinder</strong>n,<br />

gesundheitspolitische Initiativen in konkreten Handlungsfeldern, die zur<br />

Stärkung der <strong>Kinder</strong>gesundheit beitragen,<br />

67<br />

Bestandsaufnahme zur<br />

„Gesundheitsförderung mit<br />

sozial Benachteiligten“<br />

LGK-Entschließung<br />

„Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche in NRW“


68<br />

LGK-Entschließung „Soziale<br />

Lage und Gesundheit“<br />

ÖGD-Gesetz NRW<br />

Kommunale<br />

Steuerungsgremien<br />

Teil III. Hilfen<br />

Zusammenführung von Gesundheits- und Sozialberichterstattung,<br />

effiziente Durchführung von Maßnahmen der Prävention und Aufklärung<br />

zur Vermeidung und Verringerung der gesundheitlichen Risiken von<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen,<br />

Verstärkung der Gesundheitsförderung in der Schule,<br />

Verstärkung der Elternarbeit sowie der Multiplikatorenschulung von<br />

Lehrern und Erziehern durch die Ärzteschaft, Apothekerschaft, Krankenkassen<br />

und den ÖGD,<br />

Ausbau der Angebote zur Freizeitgestaltung von <strong>Kinder</strong>n und Jugenlichen,<br />

verstärkte Kooperation zwischen Gesundheitswesen, Jugendhilfe und<br />

anderen Politikbereichen als Aufgabe der kommunalen Gesundheitskonferenzen,<br />

Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch verstärkte Anstrengungen im<br />

Bereich der Prävention.<br />

In der 10. Landesgesundheitskonferenz wurde das Thema „Soziale Lage und Gesundheit“ zum<br />

Gegenstand einer umfangreichen Entschließung, die auch der Situation von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

breiten Raum einräumt und zahlreiche Handlungsempfehlungen formuliert. Wenn<br />

hierbei der ÖGD auch nicht explizit im Mittelpunkt steht, so waren viele Bereiche betroffen, die<br />

in der Verantwortung des ÖGD liegen. Die Entschließung kann beim Ministerium <strong>für</strong> Frauen,<br />

Jugend, Familie und Gesundheit NRW (MFJFG) angefordert werden (Tel. 0211/855-5).<br />

§ 14 des ÖGD-Gesetzes von Nordrhein-Westfalen weist auf die vom ÖGD selbst zu erbringenden<br />

sozialkompensatorischen Aufgaben im Bereich soziale Ungleichheit und Gesundheit<br />

hin. Nach § 24 ÖGD-Gesetz NRW sollen zudem die Kommunalen Gesundheitskonferenzen und<br />

ihre Arbeitsgruppen hinsichtlich Beratung und Koordination der gesundheitlichen Versorgung<br />

auf kommunaler Ebene tätig werden.<br />

Sozialkompensatorische Aktivitäten zur <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit<br />

<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche im Handlungsfeld Kommune<br />

Der Ort, an dem die Mehrzahl gesundheitlicher Aktivitäten <strong>für</strong> sozial Benachteiligte stattfindet,<br />

ist die Kommune. Eben der Ort, an dem sich die Betroffenen befinden. Hier in der Stadt, dem<br />

Stadtteil oder der Gemeinde ist es eine Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in seiner<br />

Funktion als Initiator, Vernetzer und Koordinator an der Zielvereinbarung „Gesundheit <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

mitzuarbeiten. Mit den Regionalen Arbeitsgemeinschaften Gesundheit (RAG) bzw. den kommunalen<br />

Gesundheitskonferenzen steht in den Kommunen ein Instrument zur Verfügung, das weitestgehend<br />

die Versorgungsstruktur der Kommune im Bereich Gesundheit repräsentiert. Gesundheitskonferenzen<br />

und RAGs bieten geradezu ideale Voraussetzungen da<strong>für</strong>, gesundheitliche<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n, Jugendlichen und deren Eltern als bereichsübergreifendes<br />

Thema durch eine Vielzahl verhaltens- und verhältnisorientierter Maßnahmen<br />

aufzugreifen. Durch seine besondere Rolle in diesen Gremien besitzt der ÖGD hier eine wichtige<br />

Steuerungsfunktion.


Teil III. Hilfen<br />

Überträgt man die allgemeinen Anforderungen an die Gesundheitsförderung von sozial benachteiligten<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen auf das Handlungsfeld Kommune, dann lassen sich daraus<br />

zahlreiche Aufgaben <strong>für</strong> den ÖGD, die RAG oder die kommunalen Gesundheitskonferenzen<br />

ableiten. Die anliegende Liste verbindet kleine und große Schritte und erhebt natürlich keinen<br />

Anspruch auf Vollständigkeit:<br />

Aufgaben im Bereich <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche in der Kommune<br />

eine kleinräumliche Analyse der gesundheitlichen und sozialen Situation<br />

vor Ort erstellen, die ...<br />

... auf den Entscheidungsspielraum und die Handlungsmöglichkeiten von<br />

Ausschüssen, Beiräten und anderen relevanten Gremien zugeschnitten<br />

ist und erkennbare Dispositionen berücksichtigt,<br />

... der (Fach- und allgemeinen) Öffentlichkeit zugänglich ist,<br />

... Gesundheits-, Sozial- und Jugendberichterstattung verbindet,<br />

... auf die relevante Handlungsebene heruntergebrochen ist (z.B. Stadtteil,<br />

Wohnviertel oder Gemeinde),<br />

... handlungsorientiert, auf das Machbare konzentriert und gut lesbar ist.<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen als<br />

Schwerpunktthema plausibel machen und mit einer kommunalen, lokal<br />

spezifischen Programmatik füllen,<br />

Fachkräfte, Institutionen, potentielle Kooperationspartner und die<br />

Öffentlichkeit <strong>für</strong> das Thema soziale Benachteiligung bei <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen sensibilisieren und ein Problembewusstsein schaffen,<br />

Partnerschaften <strong>für</strong> Gesundheit innerhalb der Verwaltung, mit verschiedenen<br />

Akteuren des Gesundheitswesens und darüber hinaus festigen und ausbauen,<br />

die gesundheitliche Grundversorgung <strong>für</strong> Randgruppen der Gesellschaft (wie<br />

Obdachlose, Straßenkinder, Prostituierte etc.) sicherstellen,<br />

Projekte entwickeln und durchführen, die...<br />

... sich an der Lebenslage der Betroffenen orientieren,<br />

... bedarfsgerecht sind,<br />

... niedrigschwellig sind,<br />

... komplex sind: Verhalten, Verhältnisse, Gesundheitsförderung und -versorgung<br />

berücksichtigen,<br />

... vorhandene gesundheitlichen Ressourcen der Bevölkerung vor Ort stärken,<br />

... Betroffene in Entscheidungen und Aktivitäten mit einbeziehen<br />

(Empowerment und Selbstmanagement),<br />

69


70<br />

Brückenfunktion des ÖGD<br />

Teil III. Hilfen<br />

... die Gesundheitsgefährdungen der Eltern verringern, um den Gesundheitszustand<br />

der <strong>Kinder</strong> zu verbessern,<br />

konkrete Anstöße geben, Ansatzpunkte <strong>für</strong> Projekte aufzeigen und Kooperationspartner<br />

projektbezogen zusammenbringen,<br />

kommunale Infrastrukturen einrichten bzw. <strong>für</strong> die Nutzung durch sozial Benachteiligte<br />

optimieren (wie z.B. stadtteilbezogene Betreuungs-, Bildungs- und<br />

Freizeitangebote),<br />

Sorge tragen, dass Projekte langfristig finanziell gesichert sind, um eine Kon<br />

tinuität von Inhalten und Betreuungspersonen zu gewährleisten, bzw. Projekte<br />

so zu initiieren und begleiten, dass sie zum „Selbstläufer“ werden,<br />

die Zugangsmöglichkeiten zur Wahrnehmung gesundheitsbezogener Interessen<br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong> Bürger erweitern und eine stärkere Integration von Gesundheitsdiensten<br />

in <strong>Kinder</strong>tagesstätten und Schulen in entsprechenden Stadtteilen ermöglichen<br />

(z.B. ärztliche Sprechstunde im <strong>Kinder</strong>garten),<br />

die Fachkompetenz der Beteiligten durch Information und Beratung erweitern,<br />

z.B. in Form von Multiplikatorenschulungen zu Themen wie Zugangsbarrieren,<br />

zielgruppenbezogenen Strategien, Methoden und Maßnahmen,<br />

Gesundheitsförderung in der Kommune als handlungsleitendes Prinzip im Sinne<br />

einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik verankern.<br />

Diese lange und anspruchsvolle Liste erfordert ein Zusammenwirken vieler Akteure <strong>–</strong> idealerweise<br />

auf der Grundlage von Gesundheitskonferenz oder RAG <strong>–</strong> und einen langen Atem. Der<br />

ÖGD findet sich dabei in einer Schlüsselposition. Wie keine andere Einrichtung nimmt er eine<br />

Brückenfunktion zwischen handelnder Basis und politisch-administrativer Entscheidungsebene<br />

wahr. Das Instrument der Gesundheitsberichterstattung, seine Rolle im Bereich der kommunalen<br />

Koordination und Bündelung der Kräfte prädestinieren ihn <strong>für</strong> Bestandsaufnahmen, Überblicksdarstellungen,<br />

Prioritätenfindung und Entscheidungsvorbereitung. Der ÖGD transportiert<br />

<strong>–</strong> mit Hilfe von Gesundheitskonferenz und RAG <strong>–</strong> das Thema Armut und Gesundheit auf die politische<br />

Ebene; er verbindet Betroffene, handelnde Basis und übergreifende politische Entscheidungsfindung<br />

und kann dazu beitragen, das kommunalpolitische Klima im Sinne einer<br />

stärkeren Öffnung <strong>für</strong> das Thema gesundheitliche Benachteiligung zu prägen und den Gedanken<br />

einer gemeinschaftlichen Verantwortung <strong>für</strong> gesundheitlich Benachteiligte zu forcieren.<br />

Entscheidend ist dabei, dass er in geeigneter Weise die Initiative ergreift. Gefragt sind die<br />

Hinwendung zum Bürger und die offensive „Vermarktung“ des Themas <strong>–</strong> auch und gerade in<br />

der Konkurrenzdiskussion mit anderen Politikfeldern.


Zum Vertiefen:<br />

Teil III. Hilfen<br />

Entschließung der 8. Landesgesundheitskonferenz NRW vom 16. Juni 1999: Gesundheit <strong>für</strong><br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen.<br />

Entschließung der 10. Landesgesundheitskonferenz NRW vom 31. August 2001: Soziale Lage<br />

und Gesundheit.<br />

Ergebnisprotokoll der 73. Gesundheitsministerkonferenz am 28./29. Juni 2000 in Schwerin.<br />

TOP 15: Prävention <strong>–</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, Bericht der Arbeitsgruppe <strong>–</strong> Antrag Hamburg<br />

Franke, M.; Geene, R.; Luber, E. (Hrsg.) (1999): Armut und Gesundheit. Berlin<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (24.11.2000): Fachliche Empfehlungen zu<br />

Schwerpunktaufgaben des ÖGD. Stuttgart<br />

71


72<br />

Teil III. Notizen


Hardcore Job?<br />

www.offroadkids.de<br />

73


74<br />

Vier Planungsphasen<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

4. Die lokale Praxis oder „Wie gehen Sie vor?“<br />

4.1 Sie machen eine Bestandsaufnahme<br />

4.2 Sie finden Prioritäten und planen Maßnahmen<br />

4.3 Sie bringen Ihr Projekt in die Diskussion<br />

Von der Idee zur Umsetzung <strong>–</strong> einige Prämissen zum Thema Projektplanung<br />

mit sozial Benachteiligten<br />

Vielleicht ist dies Ihr erstes Projekt zum Thema „Soziale Benachteiligung und Gesundheit“.<br />

Selbsterfüllende Prophezeiungen oder die permanente Ahnung vieler Beteiligter begleiten Ihr<br />

Projekt mit gewissen Zweifeln, weil man ja schon weiß, dass die Zielgruppe schwierig ist. Ihre<br />

Vorgesetzten möchten vielleicht ständig auf dem Laufenden gehalten werden, denn das Thema<br />

Armut ist kein besonders attraktives Unterfangen <strong>für</strong> das Image einer Behörde. Nicht zuletzt<br />

übernehmen Sie später vielleicht eine Vorbildfunktion <strong>für</strong> benachbarte Regionen oder Einrichtungen,<br />

und da sollten Sie etwas vorweisen können, was nachahmenswert und machbar ist.<br />

Also gelten die Erfolgskriterien guter Projekte <strong>für</strong> Sie in besonderem Maße: klare Struktur,<br />

gute Planung und Organisation, sensible Umsetzung, verständliche Dokumentation. Wir haben<br />

die praktischen Abläufe <strong>für</strong> Sie in 4 Phasen zusammengefasst: Vorbereitungsphase, Planungsphase,<br />

Durchführungsphase und Evaluationsphase. Sie mögen in Ihrer konkreten Praxis zu anderen<br />

Begrifflichkeiten oder Detailschritten kommen <strong>–</strong> Transparenz über die vorgesehenen Abläufe<br />

und Schrittigkeiten, Rollen, Verantwortlichkeiten, Ziel- und Terminvereinbarungen sind<br />

letztlich <strong>für</strong> eine erfolgreiche Projektplanung unverzichtbar. Das Phasenraster kann dabei hilfreich<br />

sein.<br />

Vorbereitungsphase<br />

Sie haben eine Idee, hören von einem Problem, bekommen einen<br />

Auftrag.<br />

Sie stellen sich die ersten Fragen zur Orientierung<br />

Sie sammeln Daten, Fakten und Informationen.<br />

Sie bringen Ihr Thema in die RAG oder kommunale Gesundheitskonferenz.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Sie analysieren die erhaltenen Daten nach Defiziten, Schwachstellen<br />

und Überangeboten.<br />

Sie befragen Experten und Betroffene nach dem Bedarf.<br />

Sie leiten den konkreten Bedarf aus den vorhandenen Informationen<br />

ab.<br />

Projektideen kommen auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen zustande. Manchmal ist ein<br />

Hinweis aus der Bevölkerung, von Kollegen, Betroffenen oder aus der Presse der Auslöser, dass<br />

wir einem Thema nachgehen. Es kann aber auch ein explizit formulierter Auftrag, ein Auszug<br />

aus einem Gesundheitsbericht oder ein Vorschlag ihrer eigenen oder einer anderen Institution<br />

sein:<br />

<strong>•</strong> Erzieherinnen erzählen von immer mehr <strong>Kinder</strong>n, die Sprachstörungen haben.<br />

<strong>•</strong> Die Anzahl <strong>alle</strong>inerziehender Mütter mit kleinen <strong>Kinder</strong>n in der Sozialhilfe nimmt ständig<br />

zu, die Anzahl unterhaltszahlender Väter dagegen ab.<br />

<strong>•</strong> In der Grundschule fällt den Lehrern auf, dass viele <strong>Kinder</strong> beim Sport nicht richtig mitmachen<br />

können, weil sie Koordinationsschwierigkeiten haben.<br />

<strong>•</strong> Sie lesen in der Tageszeitung, dass sich die Stadtrandbewohner schon wieder über alkoholisierte<br />

Jugendliche beschweren.<br />

<strong>•</strong> Der Zahnarzt Ihres Vertrauens berichtet Ihnen während der Behandlung von den vielen <strong>Kinder</strong>n<br />

aus dem Stadtviertel Großburgfeld-Nord, bei denen die Mundhygiene sehr zu wünschen<br />

übrig lässt.<br />

<strong>•</strong> Die Schulsozialarbeiterin aus der Hauptschule bittet Sie als Gesundheitsförderer des ÖGD<br />

gezielt um eine Aktion zum Thema: „Schutz vor Hepatitis“, weil bereits zwei Schülerinnen<br />

davon betroffen sind.<br />

<strong>•</strong> Die Schuleingangsuntersuchung in diesem Jahr zeigte deutliche Entwicklungsverzögerungen<br />

bei den <strong>Kinder</strong>n aus dem Stadtviertel mit einem hohen Anteil an Aussiedlern. Ihr Chef<br />

meint, das dürfte nicht so bleiben: „Tun Sie was!“<br />

<strong>•</strong> Die Krankenkasse entschließt sich zur finanziellen Unterstützung eines Projekts im Bereich<br />

„Gesundheit am Arbeitsplatz“ <strong>für</strong> Berufsstarter aus dem sozialen Brennpunkt.<br />

Bevor Sie mit der Planung eines Projekts beginnen, stellen Sie sich die ersten Fragen zur Orientierung:<br />

<strong>•</strong> Wie viele Menschen betrifft das Problem?<br />

<strong>•</strong> Wie gestaltet sich das Problem genauer? Wodurch wird es sichtbar?<br />

<strong>•</strong> Was sind Ursachen und Konsequenzen des Problems? Warum ist das Problem entstanden?<br />

<strong>•</strong> Wie könnte man das Problem bewältigen oder lindern? Liegen die Handlungsoptionen im<br />

Rahmen kommunaler Zuständigkeiten und Möglichkeiten?<br />

<strong>•</strong> Was wurde bisher zur Lösung des Problems unternommen? Von wem?<br />

<strong>•</strong> Warum waren die bisherigen Lösungsversuche nicht erfolgreich?<br />

<strong>•</strong> Wo befinden sich die Menschen, die dieses Problem haben? Lässt sich ein sinnvoller Handlungsraum<br />

abgrenzen?<br />

75<br />

Beispiele <strong>für</strong> Projektanlässe


76<br />

Vorbereitende Fragen zur<br />

Orientierung<br />

Daten <strong>für</strong> ein schwieriges<br />

Thema<br />

Fragen rund um die<br />

Datenakquise<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

<strong>•</strong> Erachten die betroffenen Menschen das Problem auch als Problem? Gibt es Äußerungen von<br />

Betroffenen zum Handlungsbedarf?<br />

<strong>•</strong> Wie kann ich meinem Vorgesetzen, eventuellen Kooperationspartnern und anderen belegen,<br />

dass es sich hier um ein Problem handelt, das aktuell, prioritär und gleichzeitig handhabbar<br />

ist?<br />

<strong>•</strong> Wer kennt das Problem noch? Wer bietet sich als Kooperationspartner an?<br />

<strong>•</strong> Gibt es eine gesetzliche, administrative oder anders formalisierte Handlungsgrundlage?<br />

4.1 Sie machen eine Bestandsaufnahme<br />

Wie analysieren Sie die Situation?<br />

Um herauszufinden, welche Hilfe <strong>für</strong> sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong> und Jugendliche nötig ist,<br />

müssen das Ausmaß der Problematik, die Bedeutung des Themas im kommunalen Kontext sowie<br />

Bestand und Bedarf an Hilfsangeboten erhoben werden. Kurz: Sie brauchen eine Analyse<br />

der Situation nebst einer Dokumentation bereits vorhandener Einrichtungen, Akteure und Maßnahmen,<br />

bevor Sie sich dem Thema widmen und die konkrete Planung angehen können.<br />

Projekte zur Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten benötigen immer noch <strong>–</strong> trotz<br />

vieler Entschließungen und diverser gesetzlicher Regelungen <strong>–</strong> eine besondere Legitimation.<br />

Das unterscheidet diese Aktionen etwa von den bekannten mittelschichtorientierten Präventionskampagnen.<br />

Soziale Benachteiligung ist als politisches Thema nicht immer erwünscht und<br />

das Aufdecken von Problemen in diesem Bereich leider auch nicht. Umso wichtiger ist es, den<br />

kommunalspezifischen Bedarf anhand von Daten und Fakten konkret zu benennen. Auch die<br />

Diskussion in der Regionalen Arbeitsgemeinschaft bzw. kommunalen Gesundheitskonferenz<br />

wird dadurch erleichtert.<br />

Eine gute Analyse der vorhandenen Angebote schützt Sie zudem davor, das Rad mehrfach<br />

zu erfinden, und führt Sie oft bereits am Anfang Ihrer Arbeit zu geeigneten Kooperationspartnern<br />

und Multiplikatoren.<br />

Grundsätzlich stehen eine Reihe von Datenquellen und Methoden <strong>für</strong> die Bestandsaufnahme<br />

und die Ableitung des Bedarfs zur Verfügung. Die konventionellen Methoden der sozialwissenschaftlichen<br />

Forschung wie umfassende schriftliche Befragungen oder der Einsatz<br />

psychologischer Testverfahren sind bei der besonderen Zielgruppe nur bedingt einsetzbar. Bei<br />

der Erhebung etwa von Bedürfnissen ist deshalb Kreativität gefragt.<br />

Am Anfang einer Bestandsaufnahme stehen folgende Fragen:<br />

Zum welchem Aspekt des Themas brauchen Sie Informationen?<br />

Welche Daten existieren und könnten <strong>für</strong> Sie hilfreich sein?<br />

Wo finden Sie „harte“ Daten?<br />

Wer kann Ihnen bei der Datensuche helfen?<br />

Welche Daten müssen erst erhoben werden?<br />

Wer kann bei der Interpretation der Daten helfen?<br />

Wie erheben Sie die existierenden Maßnahmen?<br />

Wer kann Ihnen weitere Informationen liefern?


Wie kommen Sie an Daten und Fakten?<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

„Harte“ Daten und Fakten zur gesundheitlichen Situation von armen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

sind rar. Zwar interessiert sich die Wissenschaft zunehmend <strong>für</strong> dieses Thema, aber dennoch<br />

existiert noch immer keine repräsentative Studie dazu. Die kommunale Gesundheitsberichterstattung<br />

entdeckt ganz zaghaft, dass soziale Benachteiligung auch ein Gesundheitsthema ist. Die<br />

Jugendhilfeplanung berücksichtigt durchaus die Angehörigen unterer sozialer Schichten in ihren<br />

Darstellungen, aber Gesundheit <strong>–</strong> einmal abgesehen von Suchterkrankungen <strong>–</strong> wird dort<br />

nicht schwerpunktmäßig thematisiert. Umgekehrt ist Gesundheit auch noch selten Thema in Armuts-<br />

und Sozialberichten. Einen Datenband mit kombinierten Gesundheits- und Sozialindikatoren<br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong> Altersgruppen mit sozialer Benachteiligung werden Sie also nur schwer finden, in<br />

kleineren Regionen so gut wie überhaupt nicht.<br />

Aber es gibt Daten, nicht immer sehr differenziert und nicht immer zu Ihrem Thema, aber<br />

in jedem Fall einen Blick wert. Eine gute Grundlage <strong>für</strong> eine erste Bestandsaufnahme bietet etwa<br />

die Einschulungsuntersuchung, insofern sie kleinräumlich mit sozialen Faktoren in Verbindung<br />

gebracht werden kann. In einigen größeren Städten, wie z.B. in Köln, Düsseldorf, Stuttgart<br />

oder Mannheim, wird das bereits so praktiziert.<br />

Eine häufig genutzte Datenquelle in der Armutsforschung ist die Statistik des Sozialamts. Im<br />

Bereich „Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen“ <strong>alle</strong>rdings ist sie nur wenig aussagekräftig,<br />

weil das kein vorrangiges Thema <strong>für</strong> das Sozialamt ist. Für eine grobe Orientierung über die<br />

Sozialhilfedichte und die Identifikation von Wohngebieten mit einem hohen Anteil sozial Benachteiligter<br />

und deren Altersstruktur und Familienstand kann man aber durchaus auf die Daten<br />

des Sozialamts zurückgreifen. Für die Erhebung von Kausalzusammenhängen (Ursachen und<br />

Folgen von Armut) ist diese Statistik <strong>alle</strong>rdings weniger geeignet. Ob das Sozialamt Ihnen Spezialauswertungen<br />

macht, ist meist Verhandlungssache.<br />

Daten, Fakten und Hintergrundinformationen <strong>–</strong> einige Beispiele:<br />

Wonach suchen Sie? Woher bekommen Sie das?<br />

Überregionale Daten und<br />

Informationen zu Armut und<br />

sozialer Benachteiligung<br />

in Deutschland<br />

<strong>•</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Statistik<br />

<strong>•</strong> Landesämter <strong>für</strong> Statistik<br />

<strong>•</strong> Landesjugendämter<br />

<strong>•</strong> Mikrozensus<br />

<strong>•</strong> Sozioökonomisches Panel<br />

<strong>•</strong> Deutsches Jugendinstitut, München<br />

(z.B. Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe)<br />

Armuts- und Sozialberichte:<br />

<strong>•</strong> Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und<br />

Reichtumsbericht der Bundesregierung (vorgelegt im<br />

April 2001)<br />

<strong>•</strong> Armutsberichte der Wohlfahrtsverbände: DPWV,<br />

Caritas, AWO<br />

<strong>•</strong> Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB<br />

und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands: Armut<br />

Wenig „harte“ Daten<br />

77<br />

Schuleingangsuntersuchung<br />

Statistik des Sozialamts


78<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Überregionale Daten und<br />

Informationen zur<br />

gesundheitlichen Lage<br />

Überregionale Daten und<br />

Informationen zu sozialer<br />

Benachteiligung und<br />

Gesundheit<br />

und Ungleichheit in Deutschland (erschienen im<br />

November 2000)<br />

<strong>•</strong> Sozialbericht 2000 der Arbeiterwohlfahrt (AWO):<br />

„Gute Kindheit <strong>–</strong> Schlechte Kindheit. Armut und<br />

Zukunftschancen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

in Deutschland“ (vorgelegt im Oktober 2000)<br />

<strong>•</strong> Datenreport des Deutschen <strong>Kinder</strong>schutzbundes<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert-<br />

Koch-Institut, Berlin)<br />

<strong>•</strong> Daten zur gesundheitlichen Versorgung und Gesundheitsbericht<br />

<strong>für</strong> Deutschland (Bundesamt <strong>für</strong> Statistik),<br />

Metzler-Poeschel-Verlag, Stuttgart 1998<br />

<strong>•</strong> Kassenärztliche Bundesvereinigung und Spitzenverbände<br />

der Krankenkassen<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsindikatoren <strong>für</strong> NRW (lögd)<br />

<strong>•</strong> Settertobulte, W. (2002): Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen in NRW. Sonderbericht im Rahmen<br />

der Gesundheitsberichterstattung NRW im<br />

Auftrag des Ministeriums <strong>für</strong> Frauen, Jugend,<br />

Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

<strong>•</strong> Bericht: <strong>Kinder</strong>gesundheit in Baden-Württemberg<br />

(Sozialministerium Baden-Württemberg, 2000)<br />

<strong>•</strong> Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung<br />

(BZgA) (1998): Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n <strong>–</strong> Epidemiologische<br />

Grundlagen. Dokumentation einer<br />

Expertentagung der BZgA. Reihe Forschung und<br />

Praxis der Gesundheitsförderung, <strong>Band</strong> 3. Köln<br />

<strong>•</strong> BZgA-Bericht (2001): „Tackling Inequalities in<br />

Health“ <strong>–</strong> ein Projekt des Europäischen Netzwerkes<br />

„European Network of Health Promotion Agencies“<br />

(ENHPA) zur Gesundheitsförderung bei sozial<br />

Benachteiligten.<br />

<strong>•</strong> Hitzler, R. (1999): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche an der<br />

Schwelle zum 21. Jahrhundert: Jugendszenen in<br />

Nordrhein-Westfalen. Strukturen und Veränderungen.<br />

Expertise zum 7. <strong>Kinder</strong>- und Jugendbericht<br />

der Landesregierung NRW. (hrsgg. vom<br />

Ministerium <strong>für</strong> Frauen, Jugend, Familie und<br />

Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />

Düsseldorf)


Regionale Daten zu Armut,<br />

sozialer Benachteiligung und<br />

Gesundheit<br />

Regionale Musterberichte zum<br />

Thema Armut und soziale<br />

Benachteiligung<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Informationen und Daten über <strong>•</strong> Armut in Nordrhein-Westfalen: Umfang und<br />

Armut in Nordrhein-Westfalen Struktur des Armutspotentials, Zentrum <strong>für</strong> interdisziplinäre<br />

Ruhrgebietsforschung (ZEFIR), Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

<strong>•</strong> Daten der Einschulungsuntersuchung (Gesundheitsamt,<br />

LGA, lögd)<br />

<strong>•</strong> Kommunale Gesundheitsberichterstattung<br />

<strong>•</strong> Sozialhilfestatistik (Sozialamt)<br />

<strong>•</strong> Arbeitslosenstatistik (Arbeitsamt)<br />

<strong>•</strong> Jugendhilfeplan (Jugendamt)<br />

<strong>•</strong> Daten des Amtes <strong>für</strong> Ausländerwesen<br />

<strong>•</strong> Sozialdatenatlas <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

(z.B. Landeshauptstadt Stuttgart)<br />

<strong>•</strong> Armuts- und Sozialberichte z.B. aus Bremen,<br />

Düsseldorf, Essen, Gießen, Hamburg, München,<br />

Neu-Ulm oder Stuttgart wie z.B.:<br />

Stadt Essen, Amt <strong>für</strong> Entwicklungsplanung, Statistik,<br />

Stadtforschung und Wahlen: Soziale Ungleichheit im<br />

Stadtgebiet. Kleinräumige Entwicklungen im Zeitraum<br />

31.12.1991 bis 31.12.1994. Kurzfassung.<br />

Beiträge zur Stadtforschung 17/II, Essen 1996,<br />

1. Auflage<br />

Landeshauptstadt Stuttgart (2000):<br />

Armut in Stuttgart <strong>–</strong> Quantitative und qualitative<br />

Analysen, Sozialbericht 1.<br />

Informationen und Daten über <strong>•</strong> Familienwissenschaftliche Forschungsstelle im<br />

Armut von Familien und Allein- Statistischen Landesamt Baden-Württemberg,<br />

erziehenden<br />

Stuttgart<br />

Die gewonnenen Daten, Fakten und Informationen sollten Sie in einem Bericht zusammenfassen<br />

und so aufbereiten, dass Sie nun einen Handlungsbedarf ableiten können.<br />

Sie kennen jetzt z.B.<br />

<strong>•</strong> den Anteil der <strong>Kinder</strong> im Stadtteil Großburgfeld-Ost, die mit Sozialhilfe aufwachsen<br />

(Sozialhilfestatistik),<br />

<strong>•</strong> den Anteil der <strong>Kinder</strong> im Stadtteil Großburgfeld-Graustadt mit Koordinationsschwierigkeiten<br />

und anderen grob- und feinmotorischen Störungen, die mit Sozialhilfe aufwachsen<br />

(kombinierte Schuleingangsuntersuchung mit soziodemographischen Daten),<br />

<strong>•</strong> das Angebot der Schule und des Sportvereins speziell zur Förderung dieser <strong>Kinder</strong> (Befragung<br />

der Lehrer, Veranstaltungskalender)<br />

und können jetzt den Bedarf einkreisen, Prioritäten vorschlagen und Lösungsvorschläge<br />

formulieren.<br />

Handlungsbedarf<br />

formulieren<br />

79


80<br />

Befragungen<br />

Sie interviewen Experten<br />

Sie führen eine schriftliche<br />

Experten-Befragung durch<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Wie erhalten Sie qualitative Informationen?<br />

Harte Daten und Fakten untermauern die Bedeutung des Themas besonders nachdrücklich, stützen<br />

die Legitimation und grenzen die Handlungsfelder räumlich und inhaltlich ein. Entscheidungsträger<br />

stützen sich gern auf solche harten Daten, und manch ideologisch ausgerichteter<br />

Gesundheitsberichterstatter sieht in ihnen die einzig legitimen Handlungsgrundlagen.<br />

Aber nicht zu jeder Fragestellung gibt es harte Daten. Zahlen und Statistiken geben zudem<br />

nur äußerst grob und selektiv über das Leben und die Bedürfnisse der Betroffenen und die strukturellen<br />

Probleme vor Ort Auskunft. Statistiken sagen auch wenig über Angebot und Engagement<br />

diverser Hilfsanbieter in der Region aus. Es liegt auf der Hand, dazu die Akteure und Betroffenen<br />

direkt zu befragen. Beginnen Sie in Ihrer unmittelbaren Nähe, und suchen Sie nach Informationen<br />

in der eigenen Einrichtung (<strong>Kinder</strong>- und Jugendärzte, Zahnärzte, Prophylaxehelferinnen,<br />

Gesundheitsberichterstattung usw.). Je nach Zeit, Informationsbedarf und eigenen<br />

Möglichkeiten dehnen Sie dann Ihr Befragungsspektrum weiter aus.<br />

Fangen Sie mit den Experten an. Experten sind Menschen, die sich bereits mit dem Thema<br />

oder der Zielgruppe auseinandergesetzt haben bzw. damit arbeiten. Experten sitzen vorzugsweise<br />

direkt vor Ort, ganz nahe an der Zielgruppe. Der Weg zum Experten führt über die Fragen:<br />

Wo befindet sich meine Zielgruppe? Welche Hilfen brauchen die Betroffenen? Wo holen<br />

sie sich die?<br />

Treffen Sie sich z.B. mit dem Leiter des Jugendamts oder des Sozialamts, besuchen Sie die<br />

Sozialarbeiter von Beratungsstellen, gehen Sie in die <strong>Kinder</strong>gärten und sprechen Sie mit den Erzieher(inne)n.<br />

Ggf. bieten sich da<strong>für</strong> Gruppengespräche an. Laden Sie ein zum runden Tisch<br />

oder nutzen Sie eine Arbeitsgruppe der Regionalen Arbeitsgemeinschaft bzw. der kommunalen<br />

Gesundheitskonferenz zum Brainstorming über <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit. Dann können<br />

Sie auch gleich die verschiedenen Interessenlagen abklären. Vergessen Sie aber nicht, vor<br />

den Gesprächskreisen einen kleinen Leitfaden mit den wichtigsten Fragen zu erstellen, die Sie<br />

dort gerne beantwortet haben möchten.<br />

Wenn Sie die Meinung von vielen potentiellen Akteuren zum Thema einholen wollen oder<br />

einen Überblick über bestehende Versorgungsstrukturen brauchen, dann bietet sich eine schriftliche<br />

Befragung an. Die spart Ihnen die Zeit, die Sie ansonsten auf Gespräche verwenden müssen.<br />

Erstellen Sie einen kurzen Fragebogen und einen breit gestreuten Verteiler. Anregungen da<strong>für</strong><br />

hat z.B. das LGA. Sie könnten sich auch an Fachhochschulen, Berufsakademien oder Universitäten<br />

wenden, mit der Bitte um wissenschaftliche Betreuung Ihres Vorhabens. Das lögd<br />

unterstützt schriftliche Befragungen <strong>für</strong> den ÖGD in NRW technisch und organisatorisch.<br />

Schriftliche Befragungen sind bei der Zielgruppe der sozial Benachteiligten in der Regel<br />

nicht von Erfolg gekrönt. Da ist es besser, Sie interviewen die Betroffenen im persönlichen Gespräch<br />

vor Ort.<br />

Menschen sind laut einem Grundsatz der Ottawa-Charta dann am gesündesten, wenn sie ihre<br />

Lebensbedingungen selbst bestimmen können. Arme Menschen befinden sich häufiger in der<br />

Rolle des hilflosen Objekts als des tätigen Subjekts. Sie werden selten in Entscheidungen miteinbezogen<br />

und haben <strong>–</strong> so ist ihre Wahrnehmung <strong>–</strong> viele Pflichten und kaum Rechte. Auch in<br />

der Gesundheitsförderung ist es gängige Praxis, Projekte am runden Tisch zu planen ohne die<br />

Meinung von Betroffenen einzuholen.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Wünsche, Bedürfnisse, Werte und Einstellungen von sozial benachteiligten Menschen sind anders<br />

als bei bessergestellten Personen. Was liegt näher, als die Betroffenen <strong>–</strong> die eigentlichen<br />

Experten vor Ort <strong>–</strong> direkt danach zu fragen? Ein praktisches Beispiel:<br />

Betroffene kommen zu Wort: Situationsanalyse im Stadtviertel<br />

Die Münchner Aktionswerkstatt G`sundheit (MAG`s) ist eine unabhängige<br />

Einrichtung mit dem Auftrag zur kommunalen Gesundheitsförderung in<br />

München. Probleme vor Ort zu erkennen, transparent zu machen und anzugehen<br />

ist ihr Ziel. Bevor die Münchner Aktionswerkstatt G`sundheit mit<br />

Projekten zur Gesundheitsförderung begann, befragte sie die Bewohner(innen)<br />

im Stadtteil Westend danach, wie gesund und wohl sie sich in Ihrem<br />

Stadtviertel fühlen und welchen Anteil daran die Lebensbedingungen im<br />

Stadtteil haben. Die Bürger durften Vorschläge <strong>für</strong> Verbesserungen im Viertel<br />

machen und ihre Bereitschaft signalisieren zur persönlichen Mitarbeit<br />

bei den Aktionen. Sämtliche Aktionen im Münchner Stadtteil Westend werden<br />

nun von und mit den Anwohnern geplant und durchgeführt.<br />

Ansprechpartnerin: Christl Riemer-Metzger, Münchner Aktionswerkstatt<br />

G`sundheit, Bayerstraße 77a, 80335 München, Tel. 089/53 29 56 56<br />

Viele Kommunen haben mittlerweile Erfahrungen mit der Befragung von Bewohnern sozialer<br />

Brennpunkte gemacht. So auch das Stadtteilbüro Eidelstedt-Nord, Bezirksamt Eimsbüttel, Hörgensweg<br />

59 b, 22523 Hamburg. Soziale Stadtteilentwicklung in Eidelsstedt-Nord, die Erstellung<br />

einer „Visitenkarte“ des Stadtteils war hier das Thema.<br />

Hearing <strong>für</strong> <strong>alle</strong>inerziehende Sozialhilfempfänger im Landratsamt Neu-Ulm<br />

Als eine Konsequenz aus dem Sozialbericht 1999 <strong>für</strong> den Landkreis Neu-<br />

Ulm wurde im Sozialamt eine Sondersachbearbeitung <strong>für</strong> <strong>alle</strong>inerziehende<br />

Sozialhilfeempfänger eingerichtet. Diese Modellberatungsstelle hatte zum<br />

Ziel, bedarfsorientiert zu informieren und die Hilfeempfänger an die richtigen<br />

Kooperationspartner weiterzuvermitteln. Dazu war es nötig, Bedarf<br />

und Bedürfnisse der Betroffenen kennenzulernen.<br />

Der Landrat selbst lud deshalb im Juli 2000 <strong>alle</strong> <strong>alle</strong>inerziehenden Sozialhilfeempfänger<br />

ins Landratsamt zu einem Hearing (mit <strong>Kinder</strong>betreuung<br />

durch das Jugendamt) ein, bei dem die Frauen ihre Wünsche und auch Beschwerden<br />

äußern konnten. Die anwesenden Experten aus verschiedenen<br />

Abteilungen des Landratsamts und diversen sozialen Einrichtungen standen<br />

in der Pause Rede und Antwort. Viele Fragen konnten so unmittelbar<br />

geklärt werden.<br />

Nicht zuletzt trugen sowohl die Tatsache, dass der Landrat sich persönlich<br />

<strong>für</strong> die Situation der Betroffenen interessierte, als auch die lockere Atmosphäre<br />

(bei Kaffee und Tee) dazu bei, Image des Sozialamts und Selbst-<br />

81<br />

Sie fragen Betroffene vor Ort<br />

Sie befragen Betroffene und<br />

Experten gemeinsam <strong>–</strong><br />

ein Beispiel


82<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

wertgefühl der Frauen zu stärken. Ansprechpartner: Günther Hock, Sozialamt<br />

Neu-Ulm, Kantstraße 8, 89231 Neu-Ulm, Tel. 0731/7040-260<br />

Wen Sie noch befragen könnten:<br />

<strong>•</strong> Schüler und Lehrer in der Schule,<br />

<strong>•</strong> Jugendliche im Jugendtreff oder im Fast-Food-Restaurant,<br />

<strong>•</strong> wartende Mütter vor dem <strong>Kinder</strong>garten,<br />

<strong>•</strong> <strong>Kinder</strong>ärzte und Hebammen im sozialen Brennpunkt,<br />

<strong>•</strong> Stadtteilbewohner beim Straßenfest,<br />

<strong>•</strong> Sozialhilfeempfänger im Wartesaal vom Sozialamt.<br />

Wo gibt es lesenswerte Projektberichte und -zusammenstellungen?<br />

Die Suche nach bereits vorhandenen Angeboten, Einrichtungen und Projekten ist einfacher,<br />

wenn man schon einmal einen groben Überblick hat, wer sich denn generell auf dem Feld der<br />

Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten engagiert. Falls es in Ihrem Ort keinen sogenannten<br />

„Sozialatlas“ oder „Sozialwegweiser“ gibt, in dem <strong>alle</strong> Einrichtungen mit sozialen und<br />

gesundheitlichen Angeboten aufgelistet sind, dann könnten Sie ihn entweder <strong>–</strong> im Rahmen eines<br />

Projektes <strong>–</strong> erstellen oder sich erst einmal andernorts über modellhafte Hilfen und Projekte<br />

erkundigen. Hier eine <strong>–</strong> sicher wieder nur exemplarische <strong>–</strong> Auflistung, woher Sie Zusammenfassungen<br />

über Projekte, Aktionen und diverse Angebote beziehen können.<br />

Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit<br />

Niedersachsen e.V. in Hannover,<br />

Zentrum <strong>für</strong> Angewandte<br />

Gesundheitswissenschaften der<br />

Fachhochschule Nordostniedersachsen<br />

und der Universität<br />

Lüneburg (2000)<br />

Sozialministerium<br />

Baden-Württemberg (1996)<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong><br />

gesundheitliche Aufklärung<br />

(2001)<br />

Armut und Gesundheit. Praxisprojekte aus<br />

Gesundheits- und Sozialarbeit in Niedersachsen.<br />

Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten<br />

<strong>–</strong> Eine Bestandsaufnahme von Initiativen,<br />

Projekten und kontinuierlichen Angeboten<br />

„Tackling Inequalities in Health“ <strong>–</strong> ein Projekt<br />

des „European Network of Health Promotion<br />

Agencies“ (ENHPA) zur Gesundheitsförderung<br />

bei sozial Benachteiligten. Abschlussbericht <strong>für</strong><br />

das deutsche Teilprojekt. <strong>–</strong> Erhebung und Auswertung<br />

von Gesundheitsförderungsprojekten<br />

mit sozial Benachteiligten in Deutschland mit<br />

Auflistung einzelner Projekte im Anhang


Landesgesundheitsamt<br />

Baden-Württemberg<br />

Martin Franke, Raimund Geene,<br />

Eva Luber (Hrsg.),<br />

Gesundheit Berlin e.V. /Landesarbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Gesundheitsförderung<br />

Stadt Köln, Gesundheitsamt,<br />

Geschäftsstelle „Kommunale<br />

Gesundheitskonferenz, <strong>Kinder</strong>und<br />

Jugendgesundheitsdienst<br />

Köln“<br />

Gesundheit Berlin e.V.<br />

Mielck. A.; Abel, M.;<br />

Heinemann, H.; Stender, K.-P.<br />

Aktion Jugendschutz,<br />

Landesarbeitsstelle<br />

Baden-Württemberg (2001)<br />

Projekt-Datenbanken im<br />

Internet<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

DOKIS ÖGD: Dokumentations- und Informationssystem<br />

<strong>für</strong> die Bereiche Gesundheitsförderung<br />

und Prävention im ÖGD Baden-Württemberg<br />

Armut und Gesundheit: Armut und Gesundheit<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen, Armut und Migration,<br />

Armut und Gesundheit bei Frauen, Armut<br />

und Wohnungslosigkeit. Berlin 1999. Materialien<br />

zur Gesundheitsförderung <strong>Band</strong> 1<br />

Projektbericht FAKIR: Förder-Angebote <strong>für</strong><br />

<strong>Kinder</strong> in Regionen mit erhöhtem Hilfebedarf.<br />

Köln, Februar 2001<br />

Tagungsberichte zu den jährlich stattfindenden<br />

Kongressen zu „Armut und Gesundheit“<br />

Auf dem Weg: „<strong>Gesunde</strong> Städte“ <strong>–</strong> Projekte zur<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit (2002)<br />

Jung, lässig & pleite? Konsumlust und Schuldenlast<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Dokumentation<br />

einer Fachtagung. Der Bericht gibt einen<br />

Einblick in das Thema <strong>Kinder</strong>, Jugendliche<br />

und Schulden, stellt Projekte und Materialen vor.<br />

„Soziale Stadt <strong>–</strong> Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“:www.sozialestadt.de/praxisbeispiele/projekte/<br />

Projektbörse Armut, Deutscher Caritasverband<br />

(www.caritas.de)<br />

83


84<br />

Problem und Bedarf<br />

benennen<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

4.2 Sie finden Prioritäten und planen Maßnahmen<br />

Planungsphase<br />

Ihr Problem wird konkret benannt.<br />

Sie finden Prioritäten und planen eine Maßnahme.<br />

Sie gründen einen Arbeitskreis „Armut und Gesundheit“ innerhalb der<br />

Regionalen Arbeitsgemeinschaft oder Kommunalen Gesundheitskonferenz.<br />

Sie formulieren Ziele und legen Zielgruppen fest.<br />

Sie entwickeln Maßnahmen.<br />

Sie erstellen einen Zeitplan, suchen Kooperationspartner, wählen Methoden<br />

und Medien und klären die Rahmenbedingungen: Ort, Zeit, Geld, Personal<br />

Sie planen und starten Ihre Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Ihr Problem lässt sich nun konkret benennen und in Form eines Handlungsbedarfs formulieren.<br />

Sie haben einen „Ist-Zustand“ dokumentiert <strong>–</strong> der Bedarf ist nun nichts anderes als die Differenz<br />

zwischen Ist-Zustand (sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong> ernähren sich falsch) und Soll-Zustand (es<br />

gibt alternative Ernährungsangebote). Bei der Entwicklung von Maßnahmen ist zudem ausschlaggebend,<br />

welchen expliziten Bedarf die Experten und Betroffenen (wir brauchen eine <strong>Kinder</strong>tafel<br />

im Stadtviertel) geäußert haben.<br />

Sie wissen z.B. nach einer Bestandsaufnahme zum Thema „Gesundheit von Alleinerziehenden<br />

und ihren <strong>Kinder</strong>n“<br />

<strong>•</strong> wie viele Alleinerziehende im Stadtteil Großburgfeld-Süd wohnen,<br />

<strong>•</strong> wie viele <strong>Kinder</strong> in welchem Alter in den Haushalten der Alleinerziehenden im Stadtteil Süd<br />

leben,<br />

<strong>•</strong> wie viele Alleinerziehende beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet sind und dringend auf eine<br />

Stelle hoffen,<br />

<strong>•</strong> wie viele Alleinerziehende aus dem Stadtteil Süd Sozialhilfe beziehen,<br />

<strong>•</strong> wie viele Alleinerziehende psychosomatische Beschwerden haben,<br />

<strong>•</strong> dass Alleinerziehende gerne mehr Entlastung hätten, sie aber da<strong>für</strong> ohne <strong>Kinder</strong>betreuung<br />

keine Zeit und Möglichkeit sehen,<br />

<strong>•</strong> dass die sozialen Beratungsstellen im Stadtteil Süd hoffnungslos personell unterbesetzt sind,<br />

<strong>•</strong> dass ein Entlastungsangebot <strong>für</strong> die Mütter vor Ort nicht vorhanden ist,<br />

<strong>•</strong> dass die Kirche seit Jahren <strong>–</strong> in Ermangelung von Teilnehmern <strong>–</strong> vergeblich versucht, eine<br />

Alleinerziehenden-Gruppe zu gründen.<br />

Es zeichnet sich demnach ein Handlungsbedarf hinsichtlich der Verbesserung der gesundheitlichen<br />

Situation und der Lebenslage der Alleinerziehenden und ihrer <strong>Kinder</strong> aus dem Stadtteil<br />

Süd ab. Sie diskutieren diese Fragestellung nun z.B. in der regionalen Arbeitsgemeinschaft<br />

oder Kommunalen Gesundheitskonferenz und suchen nach einem speziellen Thema, einer Maßnahme<br />

und einer Strategie, die Gesundheit von Alleinerziehenden und ihren <strong>Kinder</strong>n zu fördern.


Wie finden Sie Prioritäten?<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Warum Sie sich gerade <strong>für</strong> dieses Projektthema entscheiden und nicht <strong>für</strong> jenes, kann viele<br />

Gründe haben und sollte bestimmten Kriterien standhalten. Entscheiden Sie <strong>–</strong> z.B. anhand des<br />

nachfolgenden Katalogs <strong>–</strong> wie Sie Ihre Prioritäten setzen.<br />

Kriterien <strong>für</strong> Prioritäten: Das kann konkret heißen:<br />

Wie dringend muss geholfen<br />

werden?<br />

Ist das Projekt realistisch und<br />

„machbar“?<br />

Ist das Projekt effektiv und<br />

effizient?<br />

Wie ist die Akzeptanz <strong>für</strong> das<br />

Projekt vor Ort?<br />

Hat das Projekt eine gute<br />

Öffentlichkeitswirkung?<br />

Kann das Projekt vorhandene<br />

Strukturen beeinflussen?<br />

Baut das Projekt auf Kooperation<br />

und Vernetzung?<br />

Handelt es sich bei Ihrem Projekt um einen Auftrag /<br />

eine Weisung / einen Wunsch? Was weist auf den<br />

Handlungsbedarf hin?<br />

Welche Rahmenbedingungen liegen vor hinsichtlich<br />

Personal, Kosten, Zeitaufwand, Örtlichkeiten, Fähigkeiten?<br />

Welche Veränderung lassen sich mit welchem Aufwand<br />

erreichen?<br />

Gibt es Interesse am Projekt? Wie stehen die Betroffenen<br />

dazu? Ist mit Ressortegoismen, Konkurrenzen<br />

etc. zu rechnen? Wieviele Teilnehmer und Partner<br />

können aktiviert werden?<br />

Ist das Projekt/Thema gut zu vermarkten? Lassen sich<br />

nachdrückliche Botschaften formulieren? Kann dadurch<br />

das Image der Einrichtung verbessert werden?<br />

Ist das Projekt nachhaltig angelegt? Können Partner<br />

langfristig eingebunden werden? Werden Ergebnisse<br />

dokumentiert und auf weiterführende Handlungsempfehlungen<br />

angelegt?<br />

Sieht das Projektschema eine klare und sinnvolle Rollenverteilung<br />

vor? Ist der Nutzeffekt <strong>für</strong> <strong>alle</strong> Beteiligten<br />

deutlich formuliert? Sind die Entscheidungsstrukturen<br />

transparent und allgemein akzeptiert? Bringen<br />

sich andere mit eigenen Ressourcen ein?<br />

Ist das Thema politisch gewollt? Gibt es Rats-, Ausschuss- oder ähnliche Beschlüsse,<br />

auf die Sie sich beziehen können? Welchen Nutzen<br />

hat Politik von dem Projekt? Lässt sich eine Verzahnung<br />

mit anderen <strong>–</strong> politisch prioritären <strong>–</strong> Vorhaben<br />

herstellen?<br />

85


86<br />

Vorüberlegungen zur<br />

Planung<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Welche Bedeutung hat das Projekt<br />

<strong>für</strong> die RAG bzw. die Kommunale<br />

Gesundheitskonferenz?<br />

Wie planen Sie eine Maßnahme?<br />

Profitiert Ihr Projekt von der Einbindung dieser Gremien?<br />

Ist das Thema <strong>für</strong> die dort eingebundenen Institutionen<br />

von Interesse?<br />

Nun geht es an die inhaltliche Umsetzung Ihres Themas. Die folgenden Vorüberlegungen können<br />

Ihnen bei der Planung helfen:<br />

<strong>•</strong> Welche Erfahrungen habe ich selbst mit der Zielgruppe und dem Thema?<br />

<strong>•</strong> Passt das Thema in das Handlungsspektrum und zum Selbstverständnis Ihrer Einrichtung <strong>–</strong><br />

und zu Ihnen selbst? Wer kann Sie aus Ihrer eigenen Einrichtung unterstützen?<br />

<strong>•</strong> Welche Konzepte gibt es bereits?<br />

<strong>•</strong> Wo und mit wem hat es bereits ein ähnliches Projekt gegeben?<br />

<strong>•</strong> Welche Strategien haben sich bewährt?<br />

<strong>•</strong> Wo treffen Sie die gewünschte Zielgruppe an? Zu welcher Zeit erreichen Sie die Zielgruppe<br />

am besten?<br />

<strong>•</strong> Wie grenzen Sie den Handlungsraum des Projekts ein?<br />

<strong>•</strong> Welche Settings und Kooperationspartner kommen in Frage?<br />

<strong>•</strong> Wer hat bereits Zugang zur Zielgruppe?<br />

<strong>•</strong> Welche Experten könnten Ihnen bei der Konzeption helfen?<br />

<strong>•</strong> Welche Vernetzungen sind vorhanden, könnten entstehen bzw. wären nötig?<br />

<strong>•</strong> Was wird das Projekt kosten? Welche Geldgeber stehen zur Verfügung?<br />

<strong>•</strong> Wieviel Personal ist nötig?<br />

<strong>•</strong> Auf welche Laufzeit ist das Projekt angelegt?<br />

<strong>•</strong> Wie kann man das Projekt öffentlichkeitswirksam gestalten?<br />

<strong>•</strong> Wie erreichen Sie nachhaltige Wirkungen und Strukturveränderungen?<br />

Die eigentliche Planung folgt dann dem folgenden Schema, das hier in einer exemplarischen<br />

Übersicht dargestellt sein soll und das wir anschließend näher ausführen werden:<br />

Planungskriterien Das kann konkret heißen:<br />

Worum geht es? Was ist das<br />

Problem?<br />

Alleinerziehende und ihre <strong>Kinder</strong> haben große gesundheitliche<br />

Probleme, die aus vielfachen Belastungen<br />

ihres Lebensalltags resultieren.<br />

Wie wird das Problem gelöst? Sie planen, initiieren und organisieren verhaltens- und<br />

verhältnisbezogene Maßnahmen zur Gesundheitsförderung.<br />

Wen möchten Sie mit Ihrem<br />

Projekt erreichen?<br />

Alleinerziehende, deren <strong>Kinder</strong>, Einrichtungen vor<br />

Ort, mögliche Kooperationspartner


Was möchten Sie mit Ihrem<br />

Projekt konkret erreichen?<br />

Welche Strategien und Methoden<br />

setzen Sie ein?<br />

Wer eignet sich als Kooperationspartner?<br />

Welche Rahmenbedingungen<br />

müssen Sie klären?<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Die Maßnahme soll bewirken, dass...<br />

...Alleinerziehende Stress besser bewältigen können,<br />

...mehr Entlastungsangebote vor Ort <strong>für</strong> Familien entstehen,<br />

...<strong>Kinder</strong> Fördermöglichkeiten erhalten hinsichtlich<br />

ihres Gesundheitsverhaltens sowie gesundheitlicher<br />

und sozialer Kompetenzen.Da<strong>für</strong> wollen Sie<br />

langfristig Partner vor Ort finden und dauerhafte<br />

Angebote implementieren.<br />

Sie bieten Gesprächskreise oder Kurse zur Stressbewältigung,<br />

Konfliktbewältigung, Entspannung, Ernährung<br />

etc. an.<br />

Sie organisieren <strong>Kinder</strong>betreuungsangebote.<br />

Sie gehen mit Ihren Angeboten zu den Betroffenen<br />

vor Ort <strong>–</strong> in die <strong>Kinder</strong>gärten, die Schulen, die Mutter-<br />

Kind-Gruppen, auf das Sozialamt.<br />

Sie führen Schulungen <strong>für</strong> lokale Akteure durch.<br />

Ansprechen sollten Sie jeden,...<br />

...der Zugang zur Zielgruppe hat und von den Betroffenen<br />

akzeptiert wird,<br />

...der einschlägige Erfahrungen und Kompetenzen in<br />

der Gesundheitsförderung mitbringt,<br />

...der Entscheidungsbefugnisse hat,<br />

...der über Mittel verfügt. Das können z.B. das Jugendamt,<br />

das Sozialamt, eine Krankenkasse, Wohlfahrtsverbände,<br />

ein Stadtteilzentrum, lokale Initiativen,<br />

<strong>Kinder</strong>ärzte, Erzieherinnen oder Lehrer sein <strong>–</strong><br />

aber auch Unternehmen vor Ort, der lokale Mittelstand,<br />

diverse Sponsoren. Gute Kooperationen berücksichtigen<br />

die besonderen Möglichkeiten der jeweiligen<br />

Partner.<br />

Um den Umfang, den Wirkungskreis, die inhaltliche<br />

Breite Ihres Angebots festzulegen, sollte feststehen,...<br />

...über welche Ressourcen Ihr Projekt verfügt,<br />

...ob es auf der Ebene eines Stadtteils, eines Wohnviertels,<br />

eines Schuleinzugsbereichs stattfindet,<br />

...wer vor Ort in Ihrem Sinne bereits tätig ist,<br />

...auf welche Dauer das Projekt angelegt ist.<br />

Planungskriterien<br />

87


88<br />

Vielfältige Zielgruppen<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Wie machen Sie Ihr Projekt<br />

bekannt?<br />

Auch das Projekt-Thema soziale Benachteiligung lebt<br />

von einer guten Öffentlichkeitsarbeit. Versuchen Sie...<br />

...der Stigmatisierung und Ausgrenzung der Betroffenen<br />

entgegenzuwirken,<br />

...ein Wir-Gefühl der Betroffenen zu fördern,<br />

...das vage Thema Gesundheit mit konkreten, „alltagstauglichen“<br />

Inhalten zu füllen,<br />

...den Nutzen <strong>für</strong> das Stadt(teil)image zu verdeutlichen,<br />

...die konkrete Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen nachzuweisen,<br />

...die Bedeutung des Themas im kommunalpolitischen<br />

Kontext herauszustellen.<br />

Natürlich sind die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen sozial benachteiligter Eltern die wichtigste Zielgruppe.<br />

Aber ohne die Unterstützung der Familie, ohne eine nachhaltige Vorbildfunktion der Eltern<br />

sind Veränderungen im Gesundheitsverhalten schwer umzusetzen. In dem <strong>gleiche</strong>n Sinne<br />

sind Lehrer(innen) und Erzieher(innen) zu aktivieren. Politiker, Amtsleiter und sonstige Entscheidungsträger<br />

müssen den geeigneten Rahmen schaffen, Ärzte und andere Gesundheitsversorger<br />

die nötige Sensibilität <strong>für</strong> die Betroffenen entwickeln, Bürger sich randständigen Gruppen<br />

öffnen und eine tolerierende und akzeptierende Haltung entwickeln. Gerade dann, wenn Gesundheitsförderung<br />

im Setting angesetzt ist, auf die Veränderung von Verhältnissen abzielt,<br />

wenn die Mitwirkung Vieler erforderlich ist, kann der Begriff „Zielgruppe“ plötzlich sehr weitgespannt<br />

werden und unterschiedliche Maßnahmen und Strategien erfordern.


Ziele: Was möchten Sie mit Ihrem Projekt erreichen?<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Projekte und Maßnahmen brauchen eine klare Richtung. Wenn Sie in diesem Sinne eindeutige<br />

Ziele formulieren, vermeiden Sie Missverständnisse und schaffen gleich zu Beginn Ihrer Projektplanung<br />

eine gute Basis <strong>für</strong> die Maßnahmenfindung und <strong>für</strong> die spätere Evaluation. Dabei ist<br />

es von Vorteil, sich die Ziele während der Planung immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn<br />

im Durcheinander von Vorschlägen die große Richtung einmal verlorengeht. An den Zielen sollten<br />

Sie die Strategien und Ideen messen, die etwa bei Brainstorming-Aktionen gesammelt werden.<br />

Sie fragen sich immer: „Bringt mich diese Überlegung meinem Ziel ein Stückchen näher?“<br />

Ziele sind eine gute Argumentationshilfe, wenn Sie Ihr Projekt den Mitgliedern der Regionalen<br />

Arbeitsgemeinschaft oder Kommunalen Gesundheitskonferenz, möglichen Kooperationspartnern,<br />

Geldgebern oder der Öffentlichkeit vorstellen. Vergessen Sie dabei nicht, mindestens<br />

ein internes Ziel zu formulieren, wie z.B.: „Das Image unserer Behörde soll mit dieser Aktion<br />

verbessert werden.“<br />

Sie können, wenn Sie wollen, bei Ihrer Zielformulierung zwischen allgemeinen und konkreten<br />

Zielen (Grob- und Feinzielen) unterscheiden. Allgemeine Ziele können sich dabei an den<br />

mehrfach erwähnten Prinzipien der Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial Benachteiligte orientieren:<br />

Die Maßnahme soll dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> mehr gesundheitliche <strong>Chancen</strong>gleichheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zu erreichen,<br />

<strong>•</strong> gesundheitsförderliche Lebenswelten entstehen zu lassen,<br />

<strong>•</strong> die gesundheitliche Versorgung zu verbessern.<br />

Interessanter und aussagekräftiger sind die konkreten Ziele. Strukturbezogene Ziele Ihrer Maßnahme<br />

könnten dabei so aussehen:<br />

Die Maßnahme soll dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> die Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren zu verbessern,<br />

<strong>•</strong> die kommunale Infrastruktur in Form von stadtteilbezogenen Betreuungs-, Bildungs- und<br />

Freizeitangeboten auszubauen,<br />

<strong>•</strong> die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe zu verbessern,<br />

<strong>•</strong> Projekte langfristig finanziell abzusichern, um eine Kontinuität von Fördermaßnahmen<br />

und Betreuungspersonen zu gewährleisten,<br />

<strong>•</strong> bessere Unterstützungssysteme <strong>für</strong> Alleinerziehende im Vorfeld der Hilfen zur Erziehung<br />

bereitzustellen,<br />

<strong>•</strong> Gesundheits- und Sozial- bzw. Jugendberichterstattung zusammenzuführen bzw. zu<br />

qualifizieren mit dem Ziel, den Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit<br />

darzustellen,<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsdienste in <strong>Kinder</strong>tagesstätten und Schulen stärker zu integrieren,<br />

<strong>•</strong> das Interesse sozialer Einrichtungen <strong>für</strong> das Thema Armut und Gesundheit zu wecken,<br />

<strong>•</strong> Zugangsbarrieren <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Eltern zur gesundheitlichen Versorgung zu verringern,<br />

<strong>•</strong> die Ressourcen sozial benachteiligter Personen in das Handeln im Stadtteil einzubeziehen.<br />

<strong>•</strong> Frühdiagnostik und Förderung von gefährdeten <strong>Kinder</strong>n im frühen Lebensalter zu<br />

verstärken.<br />

Ziele als Planungshilfen<br />

Strukturbezogene Ziele<br />

89


90<br />

Verhaltensbezogene Ziele<br />

Interne Ziele<br />

In Settings arbeiten<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Verhaltensbezogene Ziele könnten sein:<br />

Die Maßnahme soll dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> das Gesundheitsbewusstsein der Betroffenen zu steigern,<br />

<strong>•</strong> Fähig- und Fertigkeiten <strong>für</strong> gesundheitsförderliches Handeln der <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendlichen zu fördern,<br />

<strong>•</strong> <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen soziale Kompetenzen beizubringen,<br />

<strong>•</strong> Eltern befähigen, Konflikte zu lösen,<br />

<strong>•</strong> <strong>Kinder</strong>n Spaß an Bewegung zu vermitteln,<br />

<strong>•</strong> die Betroffenen zu motivieren und befähigen, sich selbst aktiv <strong>für</strong> ihre Gesundheitsinteressen<br />

einzusetzen,<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsgefährdungen der Eltern aus der unteren sozialen Schicht verringern, um den<br />

Gesundheitszustand der <strong>Kinder</strong> zu verbessern.<br />

Interne Ziele einer Maßnahme könnten so aussehen:<br />

Die Maßnahme soll dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> die Bürgernähe des Gesundheitsamts zu verbessern,<br />

<strong>•</strong> den Bekanntheitsgrad des Gesundheitsamts oder anderer Einrichtungen zu erhöhen,<br />

<strong>•</strong> die Rolle des Gesundheitsamts als bürgernaher Einrichtung und wichtigem<br />

lokalem Akteur angemessen öffentlich darzustellen,<br />

<strong>•</strong> Defizite und Schwachstellen des eigenen Angebots herauszufinden,<br />

<strong>•</strong> die Transparenz des Angebots zu erhöhen,<br />

<strong>•</strong> neue Zielgruppen <strong>für</strong> das Angebot finden,<br />

<strong>•</strong> die interne Kommunikation zu verbessern, kürzere Informationswege zu finden,<br />

<strong>•</strong> Mechanismen <strong>für</strong> gemeinsame Strategiefindung im Kollegenkreis zu entwickeln,<br />

<strong>•</strong> die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen im Haus zu intensivieren,<br />

<strong>•</strong> neue Themen und Angebotsformen zu finden.<br />

Was sind die Prämissen eines erfolgreichen Projekts?<br />

Die Entwicklung eines konkreten Konzepts zur Zielerreichung benötigt in der Regel einige Zeit,<br />

viel Kreativität und den Mut, auch einmal neue Wege zu beschreiten. Besonders dann, wenn Sie<br />

<strong>für</strong> die entsprechende Zielgruppe ein Angebot zum ersten Mal entwickeln. Hier noch einmal <strong>–</strong><br />

in der Übersicht und zur Erinnerung <strong>–</strong> die Prämissen eines erfolgreichen Angebots im Bereich<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong>, Jugendliche und ihre Eltern.<br />

Ihre Maßnahme <strong>für</strong> Betroffene sollte<br />

<strong>•</strong> niedrigschwellig sein: Gehen Sie zur Zielgruppe <strong>–</strong> warten Sie nicht darauf, dass sie zu<br />

Ihnen kommt.<br />

<strong>•</strong> möglichst in Settings stattfinden: Veranstalten Sie Ihre Maßnahme dort, wo Sie die Zielgruppe<br />

antreffen: im <strong>Kinder</strong>garten, in der Schule, im Stadtteil...<br />

<strong>•</strong> bedarfsgerecht sein: Bilden Sie sich im Vorfeld und in Gesprächen mit Betroffenen eine<br />

Meinung, was die Zielgruppe braucht, und gestalten Sie Ihr Angebot entsprechend.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

<strong>•</strong> lebenslagenorientiert sein: Wenn die <strong>Kinder</strong> im Quartier kaum Fahrräder haben, dann<br />

veranstalten Sie keine Fahrrad-R<strong>alle</strong>y.<br />

<strong>•</strong> die Strukturen vor Ort berücksichtigen: Wenn es im Stadtteil keinen Elterntreff gibt, dann ist<br />

es müßig, ihn <strong>für</strong> Projekte einzuplanen.<br />

<strong>•</strong> Betroffene einbeziehen: Die Teilnahme der Betroffenen an Ihrem Projekt ist sicher, wenn die<br />

Zielgruppe das Projektthema selbst ausgewählt und gestaltet hat (Selbstmanagement und<br />

Empowerment).<br />

<strong>•</strong> Eltern und <strong>Kinder</strong> gemeinsam betreffen: Eltern sind Vorbilder und diejenigen, die zu Hause<br />

den Ton angeben.<br />

<strong>•</strong> interdiziplinär und ressortübergreifend angelegt sein: Arbeiten Sie mit vereinten Kräften.<br />

Beteiligen Sie Experten, die sich schon mit relevanten Problemen der Zielgruppe beschäftigt<br />

haben und über einen Zugang zu den Betroffenen verfügen.<br />

<strong>•</strong> Vernetzung und Kooperationen fördern: Sie können das Problem Armut und Gesundheit<br />

nicht <strong>alle</strong>ine bewältigen, weder inhaltlich noch organisatorisch. Also suchen Sie sich Partner,<br />

auf die Sie später auch zurückgreifen können, wenn es darum geht, die Maßnahme langfristig<br />

zu sichern.<br />

<strong>•</strong> in den Methoden auf die Zielgruppe ausgerichtet sein: Wählen Sie eine Strategie, die <strong>für</strong> die<br />

Zielgruppe ansprechend erscheint, wie z.B. Frauenfrühstück statt Vortrag oder sportlichen<br />

Wettkampf <strong>für</strong> Jugendliche statt Aufklärungsmaßnahmen.<br />

<strong>•</strong> ganzheitlich als Kombinationsprojekt gestaltet sein: Verbinden Sie in Ihrem Projekt die<br />

Änderung von Verhalten, die Optimierung der Verhältnisse und die Verbesserung der<br />

Versorgung.<br />

Vergessen Sie nicht: gesundheitsschädigende Verhaltensweisen der betroffenen <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

sowie ihrer Eltern sind immer eingebettet in einen weiteren Kontext von psychosozialen<br />

Problemen. Belastende und absehbar nicht zu verbessernde Lebensverhältnisse sind kein<br />

guter Rahmen <strong>für</strong> das Einüben von gesundheitsförderlichem Verhalten. Bevor Sie z.B. den Eltern<br />

nahelegen, ihre <strong>Kinder</strong> gesünder zu ernähren, klären Sie erst einmal ab, ob das Thema Ernährung<br />

<strong>für</strong> die Zielgruppe momentan überhaupt Priorität hat. Es könnte sein, dass die Bewältigung<br />

von Beziehungsproblemen oder die desolate Wohnsituation im Moment so belastend<br />

sind, dass <strong>für</strong> andere Themen kein Raum im Kopf ist. Zudem muss Gesundheit <strong>für</strong> die Zielgruppe<br />

finanzierbar und gleichzeitig attraktiv sein. Ein gesundes Pausenbrot hat bei den Betroffenen<br />

in der Regel nicht denselben Stellenwert wie das lang ersehnte Handy. Eine geeignete<br />

Strategie zur Gesundheitsförderung muss den Rahmen im Vorfeld in diesem Sinne sondieren<br />

und in der Projektplanung berücksichtigen.<br />

Ebenso gilt: Auch wenn sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong>, Jugendliche und ihre Eltern <strong>–</strong> das zeigen<br />

viele Forschungsergebnisse <strong>–</strong> sich weniger gesundheitsförderlich verhalten und über geringere<br />

Selbsthilfepotentiale verfügen <strong>–</strong> irgendwelche Ressourcen sind in jedem Fall vorhanden.<br />

Und die heißt es herauszufinden, zu fordern und zu fördern.<br />

Psychosozialen Kontext<br />

berücksichtigen<br />

91


92<br />

Grundfragen der<br />

Themenfindung<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Wie finden Sie relevante Themen und Inhalte?<br />

Überlegen Sie vor der Wahl Ihres konkreten Themas, Ihrer Projekt-Inhalte:<br />

<strong>•</strong> Welche Schwierigkeiten oder Defizite sind besonders gravierend?<br />

<strong>•</strong> Zu welchem Problem lassen sich <strong>–</strong> in dem gegebenen Rahmen <strong>–</strong> umsetzbare Maßnahmen<br />

benennen?<br />

<strong>•</strong> Welche Themen sind <strong>für</strong> mögliche Kooperationspartner interessant?<br />

<strong>•</strong> Was ist an Einstellungen, Erwartungen, Interessen, Motiven bei den Betroffenen vorhanden?<br />

<strong>•</strong> Welche Erfahrungen und Kenntnisse können vorausgesetzt werden?<br />

<strong>•</strong> Wie können Sie vorhandenes Wissen der Betroffenen nutzen?<br />

<strong>•</strong> Wie belastbar sind die Betroffenen?<br />

<strong>•</strong> Für welche Themen und Aktivitäten können sie angemessen beteiligt und aktiviert werden?


Wo siedeln Sie Ihr Projekt an?<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Projekte, die ohne Berücksichtigung der Lebenswelt z.B. nur auf die Verringerung von Risikofaktoren<br />

abzielen, sind bei sozial benachteiligten Menschen wenig erfolgversprechend. Niedrigschwellige<br />

Angebote, die die Teilnehmer vor Ort einbeziehen und lebenslagenorientiert<br />

sind, werden am besten im Rahmen eines Settings umgesetzt.<br />

Ein Setting gleicht einem Feld oder einem sozialen System, das <strong>alle</strong> relevanten Umweltbedingungen<br />

einer Bevölkerungsgruppe umfasst. Der Setting-Ansatz legt zugrunde, dass Gesundheitsprobleme<br />

einer Bevölkerungsgruppe das Ergebnis wechselseitiger Beziehungen zwischen<br />

ökonomischer, sozialer und institutioneller Umwelt und persönlichem Verhalten sind. Projekte<br />

in einem Setting durchzuführen heißt, die Bedeutung der Rahmenbedingungen zu berücksichtigen,<br />

unter denen die Menschen leben. Gegenstand der Intervention ist danach nicht der Mensch<br />

<strong>alle</strong>ine, sondern die zugehörigen sozialen Systeme wie Stadtteile, Schulen oder <strong>Kinder</strong>gärten.<br />

Die Arbeit im Setting eröffnet zugleich die Möglichkeit, andere Personen oder Einrichtungen als<br />

Kooperationspartner in das Geschehen einzubeziehen, wie Nachbarn, Lehrer, Erzieher oder das<br />

Gemeindezentrum im Stadtteil. Kurz: Projekte im Setting bieten die Chance, Verhalten und Verhältnisse<br />

<strong>gleiche</strong>rmaßen zu beeinflussen.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Grossmann, R.; Scala, K. (1994): Gesundheit durch Projekte fördern <strong>–</strong> Ein Konzept zur Gesundheitsförderung<br />

durch Organisationsentwicklung und Projektmanagement. Weinheim<br />

Bundesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit e.V. (Hrsg.) (1999): Gesundheit: Strukturen und Handlungsfelder.<br />

Neuwied<br />

Projekte im<br />

Setting ansiedeln<br />

93


94<br />

Aktivierende Methoden<br />

einsetzen<br />

Betroffene beteiligen<br />

Kombinationsangebote<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Nach welcher Methode gehen Sie vor?<br />

Ihre Ziele und Inhalte sind festgelegt. Jetzt stellt sich die Frage, wie Sie diese Inhalte vermitteln<br />

wollen. Das Methodenspektrum ist denkbar breit gestreut, muss aber letztlich genauso sensibel<br />

und zielgruppenbezogen gehandhabt werden wie Zielformulierung und Themenwahl.<br />

Vermeiden Sie nach Möglichkeit Vorträge <strong>–</strong> wenn sie nicht in ein breiteres Maßnahmespektrum<br />

eingebunden sind. Das würde Ihre Zielgruppe in die Rolle der passiven Zuhörer bringen.<br />

Viele sozial Benachteiligte sind es zudem nicht gewohnt, lange zuzuhören. Vorträge sind keine<br />

gute Methode, neue Erfahrungen zu machen und schon gar nicht, um neue Verhaltensweisen<br />

einzuüben. Aktive Beteiligung ist angesagt.<br />

Bei <strong>Kinder</strong>n stehen sicher spielerische Methoden im Vordergrund. Jugendliche <strong>–</strong> vor <strong>alle</strong>m<br />

die Jungen <strong>–</strong> möchten in der Regel „Action“. Aber auch die Erwachsenen wollen die Möglichkeit<br />

haben, aktiv zu werden, eigenes Können zu beweisen. Beteiligen Sie sie an der Ideenfindung,<br />

an der Planung und Vorbereitung. Weisen Sie Ihnen bei der Durchführung eine aktive Rolle<br />

zu. Führen Sie die Menschen über das Projekt zusammen, lassen Sie sie gemeinsam arbeiten,<br />

stärken Sie das Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen Sie Erfolgserlebnisse. Solche Dinge erweisen<br />

sich in einem tieferen Sinne als gesundheitsfördernd und stellen eine gute Basis dar, die<br />

eigentlichen Gesundheitsinhalte „quasi nebenbei“ mit zu vermitteln.<br />

Kleine Methoden-Checkliste<br />

Welche Methoden eignen sich, um die angestrebten Ziele und Inhalte zu<br />

verwirklichen?<br />

Passt die Methode zu Ihnen, zu den Teilnehmern und zu den Rahmenbedingungen?<br />

Werden Verhalten und Verhältnisse <strong>gleiche</strong>rmaßen angesprochen?<br />

Kommen Ihre Kooperationspartner mit Ihrem „Methodencocktail“<br />

zurecht?<br />

Setzt die Methode bei den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen<br />

an?<br />

Ist der Aufwand realistisch und machbar?<br />

Werden die Betroffenen aktiviert und verantwortlich beteiligt?<br />

Werden die Gesundheitsinhalte berücksichtigt, ohne zu stark im<br />

Vordergrund zu stehen?<br />

Kombinationsangebote berücksichtigen Verhalten und Verhältnisse, Gesundheitsförderung und<br />

Gesundheitsversorgung <strong>gleiche</strong>rmaßen. Mehrere Aktionsformen kombinieren verschiedene Methoden<br />

und Zugänge <strong>–</strong> <strong>für</strong> jeden Betroffenen ist etwas dabei, was seine Persönlichkeit und besonderen<br />

Interessen anspricht.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Kombinationsangebot „Tag der Bewegung“: noch einmal ein (nicht ganz) fiktives<br />

Beispiel<br />

Patrick wohnt mit seinen zwei jüngeren Geschwistern und seiner Mutter in sehr beengten<br />

Verhältnissen in Großburgfeld-Süd, einem der sozialen Brennpunkte der Stadt.<br />

In der Wohnung ist eigentlich kein Platz <strong>für</strong> vier Personen, und rund ums Haus fehlt<br />

es gänzlich an Möglichkeiten <strong>für</strong> bewegungsintensive Freizeitbeschäftigungen. Für<br />

den Besuch eines Sportvereins hat die Familie kein Geld. So bleibt wieder nur der<br />

Fernseher als Freizeitbeschäftigung. Vielen anderen Familien im Stadtteil geht es ähnlich.<br />

Das Gesundheitsamt veranstaltet zusammen mit der örtlichen Hauptschule und einer<br />

Krankenkasse einen „Tag der Bewegung“. Der Sportverein stellt da<strong>für</strong> sein Gelände<br />

zur Verfügung. Die Leute sind gespannt <strong>–</strong> auch Patrick freut sich auf das besondere<br />

Ereignis (von denen es in seinem Alltag nicht allzu viele gibt). Seine Mutter ist erst<br />

skeptisch (Was kostet das? Haben wir da<strong>für</strong> die Zeit?). Dann wird sie von Patricks Lehrerin<br />

angesprochen, ob sie nicht bei der Betreuung einer Kleinkind-Gruppe helfen<br />

könnte <strong>–</strong> es kämen auch zwei andere Mütter aus Patricks Klasse <strong>–</strong> und ob sie Ideen<br />

hätte, was man in einer solchen Gruppe machen könnte. Patricks Mutter sagt zu <strong>–</strong> ein<br />

paar Spiele f<strong>alle</strong>n ihr sofort ein; schließlich hat sie selber zwei kleine <strong>Kinder</strong>.<br />

Auf der Veranstaltung teilt sie sich die Betreuungszeiten mit drei anderen Müttern. Im<br />

Team hat man einen Betreuungs- und Spieleplan ausgearbeitet. Alles funktioniert prima.<br />

In ihrer „Freizeit“ <strong>–</strong> ihre <strong>Kinder</strong> sind derweil in der Gruppe gut aufgehoben <strong>–</strong><br />

geht sie über das Gelände und schaut sich die verschiedenen Stände an.<br />

Mitmach-Aktion „<strong>Gesunde</strong>r Rücken“<br />

In einem Zelt macht eine Mitarbeiterin der Krankenkasse vor, wie man etwas <strong>für</strong> seine<br />

Rückengesundheit tun kann. Zahlreiche Menschen machen die Übungen mit. Auch<br />

Patricks Mutter reiht sich ein. Am Ausgang gibt es einen Zettel, wo die wichtigsten<br />

Sachen noch einmal draufstehen. Eigentlich gar nicht so schwer!<br />

Preisausschreiben<br />

Ein nagelneues Fahrrad gibt es zu gewinnen. Das Kaufhaus Meier hat gesponsert. Lose<br />

gibt es umsonst, wenn man ein paar Fragen zu sportlichen Aktivitäten beantwortet.<br />

Da lässt sie sich nicht zweimal bitten <strong>–</strong> und gewinnt einen Trostpreis: einen lustigen<br />

Igelball zur Massage (hat wohl eine Krankenkasse gestiftet).<br />

Diskussion<br />

In einem Zelt sitzen Leute aus ihrem Stadtteil und reden mit einem Vertreter der Stadt<br />

(zumindest sieht der so aus). Da geht es hoch her, obwohl der Stadtvertreter meistens<br />

nur zuhört. Patricks Mutter geht weiter; ihr ist es zu laut da drin. Aber die Leute haben<br />

anscheinend wirklich etwas mitzuteilen.<br />

95


96<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Befragungsaktion<br />

Eine junge Frau geht herum und fragt die Leute nach der Situation im Quartier. Patricks<br />

Mutter berichtet vom gefährlichen Schulweg ihres Sohnes <strong>–</strong> eine dicke Kreuzung<br />

ohne Ampel muss überquert werden. Da wäre um ein Haar letztens ein Kind überfahren<br />

worden. Die Frau schreibt <strong>alle</strong>s auf. Endlich konnte sie das einmal loswerden!<br />

Wettbewerb „Hau den Lukas“<br />

Ein paar Jugendliche messen ihre Kräfte. Das ist nichts <strong>für</strong> sie. Im Vorübergehen sieht<br />

sie, dass ein Mann vom Sportverein sich mit den Jugendlichen unterhält und ihnen Info-Zettel<br />

in die Hand drückt.<br />

Aktionen im Stadtteil<br />

Überall liegen Zettel, die die nächste Veranstaltung ankündigen. „Tag der<br />

Entspannung“ heißt es diesmal, irgendwie geht es um Stress und solche Sachen.<br />

Man kann wieder mitmachen; sie suchen Leute, die helfen und Ideen<br />

haben. Patricks Mutter nimmt einen Zettel mit. Da wird sie mal anrufen!<br />

Nicht <strong>für</strong> jedes Projekt und jede Aktion müssen Sie das Rad neu erfinden. Einige Beispiele da<strong>für</strong>,<br />

wie andere solche Vorhaben angepackt haben, sind im Folgenden aufgelistet:<br />

Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n in der Grundschule in Köln<br />

Ziele Bewegungsförderung vor Ort <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> mit motorischen<br />

Entwicklungsdefiziten<br />

Verbesserung des Ernährungsverhaltens<br />

Fortbildung und Sensibilisierung der Lehrer<br />

Zielgruppe Grundschüler mit überwiegend motorischen Defiziten<br />

der 1. und 2. Klasse und von Vorschul-Klassen<br />

Anzahl der Teilnehmer 10 Stadtteile, 11 Schulen, 700 Schüler<br />

Wo? Köln, Grundschulen in 10 Stadtteilen<br />

Methoden/Themen Zusätzlicher Sportförderunterricht als Ergänzung zum<br />

Schulsport, Aktionen zum Thema <strong>Gesunde</strong> Ernährung,<br />

Multiplikatorenschulung <strong>für</strong> Lehrer. Bei den betreuten<br />

<strong>Kinder</strong>n verbesserten sich dadurch Sozialverhalten,<br />

Motivation, Konzentration und Ausdauer im<br />

Lernverhalten.<br />

Laufzeit 1994 bis Mitte 1997<br />

Projektinitiator Gesundheitsamt Köln<br />

Netzwerk, Kooperation Gesundheitsamt, Schulamt, Schule, Lehrer, Sportund<br />

Bäderamt, Sporthochschule, Sportvereine, Sportlehrer<br />

Finanzierung Mittel der Familie-Ernst-Wendt-Stiftung


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Ergänzende Hilfen <strong>für</strong> auffällige <strong>Kinder</strong> aus sozial benachteiligten Stadtteilen<br />

im <strong>Kinder</strong>garten in Köln<br />

Ziele Erweiterung ambulanter und wohnortnaher Fördermöglichkeiten<br />

von <strong>Kinder</strong>n mit Entwicklungsdefiziten<br />

und Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Abstimmung zwischen Kooperationspartnern bzgl.<br />

Früherkennung und Prävention<br />

Ausschöpfung sozialpädagogischer Potentiale, z.B.<br />

Einsatz heilpädagogisch ausgebildeter Übersollkräfte<br />

Zielgruppe Entwicklungs- und verhaltensauffällige <strong>Kinder</strong> im<br />

Vorschulalter<br />

Anzahl der Teilnehmer 24 <strong>Kinder</strong>gärten in 4 Stadtteilen, 120 <strong>Kinder</strong><br />

Wo? <strong>Kinder</strong>gärten in Stadtteilen mit hohem Anteil sozial<br />

benachteiligter Bürger<br />

Methoden/Themen Interdisziplinäre und heilpädagogische Förderung in<br />

Einzel- bzw. Kleinstgruppen, Beratung der Eltern<br />

Laufzeit Seit 1996<br />

Projektinitiator Auftrag des Ausschusses <strong>für</strong> Gesundheitswesen:<br />

Gesundheitsamt Köln<br />

Netzwerk, Kooperation Gesundheitsamt, Jugendamt, Erzieher, Frühfördereinrichtungen,<br />

<strong>Kinder</strong>ärzte, Familienberatungsstellen,<br />

MCD-Verein, Sportvereine<br />

Finanzierung Krankenkasse bzw. Sozialamt (§§ 39,40 BSHG)<br />

Regionale Gesundheitsförderung <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> im Vorschulalter: Projekt FAKIR (Förder-<br />

Angebote <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in Regionen mit besonderem Hilfebedarf)<br />

Ziele Erhöhung der Gesundheitschancen sozial benachteiligter<br />

<strong>Kinder</strong> durch:<br />

<strong>•</strong> Früherkennung von Störungen und Einleitung der<br />

notwendigen Hilfen<br />

<strong>•</strong> allgemeine Gesundheitsförderungsmaßnahmen im<br />

<strong>Kinder</strong>garten<br />

<strong>•</strong> gezielte Förderprogramme im <strong>Kinder</strong>garten<br />

<strong>•</strong> gesundheitsbezogene Elternarbeit<br />

<strong>•</strong> Bereitstellung unterstützender Informationen<br />

<strong>•</strong> Stärkung der gesundheitlichen Kompetenzen des<br />

<strong>Kinder</strong>gartenpersonals,<br />

<strong>•</strong> Sensibilisierung der Erzieher(innen) und Eltern <strong>für</strong><br />

die Gesundheit der <strong>Kinder</strong><br />

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98<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Zielgruppe <strong>alle</strong> <strong>Kinder</strong> ausgewählter <strong>Kinder</strong>tagesstätten sozial benachteiligter<br />

Regionen; Eltern, die ihre <strong>Kinder</strong> nicht<br />

oder erst sehr spät <strong>für</strong> die <strong>Kinder</strong>gärten anmelden<br />

Anzahl der Teilnehmer 15 <strong>Kinder</strong>tagesstätten<br />

<strong>•</strong> gesundheitsfreundliche Gestaltung der Abläufe<br />

im <strong>Kinder</strong>gartenalltag und der räumlichen<br />

Bedingungen<br />

<strong>•</strong> Verbesserung der örtlichen Vernetzung und Kooperation<br />

von <strong>Kinder</strong>tagesstätten mit sozialen Einrichtungen,<br />

Fachdiensten, Praxen und Sportvereinen<br />

Wo? verschiedene Kölner Stadtteile und -viertel, Auswahl<br />

nach den Daten der Jugendhilfeplanung<br />

Methoden/Themen Angebote in methodischer Vielfalt <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>, Erzieherinnen<br />

und Eltern mit Schwerpunkten auf gesunder<br />

Ernährung, Kariesprophylaxe, Bewegungsförderung,<br />

Hilfen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> mit Defiziten (Sprachförderung, soziale<br />

Kompetenzen) und Aktivitäten des <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendgesundheitsdienstes (z.B. um Impflücken zu<br />

schließen).<br />

Durchgeführt wurden u.a.:<br />

Für die Erzieherinnen: Fortbildungen zu den Themen<br />

Motorik, Sprachentwicklung, emotionale Reife, Entwicklungsdiagnostik<br />

oder Bewegungsdiagnostik.<br />

Für die Eltern: Elternabend zum Thema „Psychomotorik“<br />

mit Übersetzung in die türkische Sprache, Arztund<br />

Beratungssprechstunden.<br />

Für die <strong>Kinder</strong>: Reihenuntersuchungen, Sprachförderung,<br />

Sinnesschulung und Bewegungsangebote.<br />

Laufzeit Ab Herbst 1998<br />

Projektinitiator Antrag der SPD-Fraktion, Projekt im Rahmen des<br />

Modellprogramms „Ortsnahe Koordinierung der gesundheitlichen<br />

und sozialen Versorgung“ des Landes<br />

NRW, Arbeitsgruppe „Gesundheitsförderung <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong><br />

im <strong>Kinder</strong>gartenalter in Regionen mit besonderem<br />

Hilfebedarf“<br />

Netzwerk, Kooperation Gesundheitsamt, Jugendamt, <strong>Kinder</strong>gärten, Erzieher,<br />

Eltern, <strong>Kinder</strong>ärzte, Zentrum <strong>für</strong> Frühbehandlung und<br />

Frühförderung, Logopäden, Sportvereine, Sportamt,<br />

BZgA, Sozialpädagogen<br />

Finanzierung Mittel der Ernst-Wendt-Stiftung, Landesmittel


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

„Leben mit <strong>Kinder</strong>n <strong>–</strong> Living together with children“ im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald<br />

Ziele Familien in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen und<br />

eine Verbesserung der familiären Kommunikation bewirken<br />

Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen<br />

bei <strong>Kinder</strong>n vermeiden<br />

Zielgruppe Eltern und Familien mit <strong>Kinder</strong>n<br />

Anzahl der Teilnehmer 100 Familien in der Pilotgemeinde Umkirch. Zudem<br />

100 Familien in Gesprächsrunden („Familientische“)<br />

und 35 Familien in zwei weiteren Gemeinden<br />

Wo? Pilotprojekt in Umkirch. Ausweitung auf weitere Gemeinden<br />

im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald<br />

Methoden/Themen <strong>•</strong> Knüpfen von Netzwerken zur Unterstützung von<br />

Familien in interessierten Landkreisgemeinden mit<br />

Experten und Laien aus Verwaltung, Verbänden,<br />

bürgerschaftlichem Engagement, pädagogischpsychologischen<br />

Fachdiensten und den Familien<br />

selbst.<br />

<strong>•</strong> Schaffen von Begegnungs-, Austausch- und Bildungsorten,<br />

wobei an bereits vorhandene Strukturen<br />

angeknüpft wird.<br />

<strong>•</strong> Unterstützung der Familien bei Fragen zur Erziehung<br />

und des Zusammenlebens mit <strong>Kinder</strong>n in Gesprächskreisen.<br />

<strong>•</strong> Entwickeln einer eigenen Projektkultur, die gekennzeichnet<br />

ist durch gemeinsames Lernen von<br />

Familien, Fachleuten und Verwaltung.<br />

Laufzeit Pilotprojekt: 1999 <strong>–</strong> 2001, Ausweitung auf den Landkreis:<br />

2001 <strong>–</strong> 2003<br />

Projektträger Arbeitsgemeinschaft Gesundheit in der Stadt Freiburg<br />

und im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit ihrem<br />

Verein „Gesundheit <strong>für</strong> <strong>alle</strong> in der Stadt Freiburg<br />

und im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald“<br />

Netzwerk, Kooperation Arbeitsgemeinschaft Gesundheit, Kreisjugendamt,<br />

Deutscher Familienverband (Landesverband Baden-<br />

Württemberg e.V.), Lebenshilfe Müllheim e.V., <strong>Kinder</strong>gärten,<br />

Krabbelgruppen, Elterninitiativen, Wohlfahrtsverbände,<br />

Schulen, Ärzte, Logopäden, Heilpädagogen,<br />

Erziehungsberatungsstellen, Suchtberatungsstellen...<br />

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100<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Finanzierung<br />

Projektkoordinatorin und<br />

Ansprechpartnerin<br />

„Clever wirtschaften <strong>–</strong> gesund leben“ in Offenburg<br />

Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Robert-<br />

Bosch-Stiftung Stuttgart, Karl-Kübel-Stiftung Bensheim,<br />

SM Baden-Württemberg, LGA Baden-Württemberg,<br />

örtliche Gemeindeverwaltungen<br />

Renate Pfumpfei, AG Gesundheit, Starkenstr. 44,<br />

79104 Freiburg, Tel.: 0761/2187-663<br />

Ziele Förderung von Alleinerziehenden mit geringem Einkommen<br />

und von Sozialhilfeempfängern.<br />

Kompetenzen erweitern im Umgang mit Banken und<br />

Versicherungen.<br />

Informationen vermitteln bzgl. Haushaltsorganisation<br />

sowie gesunder und preiswerter Ernährung,<br />

Aufzeigen von „Second Hand“-Einkaufsmöglichkeiten,<br />

Stärkung der Eigeninitiative und Selbsthilfekompetenz,<br />

Förderung von Kontakten zwischen Menschen in ähnlicher<br />

Lebenssituation.<br />

Zielgruppe Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende<br />

Zielgruppenansprache Einbeziehen von Betroffenen in die Planung der Maßnahme<br />

auf der Basis von §§ 18,19 (Hilfe zur Arbeit)<br />

und mit Hilfe der Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen<br />

Dienstes des Landratsamtes.<br />

Wo? Ortenaukreis<br />

Methoden/Themen Tagesveranstaltung mit Vorträgen und Workshops:<br />

Praktische Anleitung zu wirtschaftlichem Handeln.<br />

Themen: Umgang mit Banken und Versicherungen.<br />

Organisation des Haushaltes, <strong>Gesunde</strong> Ernährung<br />

Information über preiswerte Freizeitangebote <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche.<br />

<strong>Kinder</strong>betreuung während der Veranstaltung mit Spielen<br />

und Aktivitäten zur Ernährungserziehung und Entspannung.<br />

Laufzeit Seit 1998<br />

Netzwerk, Kooperation Kreissozialamt, Schuldnerberatung des Kreissozialamtes,<br />

Ernährungszentrum Südlicher Oberrhein,<br />

Fachfrauen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>ernährung, Fachschule <strong>für</strong> Sozialpädagogik<br />

Gengenbach, Verbraucherzentrale


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Projektträger Dienst <strong>für</strong> Gesundheitsförderung und soziale Prävention<br />

im Amt <strong>für</strong> Soziale und Psychologische Dienste,<br />

Landratsamt Ortenaukreis<br />

Besonderheiten <strong>•</strong> Bedarfserhebung durch Fragebogenaktion bei <strong>alle</strong>n<br />

Teams der Sozialen Dienste und im Rahmen einer<br />

moderierten Veranstaltung mit Betroffenen<br />

<strong>•</strong> Bildung einer amtsübergreifenden Arbeitsgruppe<br />

zur praktischen Umsetzung<br />

<strong>•</strong> Modellprojekte als Vorläufer<br />

<strong>•</strong> Evaluation durch Teilnehmerbefragung sowie Auswertungsgesprächen<br />

mit den Referenten<br />

Finanzierung Sozialamt, LAG Baden-Württemberg<br />

Projektinitiatorin und<br />

Ansprechpartnerin<br />

Andrea Blaser,<br />

Dienst <strong>für</strong> Gesundheitsförderung und<br />

Soziale Prävention, Landratsamt Ortenaukreis,<br />

Badstraße 20, 77652 Offenburg, Tel.: 0781/805-770<br />

Oft ergibt sich auch die Gelegenheit, im Rahmen größerer Projekte <strong>–</strong> wie Agenda 21 oder <strong>Gesunde</strong>-Städte-Netzwerk<br />

<strong>–</strong> einen Themenschwerpunkt „<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit“<br />

unterzubringen und mit anderen Aktionen zu verknüpfen. Ein Beispiel:<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in Rostock<br />

Als Mitglied im <strong>Gesunde</strong>-Städte-Netzwerk hat sich die Stadt Rostock vorgenommen,<br />

die bestehenden sozialen und gesundheitlichen <strong>Chancen</strong>ungleichheiten<br />

zu verringern. Koordiniert durch den Bereich Gesundheitsförderung<br />

des Gesundheitsamtes stellt die AG „Kommunale Gesundheitsförderung“<br />

besonders Aktivitäten <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in den Mittelpunkt ihrer<br />

Arbeit. Eine der Plattenbausiedlungen im Nordwesten der Stadt, der Ortsamtsbereich<br />

Evershagen, wurde als Tätigkeitsfeld ausgewählt. In Kooperation<br />

mit den Akteuren des Wohnumfeldverbesserungsprogrammes, den Arbeitskreisen<br />

und Projekten „Gesundheitsfördernde Infrastruktur“, „<strong>Gesunde</strong><br />

Ernährung in der Schule“, „Unfallverhütung bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen“,<br />

„Zukunftswerkstatt Gesundheitssport“ und vielen anderen mehr<br />

sollen im Rahmen des <strong>Gesunde</strong>-Städte-Projekts und des Agenda 21-Prozesses<br />

Nord-West folgende Ziele verwirklicht werden: Entwicklung einer kinderfreundlichen<br />

Politik, Schaffen eines kinderfreundlichen Wohnumfeldes<br />

und Vernetzung der bereits bestehenden gesundheitlichen und sozialen<br />

Versorgungsstrukturen im Stadtteil durch die Organisation einer Stadtteilkonferenz<br />

zum Thema „<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in<br />

Evershagen“. Die Aktivitäten umfassen u.a. eine Bürger(innen)befragung<br />

zur Zufriedenheit im Ortsteil, Projekte wie „Der gesunde Schulkiosk“ und<br />

„<strong>Kinder</strong>stadtplan Evershagen“, die Gestaltung von <strong>Kinder</strong>spielplätzen mit<br />

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102<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

<strong>Kinder</strong>beteiligung und die Öffnung von Schulen und KITAS zur Freizeitgestaltung.<br />

Ansprechpartnerin: Dr. Angelika Baumann, Gesundheitsamt Rostock,<br />

St.-Georg-Str. 109, 18055 Rostock, Tel. 0381/3815376<br />

Die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Im Folgenden sollen anhand von stichwortartig<br />

beschriebenen Projekten aus dem ganzen Bundesgebiet Anregungen <strong>für</strong> Projektthemen geliefert<br />

werden. Das Feld möglicher Aktivitäten ist dabei denkbar groß. Speziell der Zielgruppe <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche widmen sich <strong>alle</strong>rdings erst verhältnismäßig wenige Aktionen. Deshalb sind<br />

hier auch Beispiele <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung anderer Zielgruppen mit sozialer Benachteiligung<br />

aufgeführt.<br />

Akteure und Projekte zur Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten im<br />

Bundesgebiet <strong>–</strong> eine exemplarische Liste<br />

Akteure Projekte und Aktivitäten<br />

Kreis-Gesundheitsamt Ludwigsburg<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Eva Belzner,<br />

Hindenburgstr. 20/1,<br />

71631 Ludwigsburg,<br />

Tel. 07141/144-1338<br />

Arbeitsgemeinschaft Prävention<br />

und Gesundheitsförderung,<br />

Tübingen<br />

Ansprechpartner:<br />

Dr. Harald Barkhoff,<br />

Wächterstr. 67,<br />

72074 Tübingen<br />

Workshop am <strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfetag<br />

2001<br />

„Arm und krank <strong>–</strong> reich und gesund?“ <strong>für</strong> Multiplikatoren<br />

aus dem Bereich der Jugendhilfe mit Kurzvorträgen,<br />

Projektdarstellungen und Erarbeitung<br />

von Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Gesundheitsförderung<br />

von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n<br />

und Jugendlichen<br />

Projekt „Big Girls“<br />

Gruppenangebot <strong>für</strong> 12 <strong>–</strong> 14jährige übergewichtige<br />

Mädchen <strong>für</strong> den Zeitraum von einem Jahr.<br />

Ziele: Übergewicht reduzieren, Selbstbewusstsein<br />

steigern, Bewegungsfreude stärken, Körperbewusstsein<br />

verbessern.<br />

14-tägige Gruppensitzungen: Erfahrungsaustausch,<br />

Spiele, Schminken, Informationen zur gesunden Ernährung,<br />

gemeinsames Kochen. Zweimal pro Woche<br />

Sport. Elternabende zu verschiedenen Themen.<br />

Projekt: „Gesundheitsförderung <strong>für</strong> Auszubildende“<br />

Ziel: Stärkung des Gesundheitsbewusstseins von<br />

Auszubildenden durch neue Unterrichtsverfahren,<br />

die in Kooperation von Berufsschullehrern und<br />

schulexternen Experten (wie psychosoziale Beratungsstellen,<br />

Drogenberatung, Gesundheitsamt,<br />

Krankenkassen) durchgeführt werden. Ca. 140 Berufsschüler<br />

nahmen teil.


Gesundheitsamt Mannheim<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Frau Dr. Engler-Thümmel,<br />

GA Mannheim<br />

Postfach 100014<br />

68149 Mannheim<br />

Tel. 06 21/29 3-0<br />

Kreisjugendring Ravensburg<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Frau Margarete Bareis,<br />

Kreisjugendring Ravensburg<br />

Franz-Stapf-Str. 8<br />

88212 Ravensburg<br />

Landratsamt Karlsruhe, Arbeitskreis:<br />

„Gesundheit und Schulden“<br />

Ansprechpartner:<br />

Martin Siegl-Ostmann,<br />

Regionale Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong><br />

Gesundheitsförderung<br />

Landratsamt Karlsruhe,<br />

Beiertheimer Allee 2,<br />

76126 Karlsruhe<br />

Tel.: 0721/936-5908<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Folgende Projektthemen wurden gemeinsam in Arbeitskreisen<br />

vorbereitet und behandelt: Kommunikation<br />

und Konfliktlösung, belastende Faktoren,<br />

Umgang mit Emotionen und Stress, Identitätsfrage,<br />

Lebensziele, Suchtverhalten Arbeitssicherheit, Ernährung,<br />

HIV-Infektion und Sexualhygiene, Bewegung<br />

und Fitness.<br />

Projekt „Gesundheitsförderung in einem<br />

Stadtteil mit hoher Sozialhilfedichte“<br />

Ziele: Positive Änderung gesundheitsschädlicher<br />

Verhaltensweisen, Stärkung des psychosozialen<br />

Wohlbefindens, Erhöhung der Inanspruchnahme<br />

der jedem Kind zugänglichen Gesundheitsvorsorge.<br />

Zielgruppen: <strong>Kinder</strong>, Jugendliche, Mütter.<br />

Maßnahmen: Gezielte Öffentlichkeitsarbeit <strong>für</strong> die<br />

Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen<br />

und Impfprogramme, Aktionen der Gesundheitsaufklärung<br />

und Information, spezifische Programme<br />

zum Thema Ernährung und zur Hygieneerziehung<br />

in <strong>Kinder</strong>garten und Schule, Ausbau von<br />

Einrichtungen der Infrastruktur wie Spielplätze und<br />

Bürgertreffs, Verbesserung der Gesundheitsvorsorge<br />

z.B. durch die Schulsprechstunde.<br />

„Bewegungstheaterprojekt mit Mädchen“<br />

Ziel: Selbstbestimmte sinnvolle Freizeitgestaltung,<br />

eigene Fähigkeiten entdecken, alternative Ausdrucksformen<br />

finden, Fähigkeiten der Mädchen<br />

aufwerten.<br />

Sozial benachteiligte Mädchen unterschiedlicher<br />

Nationalität erhielten die Möglichkeit, unter theaterpädagogischer<br />

Anleitung selbst gewählte Themen<br />

mit eigenen Methoden und Ausdrucksformen<br />

zu entwickeln.<br />

Zwei Umfragen an Schulen<br />

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis „Gesundheit<br />

und Schulden“ werden in verschiedenen Klassenstufen<br />

an Gymnasien Schüler(innen) zur Erwerbs-<br />

und Verschuldenssituation befragt. Ziel ist<br />

es, Datengrundlagen <strong>für</strong> eine zukünftige Präventionsarbeit<br />

zu erhalten.<br />

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104<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Landratsamt Karlsruhe,<br />

Gesundheitsamt<br />

Beiertheimer Allee 2,<br />

76126 Karlsruhe<br />

Gesundheitsamt Rems-Murr-Kreis<br />

Ansprechpartner:<br />

Karin Müller und Kai Schröder,<br />

Gesundheitsamt Rems-Murr-Kreis,<br />

Bahnhofstraße 1,<br />

71332 Waiblingen,<br />

Tel.: 07151/501-620<br />

Projekt: „Lust auf Leben“<br />

Angstabbau und Persönlichkeitsentwicklung<br />

<strong>für</strong> junge Aussiedlerinnen.<br />

Ziel: Förderung von gesundheitsbewusstem Verhalten<br />

durch Aufzeigen von medizinischen und finanziellen<br />

Hilfen, die den psychischen Druck mildern. Prävention<br />

von Frühgeburten.<br />

An 3 Schulvormittagen wurden mit den Frauen folgende<br />

Themen erarbeitet:<br />

Ausdrucksformen und Begegnung, Distanz und Nähe,<br />

Körperwahrnehmung, Sexualität, Empfängnisverhütung<br />

und Sucht.<br />

Sprechstunde <strong>für</strong> Aussiedler(innen) im Gesundheitsamt<br />

und Führungen durch das Amt zum Abbau der<br />

Ängste vor Behörden.<br />

Projekt: „Gesundheitsförderung und Suchtprävention<br />

mit sozial/-bildungsbenachteiligten<br />

Mädchen und jungen Frauen einer hauswirtschaftlichen<br />

Schule.<br />

Ein Projekt des Gesundheitsamts in Kooperation<br />

mit der Maria-Merian-Schule in Waiblingen und der<br />

Suchtberatung Waiblingen.<br />

Ziel: Sensibilisierung <strong>für</strong> eigene Bedürfnisse, Körperbewusstsein,<br />

Gefühle wahrnehmen und äußern<br />

können, soziale Kompetenz und Stress-Coping-<br />

Strategien entwickeln. Erlebnisorientiertes Vorgehen<br />

wie Tanz, Rollenspiel, Theater, Entspannung,<br />

Massage. Praktisches Tun zu den Themen: Schönheit,<br />

Körper und Identität<br />

Projekt: „Stadtteilbezogene Gesundheitsförderung<br />

mit Jugendlichen in Waiblingen-Süd“.<br />

Ziele: Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen<br />

Bürgern und Experten aus dem Sozial-, Jugend- und<br />

Gesundheitsbereich sowie Erkenntnisgewinn bezüglich<br />

der Umsetzung von Strategien der Gesundheitsförderung<br />

im Jugendbereich. Stärken von Lebenskompetenzen<br />

sozial benachteiligter Jungen und<br />

Mädchen, bessere Gestaltung der Spielflächen im<br />

Stadtteil und mehr Freizeitangebote in Kursform <strong>für</strong><br />

Jugendliche, Eröffnung eines Jugendclubs im Stadtteil,<br />

Stadtteilrundenarbeit.<br />

Maßnahmen: Angebote <strong>für</strong> Mädchen und/oder Jungen<br />

vor <strong>alle</strong>m zur Freizeitgestaltung (wöchentlich


Jugendamt am Landratsamt<br />

Bodenseekreis in Friedrichshafen<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Frau Sabine Braig,<br />

Kreisjugendamt Bodenseekreis,<br />

Albrechtstraße 75,<br />

88045 Friedrichshafen,<br />

Tel.: 07541/2 04-4 43<br />

Ministerium <strong>für</strong> Arbeit, Soziales,<br />

Gesundheit und Frauen<br />

des Landes Brandenburg<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Frau Bolz, Koordinatorin Prignitzer<br />

Servicestelle Arbeit und Gesundheit,<br />

Heinrich-Heine Platz 4,<br />

19322 Wittenberge<br />

Ortsverband Brake des Deutschen<br />

<strong>Kinder</strong>schutzbundes<br />

Ansprechpartner:<br />

Deutscher <strong>Kinder</strong>schutzbund<br />

Ortsverband Brake e.V.,<br />

Bürgermeister-Müller-Str. 13,<br />

26919 Brake<br />

Tel.: 04401/4588<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

und Ferienprogramme) wie Boote und Seifenkisten<br />

bauen mit Regatta und Seifenkistenrennen, Jazz-<br />

Dance, Selbstverteidigungskurse, Teenieclub und<br />

Aktionen in den Bereichen Körperwahrnehmung<br />

(Schwimmbad, Sauna), Bewegung und Kochen.<br />

„Familientreffs“<br />

als offene, dezentrale und wohnortnahe Anlaufstellen<br />

<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>, Jugendliche und Familien.<br />

Ziel: Einrichten von präventiven Angeboten, die <strong>für</strong><br />

junge Menschen und ihre Familien positive Lebensbedingungen<br />

und eine kinder- und familienfreundliche<br />

Umwelt schaffen. Selbsthilfegruppen, Ehrenamtliche<br />

und Professionelle bieten Gruppen <strong>für</strong> Eltern<br />

und <strong>Kinder</strong>, Elterngesprächskreise,<br />

Informations- und Beratungsangebote und Kurse<br />

z.B. zur Konfliktbearbeitung und zu Erziehungsfragen<br />

an. Möglichkeit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> zu sozialem Lernen<br />

und Entlastungsangebote <strong>für</strong> Alleinerziehende.<br />

Projekt: „Arbeitslosigkeit und Gesundheit“<br />

<strong>für</strong> langzeitarbeitslose Personen mit gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen im Landkreis<br />

Prignitz.<br />

Ziel: Gesundheit und Vermittlungschancen auf<br />

dem Arbeitsmarkt der betroffenen Personen verbessern.<br />

<strong>•</strong> Einrichtung einer Servicestelle als Beratungs-,<br />

Kontakt- und Informationseinrichtung<br />

<strong>•</strong> einzelfallbezogene Arbeit sowie Koordinationsund<br />

Netzwerkaufgaben<br />

<strong>•</strong> Vermittlung von Bewältigungsstrategien, um<br />

Alltagskompetenzen zu stärken und gesundheitsfördernde<br />

Ressourcen zu mobilisieren<br />

Projekt: „Schulung der Sinne“<br />

<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in der Grundschule, die mit einer Lernbehinderung<br />

oder durch aggressives und unsoziales<br />

Verhalten auff<strong>alle</strong>n.<br />

Ziel: Steigerung des Selbstwertgefühls und Vermittlung<br />

sozialer Anerkennung.<br />

Schüler(innen) lernen, den Teufelskreis von Verhaltensauffälligkeiten,<br />

negativer Rückmeldung und eigener<br />

innerer Aggression zu durchbrechen. Metho<br />

105


106<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

AWO Kreisverband Lüneburg,<br />

Ministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Forsten des Landes<br />

Niedersachsen, Sozialministerium<br />

des Landes Niedersachsen<br />

Ansprechpartner:<br />

Günter Wernecke,<br />

AWO Lüneburg/Lüchow-Dannenberg,<br />

Bülows Kamp 35,<br />

21337 Lüneburg<br />

Zentrum <strong>für</strong> Angewandte Gesundheitswissenschaften,<br />

Lüneburg<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Christiane Deneke,<br />

Zentrum <strong>für</strong> Angewandte Gesundheitswissenschaften,<br />

Fachhochschule Nordostniedersachsen,<br />

Wilschenbrucherweg 84a,<br />

21335 Lüneburg<br />

Diakonisches Werk in Hannover<br />

Ansprechpartner:<br />

Hans-Georg Kuhlenkampf,<br />

Diakonisches Werk,<br />

Burgstraße 8/10,<br />

30159 Hannover,<br />

Tel.: 0511/3687134<br />

den werden vermittelt, Gefühle wahrzunehmen und<br />

in konstruktive Bahnen zu lenken. Entwicklung eines<br />

Handbuchs <strong>für</strong> Grundschullehrer.<br />

Projekt: „PreisWerte Ernährung“<br />

<strong>für</strong> sozial benachteiligte Bewohner eines Stadtteils<br />

seit 1996.<br />

Ziel: Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten<br />

der Bewohner(innen) sozialer Brennpunkte sowie<br />

der Versorgung von Schülern. Angebote und Aktivitäten<br />

wurden gemeinsam mit den Teilnehmer (innen)<br />

des Projekts entwickelt: Mittagstisch <strong>für</strong><br />

(Grund-) Schüler, Bewohnerfrühstück, Seminare<br />

zur Ernährung, Projekte im Sinne des Lernortes<br />

Bauernhof, Veröffentlichung eines Kochbuches.<br />

Alle Veranstaltungen waren ausschließlich „Mitmach-Veranstaltungen“<br />

mit aktivierenden und kommunikativen<br />

Anteilen, freiwillig und <strong>alle</strong>n zugänglich.<br />

Das Projekt zeichnet sich aus durch einen sehr<br />

großen Kreis an Kooperationspartnern aus Schulen,<br />

Gesundheitsamt, sozialen Diensten des Stadtteils,<br />

Verbraucherzentrale, der Lüneburger Tafel und dem<br />

Büro der Frauenbeauftragten von Stadt und Landkreis<br />

Lüneburg.<br />

Projekt: „Food and more“:<br />

Ernährungsbezogene Projekte <strong>für</strong> sozial benachteiligte<br />

Jugendliche an fünf norddeutschen Standorten<br />

in Niedersachsen und Hamburg.<br />

Mit niedrigschwelligen Angeboten zur Ernährung<br />

(miteinander kochen und essen) in Einrichtungen<br />

der offenen Jugendarbeit (z.B. in Jugendzentren)<br />

wird versucht, Jugendlichen die Lust an gemeinschaftlichen<br />

Aktionen zu vermitteln.<br />

Projekt: „Nordstädter <strong>Kinder</strong>tafel“<br />

- ein Kooperationsprojekt in einem sozialen Brennpunkt<br />

in Hannover.<br />

Ziel: Versorgung sozial benachteiligter <strong>Kinder</strong> mit<br />

einem warmen Mittagessen. Möglichkeiten schaffen,<br />

Hausaufgaben zu erledigen und die Freizeit zu<br />

verbringen.<br />

Seit 1999 erhalten <strong>Kinder</strong> aus dem Stadtteil täglich<br />

eine warme Mahlzeit in den Räumen der Lutherkir


Multikultureller <strong>Kinder</strong>treff<br />

Einswarden „Blauer Elefant“<br />

des DKSB Nordenham<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Ina Korter,<br />

Niedersachsenstraße 19b,<br />

26943 Nordenham,<br />

Tel.: 04731/3042<br />

Fraueninitiative quirl e.V. Bremen<br />

Elsfether Straße 29,<br />

28219 Bremen<br />

Ansprechpartner:<br />

Schulleiter Herr Schweppe,<br />

Schule an der Fritz-Gansberg Straße,<br />

Fritz-Gansberg Straße 22,<br />

28213 Bremen,<br />

Tel.: 0421/36196020<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

che. Zubereitet wird das Essen von Schülerinnen der<br />

Berufsbildenden Schule 7, Anna-Siemsen-Schule.<br />

Kooperationspartner: Berufsbildende Schule, Diakonisches<br />

Werk <strong>–</strong> Kirchenkreissozialarbeit, Ev.luth.<br />

Lutherkirchengemeinde, SPUNK <strong>–</strong> das <strong>Kinder</strong>haus<br />

vom Verein <strong>für</strong> Sport, Kultur und soziale<br />

Arbeit <strong>–</strong> Spokusa e.V.<br />

Finanziert wird die „Nordstädter <strong>Kinder</strong>tafel“ über<br />

das Sozialamt (eine Stelle <strong>–</strong> „Arbeit statt Sozialhilfe“)<br />

und über Spenden aus der Bevölkerung, von<br />

Firmen, Aktionen und Betriebsfesten.<br />

Projekt „Armut und Gesundheit“<br />

Ziel: Steigerung des Wohlbefindens, bessere Körperpflege,<br />

Spass an Fitness und Bewegung, Erproben<br />

gesunder Ernährung, Persönlichkeitsstärkung,<br />

Suchtprävention.<br />

<strong>Kinder</strong> aus einem sozialen Brennpunkt erhalten Angebote<br />

mit monatlichen Schwerpunkten zu den Themen<br />

Fitness, Schönheit, Gesundheit, Suchtprävention<br />

und Körperpflege.<br />

Projekt in Kooperation mit Gesundheitsamt und<br />

Krankenkassen.<br />

Projekt: „Essen in Schulen“ im Rahmen des<br />

Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“<br />

Ziel: Verknüpfung von Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen<br />

mit der Essensversorgung<br />

von <strong>Kinder</strong>n in Schulen. Entlastung <strong>für</strong> berufstätige<br />

Eltern und Frauen, die nach der Erziehungsphase<br />

zurück ins Erwerbsleben wollen. Prävention<br />

und Gesundheitserziehung bei <strong>Kinder</strong>n.<br />

In der Schulküche der Schule an der Fritz-Gansberg-Straße<br />

wird <strong>für</strong> Schulkinder vollwertige Gemeinschaftsverpflegung<br />

hergestellt und ausgegeben.<br />

Erwerbslose Frauen werden hier beschäftigt<br />

und qualifiziert. Schulküche beliefert auch andere<br />

Schulen im Umfeld. Das Projekt ist eine gemeinsame<br />

Initiative der Schule an der Fritz-Gansberg-<br />

Straße, des Senators <strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft,<br />

des Senators <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend<br />

und Soziales, dem Deutschen Hausfrauenbund<br />

und der Fraueninitiative quirl e.V.<br />

107


108<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und<br />

Gesundheit als<br />

Querschnittsaufgabe<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Stadtteilbüro Eidelstedt-Nord<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Conny Schubecker<br />

Stadtteilbüro Eidelstedt-Nord<br />

Projektentwicklung und<br />

Gemeinwesenarbeit<br />

Hörgensweg 59 b, 22523 Hamburg,<br />

Tel. 040/577891<br />

Zum Vertiefen:<br />

Projekt: Soziale Stadtteilentwicklung<br />

Eidelstedt-Nord „Visitenkarte“<br />

Projekte mit Hilfe des Stadtteilbüros <strong>für</strong> benachteiligte<br />

Menschen aus den Großwohnsiedlungen.<br />

Ziel: Verbesserung der Lebensverhältnisse der benachteiligten<br />

Bevölkerung im Wohngebiet. Aktivitäten<br />

im Bereich Gesundheit und Soziales:<br />

Bewegungsraum <strong>für</strong> psychomotorische Übungen<br />

in der Max-Traeger-Grundschule, Großspielgeräte<br />

auf dem Schulhof der Grundschule Heidacker,<br />

Drogenberatungsstelle Cafe 320 mit Präventionstätigkeit<br />

in Zusammenarbeit mit Schulen, mehrwöchiges<br />

Ferienprojekt „Sommer mit Schirm“ mit<br />

Bewohner(inne)n, Vereinen und Pädagogen,<br />

Schulküchenprojekte mit Zubereitung und Verkauf<br />

von gesundem preiswertem Essen in Schulen in<br />

Verbindung mit ABM-Plätzen, Aktion zur Förderung<br />

der Bewegung, Beteiligungsprojekte wie Bürgerforum<br />

oder Stadtteilbeirat.<br />

Deneke, C.; Kaba-Schönstein, L.; W<strong>alle</strong>r, H. (2000): Gesundheitsförderung sozial Benachteiligter<br />

<strong>–</strong> das Projekt „PreisWerte Ernährung (PWE). In: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit<br />

1, S. 21-26<br />

Hofrichter, P.; Altgeld, T. (Hrsg.) (2000): Suppenküchen im Schlaraffenland <strong>–</strong> Armut und Ernährung<br />

von Familien und <strong>Kinder</strong>n in Deutschland. Hannover<br />

Kooperationspartner und Vernetzung: Wer könnte Sie unterstützen?<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit ist eine Querschnittsaufgabe, die verschiedene Ressorts betrifft<br />

<strong>–</strong> Gesundheit, Soziales und Jugend in vorderster Reihe. Verwaltung, Wissenschaft und Politik<br />

sind gefordert, nach gemeinsamen Handlungsformen und Lösungen zu suchen. Interdisziplinäre<br />

Projekte werden im Zusammenhang mit <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit immer wieder<br />

gefordert.<br />

Die Erfahrung zeigt leider, dass sich bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern<br />

oft Hürden in den Weg stellen. Konkurrenzgedanken, das Gerangel um Zuständigkeiten und die<br />

Angst vor Ressortverlust spielen da eine Rolle. Achten Sie auch darauf, wer sich bei Ihrem Projekt<br />

nur als passives Mitglied einbindet (oder einbinden möchte). Weisen Sie auf die Notwendigkeit<br />

einer sinnvollen und gleichwertigen Arbeitsteilung als wichtige Prämisse von Beginn an<br />

hin.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Mehrfach wurde es schon angedeutet: Gerade bei der Arbeit mit und <strong>für</strong> sozial Benachteiligte<br />

sind Kooperationen unverzichtbar. Die wichtigsten Gründe da<strong>für</strong> sind im Folgenden noch einmal<br />

zusammengefasst:<br />

Als Einzelkämpfer haben Sie bei der Bewältigung sozialer Ungleichheit kaum<br />

<strong>Chancen</strong>: „Soziale Ungleichheit und Gesundheit“ ist ein umfassendes gesellschaftliches<br />

und sozialpolitisches Thema und Problem, das Sie nur ressortübergreifend<br />

bearbeiten können.<br />

Sie verringern Ihre Projekt-Kosten durch Einbindung fremder Ressourcen.<br />

Sie sparen Zeit durch Delegation von Aufgaben und nutzen Synergieeffekte.<br />

Sie profitieren von den Kenntnissen, Kontakten und Aktionsräumen Ihrer<br />

Partner: Jeder Kooperationspartner hat einen eigenen Blickwinkel, entdeckt<br />

andere Ansatzpunkte <strong>für</strong> ein Projekt, sieht andere Lücken in der Versorgung.<br />

Sie erhalten schneller den Zugang zur Zielgruppe, weil ein Partner ihn bereits<br />

besitzt.<br />

Gemeinsam sind Sie stärker, wenn z.B. politische Entscheidungen zu fällen<br />

sind und wenn das „Gewicht“ Ihres Anliegens ermittelt wird.<br />

Ihr Projekt kann breiter gestreut werden durch „Schneeb<strong>alle</strong>ffekte“.<br />

Die Transparenz der Angebote und Strukturen verbessert sich.<br />

Gestalten Sie sich ein Netzwerk, auf das Sie bei Folgeprojekten wieder zurückgreifen können.<br />

Vernetzung verkürzt die Wege der Ratsuchenden und schont deren Frustrationstoleranz, insofern<br />

sie nämlich gleich an die richtige Stelle verwiesen werden und nicht lange im Behördendschungel<br />

umherirren. Viele der sozial Benachteiligten haben Schwierigkeiten, ihr Anliegen und<br />

ihre Wünsche zu artikulieren <strong>–</strong> von der Ermittlung differenzierter Zuständigkeiten ganz zu<br />

schweigen.<br />

Netzwerke zu knüpfen ist aber auch mit der Kunst verbunden, Beziehungen herzustellen und<br />

aufrecht zu erhalten. Gelungene Kooperationen haben gemeinsame Ziele, eine verbindliche<br />

Kooperationsstruktur und ein passendes Schnittstellenmanagement. Netzwerke erfordern ein<br />

hohes Maß an Bereitschaft zur Initiative, Öffnung und Kommunikation.<br />

Anlass zur Hoffnung auf eine verbesserte Kooperations- und Vernetzungskultur geben die in<br />

verschiedenen Kommunen bestehenden Arbeitskreise zum Thema „Armut und Gesundheit“<br />

und natürlich die Regionalen Arbeitsgemeinschaften <strong>für</strong> Gesundheit bzw. die Kommunalen Gesundheitskonferenzen.<br />

Arbeitskreise „Armut und Gesundheit“ gibt es bereits <strong>–</strong> einige Beispiele:<br />

Kommune Kooperationspartner, Themen, Aktivitäten<br />

Schwarzwald-Baar Kreis Arbeitskreis der regionalen Arbeitsgemeinschaft mit Vertretern<br />

aus Volkshochschule, AOK-Ernährungsberatung,<br />

Diakonie-Schuldnerberatung, Caritas, Sozialamt, AG Jugendzahnpflege,<br />

Fachfrauen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>ernährung und Lokaler<br />

Agenda 21:<br />

Gute Gründe <strong>für</strong><br />

Kooperationen<br />

Langfristig denken <strong>–</strong><br />

Netzwerke aufbauen<br />

109


110<br />

Arbeitskreise „Armut und<br />

Gesundheit“ <strong>–</strong> einige<br />

Beispiele<br />

Ansprechpartner finden<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Pressearbeit zu Ernährungsprojekten an Schulen, Erstellung<br />

eines Gesundheitsführers „Preiswert und gesund einkaufen“,<br />

Erstellen eines Marketingkonzepts <strong>für</strong> den Gesundheitsführer,<br />

Recherche über Zugangsmöglichkeiten zu<br />

„Armen“. Fortbildung <strong>für</strong> Familienhelferinnen, Sachbearbeitern<br />

des Sozialamtes zur „Ernährung bei knapper Kasse“,<br />

Aktionen zur Bekämpfung des Analphabetismus.<br />

Bielefeld Arbeitskreis der Kommunalen Gesundheitskonferenz: Zusatzbefragung<br />

während der Schuleingangsuntersuchungen<br />

zum Thema „Soziale Lage und Gesundheit“ <strong>–</strong> Analyse des<br />

Zusammenhanges zwischen sozialer Lage und Gesundheit<br />

(1996/97)<br />

Düsseldorf Arbeitskreis der Kommunalen Gesundheitskonferenz: Sondierung<br />

von Auswirkungen von Armut auf die Gesundheit<br />

der Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger (1997/98), Produktion<br />

und Diskussion eines Armutsberichts<br />

Minden-Lübbecke Arbeitskreis der Kommunalen Gesundheitskonferenz: Verbesserung<br />

der Erreichbarkeit von sozial benachteiligten<br />

Gruppen und Konzeption präventiver Maßnahmen<br />

Bochum Arbeitskreis der Kommunalen Gesundheitskonferenz: Feststellung<br />

der Auswirkungen von Armut und Wohnungslosigkeit<br />

auf psychische und physische Gesundheit<br />

Wenn Sie Kooperationspartner suchen, brauchen Sie Ansprechpartner. Das können etwa sein<br />

<strong>•</strong> im <strong>Kinder</strong>garten der/die Leiter(in), die Erzieherinnen, aber auch engagierte Eltern,<br />

<strong>•</strong> in der Schule neben der Schulleitung und den Lehrern auch der Elternbeirat, die Schülermitverwaltung,<br />

der Schulsozialarbeiter oder die Sprecher bestehender örtlicher Schulprojekte,<br />

<strong>•</strong> im Sozialamt der Amtsleiter, die einzelnen Sachbearbeiter, der Schuldnerberater,<br />

<strong>•</strong> im Jugendamt der Amtsleiter, die Sozialarbeiterinnen, der Verantwortliche <strong>für</strong> den<br />

Jugendtreff oder die Zuständige <strong>für</strong> die sozialpädagogische Familienhilfe.<br />

Darüber hinaus finden sich auch in anderen Einrichtungen Personen und Mitarbeiter(innen), die<br />

Kontakte zur Zielgruppe haben. Dazu gehören z.B. Wohlfahrtsverbände, Sozialer Dienst,<br />

Schuldnerberatung, Selbsthilfegruppen, Jugendhilfeplaner oder <strong>Kinder</strong>ärzte.<br />

Andere können einen fachlichen Input leisten. Nehmen wir das Beispiel Ernährungserziehung<br />

<strong>–</strong> da könnten dies die Fachfrauen <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>ernährung (in Baden-Württemberg), die Ernährungszentren,<br />

die Ernährungsberatung der Krankenkassen, die Verbraucherzentrale, Hersteller<br />

<strong>für</strong> Säuglingsnahrung oder (<strong>Kinder</strong>)Ärzte sein.<br />

Wieder andere können finanziell unterstützen, Preise sponsern, sich mit eigenen Aktionen<br />

beteiligen, zur Verpflegung der Teilnehmer beitragen. Da<strong>für</strong> kommen Krankenkassen, Banken


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

und Sparkassen, lokale mittelständische Unternehmen, Nahrungsmittelfirmen, lokale Gastronomie<br />

oder Großküchen in Frage.<br />

Auf „höherer Ebene“, in Beiräten, in Ausschüssen, in den unterschiedlichen Gremien von<br />

Politik und Administration, aber auch bei der Presse und in der Öffentlichkeit können Sie Ihre<br />

Interessen anwaltschaftlich vertreten lassen <strong>–</strong> z.B. durch den Bürgermeister oder eine Stadträtin,<br />

die Sie als Schirmherrin <strong>für</strong> Ihr Projekt gewonnen haben, durch einen lokalen VIP (z.B. bekannter<br />

Schauspieler oder Sportler), den Sie als Sympathieträger und Plakatfigur verpflichten,<br />

durch die Gesundheits- und Sozialdezernentin, die sich ressortbedingt <strong>für</strong> den Zusammenhang<br />

von sozialer Benachteiligung und Gesundheit interessiert.<br />

Natürlich sind auch wieder die RAG oder die Kommunale Gesundheitskonferenz aussichtsreiche<br />

Quellen <strong>für</strong> Kooperationsbeziehungen. Und nicht zuletzt sollten Sie Ihr eigenes Amt nicht<br />

vergessen: Wer ist bei den Betroffenen vor Ort? Wer ist Experte beim Thema Armut und/oder<br />

Gesundheit und/oder <strong>Kinder</strong> und Jugendliche? Wer hat bereits Erfahrung mit Projekten zum<br />

Thema <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit? Bei genauerem Hinschauen ergeben sich manchmal<br />

auch in der nächsten Umgebung überraschende Kooperationsmöglichkeiten.<br />

Die Rahmenbedingungen: Was brauchen Sie <strong>für</strong> ein erfolgreiches Projekt?<br />

Zu einer guten Projekt-Organisation gehört es, die beeinflussbaren und die gegebenen Rahmenbedingungen<br />

einzuplanen. Wo können Sie Einfluss nehmen? Womit müssen Sie sich arrangieren?<br />

Was ist unverzichtbar? Kann man das Projekt an die Rahmenbedingungen anpassen?<br />

Anhand des Beispiels einer Informationsveranstaltung wollen wir <strong>–</strong> ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />

<strong>–</strong> eine exemplarische kleine Liste formulieren:<br />

Der Raum<br />

Um welche Veranstaltungsform handelt es sich (Kurs, Wochenendseminar,<br />

Gesprächskreis, Bürgerversammlung, Aktionsstand, Ausstellung, Sommerfest)?<br />

Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?<br />

Welche Räumlichkeiten sind im Quartier / in Teilnehmernähe verfügbar?<br />

Gibt es Räume, die kostenlos zur Verfügung stehen?<br />

Wie viele Tische und Stühle benötigen Sie bzw. sind verfügbar?<br />

Erlaubt der Raum ein optimales Arrangement von Tischen und Stühlen?<br />

Welche Sitzgruppierung passt am besten zu Inhalt, Methode und Zielgruppe<br />

Ihrer Veranstaltung?<br />

Welche Materialien sind im Raum vorhanden? Was müssen Sie besorgen?<br />

(Stifte, Papier, Namensschilder, Overhead-Projektor, Tafel, Flip-Chart,<br />

Kücheneinrichtung, Spielsachen)<br />

Ist der Raum hell genug?<br />

Verfügt der Raum über eine Garderobe?<br />

Checkliste<br />

„Rahmenbedingungen“<br />

111<br />

Quellen <strong>für</strong> Kooperationen


112<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Die Zeit<br />

Findet die Veranstaltung zu einer Zeit statt, die <strong>für</strong> die Zielgruppe günstig ist?<br />

Wieviel Zeit sollen Sie ansetzen <strong>–</strong> um Ihre Inhalte und Methoden angemessen<br />

zu berücksichtigen und die Teilnehmer nicht zu überfordern?<br />

An welchem Tag findet die Veranstaltung statt? Sind Sie sicher, dass Ihre Veranstaltung<br />

keine übermächtige Konkurrenz hat (muslimischer Feiertag, Fußballspiel<br />

im Fernsehen, andere Veranstaltungen)?<br />

Die Kosten<br />

Was kostet die Veranstaltung? Was müssen die Teilnehmer bezahlen?<br />

Welche Möglichkeiten der Finanzierung und des Sponsoring gibt es?<br />

Wer kommt als Geldgeber in Frage?<br />

Was bekommen Sie kostenlos (Medien, Tagungsgetränke, Schautafeln,<br />

Broschüren)?<br />

Apropos Kosten: Auch Gesundheitsförderung <strong>für</strong> arme Menschen kostet Geld. Schon in der<br />

Vorbereitungsphase Ihrer Aktion sollten Sie den erforderlichen finanziellen Rahmen gesichert<br />

haben. Eine größere Aussicht auf eine längerfristige Projektförderung haben Sie vielleicht,<br />

wenn Sie mit einer wissenschaftlichen Einrichtung kooperieren, die sich an der Bedarfserhebung<br />

und Evaluation beteiligt und da<strong>für</strong> Forschungsgelder beantragt. Zu diesem Thema haben<br />

wir Ihnen eine Liste zum Ausfüllen abgedruckt.<br />

Wer kommt als Förderer in Frage? Wer könnte das <strong>für</strong> Sie sein?<br />

Landesjugendamt<br />

Jugendamt<br />

Sozialamt<br />

Staatliches Schulamt<br />

Wohlfahrtsverbände<br />

Krankenkassen nach<br />

§ 20 SGB V, Abs. 1:<br />

primäre Prävention,<br />

Schwerpunkt sozial Benachteiligte<br />

§ 20 SGB V, Abs. 2:<br />

betriebliche Gesundheitsförderung<br />

§ 20 SGB V, Abs. 4:<br />

Förderung der Selbsthilfe


Sponsoren<br />

<strong>•</strong> Banken<br />

<strong>•</strong> Betriebe vor Ort<br />

<strong>•</strong> Pharmafirmen<br />

Stiftungen<br />

<strong>•</strong> Wüstenrotstiftung<br />

<strong>•</strong> Kreissparkassen-Stiftung<br />

<strong>•</strong> Bertelsmann-Stiftung<br />

<strong>•</strong> Herzstiftung<br />

usw.<br />

Bürgerschaftliches Engagement<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Außer direkter Finanzhilfe können auch Sachmittel sehr hilfreich sein. Dazu gehören z.B. Demonstrationsmaterial,<br />

kleine Preise <strong>für</strong> Gewinnspiele, Lebensmittel und Getränke <strong>für</strong> Tagungsverpflegungen.<br />

Da<strong>für</strong> kommt eine Vielzahl von Sponsoren in Frage, wie z.B. Optiker, Sportfachgeschäfte,<br />

Sportvereine, Spielwarengeschäfte, Telefonanbieter, Getränkemärkte, Caterer,<br />

Gaststätten, Reformhäuser, Bäcker und Metzger oder Obst- und Gemüsehändler. Oder schalten<br />

Sie sich in große Projekte ein, wie z.B. derzeit die Gesundheitskampagne „5 mal täglich Obst<br />

und Gemüse“, die von der deutschen Krebsgesellschaft koordiniert wird und die viele namhafte<br />

Firmen und Institutionen unterstützen.<br />

Wie werben Sie <strong>für</strong> Ihr Projekt?<br />

Projekte leben von Teilnehmern, aber wie erreichen Sie die? Gehen Sie davon aus, dass sozial<br />

benachteiligte Menschen eher selten bei den üblichen Bildungsträgern anzutreffen sind <strong>–</strong> aus<br />

Gründen, die hier im Heft schon ausführlich geschildert wurden. Sie werden in der Regel die<br />

einschlägigen Veranstaltungskalender und Programme nicht lesen.<br />

Es hat sich bewährt, die Zielgruppe über direkte Ansprachen zu motivieren. Tun Sie das vor<br />

Ort. Das kostenlose Werbemedium „Mundpropaganda“ können Sie vor <strong>alle</strong>m bei Stadtteilaktionen<br />

gut nutzen. Suchen Sie sich Schlüsselpersonen, die einen guten Kontakt zum gewünschten<br />

Teilnehmerkreis haben. Das können Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen sein oder auch<br />

Betroffene, die Sie bereits kennen. Wenn Sie sich vor Augen halten, dass an einem normalen<br />

Vormittag bei jedem Sachbearbeiter im Sozialamt ca. 20 Menschen vorsprechen und jeder Antragsteller<br />

auf Ihr Projekt hingewiesen wird, dann erfahren rund 100 Personen in der Woche von<br />

Ihrem Vorhaben nur durch diesen einen Kollegen.<br />

Denken Sie darüber nach, wer über Adressen von sozial benachteiligten Menschen verfügt.<br />

Diese Kollegen könnten per Rundschreiben, z.B. zusammen mit dem Sozialhilfebescheid, Einladungen<br />

zu Ihrer Maßnahme beilegen. Sollten Sie eine Rückmeldung wünschen, wer teilnimmt,<br />

dann vergessen Sie bitte nicht, auch einen frankierten Briefumschlag hinzuzufügen.<br />

Die Tagespresse wird aus Kostengründen von sozial Benachteiligten eher selten abonniert.<br />

Hilfreiche Sachmittel<br />

Mundpropaganda<br />

113<br />

Multiplikatoren einbinden


114<br />

Wochenblätter anschreiben<br />

Andere Werbetipps<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Bessere <strong>Chancen</strong>, Ihr Projekt bekannt zu machen, bieten die kostenlosen Wochenblätter, die<br />

häufig automatisch in den Briefkästen landen. Für die Bewerbung Ihrer Projekte bei der Zielgruppe<br />

der sozial Benachteiligten haben sich außerdem folgende Vorgehensweisen bewährt:<br />

Arbeiten Sie direkt im Setting: Platzieren Sie Plakate in den Hauseingängen<br />

im sozialen Brennpunkt, nutzen Sie zentrale Anlaufpunkte, um Handzettel<br />

auszuteilen und Mitteilungen auszuhängen, binden Sie lokale Akteure <strong>–</strong> Erzieherinnen,<br />

Beraterinnen, Sozialarbeiter <strong>–</strong> mit ein.<br />

Schon bei der Bewerbung Ihres Projekts gilt: Präsentieren Sie Ihr Projekt als<br />

„aus dem Stadtteil <strong>für</strong> den Stadtteil“. Zeigen Sie Einbindungsmöglichkeiten<br />

auf, verdeutlichen Sie den Betroffenen, dass sie als Akteure gefragt und gewollt<br />

sind.<br />

Nutzen Sie regelmäßige Veranstaltungen im Quartier, wie z.B. den Wochenmarkt<br />

am Samstag, das jährliche Straßenfest, die Weihnachtsfeier im Sportverein,<br />

um auf Ihr Projekt hinzuweisen.<br />

Sprechen Sie gezielt bestehende Gruppierungen an, wie z.B. Mutter-Kind-<br />

Gruppen, Bürgertreffs, Fußball-Teams der „grauen Liga“ oder Jugendgruppen,<br />

und laden Sie sie zur geschlossenen Mitarbeit (und auch Selbstdarstellung)<br />

ein. Im Team ist der Schritt zum aktiven Mitmachen oft leichter <strong>–</strong><br />

außerdem verdeutlichen solche Gruppierungen mögliche soziale Aktivitäten<br />

im Quartier und laden ihrerseits zum Mitmachen ein.<br />

Auch wenn es nüchtern und kalkulierend klingt: Stellen Sie den Nutzeffekt<br />

Ihres Angebots <strong>für</strong> die Betroffenen klar heraus: Was macht Ihr Angebot <strong>für</strong><br />

die Zielgruppe attraktiv? In welchem Verhältnis stehen (Teilnahme-)Aufwand<br />

und Ergebnis?<br />

Durchführungphase<br />

Sie führen die Maßnahme durch oder stehen als Ansprechpartner zur<br />

Verfügung.<br />

Sie dokumentieren bereits das Geschehen.<br />

4.3 Sie bringen Ihr Projekt in die Diskussion<br />

Evaluationsphase<br />

Sie bewerten den Erfolg der Maßnahme.<br />

Sie dokumentieren die Maßnahme und die Ergebnisse der Evaluation.<br />

Sie bringen die Ergebnisse in die Öffentlichkeit.<br />

Sie sorgen <strong>für</strong> die Fortführung Ihrer Maßnahme oder planen weitere<br />

Aktionen.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

„Was kommt raus?“ „Hat es sich gelohnt?“ „Hat sich was verändert?“ „War das ganze Projekt<br />

sinnvoll?“<br />

Diese und andere Fragen wird man Ihnen nach Abschluss des Projekts stellen. Haben Sie Ihre<br />

Aktion gut evaluiert, dann sind die Antworten leicht zu finden. Mit einer Auswertung Ihres<br />

Projekts erhalten Sie nochmals eine gute Legitimation Ihrer Arbeit und der Ihrer Kooperationspartner.<br />

Die Evaluation zeigt zudem Ansätze <strong>für</strong> „Schwachstellen“ auf, falls Sie <strong>–</strong> oder andere<br />

<strong>–</strong> das Projekt wiederholen möchten, und schafft eine Grundlage <strong>für</strong> die spätere Öffentlichkeitsarbeit,<br />

die Kontakte mit der Presse und die Vorstellung der Ergebnisse in Diskussions- bzw. Entscheidungsforen.<br />

Im Bereich Gesundheitsförderung ist die Evaluation in den letzten Jahren im Zuge der Qualitätssicherung<br />

verstärkt ins Blickfeld gerückt. Vorher blieben viele Maßnahmen <strong>–</strong> vor <strong>alle</strong>m der<br />

Krankenkassen <strong>–</strong> ohne dokumentierten Erfolgsnachweis und ohne Bewertung, was letztlich<br />

auch dazu führte, dass deren Effekte angezweifelt wurden. Viele kleinere Projekte werden nicht<br />

evaluiert, da das aufgrund knapper personeller Ressourcen gar nicht leistbar ist. Die Gesundheitsförderung<br />

von sozial benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen muss sich vielerlei Bedenken<br />

schon mit dem Beginn der Maßnahme gef<strong>alle</strong>n lassen. Wenn Sie dann nicht belegen können,<br />

was die Erfolgsindikatoren Ihres Projekts sind, was Sie mit Ihrem Projekt erreichen wollen<br />

bzw. erreicht haben, und dass die aufgewandten Mittel sinnvoll investiert sind, ist es nahe<br />

liegend, dass solche Mittel nicht weiter bewilligt werden.<br />

Vom Nutzen der Evaluation<br />

Wenn Sie Ihr Projekt evaluieren und dokumentieren, dann hat das den Vorteil, dass Sie<br />

<strong>•</strong> die Maßnahme langfristig einrichten können, weil sie weitergefördert wird,<br />

<strong>•</strong> den Teilnehmern bestätigen können, dass Veränderungen möglich sind,<br />

<strong>•</strong> die Teilnehmer eventuell auch <strong>für</strong> die nächste Maßnahme gewinnen,<br />

<strong>•</strong> mitverfolgen können, inwiefern Strukturen sich verändern,<br />

<strong>•</strong> Ihren eigenen Einsatz bewerten und optimieren können, weil Ansätze <strong>für</strong> Änderungen<br />

sichtbar werden,<br />

<strong>•</strong> in der Öffentlichkeit Argumente anführen können <strong>für</strong> die Gesundheitsförderung von<br />

sozial Benachteiligten<br />

<strong>•</strong> eine Grundlage haben <strong>für</strong> Folgeentscheidungen<br />

<strong>•</strong> <strong>für</strong> das Thema Armut auch diejenigen sensibilisieren, die sich darum noch nicht<br />

kümmern.<br />

Evaluationsergebnisse können <strong>für</strong> viele Personengruppen und Einrichtungen eine Grundlage <strong>für</strong><br />

weitere Entscheidungen sein, z.B. <strong>für</strong><br />

<strong>•</strong> die Teilnehmer der Maßnahme,<br />

<strong>•</strong> die Akteure und Kooperationspartner,<br />

<strong>•</strong> den Auftraggeber,<br />

<strong>•</strong> Ihren Vorgesetzten und die Kollegen,<br />

<strong>•</strong> Ihnen übergeordnete Institutionen,<br />

Evaluation =<br />

Qualitätssicherung<br />

Vielfältige Nutzeffekte<br />

Evaluation als<br />

Entscheidungshilfe<br />

115


116<br />

Evaluation von Beginn<br />

an mitdenken<br />

Sie beschreiben<br />

Ihre Maßnahme<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

<strong>•</strong> die Regionale Arbeitsgemeinschaft oder die Kommunale Gesundheitskonferenz,<br />

<strong>•</strong> Arbeitskreise „Armut und Gesundheit“,<br />

<strong>•</strong> andere politische oder administrative Gremien und Entscheidungsträger,<br />

<strong>•</strong> Akteure, die zukünftig solche Projekte durchführen möchten,<br />

usw.<br />

Evaluieren <strong>–</strong> aber wie?<br />

Evaluation beginnt nicht erst mit dem Abschluss eines Projekts. Bereits in der Vorbereitung und<br />

Planung eines Projekts muss die Evaluation in Inhalt und Methode mitgedacht werden.<br />

So gehen Sie vor:<br />

<strong>•</strong> Sie beschreiben die Maßnahme.<br />

<strong>•</strong> Sie bestimmen die Ziele und Fragestellungen der Evaluation.<br />

<strong>•</strong> Sie legen Methodik und Instrumente der Evaluation fest.<br />

<strong>•</strong> Sie formulieren Erfolgsindikatoren.<br />

<strong>•</strong> Sie sammeln und analysieren die Daten.<br />

<strong>•</strong> Sie erstellen einen Bericht.<br />

Um so ausführlicher und klarer Sie die Maßnahme beschreiben, desto leichter wird Ihnen später<br />

das Formulieren von Evaluationszielen, Fragestellungen und Erfolgskriterien f<strong>alle</strong>n. Fassen<br />

Sie also die ganze Projektplanung übersichtlich zusammen: Thema der Maßnahme, Ziele, Zielgruppe,<br />

Rahmenbedingungen (Ort, Zeit, Zeitraum), Inhalte, Verlaufsplan, bisherige Erfahrungen<br />

und Ergebnisse, eingesetzte Methoden und Medien sowie Kooperationspartner. Ein Beispiel:<br />

Maßnahme<br />

Bewegungsförderung <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> aus<br />

einem sozialen Brennpunkt <strong>–</strong> ein<br />

Ergänzungsangebot zum Schulsport<br />

Projektinitiator Gesundheitsamt Großburgfeld<br />

Ziele Das Projekt soll dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> Gesundheit und Gesundheitsverhalten der <strong>Kinder</strong><br />

im Stadtteil zu verbessern,<br />

<strong>•</strong> ein kostenloses Angebot zur Verfügung zu stellen<br />

<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> mit motorischen Entwicklungs-<br />

Defiziten,<br />

<strong>•</strong> das Bewegungsverhalten dieser <strong>Kinder</strong> zu fördern<br />

und ihnen Spaß an Sport und Bewegung<br />

zu vermitteln,<br />

<strong>•</strong> Konzentration und Ausdauer im Lernverhalten<br />

zu verbessern,<br />

<strong>•</strong> die sozialen Kompetenzen der <strong>Kinder</strong> zu fördern,


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Zielgruppe Grundschüler der 1. und 2. Klasse mit motorischen<br />

Entwicklungsverzögerungen; Grundschullehrer<br />

Anzahl der Teilnehmer 250 Schüler<br />

<strong>•</strong> die Lehrer in diesem Bereich fortzubilden.<br />

Inhalte Körperlicher Allgemeinzustand, Bewegungsförderung,<br />

Sozialverhalten, Lernverhalten<br />

Methoden und Medien Körperliche Untersuchung der <strong>Kinder</strong>, Spiele, Bewegungsübungen,<br />

Kleingruppenarbeit; Geräte, Musik,<br />

Videos, Malbücher<br />

Laufzeit 1999 bis 2002, wöchentlich 2 Stunden<br />

Ort Großburgfeld, 5 Grundschulen in sozialen Brennpunkten,<br />

jeweils in der Sporth<strong>alle</strong><br />

Finanzierung Mittel der örtlichen Krankenkassen<br />

Kooperationspartner Gesundheitsamt, Schulamt, Schule, Lehrer, Sportverein,<br />

Krankenkassen, Krankengymnasten, Bademeister,<br />

<strong>Kinder</strong>arzt<br />

Evaluation ist immer dann besonders wichtig, wenn Entscheidungen zu fällen sind. Die Evaluationsziele<br />

richten Sie entsprechend an den Entscheidungsinhalten aus. Im Bereich Gesundheitsförderung<br />

<strong>für</strong> sozial benachteiligte <strong>Kinder</strong> und Jugendliche könnten z.B. Entscheidungen<br />

anstehen über<br />

<strong>•</strong> die Einführung neuer Interventionsmaßnahmen,<br />

<strong>•</strong> die Ansprache neuer Zielgruppen,<br />

<strong>•</strong> die Fortführung, verstärkte Unterstützung oder Verbesserung von Projekten,<br />

<strong>•</strong> die Optimierung von Versorgungsstrukturen im Stadtviertel,<br />

<strong>•</strong> die Dezentralisierung von Versorgungsangeboten,<br />

<strong>•</strong> neue Projektstrategien (z.B. unter verstärkter Einbeziehung von Betroffenen),<br />

<strong>•</strong> die Auswahl von neuen Orten <strong>für</strong> Gesundheitsförderungsmaßnahmen,<br />

usw.<br />

Sollte die Entscheidung darüber anstehen, ob Ihre Maßnahme fortgesetzt wird, bewerten Sie vor<br />

<strong>alle</strong>m, inwiefern Sie die Zielgruppe erreicht haben und ob sich z.B. das Gesundheitsverhalten<br />

der Betroffenen ändert.<br />

Wollen Sie eine <strong>Kinder</strong>tafel im Stadtteilzentrum auf Dauer einrichten, werden Sie in der<br />

Evaluation danach fragen, ob die <strong>Kinder</strong> das Angebot überhaupt annehmen, was es kostet, wie<br />

groß der organisatorische und planerische Aufwand ist und welche messbaren gesundheitlichen<br />

Effekte sich zeigen.<br />

Falls demnächst entschieden wird, ob der Geschäftsführer der Diskothek im sozialen Brennpunkt<br />

zusammen mit dem Stadtjugendring und Ihnen die Aktion „rauchfreie Zone“ nochmals<br />

Evaluationsziele<br />

117


118<br />

Die Prozessevaluation <strong>–</strong><br />

„Was läuft ab?“<br />

Die Ergebnisevaluation <strong>–</strong><br />

„Was kommt hinten raus?“<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

durchführen wird, obwohl das die Jugendlichen bislang wenig interessiert hat, dann zielt die<br />

Evaluation z.B. auf bisher (un)genutzte Möglichkeiten zur aktiven Einbindung von Betroffenen,<br />

auf die detaillierte und kritische Betrachtung einzelner Projektschritte, auf die Effektivität Ihres<br />

bisherigen methodischen Ansatzes und auf (un)genutzte Möglichkeiten kooperativen Vorgehens.<br />

Sind die Ziele der Evaluation festgelegt, dann überlegen Sie, was konkret untersucht werden<br />

soll und formulieren die Fragestellungen der Erhebung. Zum Beispiel: Wieviele Bewohner des<br />

Stadtteils haben an der Maßnahme teilgenommen? Wie hat sich der Gesundheitszustand der<br />

<strong>Kinder</strong> verändert? Welche Maßnahmen und Methoden sind von der Zielgruppe gut angenommen<br />

worden? Wie effizient hat die Arbeitsteilung in Ihrem Kooperationsverbund funktioniert?<br />

Eine umfassende Evaluation berücksichtigt die gesamte Maßnahme. D.h. Sie bewerten Ihr<br />

Projekt zu verschiedenen Zeitpunkten, nämlich am Anfang, während der Durchführung (Prozessevaluation)<br />

und am Ende (Ergebnisevaluation).<br />

Die Prozessevaluation stellt die qualifizierte Durchführung der Maßnahme sicher und hilft<br />

schließlich bei der Verbesserung des Programms. Im Rahmen einer Prozessevaluation stellen<br />

Sie sich z.B. folgende Fragen:<br />

<strong>•</strong> Was hindert oder fördert die Entwicklung?<br />

<strong>•</strong> Welche Veränderungen haben sich bis zu diesem Zeitpunkt ergeben?<br />

<strong>•</strong> Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern?<br />

<strong>•</strong> Was muss ich jetzt am Projekt ändern, damit das Interesse steigt?<br />

Die Ergebnisevaluation weist die Effektivität des Programms nach. Folgende Fragen stellen Sie<br />

sich z.B.:<br />

<strong>•</strong> Welche Projektziele sind erreicht worden?<br />

<strong>•</strong> Haben sich neue Strukturen im Stadtviertel gebildet?<br />

<strong>•</strong> Wie sind die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung nach der Maßnahme?<br />

<strong>•</strong> Wieviele <strong>alle</strong>inerziehende Mütter haben eine <strong>Kinder</strong>betreuungsstelle gefunden?<br />

Mit der Formulierung von Zielen ist zwingend die Formulierung von Erfolgsindikatoren verbunden.<br />

Inwiefern Sie Ihr Ziel wirklich erreicht haben, können Sie nur anhand von Erfolgsindikatoren<br />

feststellen. Diese Indikatoren müssen Sie operationalisieren, d.h. messbar machen.<br />

Dazu ein einfaches Beispiel:


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Am Beispiel einer Präventionsmaßnahme im Stadtteil haben wir einmal eine Checkliste <strong>für</strong> Erfolgsindikatoren<br />

und Messinstrumente exemplarisch <strong>für</strong> Sie zusammengestellt <strong>–</strong> ein Gesundheitstag<br />

mit Aktionsständen zu den Themen Bewegung, Ernährung, Entspannung, Alkoholkonsum,<br />

Hautpflege...<br />

Ziele der Maßnahme<br />

Was wollen Sie<br />

erreichen?<br />

Durchführung einer<br />

Veranstaltung<br />

Die Maßnahme soll...<br />

...das Interesse der Bewohner<br />

am Thema Gesundheit<br />

wecken<br />

...den Bedarf an gesundheitlichen<br />

Themen ergeben<br />

...den gegenseitigen Austausch<br />

der Bewohner vor<br />

Ort fördern<br />

...der Imagepflege der eigenen<br />

Einrichtung dienen<br />

...Kooperationspartner<br />

finden und Vernetzung<br />

fördern<br />

... Anregungen <strong>für</strong> Themen<br />

weiterer Maßnahmen<br />

liefern<br />

...Strukturen im Stadtteil<br />

verändern (helfen)<br />

Erfolg Ihrer Maßnahme<br />

Was ist bewirkt worden?<br />

Durchführung, Abbruch,<br />

Nichtdurchführung<br />

Gute Akzeptanz des Gesundheitstags,<br />

positive<br />

Aussagen der Bewohner<br />

über das Angebot<br />

Gute Akzeptanz des<br />

Gesundheitstags,<br />

viele Besucher am jeweiligen<br />

Aktionsstand, großes<br />

Interesse an Informationsmaterial<br />

und Beratung, positive<br />

Aussagen der Bewohner<br />

über das Angebot<br />

Rege Unterhaltungen am Imbissstand<br />

Presseartikel erschienen, hohe<br />

Teilnehmerzahl am eigenen<br />

Stand, größere Inanspruchnahme<br />

der eigenen<br />

Einrichtung<br />

Geeignete Kooperationspartner<br />

wurden gefunden,Vernetzung<br />

wird auf- und ausgebaut<br />

Zukünftige Themen konnten<br />

gefunden werden<br />

Große Bereitschaft der ansässigen<br />

Einrichtungen zur<br />

Vernetzung untereinander<br />

Erfolgsindikatoren und zugehörige<br />

Messinstrumente<br />

Wie messen Sie?<br />

Verlaufsplan aufstellen<br />

Anzahl der Besucher<br />

insgesamt, Zufriedenheitsabfrage<br />

Anzahl Besucher am jeweiligen<br />

Aktionsstand, kleines<br />

Quiz mit Preisen, Anzahl der<br />

ausgegebenen Broschüren<br />

Anzahl der Besucher<br />

Zufriedenheitsabfrage<br />

Anzahl und Inhalt der Presseartikel,<br />

Zahl der Inanspruchnahme<br />

von Beratungsund<br />

Versorgungsangeboten<br />

in Zukunft<br />

Vereinbarungen über konkrete<br />

Zusammenarbeit, Zustimmung<br />

der Kooperationspartner<br />

<strong>für</strong> weitere Projekte<br />

Befragung der Bewohner<br />

Angebote der Einrichtungen<br />

vor Ort, Inanspruchnahme<br />

dieser Einrichtungen<br />

Sie formulieren<br />

Erfolgsindikatoren<br />

119


120<br />

Evaluation erfordert<br />

Knowhow<br />

Sie sammeln Daten und<br />

analysieren sie<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

... die Ressourcen der<br />

Bewohner nutzen<br />

...die Bewohner <strong>für</strong> den<br />

Konsum alkoholfreier Getränke<br />

motivieren<br />

Bewohner beteiligten sich<br />

aktiv an der Aktion<br />

Konsum alkoholfreier Getränke<br />

war höher als der<br />

Konsum von Bier und Wein<br />

Anzahl der beteiligten<br />

Bewohner<br />

Verkaufte Getränke in<br />

Litern, Befragung<br />

Übersicht in Anlehnung an: Landeszentrale <strong>für</strong> Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V.<br />

(Hrsg.) (1997): Rund um die regionale Gesundheitskonferenz. Ein Leitfaden zur Handhabung<br />

regionaler Gesundheitskonferenzen. Mainz<br />

Auch mit der Evaluation verbinden sich Fragen der praktischen Durchführung. Wer hat das nötige<br />

Know-how? Wer verfügt über die erforderlichen Personal- und Zeitressourcen? Eine ernsthafte<br />

Evaluation ist keine Banalität, die sich so nebenbei erledigen lässt. Auch gewisse sozialwissenschaftliche<br />

Kenntnisse über die Erhebung von und den Umgang mit Daten sollten vorhanden<br />

sein. Bei größeren Projekten sollten Sie prüfen, ob Sie ein kompetentes Institut, eine<br />

Fachhochschule oder Universität in die wissenschaftlichen Betreuung Ihres Projekts <strong>–</strong> z.B. im<br />

Rahmen einer Diplom- oder Magisterarbeit <strong>–</strong> einbinden können. Aber auch bei selbstentworfenen<br />

Evaluationskonzepten sollten Sie versuchen, allgemein akzeptierte Standards nach Möglichkeit<br />

einzuhalten. Das Landesgesundheitsamt (in Baden-Württemberg) und das lögd (in<br />

Nordrhein-Westfalen) können Ihnen dabei beratend zur Seite stehen.<br />

Im Kapitel über die Bestandsaufnahme wurden bereits zwei Erhebungsmethoden vorgestellt,<br />

die sich auch <strong>für</strong> die Evaluation eignen <strong>–</strong> die schriftliche Befragung und das Interview. Aber<br />

auch die Beobachtung als Methode bietet sich an. Informationen z.B. über die Inanspruchnahme<br />

von Angeboten der Gesundheitsversorgung erhalten Sie durch das Zählen der Besucher. Das<br />

Interesse an Ihrem Thema zeigt sich etwa an der Anzahl der ausgegebenen Broschüren. Ob die<br />

sozialen Kompetenzen von Schulkindern durch Ihr Projekt gefördert wurden, beobachten Sie<br />

am gegenseitigen Miteinander in der Klasse. Solche Fragestellungen werden eher selten anhand<br />

eines Fragebogens untersucht.<br />

Das Instrument bzw. die Methode Ihrer Erhebung wählen Sie nach folgenden Kriterien aus:<br />

Wer soll evaluiert werden <strong>–</strong> Betroffene, Kooperationspartner, Einrichtungen,<br />

<strong>Kinder</strong> oder Erwachsene?<br />

Was wollen Sie erheben?<br />

Wie umfangreich ist Ihre Fragestellung? Reicht ein Instrument aus?<br />

Wo und wann soll evaluiert werden?<br />

Wieviel Zeit steht Ihnen <strong>für</strong> die Evaluation zur Verfügung?<br />

Was ist Hintergrund und Zweck der Evaluation und wie detailliert sollen die<br />

Ergebnisse sein?<br />

Für Evaluationsfragebögen gibt es viele Muster und Vorbilder. Manchmal passen die genau auf<br />

Ihre Fragestellung, und Sie können sie übernehmen. Es ist aber auch möglich, dass Sie erst einen<br />

Fragebogen erstellen müssen. Falls das <strong>für</strong> Sie Neuland ist, dann ziehen Sie einen Experten zurate.<br />

Denn die Qualität des Fragebogens ist ausschlaggebend <strong>für</strong> die Qualität und Aussagekraft<br />

Ihrer Daten und ganz besonders <strong>für</strong> die Zeit, die Sie <strong>für</strong> die Dateneingabe und -auswertung be-


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

nötigen. (Falls Sie dem ÖGD in NRW angehören, bietet Ihnen das lögd eine Beratung bei der Erstellung<br />

Ihres Fragebogens sowie eine automatisierte Auswertung und Ergebnisaufbereitung an.)<br />

Für Zufriedensheitsabfragen stehen mittlerweile eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung.<br />

Ein einfaches Beispiel ist die Punkteskala, bei der die Teilnehmer nur einen Punkt in das<br />

zutreffende Feld kleben müssen:<br />

Wie hat es Ihnen heute hier gef<strong>alle</strong>n?<br />

Bitte kleben Sie Ihren Punkt in die entsprechende Spalte<br />

J K L<br />

Achten Sie darauf, dass die Ergebnisevaluation sofort nach der Maßnahme in Angriff genommen<br />

wird (sofern Sie nicht den Anspruch haben, Langzeitwirkungen zu untersuchen). Bei<br />

schriftlichen Befragungen müssen Sie u.U. mehrmals an das Zurückschicken der Fragebögen erinnern.<br />

Dokumentieren Sie sowohl den Auslauf als auch den Rücklauf dieser Bögen.<br />

Zur Eingabe der Daten in den Computer und zur Auswertung sollten Sie einen Fachmann<br />

(oder eine Fachfrau) heranziehen <strong>–</strong> besonders dann, wenn bei größeren Fallzahlen statistische<br />

Berechnungen nötig werden.<br />

Für die Analyse Ihrer Ergebnisse ist eine Diskussion der vorhandenen Daten in einer internen<br />

Runde bzw. in einem speziellen Arbeitskreis hilfreich. Bringen Sie Ihre Ergebnisse „auf den<br />

Punkt“, und stellen Sie die Kernaussagen mit Hilfe von graphischen Aufbereitungen auch optisch<br />

heraus, damit das Wichtigste schnell erfasst und diskutiert werden kann.<br />

Die Dokumentation oder: Wie schreiben Sie einen Projektbericht?<br />

Natürlich gibt es <strong>für</strong> den guten Projektbericht nicht das eine Patentrezept. Es gibt aber ein paar<br />

Erfolgskriterien, an denen Sie sich orientieren können. Einige davon haben wir zu einer kleinen<br />

Checkliste zusammengefasst.<br />

Checkliste <strong>für</strong> die Erstellung eines Projektberichts<br />

Zielgruppe: Wer liest den Bericht (z.B. Politiker, Betroffene, Experten,<br />

Presseorgane, allgemeine Öffentlichkeit)? Wieviel „Lesezeit“<br />

haben diese Leute? Was ist ihr besonderes Interesse?<br />

Ressourcen: Wieviel Geld und Zeit haben Sie <strong>für</strong> das Erstellen des Berichts?<br />

Wer könnte Sie beim Schreiben unterstützen? Wieviel<br />

Exemplare benötigen Sie? Wie aufwendig dürfen Gestaltung<br />

und Druck sein?<br />

Ziel des Berichts: Dient der Bericht zur Rechtfertigung über Mittelverwendung?<br />

Zur allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit? Zur Sensibilisierung<br />

von Politik und Verwaltung? Als Entscheidungsgrundlage?<br />

121


122<br />

Vorüberlegungen <strong>für</strong><br />

Ihr „Marketing“<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Als neutrale „Allzweck-Dokumentation? Die Kernaussagen<br />

müssen einen klaren Bezug zur Zielsetzung haben.<br />

Inhalt des Berichts: Was sind die wichtigen Aussagen und wie ausführlich muss<br />

das Ganze sein? Wieviel Zeit haben die Leser <strong>für</strong> das Studium<br />

solcher Berichte? Welche Strukturierung ist gleichzeitig leserfreundlich<br />

und zielführend?<br />

Verständlichkeit des Ist Ihr Bericht klar strukturiert, auf die wesentlichen Aussagen<br />

Berichts:<br />

zugeschnitten und in verständlicher Sprache abgefasst? Wieviel<br />

„Wissenschaftlichkeit“ ist gefragt? Wieviel Fach- und Fremdwörter<br />

sind zumutbar? Animiert Ihr Text zum Weiterlesen?<br />

Sind die Graphiken und Tabellen übersichtlich und die darin<br />

enthaltenen Aussagen (möglichst) auf einen Blick erfassbar?<br />

Gute Beispiele <strong>für</strong> gelungene Projekt-Dokumentationen aus dem Bereich der Gesundheitsförderung<br />

bei sozial Benachteiligten sind:<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsamt Köln, Geschäftsstelle „Kommunale Gesundheitskonferenz Köln“, <strong>Kinder</strong>und<br />

Jugendgesundheitsdienst: Projektbericht: FAKIR (Förder-Angebote <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in Regionen<br />

mit erhöhtem Hilfebedarf). Zu bestellen bei: Gesundheitsamt der Stadt Köln 535,<br />

Neumarkt 15 <strong>–</strong> 21, 50667 Köln<br />

<strong>•</strong> Landratsamt Ortenaukreis <strong>–</strong> Dienst <strong>für</strong> Gesundheitsförderung und soziale Prävention: Dokumentation<br />

des Projekts Gesundheitsförderung <strong>für</strong> sozial Benachteiligte „Gesund und<br />

preiswert leben durch cleveres Wirtschaften“. Zu beziehen bei: Andrea Blaser,<br />

Dienst <strong>für</strong> Gesundheitsförderung und Soziale Prävention, Landratsamt Ortenaukreis,<br />

Badstraße 20, 77652 Offenburg, Tel.: 0781/805-770<br />

<strong>•</strong> Stadtteilbüro Eidelstedt-Nord, Bezirksamt Eimsbüttel: Soziale Stadtteilentwicklung Eidelsstedt-Nord<br />

„Visitenkarte“. Zu beziehen bei: Conny Schubecker, Stadtteilbüro Eidelstedt-<br />

Nord, Projektentwicklung und Gemeinwesenarbeit, Hörgensweg 59 b, 22523 Hamburg,<br />

Tel. 040/577891<br />

Wie bringen Sie Ihre Ergebnisse in die Öffentlichkeit?<br />

Ist Ihr Bericht gedruckt, geht es darum, den Bericht und die gewünschten Adressaten und potenziellen<br />

Leser zusammenzubringen. Wenn dabei nicht nur eine eng begrenzte Zielgruppe gemeint<br />

ist, müssen Sie nach geeigneten Wegen der Verbreitung und Bekanntmachung suchen. Sie<br />

brauchen eine Marketing-Strategie.<br />

Da<strong>für</strong> bieten sich einige Vorüberlegungen an:<br />

<strong>•</strong> Die wichtigste Prämisse noch einmal zur Erinnerung: Armut und soziale Benachteiligung<br />

sind niemandes Lieblingsthemen. Eine sensible Öffentlichkeitsarbeit muss auf offenen oder<br />

versteckten Widerstand, Unwillen, Ressentiments u.ä. gefasst sein und geeignete Strategien<br />

parat haben.


Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

<strong>•</strong> Erstellen Sie zu Ihrem Bericht eine Kurzfassung auf einigen Seiten <strong>für</strong> Eilige und eine<br />

Ultrakurzfassung auf maximal einer Seite, damit auch diejenigen, die permanent unter Zeitdruck<br />

stehen, wenigstens einen Überblick bekommen. Hier spielen die erwähnten Kernaussagen<br />

wieder eine große Rolle!<br />

<strong>•</strong> Denken Sie an die Bereitstellung von „neuen Medien“. Für die Presse sollten Sie Ihren Be<br />

richt nicht nur gedruckt zur Verfügung halten, sondern auch auf CD oder Diskette. Das erspart<br />

den Redakteuren viel Zeit, weil sie sich entsprechende Tabellen oder Textpassagen einfach<br />

nur kopieren müssen. Formulieren Sie Presseartikel vor! Eine Pressemappe sollte mit<br />

Unterlagen bestückt sein, die schnell überflogen werden können und sich auf die wichtigsten<br />

Fakten beschränken: Viel hilft hier nicht viel. Machen Sie sich einen Merkzettel <strong>für</strong> Interviews<br />

im Rundfunk, und sprechen Sie die Fragen vorher mit dem zuständigen Redakteur ab.<br />

<strong>•</strong> Erstellen Sie sich einen Verteiler von potenziellen Ansprechpartnern, Multiplikatoren und<br />

Schlüsselpersonen, die Sie erreichen möchten und die Sie auch bei Ihrem Vorhaben unterstützen<br />

könnten.<br />

<strong>•</strong> Denken Sie darüber nach, wie Sie das besondere Thema „Armut und Gesundheit von<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen“ so präsentieren, dass der größtmögliche Effekt erreicht wird.<br />

Unabhängig von einem eher emotionalen oder sachlich-nüchternen Stil gilt ein Grundprinzip:<br />

Zeigen Sie weitere Handlungsmöglichkeiten auf und halten Sie Lösungsvorschläge bereit.<br />

Jede(r) Leser(in) sollte nach Möglichkeit klar vor Augen haben, was der nächste Schritt<br />

ist und was <strong>–</strong> insbesondere die eigene Person oder Institution <strong>–</strong> konkret beitragen kann.<br />

Welche Methoden setzen Sie ein?<br />

<strong>•</strong> Sie verschicken Ihren Bericht mit der Kurzfassung an die wichtigsten Adressaten. Legen Sie<br />

einen Feedbackbogen bei, auf dem die Adressaten festhalten können, wie ihnen der Bericht<br />

gef<strong>alle</strong>n hat.<br />

<strong>•</strong> Sie lassen sich zum Vortrag einladen. Was <strong>für</strong> die Berichtsformulierung gut war, gilt in <strong>gleiche</strong>m<br />

Maße auch <strong>für</strong> die Gestaltung von Vortragsfolien. Konzentrieren Sie sich ganz auf die<br />

Kernaussagen <strong>–</strong> das Wesentliche sollte auf den ersten Blick erfassbar sein.<br />

<strong>•</strong> Sie laden selbst zu einer Gesprächsrunde ein <strong>–</strong> oder zu einem Workshop, einer Tagung,<br />

einem Arbeitskreis, einer Pressekonferenz, einer Podiumsdiskussion. Holen Sie gegebenenfalls<br />

einen externen und neutralen Moderator hinzu.<br />

<strong>•</strong> Sie verfassen einen Rundbrief an die Mitglieder der RAG oder Kommunalen Gesundheitskonferenz<br />

zum Thema <strong>Chancen</strong>gleichheit und Gesundheit.<br />

<strong>•</strong> Sie veranstalten eine Multiplikatorenschulung <strong>für</strong> Experten.<br />

Beispiel: Der Arbeitskreis „Armut und Gesundheit“ der regionalen Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong><br />

Gesundheit im Schwarzwald-Baar-Kreis lud die Sachbearbeiter des Sozialamts ein zu zwei<br />

123


124<br />

Teil IV. Die lokale Praxis oder »Wie gehen Sie vor?«<br />

Fortbildungen: „<strong>Gesunde</strong> Ernährung bei geringem Einkommen <strong>–</strong> wie geht das?“ und „Umgang<br />

mit Banken und Versicherungen <strong>–</strong> Haushaltsplanung“.<br />

<strong>•</strong> Sie geben kleine Pressemeldungen an Vereine und Institutionen <strong>für</strong> deren Mitteilungsblätter.<br />

<strong>•</strong> Kostenlose Wochenblätter bieten sich als Medium an, wenn Sie Betroffene informieren wollen.<br />

Legen Sie Faltblätter im Sozialamt, im Jugendamt oder bei der Schuldnerberatung aus.<br />

<strong>•</strong> Freie Journalisten leben davon, Geschichten zu verkaufen. Sie sind auf Neuigkeiten angewiesen<br />

und übernehmen <strong>für</strong> Sie das „Verkaufen“ des Beitrags an die Medien. Nehmen Sie<br />

Kontakt auf zu freien Mitarbeitern von Presse und Rundfunk in Ihrer Nähe.<br />

<strong>•</strong> Schlagen Sie der örtlichen Tageszeitung vor, wöchentlich eine Kolumne z.B. zum Thema:<br />

„Preiswerte Gesundheit“ zu veröffentlichen. Da<strong>für</strong> liefern Sie den Text.<br />

<strong>•</strong> Stellen Sie Ihren Bericht ins Internet und geben Sie einen Hinweis dazu auf der Homepage<br />

Ihrer Einrichtung. Bemühen Sie sich um die Aufnahme in Suchmaschinen und in Listen von<br />

Links anderer Institutionen.<br />

<strong>•</strong> Gehen Sie auf entsprechende überregionale oder bundesweite Tagungen und präsentierten<br />

Sie dort Ihre Ergebnisse.<br />

Zum Vertiefen:<br />

Auswertungs- und Informationsdienst <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (aid) e.V.<br />

(Hrsg.) (1997): Handbuch <strong>für</strong> die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bonn<br />

Christiansen, G. (2000): Evaluation <strong>–</strong> ein Instrument in der Gesundheitsförderung. Herausgegeben<br />

von der Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Reihe: Forschung und<br />

Praxis der Gesundheitsförderung; <strong>Band</strong> 8<br />

Knesebeck von dem, O.; Badura, B; Zamora, P.; Weihrauch, B.; Werse, W.; Siegrist, J. (2001):<br />

Evaluation einer gesundheitspolitischen Intervention auf kommunaler Ebene <strong>–</strong> Das Modellprojekt<br />

„Ortsnahe Koordinierung der gesundheitlichen und sozialen Versorgung“ in Nordrhein-Westfalen.<br />

In: Gesundheitswesen 2001; 63: S. 35-41<br />

Landeszentrale <strong>für</strong> Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (Hrsg.) (1997): Rund um die<br />

regionale Gesundheitskonferenz. Ein Leitfaden zur Handhabung regionaler Gesundheitskonferenzen.<br />

Mainz<br />

Wengle E. (1995): Praxisnahe Evaluation. In: Krause, R. (Hrsg.): Gesundheitsförderung: Von<br />

der Projektplanung bis zur Evaluation. Handbuch zum Management in der Gesundheitsförderung.<br />

Oberhaching: Gesundheits-Dialog Verlag GmbH


Cattaryna B. Home<br />

Foto: www.offroadkids.de<br />

125


126<br />

Teil V. Anhang<br />

5. Anhang<br />

Tipps zum Recherchieren<br />

Die folgenden Tipps zum Recherchieren in der Literatur und im Internet stellen eine Auswahl<br />

an Quellen zu den Themen Armut, <strong>Kinder</strong>armut, Gesundheit und Gesundheitsförderung dar.<br />

Armut und von Armut bedrohte und betroffene Personengruppen<br />

Andreß, H.-J. (1999): Leben in Armut: Analysen der Verhaltensweisen armer Haushalte<br />

mit Umfragedaten. Opladen<br />

Cornelius, I.; Eggen, B.; Goeken, S.; Vogel, C., (1994): Alleinerziehende mit Kleinkindern.<br />

Untersuchung zum Programm „Mutter und Kind“ des Landes Baden-Württemberg. Bestandsaufnahme<br />

<strong>–</strong> Bewertungen <strong>–</strong> Auswirkungen. Hrsgg. vom statistischen Landesamt Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart. Heft 26<br />

Eggen, B.; Vogel, C. (1994): Alleinerziehende mit Kleinkindern. Methodenbericht. Untersuchung<br />

zum Programm „Mutter und Kind“ des Landes Baden-Württemberg. Hrsgg. vom<br />

statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Stuttgart. Heft 27<br />

Eggen, B (1998): Privathaushalte mit Niedrigeinkommen. Familienwissenschaftliche Forschungsstelle<br />

im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Hrsg.: Der Bundesminister<br />

<strong>für</strong> Gesundheit. Baden-Baden<br />

Nestmann, F.; Stiehler, S. (1998): Wie <strong>alle</strong>in sind Alleinerziehende? Soziale Beziehungen<br />

<strong>alle</strong>inerziehender Frauen und Männer in Ost und West. Opladen<br />

Verband <strong>alle</strong>instehender Mütter und Väter e.V., Landesverband Baden-Württemberg (1992):<br />

Situationsanalyse Alleinerziehender in Baden-Württemberg. Stuttgart<br />

Walper, S. (1988): Familiäre Konsequenzen ökonomischer Deprivation. München, Weinheim<br />

Armut und soziale Ungleichheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

Beisenherz, H.G. (2002): <strong>Kinder</strong>armut in der Wohlfahrtsgesellschaft. Das Kainsmal der<br />

Globalisierung. Opladen<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (1998): Zehnter <strong>Kinder</strong>-<br />

und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von <strong>Kinder</strong>n und die Leistungen<br />

der <strong>Kinder</strong>hilfe in Deutschland. Bonn<br />

Butterwegge, C. (Hrsg.) (2000): <strong>Kinder</strong>armut in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen<br />

und Gegenmaßnahmen. Frankfurt am Main<br />

Die <strong>Kinder</strong>schutzzentren (Hrsg.) (1996): Armut und Benachteiligung von <strong>Kinder</strong>n. Köln<br />

Hock, B.; Holz, G. (1998): Arm dran? Lebenslagen und Lebenschancen von <strong>Kinder</strong>n und


Teil V. Anhang<br />

Jugendlichen. Erste Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt.<br />

Frankfurt am Main<br />

Hock, B. ; Holz, G.; Wüstendörfer, W. (1999): Armut <strong>–</strong> Eine Herausforderung <strong>für</strong> die verbandliche<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfe. Zweiter Zwischenbericht zu einer bundesweiten Befragung<br />

in den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt. Frankfurt am Main<br />

Hock, B.; Holz, G.; Wüstendörfer, W. (2000): Frühe Folgen <strong>–</strong> langfristige Konsequenzen?<br />

Armut und Benachteiligung im Vorschulalter. Vierter Zwischenbericht zu einer Studie im<br />

Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt. Veröffentlicht vom Eigenverlag des Instituts<br />

<strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V., Frankfurt am Main<br />

Iben, G. (Hrsg.) (1998): Kindheit und Armut. Analyse und Projekte. Münster<br />

Kamensky, J.; Heusohn, L.; Klemm, U. (Hrsg.) (2000): Kindheit und Armut in Deutschland:<br />

Beiträge zur Analyse, Prävention und Intervention. Ulm<br />

Klocke, A.; Hurrelmann, K. (Hrsg.) (2001): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. Umfang,<br />

Auswirkungen und Konsequenzen. Opladen<br />

Lauterbach, W.; Lange, A.; Wüest-Rudin, D. (1999): Familien in prekären Einkommenslagen.<br />

Konsequenzen <strong>für</strong> die Bildungschancen von <strong>Kinder</strong>n in den 80er und 90er Jahren. In:<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> Erziehungswissenschaft, 2. Jg., H.3/1999, S. 361-383<br />

Mansel, J.; Neubauer, G. (Hrsg.) (1998): Armut und soziale Ungleichheit bei <strong>Kinder</strong>n.<br />

Opladen<br />

Mansel, J.; Brinkhoff, K.-P. (Hrsg.) (1998): Armut im Jugendalter. Soziale Ungleichheit,<br />

Gettoisierung und die psychosozialen Folgen. Weinheim/München<br />

Otto, U. (Hrsg.) (1997): Aufwachsen in Armut. Erfahrungswelten und soziale Lagen von<br />

<strong>Kinder</strong>n armer Familien. Opladen<br />

Richter, A. (2000): Wie erleben und bewältigen <strong>Kinder</strong> Armut? Eine qualitative Studie<br />

über die Belastungen aus Unterversorgungslagen und ihre Bewältigung aus subjektiver Sicht<br />

von Grundschulkindern einer ländlichen Region. Aachen<br />

Armut und Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

Altgeld, T.; Hofrichter P. (Hrsg.) (2000): Reiches Land <strong>–</strong> kranke <strong>Kinder</strong>? Frankfurt am Main<br />

Barlösius, E.; Feichtinger, E.; Köhler, B. M. (Hrsg.) (1995): Ernährung in der Armut. Gesundheitliche,<br />

soziale und kulturelle Folgen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin<br />

Bieligk, A. (1996): Die armen <strong>Kinder</strong> <strong>–</strong> Armut und Unterversorgung bei <strong>Kinder</strong>n, Belastungen<br />

und ihre Bewältigung. Essen<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (1998): Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n <strong>–</strong><br />

Epidemiologische Grundlagen <strong>–</strong> Dokumentation einer Expertentagung. Köln<br />

Haffner, J.; Esther, C.; Münch, H.; Parzer, P.; Raue, B.; Steen, R.; Klett, M.; Resch, F.<br />

(1998): Veränderte Kindheit <strong>–</strong> neue Wirklichkeiten. Verhaltensauffälligkeiten im Einschulungsalter.<br />

Ergebnisse einer epidemiologischen Studie. Beiträge zur regionalen Gesundheitsberichterstattung<br />

Rhein-Neckar-Kreis / Heidelberg. Eine Studie der Abteilung <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>- und<br />

Jugendpsychiatrie der Universität Heidelberg und des Gesundheitsamts Rhein-Neckar-Kreis.<br />

127


128<br />

Teil V. Anhang<br />

Hofrichter, P.; Altgeld, T. (Hrsg.) (2000): Suppenküchen im Schlaraffenland <strong>–</strong> Armut und<br />

Ernährung von Familien und <strong>Kinder</strong>n in Deutschland. Hannover<br />

Kaiser, C. (2001): Ernährungsweisen von Familien mit <strong>Kinder</strong>n in Armut. Eine qualitative<br />

Studie zur Bedeutung und Erweiterung des Konzepts der Ernährungsarmut. Stuttgart<br />

Kamensky, J.; Feichtinger, E.; Zenz, H. (2000): Essen und Einkommen. In: Deutsche Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Ernährung e.V., Sektion Thüringen (Hrsg.): Referate anlässlich der 8. Ernährungsfachtagung<br />

in Jena. S. 29-47<br />

Kamensky, J: (2000): <strong>Kinder</strong>armut: Folgen <strong>für</strong> die Ernährung. In: Kamensky, J.; Heusohn,<br />

L.; Klemm, U. (Hrsg.) (2000): Kindheit und Armut in Deutschland: Beiträge zur Analyse,<br />

Prävention und Intervention. Ulm. S. 86-106<br />

Klocke, A. (1995): Der Einfluss sozialer Ungleichheit auf das Ernährungsverhalten im<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendalter. In: E. Barlösius; E. Feichtinger; B. M. Köhler (Hrsg.): Ernährung in<br />

der Armut. Gesundheitliche, soziale und kulturelle Folgen in der Bundesrepublik. Berlin. S.<br />

185-203<br />

Klocke, A.; Hurrelmann, K. (1995): Armut und Gesundheit. Inwieweit sind <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

betroffen? In: Zeitschrift <strong>für</strong> Gesundheitswissenschaften. 2. Beiheft S. 138-151<br />

Klocke A.; Hurrelmann K. (Hrsg.) (2001): <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. 2. vollständig<br />

überarbeitete Auflage. Opladen<br />

Köhler, B.M.; Feichtinger, E. (Hrsg.) (1998): Annotierte Bibliographie Armut und Ernährung.<br />

Berlin<br />

Mielck, A. (1998): Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen: Ergebnisse der<br />

sozial-epidemiologischen Forschung in Deutschland. In: Klocke, A.; Hurrelmann, K. (Hrsg.):<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche in Armut. Opladen. S. 225-249<br />

Mielck, A. (2000): Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze,<br />

Interventionsmöglichkeiten.<br />

Robert-Koch-Institut (Hrsg.) (2001): Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 03/01:<br />

Armut bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Verfasst von Prof. Dr. Andreas Klocke. Berlin<br />

Settertobulte, W.; P<strong>alle</strong>ntin, Ch.; Hurrelmann, K. (Hrsg.) (1995): Gesundheitsversorgung<br />

<strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche. Ein Praxishandbuch, Heidelberg<br />

Settertobulte, W. (2002): Gesundheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in NRW. Sonderbericht<br />

im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung NRW im Auftrag des Ministeriums <strong>für</strong> Frauen,<br />

Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (2000): <strong>Kinder</strong>gesundheit in Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart<br />

Armutsberichte, diverse empirische Untersuchungen und gesammelte Daten<br />

AWO Bundesverband e.V. (2000): AWO-Sozialbericht 2000. Gute Kindheit <strong>–</strong> Schlechte<br />

Kindheit. Armut und Zukunftschancen von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in Deutschland. Bonn<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.) (2001): Lebenslagen in Deutschland.<br />

Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn


Teil V. Anhang<br />

Busch-Geertsema, V.; Ruhstrat, E.-U. (1993): „Das macht die Seele so kaputt...“. Armut in<br />

Bremen. Bremen<br />

Deutscher <strong>Kinder</strong>schutzbund e.V., Hannover; Volkswagen AG, Kommunikation Wolfsburg<br />

(Hrsg.) (1998): Taschenbuch der <strong>Kinder</strong>presse. Remagen-Rolandseck<br />

Gruppe <strong>für</strong> sozialwissenschaftliche Forschung (GSF) (1996). Münchner Armutsbericht ´95.<br />

Hanesch, W.; Krause, P.; Bäcker, G.; Maschke, M.; Otto, B. (2000): Armut und Ungleichheit<br />

in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Reinbeck bei Hamburg<br />

Hank, K.; Kersting, V.; Langenhoff, G.; Strohmeier, K.P. (Ruhr-Universität Bochum <strong>–</strong> Zentrum<br />

<strong>für</strong> interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung) (2000): Armut in Nordrhein-Westfalen. Umfang<br />

und Struktur des Armutspotentials. Bochum.<br />

Hauser, R.; Hübinger, W. (1993). Arme unter uns. Teil 1: Ergebnisse und Konsequenzen der<br />

Caritas-Armutsuntersuchung. hrsgg. vom Deutschen Caritasverband. Freiburg im Breisgau<br />

Kamensky, J.; Zenz, H. (2001): Armut <strong>–</strong> Lebenslagen und Konsequenzen. Ursachen, Ausmaß<br />

und Bewältigung sozialer Ungleichheit am Beispiel des Landkreises Neu-Ulm. Ulm<br />

Landeshauptstadt München, Sozialreferat (Hrsg.) (1990): Lebenslage Alleinerziehender in<br />

München <strong>–</strong> Erfahrungen mit privaten, verbandlichen und staatlichen Hilfen. Beiträge zur Sozialplanung<br />

116<br />

Landeshauptstadt Stuttgart, Sozialamt (Hrsg.) (2001): Armut in Stuttgart. Quantitative und<br />

qualitative Analysen. Sozialbericht 1. Stuttgart<br />

Magistrat der Universitätsstadt Gießen, Sozial- und Jugenddezernat (Hrsg.) (2002): Kommunaler<br />

Armutsbericht. Gießen<br />

Stock, L. (1999): Armut im Landkreis Merseburg-Querfurt: Untersuchung zur aktuellen<br />

Armutsentwicklung in einem Teilgebiet der ehemaligen DDR-Chemieregion. Berlin<br />

Gesundheitsförderung<br />

Altgeld, T.; Laser, I. ; Walter, U. (Hrsg.) (1997): Wie kann Gesundheit verwirklicht werden?<br />

Gesundheitsfördernde Handlungskonzepte und gesellschaftliche Hemmnisse. Weinheim<br />

Amann, G.; Wipplinger, R. (Hrsg.) (1998): Gesundheitsförderung <strong>–</strong> Ein multidimensionales<br />

Tätigkeitsfeld. Tübingen<br />

Beuels, F.-R.; Wohlfahrt, N. (1991): Gesundheit <strong>für</strong> die Region? Neue Konzepte der kommunalen<br />

und betrieblichen Gesundheitsförderung. Bielefeld<br />

Böhm, B.; Janßen, M.; Legewie, H. (1999): Zusammenarbeit professionell gestalten: Projektleitfaden<br />

<strong>für</strong> Gesundheitsförderung, Sozialarbeit und Umweltschutz. Freiburg im Breisgau<br />

Breitwieser, U.; Donauer, B.; Elsigan, G.; Grossmann, R. (1991): Gesundheitsförderung:<br />

Appelle sind zuwenig! Beispiele regionaler Bildungsarbeit. München<br />

Bundeszentrale f. gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (1996): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung<br />

<strong>–</strong> Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden in der Gesundheitsförderung.<br />

Schwabenheim a.d. Selz<br />

129


130<br />

Teil V. Anhang<br />

Bundesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit e.V. (Hrsg.) (1999): Gesundheit: Strukturen und Handlungsfelder.<br />

Neuwied<br />

Doorduijn, A.; Geiger, I.; Heinemann, H. (1996): Gesundheitsförderung <strong>–</strong> Vom alltäglichen<br />

Umgang mit der Utopie <strong>–</strong> Das Arbeitsbuch zum Handbuch. Frankfurt am Main<br />

Enkerts, V; Schweigert, I. (Hrsg.) (1987): Gesundheit ist mehr! <strong>–</strong> Soziale Netzwerke <strong>für</strong> eine<br />

lebenswerte Zukunft. Hamburg<br />

Franzkowiak, P.; Sabo, P. (1993): Dokumente der Gesundheitsförderung. Mainz<br />

GesundheitsAkademie e.V. (Hrsg.) (2001): Gesundheit gemeinsam gestalten <strong>–</strong> Allianz <strong>für</strong><br />

Gesundheitsförderung. Frankfurt am Main<br />

Grossmann, R; Scala, K. (1994): Gesundheit durch Projekte fördern <strong>–</strong> Ein Konzept zur Gesundheitsförderung<br />

durch Organisationsentwicklung und Projektmanagement. Weinheim<br />

Hamburger Projektgruppe Gesundheitsberichterstattung (1996): Praxishandbuch Gesundheitsberichterstattung.<br />

Düsseldorf: Akademie <strong>für</strong> öffentliches Gesundheitswesen<br />

Keil, A.; Milles, D.; Müller, R. (Hrsg.) (1991): Gesundheitswissenschaften und Gesundheitsförderung.<br />

Bremerhafen<br />

Krause, R. (Hrsg.) (1995): Gesundheitsförderung: Von der Projektplanung bis zur Evaluation.<br />

Handbuch zum Management in der Gesundheitsförderung. Oberhaching<br />

Laaser, U; Gebhardt, K.; Kemper, P. (Hrsg.) (2001): Gesundheit und soziale Benachteiligung.<br />

Informationssysteme <strong>–</strong> Bedarfsanalysen <strong>–</strong> Interventionen. Lage<br />

Labisch, A. (Hrsg.) (1989): Kommunale Gesundheitsförderung <strong>–</strong> aktuelle Entwicklungen,<br />

Konzepte, Perspektiven. Frankfurt am Main<br />

Landeszentrale <strong>für</strong> Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (Hrsg.) (1997): Rund um<br />

die regionale Gesundheitskonferenz. Ein Leitfaden zur Handhabung regionaler Gesundheitskonferenzen.<br />

Mainz<br />

Lohaus, A. (1993): Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention im <strong>Kinder</strong>- und Jugendalter.<br />

Göttingen<br />

Pelikan, J.M.; Demmer, H.; Hurrelmann, K. (Hrsg.) (1993): Gesundheitsförderung durch<br />

Organisationsentwicklung: Konzepte, Strategien und Projekte <strong>für</strong> Betriebe, Krankenhäuser<br />

und Schulen. Weinheim<br />

Röhrle, B.; Sommer, G. (Hrsg.) (1999): Prävention und Gesundheitsförderung. Fortschritte<br />

der Gemeindepsychologie und Gesundheitsförderung, <strong>Band</strong> 4. Tübingen<br />

Stark, W. (Hrsg.) (1989): Lebensweltbezogene Prävention und Gesundheitsförderung <strong>–</strong><br />

Konzepte und Strategien <strong>für</strong> die psychosoziale Praxis. Freiburg im Breisgau<br />

Stumm, B.; Trojan, A. (1994): Gesundheit in der Stadt <strong>–</strong> Modelle-Erfahrungen-Perspektiven.<br />

Frankfurt am Main<br />

Trojan, A.; Hildebrand, H. (Hrsg.) (1990): Brücken zwischen Bürgern und Behörden <strong>–</strong> Innovative<br />

Strukturen <strong>für</strong> Gesundheitsförderung. St. Augustin<br />

Trojan, A.; Legewie, H. (2001): Nachhaltige Gesundheit und Entwicklung <strong>–</strong> Leitbilder, Politik<br />

und Praxis der Gestaltung gesundheitsförderlicher Umwelt- und Lebensbedingungen.<br />

Frankfurt am Main


Projektberichte und Dokumentationen<br />

Teil V. Anhang<br />

Gesundheitsamt Köln, Geschäftsstelle „Kommunale Gesundheitskonferenz Köln“, <strong>Kinder</strong>-<br />

und Jugendgesundheitsdienst: Projektbericht: FAKIR (Förder-Angebote <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> in<br />

Regionen mit erhöhtem Hilfebedarf) Zu beziehen bei: Gesundheitsamt Köln, Abt. 535, Neumarkt<br />

15-21, 50667 Köln<br />

Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (1996): Gesundheitsförderung mit sozial<br />

Benachteiligten: Eine Bestandsaufnahme von Initiativen, Projekten und kontinuierlichen<br />

Angeboten. Zu beziehen über: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr.15,<br />

70174 Stuttgart<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2001): „Tackling Inequalities in<br />

Health“ <strong>–</strong> ein Projekt des „European Network of Health Promotion Agencies“ (ENHPA) zur<br />

Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten. Abschlussbericht <strong>für</strong> das deutsche Teilprojekt.<br />

Vorgelegt von Prof. Dr. Johannes Siegrist und Dr. Ljiljana Joksimovic (Universität Düsseldorf,<br />

Institut <strong>für</strong> Medizinische Soziologie)<br />

Stadtteilbüro Eidelstedt-Nord, Bezirksamt Eimsbüttel, Hörgensweg 59 b, 22523 Hamburg:<br />

Soziale Stadtteilentwicklung Eidelsstedt-Nord „Visitenkarte“<br />

Mielck. A.; Abel, M.; Heinemann, H.; Stender, K.-P. (Hrsg.) (2002): Auf dem Weg: „<strong>Gesunde</strong><br />

Städte“ <strong>–</strong> Projekte zur <strong>Chancen</strong>gleichheit. Lage<br />

Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit Niedersachsen e.V.; Zentrum <strong>für</strong> Angewandte Gesundheitswissenschaften<br />

der Fachhochschule Nordostniedersachsen und der Universität Lüneburg<br />

(Hrsg.) (2000): Armut und Gesundheit. Praxisprojekte aus Gesundheits- und Sozialarbeit in<br />

Niedersachsen. Hannover<br />

Saur, U.; Tilke, B. (Hrsg.) (2001): Jung, lässig & pleite? Konsumlust und Schuldenlast bei<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Dokumentation einer Fachtagung. Erhältlich bei: Aktion Jugendschutz,<br />

Landesarbeitsstelle Baden-Württemberg , Stafflenbergstr. 44, 70184 Stuttgart, Tel.:<br />

0711/237 37 0<br />

Tagungsberichte<br />

„Soziale Ungleichheit als Herausforderung <strong>für</strong> Gesundheitsförderung“ Dokumentation des<br />

Gesundheitspolitischen Symposiums in Baden-Württemberg, 1995. Hrsg. Sozialministerium<br />

Baden-Württemberg, Schellingstr.15, 70174 Stuttgart<br />

„Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten“. Dokumentation einer Informationsveranstaltung<br />

<strong>für</strong> Fach- und Führungskräfte der Stadt- und Landkreise am 7. Dezember 1998, Landesgesundheitsamt<br />

Baden-Württemberg<br />

„Armut und Gesundheit in Düsseldorf.“ Fachtagung der „Düsseldorfer Gesundheitskonferenz“<br />

am 24. November 1999 im Rathaus der Landeshauptstadt. Erstellt von der Geschäftsstelle<br />

der „Düsseldorfer Gesundheitskonferenz“ (Herr Pöllen, Frau Kochhan)<br />

„Armut und Gesundheit“ von Franke, M.; Geene, R.; Luber, E., Gesundheit Berlin e.V., Landesarbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Gesundheitsförderung (1999)<br />

131


132<br />

Teil V. Anhang<br />

„<strong>Kinder</strong>armut <strong>–</strong> Gesundheit“. Dokumentation der Fachtagung des Landesverbands der Arbeiterwohlfahrt<br />

Mecklenburg-Vorpommern e.V. am 12. April 2000 in Schwerin. Zu beziehen bei:<br />

Landesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheitsförderung M-V, Zum Bahnhof 20, 19053 Schwerin<br />

„Stadtteilorientierte Familienhilfen <strong>–</strong> Balance zwischen individueller und struktureller Hilfe“.<br />

Dokumentation der Fachtagung am 10. Oktober 2000 im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Zu beziehen<br />

bei: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde <strong>für</strong> Schule, Jugend und Berufsbildung, Amt<br />

<strong>für</strong> Jugend, Abt. J4, Jugend- und Familienförderung, Postfach 76 06 08, 22056 Hamburg<br />

„Ernährung und Gesundheit: (k)ein Thema <strong>für</strong> Gesundheitsförderung und Verbraucherschutz?“.<br />

Materialien und Arbeitspapiere einer ÖGD-Infoveranstaltung am 21. Mai 2001 in<br />

Stuttgart, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />

Ausstellungen und Ausstellungskataloge<br />

„Armut <strong>–</strong> Die einen stehen im Dunkeln, die anderen stehen im Licht“<br />

Wanderausstellung eines Schülerwettbewerbs mit 18 Plakaten, die Armut in Deutschland und<br />

der Welt anklagen und zum Handeln auffordern. Hrsg. Landeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung<br />

Baden-Württemberg, Schülerwettbewerb, Sophienstr.28-30, 70178 Stuttgart (Monika Greiner,<br />

Tel. 0711/16 40 99 26)<br />

„Armut grenzt aus“ <strong>–</strong> Wanderausstellung<br />

Hrsg. Arbeitslosenselbsthilfe Osnabrück, Lotter Str. 6, 49078 Osnabrück, Tel. 0541/47299<br />

„Ohne Arbeit kein Vergnügen. <strong>Kinder</strong>armut <strong>–</strong> arme Frauen in der BRD.“ Hrsgg. von DONNA<br />

45 e. V. (1997). Oldenburg<br />

„Kennen wir uns?“ Straßenkinder fotografieren ihre Welt<br />

Wanderausstellung Hrsg. Off-Road-Kids e.V. und Mannesmann Mobilfunk GmbH, Am Seestern<br />

1, 40547 Düsseldorf (Andrea Zinnlauf, Tel. 0211/533 3940)<br />

„Armut von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn dokumentiert in einer<br />

Fotoausstellung.“ hrsgg. vom Mieterverein Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und Arbeiterwohlfahrt<br />

Kreisverband Rhein-Sieg (1997): Siegburg<br />

„<strong>Kinder</strong> der Ausweglosigkeit.“ Von Kerstin Zillmer (1997). Münster<br />

Verzeichnis verleihbarer Ausstellungen zur Prävention & Gesundheitsförderung. Hrsgg. vom<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr.15. 70174 Stuttgart


Tipps zum Recherchieren im Internet<br />

Daten und Fakten<br />

http://www.bma.bund.de<br />

(weiter mit: „Soziale Sicherheit“) Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung<br />

http://www.statistik.baden-württemberg.de<br />

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg:<br />

Böblinger Straße 68,<br />

70199 Stuttgart<br />

Tel.: 0711/641-2833<br />

http://www.lds.nrw.de<br />

Landesamt <strong>für</strong> Datenverarbeitung und Statistik<br />

Nordrhein-Westfalen:<br />

Mauerstraße 51,<br />

40476 Düsseldorf<br />

http://www.statistik-bw.de/bevoelkgebiet/fafo/<br />

Homepage der Familienwissenschaftlichen<br />

Forschungsstelle im Statistischen Landesamt<br />

Baden-Württemberg in Stuttgart<br />

http://www.ruhr-uni-bochum.de/zefir/<br />

Homepage des ZEFIR <strong>–</strong> Zentrum <strong>für</strong> interdisziplinäre<br />

Ruhrgebietsforschung<br />

Armut und Gesundheit<br />

http://www.gesundheitberlin.de<br />

Homepage der Gesundheit Berlin e.V. <strong>–</strong> Landesarbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Gesundheitsförderung<br />

Teil V. Anhang<br />

„Lebenslagen in Deutschland“<br />

Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der<br />

Bundesregierung<br />

Bericht und Materialband zum Runterladen.<br />

Überregionale und regionale Daten zu Gesundheit<br />

und Sozialer Sicherheit.<br />

Überregionale und regionale Daten zu Gesundheit<br />

und Sozialer Sicherheit.<br />

Umfangreiche Literaturliste zu Themen wie:<br />

Einkommensverhältnisse, Haushalt, Familie,<br />

Lebenslage von Alleinerziehenden, Familienpolitik,<br />

Sozialhilfe, sozial benachteiligte<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche.<br />

Texte und Projektberichte zu: Armut in<br />

Nordrhein-Westfalen und <strong>Kinder</strong>armut im<br />

Ruhrgebiet. Berichte zum Runterladen.<br />

Beiträge der Kongresse „Armut und Gesundheit“,<br />

die seit 1996 in Berlin stattfinden.<br />

Texte zu Themen wie Handlungsansätze,<br />

Projekte aus der Praxis der Gesundheitsförderung<br />

von sozial benachteiligten Menschen,<br />

Armut und Gesundheit von speziellen<br />

Zielgruppen, Stellungnahmen von Politikern<br />

zur sozialen Ungleichheit usw. Links zu Kooperationspartnern<br />

in anderen Bundesländern.<br />

133


134<br />

Teil V. Anhang<br />

http://www.bzga_stat/international/<br />

Homepage der Bundezentrale <strong>für</strong> gesundheitliche<br />

Aufklärung<br />

http://www.bmgesundheit.de<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit<br />

http://www.sozial-epidemiologie.de<br />

Arbeitsgruppe Sozialepidemiologie<br />

http://www.ohn.gov.uk/ohn/ohn.htm“<br />

Saving Lives: Our healthier Nation“.<br />

Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

http://www.weltkindergipfel.de<br />

Weltkindergipfel<br />

http://www.diakonie.de/publikationen/nak/1999/<br />

abschnitt01.htm<br />

Homepage der Diakonie<br />

Abschlussbericht „Tackling Inequalities in<br />

Health“ <strong>–</strong> ein Projekt des Europäischen<br />

Netzwerkes „European Network of Health<br />

Promotion Agencies“ (ENHPA) zur Gesundheitsförderung<br />

bei sozial Benachteiligten.<br />

PDF-Datei zum runterladen.<br />

Aktuelle Informationen und Veröffentlichungen<br />

des Bundesministeriums <strong>für</strong> Gesundheit,<br />

u.a. auch zu den Kongressen „Armut und<br />

Gesundheit“ in Berlin.<br />

Publikationen, Zeitschriftenliste und zahlreiche<br />

Links zu Sozialer Ungleichheit und Gesundheit.<br />

Soziale Ungleichheit und Gesundheitsförderung<br />

in Großbritannien. Sehr umfassend mit<br />

vielen Links (z.B. Acheson-Report, Black-<br />

Report).<br />

Beiträge über <strong>Kinder</strong>rechte<br />

Beiträge zu „Armut und Krankheit“ bei ausgewählten<br />

Zielgruppen.<br />

http://www.jugendbericht.de/nrw Kommentierter Datenband zum 7. <strong>Kinder</strong>und<br />

Jugendbericht der Landesregierung<br />

NRW, reichhaltige Datensammlung auch<br />

zum Themenkomplex Armut.<br />

http://www.awo.org<br />

Diverse Berichte zum Thema: <strong>Kinder</strong>, Ju-<br />

(weiter mit: „A <strong>–</strong> Z“)<br />

gendliche und Armut, u.a. Kurzfassung des<br />

Homepage der Arbeiterwohlfahrt<br />

Sozialberichts 2000: „Gute Kindheit <strong>–</strong><br />

schlechte Kindheit.“ Armut und Zukunftschancen<br />

von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen..<br />

http://www.nationale-armutskonferenz.de Diverse Publikationen: Nationaler Armutsbe-<br />

(weiter mit: „Publikationen“)<br />

richt, „Sozialpolitische Bilanz Armut von<br />

Nationale Armutskonferenz<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen“ (mit Berücksichtigung<br />

von Gesundheit). Kontaktadressen<br />

von regionalen Armutskonferenzen.<br />

http://www.kindergartenpaedagogik.de/202.html Online-Handbuch „Armut und Benachteili-<br />

<strong>Kinder</strong>gartenpädagogik<br />

gung im Vorschulalter“, Bericht über die frühen<br />

Folgen von Armut und Handlungsansätze<br />

in der KiTa-Arbeit.


Gesundheit und Gesundheitsförderung<br />

http://www.bzga.de<br />

Bundeszentrale <strong>für</strong> gesundheitliche Aufklärung<br />

http://www.bfge.de<br />

Bundesvereinigung <strong>für</strong> Gesundheit<br />

http://www.kinderaerzte-lippe.de/22ma-3.htm<br />

<strong>Kinder</strong>ärzte Lippe<br />

http://www.gesundheits.de<br />

GesundheitsAkademie e.V.<br />

http://www.gesundheit-psychologie.de/<br />

Gesundheit & Psychologie im Internet<br />

http://www.frauengesundheit-nrw.de/<br />

Koordinationsstelle Frauen und Gesundheit<br />

NRW<br />

http://www.gesunde-staedte-netzwerk.de/<br />

<strong>Gesunde</strong> Städte-Netzwerk<br />

http://www.btonline.de/literatur/who/zieleho98.html<br />

Beratung und Therapie online<br />

http://www.who.int<br />

WHO, Genf<br />

http://www.bgvv.de<br />

Bundesinstitut <strong>für</strong> gesundheitlichem Verbraucherschutz<br />

und Veterinärmedizin, Berlin<br />

http://www.rki.de<br />

Robert Koch-Institut, Berlin<br />

Teil V. Anhang<br />

Infodienst <strong>für</strong> Fachmitarbeiter(innen). U.a.<br />

Studien und Medien zu unterschiedlichen<br />

Gesundheitsthemen.<br />

Informationen zu Themen und Projekten der<br />

BfGE (u.a. zu Weltgesundheitstagen, Gesundheitspolitik).<br />

Verschiedene Kongressbeiträge zum Thema<br />

Gesundheitsförderung <strong>–</strong> Theorie und Praxis<br />

(z.B. „Grundsätze einer jugendgemäßen Gesundheitsförderung“).<br />

Diverse Aufsätze zum Thema Gesundheit,<br />

Gesundheitsförderung (WHO-Texte, handlungsorientierte<br />

Texte).<br />

Diverse Beiträge zu Gesundheit, Gesundheitsförderung<br />

und Psychologie.<br />

Informationen zu Frauen und Gesundheit<br />

Informationen zum Programm, zu Netzwerk-Aktivitäten<br />

und <strong>–</strong> Mitgliedern.<br />

Gesundheitspolitische Ziele der WHO <strong>für</strong><br />

das 21.Jahrhundert.<br />

Informationen der WHO, u.a. zu Gesundheitsförderung<br />

(Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung)<br />

Informationen zu gesundheitlichem Verbraucherschutz<br />

und Veterinärmedizin<br />

Informationen zu Gesundheit, Krankheit,<br />

Gesundheitsberichterstattung und Forschung.<br />

135


136<br />

Teil V. Anhang<br />

Aktionen, Projekte, Medien<br />

http://www.kinder-jugendgesundheit.de<br />

<strong>Kinder</strong>-und Jugendgesundheitsdienst der Gesundheitsämter<br />

in NRW<br />

http://www.heidelberg.de/umwelt/gesundh.htm<br />

<strong>Gesunde</strong> Stadt Heidelberg<br />

http://www.stuttgart.de/sde<br />

(weiter mit: Themen: Gesundheit)Projekt „Forum<br />

<strong>Gesunde</strong> Stadt Stuttgart e.V.“<br />

http://www.gesundheitsparlament.net/<br />

Gesundheitsparlament<br />

http://www.bzga.de<br />

(weiter mit: „Marktbeobachtungen“)<br />

Das Gesundheitsinformationssystem der BZgA<br />

http://www.sozialestadt.de<br />

Bund-Länder Programm Soziale Stadt<br />

http://www.vse-essen.de<br />

Verein Schuldnerhilfe e.V. Essen (VSE)<br />

Forum <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsdienste<br />

im ÖGD. (U.a. Gesundheitsförderung<br />

im Gemeinwesen, Kooperation mit<br />

dem sozialen Netz einer Stadt).<br />

Allgemeines zur Gesundheitsförderung in<br />

Heidelberg, u.a. mit der Zielgruppe <strong>Kinder</strong>.<br />

Link zu „<strong>Gesunde</strong>-Städte-Netzwerk“.<br />

Ziele, Themen, Projektvorstellungen, Projektberatung<br />

und -förderung zum Projekt<br />

„<strong>Gesunde</strong> Stadt“. Angebote zur Gesundheitsförderung.<br />

Forum zu Vernetzung und Austausch <strong>alle</strong>r<br />

nicht regierungsgebundenen Organisationen<br />

(NGOs).<br />

Datenbank zur Gesundheitsförderung und<br />

Prävention im ÖGD Baden-Württemberg.<br />

Informationen zu Programmgrundlagen,<br />

Veröffentlichungen, Ansprechpartnern, Projektdatenbank.<br />

Informationen und Materialien <strong>für</strong> Fachkräfte<br />

aus Schule und Sozialarbeit zur Prävention<br />

von Überschuldung. Umfangreiche<br />

Link-Liste und Kontaktadressen zu anderen<br />

Institutionen.<br />

Online abrufbar: Faltblätter, Projektanleitungen,<br />

Materialien und Foliensätze aus dem<br />

„Schuldenkoffer“, einer Materialiensammlung<br />

zur Überschuldungsvorbeugung bei Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen.


Die Öffentlicher Fotos Gesundheitsdienst<br />

http://www.loegd.nrw.de<br />

Homepage des Landesinstituts <strong>für</strong> den öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst, Nordrhein-Westfalen.<br />

http://www.landesgesundheitsamt.de<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />

http://www.gesundheitsamt-bw.de<br />

Öffentlicher Gesundheitsdienst Baden-Württemberg<br />

http://www.afoeg.nrw.de<br />

Akademie <strong>für</strong> Öffentliches Gesundheitswesen,<br />

Düsseldorf<br />

http://www.afoeg.bayern.de/<br />

Akademie <strong>für</strong> das öffentliche Gesundheitswesen<br />

im Bayerischen Landesamt <strong>für</strong> Gesundheit<br />

und Lebensmittelsicherheit<br />

Teil V. Anhang<br />

Beschreibungen zu Aufgaben und Angeboten<br />

des Landesinstituts.<br />

Umfangreiche Daten z.B. zu Gesundheitsindikatoren,<br />

zur Schuleingangsuntersuchung.<br />

Links zu Themen wie Gesundheitsämter,<br />

Landesgesundheitskonferenz, Sozialversicherungsträger,<br />

Verfasste Ärzte- und Zahnärzteschaft,<br />

Wohlfahrtsverbände, Gesundheitliche<br />

Selbsthilfe, Kommunale Spitzenverbände,<br />

Einrichtungen und Projekte auf<br />

Landesebene und deutschlandweite Adressen<br />

.<br />

Informationen zu Aufgabenfeldern des LGA<br />

z.B. zu Gesundheit und Umwelt, Gesundheitsförderung,<br />

Prävention, Frühförderung,<br />

Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung,<br />

umfangreiche Link-Liste.<br />

Übersicht zu Angeboten des ÖGD Baden-<br />

Württemberg nach Themen und Orten (u.a.<br />

Gesundheitsförderung, <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheit),<br />

Links zu den Gesundheitsämtern.<br />

Informationen zu Veranstaltungen, Forschungsvorhaben,<br />

Projekten und Veröffentlichungen.<br />

Informationen zu Gesundheitsberichterstattung,<br />

Gesundheitsförderung, Pädiatrie, umfangreiche<br />

Link-Liste.<br />

137


138<br />

Teil V. Anhang<br />

Die Fotos<br />

Die in diesem Heft abgedruckten Fotos sind Teil der Wanderausstellung „Kennen wir uns?<br />

Straßenkinder fotografieren ihre Welt“, einer Aktion von Off-Road-Kids e.V. und Vodafone. Die<br />

Fotos spiegeln eine besonders drastische Erscheinungsform von <strong>Kinder</strong>armut wieder und veranschaulichen<br />

die Dimension und Absurdität dieses Themas in unserer Wohlstandsgesellschaft<br />

nachhaltiger und lebensnäher als manche Beschreibung oder Reflexion. Wir haben die Fotos im<br />

Heft bewusst zwischen den Kapiteln platziert <strong>–</strong> um Ruhepunkte zu schaffen, um zwischen Zahlen<br />

und Daten, theoretischen und praxisbezogenen Ausführungen Gelegenheit zu geben, sich die<br />

praktische Konsequenz und die Dringlichkeit dieses Themas wieder neu bewusst zu machen.<br />

Die Wanderausstellung „Kennen wir uns? Straßenkinder fotografieren ihre Welt“ wurde inzwischen<br />

mehrfach prämiert und gewürdigt. Sie kann bei Vodafone D2 gebucht werden. Nähere<br />

Informationen erhalten Sie über www.offroadkids.de.


Zu guter Letzt...<br />

wollen wir das Signal <strong>für</strong> einen Aufbruch setzen.<br />

Teil V. Anhang<br />

Die Münchner Erklärung zu „Armut und Gesundheit <strong>–</strong> <strong>Chancen</strong>gleichheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche“<br />

scheint uns hier<strong>für</strong> in besonderem Maße geeignet zu sein. Zum einen ist sie das Ergebnis<br />

einer Gesundheitskonferenz und steht <strong>für</strong> die Sinnhaftigkeit der Bündelung der Kräfte<br />

gerade in diesem Bereich. Des Weiteren schlägt sie die Brücke zu anderen Politikfeldern, zu anderen<br />

Initiativen und Aktionen über kommunale und Landesgrenzen hinaus und betont die Bedeutung<br />

gesamtgesellschaftlicher Strategien auf <strong>alle</strong>n politischen Ebenen. Mehr aber noch ist sie<br />

uns ein eindrucksvolles Beispiel entschlossenen Engagements, das von Bürgern und Initiativen,<br />

Wissenschaftlern, Praktikern und politisch Verantwortlichen <strong>gleiche</strong>rmaßen getragen wird, Beispiel<br />

auch <strong>für</strong> die Bereitschaft von Politik und Verwaltung, verbindliche Strategien zu formulieren<br />

und die Verpflichtung zu verantwortlichem Handeln einzugehen.<br />

Zahlreiche solcher innovativen, sichtbaren und von vielen gesellschaftlichen Kräften getragenen<br />

Initiativen wünschen wir uns.<br />

139


140<br />

Teil V. Anhang<br />

Armut und Gesundheit <strong>–</strong> <strong>Chancen</strong>gleichheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

Münchner Erklärung<br />

Armut gibt es auch in München. Die Gesundheitschancen und damit die Entwicklungschancen<br />

von <strong>Kinder</strong>n- und Jugendlichen sind davon besonders betroffen. Zum Thema ''Armut und Gesundheit<br />

<strong>–</strong> <strong>Chancen</strong>gleichheit <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche“ fand am 07.02.2001 eine Gesundheitskonferenz<br />

in München statt. Die 'Münchner Erklärung' basiert auf der Entschließung der<br />

Gesundheitsministerkonferenz 2000, der Kölner Entschließung der '<strong>Gesunde</strong>n Städte' 1999 und<br />

der Münchner Gesundheitskonferenz.<br />

Alle müssen etwas tun: Armut ist ein gravierendes Gesundheitsrisiko. Die Verbesserung der<br />

<strong>Chancen</strong>gleichheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen bedarf einer ressortübergreifenden gesundheitsförderlichen<br />

Stadtentwicklungspolitik. Die Gesundheitskonferenz stimmt mit der Kölner<br />

Entschließung darin überein:<br />

„Alle müssen etwas tun. Gesamtgesellschaftliche Strategien auf kommunaler, Landes- und<br />

Bundesebene zur Bewältigung dieser Problematik sind notwendig.“<br />

Die Ursachen der Armut müssen bekämpft werden. <strong>Kinder</strong> dürfen kein Armutsrisiko sein, Erziehungsleistung<br />

muss neu bewertet und bezahlt werden.<br />

1. Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zum Thema machen!<br />

Der Gesundheitsbeirat hat das Thema 'Armut und Gesundheit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen'<br />

zum Jahresthema 2001 gemacht. Der Gesundheitsbeirat bietet an, die vorgeschlagenen Maßnahmen<br />

in seinen Arbeitskreisen fachlich zu beraten und eine Empfehlung zu verabschieden. Es<br />

ist notwendig, das Thema vor Ort mit Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen, Diensten und Einrichtungen<br />

sowie dem Bezirksausschuss zu bearbeiten und in konkreten Maßnahmen umzusetzen.<br />

Damit einhergehend sind verstärkte Anstrengungen zur besseren Kooperation und Vernetzung<br />

vor Ort zwischen Gesundheitsbereich, Schule, Jugendhilfe /Jugendarbeit und Sozialbereich<br />

notwendig. Dazu bietet sich z.B. das Netzwerk REGSAM (Regionalisierung der sozialen<br />

Arbeit in München) an. Ziel ist es unter anderem ein wirksames Frühwarnsystem zu entwickeln.<br />

Sozial- und Gesundheitsberichterstattung sind zu vernetzen und ggf. zu regionalisieren. Eine<br />

Verbesserung der Datengrundlagen soll erfolgen, zusätzlich sollen Sozialmerkmale in die<br />

Dokumentation der schulärztlichen Untersuchungen aufgenommen werden.<br />

2. Verbesserung der Arbeit durch Fortbildungen und strukturelle Maßnahmen.<br />

Zur Verbesserung der <strong>Chancen</strong>gleichheit von benachteiligten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen ist es<br />

wichtig, dass diese mehr als bisher von den vorhandenen gesundheitlichen und sozialen Diensten<br />

und Angeboten profitieren. Spezielle Fortbildungen sollen dazu beitragen,<br />

<strong>•</strong> dass <strong>alle</strong> Akteure die Zusammenhänge und Symptome von Armut und Krankheit <strong>–</strong> auch geschlechts-<br />

und kulturspezifisch <strong>–</strong> frühzeitig erkennen und darin geschult sind, die Kompetenzen<br />

der benachteiligten Mädchen und Jungen, sowie ihrer Eltern zu entdecken, zu respektieren<br />

und zu stärken (Salutogenese bzw. Primärprävention);<br />

<strong>•</strong> dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie die<br />

niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>- und Jugendmedizin und andere Fach-


Teil V. Anhang<br />

gruppen das regionale Hilfesystem der Sozial-, <strong>Kinder</strong>- und Jugendhilfe kennen, es zum<br />

Wohle der benachteiligten <strong>Kinder</strong> besser nutzen können und sich im Bedarfsfall mit Mitarbeiter(inne)n<br />

dieser Institutionen besser rückkoppeln;<br />

<strong>•</strong> dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der <strong>Kinder</strong>-, Jugend- und der Sozialarbeit sowie<br />

der Schulen über medizinische Vorsorgemöglichkeiten und gesundheitsförderliche Angebote<br />

und Hilfen informiert sind, um entsprechende Wegweisung geben zu können;<br />

<strong>•</strong> dass Erzieherinnen/ Erzieher und Lehrerinnen/ Lehrer sowie die Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter<br />

des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und der offenen <strong>Kinder</strong>- und Jugendarbeit die<br />

Ansätze und Themen der Gesundheitsförderung speziell im Hinblick auf Benachteiligte<br />

verstärkt berücksichtigen und altersgemäß, geschlechts- und kulturspezifisch aufgreifen<br />

können;<br />

In diesem Sinne fordert die Gesundheitskonferenz:<br />

<strong>•</strong> Das Personal- und Organisationsreferat soll in Absprache mit dem Referat <strong>für</strong> Gesundheit<br />

und Umwelt, dem Sozialreferat und dem Schulreferat adäquate Fortbildungen konzipieren<br />

und diese in das städtische Fortbildungsangebot aufnehmen. Referatsinterne Fortbildungen<br />

sollten <strong>–</strong> je nach Eignung <strong>–</strong> <strong>für</strong> die jeweils anderen Referate und die Einrichtungen der<br />

Freien Wohlfahrtspflege geöffnet werden.<br />

<strong>•</strong> Die Wohlfahrtsverbände und freien Träger sollen analog im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich<br />

Fortbildungen <strong>für</strong> ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten.<br />

<strong>•</strong> Die Ärztekammer bzw. der Ärztliche Kreis- und Bezirksverband sollen ihre Mitglieder über<br />

die vorhandenen Hilfsmöglichkeiten verstärkt informieren.<br />

<strong>•</strong> Die gesundheitlichen und sozialen Dienstleistungen sollen auf ihre Erreichbarkeit und Nutzbarkeit<br />

durch Benachteiligte überprüft werden. Nötige inhaltliche, methodische und organisatorische<br />

Veränderungen (z.B. Hausbesuche / Gehstruktur) sollen vorgenommen werden,<br />

um diese Zielgruppe besser zu erreichen.<br />

3. Gesundheitsförderung muss zielgenau und konkret sein<br />

Viele Münchener Projekte und Einrichtungen leisten bereits einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung<br />

der <strong>Chancen</strong>gleichheit von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen. Einige Projekte wurden als gute<br />

Beispiele auf der Gesundheitskonferenz vorgestellt (wie z.B. die Gesundheitsberatungsstelle<br />

Hasenbergl).<br />

Die Gesundheitskonferenz fordert:<br />

<strong>•</strong> Sozial- und Gesundheitswegweiser müssen stadtteilbezogen erstellt werden. Die Auflistung<br />

der gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen und Dienste, Initiativen und Selbsthilfegruppen<br />

müssen Fachleuten und Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen.<br />

<strong>•</strong> Öffentlich geförderte kinder- und jugendspezifische Freizeit- und Ferienangebote müssen<br />

ausgeweitet werden und <strong>für</strong> finanziell schwache Familien attraktiv bleiben.<br />

<strong>•</strong> 'Öffentliche Räume' <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, die diese sich aneignen können, müssen<br />

weiter ausgebaut werden. Fehlende Freizeiteinrichtungen sind zu ergänzen.<br />

141


142<br />

Teil V. Anhang<br />

<strong>•</strong> An <strong>alle</strong>n Schultypen muss Halbtagsbetreuung und Mittagstisch garantiert sein. Die Ganztagesschule<br />

muss sukzessive als Standard flächendeckend eingeführt werden.<br />

<strong>•</strong> Gesundheitsförderung an den Schulen muss ausgebaut werden, Gesundheitsbildung zum<br />

Pflichtfach werden; Kompetenzen der <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen sind dabei einzubeziehen<br />

und zu fördern.<br />

<strong>•</strong> Zugang zum Schul- und Bildungssystem und zur medizinischen Versorgung <strong>für</strong> <strong>alle</strong> Flüchtlinge<br />

und deren <strong>Kinder</strong>, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, ist zu garantieren.<br />

<strong>•</strong> Die Lebensbedingungen in den Sammelunterkünften müssen verbessert werden, z.B. durch<br />

aufsuchende Gesundheitshilfen, Abschaffung der Essenspakete. Begleitende Dolmetscherdienste<br />

müssen selbstverständlich sein.<br />

<strong>•</strong> Aufsuchende Gesundheitsvorsorge vom Säuglings- bis zum Jugendalter muss eingerichtet<br />

werden, Hausbesuche der <strong>Kinder</strong>krankenschwestern müssen ausgebaut werden.<br />

<strong>•</strong> Die medizinische Betreuung muss multidisziplinär und vor <strong>alle</strong>m präventiv ausgerichtet<br />

sein.<br />

<strong>•</strong> Niederschwellige Angebote (wie z.B. Gesundheitsberatungsstelle Hasenbergl) müssen ausgeweitet<br />

werden und in <strong>alle</strong>n Stadtteilen mit besonderem Bedarf angeboten werden.<br />

Die Münchner Erklärung wurde erarbeitet von<br />

Martin Eichner, Sozialamt <strong>–</strong> Rita Fehrmann-Brunskill, Referat <strong>für</strong> Gesundheit und Umwelt <strong>–</strong> Elly<br />

Geiger, Kreisjugendring München-Stadt <strong>–</strong> Dr. Hermann Gloning, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband<br />

<strong>–</strong> Christian Groffik, Referat <strong>für</strong> Gesundheit und Umwelt <strong>–</strong> Klaus Hehl, Referat <strong>für</strong><br />

Gesundheit und Umwelt <strong>–</strong> Natascha Hermann, M.P.H., Public Health-Studiengang <strong>–</strong> Paul A.<br />

Hirschauer, Stadtjugendamt <strong>–</strong> Dr. Erwin Hirschmann, Vorstand Gesundheitsbeirat <strong>–</strong> Dr. Waltraud<br />

Knipping, Berufsverband der <strong>Kinder</strong>- und Jugendärzte <strong>–</strong> Ute Kratzer, Allgemeiner Sozialdienst<br />

<strong>–</strong> Ursula Latka-Kiel, Münchner Aktionswerkstatt G'sundheit <strong>–</strong> Dr. Andreas Mielck,<br />

M.P.H., GSF-medis <strong>–</strong> Rolf Romaus, Gruppe <strong>für</strong> Sozialforschung <strong>–</strong> Gabriele Spies, Referat <strong>für</strong><br />

Gesundheit und Umwelt <strong>–</strong> Karin Spörl, Schulreferat <strong>–</strong> Willibald Strobel-Wintergerst, Arbeitsgemeinschaft<br />

Freie Wohlfahrtspflege <strong>–</strong> Prof. Dr. Dr. h.c. Hubertus von Voss, <strong>Kinder</strong>zentrum<br />

München.<br />

Die Dokumentation der Gesundheitskonferenz ist (in begrenzter Stückzahl) erhältlich bei<br />

Klaus Hehl, Geschäftsführer des Gesundheitsbeirats Referat <strong>für</strong> Gesundheit und Umwelt,<br />

Implerstraße 9, 81371 München<br />

Bestellungen bitte nur schriftlich oder per e-mail Gesundheitsbeirat.rgu@muenchen.de<br />

Kontakt über: Klaus Hehl, Telefon 089 233 24911

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