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Einer für alle?Die Kunst, sich beliebt zu machenMarketingRechtsverdreher, Winkeladvokat– das hört man heutzutage nochimmer bei je<strong>de</strong>r Gelegenheit.Anwälte kämpfen darum, ihr Image in <strong>de</strong>rÖffentlichkeit zu verbessern und zu stärken,bemühen sich, bei potentiellen MandantenVertrauen in und vor allem Sympathiefür <strong>de</strong>n Anwalt zu wecken. Dochwas nützt gutes Marketing von Hun<strong>de</strong>rten,wenn einer es zerstört?In <strong>de</strong>r Kriminologie gibt es ein Experiment,bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Teilnehmern Fotos verschie<strong>de</strong>nerPersonen vorgelegt wer<strong>de</strong>n undsie raten, wer von ihnen <strong>de</strong>r gesetzestreueMitmensch und wer das – nun ja – Frie<strong>de</strong>nstören<strong>de</strong> Subjekt ist. In <strong>de</strong>n meistenFällen liegen die Teilnehmer mit ihrer Einschätzungfalsch und ordnen <strong>de</strong>n gepflegtund gebil<strong>de</strong>t Wirken<strong>de</strong>n stets <strong>de</strong>r erstenGruppe zu. Das Unheil ereilt uns <strong>de</strong>swegenoft gänzlich unerwartet.Genau so erging es mir kürzlich. Ichstand schwitzend an <strong>de</strong>r Theaterkasse in<strong>de</strong>m überfüllten, kleinen Foyer. Es war einbeson<strong>de</strong>rs schwüler, heißer Julitag und dieKlimaanlage war ausgefallen. Vielleichtlag es an <strong>de</strong>r Hitze, dass die Kun<strong>de</strong>n eineEwigkeit brauchten, sich für diese o<strong>de</strong>rjene Vorstellung und ihre Plätze zu entschei<strong>de</strong>n.Endlich, endlich war <strong>de</strong>r Mann vor miran <strong>de</strong>r Reihe. Ein Blick auf ihn überzeugtemich, dass es schnell gehen wür<strong>de</strong>. Er sahaus wie jemand, <strong>de</strong>r genug zu tun hat, alsdass er lange über Platzwahl und Preisenach<strong>de</strong>nken müsste. Mit halbem Ohr hörteich, dass es um Rückgabe einer Karte füreine entfallene Vorstellung ging. Das Geldbekam er ausgezahlt und ich zückte dasPortemonnaie in freudiger Erwartung, nunmeine Karten kaufen und diesen unerträglichstickigen Ort verlassen zu können.„Moment“, sagte er da, „wo sind diefünf Euro Vorverkaufsgebühr?“Die Frau hinter <strong>de</strong>r Kasse blinzelte verblüfft.Dann versuchte sie, ihm zu erklären,dass die Gebühr natürlich nicht rückerstattetwür<strong>de</strong>. Lei<strong>de</strong>r wollte <strong>de</strong>r Mann diesganz und gar nicht begreifen.„Hören Sie, wir haben einen Kaufvertrag,<strong>de</strong>r nicht erfüllt wor<strong>de</strong>n ist Ihrerseits.Da bekommt man alles zurück bei <strong>de</strong>rRückabwicklung.“Ich stöhnte innerlich. Das konnte sichnur um Stun<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>ln. Während erdie Frau mit juristischen Fachausdrückenbombardierte, von <strong>de</strong>nen sie nicht einmaldie Hälfte begreifen konnte, fächelten wirübrigen Mitlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n uns mit ProspektenLuft zu, bemüht, Nerven zu behalten. DieKlei<strong>de</strong>r klebten uns bereits am Körper.Die Aggression, die sich gegen <strong>de</strong>ndozieren<strong>de</strong>n Querulanten wie ein Gewitteraufbaute, konnte ich förmlich im Rückenspüren.„Was heißt, Sie haben eine Leistungerbracht? Wir sprechen hier nicht von einemDienstleistungsvertrag. Mir die lächerlicheKarte zu verkaufen, ist keine Leistung, dieBestandteil <strong>de</strong>s Vertrages gewor<strong>de</strong>n ist.“Bewun<strong>de</strong>rnswert höflich versuchte dieVerkäuferin, in <strong>de</strong>r Sprache <strong>de</strong>r Normalsterblichenihm noch einmal <strong>de</strong>n Sachverhaltzu erläutern. Doch <strong>de</strong>r Vollblutjuristwarf nun eifrig mit AGB-Vorschriften umsich. Offenbar musste <strong>de</strong>r Strauß bis zumbitteren En<strong>de</strong> ausgefochten wer<strong>de</strong>n. Worumging es dabei noch mal, um fünf Euro?„Jetzt hören Sie, für diese angeblichenLeistungen besteht kein Vergütungsanspruch.Ich wer<strong>de</strong> das wohl wissen,schließlich...“ Nein! Bitte verrate es nicht,betete ich still und mir wur<strong>de</strong> noch heißer.„...schließlich bin ich Rechtsanwalt.“Oh Großer Geist, konnte sich <strong>de</strong>nnnicht die Er<strong>de</strong> auftun und dieses Prachtexemplarseiner Berufsgruppe in sich aufnehmen?In <strong>de</strong>r nun folgen<strong>de</strong>n Stille war ichdankbar, dass das Mittelalter weit zurückliegt, sonst wären die an<strong>de</strong>ren über michhinweg getrampelt und hätten Lynchjustizbegangen. Ich konnte ihre Gedankenförmlich hören, zumin<strong>de</strong>st vom Gesicht<strong>de</strong>r Frau hinter <strong>de</strong>r Kasse ablesen: „Aha,natürlich so ein Winkeladvokat, <strong>de</strong>r mitallen Mitteln und Schleichwegen um <strong>de</strong>nkleinsten Betrag kämpft. Der Teufel holediese Rechtsverdreher.“„Es reicht,“ sagte sie. „Wür<strong>de</strong>n Sie bitte<strong>de</strong>n Platz freigeben? Ich muss weiterarbeiten.“Empört drehte sich <strong>de</strong>r Mann um.Gera<strong>de</strong> trat ich an <strong>de</strong>n Schalter, als nocheinmal seine Stimme ertönte: „Arschloch.“Ich fuhr herum. An <strong>de</strong>n versteinertenMienen <strong>de</strong>r übrigen Anwesen<strong>de</strong>n konnteich sehen, dass ich nicht geträumt hatte.Jetzt galt es eine Lanze zu brechen, wenigstenseine klitzekleine von <strong>de</strong>r Wirkungeines Zahnstochers, nach<strong>de</strong>m das Kindbereits in <strong>de</strong>n Brunnen gefallen war.„Na, das war jetzt ein satter 185 StGB,wür<strong>de</strong> ich sagen,“ sagte ich laut und fügtein seinem selbstherrlichen Ton hinzu: „Ichweiß das, schließlich bin ich vom Fach.“War ich verrückt? Unterschrieb ich nichtim Auge <strong>de</strong>s Tornados mein To<strong>de</strong>surteil?Entsetzt sah ich, wie die Menge auf michzuwogte. Doch dann erkannte ich, dasssie sich lediglich zwischen mich und <strong>de</strong>nMann drängte, bevor er noch Gelegenheithatte, mir die neueste Rechtsprechung zumTatbestand <strong>de</strong>r Beleidigung mitzuteilen.Ich wandte mich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Frau zu, entschlossen,nun meine Karten zu kaufen.Sie strahlte mich an.„Was kann ich <strong>de</strong>nn für Sie tun?“Ich hatte nie einen fürsorglicheren Servicebei <strong>de</strong>r Platzwahl.Referendarin Sonja Detlefsen,BRAK, Berlin04/2005 BRAK Magazin 9

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