1/2003 - brak-mitteilungen.de
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1/<strong>2003</strong><br />
15. 2. <strong>2003</strong> 34. Jahrgang BRAK<br />
Mitteilungen<br />
Beirat<br />
RAuN Dr. Eberhard Haas, Bremen<br />
RA Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe<br />
RA Heinz Weil, Paris<br />
Herausgeber<br />
BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER<br />
Aus <strong>de</strong>m Inhalt<br />
Akzente<br />
Ausblick (RAuN Dr. Bernhard Dombek) 1<br />
Aufsätze<br />
Marketing in Anwaltskanzleien (RA Ottheinz Kääb) 2<br />
Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich. Ergänzen<strong>de</strong> Untersuchungen im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Studie „Marketing in Anwaltskanzleien“<br />
(Alexandra Schmucker) 3<br />
Sammeltermine und „neue“ ZPO – En<strong>de</strong> einer Unsitte?<br />
(RA Wolfgang Schirp) 6<br />
Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts<br />
Das aktuelle Urteil (RA Bertin Chab)<br />
Zustellung „<strong>de</strong>mnächst“ (OLG München v. 7.3.2002) 10<br />
Zusammenschluss von Anwälten (RA Holger Grams)<br />
Freier Mitarbeiter 12<br />
Berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Anwaltliche Werbung – zur Auslegung und Anwendung von Satzungsrecht<br />
(BVerfG v. 21.11.2002) 18<br />
Zur Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch über Anwaltskanzleien<br />
(BVerfG v. 7.11.2002) 19<br />
Zu einer Unterlassungsverfügung durch eine Rechtsanwaltskammer/<br />
Zur Nutzung <strong>de</strong>r Domain „www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“<br />
(mit Anm. RA Christian Dahns) (BGH v. 25.11.2002) 22<br />
Fachanwalt – zum Erwerb beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und<br />
praktischer Erfahrungen<br />
(mit Anm. RA Dr. Susanne Offermann-Burckart) (BGH v. 23.9.2002) 25<br />
BRAKMagazin<br />
Anwalt ohne Recht
1/<strong>2003</strong><br />
Inhalt<br />
Akzente<br />
Ausblick (B. Dombek) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />
Aufsätze<br />
Marketing in Anwaltskanzleien (O. Kääb) . . . . . . . . . . . . 2<br />
Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich.<br />
Ergänzen<strong>de</strong> Untersuchungen im Rahmen <strong>de</strong>r Studie<br />
„Marketing in Anwaltskanzleien“ (A. Schmucker) . . . . . . 3<br />
Sammeltermine und „neue“ ZPO – En<strong>de</strong> einer Unsitte?<br />
(W. Schirp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Die übermäßige Dauer <strong>de</strong>r Zivilprozesse in Italien und<br />
entsprechen<strong>de</strong> Gegenmaßnahmen (St. Grigolli) . . . . . . . . 8<br />
Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts<br />
Überblick (B. Chab)<br />
Mandatsbearbeitung bei Rechtsschutzversicherung . . . . . 9<br />
Das aktuelle Urteil (A. Jungk)<br />
Zustellung „<strong>de</strong>mnächst“<br />
(OLG München v. 7.3.2002 — 1 U 4978/01) . . . . . . . . . . 10<br />
Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/H. Grams/A. Jungk)<br />
Haftung<br />
Kosten <strong>de</strong>s Korrespon<strong>de</strong>nzanwalts<br />
(Schleswig-Holsteinisches OLG v. 22.8.2002 –<br />
11 U 30/01) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
BRAK<br />
Mitteilungen<br />
Fehlen<strong>de</strong> Postulationsfähigkeit und Untervollmacht<br />
(BGH v. 9.7.2002 – X ZR 70/00) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Fristen<br />
Keine Anfechtung <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />
(BGH v. 8.10.2002 – VI ZB 27/02) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Missachtung einer Einzelweisung<br />
(BGH v. 31.10.2002 – III ZB 23/02) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Häufung von Fehlern bei <strong>de</strong>r Fristwahrung<br />
(OLG Frankfurt v. 17.7.2002 – 1 U 70/02) . . . . . . . . . . . . 12<br />
Empfangsbekenntnis und Eingangsstempel<br />
(BGH v. 5.11.2002 – VI ZR 399/01) . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Zusammenschluss von Anwälten (H. Grams)<br />
Freier Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK<br />
Bericht über die 3. Konferenz <strong>de</strong>r Berufsrechtsreferenten . 14<br />
Bericht über die 182. Tagung <strong>de</strong>s Strafrechtsausschusses<br />
<strong>de</strong>r BRAK in Berlin vom 25.–27. Oktober 2002 . . . . . . . . 16<br />
Presseerklärungen/Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
IV Inhalt BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht2<br />
BVerfG 21.11.2002 1 BvR 1965/02 Anwaltliche Werbung – zur Auslegung und Anwendung von Satzungsrecht 18<br />
BVerfG 7.11.2002 1 BvR 580/02 Zur Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch über Anwaltskanzleien 19<br />
BVerfG 12.8.2002 1 BvR 1264/02 Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung, die Zuschauern bei <strong>de</strong>r<br />
Durchsetzung ihrer Interessen hilft 21<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung2<br />
BGH 25.11.2002 AnwZ (B) 8/02 Zu einer Unterlassungsverfügung durch eine Rechtsanwaltskammer/<br />
Zur Nutzung <strong>de</strong>r Domain „www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“<br />
(mit Anm. Ch. Dahns) 22<br />
BGH 17.10.2002 AnwZ (B) 37/00 Zur Erstattung von Gebühren und Auslagen in einem berufsrechtlichen<br />
Verfahren 24<br />
BGH 16.10.2002 VIII ZB 30/02 Kosten – zur Frage <strong>de</strong>r Erstattungsfähigkeit <strong>de</strong>r Kosten eines<br />
Unterbevollmächtigten (LS) 25<br />
BGH 23.9.2002 AnwZ (B) 40/01 Fachanwalt – zum Erwerb beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und<br />
praktischer Erfahrungen (mit Anm. S. Offermann-Burckart) 25<br />
BGH 23.9.2002 AnwZ (B) 56/01 Zulassungswi<strong>de</strong>rruf – zur Bestimmtheit einer Verfügung im Zusammenhang<br />
mit einem ärztlichen Gutachten 29<br />
BGH 23.9.2002 AnwZ (B) 67/01 Anwaltliche Werbung – Briefbogengestaltung einer überörtlichen<br />
Anwaltssozietät 31<br />
BGH 12.9.2002 IX ZR 66/01 Zur Aufrechnung eines Rechtsanwalts gegen <strong>de</strong>n Anspruch <strong>de</strong>s<br />
Auftraggebers auf Herausgabe eines eingezogenen Geldbetrags (LS) 32<br />
Bayerischer AGH 20.11.2002 BayAGH I 19/01 Fachanwalt – zum Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen Erfahrungen 32<br />
Nie<strong>de</strong>r- 21.10.2002 AGH 27/01 Zulassungsversagung – zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen einer<br />
sächsischer AGH Versagung wegen geistiger Schwäche 34<br />
Nie<strong>de</strong>r- 14.10.2002 AGH 35/01 Berufspflichtverletzung – zur Aufgabe <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Einheitlichkeit<br />
sächsischer AGH <strong>de</strong>r Pflichtverletzung (LS) 36<br />
Nie<strong>de</strong>r- 17.9.2002 AGH 8/2002 Zur Ermächtigungsgrundlage für eine Untersagungsverfügung/<br />
sächsischer AGH Zur Angabe eines wissenschaftlichen Mitarbeiters 37<br />
Bayerischer AGH 2.7.2002 BayAGH II 3/02 Anwaltliche Werbung – Formulierungen in einer Kanzleibroschüre 38<br />
Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung2<br />
Hanseatisches OLG 12.9.2002 5 W 63/02 Anwaltliche Werbung – Weiterführung <strong>de</strong>s Namens eines ehemaligen<br />
Partners nach Beendigung einer Sozietät 40<br />
BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER<br />
Berufliche Vertretung aller Rechtsanwälte in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland; 28 Mitgliedskammern<br />
(27 regionale Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskammer beim<br />
Bun<strong>de</strong>sgerichtshof). Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts. Die Rechtsanwaltskammern<br />
und die Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltskammer als Dachorganisation sind die Selbstverwaltungsorgane<br />
<strong>de</strong>r Anwaltschaft.<br />
GESETZLICHE GRUNDLAGE: Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959,<br />
BGBl. I S. 565, in <strong>de</strong>r Fassung vom 2. 9. 1994, BGBl. I S. 2278.<br />
BRAK-MITTEILUNGEN<br />
Informationen zu Berufsrecht und Berufspolitik<br />
HERAUSGEBER: Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltskammer (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. 0 30/<br />
28 49 39-0, Telefax 0 30/28 49 39-11).<br />
E-Mail: zentrale@<strong>brak</strong>.<strong>de</strong>, Internet: http://www.<strong>brak</strong>.<strong>de</strong>.<br />
Schriftleitung: Rechtsanwalt Stephan Göcken (Geschäftsführer <strong>de</strong>r BRAK)<br />
Redaktion: Rechtsanwalt Anton Braun (Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>r BRAK), Rechtsanwalt<br />
Frank Johnigk, Rechtsanwältin Dr. Heike Lörcher (bei<strong>de</strong> Geschäftsführer <strong>de</strong>r BRAK).<br />
Ständiger Mitarbeiter: Rechtsanwalt Christian Dahns, Berlin (Rubrik: Rechtsprechung)<br />
VERLAG: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Unter <strong>de</strong>n Ulmen 96–98, 50968 Köln (Marienburg),<br />
Tel. (02 21) 9 37 38-01; Telefax 02 21/ 9 37 38-9 21.<br />
E-Mail: info@otto-schmidt.<strong>de</strong><br />
Konten: Stadtsparkasse Köln (BLZ 37050198) 30602155; Postgiroamt Köln (BLZ<br />
37010050) 53950-508.<br />
ERSCHEINUNGSWEISE: Zweimonatlich jeweils zum 15. 2., 15. 4., 15. 6., 15. 8.,<br />
15. 10., 15. 12.<br />
BEZUGSPREISE: Den Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskammern wer<strong>de</strong>n die BRAK-Mitteilungen<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Mitgliedschaft ohne Erhebung einer beson<strong>de</strong>ren Bezugsgebühr<br />
zugestellt. Jahresabonnement 72 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft 18 € (zzgl. Versandkosten).<br />
In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54% (Steuersatz 7%) enthalten.<br />
ORGANE: Hauptversammlung bestehend aus <strong>de</strong>n 28 gewählten Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskammern;<br />
Präsidium, gewählt aus <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Hauptversammlung; Präsi<strong>de</strong>nt:<br />
Rechtsanwalt und Notar Dr. Bernhard Dombek, Berlin. Vorbereitung <strong>de</strong>r Organentscheidungen<br />
durch Fachausschüsse.<br />
AUFGABEN: Befassung mit allen Angelegenheiten, die für die Anwaltschaft von allgemeiner<br />
Be<strong>de</strong>utung sind; Vertretung <strong>de</strong>r Anwaltschaft gegenüber Gesetzgeber, Gerichten,<br />
Behör<strong>de</strong>n; För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Fortbildung; Berufsrecht; Satzungsversammlung; Koordinierung<br />
<strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskammern, z. B. Zulassungswesen, Berufsaufsicht,<br />
Juristenausbildung (Mitwirkung), Ausbildungswesen, Gutachtenerstattung, Mitwirkung<br />
in <strong>de</strong>r Berufsgerichtsbarkeit.<br />
ANZEIGEN: an <strong>de</strong>n Verlag.<br />
Anzeigenleitung: Renate Becker (verantwortlich).<br />
Gültig ist Preisliste Nr. 17 vom 1. 1. 2002<br />
DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 123 900 Exemplare (Verlagsausgabe).<br />
DRUCK: Westholsteinische Verlagsdruckerei Boyens & Co., Hei<strong>de</strong>/Holstein. Hergestellt<br />
auf chlorfrei gebleichtem Papier.<br />
URHEBER- UND VERLAGSRECHTE: Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge<br />
sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbeson<strong>de</strong>re das <strong>de</strong>r Übersetzung in<br />
frem<strong>de</strong> Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
<strong>de</strong>s Verlages in irgen<strong>de</strong>iner Form durch Fotokopie, Mikrofilm o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Verfahren<br />
reproduziert o<strong>de</strong>r in eine von Maschinen, insbeson<strong>de</strong>re von Datenverarbeitungsanlagen<br />
verwendbare Sprache übertragen wer<strong>de</strong>n. Das gilt auch für die veröffentlichten<br />
Entscheidungen und <strong>de</strong>ren Leitsätze, wenn und soweit sie von <strong>de</strong>r Schriftleitung<br />
bearbeitet sind. Fotokopien für <strong>de</strong>n persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen<br />
nur von einzelnen Beiträgen o<strong>de</strong>r Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
IVW-Druckauflage 4. Quartal 2002 122 475 Exemplare.<br />
ISSN 0722-6934
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aktuelle Hinweise IX<br />
Buchbesprechung<br />
Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl.<br />
2002, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln,<br />
2820 S., 149,50 Euro, ISBN 3-504-<br />
47012-7<br />
In <strong>de</strong>r „Reform-Auflage“ haben die bisherigen<br />
7 Bearbeiter die reformierte ZPO<br />
auf (ebenso wie in <strong>de</strong>r Vorauflage) rund<br />
2800 Seiten auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Zeit kommentiert.<br />
In <strong>de</strong>n 40 Jahren meiner Nutzung<br />
hat sich ein typischer und sehr praktischer<br />
„Rechtspfleger-Kommentar“ zu<br />
einem Werk entwickelt, das je<strong>de</strong>m<br />
Rechtsanwen<strong>de</strong>r ebenso praktische, verständliche<br />
wie verständige Argumente<br />
liefert: Der Druck ist gut leserlich, die<br />
Glie<strong>de</strong>rung übersichtlich, insbeson<strong>de</strong>re<br />
dort, wo sie <strong>de</strong>r Kommentierung vorangestellt<br />
ist. Die vielen Än<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r<br />
letzten Legislaturperio<strong>de</strong> (neben <strong>de</strong>r Reform<br />
für die ZPO und die Zulassung – für<br />
bei<strong>de</strong> eine Synopse zum bisherigen<br />
Recht etwas versteckt in Einleitung 22 –<br />
auch Än<strong>de</strong>rungen durch die Schuldrechtsmo<strong>de</strong>rnisierung,<br />
die eingetragenen<br />
Lebenspartnerschaften, das Unterlassungsklagengesetz<br />
sowie die Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Pfändungsfreigrenzen usw.) verlangen<br />
vom Anwalt, sich in <strong>de</strong>n neuen Vorschriften<br />
zu Recht zu fin<strong>de</strong>n und verstärkt<br />
zum Kommentar zu greifen. Hierbei<br />
kann niemand erwarten, für alle neuen<br />
Probleme bereits eine gesicherte Lösung<br />
zu fin<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r Zöller schnei<strong>de</strong>t je<strong>de</strong>nfalls<br />
bei einem Vergleich <strong>de</strong>r Kommentierung<br />
zum Reformgesetz gut ab, weil<br />
spürbar wird, wie die Bearbeiter um eine<br />
pragmatische Lösung bemüht sind. Verständlicherweise<br />
lese ich <strong>de</strong>n Kommentar<br />
aus anwaltlicher Sicht:<br />
Zu <strong>de</strong>r praktischen Handhabung <strong>de</strong>s<br />
„Zöller“ gehören die Hinweise auf Kosten<br />
und Gebühren; manchmal wünschte<br />
ich mir jedoch eine unmittelbare Information:<br />
Welcher RA weiß, dass <strong>de</strong>r nach<br />
einem Hinweis ergehen<strong>de</strong> Beschluss<br />
über die Zurückweisung einer Berufung<br />
drei Gerichtsgebühren kostet – und <strong>de</strong>shalb<br />
möglichst zu vermei<strong>de</strong>n ist, zumal<br />
er nicht angefochten wer<strong>de</strong>n kann (§ 522<br />
Abs. 3 ZPO) und üblicherweise ohne<br />
weitere Erkenntnisse ist? Der Hinweis in<br />
Rdnr. 43 zu § 522 ZPO lediglich auf KV<br />
1226, 1227 ist für <strong>de</strong>n Kostenbeamten<br />
Aktuelle Hinweise<br />
ausreichend – für <strong>de</strong>n nicht kostenbewussten<br />
Anwalt allerdings keine „Warnung“<br />
(die allerdings <strong>de</strong>r RA durch an<strong>de</strong>re<br />
Kommentare ebenso wenig erfährt).<br />
Erfrischend versucht Geimer, die Berufungszuständigkeit<br />
(<strong>de</strong>s OLG gegen Urteile<br />
<strong>de</strong>s AG) bei Auslandsberührung<br />
(§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b c GVG) praktikabel<br />
zu regulieren, nach<strong>de</strong>m diese Vorschrift<br />
„ohne Einbindung <strong>de</strong>r Fachwissenschaft<br />
und Praxis“ (so § 119 GVG, 1) geschaffen<br />
wur<strong>de</strong>. Hoffentlich folgt die Praxis seinem<br />
Vorschlag, entsprechend § 281 ZPO<br />
(o<strong>de</strong>r aber entsprechend einem an<strong>de</strong>ren<br />
Vorschlag nach § 17a GVG vorzugehen<br />
– so Münchener Kommentar Rdnrn. 7<br />
Nr. 11 a.a.O.) bin<strong>de</strong>nd zu verweisen<br />
(Rdnr. 16), wenn die Berufung nicht an<br />
das richtige (LG o<strong>de</strong>r OLG) Berufungsgericht<br />
gerichtet ist. Greger (§281 ZPO, 4)<br />
hält eine solche Verweisung lei<strong>de</strong>r für unzulässig;<br />
dann wäre die nach Auffassung<br />
<strong>de</strong>s angerufenen Gerichts falsch adressierte<br />
Berufung unzulässig: Hoffentlich<br />
wird die missglückte Vorschrift entwe<strong>de</strong>r<br />
nicht zur Regressfalle – o<strong>de</strong>r besser: bald<br />
aufgehoben.<br />
Zu Recht verteidigt Greger <strong>de</strong>n durch<br />
§ 139 ZPO zwingend vorgeschriebenen<br />
kooperativen Prozessstil (Rnr. 1). Der<br />
Rechtsstreit kann nur dann konzentriert<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Richter mit <strong>de</strong>n Prozessbeteiligten<br />
<strong>de</strong>n maßgeblichen Prozessstoff<br />
abstimmt – an<strong>de</strong>renfalls ufert<br />
<strong>de</strong>r Sachvortrag aus, <strong>de</strong>r ja im Falle einer<br />
Berufung grundsätzlich nicht nachgeholt<br />
wer<strong>de</strong>n kann (§ 531 ZPO). Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb<br />
wird <strong>de</strong>n neuerlichen Bestrebungen<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates entgegenzutreten sein,<br />
diese – einzig verbliebene – Stärkung <strong>de</strong>s<br />
ersten Rechtszuges wie<strong>de</strong>r zurückzunehmen.<br />
Es muss entsprechend Greger das<br />
Ziel aller Prozessbeteiligten sein – auch<br />
und gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Richters –, „dass das Parteivorbringen<br />
strukturiert, an <strong>de</strong>r Rechtslage<br />
orientiert und auf das Wesentliche<br />
konzentriert wird“ (Rdnr. 3). Lei<strong>de</strong>r folgt<br />
Greger <strong>de</strong>r Gesetzesbegründung dahin,<br />
dass Hinweise „aktenkundig“ auch durch<br />
einen bloßen Vermerk in <strong>de</strong>r Akte gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n können (Rdnr. 13): Wie<br />
sollen die Parteien überprüfen können,<br />
ob <strong>de</strong>r (möglicherweise <strong>de</strong>r Anwaltsgehilfin<br />
telefonisch gegebene) Hinweis<br />
richtig erteilt o<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>? Da<br />
lediglich <strong>de</strong>r Fälschungsnachweis zulässig<br />
ist (§ 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO), kann <strong>de</strong>r<br />
RA in Schwierigkeiten geraten, wenn er<br />
nicht seinerseits <strong>de</strong>n Hinweis in seiner<br />
Stellungnahme so vorstellt, wie er ihn<br />
verstan<strong>de</strong>n hat: Hat <strong>de</strong>r Anwalt ihn missverstan<strong>de</strong>n,<br />
wird <strong>de</strong>r Richter darauf<br />
ebenso hinzuweisen haben, wie er dies<br />
dann tun soll, wenn eine Partei sich auf<br />
einen Hinweis nicht ausreichend erklärt<br />
(Rdnr. 14).<br />
Wenn <strong>de</strong>r RA mit <strong>de</strong>r Berufungsbegründung<br />
eine Tatsachenfeststellung im Urteil<br />
angreift, muss er konkrete Anhaltspunkte<br />
bezeichnen, die Zweifel an <strong>de</strong>ren Richtigkeit<br />
und Vollständigkeit begrün<strong>de</strong>n<br />
(§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO): Dazu fin<strong>de</strong>t er<br />
bei <strong>de</strong>r Kommentierung zu § 520 ZPO<br />
keine Hilfe (Rdnr. 33–35); <strong>de</strong>r Kommentator<br />
Gummer hat jedoch aus seiner richterlichen<br />
Sicht bei <strong>de</strong>r korrespondieren<strong>de</strong>n<br />
Vorschrift <strong>de</strong>s § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO<br />
Überlegungen gebracht (Rdnrn. 3–12),<br />
die das schwierige Verständnis <strong>de</strong>r Vorschrift<br />
(Rdnr. 2) erleichtern können: Der<br />
Anwalt hat aus <strong>de</strong>n richterlichen Überlegungen<br />
herauszuarbeiten, wie er durch<br />
seine Berufungsbegründung <strong>de</strong>n Richter<br />
zu solchen Überlegungen zwingt, wie<br />
Gummer sie zu § 529 ZPO anstellt. Aus<br />
anwaltlicher Sicht wird, gera<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>rart<br />
erheblichen Reformen, <strong>de</strong>utlich spürbar,<br />
dass <strong>de</strong>r praktische Anwalt kaum<br />
mehr in die Erläuterungen <strong>de</strong>r maßgeblichen<br />
aktuellen ZPO-Kommentare eingebun<strong>de</strong>n<br />
ist (lediglich im Münchener<br />
Kommentar haben Anwälte kommentiert,<br />
dies allerdings für weniger als 25 Paragraphen).<br />
Die Gehörsrüge (§ 321a ZPO) beschränkt<br />
Vollkommer auf das nicht berufungsfähige<br />
erstinstanzliche Urteil und nimmt<br />
an, dass im Übrigen die von <strong>de</strong>r Rspr.<br />
entwickelten außeror<strong>de</strong>ntlichen Rechtsbehelfe<br />
fortgelten (Rdnr. 3) – <strong>de</strong>r BGH<br />
schließt umgekehrt aus <strong>de</strong>r Nichtaufnahme<br />
<strong>de</strong>r bisherigen außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
Rechtsbehelfe in das Reformgesetz <strong>de</strong>ren<br />
Abschaffung. Es bleibt zu hoffen, dass die<br />
Rspr. sich dahin öffnet, § 321a ZPO auf<br />
alle nicht mehr angreifbaren Entscheidungen<br />
zu erweitern, was Gummer in<br />
seiner Kommentierung von § 567 ZPO<br />
(Fortsetzung Seite X)
X Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
(Fortsetzung von Seite IX)<br />
(Rdnr. 20a) befürwortet: Es ist verständlich<br />
– und für <strong>de</strong>n eine Lösung in seinem<br />
Sinne suchen<strong>de</strong>n RA hilfreich, dass bei<br />
einem neuen Gesetz noch nicht alle Lösungen<br />
feststellen und er in <strong>de</strong>mselben<br />
Kommentar unterschiedliche Auffassungen<br />
fin<strong>de</strong>t; für <strong>de</strong>n praktisch tätigen RA<br />
wer<strong>de</strong>n auf diese Weise die offenen Probleme<br />
<strong>de</strong>utlich – und es ist keinesfalls ein<br />
Nachteil, dass sich in <strong>de</strong>r gedrängten Zeit<br />
die Bearbeiter nicht voll abstimmen<br />
konnten (dieselbe Divergenz weist <strong>de</strong>r 9<br />
Monate später fertiggestellte Münchener<br />
Kommentar auf – § 321a ZPO, 1 im Gegensatz<br />
zu § 567 ZPO, 13).<br />
Das Novenverbot <strong>de</strong>r neuen Berufung<br />
(§§ 530, 531 ZPO) gilt für Familiensachen<br />
nicht; <strong>de</strong>r Gesetzestext lässt dies<br />
nur mittelbar (in §§ 615, 621 d ZPO) erkennen;<br />
erfreulich ist <strong>de</strong>shalb, dass Philippi<br />
diese Ausnahme in <strong>de</strong>r zusammengefassten<br />
Kommentierung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Vorschriften drucktechnisch hervorhebt<br />
(Rdnr. 10).<br />
Die Arbeit mit <strong>de</strong>m „Zöller“ macht<br />
Freu<strong>de</strong>. Soweit die vorstehen<strong>de</strong>n Hinweise<br />
kritisch klingen, ist dies eher an<br />
<strong>de</strong>n Gesetzgeber als die Kommentatoren<br />
gerichtet. Für <strong>de</strong>n RA ist <strong>de</strong>r Zöller ein<br />
gelungenes Handwerkszeug. Wenn ich<br />
ihn in <strong>de</strong>r Praxis benötige, muss ich ihn<br />
meist bei einem Sozius suchen; er wird<br />
von <strong>de</strong>n sieben bei mir greifbaren Kommentaren<br />
am meisten benutzt, weil <strong>de</strong>r<br />
Einstieg schnell und die Lösung für <strong>de</strong>n<br />
anwaltlichen Alltag meist ausreichend<br />
ist. Mehr kann ich von einem Handkommentar<br />
nicht erwarten.<br />
RA JR Dr. Karl Eichele, Koblenz<br />
Klaus Schnitzler (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch,<br />
Familienrecht, Verlag<br />
C. H. Beck, 2002, 1518 S., 112,00 Euro,<br />
ISBN 3-406-48965-6<br />
Wenn ein Werk schon wenige Wochen<br />
nach seinem Erscheinen von <strong>de</strong>r höchstrichterlichen<br />
Rspr. rezipiert wor<strong>de</strong>n ist,<br />
braucht es eigentlich keine weitere Empfehlung.<br />
Fast sensationell erscheint es,<br />
wenn ein Praktikerhandbuch zu <strong>de</strong>r<br />
nicht nur praktisch be<strong>de</strong>utsamen, son<strong>de</strong>rn<br />
auch rechtspolitisch brisanten Problematik<br />
<strong>de</strong>s Elternunterhalts vom BGH<br />
als Beleg angeführt wird. Dem Münchener<br />
Anwaltshandbuch Familienrecht ist<br />
ein solcher Überraschungscoup gelungen.<br />
Es wird gleich mehrfach in <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
vom 23.10.2002 – XII ZR<br />
266/99 (FamRZ 2002/1698) zitiert. Der<br />
Erfolg beruht auf einer überzeugen<strong>de</strong>n<br />
Konzeption und soli<strong>de</strong>r Arbeit: Der passionierte<br />
Fachanwalt für Familienrecht<br />
Klaus Schnitzler, Schriftleiter <strong>de</strong>r FF, hat<br />
in seiner bekannt energisch-aktiven Art<br />
ein Team von 24 ausgewiesenen Familienrechtspraktikern<br />
zusammengestellt<br />
und zum Schreiben sowie vor allem zur<br />
rechtzeitigen Abgabe <strong>de</strong>r Manuskripte<br />
motiviert. In 10 Teilen und 30 Einzelkapiteln<br />
wird das gesamte Familienrecht<br />
abge<strong>de</strong>ckt. Vorbildlich wer<strong>de</strong>n dabei<br />
auch oft vernachlässigte Schnittstellen zu<br />
an<strong>de</strong>ren Rechtsgebieten einbezogen,<br />
wie etwa die steuer- und versicherungsrechtlichen<br />
Dimensionen <strong>de</strong>s Familienrechts<br />
(Brieske/Arens). Das internationale<br />
Familienrecht (Frie<strong>de</strong>rici/Finger) ist<br />
ebenso in einem eigenen Kapitel behan<strong>de</strong>lt<br />
wie das Gebührenrecht (Groß).<br />
Verdienstvoll ist, dass auch die Mitverpflichtung<br />
nahestehen<strong>de</strong>r Personen (Joswig)<br />
und <strong>de</strong>r Gesamtschuldnerausgleich<br />
(Maurer-Wil<strong>de</strong>rmann) sowie nichteheliche<br />
Lebensgemeinschaften und eingetra-<br />
(Fortsetzung Seite XII)
XII Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
(Fortsetzung von Seite X)<br />
gene Lebenspartnerschaften (Kleinwegener/Grziwotz)<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r<br />
nächsten Aufl. verdienen die engen Bezüge<br />
zwischen Familien- und Erbrecht<br />
wohl ein eigenes Kapitel.<br />
Die Einleitungskapitel sind grundsätzlichen<br />
Aspekten <strong>de</strong>s familienrechtlichen<br />
Mandats (Schnitzler/Kath/Zurhorst), berufsrechtlichen<br />
Fragen (Groß), <strong>de</strong>r Haftung<br />
<strong>de</strong>s RA im Familienrecht (Bräuer)<br />
sowie Verfahrensfragen (Schnitzler/Sarres)<br />
gewidmet. Ein <strong>de</strong>utlicher Schwerpunkt<br />
<strong>de</strong>s Buches liegt dann selbstverständlich<br />
auf <strong>de</strong>m Unterhaltsrecht, das<br />
allein schon von 6 Autoren umfassend<br />
beleuchtet wird (Önning/Miesen/Schnitzler/Kath-Zuhorst/Wever/Günther).Ebenso<br />
sorgfältig und praxisnah wer<strong>de</strong>n die<br />
elterliche Sorge (Knittel), das Umgangsrecht<br />
(Rakete-Dombek), das Eherecht,<br />
das eheliche Güterrecht und <strong>de</strong>r Versorgungsausgleich<br />
behan<strong>de</strong>lt (Müller/Miesen/Kogel/Glockner/Frie<strong>de</strong>rici).Beson<strong>de</strong>rs<br />
aktuell sind im Hinblick auf das<br />
Urteil <strong>de</strong>s BVerfG v. 6.2.2001 (FamRZ<br />
2001, 985) die Ausführungen zu Eheverträgen<br />
und Scheidungsvereinbarungen<br />
(Brambring). Sie sind – wie nicht an<strong>de</strong>rs<br />
zu erwarten – sorgfältig und kundig, allerdings<br />
insoweit ein wenig notarlastig,<br />
als die Gestaltungsfragen ganz im Vor<strong>de</strong>rgrund<br />
stehen. Den Familienrechtsanwalt<br />
interessiert vor allem aber auch die<br />
Frage, welche Eheverträge vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
<strong>de</strong>r neuen Rspr. nunmehr angreifbar<br />
erscheinen. Im Übrigen wird die<br />
Reichweite <strong>de</strong>r neuen Urteile möglicherweise<br />
zu eng interpretiert.<br />
Das Buch will we<strong>de</strong>r Lehrbuch noch<br />
Kommentar sein, son<strong>de</strong>rn eine integrierte<br />
Darstellung aktuell fallbezogener<br />
Problembereiche für die tägliche Anwendung<br />
in Anwaltspraxis bringen. Damit<br />
kann und will es eine normbezogene<br />
Kommentierung nicht ersetzen; an<strong>de</strong>rerseits<br />
setzt eine effektive Nutzung <strong>de</strong>s in<br />
das Werk eingeflossenen, beeindrucken<strong>de</strong>n<br />
Know-hows Grundkenntnisse <strong>de</strong>s<br />
Familienrechts voraus. Daher wäre für<br />
die nächste Aufl. zu überlegen, ob man<br />
in <strong>de</strong>n Literaturübersichten nicht zusätzlich<br />
auch auf beson<strong>de</strong>rs gut lesbare,<br />
übersichtliche Lehrtexte verweisen<br />
sollte. Es ist Mo<strong>de</strong> gewor<strong>de</strong>n, beson<strong>de</strong>re<br />
Praxisnähe durch farblich abgesetzte<br />
Praxistipps, Übersichten und Materialien<br />
zu dokumentieren. Dementsprechend<br />
enthält auch das vorliegen<strong>de</strong> Werk For-<br />
mulierungshilfen, Muster für die Fertigung<br />
von Schriftsätzen, Checklisten und<br />
Übersichten. Ob <strong>de</strong>r allgemeine Trend<br />
zum juristischen Bil<strong>de</strong>r- und Kochbuch<br />
<strong>de</strong>r Praxis tatsächlich das bringt, was ihr<br />
(vor allem von <strong>de</strong>n Verlagen) versprochen<br />
wird, kann man bezweifeln. Prozesse<br />
gewinnt man je<strong>de</strong>nfalls nach wie<br />
vor nicht durch vertiefte Kenntnisse <strong>de</strong>r<br />
Buchmalerei, son<strong>de</strong>rn durch Sachkompetenz,<br />
Nach<strong>de</strong>nken und überzeugen<strong>de</strong><br />
Argumentation. Insoweit hat das vorliegen<strong>de</strong><br />
Werk aber je<strong>de</strong>nfalls einen wohltuend<br />
zurückhalten<strong>de</strong>n Mittelweg gefun<strong>de</strong>n:<br />
Der Anhang mit <strong>de</strong>n Tabellen ist<br />
äußerst sinnvoll, die Checklisten und<br />
Formulierungsvorschläge ganz überwiegend<br />
hilfreich. Die grau unterlegten Praxistipps<br />
hätte man genauso gut auch im<br />
normalen Text lassen können; die Hervorhebung<br />
ist aber so <strong>de</strong>zent, dass sie<br />
auch nicht wirklich stört. Manche Rechenbeispiele<br />
sind sicher aus <strong>de</strong>m Leben<br />
gegriffen, damit aber gera<strong>de</strong>zu zwangsläufig<br />
für pädagogische Zwecke reichlich<br />
kompliziert.<br />
Der Gesamteindruck ist je<strong>de</strong>nfalls uneingeschränkt<br />
positiv. Je<strong>de</strong>r Familienrechts-<br />
(Fortsetzung Seite XX)
XX Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
(Fortsetzung von Seite XII)<br />
praktiker aber auch <strong>de</strong>r familienrechtliche<br />
Amateur wird an <strong>de</strong>m Werk Freu<strong>de</strong><br />
haben und aus ihm Nutzen ziehen. Der<br />
Hochschullehrer wünscht sich für die<br />
nächste Aufl. ein Einleitungskapitel, in<br />
<strong>de</strong>m die prägen<strong>de</strong>n Entwicklungslinien<br />
<strong>de</strong>r Vergangenheit, die aktuellen rechtspolitischen<br />
Ten<strong>de</strong>nzen sowie vor allem<br />
die europäische Perspektive ausgeleuchtet<br />
wer<strong>de</strong>n. Man unterschätzt die Praxis,<br />
wenn man glaubt, dass sie sich für die<br />
großen Verän<strong>de</strong>rungen ihres Fachs erst<br />
interessiert, wenn sie sich im Tagesgeschäft<br />
nie<strong>de</strong>rschlagen.<br />
Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb,<br />
Richterin am OLG Köln<br />
Veranstaltungshinweise<br />
Institut für Anwaltsrecht<br />
an <strong>de</strong>r Humboldt-Universität<br />
zu Berlin<br />
Rechtsanwalt Dr. Kai von Lewinski<br />
(Lovells, Berlin)<br />
Kolloquium im Sommersemester <strong>2003</strong><br />
Anwaltliches Berufsrecht<br />
Das Anwaltsinstitut veranstaltet für Referendare<br />
und Stu<strong>de</strong>nten eine Einführung<br />
in das Anwaltsrecht.<br />
Themen sind unter an<strong>de</strong>rem:<br />
– Mandatsvertrag, Pflichtverteidigung,<br />
Interessenkollision<br />
– Mandatsführung, Handakte, Fristenkontrolle,<br />
Fremdgel<strong>de</strong>r<br />
– Verschwiegenheit, Datenschutz<br />
– Haftung, Versicherung, Anwaltsgerichtsbarkeit<br />
– Honorar, BRAGO<br />
– Werbung, Briefbogen<br />
– Kanzleiorganisation, Sozietät, Anwaltliches<br />
Gesellschaftsrecht<br />
– Organisation <strong>de</strong>r Anwaltschaft, Zulassung,<br />
Kammern, DAV<br />
– Berufsrecht für Notare, Schiedsrichter,<br />
Mediatoren (Überblick)<br />
Die Veranstaltung fin<strong>de</strong>t während <strong>de</strong>s<br />
Sommersemesters <strong>2003</strong> ab <strong>de</strong>m 23.4.<br />
<strong>2003</strong> mittwochs von 18 bis 20 Uhr in<br />
Raum E.42 in <strong>de</strong>r Juristischen Fakultät<br />
<strong>de</strong>r Humboldt-Universität („Kommo<strong>de</strong>“),<br />
Hebelplatz 1, statt. Die Teilnahme ist freiwillig<br />
und darf nicht mit Dienstpflichten<br />
aus <strong>de</strong>m Vorbereitungsdienst kollidieren.<br />
Weitere Informationen:<br />
Anwaltsinstitut an <strong>de</strong>r Humboldt-Univer-<br />
sität zu Berlin, Unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n 11,<br />
Raum E.09, Tel.: 20 93-35 78, E-Mail:<br />
anwaltsinstitut@rewi.hu-berlin.<strong>de</strong><br />
14. Jahrestagung <strong>de</strong>r<br />
Deutsch-Israelischen<br />
Juristenvereinigung (DIJV)<br />
Vom 2.–9.4.<strong>2003</strong> fin<strong>de</strong>t in Zichron<br />
Yáakov/Israel die 14. Jahrestagung <strong>de</strong>r<br />
DIJV statt.<br />
Anfragen und Anmeldungen hierzu wer<strong>de</strong>n<br />
erbeten an DIJV Geschäftsführung,<br />
Roseggerstr. 15, 60320 Frankfurt/Main,<br />
Tel.: 0 69/53 26 82, Fax: 0 69/52 68 99,<br />
E-Mail: DIJV.EH@t-online.<strong>de</strong>.<br />
7. Symposium <strong>de</strong>r<br />
Deutsch-Kroatischen<br />
Juristenvereinigung (DKJV)<br />
Am 24./25.4.<strong>2003</strong> fin<strong>de</strong>t in Split das<br />
7. Symposium <strong>de</strong>r DKJV statt. Das Thema<br />
lautet „Neuentwicklung <strong>de</strong>s kroatischen<br />
Arbeitsrechtes im europäischen Kontext“.<br />
Vorgesehen sind insgesamt 12 Referate<br />
führen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher und kroatischer<br />
Arbeitsrechtler mit anschließen<strong>de</strong>m<br />
Erfahrungsaustausch.<br />
Anfragen und Anmeldungen hierzu wer<strong>de</strong>n<br />
erbeten an <strong>de</strong>n 1. Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Vereinigung, Rechtsanwalt Michael<br />
Strunk, Rathenaustr. 16, 67547 Worms,<br />
Telefon: 0 62 41/88 90 00, E-Mail: info<br />
@bkws.<strong>de</strong>.<br />
World Women Lawyers<br />
Conference – Vorankündigung<br />
Die IBA informiert, dass die 2. World<br />
Women Lawyers Conference v. 30.6.–<br />
1.7.<strong>2003</strong> in London stattfin<strong>de</strong>n wird. Das<br />
Programm <strong>de</strong>r Konferenz wird voraussichtlich<br />
im Frühjahr bekannt gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Vermischtes<br />
DAAD-Stipendien für<br />
jüngere Juristen zum Studium<br />
in Großbritannien 2004<br />
Für das Jahr 2004 bieten <strong>de</strong>r Deutsche<br />
Aka<strong>de</strong>mische Austauschdienst und <strong>de</strong>r<br />
British Council i.V.m. <strong>de</strong>m „British Insti-<br />
tute for International and Comparative<br />
Law“ wie<strong>de</strong>r Stipendien für <strong>de</strong>utsche Juristen<br />
an. Ort <strong>de</strong>s Studienaufenthaltes ist<br />
entwe<strong>de</strong>r London o<strong>de</strong>r Edinburgh, die<br />
Laufzeit beträgt jeweils 6 Monate, beginnend<br />
im Januar 2004.<br />
Diese Stipendien stehen Juristen mit II.<br />
Staatsexamen/I. Staatsexamen plus min<strong>de</strong>stens<br />
12 Monate <strong>de</strong>r Referendarzeit<br />
bei Stipendienantritt zur Verfügung. Die<br />
Teilnahme an diesem Kurs kann u.U. als<br />
Teil <strong>de</strong>r Referendarzeit anerkannt wer<strong>de</strong>n;<br />
Bewerber müssen dies allerdings<br />
selber mit <strong>de</strong>n zuständigen <strong>de</strong>utschen<br />
Ausbildungsbehör<strong>de</strong>n abklären.<br />
Bewerbungen sind bis spätenstens 1. April<br />
<strong>2003</strong> möglich.<br />
Weitere Informationen und Antragsformulare<br />
beim DAAD, Kennedyallee 50,<br />
53175 Bonn, Referat 313 erhältlich, zuständige<br />
Sachbearbeiterin: Susanne Pütz,<br />
Tel.: 02 28/8 82-4 35, E-Mail: Susanne.<br />
Puetz @daad.<strong>de</strong>.<br />
Digitales Diktieren<br />
Eine bun<strong>de</strong>sweite Roadshow zum Thema<br />
„Digitales Diktieren“ veranstaltet die<br />
DictaNet Software AG, Berlin, im kommen<strong>de</strong>n<br />
Frühjahr. Zwischen <strong>de</strong>m 3. Februar<br />
und 15. April können sich Interessenten<br />
an 23 Terminen in 22 <strong>de</strong>utschen<br />
Städten zwischen Kiel und Rosenheim<br />
über das Potential zur Kosteneinsparung<br />
durch Einsatz <strong>de</strong>r DictaNet-Produktpalette<br />
informieren.<br />
Anwaltliche Fachreferenten wer<strong>de</strong>n<br />
über die Möglichkeiten von DictaNet<br />
sowie ihre praktischen Erfahrungen mit<br />
<strong>de</strong>r Software im Kanzleialltag berichten.<br />
Weitere Informationen über<br />
www.dictanet.com.<br />
Vermietung<br />
Ca. 110 qm Büroräume in zentraler<br />
Lage in Berlin-Mitte/Nähe Gendarmenmarkt<br />
Weitere Mieter: Dt. Notarverein,<br />
Wirtschaftsverlag<br />
Vermieter: Deutscher Richterbund,<br />
Kronenstr. 73/74, 10117 Berlin, Tel.<br />
0 30/2 06 12 50, E-Mail info@drb.<strong>de</strong>.
1/<strong>2003</strong><br />
15. 2. <strong>2003</strong> 34. Jahrgang<br />
Informationen<br />
zu Berufsrecht und<br />
Berufspolitik<br />
Die Koalitionsvereinbarung sieht im Gegensatz zur letzten<br />
Legislaturperio<strong>de</strong> nur wenige Än<strong>de</strong>rungen im Bereich Recht<br />
vor. Dennoch wird gera<strong>de</strong> die Anwaltschaft von <strong>de</strong>n wenigen<br />
Vorhaben beson<strong>de</strong>rs betroffen. Zwangsverwaltervergütungsverordnung,<br />
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Rechtsberatungsgesetz,<br />
Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung, also alle Gesetze im<br />
Kernbereich <strong>de</strong>r anwaltlichen Berufspolitik, sollen Gegenstand<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsprogramms <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />
sein.<br />
Das Durchschnittseinkommen <strong>de</strong>r Anwaltschaft ist, wie das<br />
Institut für Freie Berufe in Nürnberg festgestellt hat, weiter gesunken.<br />
Der Einzelanwalt – immerhin 55 % <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwaltschaft<br />
– erzielte im Jahre 2000 durchschnittlich ein Nettoeinkommen<br />
i.H.v. 1511,51 Euro. Dies ist nicht allein darauf<br />
zurückzuführen, dass die Zahl <strong>de</strong>r RAe überproportional gestiegen<br />
ist. Die Zahl <strong>de</strong>r Richter ist von 1950 bis zum Jahre<br />
2001 um 38,7 %, die Zahl <strong>de</strong>r RAe um 758,3 % gestiegen.<br />
Auch die fehlen<strong>de</strong>n Anpassungen <strong>de</strong>r Anwaltsgebühren sind<br />
ein Grund für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Nie<strong>de</strong>rgang <strong>de</strong>r Anwaltschaft.<br />
Dies gilt sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Höhe als auch <strong>de</strong>r<br />
Häufigkeit <strong>de</strong>r Anpassungen. Während die übrigen Bürger in<br />
<strong>de</strong>r Regel alljährlich eine Anpassung ihres Einkommens erhalten,<br />
hat die Anwaltschaft seit <strong>de</strong>m Jahre 1957 lediglich sieben<br />
Anpassungen durch <strong>de</strong>n Gesetzgeber erhalten. Auch die Höhe<br />
<strong>de</strong>r Anpassung war immer unzureichend. Während z. B. bei einem<br />
Streitwert von 300 DM eine Gebühr nach GKG im Jahre<br />
1957 12 DM betrug, ist sie bis zum Jahre 2002 auf 49 DM gestiegen;<br />
dies ist eine Erhöhung um 308 %. Die Gebühren <strong>de</strong>r<br />
Anwälte sind von 19 DM auf 49 DM gestiegen; dies ist eine Erhöhung<br />
i.H.v. 158 %. Gegenstand <strong>de</strong>r Diskussion zu Beginn<br />
dieser Legislaturperio<strong>de</strong> wird <strong>de</strong>shalb nicht nur sein, endlich<br />
die in <strong>de</strong>r letzten Legislaturperio<strong>de</strong> versprochene Anpassung<br />
<strong>de</strong>r Gebühren vorzunehmen; notwendig wird es auch sein,<br />
über die bisherige zwangsläufige Verbindung zu sprechen,<br />
dass je<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>r Anwaltsgebühren auch eine Anpassung<br />
<strong>de</strong>r Gebühren nach GKG zwingend erfor<strong>de</strong>rt; es ist noch<br />
niemand auf die I<strong>de</strong>e gekommen, bei <strong>de</strong>n alljährlich erfolgten<br />
Anpassungen <strong>de</strong>r Gehälter von Richtern und Staatsanwälten<br />
die For<strong>de</strong>rung aufzustellen, dass gleichzeitig die Gerichtskosten<br />
anzuheben sind.<br />
BRAK<br />
Mitteilungen<br />
Herausgeber<br />
BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER<br />
Akzente<br />
Ausblick<br />
Von interessierten Kreisen, nämlich Personen, <strong>de</strong>nen die<br />
Rechtsberatung <strong>de</strong>rzeit nicht erlaubt ist, wird <strong>de</strong>r Bestand <strong>de</strong>s<br />
Rechtsberatungsgesetzes infrage gestellt. Warum sollen nicht<br />
Medien, Inkassobüros, Banken o<strong>de</strong>r Versicherungen, warum<br />
soll nicht „Je<strong>de</strong>rmann“ umfassen<strong>de</strong> Rechtsberatung erlaubt<br />
sein? Die Bun<strong>de</strong>sregierung hat in <strong>de</strong>r letzten Legislaturperio<strong>de</strong><br />
(BT-Drucks. 14/3959) die Frage dahingehend beantwortet,<br />
dass dies nicht im Interesse <strong>de</strong>r Bürgerinnen und Bürger sei.<br />
Die Vorschrift im Rechtsberatungsgesetz, nach <strong>de</strong>r „je<strong>de</strong> geschäftsmäßige<br />
Besorgung frem<strong>de</strong>r Rechtsangelegenheiten“ nur<br />
fachkundigen Personen erlaubt ist, diene <strong>de</strong>m Verbraucherschutz.<br />
Dennoch hat sich die neue Bun<strong>de</strong>sregierung zum Ziel<br />
gesetzt, das Rechtsberatungsgesetz zu novellieren. Der Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
zur Antwort <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung in <strong>de</strong>r letzten Legislaturperio<strong>de</strong><br />
ist offensichtlich. Die Anwaltschaft wird in <strong>de</strong>r beginnen<strong>de</strong>n<br />
Diskussion darauf achten müssen, die Rechte <strong>de</strong>r<br />
Verbraucher zu wahren.<br />
Die BRAO bedarf nicht nur redaktioneller, son<strong>de</strong>rn inhaltlicher<br />
Überarbeitung. Schon anlässlich <strong>de</strong>r Verabschiedung <strong>de</strong>r Vorschriften<br />
zur Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c ff. BRAO) hatte<br />
die BRAK darauf hingewiesen, dass es inkonsequent sei, als<br />
Gesellschaftsform für die Anwaltschaft nur die GmbH zu regeln;<br />
es sei kein Grund ersichtlich, nicht auch an<strong>de</strong>re Gesellschaftsformen,<br />
wie z. B. die AG, für die Anwaltschaft zu eröffnen.<br />
Diese Lücke soll nunmehr geschlossen wer<strong>de</strong>n. Darüber<br />
hinaus ist <strong>de</strong>r Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Zulassung<br />
zur Anwaltschaft nicht mehr durch die Lan<strong>de</strong>sjustizverwaltungen,<br />
son<strong>de</strong>rn durch die RAKn erfolgt.<br />
Der Bestand <strong>de</strong>r Rechtsanwaltsversorgungswerke ist ebenfalls<br />
in die Diskussion geraten ebenso wie die Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r<br />
Gewerbesteuer, vielleicht mit einem an<strong>de</strong>ren Namen, auf die<br />
Anwaltschaft. Die auf Kapital<strong>de</strong>ckung aufbauen<strong>de</strong>n Rechtsanwaltsversorgungswerke<br />
sind in ihrer Selbständigkeit zu erhalten.<br />
Der Griff <strong>de</strong>s Gesetzgebers nach weiteren Steuererhöhungen<br />
für die Anwaltschaft ist abzuwehren.<br />
Wir stehen vor einer interessanten Legislaturperio<strong>de</strong>. Je<strong>de</strong>r Berufsangehörige<br />
sollte die Gelegenheit wahrnehmen, seinen<br />
Abgeordneten auf Kommunal-, Lan<strong>de</strong>s- und Bun<strong>de</strong>sebene auf<br />
seine Interessen anzusprechen.<br />
Bernhard Dombek
2 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Der Rechtsberatungsmarkt in Deutschland zeichnet sich seit<br />
einiger Zeit durch eine enorme Dynamik aus. So stieg die Zahl<br />
<strong>de</strong>r zugelassenen RAinnen und RAe von 67 120 im Jahr 1993<br />
auf 116 305 zum Jahresen<strong>de</strong> 2001. Dies ist ein Wachstum von<br />
73 %. Zu<strong>de</strong>m drängten auch immer mehr ausländische Kanzleien<br />
(u.a. aus Großbritannien und <strong>de</strong>n USA) auf <strong>de</strong>n Markt. In<br />
diesem Zusammenhang kam es häufig zu Fusionen mit ansässigen<br />
Sozietäten. Aber auch viele <strong>de</strong>utsche Kanzleien schlossen<br />
sich zusammen. Die verstärkte Konkurrenzsituation und die verän<strong>de</strong>rten<br />
Strukturen innerhalb <strong>de</strong>r Kanzleien (Größe, Internationalität,<br />
Kooperationen etc.) stellen nun neue Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die Führung und das äußere Auftreten einer Sozietät. Zu<strong>de</strong>m gestaltet<br />
sich <strong>de</strong>r Marktzugang für die jungen Anwältinnen und<br />
Anwälte zunehmend schwieriger. Somit gewinnt das Marketing<br />
eine immer größere Be<strong>de</strong>utung auch in Anwaltskanzleien. Daneben<br />
wur<strong>de</strong>n die Einschränkungen <strong>de</strong>r Werbung für anwaltliche<br />
Dienstleistungen reduziert, sodass die Anwältinnen und Anwälte<br />
hier mehr Gestaltungsfreiheiten haben.<br />
Wie reagieren nun die <strong>de</strong>utschen Anwältinnen und Anwälte auf<br />
die verän<strong>de</strong>rten Anfor<strong>de</strong>rungen an ihre Kanzlei? Wie verbreitet<br />
sind Marketingkonzepte, was beinhalten sie, wie nutzen die<br />
RAinnen und RAe die erweiterten Werbemöglichkeiten und wie<br />
sieht die Planung für die zukünftige Nutzung aus? Obwohl das<br />
Thema „Marketing in Anwaltskanzleien“ aktuell von großem Interesse<br />
ist, lagen bisher keinerlei zuverlässige Daten über die<br />
Umsetzung in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Anwaltskanzleien vor. Um diese<br />
Lücke zu schließen, wur<strong>de</strong>n diese Fragen auf <strong>de</strong>m Weg einer<br />
empirischen Untersuchung geklärt. Die Selbsthilfe <strong>de</strong>r RAe e.V.<br />
beauftragte hierzu das Institut für Freie Berufe Nürnberg (IFB)<br />
mit <strong>de</strong>r Durchführung einer quantitativen Erhebung zum Thema<br />
„Marketing in Anwaltskanzleien“, <strong>de</strong>ren Ergebnisse jetzt vorliegen1<br />
.<br />
Trotz <strong>de</strong>s verlorenen Gleichgewichts zwischen Angebot und<br />
Nachfrage auf <strong>de</strong>m Rechtsberatungsmarkt <strong>de</strong>r letzten Jahre und<br />
<strong>de</strong>r konjunkturellen Schwankungen sind betriebswirtschaftliche<br />
Überlegungen und Instrumentarien, insbeson<strong>de</strong>re das Marketing,<br />
in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Anwaltskanzleien immer noch nicht weit<br />
verbreitet. Fast drei Viertel aller Kanzleien haben we<strong>de</strong>r ein Marketing-Konzept<br />
noch planen sie für die nahe Zukunft <strong>de</strong>ssen Einführung.<br />
Obwohl etwa ein Viertel <strong>de</strong>r Befragten ein Marketing-Konzept<br />
für (eher) unentbehrlich hält, konnten selbst in dieser Gruppe<br />
nur 27 % ein Marketing-Konzept in ihrer Kanzlei vorweisen.<br />
Auch <strong>de</strong>r Einsatz einzelner Marketinginstrumente ist noch nicht<br />
weit verbreitet. Die meisten <strong>de</strong>r abgefragten Instrumente wur<strong>de</strong>n<br />
nur von etwa je<strong>de</strong>r 4. bzw. je<strong>de</strong>r 5. Kanzlei zur Anwendung<br />
gebracht. Ein Sechstel <strong>de</strong>r Kanzleien hat we<strong>de</strong>r Marketing-<br />
Instrumente im Einsatz, noch plant sie <strong>de</strong>ren Einführung in <strong>de</strong>n<br />
nächsten 1 bis 2 Jahren.<br />
Daneben zeigt sich, dass auch das Bewusstsein, bestimmte Aktivitäten<br />
mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Marketing in unmittelbaren Zu-<br />
1 Allen RAinnen und RAen, die mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle<br />
herzlich gedankt. Der gesamte Ergebnisbericht ist in <strong>de</strong>r Schriftenreihe<br />
<strong>de</strong>s Instituts für Freie Berufe Nürnberg (IFB) erschienen und gegen eine<br />
Schutzgebühr von Euro 17,80 beim IFB (www.ifb.uni-erlangen.<strong>de</strong>) zu<br />
beziehen.<br />
Kääb, Marketing in Anwaltskanzleien<br />
Marketing in Anwaltskanzleien<br />
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, München<br />
sammenhang zu bringen, noch nicht ausreichend vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />
So nutzten zwar fast alle Kanzleien – wenn auch nur in kleinem<br />
Umfang – Werbemöglichkeiten, aber nur 28 % gaben an, Werbung<br />
als Marketinginstrument im Einsatz zu haben. Ähnliche<br />
Diskrepanzen wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich.<br />
Auch beim Mandanten-Feedback zeigen sich <strong>de</strong>utliche<br />
Unstimmigkeiten. Zwar hielten ca. zwei Drittel <strong>de</strong>r Anwältinnen<br />
und Anwälte das Mandanten-Feedback für wichtig, allerdings<br />
führten lediglich 6 % aller Kanzleien schriftliche Befragungen<br />
bei ihren Mandanten durch. Aber auch für die Zukunft<br />
zeigt sich bei diesem Aspekt kaum Steigerungspotential: Nur<br />
13 % <strong>de</strong>r Kanzleien, die bisher keine schriftliche Mandantenbefragung<br />
durchführten, wollen dies einführen.<br />
Insgesamt entsteht <strong>de</strong>r Eindruck, dass man sich zwar einerseits<br />
<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung von Marketing in <strong>de</strong>n Anwaltskanzleien zunehmend<br />
bewusst wird. An<strong>de</strong>rerseits aber sind die Umsetzung dieser<br />
Erkenntnisse in <strong>de</strong>r Praxis und die Verknüpfung eines einheitlichen<br />
Konzepts mit <strong>de</strong>r täglichen Arbeit noch kaum vorhan<strong>de</strong>n.<br />
D.h. man ist sich <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Marketings<br />
bewusst, man unternimmt auch einige ausgewählte bzw. sporadische<br />
Aktivitäten i.S.v. Marketing, aber es gibt keine konkret<br />
formulierten Ziele und kein Konzept, das alle Aktivitäten i.S.d.<br />
Zielerreichung koordiniert.<br />
Was die Nutzung einzelner Werbemaßnahmen angeht, greift<br />
ein Großteil <strong>de</strong>r Kanzleien hauptsächlich auf konventionelle<br />
Werbemittel (wie Anzeigen in <strong>de</strong>r Presse o<strong>de</strong>r Anwaltssuchdienste)<br />
zurück. Die zielgruppenorientierte Werbung ist dagegen<br />
noch nicht so weit verbreitet. Wobei die RAinnen und RAe,<br />
in <strong>de</strong>ren Kanzleien diese Werbeformen zum Einsatz kommen,<br />
diesen Werbemaßnahmen eine höhere Effektivität zuschreiben<br />
als die jeweiligen Nutzer <strong>de</strong>r konventionellen Werbung. Bei <strong>de</strong>n<br />
Instrumenten <strong>de</strong>r Öffentlichkeitsarbeit wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>ren<br />
Einsatz nicht in <strong>de</strong>m Maße ausgeprägt war wie bei <strong>de</strong>n Werbemaßnahmen.<br />
Die einzelnen Instrumente wur<strong>de</strong>n meist nur<br />
von einem Drittel <strong>de</strong>r Kanzleien eingesetzt. Ca. ein Drittel <strong>de</strong>r<br />
Kanzleien betrieb sogar überhaupt keine PR. Obwohl in <strong>de</strong>n<br />
Ratgebern häufig darauf hingewiesen wird, dass eine gute Öffentlichkeitsarbeit,<br />
wie z.B. Veröffentlichungen, Auftritte in <strong>de</strong>n<br />
Medien, Informationsveranstaltungen o<strong>de</strong>r Mitgliedschaften in<br />
verschie<strong>de</strong>nen Organisationen, bei <strong>de</strong>r Mandantenakquirierung<br />
beson<strong>de</strong>rs hilfreich ist, wur<strong>de</strong> die Wirksamkeit <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Instrumente von <strong>de</strong>n Befragten nicht besser eingestuft als bei<br />
<strong>de</strong>n Werbemaßnahmen. Damit scheint die Öffentlichkeitsarbeit<br />
im Meinungsbild <strong>de</strong>r RAinnen und RAe nicht mehr Erfolg als die<br />
Werbung zu haben.<br />
Auffällig ist sowohl bei <strong>de</strong>r Werbung als auch bei <strong>de</strong>r PR, dass<br />
Kanzleien, die die Maßnahmen verstärkt im Einsatz hatten, <strong>de</strong>ren<br />
Effektivität auch höher eingestuft haben. Ob nun eine intensivere<br />
Nutzung auch tatsächlich eine bessere Wirksamkeit mit<br />
sich bringt o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Erfolg einer Maßnahme zu einer verstärkten<br />
Nutzung führte, kann nur vermutet wer<strong>de</strong>n. Eine weitere<br />
Interpretation dieses Ergebnisses wäre <strong>de</strong>r Effekt, dass <strong>de</strong>r Einsatz<br />
von Maßnahmen <strong>de</strong>n Glauben an ihren Nutzen verstärkt.<br />
Interessant ist auch <strong>de</strong>r Zusammenhang <strong>de</strong>r Nutzung von Werbung<br />
und Öffentlichkeitsarbeit. So betrieben die Kanzleien, die<br />
überdurchschnittlich viele Werbemaßnahmen im Einsatz hat-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aufsätze 3<br />
ten, auch überproportional häufig Öffentlichkeitsarbeit. Damit<br />
wer<strong>de</strong>n Werbung und PR nicht etwa als austauschbare Instrumentarien<br />
verwen<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn als sich ergänzen<strong>de</strong> Faktoren<br />
eingesetzt. D.h. eine Kanzlei, die bei <strong>de</strong>r Außenkommunikation<br />
beson<strong>de</strong>rs aktiv ist, nutzt die Maßnahmen aus bei<strong>de</strong>n Bereichen<br />
häufig, während Kanzleien, die kaum Werbung betreiben, auch<br />
selten PR anwen<strong>de</strong>n.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s nur mäßigen Einsatzes von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit<br />
wun<strong>de</strong>rt es nicht, dass fast drei Viertel <strong>de</strong>r Kanzleien<br />
die Entwicklung und Umsetzung <strong>de</strong>r Maßnahmen selbst<br />
betreiben. 24 % ziehen Experten hinzu und nur 3 % überlassen<br />
die Gestaltung alleine <strong>de</strong>n Fachleuten. Hier muss dann auch die<br />
kritische Frage gestellt wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r geringe Erfolg <strong>de</strong>r Maßnahmen<br />
vielleicht auch auf unprofessionelles Vorgehen zurückzuführen<br />
ist. Sparen die Kanzleien am falschen En<strong>de</strong>? Betrachtet<br />
man die Bewertungen <strong>de</strong>s Erfolgs aller Maßnahmen zusammen<br />
danach, wer die Gestaltung übernommen hat, weisen die<br />
Kanzleien, die die Entwicklung und Umsetzung in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>n Experten vorgenommen haben, die besten Bewertungen<br />
auf. 22 % <strong>de</strong>r Befragten aus dieser Gruppe bewerteten<br />
<strong>de</strong>n Gesamterfolg <strong>de</strong>r Außenkommunikation als (eher) groß.<br />
Die Kanzleien, die die Gestaltung ausschließlich selbst vornahmen<br />
bzw. nur von Experten entwickeln ließen, sahen nur zu jeweils<br />
12 % einen (eher) großen Erfolg. Insgesamt wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Erfolg<br />
<strong>de</strong>r Außenkommunikation eher schlecht bewertet. Nur<br />
13 % <strong>de</strong>r Befragten waren <strong>de</strong>r Meinung, dass die Maßnahmen<br />
einen (eher) großen Erfolg hatten.<br />
Angesichts <strong>de</strong>r schlechteren wirtschaftlichen Situation <strong>de</strong>r Anwaltschaft<br />
gibt es doch immer noch viele Kanzleien, die auf-<br />
Das Thema Marketing spielt zwar in <strong>de</strong>n anwaltspezifischen<br />
Zeitschriften und Fachbüchern eine immer größere Rolle, jedoch<br />
lagen bisher keine Daten über die tatsächliche Verbreitung<br />
und Umsetzung von Marketinginstrumenten in Anwaltskanzleien<br />
vor. Um zu diesen Fragestellungen <strong>de</strong>taillierte Informationen<br />
zu erhalten, führte das Institut für Freie Berufe Nürnberg<br />
(IFB) im Auftrag <strong>de</strong>r Selbsthilfe <strong>de</strong>r RAe e.V. 2002 eine empirische<br />
Untersuchung zum Thema Marketing in Anwaltskanzleien<br />
durch. Hierzu wur<strong>de</strong>n von Anfang Februar bis En<strong>de</strong> Mai 2002<br />
in <strong>de</strong>n Kammern Bremen, Celle, Düsseldorf, Koblenz, Köln,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Nürnberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
und Tübingen insgesamt 9471 RAinnen und RAe befragt,<br />
von <strong>de</strong>nen 3588 <strong>de</strong>n Fragebogen ausgefüllt an das IFB zurücksandten.<br />
Dies be<strong>de</strong>utet eine Rücklaufquote von 38 %. Auf<br />
Schmucker, Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich<br />
Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich<br />
grund guter Auslastung keine Werbung machen müssen. Fast ein<br />
Drittel <strong>de</strong>r teilnehmen<strong>de</strong>n Kanzleien nannten diesen Grund für<br />
ihre Zurückhaltung beim Einsatz von Werbung und PR. Zu<strong>de</strong>m<br />
gibt es immer noch eine Min<strong>de</strong>rheit von 13 %, die Werbung<br />
prinzipiell ablehnt. Als Hin<strong>de</strong>rnisse bei <strong>de</strong>r Außenkommunikation<br />
stehen bei <strong>de</strong>n meisten dagegen praktische Grün<strong>de</strong> im Vor<strong>de</strong>rgrund:<br />
Der hohe Zeitaufwand, das unzureichen<strong>de</strong> Kosten-<br />
Nutzen-Verhältnis und mangeln<strong>de</strong> Kontrollmöglichkeiten in Bezug<br />
auf <strong>de</strong>n Erfolg. Rechtliche Hin<strong>de</strong>rnisse spielen dagegen<br />
keine große Rolle. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch bei <strong>de</strong>n<br />
Antworten zur allgemeinen Zufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>n Werbemöglichkeiten<br />
wie<strong>de</strong>r: 85 % <strong>de</strong>r Befragten äußerten sich zufrie<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit eingeräumten Werbemöglichkeiten. Damit sind<br />
also nur 15 % <strong>de</strong>r Befragten nicht zufrie<strong>de</strong>n, wobei sich etwa die<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Unzufrie<strong>de</strong>nen eine Erweiterung <strong>de</strong>r Möglichkeiten<br />
wünscht.<br />
Das Thema Kollektivwerbung fin<strong>de</strong>t bei <strong>de</strong>n meisten Befragten<br />
keine große Zustimmung: Nicht einmal ein Drittel <strong>de</strong>r Anwältinnen<br />
und Anwälte erklärte sich zu einer finanziellen Beteiligung<br />
an einer Kollektivwerbung bereit.<br />
Abschließend kann man sagen, dass Marketing in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Anwaltskanzleien noch nicht weit verbreitet ist und<br />
häufig nur einzelne, wenig koordinierte Aktivitäten in diesem<br />
Bereich unternommen wer<strong>de</strong>n. Viele Berufsangehörige haben<br />
Probleme, <strong>de</strong>n Aufwand an Zeit und Geld ins Verhältnis zu <strong>de</strong>m<br />
erkennbaren Nutzen von Marketing zu bringen. Somit besteht<br />
für die Zukunft noch erheblicher Handlungsbedarf für die Anwältinnen<br />
und Anwälte, um sich <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen<br />
Kanzleimanagements zu stellen.<br />
Ergänzen<strong>de</strong> Untersuchungen im Rahmen <strong>de</strong>r Studie „Marketing in Anwaltskanzleien“<br />
Alexandra Schmucker, Institut für Freie Berufe, Nürnberg<br />
1 Als Strukturdaten wur<strong>de</strong>n die Verteilungen nach Geschlecht, Alter,<br />
Fachanwaltsbezeichnungen und <strong>de</strong>m Anwaltsnotariat aus <strong>de</strong>r Erhebung<br />
mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Verteilungen in <strong>de</strong>r BRAK-Statistik verglichen.<br />
2 Die Kanzleigröße wur<strong>de</strong> anhand <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r RAinnen und RAe in<br />
<strong>de</strong>r Kanzlei (Inhaber und angestellte bzw. frei mitarbeiten<strong>de</strong> Kolleginnen<br />
und Kollegen) ermittelt, da die Kanzleigröße sehr stark von <strong>de</strong>ren<br />
Anzahl abhängt. Bei Kanzleien mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern<br />
etc. wur<strong>de</strong>n diese Partner zu <strong>de</strong>n RAinnen und RAen dazugezählt. Die<br />
teilzeitbeschäftigten Anwältinnen und Anwälte gehen in die Summenbildung<br />
mit 0,5 ein. Zu<strong>de</strong>m ist zu beachten, dass die Gruppe <strong>de</strong>r<br />
Grund dieser relativ hohen Rücklaufquote und <strong>de</strong>r guten Übereinstimmung<br />
<strong>de</strong>r Strukturdaten1 aus <strong>de</strong>r Erhebung mit <strong>de</strong>n Statistiken<br />
<strong>de</strong>r BRAK kann von <strong>de</strong>r Repräsentativität <strong>de</strong>r Daten ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong>de</strong>n Analysen <strong>de</strong>r erfassten Daten konnte festgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass sich vor allem zwei Vergleichskategorien jeweils von<br />
<strong>de</strong>n restlichen befragten Kanzleien beson<strong>de</strong>rs abhoben. Zum einen<br />
sind dies Kanzleien mit über 10 RAinnen und RAen2 , die im<br />
Folgen<strong>de</strong>n als „große Kanzleien“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n, und zum<br />
an<strong>de</strong>ren weisen die neu gegrün<strong>de</strong>ten Kanzleien3 spezifische Ergebnisse<br />
auf. Da bereits im Beitrag von Ottheinz Kääb4 ein<br />
Überblick über die Gesamtergebnisse <strong>de</strong>r Studie gegeben<br />
wur<strong>de</strong>, soll in diesem Artikel auf die Beson<strong>de</strong>rheiten dieser bei<strong>de</strong>n<br />
Gruppen eingegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
großen Kanzleien sehr heterogen ist. Zwar sind in <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r<br />
Kanzleien in dieser Gruppe bis zu 25 RAinnen und RAe tätig, es gibt<br />
jedoch auch einige große Kanzleien mit weit über 100 Anwältinnen<br />
und Anwälten.<br />
3 Neu gegrün<strong>de</strong>te Kanzleien sind Kanzleien, die maximal ein Jahr bestehen.<br />
4 Ottheinz Kääb: Marketing in Anwaltskanzleien. In: BRAK-Mitteilungen<br />
1/<strong>2003</strong>, S. 2. Der gesamte Ergebnisbericht ist in <strong>de</strong>r Schriftenreihe<br />
<strong>de</strong>s Instituts für Freie Berufe Nürnberg (IFB) erschienen und gegen eine<br />
Schutzgebühr von € 17,80 beim IFB (www.ifb.uni-erlangen.<strong>de</strong>) zu beziehen.
4 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Neu gegrün<strong>de</strong>te Kanzleien im Vergleich zu <strong>de</strong>n<br />
restlichen Kanzleien<br />
Auf Grund <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n letzten Jahren stetig stark steigen<strong>de</strong>n<br />
Anzahl <strong>de</strong>r Anwältinnen und Anwälte haben es<br />
Berufsanfänger beson<strong>de</strong>rs schwer auf <strong>de</strong>m Rechtsberatungsmarkt.<br />
Gera<strong>de</strong> für neu gegrün<strong>de</strong>te Kanzleien stellt<br />
die Mandantenakquisition eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
dar. Der effektive und effiziente Einsatz von<br />
Marketinginstrumenten ist in dieser Situation für die<br />
Etablierung <strong>de</strong>r Kanzlei sehr wichtig. So verwun<strong>de</strong>rt es<br />
nicht, dass diese Kanzleien im Vergleich zu <strong>de</strong>n länger<br />
bestehen<strong>de</strong>n Kanzleien <strong>de</strong>utlich mehr Aktivitäten in<br />
diesem Bereich aufweisen und vor allem auch für<br />
die nahe Zukunft weitere Maßnahmen planen (siehe<br />
Tab. 1a und 1b).<br />
So haben nur 7 % <strong>de</strong>r Kanzleien, die bereits länger als<br />
1 Jahr bestehen (im Folgen<strong>de</strong>n als „ältere Kanzleien“<br />
bezeichnet), ein Marketing-Konzept, aber bereits 12 %<br />
<strong>de</strong>r neuen Kanzleien. Zu<strong>de</strong>m ist in 23 % <strong>de</strong>r neu gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Kanzleien die Erstellung von Marketing-<br />
Konzepten für die nächsten 1 bis 2 Jahre geplant; in <strong>de</strong>r<br />
Vergleichsgruppe sehen nur 19 % eine Einführung vor.<br />
Dieser Unterschied spiegelt sich auch in <strong>de</strong>n Einschätzungen<br />
zur Wichtigkeit von Marketing-Konzepten wi<strong>de</strong>r:<br />
Während lediglich 20 % <strong>de</strong>r Befragten aus älteren<br />
Kanzleien diese für (eher) unentbehrlich halten, liegt<br />
<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Anteil bei <strong>de</strong>n Existenzgrün<strong>de</strong>rn mit<br />
32 % <strong>de</strong>utlich höher.<br />
Selbst wenn in <strong>de</strong>n Kanzleien kein Marketing-Konzept<br />
vorliegt, können einzelne Marketinginstrumente zum<br />
Einsatz kommen. Um dies zu erfassen, wur<strong>de</strong>n die Anwältinnen<br />
und Anwälte zu sieben Marketinginstrumenten<br />
befragt, inwieweit diese in ihrer Kanzlei bereits im<br />
Einsatz sind bzw. <strong>de</strong>ren Einführung in naher Zukunft<br />
geplant ist. Die durchschnittliche Anzahl <strong>de</strong>r eingesetzten<br />
Marketinginstrumente liegt in <strong>de</strong>n älteren Kanzleien<br />
bei 1,7; <strong>de</strong>s Weiteren wollen sie im Schnitt 0,8<br />
weitere Instrumente in <strong>de</strong>n nächsten 1 bis 2 Jahren einführen.<br />
Auch hier sind die neu gegrün<strong>de</strong>ten Kanzleien<br />
aktiver: Sie haben im Mittel 2,2 Marketinginstrumente<br />
im Einsatz und planen durchschnittlich 1,2 weitere einzuführen.<br />
Ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>s Marketings bil<strong>de</strong>t die Kun<strong>de</strong>nzufrie<strong>de</strong>nheit.<br />
Um die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Mandanten<br />
gut zu kennen und angemessen darauf reagieren zu<br />
können, ist eine genaue Kenntnis zur Zufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r<br />
Klienten erfor<strong>de</strong>rlich. Diese Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Mandantenfeedbacks<br />
fin<strong>de</strong>t zwar unter <strong>de</strong>n befragten Anwältinnen<br />
und Anwälten beson<strong>de</strong>rs hohe Zustimmung, jedoch<br />
besteht bei <strong>de</strong>r praktischen Umsetzung noch erheblicher<br />
Handlungsbedarf: So geben lediglich 6 % <strong>de</strong>r<br />
älteren Kanzleien und 3 % <strong>de</strong>r neuen Kanzleien an,<br />
schriftliche Mandantenbefragungen durchzuführen.<br />
Obwohl hier die Existenzgrün<strong>de</strong>r hinter <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Kanzleien zurückliegen, planen 19 % <strong>de</strong>r jungen Kanzleien,<br />
die bisher keine schriftlichen Befragungen durchgeführt<br />
haben, die Einführung in <strong>de</strong>n nächsten 1 bis 2<br />
Jahren. Bei <strong>de</strong>n älteren Kanzleien beabsichtigen dies<br />
nur 11 %.<br />
Auch beim Einsatz von Instrumenten für Werbung und<br />
Öffentlichkeitsarbeit weisen die „jungen“ Kanzleien<br />
einen Vorsprung gegenüber <strong>de</strong>n älteren auf. Sie führten<br />
in <strong>de</strong>n letzten bei<strong>de</strong>n Jahren im Schnitt 3,7 Werbe- und<br />
1,5 PR-Maßnahmen durch. Die Vergleichsgruppe<br />
bringt es dagegen nur auf durchschnittlich 3,4 Werbe-<br />
Schmucker, Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aufsätze 5<br />
Schmucker, Anwaltsmarketing im Kanzleivergleich<br />
maßnahmen und 1,4 eingesetzte Instrumente zur Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Angesichts <strong>de</strong>s eher geringen Einsatzes von Werbe- und<br />
PR-Maßnahmen stellt sich die Frage nach <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n.<br />
Vor allem praktische Hin<strong>de</strong>rnisse (wie z.B. hoher<br />
Zeitaufwand, schlechte Kontrollmöglichkeiten) wer<strong>de</strong>n<br />
von <strong>de</strong>n Befragten als Hin<strong>de</strong>rnisse genannt. Dabei beurteilen<br />
54 % <strong>de</strong>r Anwältinnen und Anwälte aus neu<br />
gegrün<strong>de</strong>ten Kanzleien und 61 % <strong>de</strong>r Befragten aus <strong>de</strong>n<br />
älteren Kanzleien diese Probleme als zutreffend. Bei<br />
<strong>de</strong>n rechtlichen Hin<strong>de</strong>rnissen zeigen sich zwischen<br />
bei<strong>de</strong>n Gruppen dagegen nur geringe Unterschie<strong>de</strong>: So<br />
geben 14 % <strong>de</strong>r Anwältinnen und Anwälte aus <strong>de</strong>n<br />
neuen und 12 % <strong>de</strong>r Kolleginnen und Kollegen aus <strong>de</strong>n<br />
älteren Kanzleien an, dass ihre Werbemaßnahmen wegen<br />
rechtlicher Einschränkungen, Intransparenz etc.<br />
behin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Ein weiterer Grund, keine Werbung<br />
zu betreiben, ist eine ausreichend gute Auslastung <strong>de</strong>r<br />
Kanzlei, sodass Werbemaßnahmen als nicht nötig betrachtet<br />
wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m lehnen einige Kolleginnen und<br />
Kollegen Werbung prinzipiell ab. Bei <strong>de</strong>n neu gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Kanzleien spielen diese bei<strong>de</strong>n Motive nur eine<br />
untergeordnete Rolle: lediglich 6 % <strong>de</strong>r Befragten aus<br />
dieser Gruppe nennen diese als Hin<strong>de</strong>rnisse, aber 13 %<br />
<strong>de</strong>r Kolleginnen und Kollegen aus <strong>de</strong>n älteren Kanzleien.<br />
Die Anwältinnen und Anwälte wur<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m nach<br />
<strong>de</strong>m Erfolg <strong>de</strong>r gesamten Werbe- und PR-Maßnahmen<br />
in ihrer Kanzlei gefragt; dabei sollten sie <strong>de</strong>n Erfolg auf<br />
einer Skala von 1 = „großer Erfolg/Umsatzsteigerung“<br />
bis 5 = „hat überhaupt nichts gebracht“ einordnen. Insgesamt<br />
fällt das Urteil <strong>de</strong>r befragten RAinnen und RAe<br />
nicht beson<strong>de</strong>rs gut aus, <strong>de</strong>nnoch bewerten die Befragten<br />
aus <strong>de</strong>n jungen Kanzleien mit durchschnittlich<br />
3,3 <strong>de</strong>n Werbeerfolg besser als die Kolleginnen und<br />
Kollegen aus <strong>de</strong>n bereits länger bestehen<strong>de</strong>n Kanzleien<br />
(3,7).<br />
Große Kanzleien im Vergleich zu <strong>de</strong>n restlichen<br />
Kanzleien<br />
Die zweite „auffällige“ Gruppe bil<strong>de</strong>n die Kanzleien<br />
mit über 10 RAinnen und RAen (siehe Tab. 2a und 2b).<br />
Sie unternehmen be<strong>de</strong>utend mehr im Bereich Marketing<br />
als die kleineren Kanzleien. So haben sie im Schnitt<br />
2,9 <strong>de</strong>r 7 abgefragten Marketing-Instrumente im Einsatz,<br />
alle an<strong>de</strong>ren Kanzleien kommen im Mittel nur auf<br />
1,8. Dennoch haben selbst über die Hälfte <strong>de</strong>r großen<br />
Sozietäten bisher noch kein Marketing-Konzept, in <strong>de</strong>r<br />
Vergleichsgruppe sind es sogar 93 %. Die Be<strong>de</strong>utung<br />
eines Marketing-Konzepts wird von <strong>de</strong>n Befragten aus<br />
<strong>de</strong>n großen Kanzleien wesentlich höher eingeschätzt<br />
als von allen an<strong>de</strong>ren Anwältinnen und Anwälten. So<br />
geben 64 % <strong>de</strong>r Anwältinnen und Anwälte aus diesen<br />
Kanzleien an, dass sie ein Marketing-Konzept für (eher)<br />
unentbehrlich halten, in <strong>de</strong>n kleineren Kanzleien liegt<br />
<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Anteil bei 24 %.<br />
Zwar beurteilen nur etwas mehr Befragte aus <strong>de</strong>n<br />
großen Kanzleien (77 %) das Mandanten-Feedback als<br />
(sehr) wichtig als Befragte aus <strong>de</strong>n kleineren Kanzleien<br />
(67 %), aber mit <strong>de</strong>r Umsetzung dieser Bestrebungen in<br />
die Praxis ist man in <strong>de</strong>n großen Sozietäten schon weiter:<br />
20 % führen bereits eine schriftliche Mandantenbefragung<br />
durch (zum Vergleich: kleinere Kanzleien 5 %).<br />
D.h. aber auch, dass selbst bei diesen Vorreitern immer<br />
noch 80 % ihre Mandanten nicht schriftlich befragen.
6 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Auch auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Werbung und Öffentlichkeitsarbeit liegen<br />
die großen Kanzleien vorne: Sie setzten im Schnitt wesentlich<br />
mehr Instrumente für Werbung und PR ein als die an<strong>de</strong>ren<br />
Kanzleien. Für sie spielen praktische Hin<strong>de</strong>rnisse beim Werben<br />
auch eine geringere Rolle als für die kleineren Kanzleien: So geben<br />
58 % <strong>de</strong>r Befragten aus <strong>de</strong>n Kanzleien mit bis zu 10 RAinnen<br />
und RAen an, dass praktische Hin<strong>de</strong>rnisse ihnen beim Einsatz<br />
von Werbemaßnahmen entgegenstehen. Bei <strong>de</strong>n Kolleginnen<br />
und Kollegen aus <strong>de</strong>n großen Kanzleien liegt <strong>de</strong>r<br />
entsprechen<strong>de</strong> Anteil nur bei 41 %.<br />
Für die Entwicklung und Umsetzung <strong>de</strong>r Maßnahmen konsultieren<br />
die großen Kanzleien auch vermehrt Experten. Während<br />
77 % <strong>de</strong>r kleineren Kanzleien die Gestaltung ihrer Außenkommunikation<br />
alleine übernehmen, gehen lediglich 28 % <strong>de</strong>r<br />
großen Kanzleien entsprechend vor.<br />
Die Beurteilung <strong>de</strong>s Erfolgs <strong>de</strong>r gesamten Werbemaßnahmen<br />
und Öffentlichkeitsarbeit fallen bei <strong>de</strong>n Befragten aus <strong>de</strong>n klei-<br />
1. Sammeltermine<br />
Unter <strong>de</strong>m Begriff „Sammeltermine“ wer<strong>de</strong>n im folgen<strong>de</strong>n Termine<br />
zur mündlichen Verhandlung verstan<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>nen das<br />
Gericht auf die gleiche Terminsstun<strong>de</strong> mehrere Verfahren lädt1 .<br />
In <strong>de</strong>r Praxis sind dies oft nicht nur zwei o<strong>de</strong>r drei, son<strong>de</strong>rn weit<br />
mehr Verfahren; das BVerfG hatte sich im Jahre 1985 mit Sammelterminen<br />
zu befassen, in <strong>de</strong>nen 50 bzw. 68 Sachen gleichzeitig<br />
gela<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n waren2 . Die regionale Verbreitung von<br />
Sammelterminen ist unterschiedlich. In Bayern und Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg fin<strong>de</strong>n Sammeltermine, soweit ersichtlich, gar<br />
nicht statt; in Berlin gibt es sie bei einigen AG; im Rheinland dagegen<br />
erfreuen sich Sammeltermine auch bei LG nach wie vor<br />
großer Beliebtheit.<br />
Der Unterhaltungswert von Sammelterminen ist groß. Der Sitzungssaal<br />
ist gut gefüllt; zahlreiche Anwälte verfolgen gut gelaunt<br />
die Anstrengungen <strong>de</strong>r Kollegen, die sich bereits gefun<strong>de</strong>n<br />
haben und „dran sind“; es wird um die Reihenfolge gedrängelt;<br />
das Gericht ersetzt die oft nicht hinreichen<strong>de</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Sachen durch apodiktische Schärfe und Zynismus.<br />
Was dabei produziert wird, ist allzu oft ein Zerrbild von Justiz.<br />
Die vorliegen<strong>de</strong> Untersuchung geht <strong>de</strong>r Frage nach, ob Sammeltermine<br />
rechtlich zulässig sind und ob sich ggf. hieran etwas<br />
durch die ZPO-Reform geän<strong>de</strong>rt hat. Dabei wird die ZPO in <strong>de</strong>r<br />
bis 31.12.2001 gelten<strong>de</strong>n Fassung als „alte“, in <strong>de</strong>r seit 1.1.2002<br />
gelten<strong>de</strong>n Fassung als „neue“ ZPO bezeichnet.<br />
2. Sammeltermine nach „alter“ und „neuer“ ZPO<br />
Eine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit von Sammelterminen<br />
ist we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r „alten“ noch in <strong>de</strong>r „neuen“ ZPO enthalten.<br />
Nach <strong>de</strong>m unverän<strong>de</strong>rt gebliebenen § 216 Abs. 1 ZPO<br />
wer<strong>de</strong>n Termine von Amts wegen bestimmt; die Wahl von Terminstag<br />
und -stun<strong>de</strong> liegt in <strong>de</strong>m durch § 216 Abs. 3, § 272<br />
Abs. 3 gebun<strong>de</strong>nen Ermessen <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n3 . Fragt man nach<br />
Schirp, Sammeltermine und „neue“ ZPO – En<strong>de</strong> einer Unsitte?<br />
neren Kanzleien mit 3,6 eher negativ aus. Die Anwältinnen und<br />
Anwälte aus <strong>de</strong>n großen Sozietäten sehen die Wirkung ihrer<br />
Maßnahmen zwar <strong>de</strong>utlich besser (2,9), <strong>de</strong>nnoch zeigt auch<br />
dieser Wert, dass sich <strong>de</strong>r Erfolg auch in dieser Gruppe in Grenzen<br />
hält.<br />
Insgesamt zeigt die vorliegen<strong>de</strong> Studie, dass selbst die großen<br />
Kanzleien, die <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren in <strong>de</strong>n meisten Marketing-Angelegenheiten<br />
weit voraus sind, noch <strong>de</strong>utliche Nutzungs<strong>de</strong>fizite<br />
aufweisen. Auch die Bewertungen <strong>de</strong>r Effektivität und Effizienz<br />
<strong>de</strong>r Maßnahmen lassen erkennen, dass die Befragten <strong>de</strong>n Aktivitäten<br />
weitgehend keinen allzu großen Erfolg bescheinigen.<br />
Dennoch machen die Ergebnisse für die jungen Kanzleien eine<br />
neue Entwicklung <strong>de</strong>utlich: Die Existenzgrün<strong>de</strong>r setzen sich<br />
wesentlich intensiver mit <strong>de</strong>r Thematik auseinan<strong>de</strong>r und somit<br />
wird Marketing wohl in Zukunft auch in <strong>de</strong>r Praxis an Relevanz<br />
gewinnen.<br />
Sammeltermine und „neue“ ZPO – En<strong>de</strong> einer Unsitte?<br />
1 Stöber in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 216 Rdnr. 19.<br />
2 BVerfG NJW 1985, 1149 = MDR 1985, 551.<br />
3 Stöber in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 216 Rdnr. 18.<br />
Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp, Berlin<br />
<strong>de</strong>r Zulässigkeit von Sammelterminen, so lässt sich die Antwort<br />
nur durch Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften <strong>de</strong>r ZPO<br />
gewinnen. Prüfmaßstab sind insbeson<strong>de</strong>re die §§ 139 und 278<br />
ZPO, die im Zuge <strong>de</strong>r ZPO-Novelle erhebliche Än<strong>de</strong>rungen erfahren<br />
haben.<br />
2.1 Sammeltermine nach „alter“ ZPO<br />
Nach § 139 Abs. 1 ZPO a.F. hatte das Gericht auf rechtzeitige<br />
und vollständige Erklärungen zur tatsächlichen und rechtlichen<br />
Seite nebst sachdienlichen Anträgen und Beweismitteln hinzuwirken.<br />
Nach § 139 Abs. 2 ZPO a.F. hatte <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> auf<br />
die Be<strong>de</strong>nken aufmerksam zu machen, die in Ansehung <strong>de</strong>r von<br />
Amts wegen zu beachten<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong> obwalten. Das Gericht<br />
trug in diesem Sinne die Verantwortung für ein faires Verfahren4 .<br />
Die Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und Streitverhältnisses (§§ 139 Abs. 1,<br />
Satz 2, 278 Abs. 3) diente <strong>de</strong>r Offenlegung <strong>de</strong>r vom Richter für<br />
maßgebend erachteten Gesichtspunkte. Gemäß § 278 Abs. 1,<br />
Satz 2 ZPO a.F. sollten die erschienenen Parteien persönlich<br />
während <strong>de</strong>s Haupttermins gehört wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m hatte das<br />
Gericht gem. § 278 Abs. 3 ZPO auf rechtliche Gesichtspunkte<br />
hinzuweisen, die die Parteien erkennbar übersehen o<strong>de</strong>r für<br />
unerheblich gehalten hatten.<br />
Diese rechtlichen Vorgaben ließen bereits unter Geltung <strong>de</strong>r „alten“<br />
ZPO Sammeltermine zumin<strong>de</strong>st als „oft nicht empfehlenswert“<br />
o<strong>de</strong>r als „im Regelfall wenig ratsam“ erscheinen5 . Eine<br />
ordnungsgemäße Anwendung <strong>de</strong>r §§ 139, 278 ZPO a.F. war je<strong>de</strong>nfalls<br />
dann nicht mehr möglich, wenn es sich um komplexe<br />
und streitige Verfahren han<strong>de</strong>lte.<br />
Dies betrifft zum einen die gebotene Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und<br />
Streitstoffs. Unter Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und Streitverhältnisses<br />
ist eine umfassen<strong>de</strong> Erörterung zu verstehen, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Streitstoff<br />
begrenzt und konkretisiert wird, z.B. in<strong>de</strong>m bestimmte<br />
Punkte unstreitig gestellt wer<strong>de</strong>n, Anträge präziser gefasst wer<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r die rechtlichen Aspekte und Konsequenzen erörtert<br />
4 Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl., 1993, § 139 Rdnr. 1.<br />
5 Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl., 1993, § 216 Rdnr. 9.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aufsätze 7<br />
wer<strong>de</strong>n6 . Kein Richter ist in <strong>de</strong>r Lage, diesen Anfor<strong>de</strong>rungen in<br />
45 o<strong>de</strong>r 60 Minuten für sechs, acht, zehn o<strong>de</strong>r mehr Verfahren<br />
gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Zum an<strong>de</strong>ren ergab sich schon aus § 278<br />
ZPO a.F. eine Verpflichtung <strong>de</strong>s Gerichts, erschienene Parteien<br />
persönlich zu hören. Auch dieser Verpflichtung konnte das Gericht<br />
unter <strong>de</strong>n Bedingungen eines Sammeltermins nicht nachkommen.<br />
Wir können als Zwischenergebnis <strong>de</strong>mnach festhalten, dass in<br />
Sammelterminen eine ordnungsgemäße Anwendung <strong>de</strong>r<br />
§§ 139, 278 ZPO a.F. an <strong>de</strong>r verfügbaren Zeit zwingend scheitern<br />
musste. Je<strong>de</strong>r RA, <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>rartigen Bedingungen prozessieren<br />
musste, wird dies aus seiner Erfahrung bestätigen. Ist<br />
dies aber so, so wird man konsequenterweise zu <strong>de</strong>m Ergebnis<br />
kommen, dass bereits unter <strong>de</strong>r Herrschaft <strong>de</strong>r alten ZPO Sammeltermine<br />
nicht nur „wenig ratsam“ waren, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>nfalls<br />
bei komplexeren Verfahren schlicht unzulässig.<br />
2.2 Sammeltermine nach „neuer“ ZPO<br />
Die neue ZPO hat die Verpflichtungen <strong>de</strong>s Gerichts erster Instanz<br />
verschärft. Wesentliches Ziel <strong>de</strong>r Reform ist, die erste Instanz<br />
zu stärken und die Rechtsmittelinstanzen zu entlasten.<br />
Dieses Ziel kann nur erreicht wer<strong>de</strong>n, wenn die erstinstanzlichen<br />
Entscheidungen einem hohen Qualitätsniveau genügen.<br />
„Fixigkeit hat keinen Vorrang vor Gerechtigkeit“ 7 . Ein Eckpfeiler<br />
dieser Bemühungen sind die Verän<strong>de</strong>rungen, die die ZPO-Novelle<br />
bezüglich <strong>de</strong>r §§ 139, 278 ZPO gebracht hat.<br />
In § 139 ZPO n.F. wird <strong>de</strong>m Gericht eine sehr weitgehen<strong>de</strong> und<br />
verschärfte Aufklärungs- und Hinweispflicht auferlegt. Der Richter<br />
soll seine Hinweise frühestmöglich geben. Dies soll einen<br />
eventuellen Zusatzaufwand an Zeit und Kosten und eine nachteilige<br />
Beeinflussung <strong>de</strong>s weiteren Rechtsstreits vermei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />
durch verspätete Aufklärung entstehen könnte8 . § 139 Abs. 2<br />
Satz 2 ZPO erweitert die Pflicht zum Rechtsgespräch. Nicht lediglich<br />
die Erörterung eines von <strong>de</strong>r Partei erkennbar übersehenen<br />
o<strong>de</strong>r für unerheblich gehaltenen Punktes (§ 278 Abs. 3 ZPO<br />
a.F.) ist damit gemeint, son<strong>de</strong>rn auch ein Gesichtspunkt, <strong>de</strong>r<br />
nicht von <strong>de</strong>r Partei übersehen wor<strong>de</strong>n ist, aber <strong>de</strong>r vom Gericht<br />
an<strong>de</strong>rs beurteilt wird als von bei<strong>de</strong>n Parteien. Hiermit verbun<strong>de</strong>n<br />
ist die Notwendigkeit <strong>de</strong>s direkten Gesprächs über eine juristische<br />
Streitfrage9 . Dabei bezieht sich die Hinweispflicht neuerdings<br />
auch auf übersehene tatsächliche Gesichtspunkte, was<br />
durch die Streichung <strong>de</strong>s Wortes „rechtlich“ in § 278 Abs. 3 ZPO<br />
<strong>de</strong>utlich wird. Allgemeine und pauschale Hinweise <strong>de</strong>s Gerichts<br />
sind ungenügend. Sie bedürfen <strong>de</strong>r Präzisierung, da die Partei<br />
nicht erst aus <strong>de</strong>m Urteil erfahren soll, dass die Rechtslage vom<br />
Gericht an<strong>de</strong>rs beurteilt wird10 . Für die zu führen<strong>de</strong>n Güteverhandlungen<br />
soll das Gericht gem. § 278 Abs. 3 Satz 1 ZPO n.F.<br />
das persönliche Erscheinen <strong>de</strong>r Parteien anordnen. Damit verbun<strong>de</strong>n<br />
ist die Verpflichtung <strong>de</strong>s Gerichts, die erschienenen Parteien<br />
anzuhören. Gemäß § 279 Abs. 3 ZPO n.F. hat das Gericht<br />
im Anschluss an eine Beweisaufnahme erneut <strong>de</strong>n Sach- und<br />
Streitstand sowie, soweit bereits möglich, das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />
zu erörtern.<br />
Diese Verschärfung <strong>de</strong>r aus § 139 ZPO folgen<strong>de</strong>n richterlichen<br />
Pflichten führt dazu, dass die oben unter Ziffer 2.1 entwickelten<br />
Überlegungen „erst recht“ Anwendung fin<strong>de</strong>n müssen. Das Gericht<br />
muss unter <strong>de</strong>r Geltung <strong>de</strong>r „neuen“ ZPO ein qualifiziertes<br />
Gespräch über die tatsächlichen und rechtlichen Aspekte <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits führen. Gera<strong>de</strong> auch juristische Streitfragen sind im<br />
unmittelbaren Gespräch mit <strong>de</strong>n Parteivertretern zu erörtern.<br />
6 Greger in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 278 Rdnr. 9.<br />
7 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2583.<br />
8 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2582.<br />
9 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2582.<br />
10 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2582.<br />
Schirp, Sammeltermine und „neue“ ZPO – En<strong>de</strong> einer Unsitte?<br />
Mag dies auch in <strong>de</strong>r gebotenen Kürze und unter Beibehaltung<br />
einer straffen Verhandlungsleitung geschehen, so ist es <strong>de</strong>nnoch<br />
ausgeschlossen, <strong>de</strong>rartige qualifizierte Rechtsgespräche in zehn<br />
o<strong>de</strong>r mehr Sachen binnen 60 Minuten zu führen und abzuschließen.<br />
Auch Güteverhandlungen unter Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />
– im Regelfall – erschienenen Parteien sowie eine ggf. an die Beweisaufnahme<br />
anschließen<strong>de</strong> neuerliche Erörterung sind in<br />
Sammelterminen nicht darstellbar11 .<br />
Als Ergebnis sei festgehalten: Schon unter Geltung <strong>de</strong>r „alten“<br />
ZPO waren Sammeltermine in <strong>de</strong>r Regel unzulässig. Unter Geltung<br />
<strong>de</strong>r „neuen“ ZPO gilt dies erst recht.<br />
3. Rechtsfolgen von Verstößen<br />
Folgt man <strong>de</strong>n vorstehend nie<strong>de</strong>rgelegten Überlegungen, so<br />
stellt sich die Folgefrage, welche Rechtsfolgen sich aus Verstößen<br />
ergeben. Denn Sammeltermine sind, insbeson<strong>de</strong>re im<br />
Rheinland, eine jahrzehntealte Verfahrensweise. Es ist nicht damit<br />
zu rechnen, dass diese Verfahrensweise freiwillig eingestellt<br />
wird, zumal sie immer noch unter Hinweis auf angebliche Effizienzgewinne<br />
ihre Fürsprecher fin<strong>de</strong>t. Was also gilt, wenn ein<br />
Gericht erster Instanz einen Sammeltermin durchführt und beispielsweise<br />
sieben Sachen auf 9.00 Uhr lädt, die nächste Terminstun<strong>de</strong><br />
aber bereits auf 9.45 Uhr anberaumt hat?<br />
Erfolgversprechen<strong>de</strong> Rechtsbehelfe vor Erlass <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r ersten Instanz sind nicht ersichtlich. Zwar unterfällt die Terminsbestimmung<br />
nicht <strong>de</strong>r richterlichen Unabhängigkeit; die<br />
richterliche Unabhängigkeit i.S.d. § 26 DRiG bezieht sich nur auf<br />
die Sachbehandlung <strong>de</strong>s Einzelfalls, nicht aber auf die organisatorische<br />
Erledigung <strong>de</strong>s allgemeinen Geschäftsanfalls12 . Auch<br />
kann gegen unrechtmäßige Nichtterminierung o<strong>de</strong>r zu späte Terminierung<br />
durch sofortige Beschwer<strong>de</strong> vorgegangen wer<strong>de</strong>n13 .<br />
Vorliegend geht es jedoch nicht um das Unterlassen o<strong>de</strong>r die Verzögerung<br />
<strong>de</strong>r Terminierung, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>ren äußere Umstän<strong>de</strong>.<br />
Hier dürfte es bei <strong>de</strong>m Grundsatz bleiben, dass gegen die<br />
Terminsbestimmung keine Rechtsbehelfe gegeben sind. Allenfalls<br />
eine Gegenvorstellung wäre statthaft14 , dürfte aber erfahrungsgemäß<br />
die Mühe und die Portokosten kaum lohnen.<br />
Zu <strong>de</strong>nken ist an die Berufung o<strong>de</strong>r, ersatzweise, an die neu eingeführte<br />
Gehörsrüge nach § 321a ZPO n.F. Nach § 513 ZPO n.F.<br />
kann die Berufung darauf gestützt wer<strong>de</strong>n, dass die erstinstanzliche<br />
Entscheidung auf einer Verletzung <strong>de</strong>s Gesetzes beruhe.<br />
Eine Verletzung <strong>de</strong>s Gesetzes liegt gem. § 546 ZPO n.F. vor,<br />
wenn eine Rechtsnorm nicht o<strong>de</strong>r nicht richtig angewen<strong>de</strong>t<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Der Berufungskläger muss darlegen, welche Rechtsvorschrift<br />
das erstinstanzliche Gericht gar nicht o<strong>de</strong>r falsch angewen<strong>de</strong>t<br />
habe15 . Er muss weiter vortragen, aufgrund welcher<br />
Umstän<strong>de</strong> die behauptete Rechtsverletzung zur Unrichtigkeit<br />
<strong>de</strong>s angefochtenen Urteils geführt habe16 . Wenn – wie hier – die<br />
Verletzung von Verfahrensrecht gerügt wird, muss <strong>de</strong>r Berufungskläger<br />
darlegen, wie er sich bei prozessordnungsgemäßem<br />
Verlauf verhalten und inwieweit dies das Urteil beeinflusst<br />
hätte. Ein solcher Vortrag erscheint in <strong>de</strong>n hier gegebenen Fallkonstellationen<br />
durchaus als möglich. Zu rügen ist die nicht<br />
ordnungsgemäße Anwendung <strong>de</strong>r §§ 139, 278, 279 ZPO n.F. Insoweit<br />
wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m oben Gesagten Rechtsverletzungen<br />
nachweisbar sein. Der Berufungskläger hat darzulegen, was er<br />
bei ordnungsgemäßer Durchführung eines Gespräches über die<br />
rechtlichen und tatsächlichen Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Falles o<strong>de</strong>r bei ordnungsgemäßer<br />
Anhörung <strong>de</strong>r Parteien getan und inwieweit sich<br />
11 Schnei<strong>de</strong>r, ZPO-Reform, 2001, Rdnr. 192.<br />
12 BGH, MDR 91, 150 = NJW 91, 421.<br />
13 Stöber in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 216 Rdnr. 21 mit Nachweisen<br />
aus <strong>de</strong>r oberlan<strong>de</strong>sgerichtlichen Rspr.<br />
14 BAG 72, 320 = MDR 93, 547.<br />
15 Schellhammer, MDR 2001, 1141, 1143.<br />
16 Schellhammer, MDR 2001, 1141, 1143.
8 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Grigolli, Die übermäßige Dauer <strong>de</strong>r Zivilprozesse in Italien und entsprechen<strong>de</strong> Gegenmaßnahmen<br />
dies auf das Urteil ausgewirkt hätte. Auch ein solcher Vortrag<br />
wird möglich sein. Denn eine Prozessführung unter Verletzung<br />
<strong>de</strong>s Verfahrensrechts und <strong>de</strong>r Äußerungsrechte <strong>de</strong>r Parteien führt<br />
in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle auch zur Verletzung materiellen<br />
Rechts o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st zum voreiligen Ausschluss von Entscheidungsalternativen,<br />
<strong>de</strong>nen das Gericht hätte nachgehen<br />
müssen. Eine Berufung in <strong>de</strong>n hier beschriebenen Fallkonstellationen<br />
dürfte daher aussichtsreich sein. Das Gleiche gilt, unter<br />
<strong>de</strong>n in § 321a Abs. 1 n.F. näher geregelten Voraussetzungen, für<br />
die Gehörsrüge bei nicht berufungsfähigen Entscheidungen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
die in § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F. gefor<strong>de</strong>rte entscheidungserhebliche<br />
Gehörsverletzung wird unter <strong>de</strong>n hier beschriebenen<br />
Voraussetzungen nachweisbar sein.<br />
Seit vielen Jahren schon steht die italienische Justiz unter intensiver<br />
und aufmerksamer europäischer Beobachtung, insbeson<strong>de</strong>re<br />
unter jener <strong>de</strong>s Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />
in Straßburg; dort fällt <strong>de</strong>r italienische Staat nämlich<br />
„nicht selten“ wegen <strong>de</strong>r überlangen Dauer seiner Zivilverfahren<br />
auf, die – wie in einem 2001 entschie<strong>de</strong>nen Fall – sogar 26<br />
Jahre und 2 Monate betragen kann. Dies führt dazu, dass Italien<br />
zurzeit <strong>de</strong>r am häufigsten verurteilte Staat in Straßburg ist.<br />
Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Verurteilungen steht fast immer die Vorschrift<br />
<strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 1 <strong>de</strong>r Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />
Hiernach hat je<strong>de</strong>rmann <strong>de</strong>n „Anspruch darauf, dass seine Sache<br />
in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen<br />
Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und<br />
unparteiischen, auf Gesetz beruhen<strong>de</strong>n Gericht, das über zivilrechtliche<br />
Ansprüche und Verpflichtungen [. . .] zu entschei<strong>de</strong>n<br />
hat.“ Gera<strong>de</strong> die gerne auch als „Schneckenprozesse“ (processi<br />
lumaca) bezeichneten Verfahren führen dazu, dass gegen Italien<br />
nicht selten über 10 Verurteilungen an einem einzelnen Tag ausgesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n (am 26.4.2001 19 mit <strong>de</strong>r Verurteilung zur<br />
Zahlung einer Gesamtsumme von ca. Euro 250 000,00 wegen<br />
Entschädigung, Schmerzensgeld und Ersatz <strong>de</strong>r Prozesskosten,<br />
am 16.1.2001 waren es sogar 25).<br />
Und die Situation hat sich in <strong>de</strong>n letzten Jahren lei<strong>de</strong>r nicht gebessert,<br />
im Gegenteil. Dies geht insbeson<strong>de</strong>re aus einer neuen<br />
Veröffentlichung <strong>de</strong>s italienischen Justizministeriums hervor, die<br />
alle bis zum 15.10.2002 eingegangenen Daten für die Jahre<br />
2000 und 2001 enthält und statistisch aufarbeitet. Auf das Problem<br />
ist am 13.1.<strong>2003</strong> in einer sehr kritischen und in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
stark <strong>de</strong>battierten Re<strong>de</strong> zur Eröffnung <strong>de</strong>s Gerichtsjahres<br />
<strong>2003</strong> auch <strong>de</strong>r Generalstaatsanwalt an <strong>de</strong>r Corte di Cassazione<br />
(vergleichbar mit <strong>de</strong>m BGH) eingegangen. Seiner Aussage<br />
zufolge funktioniere das System nicht, es führe nicht zu <strong>de</strong>n erhofften<br />
Resultaten, es lasse die Bürger allzu oft im Unklaren. Ca.<br />
3,5 Millionen Zivil- und über 5,7 Millionen Strafverfahren waren<br />
Mitte <strong>de</strong>s Jahres 2002 anhängig. Diese seien das Ergebnis einer<br />
Justiz, die nach Prozeduren und technischen Regeln ablaufe,<br />
die von <strong>de</strong>n meisten Bürgern nicht nachvollzogen wer<strong>de</strong>n<br />
könnten.<br />
In bei<strong>de</strong>n ersten zivilgerichtlichen Instanzen hat die Verfahrensdauer<br />
in <strong>de</strong>n untersuchten Jahren zugenommen. Ein erstin-<br />
4. Ergebnis<br />
Sammeltermine sind unzulässig. Ausnahmen sind allenfalls bei<br />
äußerst einfach gelagerten Fallkonstellationen vorstellbar.<br />
Wer<strong>de</strong>n Sammeltermine durchgeführt, so ist dies eine Verfahrensverletzung,<br />
die in vielen Fällen auch entscheidungserheblich<br />
sein wird. Ist dies <strong>de</strong>r Fall, so wird die Berufung bzw. die<br />
Gehörsrüge erfolgreich sein.<br />
Die Verfahrenspraxis <strong>de</strong>rjenigen Gerichte, die noch von Sammelterminen<br />
Gebrauch machen – zu <strong>de</strong>nken ist insbeson<strong>de</strong>re<br />
an verschie<strong>de</strong>ne rheinische LG – wird sich unter Geltung <strong>de</strong>r<br />
„neuen“ ZPO umzustellen haben.<br />
Die übermäßige Dauer <strong>de</strong>r Zivilprozesse in Italien und entsprechen<strong>de</strong><br />
Gegenmaßnahmen<br />
Rechtsanwalt Dr. Stephan Grigolli, Mailand/München<br />
stanzliches Verfahren am Tribunale, <strong>de</strong>m LG (die AG sind mit einer<br />
Gerichtsorganisationsreform 1999 abgeschafft wor<strong>de</strong>n und<br />
fungieren nunmehr als sezioni), dauert im Durchschnitt nun<br />
nicht mehr 597, son<strong>de</strong>rn 623 Tage, ein zweitinstanzliches Verfahren<br />
an <strong>de</strong>r Corte d’Appello, <strong>de</strong>m OLG, nicht mehr 578, son<strong>de</strong>rn<br />
645 Tage.<br />
Beson<strong>de</strong>rs auffallend ist in diesem Zusammenhang das krasse<br />
Nord-Süd-Gefälle: während ein erstinstanzliches Verfahren in<br />
Palmi (einer Stadt in Kalabrien) durchschnittlich 1932 Tage dauert,<br />
schließen die Richter am LG Rovereto (in Trentino-Südtirol)<br />
ihre Verfahren in durchschnittlich 204 Tagen ab. Es folgen auf<br />
<strong>de</strong>n nächsten Plätzen Cuneo (206), Trient (213), Alba (233) und<br />
Crema (234). Mailand rangiert bei 354, Florenz bei 519, Rom<br />
bei 631, Neapel bei 767 und Messina auf <strong>de</strong>m vorletzten Platz<br />
bei 1307 Tagen. In <strong>de</strong>r zweiten Instanz schwächt sich das gera<strong>de</strong><br />
erläuterte Nord-Süd-Bild ein wenig ab: am zweitlängsten (an<br />
erster Stelle steht mit einer Durchschnittsdauer von 1156 Tagen<br />
das OLG von Reggio Calabria) dauern die Verfahren am OLG in<br />
Venedig (919 Tage). Den (positiven) Rekord hält dagegen die<br />
Außenabteilung <strong>de</strong>s OLG Trient in Bozen mit 257 Tagen, gefolgt<br />
von Trient selbst (340), Turin (377) und süditalienischen Städten<br />
wie Lecce, Bari, Campobasso und Potenza.<br />
Ganz untätig bleiben will <strong>de</strong>r italienische Gesetzgeber angesichts<br />
<strong>de</strong>r erläuterten Missstän<strong>de</strong> allerdings nicht. Verschie<strong>de</strong>ne<br />
Maßnahmen sind geplant, um diese Notstän<strong>de</strong> zu beseitigen. Es<br />
sollen Vorschriften in die Zivilprozessordung eingefügt wer<strong>de</strong>n,<br />
die etwa eine Anhebung <strong>de</strong>r Streitwertgrenzen für die Frie<strong>de</strong>nsrichter<br />
vorsehen (giudici di pace, die für Streitigkeiten mit einem<br />
allgemeinen Streitwert bis 1032,91 Euro, für Streitigkeiten über<br />
bewegliche Sachen, <strong>de</strong>ren Streitwert nicht über 2582,28 Euro<br />
liegt, sowie für Straßenverkehrssachen, <strong>de</strong>ren Streitwert<br />
15 493,70 Euro nicht übersteigt, die erstinstanzliche Zuständigkeit<br />
besitzen) ebenso wie die Einführung gewissermaßen einer<br />
Strafe im Falle <strong>de</strong>r Erhebung einer „sinnlosen“ Klage (liti temerarie).<br />
Die Autonomie <strong>de</strong>r Parteien soll gestärkt und die Einflussnahme<br />
<strong>de</strong>r Richter vermin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Eine aus Vertretern<br />
<strong>de</strong>s Justizministeriums und <strong>de</strong>s Obersten Richterrates (CSM,<br />
Consiglio Superiore <strong>de</strong>lla Magistratura) zusammengesetzte<br />
Kommission überprüft <strong>de</strong>rzeit die Produktivität nicht <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Richter, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Gerichtsbehör<strong>de</strong>n als solche.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts 9<br />
Die bisher i.V.m. <strong>de</strong>m Prozessdauerproblem wohl einschnei<strong>de</strong>nsten<br />
Maßnahmen wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Gesetz Nr. 89 v.<br />
24.3.2001 („Pinto-Gesetz“) verabschie<strong>de</strong>t. Das Gesetz sieht in<br />
Art. 2 ein Recht auf „billige Entschädigung“ (seitens <strong>de</strong>s Staates)<br />
für <strong>de</strong>n vor, <strong>de</strong>r aufgrund einer Verletzung <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention (beschränkt auf die Frage <strong>de</strong>r Verfahrensdauer)<br />
einen Vermögens- o<strong>de</strong>r Nichtvermögensscha<strong>de</strong>n<br />
erlitten hat. Aufgrund dieses Gesetzes braucht <strong>de</strong>r Geschädigte<br />
nicht mehr eine lange und üblicherweise beschwerliche Zivilklage<br />
gegen <strong>de</strong>n jeweiligen Richter zu führen und kann unmittelbar<br />
gegen <strong>de</strong>n Staat selbst vorgehen: gegen das Justizministerium<br />
(wenn es sich um Verfahren vor <strong>de</strong>m or<strong>de</strong>ntlichen Richter<br />
gehan<strong>de</strong>lt hat), gegen das Verteidigungsministerium (wenn ein<br />
militärgerichtliches Verfahren Ausgangspunkt ist), gegen das Finanzministerium<br />
(bei steuergerichtlichen Verfahren) und in an<strong>de</strong>ren<br />
Fällen gegen <strong>de</strong>n Ministerpräsi<strong>de</strong>nten. Der Staat hält sich<br />
dann an <strong>de</strong>n „Schädiger“, d.h. <strong>de</strong>njenigen, auf <strong>de</strong>ssen Verantwortung<br />
die Länge <strong>de</strong>r Verfahrensdauer zurückzuführen ist<br />
(bspw. durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens). Zuständiges<br />
Gericht ist in <strong>de</strong>n Verfahren nach diesem Gesetz das OLG,<br />
die Entschädigungen erfolgen im Rahmen <strong>de</strong>r hierfür zur Verfügung<br />
gestellten Summen (für das Jahr 2002 ca. 6 Millionen Euro).<br />
Überblick<br />
Mandatsbearbeitung bei Rechtsschutzversicherung<br />
Besteht eine Rechtsschutzversicherung, ist das in <strong>de</strong>r Regel nicht<br />
allein für <strong>de</strong>n Mandanten, son<strong>de</strong>rn auch für <strong>de</strong>ssen Anwalt ein<br />
erfreulicher Umstand. Der Anwalt kann direkt mit <strong>de</strong>r Versicherung<br />
abrechnen und bekommt gewöhnlich schnell und zuverlässig<br />
sein Honorar. Der Mandant muss bei Vergleichen mit entsprechen<strong>de</strong>r<br />
Kostenquotelung die wirtschaftlichen Nachteile<br />
teilweiser Kostentragung nicht mit abwägen und braucht bei<br />
höherem Prozessrisiko teure Gutachten o.Ä. nicht zu fürchten.<br />
Nicht immer ist aber die Tatsache, dass <strong>de</strong>r Mandant <strong>de</strong>m Anwalt<br />
seine Rechtsschutzversicherung angibt, für diesen Grund<br />
zu ungetrübter Freu<strong>de</strong>. Wer nicht zumin<strong>de</strong>st die Grundzüge <strong>de</strong>r<br />
ARB kennt und einige Beson<strong>de</strong>rheiten berücksichtigt, die sich<br />
für rechtsschutzversicherte Mandanten ergeben, kann Überraschungen<br />
erleben.<br />
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Anwalt stets verpflichtet<br />
ist, von sich aus nachzufragen, ob eine Rechtsschutzversicherung<br />
besteht. Das OLG Nürnberg hat bereits in diese<br />
Richtung entschie<strong>de</strong>n (NJW-RR 1989,1370). Dem kann aber in<br />
dieser Allgemeinheit nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n. Vielmehr hat <strong>de</strong>r Auftraggeber<br />
die Obliegenheit, auf evtl. Deckung über einen<br />
Rechtsschutzversicherer hinzuweisen (so auch Zugehör-Sieg,<br />
Handbuch <strong>de</strong>r Anwaltshaftung, Rdnr. 689). Eine Rechtsschutzversicherung<br />
ist schließlich nicht selbstverständlich und man<br />
wird vom Mandanten erwarten dürfen, dass er seine eigenen Interessen<br />
insoweit auch wahrt.<br />
Überblick<br />
Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts<br />
Rechtsanwälte Bertin Chab und Holger Grams<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Allianz Versicherungs-AG, München<br />
Ob dieses Gesetz die gewünschte Wirkung zeigt, mag zumin<strong>de</strong>st<br />
zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Tat hat nämlich<br />
die Arbeitsbelastung <strong>de</strong>r Gerichte noch zugenommen, da<br />
zusätzlich nun eine große Anzahl von Rekursen – ausgerichtet<br />
auf die oben erwähnte „billige Entschädigung“ – anhängig gemacht<br />
wor<strong>de</strong>n ist, die die ohnehin schon überlasteten Gerichte<br />
mit zusätzlicher Arbeit versorgen. En<strong>de</strong> Oktober 2002 ließ die<br />
Regierung darüber hinaus auch noch die Möglichkeit verstreichen,<br />
die aus dieser Sicht (kontraproduktiven) Auswirkungen <strong>de</strong>s<br />
Pinto-Gesetzes durch neue gesetzliche Vorschriften abzumil<strong>de</strong>rn,<br />
<strong>de</strong>nen zufolge die avvocatura <strong>de</strong>llo stato (eine staatliche<br />
Behör<strong>de</strong>, die so genannte „staatliche Anwaltschaft“) vor Eröffnung<br />
eines Verfahrens zunächst eine Schlichtung bzw. einen Vergleich<br />
hätte anstreben müssen. Aufgrund von unterschiedlichen<br />
Auffassungen zwischen <strong>de</strong>r zweiten italienischen Parlamentskammer,<br />
<strong>de</strong>m Senat, und <strong>de</strong>r Regierung ist dieses Gesetzesvorhaben<br />
allerdings endgültig im Oktober 2002 gescheitert.<br />
Auch weiterhin wird sich <strong>de</strong>r italienische Staat daher in einer<br />
beson<strong>de</strong>ren Beobachtungssituation befin<strong>de</strong>n und erhebliche<br />
Anstrengungen unternehmen müssen, um nicht mehr mit <strong>de</strong>m<br />
oben erwähnten, im Übrigen auch noch unrühmlichen Primat<br />
<strong>de</strong>s am meisten Verurteilten in Verbindung gebracht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Vorsicht ist geboten, wenn <strong>de</strong>r Rechtsschutzversicherer – sei es<br />
zu Recht o<strong>de</strong>r zu Unrecht – die Deckung auf Nachfrage <strong>de</strong>s Anwalts<br />
versagt, dieser <strong>de</strong>n Mandanten hiervon „schlicht“ in<br />
Kenntnis setzt und <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>nnoch ausführt. Nicht selten<br />
behauptet <strong>de</strong>r Mandant nach Erhalt <strong>de</strong>r Honorarrechnung, er<br />
habe <strong>de</strong>n Auftrag nur unter <strong>de</strong>r Bedingung erteilt, dass <strong>de</strong>r<br />
Rechtsschutzversicherer die Deckung auch übernimmt. Die Beweislast<br />
dafür, dass das Mandat ohne aufschieben<strong>de</strong> Bedingung<br />
erteilt wur<strong>de</strong>, liegt im Honorarprozess beim Anwalt (OLG<br />
Naumburg v. 30.9.2002 – 1 U 28/02 mit Verweis auf BGH, NJW<br />
1985, 497 f.). Diese Beweislastverteilung wird man nicht unbedingt<br />
vermuten. Auch beim zitierten Urteil <strong>de</strong>s OLG Naumburg<br />
war unstreitig, dass <strong>de</strong>r Mandant telefonisch über die Deckungsablehnung<br />
informiert wor<strong>de</strong>n war. Dass die Mandatserteilung<br />
nicht unter <strong>de</strong>r aufschieben<strong>de</strong>n Bedingung <strong>de</strong>r Deckungszusage<br />
durch <strong>de</strong>n Rechtsschutzversicherer vorgenommen wor<strong>de</strong>n war,<br />
konnten die klagen<strong>de</strong>n Anwälte nicht beweisen. Jedoch half <strong>de</strong>r<br />
Senat <strong>de</strong>n Anwälten im Ergebnis dann doch noch. Der Bekl.<br />
könne sich nämlich nicht auf das „non liquet“ berufen, weil er<br />
– ebenfalls unstreitig – nach <strong>de</strong>r Mitteilung über <strong>de</strong>n fehlen<strong>de</strong>n<br />
Rechtsschutz noch Leistungen in Anspruch genommen habe,<br />
die die streitgegenständlichen Gebührentatbestän<strong>de</strong> ausgelöst<br />
haben o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st hätten, wären sie nicht bereits vorher entstan<strong>de</strong>n.<br />
In diesem Verhalten sieht das OLG Naumburg eine<br />
konklu<strong>de</strong>nte nachträgliche Än<strong>de</strong>rung dahin gehend, dass das<br />
Mandat nunmehr unbedingt erteilt sei. Hiergegen konnte sich<br />
<strong>de</strong>r Bekl. auch nicht erfolgreich verteidigen, in<strong>de</strong>m er vortrug,<br />
er habe damit gerechnet, dass die Kl. notfalls ihr Honorar gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Rechtsschutzversicherer einklagen wür<strong>de</strong>n. Dazu<br />
hätte es dann schon konkrete Anhaltspunkte geben müssen, die
10 Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
aber nicht ersichtlich waren. Es komme auch nicht darauf an,<br />
dass <strong>de</strong>r Bekl. möglicherweise kein Erklärungsbewusstsein hatte<br />
im Hinblick auf die Verpflichtung, das Honorar selbst zu zahlen,<br />
als er weiterhin Leistungen in Anspruch nahm. Insoweit sei <strong>de</strong>m<br />
Erklären<strong>de</strong>n das Verhalten auch dann als konklu<strong>de</strong>nte Willenserklärung<br />
zuzurechnen, wenn er kein Erklärungsbewusstsein im<br />
Hinblick auf einen bestimmten Rechtsfolgenwillen gehabt habe.<br />
Es ist also sinnvoll, <strong>de</strong>m Mandanten nach Deckungsablehnung<br />
durch <strong>de</strong>n Rechtsschutzversicherer Hinweise in zwei Richtungen<br />
hin zu erteilen: Zum einen sollte er ausdrücklich darüber<br />
belehrt wer<strong>de</strong>n, dass er bei weiterer Inanspruchnahme anwaltlicher<br />
Leistungen das Honorar selbst zahlen muss. Das gilt<br />
natürlich ggf. auch für bereits entstan<strong>de</strong>ne Gebühren. Zum<br />
zweiten wird man bei optimaler Betreuung aber auch einige<br />
Hinweise zur Deckungsablehnung selbst geben. Auch wenn das<br />
Mandat, sich ggf. mit gerichtlicher Hilfe um Deckungsschutz zu<br />
bemühen, noch nicht besteht, dürften solche Hinweise im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen mandatsbegleiten<strong>de</strong>n Hinweispflichten<br />
geschul<strong>de</strong>t sein. Im Rahmen kostspieliger Prozesse tut <strong>de</strong>r Anwalt<br />
im Übrigen gut daran, auch an die begrenzten Versicherungssummen<br />
bei Rechtsschutzversicherungen zu <strong>de</strong>nken<br />
(siehe OLG Hamm, NJW-RR 2001, 1073).<br />
Anlass zu Streit gibt häufig auch § 5 (3) b ARB 2001. Das Verhältnis<br />
<strong>de</strong>r Kostenverteilung bei Vergleichen muss <strong>de</strong>m Verhältnis<br />
<strong>de</strong>r Verteilung in <strong>de</strong>r Hauptsache entsprechen. Daran sollte<br />
man stets <strong>de</strong>nken, wenn man Vergleichsverhandlungen führt,<br />
und sich die Kosten<strong>de</strong>ckung im Zweifel auch vom Versicherer<br />
vorab o<strong>de</strong>r innerhalb offener Wi<strong>de</strong>rrufsfrist bestätigen lassen.<br />
Wenn <strong>de</strong>r Versicherer dann zu Recht nur teilweise Deckung für<br />
<strong>de</strong>n Vergleich verspricht, könnte das für <strong>de</strong>n Mandanten <strong>de</strong>nnoch<br />
wirtschaftlich sinnvoll sein. Das ist also wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />
Mandanten abzustimmen. Auch hier steckt also möglicherweise<br />
Mehrarbeit, die sich aber im Ergebnis häufig lohnen wird, im Interesse<br />
<strong>de</strong>s Mandanten wie auch im eigenen Honorar- o<strong>de</strong>r gar<br />
Haftungsinteresse.<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab<br />
Zustellung „<strong>de</strong>mnächst“<br />
Das aktuelle Urteil<br />
Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Zeitdauer einer Verzögerung im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Beurteilung einer Zustellung als „<strong>de</strong>mnächst“ i. S. d.<br />
§ 270 Abs. 3 ZPO a. F. ist auf die Zeitspanne abzustellen, um<br />
die sich die ohnehin erfor<strong>de</strong>rliche Zustellung <strong>de</strong>r Klage als<br />
Folge <strong>de</strong>r Nachlässigkeit <strong>de</strong>s Kl. verzögert.<br />
OLG München, Urt. v. 7.3.2002 – 1 U 4978/01<br />
Besprechung:<br />
Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs unterbleibt<br />
oft längere Zeit, weil <strong>de</strong>r Gläubiger hofft, noch außergerichtlich<br />
zu seinem Recht zu kommen. So wird die Klage häufig erst kurz<br />
vor Verjährungseintritt eingereicht. Eine Hemmung <strong>de</strong>r Verjährung<br />
tritt aber nicht bereits mit Klageeinreichung ein: § 204<br />
Abs. 1 Nr. 1 BGB spricht von Erhebung <strong>de</strong>r Klage. Diese erfolgt<br />
nach § 253 ZPO durch Zustellung <strong>de</strong>r Klageschrift. Auch ein<br />
Mahnbescheidsantrag hemmt die Verjährung erst ab Zustellung<br />
(§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Nun hängt <strong>de</strong>r Zeitraum bis zur Zustellung<br />
bekanntlich auch von <strong>de</strong>r Bearbeitungszeit bei Gericht<br />
und an<strong>de</strong>ren Faktoren ab, die <strong>de</strong>r Kl. nicht o<strong>de</strong>r schwer beeinflussen<br />
kann. Die ZPO sieht daher eine Rückwirkung <strong>de</strong>r Zustellung<br />
auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>s Antrags bei Gericht<br />
vor, wenn die Zustellung „<strong>de</strong>mnächst“ erfolgt. Bis zum<br />
30.6.2002 war dies in § 270 Abs. 3 ZPO für die Klageschrift<br />
bzw. in § 693 Abs. 2 ZPO für <strong>de</strong>n Mahnbescheid geregelt. Nunmehr<br />
gilt für bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r gleich lauten<strong>de</strong> § 167 ZPO. Im Einzelfall<br />
Das aktuelle Urteil<br />
kann es fraglich sein, unter welchen Voraussetzungen die Zustellung<br />
i. S. d. ZPO als „<strong>de</strong>mnächst erfolgt“ anzusehen ist.<br />
In <strong>de</strong>m vom OLG München zu beurteilen<strong>de</strong>n Fall hatte es diverse<br />
Grün<strong>de</strong> für Verzögerungen bei <strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>r Klageschrift gegeben.<br />
Es ging um eine Enteignungsentschädigung nach Art. 20<br />
DSchG, 19 ff. BayEG. Einen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag hatte die zuständige<br />
Entschädigungsbehör<strong>de</strong> abgelehnt, <strong>de</strong>r Beschluss<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kl. am 15.11.2000 zugestellt. Sie reichte daraufhin am<br />
13.12.2000, und damit innerhalb <strong>de</strong>r einzuhalten<strong>de</strong>n Monatsfrist,<br />
die Klage beim zuständigen LG ein. Die Zustellung an die<br />
zuständige Vertretungsbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s beklagten Freistaats Bayern<br />
erfolgte erst am 16.2.2001, also gut 2 Monate später. Das LG<br />
hielt die Klage für unzulässig, da die Rückwirkung nach § 270<br />
Abs. 3 ZPO (a. F.) wegen von <strong>de</strong>r Kl. zu vertreten<strong>de</strong>r Verzögerungen<br />
nicht mehr greife. Im Berufungsverfahren hatte das OLG<br />
München Gelegenheit, zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen einer Zustellung<br />
„<strong>de</strong>mnächst“ ausführlich Stellung zu nehmen.<br />
Die Klage richtete sich zunächst gegen <strong>de</strong>n „Freistaat Bayern, v.<br />
d. d. Bay. Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und<br />
Kunst“. Dieses war in <strong>de</strong>m angefochtenen Beschluss als Agin.<br />
angegeben. Zutreffen<strong>de</strong> Vertretungsbehör<strong>de</strong> für das Klageverfahren<br />
war allerdings gem. <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>srechtlichen<br />
Vorschriften die Bezirksfinanzdirektion München. Es kam<br />
aus diesem Grun<strong>de</strong> zu einer Rückfrage <strong>de</strong>s Gerichts, die am<br />
15.12.2000 verfügt, am 27.12.2000 zugestellt und am<br />
10.1.2001 beantwortet wur<strong>de</strong>. Der Zeitraum für eine solche<br />
Rückfrage und <strong>de</strong>ren zeitnahe Beantwortung ist nach Ansicht<br />
<strong>de</strong>s OLG bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Verzögerungszeitraums nicht<br />
zu berücksichtigen, weil <strong>de</strong>r Kl. ansonsten schlechter gestellt<br />
wäre, als wenn die Klage sofort an <strong>de</strong>n – falschen – Bekl. zugestellt<br />
wor<strong>de</strong>n wäre. Es kam damit nur <strong>de</strong>r Zeitraum zwischen<br />
<strong>de</strong>m Zustellungsversuch beim – unzuständigen – Ministerium<br />
und <strong>de</strong>r Zustellungsverfügung zur zuständigen Bezirksfinanzdirektion<br />
als schuldhafte Verzögerung in Betracht.<br />
Nicht zuzurechnen sind <strong>de</strong>m Kl. nach Ansicht <strong>de</strong>s OLG solche<br />
Verzögerungen, die sich aus einem zögerlichen Verhalten <strong>de</strong>r<br />
jeweiligen Zustellungsadressaten ergeben. „Denn dabei han<strong>de</strong>lt<br />
es sich um Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Bekl., <strong>de</strong>ren Verhalten sich dieser zurechnen<br />
lassen muss (an<strong>de</strong>renfalls wäre es Beschäftigten <strong>de</strong>s<br />
Bekl. möglich, durch bewusst langsame Bearbeitung eine rechtzeitige<br />
Zustellung <strong>de</strong>r Klage gegen ihren Dienstherren zu verhin<strong>de</strong>rn).<br />
Dazu gehört, dass auch bei sorgfältiger Bearbeitung<br />
fehladressierte Klageunterlagen bereits am Tag nach <strong>de</strong>m Zustellungsversuch<br />
zurückzusen<strong>de</strong>n sind.“ Auch vermeidbare Verzögerungen<br />
im Geschäftsablauf <strong>de</strong>s Gerichts bleiben außer Betracht.<br />
Die Verzögerung <strong>de</strong>r Zustellung wegen einer von Seiten<br />
<strong>de</strong>s Gerichts nicht gebotenen Rückfrage (hier neben <strong>de</strong>r Frage<br />
<strong>de</strong>r Vertretungsbefugnis auch noch zum Streitwert) kann <strong>de</strong>m Kl.<br />
nicht zugerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Das OLG hat damit in erfreulich <strong>de</strong>utlicher Weise genau unterschie<strong>de</strong>n,<br />
wem welche Verzögerungen zuzurechnen sind. Nur<br />
die wirklich sich aus <strong>de</strong>r Nachlässigkeit <strong>de</strong>r Klägerseite ergeben<strong>de</strong>n<br />
Verzögerungen sind relevant, nicht hingegen die <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Beteiligten. Dies entspricht auch <strong>de</strong>m Verständnis <strong>de</strong>s BGH.<br />
Dieser hat dann auch die Nichtzulassungsbeschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bekl.<br />
mit Beschl. v. 28.11.2002 (III ZR 100/02) zurückgewiesen, weil<br />
we<strong>de</strong>r die Rechtssache grundsätzliche Be<strong>de</strong>utung habe noch die<br />
Fortbildung <strong>de</strong>s Rechts o<strong>de</strong>r die Sicherung einer einheitlichen<br />
Rspr. eine Entscheidung <strong>de</strong>s Revisionsgerichts erfor<strong>de</strong>rten.<br />
Offen geblieben ist, ob die Maßgabe <strong>de</strong>r bisherigen Rspr. bestehen<br />
bleibt, dass nur ca. 14tägige Verzögerungen unschädlich<br />
sind. Im BGH-Urt. v. 20.4.2000 (NJW 2000, 2282) wird noch<br />
hierauf Bezug genommen. Gleichzeitig wird aber auch die Rspr.<br />
zu § 693 Abs. 2 ZPO (a. F.) herangezogen. Hierzu hat <strong>de</strong>r BGH<br />
mit Urt. v. 21.3.2002 (NJW 2002, 2794) nunmehr ausdrücklich<br />
entschie<strong>de</strong>n, dass aufgrund <strong>de</strong>s mit Wirkung vom 1.1.1992 neu<br />
gefassten § 691 Abs. 2 ZPO auch bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Zu-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts 11<br />
stellung <strong>de</strong>s Mahnbescheids als „<strong>de</strong>mnächst“ von einer Monatsfrist<br />
auszugehen ist. Nach<strong>de</strong>m nun mit § 167 ZPO auch<br />
noch eine gemeinsame Vorschrift für bei<strong>de</strong> Verfahrensarten geschaffen<br />
wur<strong>de</strong>, spricht einiges dafür, dass sich die Monatsfrist<br />
durchsetzen wird. Gleichwohl sollte man es hierauf nicht ankommen<br />
lassen. Der „sicherste Weg“ ist immer noch <strong>de</strong>rjenige,<br />
bereits bei Klageeinreichung alle Formalien zu beachten.<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Haftung<br />
Rechtsprechungsleitsätze<br />
Kosten <strong>de</strong>s Korrespon<strong>de</strong>nzanwalts<br />
Eine Belehrungspflicht <strong>de</strong>s RA über entstehen<strong>de</strong> Mehrkosten<br />
kann sich ergeben, wenn <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte nach Abschluss<br />
einer Instanz weiter als Verkehrsanwalt tätig sein will,<br />
obwohl dies nicht zwingend notwendig wäre.<br />
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 22.8.2002 – 11 U 30/01<br />
Anmerkung: Eine Aufklärungspflicht <strong>de</strong>s RA bezüglich <strong>de</strong>r entstehen<strong>de</strong>n<br />
Prozesskosten besteht nur in Ausnahmefällen, so z.B.<br />
bei fehlen<strong>de</strong>r Deckung durch einen vorhan<strong>de</strong>nen Rechtsschutzversicherer<br />
(OLG Düsseldorf, NJW 2000, 1650 mit Anm. in<br />
BRAK-Mitt. 2000, 178; NJW-RR 2002, 64) o<strong>de</strong>r bei exorbitanten<br />
Streitwerten (BGH, BRAK-Mitt. 2001, 118 mit Anm.). Dass<br />
bei Tätigwer<strong>de</strong>n von zwei Anwälten zusätzliche Kosten entstehen<br />
können, ist für <strong>de</strong>n Mandanten i. d. R. nicht zweifelhaft. Nur<br />
dann, wenn ein Missverständnis bzgl. <strong>de</strong>r Vergütung entstehen<br />
kann, kommt eine Hinweispflicht nach Treu und Glauben in Betracht.<br />
Im konkreten Fall fehlte <strong>de</strong>m Korrespon<strong>de</strong>nzanwalt im<br />
Scheidungsverfahren die Postulationsfähigkeit. Hier war die<br />
Notwendigkeit <strong>de</strong>r Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten<br />
für <strong>de</strong>n Mandanten erkennbar. Im Trennungsunterhaltsverfahren<br />
hätte <strong>de</strong>r Korrespon<strong>de</strong>nzanwalt hingegen auch als Prozessbevollmächtigter<br />
auftreten können. Nach Ansicht <strong>de</strong>s OLG hätte<br />
hier <strong>de</strong>r Hinweis auf die Mehrkosten erfolgen müssen, weil nur<br />
dann <strong>de</strong>m Mandanten eine Abwägung möglich gewesen wäre,<br />
ob er <strong>de</strong>nnoch die – sachlich vertretbare – Korrespon<strong>de</strong>nztätigkeit<br />
wollte. Im Ergebnis kam es hier aber zur Klageabweisung,<br />
weil <strong>de</strong>r Mandant die fehlen<strong>de</strong> Aufklärung durch<br />
<strong>de</strong>n Anwalt nicht beweisen konnte.<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Fehlen<strong>de</strong> Postulationsfähigkeit und Untervollmacht<br />
Erteilt ein nicht postulationsfähiger RA einem postulationsfähigen<br />
RA Untervollmacht zur mündlichen Verhandlung, so han<strong>de</strong>lt<br />
<strong>de</strong>r Unterbevollmächtigte als Vertreter <strong>de</strong>r Partei und nicht<br />
<strong>de</strong>s Hauptbevollmächtigten.<br />
BGH, Urt. v. 9.7.2002 – X ZR 70/00<br />
Anmerkung: Der prozessbevollmächtigte Anwalt war beim Berufungsgericht<br />
nicht zugelassen. Somit war die von ihm eingelegte<br />
Berufung unzulässig. Da aber auch die Gegenseite Berufung<br />
eingelegt hatte und <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte in <strong>de</strong>r<br />
mündlichen Verhandlung einem beim Berufungsgericht zugelassenen<br />
Anwalt Untervollmacht erteilt hatte, war die Berufung<br />
zwar verfristet, aber als unselbstständige Anschlussberufung zu<br />
behan<strong>de</strong>ln, weil das Auftreten <strong>de</strong>s Unterbevollmächtigten in <strong>de</strong>r<br />
Verhandlung dahin gehend auszulegen war, dass er unmittelbar<br />
als Vertreter <strong>de</strong>r Partei han<strong>de</strong>lte und nicht bloß als Vertreter <strong>de</strong>s<br />
Prozessbevollmächtigten.<br />
Rechtsprechungsleitsätze<br />
Was im vorliegen<strong>de</strong>n Fall zur Rettung führte, be<strong>de</strong>utet für <strong>de</strong>n<br />
Fall, dass <strong>de</strong>m Unterbevollmächtigten im Rahmen seiner Tätigkeit<br />
ein Fehler unterlaufen sollte, dass er gegenüber <strong>de</strong>m Mandanten<br />
aufgrund eines selbstständigen Mandats in <strong>de</strong>r Haftung<br />
steht und nicht bloßer Erfüllungsgehilfe <strong>de</strong>s Hauptbevollmächtigten<br />
ist.<br />
An<strong>de</strong>rs ist die Rechtslage beim allgemeinen Vertreter eines Anwalts<br />
nach § 53 BRAO. Selbst wenn dieser für sich selbst eine<br />
weiter gehen<strong>de</strong> Postulationsfähigkeit als <strong>de</strong>r von ihm vertretene<br />
Anwalt besitzt, entfaltet diese bei einem Auftreten als Vertreter<br />
keine Wirkung. Der Vertreter verfügt in dieser Eigenschaft nur<br />
über die Befugnisse, die <strong>de</strong>r vertretene Anwalt auf ihn übertragen<br />
kann. Hier kommt auch kein selbstständiges Mandat zwischen<br />
<strong>de</strong>m Mandanten und <strong>de</strong>m Vertreter zustan<strong>de</strong> (vgl. Zugehör-Sieg,<br />
Handbuch <strong>de</strong>r Anwaltshaftung, Rdnr. 270).<br />
Rechtsanwalt Holger Grams<br />
Fristen<br />
Keine Anfechtung <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />
Die Wie<strong>de</strong>reinsetzung bleibt trotz Zulassung <strong>de</strong>r Rechtsbeschwer<strong>de</strong><br />
durch das Ausgangsgericht unanfechtbar. Die<br />
Rechtsbeschwer<strong>de</strong> ist nicht statthaft.<br />
BGH, Beschl. v. 8.10.2002 – VI ZB 27/02, MDR <strong>2003</strong>, 41<br />
Anmerkung: Der Leitsatz spricht für sich. Hier hatte die Kl. die<br />
Versagung <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinsetzung für <strong>de</strong>n Bekl. gefor<strong>de</strong>rt. Das<br />
Beschwer<strong>de</strong>gericht hatte die Wie<strong>de</strong>reinsetzung gewährt und –<br />
rechtsirrig – die Rechtsbeschwer<strong>de</strong> zugelassen. Der BGH macht<br />
<strong>de</strong>utlich, dass die Wie<strong>de</strong>reinsetzung gem. § 238 Abs. 3 ZPO unanfechtbar<br />
bleibt. An die Zulassung <strong>de</strong>r Rechtsbeschwer<strong>de</strong> ist<br />
<strong>de</strong>r BGH nicht gebun<strong>de</strong>n, wenn das Rechtsmittel gesetzlich ausgeschlossen<br />
ist.<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Missachtung einer Einzelweisung<br />
Ein RA darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte,<br />
die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete<br />
Einzelweisung befolgt. Ihn trifft unter solchen Umstän<strong>de</strong>n<br />
nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung<br />
seiner Anweisung zu vergewissern. (eigener Leitsatz)<br />
BGH, Beschl. v. 31.10.2002 – III ZB 23/02<br />
Anmerkung: Das Nichtbefolgen einer Einzelweisung ist <strong>de</strong>m RA<br />
grds. nicht als Verschul<strong>de</strong>n zuzurechnen. Eine etwas an<strong>de</strong>re<br />
Frage ist es, wie er reagieren muss, wenn die Nichtbefolgung <strong>de</strong>r<br />
Weisung offenbar wird. Das OLG Frankfurt/M. hatte in <strong>de</strong>r<br />
Vorinstanz gemeint, wenn <strong>de</strong>r Anwalt ein Abweichen von <strong>de</strong>r<br />
Weisung, die Berufung erst am letzten Fristtag einzulegen, erkenne,<br />
müsse er nun selbst für die Sicherung <strong>de</strong>r Notfrist zur Berufungsbegründung<br />
sorgen. Die erneute Weisung zum Umnotieren<br />
<strong>de</strong>r Frist hätte hier nicht genügt. Das OLG beruft sich in<strong>de</strong>s<br />
zu Unrecht auf <strong>de</strong>n BGH-Beschluss, NJW 1998, 460. Dort<br />
ging es um die Frage, ob <strong>de</strong>r Anwalt auch bei fehlen<strong>de</strong>r Kennzeichnung<br />
<strong>de</strong>r Akte als „fristgebun<strong>de</strong>n“ innerhalb angemessener<br />
Frist die ihm vorgelegte Akte auf Fristen überprüfen muss. Hier<br />
hatte die Anwältin hingegen eigens die – anhand <strong>de</strong>r neuen Gegebenheiten<br />
(frühere Berufungseinlegung) – kürzere Berufungsbegründungsfrist<br />
errechnet und eine erneute Einzelweisung<br />
zum Umnotieren <strong>de</strong>r Frist erteilt. Der BGH stellt zu Recht fest,<br />
dass die Anwältin nicht damit zu rechnen brauchte, dass eine<br />
weitere Einzelweisung ebenfalls missachtet wür<strong>de</strong>.<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk
12 Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Häufung von Fehlern bei <strong>de</strong>r Fristwahrung<br />
Eine auffällige Häufung von Versäumnissen im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Wahrung einer Rechtsmittelfrist rechtfertigt Be<strong>de</strong>nken<br />
gegen die ordnungsgemäße Ausbildung, Zuverlässigkeit und<br />
Überwachung <strong>de</strong>s Kanzleipersonals o<strong>de</strong>r Rückschlüsse auf die<br />
Unvollständigkeit <strong>de</strong>r organisatorischen Anweisungen <strong>de</strong>s Anwalts.<br />
In bei<strong>de</strong>n Fällen ist dies <strong>de</strong>m Prozessbevollmächtigten<br />
als Verschul<strong>de</strong>n anzulasten.<br />
OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.2002 – 1 U 70/02<br />
Anmerkung: In <strong>de</strong>r Tat ergibt sich aus <strong>de</strong>m Beschluss eine ungewöhnliche<br />
Häufung von Fehlern (fehlerhafte Notierung sowohl<br />
<strong>de</strong>r Berufungsbegründungsfrist als auch <strong>de</strong>r Vorfrist, keine Überprüfung<br />
<strong>de</strong>r Eintragungen nach Mitteilung <strong>de</strong>s OLG über <strong>de</strong>n<br />
Eingang <strong>de</strong>r Berufung, Streichung <strong>de</strong>r Vorfrist ohne Vorlage <strong>de</strong>r<br />
Akte an <strong>de</strong>n Anwalt, Übersehen <strong>de</strong>r irrtümlich auf einen Feiertag<br />
notierten Endfrist), die zu <strong>de</strong>r Versäumung <strong>de</strong>r Berufungsbegründungsfrist<br />
führten. Problematisch erscheint jedoch, dass das<br />
OLG (wie zuvor schon <strong>de</strong>r III. und XII. ZS <strong>de</strong>s BGH in VersR<br />
1985, 270; BGHR ZPO § 233, Büropersonal 9 und 11) aus <strong>de</strong>r<br />
Häufung von Fehlern im konkreten Fall Rückschlüsse auf die<br />
Ausbildung, Zuverlässigkeit und Überwachung <strong>de</strong>s Kanzleipersonals<br />
bzw. die Tauglichkeit <strong>de</strong>r organisatorischen Anweisungen<br />
zieht und hierauf gestützt die Wie<strong>de</strong>reinsetzung versagt.<br />
Die Frage <strong>de</strong>r hinreichen<strong>de</strong>n Ausbildung ist anhand objektiver<br />
Kriterien zu klären. Wenn das Gericht <strong>de</strong>n diesbezüglich im Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantrag<br />
gehaltenen Vortrag als unklar o<strong>de</strong>r ergänzungsbedürftig<br />
erachtet hätte (aus <strong>de</strong>n Beschlüssen ergibt sich<br />
dies nicht), wäre eine Aufklärung gem. § 139 ZPO geboten gewesen<br />
(st. Rspr., z. B. BGH, NJW 1998, 1870; 1999, 2284; NJW-<br />
RR 1999, 428). Gleiches gilt für die Überwachung <strong>de</strong>s Personals<br />
durch <strong>de</strong>n Anwalt. In <strong>de</strong>r Rspr. ist außer<strong>de</strong>m anerkannt, dass die<br />
Kontrolldichte bei erprobten Mitarbeitern reduziert wer<strong>de</strong>n darf<br />
(z. B. BGH, VersR 1967, 1204; 1981, 857; 1988, 1141).<br />
Für die Frage <strong>de</strong>r Zuverlässigkeit <strong>de</strong>s Personals sind die aktuell<br />
unterlaufenen Fehler überhaupt nicht zu berücksichtigen. Die<br />
Zuverlässigkeit ist nur für die Frage relevant, ob <strong>de</strong>r Anwalt aus<br />
Ex-ante-Sicht bestimmte Aufgaben (noch) an seine Mitarbeiter<br />
<strong>de</strong>legieren durfte (vgl. z. B. BGH, NJW 1995, 263). Deswegen<br />
darf nur <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>n hier gegenständlichen Fehlern liegen<strong>de</strong><br />
Zeitraum berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Eine Ex-post-Betrachtung ist<br />
hier nicht zulässig.<br />
Auch bezüglich <strong>de</strong>r vom Anwalt getroffenen organisatorischen<br />
Vorkehrungen geht es nicht an, aus <strong>de</strong>m Auftreten von Fehlern<br />
auf die Unzulänglichkeit <strong>de</strong>r Maßnahmen zu schließen, ohne<br />
konkret zu benennen, welche <strong>de</strong>r vorgetragenen Anweisungen<br />
unzureichend gewesen sein sollen.<br />
Die genannten Entscheidungen übersehen die Möglichkeit, dass<br />
auch bei gut ausgebil<strong>de</strong>tem und hinreichend überwachtem Personal<br />
sowie bei ausreichen<strong>de</strong>n organisatorischen Maßnahmen<br />
zur Fristenkontrolle in Einzelfällen Fehler auch einmal gehäuft<br />
auftreten können, ohne dass ein anwaltliches Verschul<strong>de</strong>n vorliegt,<br />
weil <strong>de</strong>r Anwalt aufgrund <strong>de</strong>r bisherigen Arbeitsleistung<br />
seines Personals von <strong>de</strong>ssen Zuverlässigkeit ausgehen durfte.<br />
Nach<strong>de</strong>m solche Fehler aufgetreten sind, wird <strong>de</strong>r Anwalt allerdings<br />
gehalten sein, Nachschulungen durchzuführen und sein<br />
Personal sehr viel enger zu überwachen, bis das Vertrauen in die<br />
Zuverlässigkeit wie<strong>de</strong>rhergestellt ist.<br />
Rechtsanwalt Holger Grams<br />
Empfangsbekenntnis und Eingangsstempel<br />
Das Empfangsbekenntnis darf durch <strong>de</strong>n Anwalt erst dann unterschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn die Frist im Kalen<strong>de</strong>r notiert und<br />
dies in <strong>de</strong>r Akte vermerkt ist. (eigener Leitsatz)<br />
BGH, Beschl. v. 5.11.2002 – VI ZR 399/01<br />
Zusammenschluss von Anwälten<br />
Anmerkung: Der zweitinstanzlich tätige Anwalt hatte <strong>de</strong>m Revisionsanwalt<br />
das falsche Zustelldatum <strong>de</strong>s Berufungsurteils<br />
mitgeteilt, so dass es zur verspäteten Einlegung <strong>de</strong>r Revision<br />
kam. Dies ließ sich darauf zurückführen, dass das Urteil nebst<br />
Empfangsbekenntnis zwar zusammen am Tag <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>m<br />
Berufungsanwalt vorgelegt wur<strong>de</strong> und dieser nach Unterzeichnung<br />
<strong>de</strong>s EB’s nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen hatte,<br />
die Fristen entsprechend zu notieren, dass aber versehentlich<br />
die Urteilsausfertigung zunächst keinen Eingangsstempel erhalten<br />
hatte und dies erst zwei Tage später zusammen mit <strong>de</strong>r dann<br />
falschen Fristnotierung geschah. Der BGH macht wie schon<br />
recht oft zuvor darauf aufmerksam, dass das EB eben erst unterzeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n darf, wenn aus <strong>de</strong>r (dann mit vorzulegen<strong>de</strong>n)<br />
Handakte ersichtlich ist, dass die Frist im Fristenkalen<strong>de</strong>r notiert<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Dies ist konkret nicht beachtet wor<strong>de</strong>n und führte<br />
zur Zurückweisung <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantrages, weil <strong>de</strong>r<br />
Organisationsfehler <strong>de</strong>s Anwalts <strong>de</strong>m Mandanten zugerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Der Senat prüfte auch noch, ob hier vielleicht ausnahmsweise<br />
wegen <strong>de</strong>r ausdrücklichen mündlichen Einzelanweisung<br />
Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand möglich war,<br />
meint aber dazu, dass bei einem so wichtigen Vorgang wie <strong>de</strong>r<br />
Notierung einer Rechtsmittelfrist ausreichen<strong>de</strong> organisatorische<br />
Vorkehrungen dazu getroffen wer<strong>de</strong>n müssten, dass die Anweisung<br />
keinesfalls in Vergessenheit gerät. Das konnten die Anwälte<br />
nicht vortragen.<br />
Es ist zwar auch vom BGH nicht gefor<strong>de</strong>rt, angesichts dieses Falles<br />
aber durchaus überlegenswert, ob man nicht vom unterzeichneten<br />
EB vor Rücklauf ans Gericht eine Kopie für die eigene<br />
Akte fertigt. So lässt sich das Zustellungsdatum auch dann zuverlässig<br />
kontrollieren, wenn einmal <strong>de</strong>r Eingangsstempel auf<br />
<strong>de</strong>m Urteil nicht o<strong>de</strong>r nicht richtig angebracht ist und entsprechend<br />
Zweifel aufkommen können.<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab<br />
Zusammenschluss von Anwälten<br />
Freier Mitarbeiter<br />
Für die Frage <strong>de</strong>r Haftung eines Anwalts, <strong>de</strong>r in einer Kanzlei als<br />
freier Mitarbeiter tätig ist, ist entschei<strong>de</strong>nd danach zu differenzieren,<br />
ob <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter auf <strong>de</strong>m Briefkopf und/o<strong>de</strong>r<br />
Kanzleischild mit an<strong>de</strong>ren Anwälten nach außen in Erscheinung<br />
tritt o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Scheinsozietät bei gemeinsamem Briefkopf<br />
Ist dies <strong>de</strong>r Fall, gelten nach std. Rspr. die Haftungsgrundsätze<br />
<strong>de</strong>r Scheinsozietät (BGH, NJW 1978, 996; 1991, 1225; 1999,<br />
3040). Wer also auf <strong>de</strong>m Briefkopf und/o<strong>de</strong>r Kanzleischild einer<br />
Kanzlei mit an<strong>de</strong>ren Anwälten nach außen in Erscheinung tritt,<br />
haftet im Außenverhältnis wie ein echter Sozius nach Rechtsscheingrundsätzen<br />
gesamtschuldnerisch mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Scheinsozien und unbeschränkt mit seinem Privatvermögen,<br />
unabhängig davon, ob er in Wirklichkeit nur freier Mitarbeiter<br />
ist (zu Einzelheiten s. Grams, BRAK-Mitt. 2002, 119).<br />
Je<strong>de</strong>m Scheinsozius kann daher nur empfohlen wer<strong>de</strong>n, im Innenverhältnis<br />
mit seinem Dienstherrn eine Haftungsfreistellungsvereinbarung<br />
für sich auszuhan<strong>de</strong>ln. Diese sollte sich zumin<strong>de</strong>st<br />
auf sämtliche Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche wegen solcher<br />
Pflichtverletzungen beziehen, die <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter nicht<br />
selbst begangen hat; am besten aber auch auf eigene Pflichtverletzungen,<br />
zumin<strong>de</strong>st solche infolge einfacher Fahrlässigkeit.<br />
Wenn jedoch ein Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Versicherungsschutz übersteigt<br />
o<strong>de</strong>r wenn ein Scha<strong>de</strong>n vom Versicherungsschutz überhaupt<br />
nicht umfasst ist (weil z. B. keine typische anwaltliche Tätigkeit<br />
o<strong>de</strong>r eine wissentliche Pflichtverletzung vorliegt), kann eine sol-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts 13<br />
che Freistellungsvereinbarung gleichwohl ins Leere gehen,<br />
wenn <strong>de</strong>r Schuldner <strong>de</strong>s Freistellungsanspruchs zahlungsunfähig<br />
o<strong>de</strong>r nicht mehr greifbar ist (vgl. BGH, NJW 1999, 3040 =<br />
BRAK-Mitt. 1999, 257 m. Anm. Borgmann = EWiR 1999, 1165<br />
m. Anm. Jungk).<br />
Im Außenverhältnis gegenüber <strong>de</strong>m Mandanten ist an die Möglichkeit<br />
einer personellen Haftungsbeschränkung auf das Privatvermögen<br />
einzelner Sozien gem. § 51a Abs. 2 S. 2 und 3 BRAO<br />
zu <strong>de</strong>nken (die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen bei Scheinsozietäten<br />
ist allerdings umstritten; vgl. Grams, AnwBl. 2001,<br />
233 und 292, 294). In <strong>de</strong>r Praxis wird <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter jedoch<br />
ohnehin keinen Einfluss darauf haben, ob <strong>de</strong>r Dienstherr<br />
mit <strong>de</strong>n Mandanten eine solche Vereinbarung trifft.<br />
Will man als freier Mitarbeiter das Risiko <strong>de</strong>r gesamtschuldnerischen<br />
Scheinsozienhaftung sicher vermei<strong>de</strong>n, muss man auf die<br />
Aufnahme auf <strong>de</strong>n Briefkopf völlig verzichten. Möglicherweise<br />
ist es ausreichend, die Stellung als freier Mitarbeiter durch eine<br />
ein<strong>de</strong>utige und nicht im Kleingedruckten versteckte Kennzeichnung<br />
auf <strong>de</strong>m Kanzleibriefbogen klarzustellen. Nach Ansicht<br />
<strong>de</strong>s Verfassers müsste ein Hinweis gem. § 8 BORA (z. B. „RA X<br />
Y, freier Mitarbeiter“) ausreichen, um <strong>de</strong>n haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Rechtsschein einer Sozietät nicht entstehen zu lassen. Zu<br />
empfehlen ist außer<strong>de</strong>m eine räumliche Absetzung auf <strong>de</strong>m<br />
Briefkopf von <strong>de</strong>n haften<strong>de</strong>n Sozien. Auch für einen juristischen<br />
Laien ist dann erkennbar, dass ein ausdrücklich als freier Mitarbeiter<br />
bezeichneter Anwalt in <strong>de</strong>r Kanzlei nicht <strong>de</strong>n Status eines<br />
Sozius hat und somit nicht wie ein Sozius haftet. Rspr. zu dieser<br />
Frage gibt es bislang, soweit ersichtlich, jedoch nicht. Eine zuverlässige<br />
Prognose, wie Gerichte eine solche Briefkopfgestaltung<br />
bewerten, ist naturgemäß nicht möglich.<br />
Für die Berufshaftpflichtversicherung gelten alle Berufsangehörigen,<br />
die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich<br />
ausüben, als Sozien (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 AVB-A bzw. § 1 Abs. 3<br />
AVB-RSW). Dies gilt also auch für eine Scheinsozietät. Alle auf<br />
<strong>de</strong>m Briefbogen genannten Berufsträger benötigen jeweils eine<br />
ihre berufliche Tätigkeit vollumfänglich ab<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Versicherung.<br />
Im Regulierungsfall tritt <strong>de</strong>r Versicherer gem. § 12 AVB mit<br />
einer sog. Durchschnittsleistung ein. Sind (Schein-)Sozien bei<br />
verschie<strong>de</strong>nen Versicherern versichert, wird eine Versicherungsleistung<br />
unter <strong>de</strong>n Versicherern im Verhältnis <strong>de</strong>r versicherten<br />
Anwälte aufgeteilt. Unterschiedlich hohe Versicherungssummen<br />
führen bei Schä<strong>de</strong>n, die die Versicherungssumme eines<br />
o<strong>de</strong>r mehrerer (Schein-)Sozien übersteigen, zu Deckungslücken<br />
(zu Einzelheiten s. Grams, BRAK-Mitt. 2002, 67).<br />
Freier Mitarbeiter – nicht auf <strong>de</strong>m Briefkopf<br />
Tritt <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter nicht nach außen wie ein Sozius in Erscheinung,<br />
wird er auch nicht Vertragspartner <strong>de</strong>s Mandanten,<br />
so dass eine vertragliche Haftung gegenüber <strong>de</strong>m Mandanten im<br />
Regelfall ausschei<strong>de</strong>t. Ausnahmsweise kommt eine persönliche<br />
c.i.c.-Haftung (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB n. F.) <strong>de</strong>s nicht als<br />
Scheinsozius auf <strong>de</strong>m Briefkopf/Kanzleischild genannten Anwalts<br />
nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Sachwalterhaftung in Betracht,<br />
wenn <strong>de</strong>r Anwalt aus <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s reinen anwaltlichen Vertreters<br />
heraustritt und in beson<strong>de</strong>rem Maße persönliches Vertrauen<br />
in Anspruch nimmt o<strong>de</strong>r wenn er an <strong>de</strong>m angestrebten Geschäft<br />
ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat und dabei<br />
schuldhaft Pflichten verletzt (BGH, NJW 1979, 1449; 1989,<br />
293; 1990, 1907; 1991, 21; NJW-RR 1990, 459; Zugehör, NJW<br />
2000, 1601, 1606). Denkbar ist weiter eine persönliche <strong>de</strong>liktische<br />
Haftung <strong>de</strong>s freien Mitarbeiters gegenüber Mandanten<br />
o<strong>de</strong>r Dritten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür in<br />
seiner Person vorliegen. Der Dienstherr haftet gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Mandanten im Außenverhältnis für Fehler <strong>de</strong>s freien Mitarbeiters<br />
nach § 278 BGB.<br />
Zusammenschluss von Anwälten<br />
Die Tätigkeit <strong>de</strong>s freien Mitarbeiters ist von <strong>de</strong>r Berufshaftpflichtversicherung<br />
<strong>de</strong>s Dienstherrn abge<strong>de</strong>ckt, wenn das Dienstverhältnis<br />
<strong>de</strong>m Versicherer gem. § 13 AVB ordnungsgemäß angezeigt<br />
wur<strong>de</strong>. Für die Beschäftigung eines zugelassenen Anwalts<br />
als freier Mitarbeiter wird auf die Police <strong>de</strong>s Dienstherrn ein Prämienzuschlag<br />
von 80 % erhoben. Unterbleibt die Anzeige, wird<br />
die Versicherungsleistung nach § 12 AVB anteilig gekürzt. Der<br />
mitversicherte freie Mitarbeiter kann gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 AVB<br />
<strong>de</strong>n Anspruch auf Deckungsschutz bei <strong>de</strong>r Berufshaftpflichtversicherung<br />
selbständig geltend machen.<br />
Unabhängig von seiner Mitversicherung unter <strong>de</strong>r Police <strong>de</strong>s<br />
Dienstherrn benötigt <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter – allein schon für seine<br />
Anwaltszulassung – gem. § 51 BRAO eine eigene Berufshaftpflichtversicherung<br />
(vgl. Braun, BRAK-Mitt. 1997, 5, 7,<br />
m. w. N.). Da er jedoch neben seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter<br />
für eigene Mandanten unter eigenem Namen und Briefkopf<br />
allenfalls in eingeschränktem Umfang tätig sein wird, erhält<br />
er auf seine eigene Police einen Nebentätigkeitsrabatt von 80 %.<br />
Rückgriffsansprüche gegen <strong>de</strong>n freien Mitarbeiter<br />
Die Berufshaftpflichtversicherung <strong>de</strong>s Dienstherrn nimmt bei<br />
fahrlässigen Pflichtverletzungen <strong>de</strong>s mitversicherten freien Mitarbeiters<br />
bei diesem keinen Rückgriff, nur bei wissentlichen<br />
Pflichtverletzungen (§ 7 Abs. 4 Nr. 2 AVB). Rückgriffsansprüche<br />
<strong>de</strong>s Dienstherrn gegen <strong>de</strong>n freien Mitarbeiter kommen nach<br />
§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (nach altem Recht aus pVV <strong>de</strong>s<br />
Dienstverhältnisses) insoweit in Betracht, als die Berufshaftpflichtversicherung<br />
<strong>de</strong>s Dienstherrn nicht eintrittspflichtig ist<br />
(z. B. Selbstbehalt, Gebühreneinwurf, an <strong>de</strong>n Mandanten<br />
zurückzuzahlen<strong>de</strong>s Honorar, anwaltsfrem<strong>de</strong> Tätigkeit, wissentliche<br />
Pflichtverletzung o<strong>de</strong>r Veruntreuung durch <strong>de</strong>n Mitarbeiter,<br />
vgl. Brieske, AnwBl. 1992, 519).<br />
Die Grundsätze <strong>de</strong>r Arbeitnehmerhaftung fin<strong>de</strong>n auf echte freie<br />
Mitarbeiter keine Anwendung. Es gelten die allgemeinen Regeln<br />
<strong>de</strong>r Haftung wegen Verletzung dienstvertraglicher Pflichten<br />
(§§ 280, 241 BGB n. F.). Häufig wird das Dienstverhältnis jedoch<br />
unabhängig von seiner Bezeichnung <strong>de</strong>nnoch als Arbeitsverhältnis<br />
zu bewerten sein (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 62. Aufl.,<br />
Einf. vor § 611, Rdnr. 10; Staudinger-Richardi, BGB, 1999, Vorbem.<br />
zu §§ 611 ff., Rdnr. 179 ff.). Dann gelten die Grundsätze<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmerhaftung (mehr dazu in <strong>de</strong>r nächsten Ausgabe).<br />
Nicht unüblich und für <strong>de</strong>n freien Mitarbeiter dringend zu empfehlen<br />
ist das Aushan<strong>de</strong>ln einer vertraglichen Freistellungsvereinbarung<br />
mit <strong>de</strong>m Dienstherrn für eigene Pflichtverletzungen,<br />
zumin<strong>de</strong>st für Fälle einfacher Fahrlässigkeit (vgl. Bohle/Eich, Die<br />
Verträge <strong>de</strong>s RA mit seinen juristischen Mitarbeitern, Rdnr. 97;<br />
Wettlaufer, AnwBl. 1989, 208).<br />
Rückgriffsansprüche <strong>de</strong>s Dienstherrn gegen <strong>de</strong>n freien Mitarbeiter<br />
sind nicht von <strong>de</strong>r Berufshaftpflichtversicherung <strong>de</strong>s<br />
Dienstherrn ge<strong>de</strong>ckt, selbst wenn <strong>de</strong>r freie Mitarbeiter unter dieser<br />
Police mitversichert ist (§ 7 Abs. 2 AVB). Auch die eigene<br />
(Nebentätigkeits-)Berufshaftpflichtversicherung <strong>de</strong>s freien Mitarbeiters<br />
bietet keine Deckung für Regressansprüche <strong>de</strong>s<br />
Dienstherrn, da sie nur Regressansprüche aus <strong>de</strong>r ggü. eigenen<br />
Mandanten erbrachten freiberuflich ausgeübten anwaltlichen<br />
Tätigkeit ab<strong>de</strong>ckt (vgl. Satz 1 <strong>de</strong>r Risikobeschreibung zu <strong>de</strong>n<br />
AVB; a. A. Brieske, DAV-Ratgeber, 9. Aufl., 103). Der Mitarbeiter<br />
übt gegenüber seinem Auftraggeber (<strong>de</strong>m Dienstherrn) keine<br />
Tätigkeit als <strong>de</strong>ssen RA aus. Durch die Aufteilung in eine Mitversicherung<br />
unter <strong>de</strong>r Police <strong>de</strong>s Dienstherrn und eine eigene<br />
Nebentätigkeitsversicherung <strong>de</strong>s freien Mitarbeiters kann z. B.<br />
nicht <strong>de</strong>r Selbstbehalt quasi „abbedungen“ wer<strong>de</strong>n. Mangels<br />
eines zwischen Dienstherrn und freiem Mitarbeiter bestehen<strong>de</strong>n<br />
Anwaltsmandats fin<strong>de</strong>t auch die spezialgesetzliche Verjährungsvorschrift<br />
<strong>de</strong>s § 51b BRAO keine Anwendung.<br />
Rechtsanwalt Holger Grams
14 Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Bericht über die 3. Konferenz <strong>de</strong>r<br />
Berufsrechtsreferenten<br />
Auf Einladung <strong>de</strong>r RAK Hamburg fand am 8.6.2002 die 3. Konferenz<br />
<strong>de</strong>r Berufsrechtsreferenten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen RAKn statt. Mit<br />
dieser Konferenz sollte wie<strong>de</strong>r ein Diskussionsforum ermöglicht<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m die mit Berufsrecht befassten Vorstandsmitglie<strong>de</strong>r<br />
die Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Berufsrechts<br />
austauschen können. Dies ist gera<strong>de</strong> im Hinblick auf die<br />
wachsen<strong>de</strong> Zahl überörtlicher Sozietäten, die Kanzleien in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Kammerbezirken unterhalten, von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung.<br />
Die Konferenz war mit Vertretern nahezu aller RAKn, zum Teil<br />
wie<strong>de</strong>r mit Präsi<strong>de</strong>nten und Präsidiumsmitglie<strong>de</strong>rn, hochrangig<br />
besetzt. Insgesamt nahmen 62 RAinnen und RAe an <strong>de</strong>r Konferenz<br />
teil.<br />
Die Tagesordnung orientierte sich im Wesentlichen an <strong>de</strong>n Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>r BORA. Dabei bil<strong>de</strong>ten die Problemstellungen<br />
<strong>de</strong>r anwaltlichen Werbung (§§ 6 ff. BORA) einen großen<br />
Schwerpunkt. U. a. wur<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Themen diskutiert:<br />
Verschwiegenheitsverpflichtung auch gegenüber <strong>de</strong>m Gegner?<br />
Die Konferenzteilnehmer gehen mehrheitlich davon aus, dass<br />
§ 2 BORA in erster Linie das Mandatsverhältnis zum eigenen<br />
Mandanten schütze. Allerdings könnte sich aus <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r<br />
Gewissenhaftigkeit im Einzelfall eine Verpflichtung auch gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Gegner ergeben.<br />
Verschwiegenheitspflicht auch nach nachträglichem Bekanntwer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r inhaltlichen Unrichtigkeit von Angaben in einem<br />
Antrag auf Prozesskostenhilfe<br />
Soweit einem RA, <strong>de</strong>r für seinen Mandanten einen Prozesskostenantrag<br />
gestellt hat, nachträglich bekannt wird, dass <strong>de</strong>r<br />
Mandant erhebliche Vermögenswerte verwiegen hat o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Mandant nach Antragstellung erhebliches Vermögen erzielt hat,<br />
konnten sich die Teilnehmer nicht auf eine mehrheitliche Auffassung<br />
einigen. Zum Teil wur<strong>de</strong> die Auffassung vertreten, dass<br />
<strong>de</strong>r Anwalt auf seinen Mandanten einwirken müsse, ggf. mit <strong>de</strong>r<br />
Drohung <strong>de</strong>r Mandatsnie<strong>de</strong>rlegung. An<strong>de</strong>re Teilnehmer vertraten<br />
die Auffassung, dass <strong>de</strong>r Anwalt nach vorheriger Information<br />
<strong>de</strong>s Mandanten die volle Gebühr abrechnen bzw. einreichen<br />
könne. Gegen letztere Auffassung bestehe jedoch <strong>de</strong>r Einwand,<br />
dass lediglich die Möglichkeit bestehe, später einen Antrag auf<br />
Erstattung <strong>de</strong>r Differenzgebühr zu stellen. Wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re vertraten<br />
die Meinung, dass sich u.a. aus <strong>de</strong>r Hinweisverpflichtung<br />
auf Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse die Möglichkeit ergebe,<br />
unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Störung <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage<br />
das Mandat nie<strong>de</strong>rzulegen o<strong>de</strong>r einen Entpflichtungsantrag<br />
zu stellen. Eine strafrechtliche Garantenstellung <strong>de</strong>s<br />
Anwalts mit Offenbarungspflichten gegenüber <strong>de</strong>m Gericht<br />
lehnten die Teilnehmer ab. Abschließend appellierte <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Tagung, Herr Präsi<strong>de</strong>nt Stahle, an die Teilnehmer, die<br />
Verschwiegenheitspflicht höher als die Honorarinteressen im<br />
Einzelfall einzustufen.<br />
Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK<br />
Erfüllung <strong>de</strong>r Kriterien <strong>de</strong>r Kanzleipflicht mit Handy- o<strong>de</strong>r 0190-<br />
Nr.?<br />
Die Teilnehmer waren sich einig, dass aufgrund <strong>de</strong>r technischen<br />
Entwicklung heute keine klare Abgrenzung mehr zwischen <strong>de</strong>r<br />
Erreichbarkeit über Festnetzgeräte o<strong>de</strong>r Mobiltelefone möglich<br />
sei.<br />
Angabe <strong>de</strong>r Kanzleianschrift auf Briefbögen erfor<strong>de</strong>rlich?<br />
Unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>s Mandantenschutzes wer<strong>de</strong> –<br />
auch nach <strong>de</strong>r Rspr. <strong>de</strong>s BGH – die Einrichtung und Kenntlichmachung<br />
einer Kanzlei erfor<strong>de</strong>rt. Dies gelte auch im Falle <strong>de</strong>s<br />
Bedürfnisses, z.B. beim Betreiben eines Inkassobüros, zahlreiche<br />
Rückfragen abzuwehren. Die Angabe <strong>de</strong>r Kanzleianschrift<br />
muss öffentlich sein, um <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s Anwalts als Organ <strong>de</strong>r<br />
Rechtspflege, wie bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt (etwa<br />
bei Beschlussverfügungen mit kurzen Fristen) gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Einrichtung <strong>de</strong>r Kanzlei bei einem Domizilservice<br />
Überwiegend waren die Teilnehmer <strong>de</strong>r Auffassung, dass gegen<br />
die Einrichtung einer Kanzlei bei einem Domizilservice erhebliche<br />
berufsrechtliche Be<strong>de</strong>nken bestehen. Aufgrund <strong>de</strong>r Mitwirkung<br />
<strong>de</strong>s Personals <strong>de</strong>s Domizilservices könne die Verschwiegenheitsverpflichtung<br />
nicht gewahrt wer<strong>de</strong>n. Der Telefonanschluss<br />
sei nur eine Unternummer <strong>de</strong>s Domizilservices,<br />
<strong>de</strong>r nicht <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>s Abhörschutzes unterliegt. Schließlich<br />
setze <strong>de</strong>r Anwalt auch einen falschen Schein durch die Büroräume<br />
und <strong>de</strong>ren Ausstattung, die nur zeitweise vom Anwalt gemietet<br />
sind, nicht aber seine ständige Kanzlei darstellen.<br />
Zulässigkeit von „Etablissementbezeichnungen“, wie „Kanzlei<br />
am Isartor“:<br />
Angelehnt an die Rspr. <strong>de</strong>s OLG Düsseldorf zur Bezeichnung<br />
„Zahnarztpraxis im Stadttor“ sahen die Konferenzteilnehmer<br />
Etablissementbezeichnungen unter <strong>de</strong>n Gesichtspunkten <strong>de</strong>r Alleinstellungswerbung<br />
als unzulässig an. Zulässig könne jedoch<br />
<strong>de</strong>r Texthinweis, „Sie fin<strong>de</strong>n meine Kanzlei am Isartor“, sein.<br />
Redaktionell gestaltete Werbung über eine Kanzlei:<br />
Trotz grundsätzlicher Be<strong>de</strong>nken kamen die Konferenzteilnehmer<br />
bei <strong>de</strong>r Frage, wie weit eine Information über eine Kanzlei<br />
in Form einer redaktionellen Anzeige gehen darf, zu <strong>de</strong>r Auffassung,<br />
dass eine behauptete Koinzi<strong>de</strong>nz von redaktionellem Beitrag<br />
und bezahlter Werbung nur schwer nachzuweisen sei. Im<br />
Großen und Ganzen waren die Teilnehmer <strong>de</strong>r Auffassung, dass<br />
<strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r redaktionellen Werbung heute weitgehend als<br />
zulässig angesehen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Kanzleischil<strong>de</strong>r mit Berufsbezeichnungen, die in <strong>de</strong>r konkreten<br />
Kanzlei nicht vertreten sind:<br />
Eine im Han<strong>de</strong>lsregister unter Bezeichnung „Wirtschaftsprüfer,<br />
Steuerberater, Rechtsanwälte“ eingetragene EWIV kann unter<br />
diesen Berufsbezeichnungen auf <strong>de</strong>m Kanzleischild nicht nach<br />
außen firmieren, wenn an <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Kanzleisitz eine<br />
o<strong>de</strong>r mehrere <strong>de</strong>r angegebenen Berufsgruppen nicht vertreten
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK 15<br />
ist. Dies stelle ansonsten Irreführung und damit unzulässige<br />
Werbung dar.<br />
Rechtsanwalts- und Kanzleidomains im Internet:<br />
Es bestehen berufsrechtliche Be<strong>de</strong>nken gegen Domains mit<br />
mangeln<strong>de</strong>r Unterscheidungsmöglichkeit und alleinstellen<strong>de</strong>m<br />
Charakter, wie z.B. „rechtsanwalt.kempten.<strong>de</strong>“. Jedoch besteht<br />
unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern weitgehend die Auffassung,<br />
dass angesichts <strong>de</strong>r unterschiedlichen Judikatur ein aufsichtsrechtliches<br />
Vorgehen <strong>de</strong>r RAKn zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
nur eingeschränkt möglich sei.<br />
Abgrenzung von Informationsrundschreiben und Werbung um<br />
das Einzelmandat:<br />
Es wird ein Fall erörtert, in <strong>de</strong>m ein RA einen Mandanten in einem<br />
größeren Scha<strong>de</strong>nsfall vertritt und durch Zeugenaufrufe an<strong>de</strong>re<br />
Geschädigte an sich zu bin<strong>de</strong>n versucht o<strong>de</strong>r vorgibt, eine<br />
Interessengemeinschaft grün<strong>de</strong>n zu wollen. Trotz bestehen<strong>de</strong>r<br />
Be<strong>de</strong>nken vertraten die Konferenzteilnehmer die mehrheitliche<br />
Auffassung, dass <strong>de</strong>rartige Maßnahmen unter <strong>de</strong>n Gesichtspunkten<br />
<strong>de</strong>s Berufsrechts und <strong>de</strong>s Wettbewerbsrechts nicht als<br />
unzulässig anzusehen seien.<br />
Löschung einer Marke „Advokat.<strong>de</strong>“ gem. § 54 Markengesetz:<br />
Die Mehrheit <strong>de</strong>r Konferenzteilnehmer begrüßt <strong>de</strong>n Vorschlag<br />
zur Durchführung eines Musterverfahrens mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Löschung<br />
<strong>de</strong>r Marke „Advokat.<strong>de</strong>“. Mit dieser Marke wer<strong>de</strong>n im<br />
betroffenen Fall falsche Vorstellungen mit <strong>de</strong>m Verwen<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n.<br />
„Ungewollte“ Werbung durch Dritte:<br />
Es stellt sich die Frage, inwieweit ein RA verhin<strong>de</strong>rn muss,<br />
dass ein Dritter in einem Kun<strong>de</strong>nrundschreiben <strong>de</strong>n RA ausdrücklich<br />
als kompetenten Ansprechpartner empfiehlt. Unter<br />
Verweis auf § 6 Abs. 4 BORA, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m RA ein Mitwirkungsverbot<br />
an unzulässiger Werbung auferlegt, ist eine „Mitwirkung<br />
durch Unterlassen“ von <strong>de</strong>r Norm nicht umfasst. Dem RA<br />
fehle die hierfür erfor<strong>de</strong>rliche Garantenstellung. Ein <strong>de</strong>rartiges<br />
Empfehlungsschreiben sei daher grundsätzlich als zulässig anzusehen.<br />
Überprüfung von Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten in<br />
Telefonbüchern:<br />
Die Konferenzteilnehmer erörtern die Möglichkeit, mit Adressbuchverlegern<br />
Vereinbarungen abzuschließen, wonach eine<br />
„Grobprüfung“ durch <strong>de</strong>n Verlag auf die berufsrechtliche Zulässigkeit<br />
von Eintragungen vorgesehen ist. Eine Rechtsberatung für<br />
Adressbuchverlage durch die RAKn solle jedoch in je<strong>de</strong>m Fall<br />
vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Unabhängig davon sollen allgemein gehaltene<br />
Werbehinweise durch die RAKn an die Verleger möglich<br />
sein und <strong>de</strong>n Verlagen regelmäßig aktuelle Fachanwaltslisten<br />
zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Abkürzungen von Tätigkeitsschwerpunkten als „TSP“ und Interessenschwerpunkten<br />
als „ISP“:<br />
Ohne klarstellen<strong>de</strong> Erläuterung sind entsprechen<strong>de</strong> Abkürzungen<br />
nach wie vor als wettbewerbsrechtlich beanstan<strong>de</strong>nswert<br />
anzusehen.<br />
Kundgabe einer Kooperation mit Angehörigen nichtsozietätsfähiger<br />
Berufe (§ 8 BORA):<br />
Grundsätzlich sehen die Konferenzteilnehmer entsprechen<strong>de</strong><br />
Angaben von Kooperationen auch mit Angehörigen nichtsozietätsfähiger<br />
Berufe als zulässig an. Es bestand jedoch Einigkeit<br />
darüber, dass <strong>de</strong>r Hinweis auf die Kooperation <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechen<br />
müsse.<br />
Sozietätsähnliche Firmierung von Bürogemeinschaften (§ 9<br />
BORA):<br />
Eine sozietätsähnliche Firmierung einer Bürogemeinschaft, wie<br />
z.B. „Müller, Meier und Schulze – RAe in Bürogemeinschaft“,<br />
wird von <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern als irreführend und damit<br />
als unzulässig angesehen. Dies gelte insbeson<strong>de</strong>re auch, wenn<br />
über <strong>de</strong>n angegebenen Personenkreis hinaus weitere RAe an <strong>de</strong>r<br />
Bürogemeinschaft beteiligt sind.<br />
Fortführung <strong>de</strong>r Sozietätsbezeichnung bei Verbleib von nur<br />
einem Anwalt:<br />
Konkret stellt sich die Frage, ob eine Sozietätsbezeichnung mit<br />
<strong>de</strong>n Namen zweier RAe, von <strong>de</strong>nen einer ausschei<strong>de</strong>t, weiterhin<br />
unverän<strong>de</strong>rt mit Nennung bei<strong>de</strong>r Namen und <strong>de</strong>m Zusatz<br />
„Rechtsanwälte“ geführt wer<strong>de</strong>n darf. Die konkrete Handhabung<br />
dieser Frage ist unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern umstritten.<br />
Grundsätzlich besteht jedoch Einvernehmen, dass eine Irreführung<br />
<strong>de</strong>s rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikums vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
muss. Unter Beachtung von § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA muss min<strong>de</strong>stens<br />
eine <strong>de</strong>r Kurzbezeichnung entsprechen<strong>de</strong> Zahl von Gesellschaftern,<br />
angestellten o<strong>de</strong>r freien Mitarbeitern auf <strong>de</strong>n Briefbögen<br />
namentlich aufgeführt wer<strong>de</strong>n. Im Ergebnis konnte <strong>de</strong>r<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Konferenz, Herr Präsi<strong>de</strong>nt Staehle, als Fazit feststellen,<br />
dass die Handhabung <strong>de</strong>r erörterten Fälle in einer differenzierten<br />
Weise erfolgen müsse. Maßgeblich seien die konkreten<br />
Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalles.<br />
Umgehung <strong>de</strong>s Gegenanwalts bei Anschlusssachen und Nebenverfahren<br />
(§ 12 BORA):<br />
Im konkreten Fall hatte ein Anwalt nach abgeschlossenem<br />
Kündigungsrechtsstreit im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Umsetzung<br />
eines Vergleichs unmittelbar Kontakt mit <strong>de</strong>r – im Ausgangsverfahren<br />
anwaltlich vertretenen – Gegenseite aufgenommen.<br />
Nach überwiegen<strong>de</strong>r Ansicht <strong>de</strong>r Konferenzteilnehmer sei dieses<br />
Verhalten berufsrechtlich nicht zu beanstan<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
müsse dies im Einzelfall an<strong>de</strong>rs beurteilt wer<strong>de</strong>n, wenn ein unmittelbarer<br />
Zusammenhang zum vorausgegangenen Mandat<br />
besteht.<br />
Hinweispflichten im Rahmen von § 16 BORA bei Prozesskosten-<br />
und Beratungshilfe:<br />
Es stellt sich die Frage, ob <strong>de</strong>r RA auf die Kosten und insbeson<strong>de</strong>re<br />
die unterschiedlichen Folgen <strong>de</strong>r Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />
mit und ohne Ratenzahlung hinweisen muss. Die<br />
Konferenzteilnehmer waren <strong>de</strong>r Auffassung, dass diese Frage<br />
nicht das anwaltliche Berufsrecht, son<strong>de</strong>rn das Vertragsrecht betreffe.<br />
Im Einzelfall sei zu prüfen, ob <strong>de</strong>m Mandanten bei unterlassenem<br />
Hinweis möglicherweise ein Scha<strong>de</strong>nersatzanspruch<br />
zustehe. Berufsrechtlich bestehe eine entsprechen<strong>de</strong> Hinweispflicht<br />
jedoch nicht.<br />
Art und Weise <strong>de</strong>r Beanstandung berufsrechtlichen Verstoßes<br />
gegenüber Kollegen (§ 25 BORA):<br />
Unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern besteht Einigkeit darüber, dass<br />
§ 25 BORA nicht auf ein Abmahnen unter Kollegen wegen berufs-<br />
o<strong>de</strong>r wettbewerbswidriger Werbung anwendbar sei. § 25<br />
BORA solle lediglich vermei<strong>de</strong>n, dass im Rahmen einer Mandatsbearbeitung<br />
etwaige Vorwürfe von Berufsrechtsverstößen in<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Korrespon<strong>de</strong>nz mit Kenntnisnahmemöglichkeit<br />
durch die Mandanten diskutiert wer<strong>de</strong>n. Allerdings solle die
16 Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche nicht durch die<br />
BORA erschwert wer<strong>de</strong>n.<br />
Ordnungsgemäße Mandatsabrechnung durch <strong>de</strong>n Anwalt:<br />
Unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern bestand Einigkeit darin, dass<br />
ein Berufsrechtsverstoß nur bei vorsätzlich falscher Abrechnung<br />
angenommen wer<strong>de</strong>n könne. In einem solchen Fall sei auch<br />
eine mögliche Strafbarkeit wegen Gebührenüberhebung nach<br />
§ 320 StGB zu prüfen. Im Übrigen stelle die Frage <strong>de</strong>r korrekten<br />
Abrechnung in erster Linie ein mandatsvertragliches Problem<br />
dar. Gegebenenfalls ergeben sich bei einer falschen Abrechnung<br />
Scha<strong>de</strong>nersatzansprüche <strong>de</strong>s Mandanten.<br />
Überprüfung von Anwaltsrechnungen durch die RAKn:<br />
Mehrheitlich besteht unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern die Auffassung,<br />
dass Anwaltsrechnungen nicht vorab im Aufsichtswege<br />
überprüft wer<strong>de</strong>n können. Gem. § 73 Abs. 2 Nr. 3 BRAO seien<br />
die Kammern verpflichtet, bei gebührenrechtlichen Streitigkeiten<br />
zwischen <strong>de</strong>n Kammermitglie<strong>de</strong>rn und Mandanten eine Vermittlung<br />
anzubieten. Eine solche Vermittlung dürften die Kammern<br />
nicht mit Hinweis auf § 12 Abs. 2 BRAGO verweigern.<br />
Anwendung <strong>de</strong>s anwaltlichen Berufsrechts bei <strong>de</strong>r nichtanwaltlichen<br />
Tätigkeit <strong>de</strong>s RA (als Betreuer, Insolvenzverwalter o<strong>de</strong>r<br />
einer an<strong>de</strong>ren Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 BRAGO):<br />
Mehrheitlich wird aus § 1 Abs. 2 BRAGO geschlossen, dass die<br />
dort aufgeführten Tätigkeiten grundsätzlich auch anwaltliche<br />
Tätigkeiten darstellen, diese aber nicht nach <strong>de</strong>r BRAGO abgerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Etwas an<strong>de</strong>res könne nur dann gelten, wenn<br />
ein Bezug zur Rechtsberatung nicht festgestellt wer<strong>de</strong>n könne.<br />
Soweit jedoch eine Tätigkeit ihren Schwerpunkt in <strong>de</strong>r Rechtsberatung<br />
habe, sei auch das anwaltliche Berufsrecht zu beachten.<br />
Hinweis auf Beendigung einer beruflichen Zusammenarbeit<br />
(§ 32 BORA):<br />
Einhellig wird unter <strong>de</strong>n Konferenzteilnehmern die Auffassung<br />
vertreten, dass § 32 Abs. 1 Satz 4 BORA keine bloße Ordnungsvorschrift<br />
sei, son<strong>de</strong>rn eine Berufspflicht enthalte, <strong>de</strong>ren<br />
Verstoß sanktioniert wer<strong>de</strong>n könne. § 32 gehöre zu <strong>de</strong>n „beson<strong>de</strong>ren<br />
Berufspflichten“ <strong>de</strong>r §§ 30–33 BORA.<br />
Tätigkeitsverbot bei Vertretung <strong>de</strong>r eigenen nichtanwaltlichen<br />
Gesellschaft:<br />
Soweit ein RA vor Gericht die GmbH, <strong>de</strong>ren alleiniger Gesellschafter<br />
und Geschäftsführer er ist, als RA vertritt, sehen die<br />
Konferenzteilnehmer keine berufsrechtlichen Be<strong>de</strong>nken. Eine<br />
Vertretung sei grundsätzlich als zulässig anzusehen, wenn eine<br />
I<strong>de</strong>ntität zwischen <strong>de</strong>m RA und <strong>de</strong>n Vertretenen bestehe. In diesem<br />
Fall könnten die Schutzbereiche <strong>de</strong>s § 76 BRAO sowie <strong>de</strong>s<br />
§ 45 BRAO nicht tangiert sein. Da wirtschaftlich nur von einer<br />
i<strong>de</strong>ntischen Person auszugehen sei, sei kein In-Sich-Konflikt gegeben.<br />
Neben diesen Schwerpunkt-Themen wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r ganztägigen<br />
Veranstaltung <strong>de</strong>r Berufsrechtsreferenten noch eine Vielzahl<br />
weiterer berufsrechtlicher Fragen referiert und diskutiert. Eine<br />
nähere Darstellung wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n beschränkten Rahmen dieses Tagungsberichts<br />
sprengen. Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit <strong>de</strong>r Konferenzteilnehmer<br />
war jedoch wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Auffassung, dass sich<br />
die Berufsrechtsreferentenkonferenz erneut als Aussprachegremium<br />
sehr bewährt habe und in angemessenen Abstän<strong>de</strong>n erneut<br />
stattfin<strong>de</strong>n solle.<br />
Rechtsanwalt Stephan Kopp, Ebenhausen<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>r RAK München<br />
Bericht über die 182. Tagung <strong>de</strong>s<br />
Strafrechtsausschusses <strong>de</strong>r BRAK in Berlin<br />
vom 25.–27. Oktober 2002<br />
Unter <strong>de</strong>m bewährten Vorsitz von Prof. Dr. Widmaier fand die<br />
182. Tagung <strong>de</strong>s Strafrechtsausschusses im Haus <strong>de</strong>r BRAK v.<br />
25.–27.10.2002 statt.<br />
1. Stand <strong>de</strong>r Vorbereitungen zur Gründung einer Internationalen<br />
Rechtsanwaltskammer (ICB) beim Internationalen Strafgerichtshof<br />
(IntStGH)<br />
Der Internationale Strafgerichtshof ist – nach <strong>de</strong>n ad-hoc-UN-<br />
Strafgerichtshöfen für das frühere Jugoslawien, für Ruanda und<br />
Benin – ein Strafgerichtshof, an <strong>de</strong>m RAe aus allen Rechtstraditionen<br />
auftreten können und wer<strong>de</strong>n – aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>s<br />
Common Law, <strong>de</strong>s Civil Law, aus <strong>de</strong>m arabischen Rechtsraum<br />
und aus gemischten Rechtsordnungen.<br />
Nach<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Rechtssystemen das anwaltliche<br />
Berufsrecht zum Teil völlig unterschiedlich geregelt ist, müssen<br />
die Rechte und Pflichten <strong>de</strong>r RAe notwendigerweise mit einem<br />
für alle gleichen Inhalt festgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die bisherigen Entwürfe sind stark vom Common Law beeinflusst<br />
und es geht darum, die Dominanz dieser Common Law-<br />
Prinzipien zurückzuschrauben zugunsten <strong>de</strong>r kontinentaleuropäischen<br />
Verfahrensgrundsätze. Die Diskussion entzün<strong>de</strong>te<br />
sich insbeson<strong>de</strong>re an folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />
– Haben bei einem Konflikt zwischen <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>s Gerichts<br />
und <strong>de</strong>njenigen <strong>de</strong>s Mandanten <strong>de</strong>ssen Interessen <strong>de</strong>n<br />
Vorrang (kontinentaleuropäische Auffassung) o<strong>de</strong>r diejenigen<br />
<strong>de</strong>s Gerichts (Common Law-Verständnis)?<br />
– Sind Kontakte <strong>de</strong>s Verteidigers mit <strong>de</strong>m Gericht berufsrechtlich<br />
unzulässig (Common Law-Tradition) o<strong>de</strong>r nach kontinentaleuropäischen<br />
Grundsätzen nicht zu beanstan<strong>de</strong>n?<br />
– Ist das Verhalten von Verteidigern gegenüber <strong>de</strong>m Gericht an<br />
§ 43a BRAO (Verbot <strong>de</strong>r strafbaren Beleidigungen, <strong>de</strong>r herabsetzen<strong>de</strong>n<br />
Äußerungen ohne Anlass und <strong>de</strong>r Lüge) zu orientieren<br />
ohne weitere Einschränkungen, wie sie im Common<br />
Law vorgesehen sind?<br />
– Hat <strong>de</strong>r RA für die Integrität <strong>de</strong>r von ihm vorgelegten Beweismittel<br />
einzustehen, was nach unserem Verständnis indiskutabel<br />
ist?<br />
Es wur<strong>de</strong> Einigkeit erzielt, dass die gemeinsame Stellungnahme<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Anwaltsorganisationen zu <strong>de</strong>m bisher vorgelegten<br />
Entwurf <strong>de</strong>r Berufsordnung für die Tätigkeit von RAen vor<br />
<strong>de</strong>m IntStGH gera<strong>de</strong> diesen Gesichtspunkten Rechnung tragen<br />
muss.<br />
Zwischenzeitlich hat am 11. und 12.11.2002 in London eine<br />
weitere Konferenz stattgefun<strong>de</strong>n. Der Entwurf einer Berufsordnung<br />
ist nach wie vor zu sehr an die richterliche Perspektive angelehnt<br />
und <strong>de</strong>shalb besteht weiter Diskussionsbedarf.<br />
2. Ausweitung <strong>de</strong>s Zeugnisverweigerungsrechts für Angehörige<br />
auf Pflegeeltern und Pflegekin<strong>de</strong>r<br />
Bei allem Verständnis für die Situation von Pflegeeltern und Pflegekin<strong>de</strong>rn<br />
bestan<strong>de</strong>n im Ausschuss überwiegend Be<strong>de</strong>nken gegen<br />
die Erweiterung <strong>de</strong>s Zeugnisverweigerungsrechts. Je<strong>de</strong> Art<br />
von Zeugnisverweigerung erfor<strong>de</strong>rt eine formale und strenge<br />
Abgrenzung und auch aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Opfer ist eine zu weite<br />
Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Zeugnisverweigerungsrechts abzulehnen. Der<br />
Ausschuss sprach sich mit 8:2 Stimmen gegen eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Ausweitung <strong>de</strong>s Zeugnisverweigerungsrechts auf Pflegeeltern<br />
und Pflegekin<strong>de</strong>r aus.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Aus <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r BRAK 17<br />
3. Fortentwicklung strafprozessualer Institutionen in Europa<br />
Der fortschreiten<strong>de</strong> europäische Einigungsprozess macht auch<br />
vor <strong>de</strong>m nationalen Strafrecht und <strong>de</strong>n strafprozessualen Institutionen<br />
nicht Halt. Dieses Thema wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb auf vergangenen<br />
Tagungen schon intensiv bearbeitet und wird <strong>de</strong>n Strafrechtsausschuss<br />
auch in Zukunft vermehrt beschäftigen.<br />
Auf <strong>de</strong>r Berliner Tagung wur<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re folgen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nzen<br />
diskutiert:<br />
– Europol soll mehr Mittel zur Bekämpfung grenzüberschreiten<strong>de</strong>r<br />
Kriminalität bekommen, wobei auch die parlamentarische<br />
und gerichtliche Kontrolle verstärkt wer<strong>de</strong>n soll.<br />
– Eurojust soll gestärkt wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re auch im Hinblick<br />
auf die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft.<br />
– Das Europäische Parlament soll verstärkt an Rechtsakten auf<br />
<strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Strafrechts beteiligt wer<strong>de</strong>n.<br />
– Die Zuständigkeit <strong>de</strong>r Europäischen Union im strafrechtlichen<br />
Bereich soll einfacher und verständlicher <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Konkret wur<strong>de</strong> eine Initiative <strong>de</strong>s Königreichs Dänemark über<br />
die gegenseitige Anerkennung von Einziehungsentscheidungen<br />
ausführlich diskutiert. Nach <strong>de</strong>utschem Rechtsverständnis inakzeptabel<br />
ist <strong>de</strong>r Vorschlag, dass eine inhaltliche Überprüfung<br />
<strong>de</strong>r Einziehungsentscheidung lediglich vor einem Gericht <strong>de</strong>s<br />
Erlassstaates zulässig sein soll, während vor einem <strong>de</strong>utschen<br />
Gericht nur die Formalien überprüft wer<strong>de</strong>n können. Auch die<br />
vermögensrechtliche Haftung von gutgläubigen Ehegatten o<strong>de</strong>r<br />
Unternehmen kann in Deutschland nicht über <strong>de</strong>n europäischen<br />
Umweg sanktioniert wer<strong>de</strong>n.<br />
Für die BRAK wur<strong>de</strong> vom Europaausschuss und vom Strafrechtsausschuss<br />
ein entsprechen<strong>de</strong>s Papier ausgearbeitet und an<br />
sämtliche befassten Institutionen verbreitet.<br />
4. Konsultationspapier <strong>de</strong>r Europäischen Kommission: Verfahrensgarantien<br />
für Verdächtige und „Beklagte“ im Strafverfahren<br />
Auch bei dieser Thematik drohen gesetzliche Ansprüche und<br />
durch die Rspr. verbürgte Positionen auf <strong>de</strong>r „europäischen<br />
Strecke“ zu bleiben. So wur<strong>de</strong> schon bei <strong>de</strong>r Schaffung <strong>de</strong>s europäischen<br />
Haftbefehls <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>s gegenseitigen Vertrauens<br />
mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r ungeprüften Vollstreckung ausländischer<br />
Haftbefehle festgeschrieben.<br />
Der Abbau rechtsstaatlicher Schutzstandards darf nicht weiter<br />
gehen. We<strong>de</strong>r darf die Unschuldsvermutung eingeschränkt wer<strong>de</strong>n,<br />
noch darf die Stärkung <strong>de</strong>r Rechte „beson<strong>de</strong>rs schutzbedürftiger<br />
Personen“ zu einer Absenkung <strong>de</strong>r Rechte für diejenigen<br />
Personen führen, die in diesem Sinne nicht „beson<strong>de</strong>rs<br />
schutzbedürftig“ sind.<br />
Das Gesamtthema soll gründlich vorbereitet und auf <strong>de</strong>r Märztagung<br />
<strong>2003</strong> vertieft diskutiert wer<strong>de</strong>n.<br />
5. Stellungnahme zur Anfrage <strong>de</strong>s BVerfG im Hinblick auf eine<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> wegen Durchsuchung einer Anwaltskanzlei<br />
und Steuerberatungsgesellschaft sowie Beschlagnahme<br />
von Computerdateien<br />
In einer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ist die Frage aufgeworfen, ob<br />
und inwieweit eine Beschlagnahme von Datenbestän<strong>de</strong>n bei<br />
Berufsgeheimnisträgern verfassungsrechtlich von Be<strong>de</strong>utung ist,<br />
wenn dieser Eingriff sowohl Beschuldigte als auch Nichtbeschuldigte<br />
trifft und die erfassten Daten zum Teil wegen Tatverstrickung<br />
i.S.d. § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO einem Beschlagnahmezugriff<br />
unterliegen, zum Teil aber auch gem. §§ 53 Abs. 1 Satz 1<br />
Nr. 2 und 3, 97 Abs. 1, 148 StPO rechtlich beson<strong>de</strong>rs geschützt<br />
sind. Das BVerfG hat zum Schutz <strong>de</strong>r Berufsgeheimnisträger<br />
eine einstweilige Anordnung erlassen (NJW 2002, 2458) und<br />
die BRAK um Stellungnahme gebeten.<br />
In einer intensiven Diskussion wur<strong>de</strong> als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Gesichtspunkt<br />
herausgearbeitet, dass die Grenze für das Durchsuchungs-<br />
und Beschlagnahmerecht bei Geheimnisträgern sich<br />
wegen <strong>de</strong>r elektronischen Aktenführung nicht verschieben darf.<br />
Die Rohfassung eines entsprechen<strong>de</strong>n Papiers wur<strong>de</strong> beschlossen.<br />
In <strong>de</strong>r Folgezeit wur<strong>de</strong> ein gemeinsames Papier mit <strong>de</strong>m<br />
Verfassungsrechtsausschuss erarbeitet und als Stellungnahme<br />
<strong>de</strong>r BRAK an das BVerfG weitergeleitet.<br />
6. Stellungnahme zur Anfrage <strong>de</strong>s BVerfG hinsichtlich <strong>de</strong>r Verfassungsmäßigkeit<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>rzeitigen Jugendstrafvollzuges<br />
Nach<strong>de</strong>m das BVerfG sechs Vorlagebeschlüsse <strong>de</strong>s AG Herford<br />
aus formalen Grün<strong>de</strong>n zurückgewiesen hatte, soll nunmehr eine<br />
inhaltliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Vorlagebeschlüssen <strong>de</strong>s AG<br />
Rinteln v. 25.10.2001 und <strong>de</strong>s AG Herford v. 18.2.2002 stattfin<strong>de</strong>n;<br />
die BRAK ist zur Stellungnahme aufgefor<strong>de</strong>rt.<br />
In <strong>de</strong>r Diskussion im Strafrechtsausschuss wur<strong>de</strong> herausgearbeitet,<br />
dass von einer Verfassungswidrigkeit <strong>de</strong>s § 17 JGG nicht gesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n könne. Wenn die Verfassungswidrigkeit möglicherweise<br />
mit Ladung bzw. Strafantritt beginnt, kann dieser Zustand<br />
nicht auf die Anordnung <strong>de</strong>r Jugendstrafe durchschlagen.<br />
Es bestand Einigkeit, dass sich die Stellungnahme gegenüber<br />
<strong>de</strong>m BVerfG nicht auf § 17 JGG beziehen kann, son<strong>de</strong>rn sich auf<br />
die Notwendigkeit eines Jugendstrafvollzugsgesetzes beschränken<br />
muss. Insbeson<strong>de</strong>re bedürften Vollzugsmaßnahmen wie<br />
Pflicht zur Arbeit o<strong>de</strong>r Pflicht zur Therapie zwingend einer gesetzlichen<br />
Regelung. In diesem Sinn wird die endgültige Fassung<br />
<strong>de</strong>r Stellungnahme gegenüber <strong>de</strong>m BVerfG ausgearbeitet.<br />
7. Rechtsbehelfe zur Rüge überlanger Verfahrensdauer<br />
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich im<br />
Urt. v. 26.10.2000 (NJW 2001, 2694 ff.) wie<strong>de</strong>r einmal mit <strong>de</strong>r<br />
Problematik überlanger Verfahrensdauer befasst und in Abkehr<br />
von seiner bisherigen Rspr. in <strong>de</strong>n Fällen von Verfahrensverzögerungen,<br />
die eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 EMRK begrün<strong>de</strong>n,<br />
nunmehr auch Art. 13 EMRK für einschlägig erachtet. Demnach<br />
stellt es einen Konventionsverstoß dar, wenn das nationale<br />
Recht keine Rechtsbehelfe zur Verfügung stellt, die einen wirksamen<br />
Schutz gegen überlange Verfahrensdauer bieten.<br />
Im <strong>de</strong>utschen Strafprozessrecht kann die überlange Verfahrensdauer<br />
mit Hilfe verschie<strong>de</strong>ner prozessualer Instrumentarien<br />
kompensiert wer<strong>de</strong>n. Dazu zählen die Einstellung aus Opportunitätsgrün<strong>de</strong>n<br />
(§§ 153, 153a StPO), die Mil<strong>de</strong>rung von Strafe, das<br />
Absehen von Strafe, die Verwarnung mit Strafvorbehalt und Gna<strong>de</strong>nerweise.<br />
Weil die hierdurch eröffneten Kompensationsmöglichkeiten<br />
in Fällen mangeln<strong>de</strong>n Tatverdachts o<strong>de</strong>r erwiesener<br />
Unschuld nicht zum Tragen kommen, schlägt <strong>de</strong>r Strafrechtsausschuss<br />
in Anlehnung an das Klageerzwingungsverfahren<br />
(§§ 172–177 StPO) die Einführung eines „Einstellungserzwingungsverfahrens“<br />
vor, das <strong>de</strong>m Beschuldigten ermöglichen soll,<br />
im Falle <strong>de</strong>r Einstellungsreife beim OLG eine Einstellung <strong>de</strong>s gegen<br />
ihn geführten Ermittlungsverfahrens zu erzwingen.<br />
Darüber hinaus soll in Anlehnung an das Strafrechtsentschädigungsgesetz<br />
eine verschul<strong>de</strong>nsunabhängige Entschädigungsregelung<br />
geschaffen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Existenz allein besser als Fristenregelungen<br />
o<strong>de</strong>r spezielle Rechtsbehelfe geeignet sein<br />
dürfte, überlangen Verfahrensverzögerungen entsprechend entgegenzuwirken.<br />
8. Denkschrift „Zur Reform <strong>de</strong>r Verteidigung im Ermittlungsverfahren“<br />
Seit Jahren befasst sich <strong>de</strong>r Strafrechtsausschuss mit <strong>de</strong>r Denkschrift<br />
zur Reform <strong>de</strong>r Verteidigung im Ermittlungsverfahren. Der<br />
Beratung dieses Themas war auch mehr als ein halber Tag <strong>de</strong>r
18 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Berliner Tagung gewidmet. Ein Abschluss dieser Denkschrift<br />
steht unmittelbar bevor. Eine Unterkommission wur<strong>de</strong> gebil<strong>de</strong>t,<br />
die bis Februar <strong>2003</strong> die Leitsätze in ihrer endgültigen Form und<br />
Reihenfolge zusammenstellen wird. Über das Ergebnis <strong>de</strong>r Arbeit<br />
dieser Unterkommission und die Fertigstellung <strong>de</strong>r Denkschrift<br />
wird zu berichten sein.<br />
Rechtsanwalt Dr. Eckhart Müller, München<br />
I. Presseerklärungen<br />
Nr. 42 v. 18.12.2002<br />
Beschränkung von Mandantenrechten im Zivilprozess<br />
Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltskammer for<strong>de</strong>rt Augenmaß<br />
Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltskammer, Berlin. Die Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltskammer<br />
(BRAK) wen<strong>de</strong>t sich gegen eine Gesetzesinitiative <strong>de</strong>r<br />
Hessischen Lan<strong>de</strong>sregierung, mit <strong>de</strong>r die richterliche Hinweisund<br />
Dokumentationspflicht im Zivilprozess abgeschafft wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Nach <strong>de</strong>m Gesetzesentwurf, <strong>de</strong>r am Freitag (20.12.2002)<br />
im Bun<strong>de</strong>srat behan<strong>de</strong>lt wird, soll die Verpflichtung <strong>de</strong>s Richters<br />
entfallen, so früh wie möglich Hinweise zu erteilen und diese<br />
aktenkundig zu machen. Diese erweiterte Hinweispflicht war<br />
erst zu Jahresbeginn mit <strong>de</strong>r umstrittenen ZPO-Novelle verankert<br />
wor<strong>de</strong>n. „Die Beseitigung <strong>de</strong>r erweiterten Hinweispflicht<br />
wür<strong>de</strong> zu einer einseitigen Benachteiligung <strong>de</strong>r rechtsuchen<strong>de</strong>n<br />
Bürger im Zivilprozess und zu Rechtsunsicherheit führen. Diese<br />
schnelle Än<strong>de</strong>rung eines neuen Gesetzes ist wenig hilfreich. Es<br />
sollten <strong>de</strong>shalb zunächst Erfahrungen mit <strong>de</strong>r neuen Zivilprozessordnung<br />
gesammelt und die von <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung angekündigte<br />
Evaluation <strong>de</strong>r ZPO-Reform in 2004 abgewartet<br />
wer<strong>de</strong>n“, so <strong>de</strong>r Pressesprecher <strong>de</strong>r BRAK, Dr. Ulrich Scharf.<br />
Hinweis:<br />
Die richterliche Hinweis- und Dokumentationspflicht im<br />
Zivilprozess war notwendig gewor<strong>de</strong>n, weil <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
die Überprüfungsmöglichkeiten in <strong>de</strong>r Berufungsinstanz<br />
durch die ZPO-Novelle erheblich eingeschränkt<br />
hatte. Sie war <strong>de</strong>swegen als Ausgleich hierfür in die Zivilprozessordnung<br />
neu aufgenommen wor<strong>de</strong>n. Wür<strong>de</strong> sie<br />
jetzt wie<strong>de</strong>r gestrichen wer<strong>de</strong>n, entfiele je<strong>de</strong> Rechtfertigung<br />
für die Einschränkungen in <strong>de</strong>r Berufungsinstanz.<br />
Blieben diese Beschränkungen trotz Streichung <strong>de</strong>r richterlichen<br />
Hinweis- und Dokumentationspflicht bestehen,<br />
Anwaltliche Werbung – zur Auslegung und Anwendung<br />
von Satzungsrecht; § 7 BORA; Art. 12 GG<br />
* 1. Bei Auslegung und Anwendung von Satzungsrecht ist mit<br />
Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG eine strikte Beachtung <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
unter konkreter Benennung <strong>de</strong>r<br />
vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Gemeinwohlbelange<br />
gefor<strong>de</strong>rt.<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
Berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
*Leitsatz <strong>de</strong>r Redaktion (Orientierungssatz)<br />
entwickelte sich die <strong>de</strong>utsche or<strong>de</strong>ntliche Justiz im zweiten<br />
Anlauf zu einem beispiellosen Rechtsverkürzungsverfahren.<br />
II. Stellungnahmen<br />
Die nachfolgen<strong>de</strong>n Stellungnahmen <strong>de</strong>r BRAK können im Internet<br />
unter www.<strong>brak</strong>.<strong>de</strong>/„BRAK-Intern“ „Ausschüsse“ abgerufen<br />
wer<strong>de</strong>n:<br />
Ausschuss Europa<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK zum Sarbanes Oxley Act<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK zu <strong>de</strong>m Grünbuch <strong>de</strong>r Kommission<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften zum strafrechtlichen Schutz<br />
<strong>de</strong>r finanziellen Interessen <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften<br />
und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vom<br />
11.12.2001 (KOM [2001] 715 endgültig)<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verordnung zur<br />
Durchführung <strong>de</strong>s § 206 BRAO<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK<br />
1. Initiative <strong>de</strong>s Königreichs Dänemark im Hinblick auf die Annahme<br />
eines Entwurfs für einen Rahmenbeschluss <strong>de</strong>s Rates<br />
über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n<br />
aus Straftaten durch <strong>de</strong>n Rat (ABl. C 184 v.<br />
2.8.2002, S. 3)<br />
2. Initiative <strong>de</strong>s Königreichs Dänemark zur Annahme eines Rahmenbeschlusses<br />
<strong>de</strong>s Rates über die Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen<br />
in <strong>de</strong>r Europäischen Union (ABl. C 184 v.<br />
2.8.2002, S. 8)<br />
Ausschuss Internationales Privat- und Prozessrecht<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK zum UNCITRAL-Gesetzgebungsleitfa<strong>de</strong>n<br />
zu Sicherungsgeschäften<br />
Ausschuss Strafrecht<br />
– Stellungnahme <strong>de</strong>r BRAK zu <strong>de</strong>m „Konsultationspapier <strong>de</strong>r<br />
Kommission über Verfahrensgarantien für Verdächtige und Beklagte<br />
im Strafverfahren“<br />
Ausschuss Familienrecht<br />
– Praktische Auswirkungen <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r unterhaltsrechtlichen<br />
Kin<strong>de</strong>rgeldanrechnung gem. § 1612b Abs. 5 BGB zusammengestellt<br />
vom Ausschuss Familienrecht <strong>de</strong>r BRAK<br />
* 2. Ein Berufsgericht hat die Rspr. <strong>de</strong>s EuGH für Menschenrechte<br />
zu beachten, wonach bei <strong>de</strong>r Auslegung von Vorschriften<br />
über ein Werbeverbot die Meinungsfreiheit <strong>de</strong>s Betroffenen<br />
und das Informationsbedürfnis <strong>de</strong>r Mandanten zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
BVerfG, Beschl. v. 21.11.2002 – 1 BvR 1965/02
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 19<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
1. Der Bf. wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r zuständigen RAK wegen eines Eintrags<br />
in <strong>de</strong>n gelben Seiten <strong>de</strong>s Telefonbuchs gerügt. Der Eintrag hatte<br />
folgen<strong>de</strong>s Format und lautete wie folgt:<br />
RECHTSANWALT<br />
###############<br />
###############<br />
fon ############<br />
fax ############<br />
seit ... Jahren für Sie erfolgreich<br />
tätig im<br />
allgemeinen zivilrecht<br />
miet- & wohnungseigentumsrecht<br />
privaten baurecht<br />
familien- & erbrecht<br />
arbeitsrecht<br />
Der Bf. räumt ein, dass sein Hinweis auf eine erfolgreiche Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n sachlicher Information verlässt. Er hält sich aber<br />
für befugt, die von ihm langjährig bearbeiteten Materien aufzuführen,<br />
auch wenn mehr als fünf Rechtsgebiete benannt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Rüge verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12<br />
Abs. 1 GG.<br />
2. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gegen die Rüge und die sie bestätigen<strong>de</strong>n<br />
berufsgerichtlichen Entscheidungen ist nicht zur<br />
Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93a<br />
Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Be<strong>de</strong>utung. Ihre<br />
Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Bf. als<br />
verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verhängung <strong>de</strong>r Rüge ist<br />
verfassungsrechtlich nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Bf. hat eingeräumt,<br />
seine Werbung habe gegen das Sachlichkeitsgebot<br />
gem. § 43b <strong>de</strong>r BRAO verstoßen.<br />
3. Soweit <strong>de</strong>m Bf. zusätzlich vorgeworfen wird, gegen § 7 Abs. 1<br />
BORA verstoßen zu haben, fallen diese Ausführungen letztlich<br />
nicht ins Gewicht.<br />
Präzisierungen <strong>de</strong>s<br />
allgemeinen zivilrechtlichen<br />
Schwerpunkts<br />
Allerdings wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n angegriffenen<br />
Entscheidungen nicht<br />
in Erwägung gezogen, dass es<br />
sich bei <strong>de</strong>n Angaben „Mietund<br />
Wohnungseigentumsrecht,<br />
privates Baurecht, Familien- und Erbrecht“ um Präzisierungen<br />
<strong>de</strong>s allgemeinen zivilrechtlichen Tätigkeitsschwerpunktes han<strong>de</strong>ln<br />
könnte; dies wäre zulässig (vgl. BVerfG, 2. Kammer <strong>de</strong>s Ersten<br />
Senats, NJW 2001, 1926 f.). Die Vorgaben <strong>de</strong>r Berufsordnung<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Höchstzahl möglicher Angaben wären<br />
nicht überschritten.<br />
Bei <strong>de</strong>r Anwendung von § 7 Abs. 1 BORA fehlen auch Ausführungen<br />
dazu, ob die Vorschrift <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen genügt,<br />
die in einer Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH v. 19.2.2002 (NJW 2002,<br />
877) formuliert wor<strong>de</strong>n sind. Danach legt bei <strong>de</strong>r Übertragung<br />
von Rechtsetzungsbefugnissen an einen Berufsverband <strong>de</strong>r Mitgliedstaat<br />
selbst die Kriterien <strong>de</strong>s Allgemeininteresses und die<br />
wesentlichen Grundsätze fest, die bei <strong>de</strong>r Normsetzung von<br />
<strong>de</strong>n öffentlichen Kammern zu beachten sind. Bei Auslegung<br />
und Anwendung von Satzungsrecht ist daher auch mit Rücksicht<br />
auf Art. 12 Abs. 1 GG eine strikte Beachtung <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
unter konkreter Benennung <strong>de</strong>r vom<br />
parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Gemeinwohlbelange<br />
gefor<strong>de</strong>rt. Es hätte je<strong>de</strong>nfalls einer näheren Begründung<br />
bedurft, dass § 7 Abs. 1 BORA diesen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
genügt.<br />
Schließlich wer<strong>de</strong>n die Berufsgerichte auch die Rspr. <strong>de</strong>s EuGH<br />
für Menschenrechte zu beachten haben, wonach bei <strong>de</strong>r Aus-<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
legung von Vorschriften über ein Werbeverbot die Meinungsfreiheit<br />
<strong>de</strong>s Betroffenen und das Informationsbedürfnis <strong>de</strong>r<br />
Mandanten zu berücksichtigen sind (vgl. Urt. v. 17.10.2002 im<br />
Verfahren Stambuk ./. Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland – AZ:<br />
37928/97).<br />
Ein Abweichen vom europäischen<br />
Standard ist auch im Hinblick<br />
auf die Verbürgungen <strong>de</strong>s<br />
GG rechtfertigungsbedürftig.<br />
Abweichen vom europäischen<br />
Standard<br />
bedarf Rechtfertigung<br />
Zur Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch<br />
über Anwaltskanzleien; BRAO § 1; GG Art. 5; UWG<br />
§ 1<br />
* 1. Die in <strong>de</strong>m JUVE-Handbuch über wirtschaftsrechtlichorientierte<br />
Anwaltskanzleien veröffentlichten Ranglisten enthalten<br />
schwerpunktmäßig werten<strong>de</strong> Äußerungen, nicht jedoch<br />
Tatsachenbehauptungen.<br />
* 2. Dass ein journalistischer Beitrag über Anwaltskanzleien<br />
mit Werbewirkung allgemein o<strong>de</strong>r im konkreten Fall<br />
<strong>de</strong>m Leistungswettbewerb in <strong>de</strong>r Anwaltschaft zuwi<strong>de</strong>r läuft,<br />
etwa mit Rücksicht auf die Funktion <strong>de</strong>r Anwaltschaft als<br />
Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege, hätte <strong>de</strong>r näheren Begründung bedurft.<br />
* 3. Ein umfassen<strong>de</strong>s Unterlassungsgebot ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
wenn klarstellen<strong>de</strong> Zusätze – etwa Hinweise auf die Quellen<br />
<strong>de</strong>r Ranglisten – ausreichen, um Irreführungen und eine hierdurch<br />
hervorgerufene Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs<br />
auszuschließen.<br />
BVerfG, Beschl. v. 7.11.2002 – 1 BvR 580/02<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
Gegenstand <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> sind zivilgerichtliche<br />
Entscheidungen, mit <strong>de</strong>nen die Veröffentlichung optisch hervorgehobener<br />
Rangeinstufungen (Ranking-Listen) in einem Handbuch<br />
über wirtschaftsrechtlich orientierte Anwaltskanzleien untersagt<br />
wird.<br />
I.<br />
1. Die Bfin. zu 1 gibt seit <strong>de</strong>m Jahre 1998 das jährlich erscheinen<strong>de</strong><br />
„JUVE-Handbuch“ heraus. Die Kl. <strong>de</strong>s Ausgangsverfahrens,<br />
zwei nie<strong>de</strong>rgelassene RAe, nahmen die Bf. wegen <strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>m Handbuch enthaltenen Anwalts-Ranglisten nach § 1 UWG<br />
auf Unterlassung in Anspruch. Das OLG gab im Berufungsrechtszug<br />
<strong>de</strong>r Klage statt (vgl. NJW 2001, 1950 = ZIP 2001,<br />
1116). Der BGH hat die Revision nicht zur Entscheidung angenommen.<br />
Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> rügt eine Verletzung <strong>de</strong>r Grundrechte<br />
aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Mit <strong>de</strong>r einstweiligen<br />
Anordnung v. 1.8.2002 hat die Kammer die Zwangsvollstreckung<br />
aus <strong>de</strong>m Urt. <strong>de</strong>s OLG München im Hinblick auf die<br />
geplante 5. Aufl. <strong>de</strong>s Handbuchs einstweilen eingestellt.<br />
2. Die Kl. <strong>de</strong>s Ausgangsverfahrens, die BRAK, <strong>de</strong>r DAV, die Zentrale<br />
zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und <strong>de</strong>r Zentralverband<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Werbewirtschaft haben zur Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
Stellung genommen.<br />
II. Die Voraussetzungen einer Stattgabe durch die Kammer nach<br />
§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sind gegeben. Das BVerfG hat im<br />
Urt. v. 12.12.2000 (BVerfGE 102, 347 – Benetton-Werbung)<br />
eine Grundsatzentscheidung zur Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Grundrechts<br />
auf Meinungs- und Pressefreiheit im Wettbewerbsrecht getroffen.<br />
Damit sind die für <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fall maßgeblichen Fragen<br />
im Wesentlichen geklärt. Nach <strong>de</strong>n in dieser Entscheidung
20 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
nie<strong>de</strong>rgelegten Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t.<br />
Im Anschluss an das Urt. v. 12.12.2000 hat die Kammer in <strong>de</strong>n<br />
Beschl. v. 1.8.2001 (NJW 2001, 3403) und v. 6.2.2002 (NJW<br />
2002, 1187) zu Be<strong>de</strong>utung und Tragweite <strong>de</strong>s Grundrechts für<br />
<strong>de</strong>n Inhalt von Werbeaussagen Stellung genommen. Für die vorliegen<strong>de</strong><br />
Sache gilt unter Bezugnahme hierauf Folgen<strong>de</strong>s:<br />
1. Das OLG hat bei Auslegung und Anwendung von § 1 UWG<br />
Be<strong>de</strong>utung und Tragweite <strong>de</strong>s Grundrechts <strong>de</strong>r Meinungsfreiheit<br />
aus Art. 5 Abs. 1 GG verkannt.<br />
a) Die untersagten Ranglisten enthalten schwerpunktmäßig werten<strong>de</strong><br />
Äußerungen, nicht jedoch Tatsachenbehauptungen.<br />
Eine Meinung ist im Unterschied zur Tatsachenbehauptung<br />
durch das Element <strong>de</strong>s Wertens, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Stellungnahme<br />
und <strong>de</strong>s Dafürhaltens geprägt (vgl. BVerfGE 61, 1, 9; 85,<br />
1, 14).<br />
Listen beruhen auf<br />
Werturteilen über<br />
Leistungen<br />
Die Listen geben eine von <strong>de</strong>r<br />
Redaktion erstellte Rangordnung<br />
<strong>de</strong>r aufgeführten Kanzleien wie<strong>de</strong>r.<br />
Sie lassen erkennen, dass dadurch<br />
über <strong>de</strong>ren Leistungen ein<br />
Werturteil abgegeben wird. Dieses baut allerdings auf Interviews<br />
auf, also auf Auskünften Dritter, wie <strong>de</strong>r jeweils am En<strong>de</strong><br />
wie<strong>de</strong>rgegebene Hinweis zeigt. Die Fundierung <strong>de</strong>r Wertungen<br />
in tatsächlichen Erhebungen än<strong>de</strong>rt aber nichts daran, dass<br />
Werturteile formuliert wer<strong>de</strong>n. Auch in <strong>de</strong>n Interviews wur<strong>de</strong>n<br />
werten<strong>de</strong> Äußerungen erhoben und zur Grundlage <strong>de</strong>r Auswertung<br />
genommen.<br />
Soweit sich <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n Anhaltspunkte entnehmen<br />
lassen, geht das OLG <strong>de</strong>mgegenüber davon aus, bei <strong>de</strong>n<br />
Ranglisten han<strong>de</strong>le es sich um die Äußerung von Tatsachen.<br />
Den aus <strong>de</strong>n Ranggruppen zu ersehen<strong>de</strong>n Angaben zur Qualifikation<br />
<strong>de</strong>r genannten RAe wird ausdrücklich tatsächlicher<br />
Charakter beigemessen. Im gleichen Zusammenhang ist von<br />
objektiven Vergleichskriterien die Re<strong>de</strong>. An an<strong>de</strong>rer Stelle wer<strong>de</strong>n<br />
die Ranggruppen als objektiv nicht zu rechtfertigen<strong>de</strong> und<br />
als unrichtige Information charakterisiert, <strong>de</strong>ren sachliche<br />
Richtigkeit auch von <strong>de</strong>n Bfn. nicht behauptet wer<strong>de</strong>. Dies alles<br />
setzt ein Verständnis <strong>de</strong>r Tabellen als Tatsachenäußerung voraus.<br />
b) Auf <strong>de</strong>r unzutreffen<strong>de</strong>n Einordnung <strong>de</strong>r Äußerungen als Tatsachenbehauptungen<br />
beruht das Berufungsurteil. Wer<strong>de</strong>n die<br />
Äußerungen bei erneuter Verhandlung <strong>de</strong>r Sache als Werturteil<br />
eingeordnet, besteht die Möglichkeit, dass ein <strong>de</strong>m Bf. günstigeres<br />
Ergebnis erzielt wird. Die dahingehen<strong>de</strong> Möglichkeit<br />
reicht für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen <strong>de</strong>r<br />
Grundrechtsverletzung und <strong>de</strong>r angegriffenen Entscheidung aus<br />
(vgl. BVerfGE 61, 1, 13; 99, 185, 201 f.).<br />
aa) Die Einordnung einer Äußerung als Werturteil o<strong>de</strong>r als Tatsachenbehauptung<br />
ist für die rechtliche Beurteilung von Eingriffen<br />
in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach <strong>de</strong>r Rspr.<br />
<strong>de</strong>r Fachgerichte und <strong>de</strong>s BVerfG von weichenstellen<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />
(vgl. BVerfGE 61, 1, 7 f.; 99, 185, 196 f.; st. Rspr.).<br />
Führt eine Tatsachenbehauptung zu einer Rechtsverletzung,<br />
hängt das Ergebnis <strong>de</strong>r Abwägung <strong>de</strong>r kollidieren<strong>de</strong>n Rechtsgüter<br />
vom Wahrheitsgehalt <strong>de</strong>r Äußerung ab. Bewusst unwahre<br />
Tatsachenäußerungen genießen <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz überhaupt<br />
nicht (vgl. BVerfGE 54, 208, 219). Ist die Wahrheit nicht<br />
erwiesen, wird die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Beeinträchtigung eines<br />
an<strong>de</strong>ren Rechtsguts davon beeinflusst, ob beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen,<br />
etwa an die Sorgfalt <strong>de</strong>r Recherche, beachtet wor<strong>de</strong>n<br />
sind. Werturteile sind <strong>de</strong>mgegenüber keinem Wahrheitsbeweis<br />
zugänglich. Sie sind grundsätzlich frei und können nur unter<br />
beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n beschränkt wer<strong>de</strong>n (vgl. BVerfGE 85,<br />
1, 16 f.).<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
bb) Wird die Rangliste zutreffend als Werturteil eingeordnet,<br />
lässt sich nach <strong>de</strong>n bisherigen Erkenntnissen <strong>de</strong>s OLG nicht feststellen,<br />
dass sie ein in § 1 UWG geschütztes Rechtsgut gefähr<strong>de</strong>t<br />
und <strong>de</strong>ssen Schutz Vorrang vor <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Meinungsäußerung<br />
hat.<br />
(1) Schutzgut <strong>de</strong>s § 1 UWG ist nach <strong>de</strong>r fachrichterlichen Rspr.<br />
insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Leistungswettbewerb. Zum Schutz <strong>de</strong>r Wettbewerber<br />
und sonstiger Marktbeteiligter, aber ggf. auch gewichtiger<br />
Interessen <strong>de</strong>r Allgemeinheit, wer<strong>de</strong>n durch die Norm<br />
Verhaltensweisen missbilligt, welche die Funktionsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>r Leistung orientierten Wettbewerbs im wettbewerblichen<br />
Han<strong>de</strong>ln einzelner Unternehmen o<strong>de</strong>r als Institution<br />
stören, so z.B. durch unlautere Einflussnahmen auf die freie Entschließung<br />
<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f.; BGH, NJW<br />
2000, 864; BGHZ 144, 255, 265 f.; Baumbach/Hefermehl,<br />
Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., München 2001, Einl. UWG,<br />
Rdnr. 100 ff.). Diese Schutzgutbestimmung ist verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstan<strong>de</strong>n (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3403,<br />
3404; 2002, 1187, 1188). Ob § 1 UWG noch weitere Schutzgüter<br />
umfasst (so, wenn auch ohne Spezifizierung, BGH, VersR<br />
2002, 456, 462 - „H.I.V. Positive“ II), brauchte vom BVerfG in<br />
<strong>de</strong>n bisher entschie<strong>de</strong>nen Sachen nicht erörtert zu wer<strong>de</strong>n;<br />
auch <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong> Fall bietet hierzu keinen Anlass. Die Auslegung<br />
<strong>de</strong>s einfachen Rechts und damit auch die Herleitung<br />
von Schutzgütern aus einer Rechtsnorm ist Aufgabe <strong>de</strong>r Fachgerichte<br />
(BVerfGE 18, 85, 92 f.; 84, 372, 379; 85, 248, 257 f.;<br />
102, 347, 362).<br />
(2) Berührt ist vorliegend <strong>de</strong>r Wettbewerb zwischen RAen. Die<br />
streitigen Ranglisten betreffen insbeson<strong>de</strong>re die Transparenz <strong>de</strong>s<br />
Anwaltsmarktes. Durch Beschränkung auf verhältnismäßig wenige<br />
Kanzleien, insbeson<strong>de</strong>re auf Großkanzleien, geben die<br />
Ranglisten diesen einen Wettbewerbsvorsprung.<br />
Die Listen beeinflussen auch die<br />
Offenheit <strong>de</strong>s Anwaltsmarktes,<br />
weil sie neu gegrün<strong>de</strong>te Kanzleien<br />
im Regelfall nicht o<strong>de</strong>r<br />
doch nur mit erheblicher zeitlicher<br />
Verzögerung einbeziehen.<br />
Listen beeinflussen<br />
Offenheit <strong>de</strong>s<br />
Anwaltsmarktes<br />
(3) Eine auf § 1 UWG gestützte Einschränkung <strong>de</strong>r Meinungsfreiheit<br />
setzt im konkreten Fall Feststellungen zur Gefährdung<br />
<strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs durch sittenwidriges Verhalten voraus.<br />
Das OLG stellt unter Bezugnahme auf die vom BGH in<br />
<strong>de</strong>n Urt. „Die Besten“ I und II (BGH, NJW 1997, 2679; 2681)<br />
erarbeiteten Grundsätze tragend auf die Fallgruppe <strong>de</strong>r getarnten<br />
Werbung ab, also eine Fallgruppe, die einen Bezug auf <strong>de</strong>n<br />
auch im Medienrecht enthaltenen Grundsatz <strong>de</strong>r Trennung von<br />
redaktionellem Text und Werbung herstellt. Allein auf die<br />
Anwendbarkeit dieser Fallgruppe wird die Annahme <strong>de</strong>r<br />
Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG gestützt. Das ist mit <strong>de</strong>n sich<br />
aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG herleiten<strong>de</strong>n Vorgaben nicht vereinbar.<br />
Die Orientierung an Fallgruppen und damit an typischen Situationen<br />
<strong>de</strong>r Gefährdung <strong>de</strong>s Schutzguts ist verfassungsrechtlich<br />
unbe<strong>de</strong>nklich, wenn die betreffen<strong>de</strong>n Fallgruppen <strong>de</strong>n miteinan<strong>de</strong>r<br />
kollidieren<strong>de</strong>n grundrechtlichen Positionen hinreichend<br />
Rechnung tragen. Dies kann in abstrakter Weise geschehen. Verweist<br />
die Fallgruppe aber auf Prognosen und die Anwendung<br />
unbestimmter, insbeson<strong>de</strong>re wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe,<br />
ist die Rechtsanwendung nicht ein<strong>de</strong>utig vorgegeben.<br />
Dann sind auf <strong>de</strong>n konkreten Fall bezogene Feststellungen zur<br />
Gefährdung <strong>de</strong>s von § 1 UWG geschützten Rechtsgutes und bei<br />
Kollisionen unterschiedlicher Rechtsgüter eine die betroffenen<br />
Interessen erfassen<strong>de</strong> Abwägung erfor<strong>de</strong>rlich (vgl. BVerfG, NJW<br />
2002, 1187, 1188). Dementsprechend ist das BVerfG im Benetton-Urteil<br />
nicht von <strong>de</strong>n Tatbestandselementen <strong>de</strong>r einschlägi-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 21<br />
gen Fallgruppe ausgegangen, son<strong>de</strong>rn hat das angegriffene Unterlassungsgebot<br />
selbständig am Maßstab <strong>de</strong>s Art. 5 Abs. 1 Satz<br />
1 GG bewertet (vgl. BVerfGE 102, 347, 364 ff.).<br />
Von <strong>de</strong>n Tatbestandselementen <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Rspr. zu § 1 UWG<br />
entwickelten Fallgruppen kann eine aus praktischer Erfahrung<br />
gewonnene Indizwirkung für die Gefährdung <strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs<br />
und damit zusammenhängend die Sittenwidrigkeit<br />
ausgehen. Allerdings müssen die Fachgerichte prüfen, ob die Indizwirkung<br />
im konkreten Fall ausreicht, um die Rechtsfolge,<br />
eine Einschränkung <strong>de</strong>r Meinungsfreiheit, zu rechtfertigen (vgl.<br />
BVerfG, NJW 2002, 1187, 1188).<br />
Die Fallgruppe <strong>de</strong>r getarnten Werbung ist nicht ein<strong>de</strong>utig eingegrenzt,<br />
son<strong>de</strong>rn bei <strong>de</strong>r Rechtsanwendung in hohem Maße<br />
auf werten<strong>de</strong> Einschätzungen und Prognosen <strong>de</strong>r Folgen einer<br />
solchen Werbung angewiesen. Das gilt insbeson<strong>de</strong>re für die<br />
Merkmale <strong>de</strong>r sachlichen Unterrichtung, <strong>de</strong>r Werbewirkung<br />
und <strong>de</strong>ren Übermaß beziehungsweise Einseitigkeit. Wird die<br />
Fallgruppe <strong>de</strong>r getarnten Werbung auf die journalistische Tätigkeit<br />
durch ein Medienunternehmen angewandt, bieten die im<br />
Wettbewerbs- und Medienrecht entwickelten Grundsätze über<br />
die Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigenteil Anhaltspunkte<br />
<strong>de</strong>r Bewertung und damit <strong>de</strong>r Feststellung einer Gefährdung<br />
<strong>de</strong>s Schutzgutes im konkreten Fall.<br />
Gefahr für Leistungswettbewerb<br />
nicht<br />
dargelegt<br />
Eine spezifische Gefahr für <strong>de</strong>n<br />
Leistungswettbewerb, die von<br />
<strong>de</strong>n Ranglisten als solchen ausgeht,<br />
wird in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n<br />
nicht dargelegt. Dass<br />
ein journalistischer Beitrag über Anwaltskanzleien mit Werbewirkung<br />
allgemein o<strong>de</strong>r im konkreten Fall <strong>de</strong>m Leistungswettbewerb<br />
in <strong>de</strong>r Anwaltschaft zuwi<strong>de</strong>rläuft, etwa mit Rücksicht<br />
auf die Funktion <strong>de</strong>r Anwaltschaft als Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege<br />
(§ 1 BRAO), hätte <strong>de</strong>r näheren Begründung bedurft. Soweit das<br />
OLG auf die begrenzte Offenlegung <strong>de</strong>r Bewertungsgrundlagen<br />
und -kriterien abstellt, fehlen im Berufungsurteil Feststellungen<br />
insbeson<strong>de</strong>re dazu, dass die angesprochenen Kreise die Erläuterungen<br />
nicht selbst angemessen zu werten wissen o<strong>de</strong>r dass<br />
die verbleiben<strong>de</strong>n Unklarheiten Gefahren für <strong>de</strong>n Leistungswettbewerb<br />
bedingen.<br />
Es ist auch nicht festgestellt wor<strong>de</strong>n, dass durch die Veröffentlichung<br />
von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe<br />
von Inseraten hingewirkt wird. Auch dies hätte einer die spezifische<br />
Gefährdung <strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs einbeziehen<strong>de</strong>n<br />
Begründung bedurft. Dafür reicht <strong>de</strong>r Hinweis auf das Interesse<br />
<strong>de</strong>r Bf. an <strong>de</strong>r Akquisition von Anzeigenaufträgen nicht aus. Anzeigenfinanzierte<br />
Medien sind regelmäßig darauf angewiesen,<br />
zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren. Die Bewertung als<br />
sittenwidrig erfor<strong>de</strong>rt die Feststellung zusätzlicher Umstän<strong>de</strong>,<br />
die etwa gegeben sind, wenn durch Vortäuschung einer neutralen<br />
redaktionellen Leistung ein werben<strong>de</strong>r, auf die Akquisition<br />
gerichteter Inhalt verborgen wird. Entsprechen<strong>de</strong> Feststellungen<br />
hat das OLG nicht getroffen.<br />
cc) Schließlich fehlt es für <strong>de</strong>n Fall, dass eine hinreichen<strong>de</strong> Gefährdung<br />
<strong>de</strong>s Schutzguts festgestellt wer<strong>de</strong>n sollte, an tragfähigen<br />
Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>s Unterlassungsgebots.<br />
Ein umfassen<strong>de</strong>s Unterlassungsgebot<br />
ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
wenn klarstellen<strong>de</strong> Zusätze,<br />
etwa Hinweise auf die Quellen<br />
<strong>de</strong>r Ranglisten, ausreichen, um<br />
Umfassen<strong>de</strong>s Unterlassungsgebotunverhältnismäßig<br />
Irreführungen und eine hierdurch hervorgerufene Beeinträchtigung<br />
<strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs auszuschließen. Eine dahin gehen<strong>de</strong><br />
einschränken<strong>de</strong> Verurteilung ist, wenn nicht <strong>de</strong>r Klageantrag<br />
diese Möglichkeit ohnehin berücksichtigt, nach <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
fachgerichtlichen Rspr. auch bei einem umfassen<strong>de</strong>n Unterlassungsbegehren<br />
zulässig (vgl. BGHZ 78, 9, 18 ff.). Im Zuge <strong>de</strong>s<br />
Verfahrens über die einstweilige Anordnung haben die Bf. zum<br />
Teil neue klarstellen<strong>de</strong> Formulierungen für die Neuauflage <strong>de</strong>s<br />
Handbuchs angekündigt, mit <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>s<br />
OLG Rechnung tragen wollen. Bei <strong>de</strong>r Neuverhandlung <strong>de</strong>r<br />
Sache wird zu prüfen sein, ob eine vom OLG möglicherweise<br />
bejahte Gefährdung <strong>de</strong>s Leistungswettbewerbs auf solche<br />
Weise abgewehrt wer<strong>de</strong>n kann. Die neuen Formulierungen<br />
sind vom BVerfG bislang allerdings nur im Rahmen <strong>de</strong>r nach<br />
§ 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmen<strong>de</strong>n Abwägung, nicht hingegen<br />
in <strong>de</strong>r Sache selbst einer Würdigung unterzogen wor<strong>de</strong>n.<br />
2. Da die Entscheidung <strong>de</strong>s BGH möglicherweise auf <strong>de</strong>nselben<br />
Erwägungen beruht wie das Berufungsurteil, verletzt auch sie<br />
die Bf. in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.<br />
3. a) Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung <strong>de</strong>r<br />
Bf. in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG festzustellen.<br />
Auf die weiter gehen<strong>de</strong>n Grundrechtsrügen kommt es nicht<br />
an. Die angegriffenen Entscheidungen wer<strong>de</strong>n gem. § 95 Abs. 2<br />
BVerfGG aufgehoben. Die Sache wird an das OLG zurückverwiesen,<br />
weil die erneute Bearbeitung in einer Tatsacheninstanz<br />
angezeigt ist.<br />
b) Gemäß § 34a BVerfGG sind <strong>de</strong>n Bfn. die notwendigen Auslagen<br />
von <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland zu erstatten. Die<br />
Festsetzung <strong>de</strong>s Gegenstandswertes folgt aus § 113 Abs. 2 Satz 3<br />
BRAGO.<br />
Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung,<br />
die Zuschauern bei <strong>de</strong>r Durchsetzung ihrer Interessen<br />
hilft; GG Art. 12; RBerG Art. 1 Abs. 1; UWG § 1<br />
* 1. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet <strong>de</strong>n RAen grundsätzlich<br />
keinen Schutz vor Konkurrenz.<br />
* 2. Die Anwaltschaft kann aus <strong>de</strong>m Grundrecht <strong>de</strong>r Berufsfreiheit<br />
nicht ein verfassungsmäßig verbürgtes Recht auf Fortbestand<br />
<strong>de</strong>s RBerG ableiten.<br />
BVerfG, Beschl. v. 12.8.2002 – 1 BvR 1264/02<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
1. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> betrifft die Frage, ob das Gesetz<br />
über <strong>de</strong>n unlauteren Wettbewerb einem RA ermöglicht, Medienberichten<br />
über Rechtsfälle, bei <strong>de</strong>nen sich die Medien auch<br />
aktiv einschalten, mit <strong>de</strong>r Unterlassungsklage zu begegnen.<br />
Wird nur die von <strong>de</strong>r Berichterstattung in Medien ausgehen<strong>de</strong><br />
Wirkung benutzt, um For<strong>de</strong>rungen von Zuschauern aufgrund<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Drucks durchzusetzen, ohne dass <strong>de</strong>r Schwerpunkt<br />
<strong>de</strong>r Hilfestellung im rechtlichen Bereich liegt, ist nicht bereits<br />
von einer Rechtsberatung i.S.d. RBerG auszugehen, hat <strong>de</strong>r<br />
BGH mit <strong>de</strong>m angegriffenen Urt. entschie<strong>de</strong>n. Hiergegen wen<strong>de</strong>t<br />
sich <strong>de</strong>r Bf. mit <strong>de</strong>r Rüge <strong>de</strong>r Verletzung von Art. 12 Abs. 1<br />
und Art. 20 Abs. 3 GG.<br />
2. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ist nicht zur Entscheidung anzunehmen.<br />
Die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen<br />
nicht vor. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> hat keine grundsätzliche<br />
verfassungsrechtliche Be<strong>de</strong>utung. Ihre Annahme ist auch nicht<br />
zur Durchsetzung <strong>de</strong>r vom Bf. als verletzt gerügten Rechte angezeigt.<br />
Für eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen<br />
Rechten ist nichts ersichtlich.<br />
Dass Art. 12 Abs. 1 GG <strong>de</strong>n RAen keinen Schutz vor Konkurrenz<br />
gewährleistet, hat das BVerfG schon entschie<strong>de</strong>n (vgl. BVerfGE<br />
97, 12, 31). Die Anwaltschaft kann aus <strong>de</strong>m Grundrecht <strong>de</strong>r Be-
22 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
rufsfreiheit nicht ein verfassungsmäßig verbürgtes Recht auf<br />
Fortbestand <strong>de</strong>s RBerG ableiten. Auslegung und Anwendung<br />
dieses Gesetzes können vom BVerfG nur eingeschränkt überprüft<br />
wer<strong>de</strong>n (vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f., 96; 85, 248, 257 f.).<br />
Der BGH hat die verfassungsrechtlichen Grenzen ersichtlich<br />
Zu einer Unterlassungsverfügung durch eine Rechtsanwaltskammer/Zur<br />
Nutzung <strong>de</strong>r Domain „www.<br />
rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“; BRAO §§ 43b, 57, 73, 74;<br />
BORA § 6<br />
* 1. Die BRAO verleiht <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r RAK nicht das Recht,<br />
festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen<br />
mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.<br />
* 2. Derart weitgehen<strong>de</strong>, einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eingriffsmöglichkeiten<br />
wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s RA nicht gerecht, da dieser unabhängiges<br />
Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege ist und als solches nicht in<br />
einem allgemeinen Abhängigkeits- o<strong>de</strong>r Unterordnungsverhältnis<br />
zum Kammervorstand steht.<br />
* 3. Die Verwendung <strong>de</strong>s Domain-Namens „www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“<br />
verstößt nicht gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1<br />
BORA.<br />
BGH, Beschl. v. 25.11.2002 – AnwZ (B) 8/02<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Der Ast. betreibt zusammen mit einem an<strong>de</strong>ren RA eine Anwaltskanzlei<br />
und ist zugleich als Notar tätig.<br />
Im Internet unterhält er eine Homepage unter <strong>de</strong>m Domain-<br />
Namen „www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“. Mit Schreiben v. 29.1.<br />
2001 for<strong>de</strong>rte die Agin. <strong>de</strong>n Ast. auf, die Verwendung dieses Domain-Namens<br />
„mit sofortiger Wirkung zu unterlassen“.<br />
Dem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />
hat <strong>de</strong>r AGH mit Beschl. v. 29.11.2001 stattgegeben und<br />
<strong>de</strong>n angefochtenen Bescheid v. 29.1.2001 aufgehoben. Dagegen<br />
richtet sich die zugelassene sofortige Beschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Agin.<br />
II. Die sofortige Beschwer<strong>de</strong> ist zulässig (§ 223 Abs. 3 BRAO),<br />
bleibt jedoch in <strong>de</strong>r Sache ohne Erfolg.<br />
1. Der Beschwer<strong>de</strong> ist schon <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Erfolg zu versagen,<br />
weil die BRAO <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r RAK nicht das Recht verleiht,<br />
festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen<br />
mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.<br />
a) Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r<br />
RAK, die Kammermitglie<strong>de</strong>r in Fragen <strong>de</strong>r Berufspflichten zu beraten<br />
und zu belehren. Des Weiteren hat er nach § 73 Abs. 2<br />
Nr. 4 BRAO die Erfüllung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kammermitglie<strong>de</strong>rn obliegen<strong>de</strong>n<br />
Pflichten zu überwachen und das Recht <strong>de</strong>r Rüge zu<br />
handhaben.<br />
Stellt <strong>de</strong>r Vorstand einer RAK in Wahrnehmung seiner Aufgaben<br />
fest, dass sich ein RA berufswidrig verhalten hat, so belässt es<br />
<strong>de</strong>r Vorstand häufig nicht dabei, <strong>de</strong>n RA auf die Rechtsauffassung<br />
<strong>de</strong>r Kammer hinzuweisen und über <strong>de</strong>n Inhalt seiner Berufspflichten<br />
zu belehren, vielmehr wird <strong>de</strong>r RA darauf hingewiesen,<br />
dass er das beanstan<strong>de</strong>te Verhalten zu unterlassen habe,<br />
bzw. dass er dann, wenn innerhalb einer bestimmten Frist <strong>de</strong>r<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Orientierungssätze/*Leitsätze <strong>de</strong>r Redaktion<br />
nicht überschritten. Die von ihm durchaus in Betracht gezogenen<br />
negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit <strong>de</strong>rartigen<br />
Medienberichten berühren nicht eigene Grundrechte <strong>de</strong>s Bf.,<br />
son<strong>de</strong>rn allenfalls solche von Drittbetroffenen als Teilnehmern<br />
am Rechtsverkehr.<br />
Berufsrechtsverstoß nicht abgestellt wer<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r Einleitung eines<br />
Rügeverfahrens o<strong>de</strong>r eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens<br />
zu rechnen habe. Diese Praxis <strong>de</strong>r RAKn ist für sich genommen<br />
nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>m betroffenen RA die möglichen<br />
Konsequenzen seines Verhaltens <strong>de</strong>utlich vor Augen geführt<br />
wer<strong>de</strong>n und er zu<strong>de</strong>m ausreichend Gelegenheit hat, die Rechtslage<br />
zu prüfen, ohne unmittelbare Sanktionen fürchten zu müssen.<br />
Erteilt <strong>de</strong>r Vorstand einer RAK einem Kammermitglied eine <strong>de</strong>rartige<br />
missbilligen<strong>de</strong> Belehrung, so stellt diese nach <strong>de</strong>r Rspr.<br />
<strong>de</strong>s Senats eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, <strong>de</strong>n<br />
RA in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie nach<br />
§ 223 Abs. 1 BRAO anfechtbar (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.1996<br />
– AnwZ [B] 20/96 – NJW-RR 1997, 759 und v. 17.12.2001 –<br />
AnwZ [B] 12/01 – NJW 2002, 608; Feuerich/Braun, BRAO,<br />
5. Aufl., § 73 Rdnr. 19 ff.).<br />
b) Ausgehend vom Wortlaut ist aus <strong>de</strong>r Sicht eines verständigen<br />
Empfängers das Gebot, die Verwendung <strong>de</strong>s Domain-Namens<br />
„www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“ zu unterlassen, die Kernaussage<br />
<strong>de</strong>s Schreibens v. 29.1.2001. So hat es auch <strong>de</strong>r Ast. verstan<strong>de</strong>n<br />
und unter an<strong>de</strong>rem daraus die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>s Bescheids<br />
hergeleitet. Es geht daher nicht an, die Rechtsausführungen<br />
<strong>de</strong>r Agin. als Belehrung zu verstehen, bei <strong>de</strong>r die<br />
Unterlassungsauffor<strong>de</strong>rung nur als eine unselbständige Folgerung<br />
erscheint (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 7.11.1983 – AnwZ<br />
[B] 21/83 – NJW 1984, 1042, 1044).<br />
c) Die Frage, ob <strong>de</strong>r Vorstand <strong>de</strong>r RAK von einem kammerangehörigen<br />
RA kraft Berufsrechts die Vornahme o<strong>de</strong>r Unterlassung<br />
einer bestimmten Handlung verlangen kann, hat <strong>de</strong>r Senat<br />
bisher offengelassen (vgl. Senatsbeschl. v. 7.11.1983, a.a.O.).<br />
Sie ist im Anschluss an die ältere Rspr. <strong>de</strong>s Ehrengerichtshofs<br />
beim Reichsgericht (EGHE 1, 193, 199; 16, 205, 210) und ein<br />
neueres Urt. <strong>de</strong>s I. Zivilsenats <strong>de</strong>s BGH (Urt. v. 25.10.2001 –<br />
I ZR 29/99 – NJW 2002, 2039, 2040) zu verneinen.<br />
Keine Rechtsgrundlage<br />
für Unterlassungsverfügungen<br />
aus <strong>de</strong>r BRAO<br />
In § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO wird<br />
nicht nur die Aufgabe <strong>de</strong>s Kammervorstands<br />
beschrieben, die<br />
Erfüllung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
Kammer obliegen<strong>de</strong>n Pflichten<br />
zu überwachen, son<strong>de</strong>rn zu-<br />
gleich das Mittel genannt, das <strong>de</strong>m Vorstand zur Ahndung von<br />
Pflichtverstößen aus eigenem Recht zusteht (Rügerecht nach<br />
§ 74 BRAO; für die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens,<br />
das allerdings vom Vorstand <strong>de</strong>r RAK beantragt wer<strong>de</strong>n<br />
kann, ist allein die Staatsanwaltschaft zuständig, vgl. §§ 121,<br />
122 BRAO).<br />
Darüber hinaus ist in § 57 BRAO ausdrücklich bestimmt, dass<br />
<strong>de</strong>r Vorstand <strong>de</strong>r RAK einen RA zur Einhaltung <strong>de</strong>r in § 56<br />
Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten beson<strong>de</strong>ren Pflichten, die <strong>de</strong>m<br />
Kammermitglied gegenüber <strong>de</strong>m Vorstand obliegen (insbeson-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 23<br />
<strong>de</strong>re Auskunftspflichten), durch Festsetzung eines Zwangsgel<strong>de</strong>s<br />
anhalten kann.<br />
Diesem Normengefüge ist insgesamt zu entnehmen, dass die<br />
BRAO <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r RAK keine Rechtsgrundlage dafür gibt,<br />
Pflichtverletzungen aller Art, die ein RA gegenüber einem Mandanten<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m sonstigen rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikum gegenüber<br />
begangen hat o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Begehung unmittelbar bevorsteht,<br />
durch <strong>de</strong>n Erlass mit Verwaltungszwang durchsetzbarer<br />
Ge- und Verbote zu begegnen. Derart weitgehen<strong>de</strong>, einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Eingriffsmöglichkeiten wür<strong>de</strong>n auch <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s RA<br />
nicht gerecht.<br />
Dieser ist unabhängiges Organ<br />
<strong>de</strong>r Rechtspflege (§ 1<br />
BRAO) und steht als solches<br />
nicht in einem allgemeinen<br />
Abhängigkeits- o<strong>de</strong>r Unter-<br />
ordnungsverhältnis zum Kammervorstand (vgl. Feuerich/Braun,<br />
a.a.O., § 73 Rdnr. 32).<br />
2. Auch in <strong>de</strong>r Sache selbst ist die in Form einer Untersagungsverfügung<br />
geklei<strong>de</strong>te Beanstandung <strong>de</strong>r Agin. nicht gerechtfertigt.<br />
Ausgehend von <strong>de</strong>r Rspr. <strong>de</strong>s I Zivilsenats <strong>de</strong>s BGH und <strong>de</strong>r Rspr.<br />
<strong>de</strong>s Senats (vgl. <strong>de</strong>n zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehenen<br />
Beschl. v. heutigen Tage – AnwZ [B] 41/02) verstößt die<br />
Verwendung <strong>de</strong>s Domain-Namens „www.rechtsanwaeltenotar.<strong>de</strong>“<br />
durch <strong>de</strong>n Ast. nicht gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1<br />
BORA.<br />
Gemäß § 43b BRAO ist <strong>de</strong>m RA Werbung erlaubt, soweit sie<br />
über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet<br />
und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet<br />
ist. Diese Bestimmung hat in <strong>de</strong>n §§ 6 ff. BORA teilweise<br />
eine nähere Ausgestaltung erfahren. Nach § 6 Abs. 1 BORA darf<br />
<strong>de</strong>r RA über seine Dienstleistung und seine Person informieren,<br />
soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen<br />
sind.<br />
Richtet eine aus einem RA und einem Anwaltsnotar bestehen<strong>de</strong><br />
Kanzlei eine eigene Homepage ein, die über die Berufsbezeichnung<br />
„www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“ zu erreichen ist, so<br />
stellt dies eine Werbung dar, die darauf abzielt, <strong>de</strong>n Verkehr für<br />
die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Kanzlei und ihrer<br />
Mitglie<strong>de</strong>r zu gewinnen.<br />
a) Die Form und <strong>de</strong>r Inhalt dieser Werbung, die sich im Wesentlichen<br />
in <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kanzleimitglie<strong>de</strong>r (mit<br />
Lichtbild) von <strong>de</strong>r Angabe ihrer Tätigkeitsschwerpunkte erschöpft,<br />
ist nicht unsachlich. Eine Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>m Erscheinungsbild<br />
und <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r Werbung besteht nicht (vgl.<br />
hierzu BGHZ 147, 71, 76 ff. – Anwaltswerbung II). Sie wird vorliegend<br />
insbeson<strong>de</strong>re auch nicht dadurch hervorgerufen, dass<br />
sich <strong>de</strong>r Ast. durch die Auswahl <strong>de</strong>s seine beruflichen Tätigkeiten<br />
kennzeichnen<strong>de</strong>n Domain-Namens gegenüber an<strong>de</strong>ren<br />
RAen und Notaren insoweit einen Vorteil verschafft hat, dass<br />
diese daran gehin<strong>de</strong>rt sind, <strong>de</strong>nselben Domain-Namen zu verwen<strong>de</strong>n<br />
und die Möglichkeiten, einen Domain-Namen unter<br />
Verwendung von Begriffen auszusuchen, die alternativ <strong>de</strong>n Beruf<br />
<strong>de</strong>s RA o<strong>de</strong>r Notars bezeichnen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Tätigkeit beschreiben,<br />
naturgemäß begrenzt sind (vgl. BHG, Urt. v.<br />
21.2.2002 – I ZR 281/99 – NJW 2002, 2642, 2644 f. – Vanity-<br />
Nummer; BGHZ 148, 1, 5, ff. – Mitwohnzentrale.<strong>de</strong>).<br />
Im Übrigen hat <strong>de</strong>r AGH zu Recht darauf hingewiesen, dass die<br />
vom Ast. gewählte, einmal im Plural und einmal im Singular stehen<strong>de</strong>,<br />
mit einem Bin<strong>de</strong>strich versehene Kombination <strong>de</strong>r Begriffe<br />
Rechtsanwälte und Notar durchaus ungewöhnlich ist. Ein<br />
rechtsuchen<strong>de</strong>r Internet-Nutzer, <strong>de</strong>r an Dienstleistungen eines<br />
RA o<strong>de</strong>r eines Notars interessiert ist, wird, wenn er sich nicht einer<br />
Suchmaschine bedient, son<strong>de</strong>rn sich unter Einsatz <strong>de</strong>r Gat-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Kein Abhängigkeits- und<br />
Unterordnungsverhältnis<br />
zum Kammervorstand<br />
tungsbegriffe Rechtsanwalt, Rechtsanwälte, Notar, Notare <strong>de</strong>n<br />
unmittelbaren Zugang zu einem Anbieter <strong>de</strong>rartiger Dienstleistungen<br />
zu verschaffen sucht, nur mehr o<strong>de</strong>r weniger zufällig genau<br />
die Bergriffskombination eingeben, mit <strong>de</strong>r er auf die<br />
Homepage <strong>de</strong>s Ast. stößt.<br />
Geringe Gefahr einer<br />
Kanalisierung von<br />
Kun<strong>de</strong>nströmen<br />
Die Gefahr einer Kanalisierung<br />
von Kun<strong>de</strong>nströmen durch die<br />
Verwendung <strong>de</strong>s beanstan<strong>de</strong>ten<br />
Domain-Namens ist daher sehr<br />
gering.<br />
b) Die in <strong>de</strong>r Verwendung <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Agin. beanstan<strong>de</strong>ten Domain-Namens<br />
liegen<strong>de</strong> Werbung ist auch nicht als irreführend<br />
unter <strong>de</strong>m Aspekt einer unzutreffen<strong>de</strong>n Alleinstellungsbehauptung<br />
anzusehen.<br />
Der durchschnittlich informierte<br />
und verständige Internet-Nutzer,<br />
auf <strong>de</strong>n insoweit maßgeblich abzustellen<br />
ist (vgl. BGHZ 148, 1,<br />
7), weiß von vornherein, dass die<br />
Keine irreführen<strong>de</strong><br />
Alleinstellungsbehauptung<br />
unter Verwendung <strong>de</strong>r Gattungsbegriffe Rechtsanwalt und Notar<br />
gefun<strong>de</strong>ne Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot<br />
anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen repräsentiert.<br />
Auch erscheint es nach <strong>de</strong>r Lebenserfahrung nicht als wahrscheinlich,<br />
dass <strong>de</strong>r Internet-Nutzer die Vorstellung hat, bei Eingabe<br />
<strong>de</strong>s vom Ast. verwen<strong>de</strong>ten Domain-Namens wer<strong>de</strong> er einen<br />
Überblick über das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller<br />
Dienstleistungen o<strong>de</strong>r auch nur ein sach- und fachkundig<br />
aufbereitetes Informationsangebot erhalten (vgl. Urt. v.<br />
21.2.2002, a.a.O., 2645).<br />
c) Soweit die Bfin. weiter meint, allein dadurch, dass <strong>de</strong>r im Domain-Namen<br />
enthaltene Begriff Rechtsanwalt in <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />
verwen<strong>de</strong>t wird, wer<strong>de</strong> über die tatsächliche Be<strong>de</strong>utung und<br />
Größe <strong>de</strong>r Kanzlei <strong>de</strong>s Ast. irregeführt, ist ihr nicht zu folgen.<br />
Durch die Pluralform wird lediglich zum Ausdruck gebracht,<br />
dass die unter diesem Begriff am Internet-Verkehr teilnehmen<strong>de</strong><br />
Kanzlei min<strong>de</strong>stens zwei Mitglie<strong>de</strong>r hat, die zur Rechtsanwaltschaft<br />
zugelassen sind. Das ist hier <strong>de</strong>r Fall. Darüber hinaus<br />
kann <strong>de</strong>r Bfin. auch nicht darin zugestimmt wer<strong>de</strong>n, dass selbst<br />
<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r weiß, dass es in einigen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn Anwaltsnotare<br />
gibt, mit min<strong>de</strong>stens drei Sozietätsmitglie<strong>de</strong>rn – zwei<br />
RAen und einem Notar – rechnet. Es ist gera<strong>de</strong> die Beson<strong>de</strong>rheit<br />
<strong>de</strong>s Anwaltsnotariats, dass hier ein RA zugleich <strong>de</strong>n Beruf eines<br />
Notars ausüben darf. Dann aber ist für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r um diese Beson<strong>de</strong>rheit<br />
weiß, offenkundig, dass er es vorliegend möglicherweise<br />
mit einer Kanzlei zu tun hat, bei <strong>de</strong>r nur insgesamt zwei<br />
Personen über die angegebene berufliche Qualifikation verfügen.<br />
Im Übrigen wird die etwaige Fehlvorstellung eines Internet-Nutzers<br />
über die Zahl <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Domain-Namen<br />
„www.rechtsanwaelte-notar.<strong>de</strong>“ zu fin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kanzlei bei „Aufschlagen“<br />
dieser Homepage sofort korrigiert. Je<strong>de</strong>nfalls dadurch<br />
wird <strong>de</strong>r Gefahr einer Irreführung hinreichend begegnet (vgl.<br />
BGHZ 148, 1, 7).<br />
Anmerkung<br />
Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 25.11.2002 hat <strong>de</strong>r<br />
Anwaltssenat <strong>de</strong>s BGH endlich für Rechtsklarheit gesorgt.<br />
Die Frage, ob es <strong>de</strong>m Vorstand einer RAK rechtlich möglich<br />
ist, festgestellten Verstößen gegen Bestimmungen <strong>de</strong>s Berufsrechts<br />
mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen, ist<br />
bisher äußerst umstritten gewesen. Die Mehrheit <strong>de</strong>r RAKn<br />
hat aufgrund rechtlicher Be<strong>de</strong>nken grundsätzlich auf Unterlassungsverfügungen<br />
verzichtet. Von einigen Kammervor-
24 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
stän<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n bisher jedoch regelmäßig Verwaltungsakte<br />
beschlossen, die ihren Mitglie<strong>de</strong>rn ein bestimmtes Tun o<strong>de</strong>r<br />
Unterlassen berufsrechtlich aufgegeben haben. Die Zulässigkeit<br />
<strong>de</strong>rartiger Verfügungen ist von <strong>de</strong>n Anwaltsgerichtshöfen<br />
– soweit ersichtlich – niemals in Frage gestellt wor<strong>de</strong>n.<br />
1 Zuletzt hatte <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rsächsische AGH in einem Beschl.<br />
v. 17.9.20022 § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO als<br />
Rechtsgrundlage für eine Untersagungsverfügung zugrun<strong>de</strong><br />
gelegt. Das Gericht erläutert in dieser Entscheidung jedoch<br />
nicht schlüssig, woraus es <strong>de</strong>n zwingen<strong>de</strong>n Schluss zieht,<br />
dass das Belehrungs- und Rügerecht <strong>de</strong>r BRAO eine weitergehen<strong>de</strong><br />
Ermächtigung umfasst. Zu<strong>de</strong>m stützt sich <strong>de</strong>r AGH<br />
auf eine Entscheidung <strong>de</strong>s BGH3 , in <strong>de</strong>r dieser die Frage nach<br />
<strong>de</strong>r grundsätzlichen Zulässigkeit einer Unterlassungsverfügung<br />
gera<strong>de</strong> offen gelassen hatte.<br />
Der BGH begrün<strong>de</strong>t seine Entscheidung damit, dass <strong>de</strong>m gesamten<br />
Normengefüge <strong>de</strong>r BRAO keine Ermächtigungsgrundlage<br />
zum Erlass von Unterlassungsverfügungen zu entnehmen<br />
sei. 4 Einer <strong>de</strong>rartigen Auslegung ist bisher entgegengehalten<br />
wor<strong>de</strong>n, sie sei positivistisch beschränkt und schaue<br />
nicht über <strong>de</strong>n Tellerrand <strong>de</strong>s § 73 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 74<br />
BRAO hinaus. Für die Zulässigkeit eines <strong>de</strong>rartigen Verwaltungsakts<br />
spreche schon <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 5<br />
Diese Argumentation übersieht jedoch, dass die Verhältnismäßigkeit<br />
einer Maßnahme dann keine Berücksichtigung<br />
fin<strong>de</strong>n kann, wenn es schon an einer klaren gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage<br />
für dieselbe fehlt. Auch ist es kaum<br />
vertretbar, das verfassungsrechtliche Prinzip vom Vorbehalt<br />
<strong>de</strong>s Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG für Unterlassungsverfügungen<br />
einer RAK zu vernachlässigen. 6 For<strong>de</strong>rt die Kammer<br />
einen RA mit sofortiger Wirkung auf, die Verwendung eines<br />
Domain-Namens zu unterlassen, ist dieser Eingriff in die Berufsausübung<br />
<strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Kollegen so durchgreifend,<br />
dass man aus verfassungsrechtlicher Sicht auf eine hinreichen<strong>de</strong><br />
Ermächtigungsgrundlage nicht verzichten kann. 7 Der<br />
BGH kommt zu Recht zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass die BRAO die<br />
Kompetenzen <strong>de</strong>s Kammervorstands abschließend beschreibt.<br />
We<strong>de</strong>r das Recht <strong>de</strong>r RAKn, ihre eigenen Mitglie<strong>de</strong>r<br />
zu belehren (§ 73 Abs. 2 Nr. 1) noch das Rügerecht (§ 74) enthalten<br />
Anhaltspunkte für eine weitere – ungeschriebene –<br />
„Annexkompetenz“. Der Gesetzgeber hätte das Recht zum<br />
Erlass von Unterlassungsverfügungen explizit erwähnt, wenn<br />
er dies gewollt hätte.<br />
Der Anwaltssenat geht mit seiner Entscheidung jedoch weiter.<br />
Er bringt zum Ausdruck, dass seiner Ansicht nach <strong>de</strong>rart<br />
1 An<strong>de</strong>rs hat dies in<strong>de</strong>s die ältere Rspr. <strong>de</strong>s Ehrengerichtshofs beim<br />
Reichsgerichtshof (EGHE 1, 93, 199 ; 16, 205, 210) gesehen.<br />
2 BRAK-Mitt. <strong>2003</strong>, 37.<br />
3 BGH, NJW 1984, 1042 (1044 a.E.) = BRAK-Mitt. 1984, 84.<br />
4 Missverständlich ist, wenn <strong>de</strong>r BGH ausführt, dass es keine<br />
Rechtsgrundlage für die RAK gebe, „Pflichtverletzungen aller Art,<br />
die ein RA gegenüber einem Mandanten (...) begangen hat (...),<br />
durch <strong>de</strong>n Erlass mit Verwaltungszwang durchsetzbarer Ge- und<br />
Verbote zu begegnen.“ Selbst wenn man eine Rechtsgrundlage<br />
für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>rartiger Verfügungen annimmt, hätte die RAK<br />
nach <strong>de</strong>r BRAO keine Möglichkeit, diese mit Verwaltungszwang<br />
durchzusetzen. § 57 BRAO (Festsetzung und Vollstreckung eines<br />
Zwangsgel<strong>de</strong>s) kommt nach <strong>de</strong>m Wortlaut nicht in Betracht.<br />
§ 204 BRAO ist ersichtlich nicht einschlägig.<br />
5 Kleine-Cosack, ZAP Fach 23, S. 508 f.<br />
6 So aber Kleine-Cosack, a.a.O, S. 509, <strong>de</strong>r die Ansicht vertritt, dass<br />
es mangels Wesentlichkeit einer ergänzen<strong>de</strong>n Ermächtigung zur<br />
Wahl dieser Handlungsform angesichts <strong>de</strong>r ohnehin bestehen<strong>de</strong>n<br />
Kompetenz <strong>de</strong>r Kammern zu einem hoheitlichen Vorgehen keiner<br />
spezialgesetzlichen Regelung bedürfe.<br />
7 Vgl. auch VGH Mannheim (NJW 2000, 1810) zu einer entsprechen<strong>de</strong>n<br />
hoheitlichen Maßnahme einer Lan<strong>de</strong>särztekammer.<br />
8 BGH, NJW 2002, 2039 ff.; st. Rspr.<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
weitgehen<strong>de</strong>, einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eingriffsmöglichkeiten <strong>de</strong>r<br />
Stellung <strong>de</strong>s RA prinzipiell nicht gerecht wür<strong>de</strong>n. Als unabhängiges<br />
Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege stehe dieser nicht in einem<br />
allgemeinen Abhängigkeits- o<strong>de</strong>r Unterordnungsverhältnis<br />
zum Kammervorstand. Dieser zu engen Sichtweise <strong>de</strong>s Anwaltssenats<br />
ist nicht zuzustimmen. Bei seiner Argumentation<br />
verkennt <strong>de</strong>r Senat, dass aus <strong>de</strong>r Tatsache, dass <strong>de</strong>r Kammervorstand<br />
die öffentliche Aufgabe <strong>de</strong>r Aufsichtsführung wahrnimmt,<br />
nicht folgt, dass zwischen RA und Kammervorstand<br />
ein generelles Abhängigkeitsverhältnis besteht. Demzufolge<br />
ist es auch nicht prinzipiell ausgeschlossen, <strong>de</strong>m Kammervorstand<br />
für <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Bereich <strong>de</strong>r Aufsicht neben <strong>de</strong>m<br />
Rügerecht das Recht zum Erlass von Unterlassungsverfügungen<br />
einzuräumen. Hierzu bedarf es allerdings einer Än<strong>de</strong>rung<br />
durch <strong>de</strong>n Gesetzgeber.<br />
Für die Einführung einer Ermächtigungsgrundlage für Unterlassungsverfügungen<br />
– nach <strong>de</strong>r die RAK Ge- und Verbote<br />
auch mit Verwaltungszwang durchsetzen kann – sprechen<br />
gute Grün<strong>de</strong>. Durch eine <strong>de</strong>rartige Maßnahme ist es <strong>de</strong>r<br />
RAK möglich, eine streitige berufsrechtliche Frage zu klären,<br />
ohne dass <strong>de</strong>r Kammervorstand gegenüber seinem Mitglied<br />
eine Rüge aussprechen muss. Der Bescheid könnte nach<br />
§ 223 BRAO mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />
beim AGH angegriffen wer<strong>de</strong>n, wobei <strong>de</strong>r AGH die<br />
Möglichkeit hat, die Beschwer<strong>de</strong> zum BGH zuzulassen<br />
(§ 223 Abs. 3 BRAO). Der Rechtsweg bei einer Rüge en<strong>de</strong>t<br />
hingegen beim Anwaltsgericht, so dass be<strong>de</strong>utsame und<br />
streitige Rechtsfragen nur durch das BVerfG geklärt wer<strong>de</strong>n<br />
können. Zu<strong>de</strong>m müssten die RAKn nicht mehr auf Klagen<br />
nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zurückgreifen. Der 1. ZS <strong>de</strong>s<br />
BGH hat zwar anerkannt, dass eine RAK eine Klagebefugnis<br />
eines rechtsfähigen Verban<strong>de</strong>s zur För<strong>de</strong>rung gewerblicher<br />
Interessen hat und mithin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche<br />
auch gegen ihre Mitglie<strong>de</strong>r geltend machen<br />
kann. 8 Zu be<strong>de</strong>nken gilt jedoch, dass eine Klage nach § 13<br />
UWG aufgrund <strong>de</strong>r einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kostenfolge für das<br />
Kammermitglied eine beson<strong>de</strong>re Härte be<strong>de</strong>utet. Eine Unterlassungsverfügung<br />
wäre grundsätzlich das mil<strong>de</strong>re Mittel.<br />
Das Instrumentarium <strong>de</strong>r Wettbewerbsklage für Kammern<br />
wird in <strong>de</strong>r Literatur zu<strong>de</strong>m mit guten Grün<strong>de</strong>n abgelehnt9 .<br />
Insbeson<strong>de</strong>re leuchtet es ein, dass bei Berufsrechtsverstößen<br />
vorrangig die spezielle und zu beson<strong>de</strong>rer fachlicher Kompetenz<br />
und Erfahrung befähigte Anwaltsgerichtsbarkeit tätig<br />
wer<strong>de</strong>n sollte. Eine beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
zu diesem Problem wird insofern für Klarheit<br />
sorgen10 Rechtsanwalt Christian Dahns, Berlin<br />
9 Vgl. Römermann, MDR <strong>2003</strong>, 12 (13); Grunewald, Stbg 2002,<br />
472.<br />
10 BVerfG – 1 BvR 981/00.<br />
Zur Erstattung von Gebühren und Auslagen in einem<br />
berufsrechtlichen Verfahren; ZPO § 91 Abs. 2 Satz 4<br />
* 1. Aus <strong>de</strong>r BRAO ergibt sich für einen RA, <strong>de</strong>r sich in einem<br />
berufsrechtlichen Verfahren selbst vertritt und obsiegt, kein<br />
Anspruch auf Erstattung von Gebühren und Auslagen.<br />
* 2. Es besteht kein zureichen<strong>de</strong>r Grund, die Vorschrift <strong>de</strong>s § 91<br />
Abs. 2 Satz 4 ZPO in <strong>de</strong>n sog. Streitsachen <strong>de</strong>r Freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />
analog anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
BGH, Beschl. v. 17.10.2002 – AnwZ (B) 37/00
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 25<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Mit Beschl. v. 2.4.2001 hat <strong>de</strong>r Senat ausgesprochen, dass die<br />
Agin. die Kosten <strong>de</strong>s (in <strong>de</strong>r Hauptsache erledigten) Verfahrens<br />
zu tragen und die <strong>de</strong>m Ast., <strong>de</strong>r sich selbst vertreten hat, entstan<strong>de</strong>nen<br />
notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten<br />
hat.<br />
Die Parteien sind verschie<strong>de</strong>ner Meinung darüber, ob <strong>de</strong>m Ast.<br />
– entsprechend § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO – die Kosten eines Anwalts<br />
in eigener Sache zu erstatten sind. Der AGH hat einen entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Antrag <strong>de</strong>s Ast. durch Beschl. v. 23.8.2002 zurückgewiesen.<br />
Im Wege <strong>de</strong>r Gegenvorstellung begehrt <strong>de</strong>r Ast. die „Berichtigung<br />
bzw. Ergänzung“ <strong>de</strong>s Senatsbeschl. v. 2.4.2001 dahin, dass<br />
die Agin. die <strong>de</strong>m Ast. entstan<strong>de</strong>nen notwendigen außergerichtlichen<br />
Auslagen „einschließlich <strong>de</strong>r Kosten eines Anwalts in<br />
eigener Sache“ zu erstatten hat.<br />
II. Der Senatsbeschl. v. 2.4.2001 ist in formelle und materielle<br />
Rechtskraft erwachsen. Er kann daher auch auf Gegenvorstellung<br />
hin nicht abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (vgl. BGH, Beschl. v.<br />
11.12.1995 – AnwZ [B] 15/94, n.v.; Feuerich/Braun, BRAO,<br />
5. Aufl., § 42 Rdnr. 18). Auf eine Abän<strong>de</strong>rung liefe es aber hinaus,<br />
wenn <strong>de</strong>m Ast. nicht nur die Erstattung <strong>de</strong>r ihm entstan<strong>de</strong>nen<br />
notwendigen außergerichtlichen Auslagen, son<strong>de</strong>rn auch<br />
<strong>de</strong>r gesetzlichen Gebühren eines RA zugebilligt wür<strong>de</strong>. Da sich<br />
<strong>de</strong>r Ast. vor <strong>de</strong>m AGH und <strong>de</strong>m BGH selbst vertreten hat, sind<br />
ihm entsprechen<strong>de</strong> Auslagen nicht entstan<strong>de</strong>n.<br />
Im Übrigen hat ein RA, <strong>de</strong>r sich in einem berufsrechtlichen Verfahren<br />
selbst vertritt und obsiegt, keinen Anspruch auf Erstattung<br />
von Gebühren und Auslagen nach <strong>de</strong>r BRAO. Es besteht kein<br />
zureichen<strong>de</strong>r Grund, die Vorschrift <strong>de</strong>s § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO<br />
in <strong>de</strong>n sog. Streitsachen <strong>de</strong>r Freiwilligen Gerichtsbarkeit analog<br />
anzuwen<strong>de</strong>n. In diesem Bereich knüpft die Kostenerstattungspflicht<br />
nicht ohne weiteres an das Obsiegen und Unterliegen eines<br />
Beteiligten an; sie hängt vielmehr davon ab, ob die Anordnung<br />
<strong>de</strong>r Kostenerstattung <strong>de</strong>r Billigkeit entspricht (vgl. zu § 111<br />
BNotO: OLG Köln, MDR 1991, 547 f.; ferner Zimmermann, in<br />
Kei<strong>de</strong>l/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 13a Rdnr. 52 mit<br />
Fn. 200).<br />
Eine Um<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Gegenvorstellung in ein Rechtsmittel gegen<br />
<strong>de</strong>n Beschl. <strong>de</strong>s AGH v. 23.8.2002 kommt nicht in Betracht,<br />
weil das Rechtsmittel nicht statthaft wäre (vgl. § 203 Abs. 2<br />
BRAGO).<br />
Entgegen <strong>de</strong>r Ansicht <strong>de</strong>s Ast. bestehen gegen die Vorschrift <strong>de</strong>s<br />
§ 203 BRAGO keine verfassungsrechtlichen Be<strong>de</strong>nken.<br />
Kosten – zur Frage <strong>de</strong>r Erstattungsfähigkeit <strong>de</strong>r Kosten<br />
eines Unterbevollmächtigten; ZPO § 91 Abs. 1, 2<br />
* 1. Kosten eines Unterbevollmächtigten, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n am<br />
Wohnort <strong>de</strong>r Partei ansässigen RA Termine beim Prozessgericht<br />
wahrnimmt, sind erstattungsfähig, soweit die durch die Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>s Unterbevollmächtigten entstan<strong>de</strong>nen Kosten die ansonsten<br />
angefallenen Reisekosten <strong>de</strong>s Hauptbevollmächtigten<br />
nicht wesentlich übersteigen.<br />
* 2. Die Zuziehung eines in <strong>de</strong>r Nähe ihres Wohn- o<strong>de</strong>r Geschäftsortes<br />
ansässigen RA durch eine an einem auswärtigen<br />
Gericht klagen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r verklagte Partei stellt im Regelfall eine<br />
Maßnahme zweckentsprechen<strong>de</strong>r Rechtsverfolgung o<strong>de</strong>r<br />
Rechtsverteidigung i.S.d. § 91 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz<br />
ZPO dar.<br />
* 3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann eingreifen,<br />
wenn schon im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Beauftragung <strong>de</strong>s RA feststeht,<br />
dass ein eingehen<strong>de</strong>s Mandantengespräch für die Prozessführung<br />
nicht erfor<strong>de</strong>rlich sein wird. Dies ist jedoch nicht<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
schon dann anzunehmen, wenn es sich um einen einfach gelagerten<br />
Rechtsstreit han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r keinen umfangreichen Tatsachenvortrag<br />
erfor<strong>de</strong>rt.<br />
BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02<br />
Volltext unter www.<strong>brak</strong>.<strong>de</strong><br />
Fachanwalt – zum Erwerb beson<strong>de</strong>rer theoretischer<br />
Kenntnisse und praktischer Erfahrungen; BRAO § 43c;<br />
FAO § 7 (a.F.)<br />
Der zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung erfor<strong>de</strong>rliche<br />
Nachweis beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und praktischer<br />
Erfahrungen im Fachgebiet nach §§ 4 bis 6 FAO ist weitgehend<br />
formalisiert. Dem Fachausschuss, <strong>de</strong>r die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />
RAK vorbereitet, steht nicht das Recht zu, die fachliche Qualifikation<br />
eines Bewerbers, <strong>de</strong>r die <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen nach §§ 4<br />
bis 6 FAO entsprechen<strong>de</strong>n Unterlagen vorgelegt hat, anhand<br />
<strong>de</strong>r bestan<strong>de</strong>nen Lehrgangsklausuren und vorgelegten Arbeitsproben<br />
materiell zu überprüfen und dabei aufgetretene Zweifel<br />
an <strong>de</strong>r fachlichen Qualifikation zum Anlass für ein Fachgespräch<br />
(§ 7 FAO a.F.) zu nehmen.<br />
BGH, Beschl. v. 23.9.2002 – AnwZ (B) 40/01<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Die am 26.3.1993 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Astin.<br />
besuchte in <strong>de</strong>n Jahren 1994 und 1995 bei <strong>de</strong>r Deutschen Anwaltsaka<strong>de</strong>mie<br />
(DAA) einen „Fachlehrgang Familienrecht“, in<br />
<strong>de</strong>m sie drei Klausuren bestand. Am 4.9.1997 beantragte<br />
die Astin. die Verleihung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung für das<br />
Familienrecht. Der bei <strong>de</strong>r Agin. gebil<strong>de</strong>te Fachausschuss Familienrecht<br />
verlangte Arbeitsproben, welche von <strong>de</strong>r Astin. vorgelegt<br />
und vom Ausschuss geprüft wur<strong>de</strong>n. Der Ausschuss teilte<br />
<strong>de</strong>r Astin. mit Schreiben v. 8.3.1999 mit, dass er <strong>de</strong>n Nachweis<br />
<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren theoretischen Kenntnisse in <strong>de</strong>n Bereichen Ehegattenunterhalt,<br />
Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich<br />
nicht als geführt ansehe, und lud die Astin. zu einem Fachgespräch.<br />
Dies lehnte die Astin. ab.<br />
Auf Empfehlung <strong>de</strong>s Ausschusses wies die Agin. <strong>de</strong>n Antrag mit<br />
Bescheid v. 27.4.2000 zurück. Zur Begründung führte die Agin.<br />
aus, aufgrund <strong>de</strong>r – im Bescheid näher dargelegten – „Mangelhaftigkeit“<br />
<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Astin. im Rahmen <strong>de</strong>s Fachanwaltslehrgangs<br />
erstellten Klausuren und <strong>de</strong>r von ihr vorgelegten Arbeitsproben<br />
könne <strong>de</strong>r Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren theoretischen<br />
Kenntnisse und <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen Erfahrungen nicht<br />
als erbracht gelten. Da sich die Astin. geweigert habe, an <strong>de</strong>m<br />
vom Ausschuss anberaumten Fachgespräch teilzunehmen,<br />
könne ihr die Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht<br />
nicht verliehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Der AGH hat <strong>de</strong>n Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.<br />
Dagegen richtet sich die – zugelassene – sofortige Beschwer<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Astin.<br />
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 42<br />
Abs. 4 BRAO) und hat auch in <strong>de</strong>r Sache Erfolg. Die Agin. hat<br />
<strong>de</strong>r Astin. die Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung für Familienrecht<br />
zu führen, zu Unrecht versagt. Die Astin. hat nachgewiesen,<br />
dass sie über die in § 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.<br />
§§ 1, 2 Abs. 1 FAO gefor<strong>de</strong>rten beson<strong>de</strong>ren theoretischen Kenntnisse<br />
und praktischen Erfahrungen im Familienrecht verfügt,<br />
ohne dass es hierfür eines Fachgesprächs nach § 7 Abs. 1 FAO<br />
bedurfte.<br />
1. Zutreffend haben die Agin. und <strong>de</strong>r AGH das Begehren <strong>de</strong>r<br />
Astin. nach <strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>r FAO beurteilt, die die von<br />
<strong>de</strong>r BRAK eingerichtete Satzungsversammlung (§ 191a Abs. 1<br />
BRAO) aufgrund <strong>de</strong>r ihr in § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BRAO ver-
26 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
liehenen Satzungskompetenz beschlossen hat und die am<br />
11.3.1997 in Kraft getreten ist (Senatsbeschl. v. 21.6.1999 –<br />
Anwz (B) 85/98, NJW 1999, 2678 unter II 1 a). Denn die Astin.<br />
hat ihren Antrag nach <strong>de</strong>m In-Kraft-Treten <strong>de</strong>r FAO gestellt. Die<br />
Bestimmungen <strong>de</strong>s Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen<br />
nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung (RAFachBezG) v.<br />
27.2.1992 (BGBl. I, 369), die bis zu einer Regelung durch die<br />
genannte Berufssatzung weiterhin anzuwen<strong>de</strong>n waren (Art. 21<br />
Abs. 11 <strong>de</strong>s Gesetzes zur Neuordnung <strong>de</strong>s Berufsrechts <strong>de</strong>r<br />
Rechtsanwälte und <strong>de</strong>r Patentanwälte v. 2.9.1994, BGBl. I,<br />
2278), sind <strong>de</strong>shalb für <strong>de</strong>n Antrag nicht mehr maßgebend.<br />
2. § 1 FAO lässt – über die in § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO gesetzlich<br />
zugelassenen Fachanwaltsbezeichnungen hinaus – die Verleihung<br />
<strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht zu.<br />
Diese satzungsmäßige Erweiterung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnungen<br />
ist aufgrund <strong>de</strong>r gesetzlichen Ermächtigung in § 59b<br />
Abs. 2 Nr. 2a BRAO zulässig.<br />
3. Die materiellen Voraussetzungen für die Verleihung einer<br />
Fachanwaltsbezeichnung sind in §§ 2 bis 14 FAO im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r auch insoweit verliehenen Satzungskompetenz (§ 59b<br />
Abs. 2 Nr. 2b BRAO) in Anlehnung an die aufgehobenen Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>s RAFachBezG geregelt wor<strong>de</strong>n. §§ 4 bis 6 FAO<br />
bestimmen im Einzelnen, auf welche Weise beson<strong>de</strong>re theoretische<br />
Kenntnisse und praktische Erfahrungen in einem Fachgebiet<br />
zu erwerben und nachzuweisen sind. Diese Voraussetzungen<br />
hat die Astin. erfüllt.<br />
a) Die Astin. hat durch die von ihr vorgelegten Unterlagen <strong>de</strong>n<br />
Nachweis <strong>de</strong>s Erwerbs beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse im<br />
Familienrecht erbracht. Sie hat durch die Zeugnisse <strong>de</strong>r DAA v.<br />
4.4.1996 – das „Zertifikat Fachlehrgang Familienrecht“ und das<br />
„Klausurenzertifikat Fachlehrgang Familienrecht“ – i.V.m. <strong>de</strong>r<br />
ergänzen<strong>de</strong>n Bescheinigung <strong>de</strong>r DAA v. 13.9.2002 die erfolgreiche<br />
Teilnahme an einem Lehrgang i.S.d. § 4 Abs. 1 FAO belegt<br />
und die in § 6 Abs. 2 FAO (in <strong>de</strong>r seit 1.9.1999 geän<strong>de</strong>rten<br />
Fassung dieser Vorschrift) dafür im Einzelnen umschriebenen<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an die vorzulegen<strong>de</strong>n Nachweise erfüllt. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
hat die Astin. auch nachgewiesen, dass sie sich in <strong>de</strong>m<br />
Lehrgang min<strong>de</strong>stens drei schriftlichen Leistungskontrollen erfolgreich<br />
unterzogen hat (§ 6 Abs. 2c FAO). Drei Aufsichtsarbeiten<br />
<strong>de</strong>r Astin. wur<strong>de</strong>n trotz vorhan<strong>de</strong>ner Mängel, auf die in <strong>de</strong>n<br />
Schlussbeurteilungen zweier Klausuren hingewiesen wur<strong>de</strong>, als<br />
bestan<strong>de</strong>n bewertet. Dies wird von <strong>de</strong>r Agin. nicht in Zweifel gezogen.<br />
b) Ebenso hat die Astin. die zum Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen<br />
Erfahrungen gefor<strong>de</strong>rten Falllisten mit <strong>de</strong>n nach § 6<br />
Abs. 3 FAO erfor<strong>de</strong>rlichen Angaben vorgelegt, aus <strong>de</strong>nen sich<br />
ergibt, dass die Astin., wie es § 5 FAO verlangt, innerhalb <strong>de</strong>r<br />
letzten drei Jahre vor <strong>de</strong>r Antragstellung 120 Fälle im Familienrecht<br />
– davon die Hälfte gerichtliche Verfahren – als RAin selbstständig<br />
bearbeitet hat. Auch dies ist nicht mehr Gegenstand <strong>de</strong>r<br />
gerichtlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.<br />
4. Zu Unrecht hält die Agin. gleichwohl <strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen<br />
<strong>de</strong>r Astin. im Familienrecht nicht für erbracht. Die Agin. stellt allerdings<br />
we<strong>de</strong>r die fachliche Qualifikation <strong>de</strong>s Lehrgangsveranstalters<br />
und <strong>de</strong>r Dozenten noch die inhaltliche Ausgestaltung<br />
<strong>de</strong>s Lehrgangs und <strong>de</strong>r Klausuraufgaben in Frage und macht<br />
auch nicht geltend, dass die Klausurbewertungen unsachgemäß<br />
und nicht vertretbar seien. Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall ist <strong>de</strong>shalb nicht<br />
zu beurteilen, inwieweit die Agin. berechtigt wäre, vorgelegte<br />
Nachweise unter diesen Gesichtspunkten in Zweifel zu ziehen.<br />
Sie macht statt<strong>de</strong>ssen geltend, eine <strong>de</strong>m Ausschuss obliegen<strong>de</strong><br />
fachliche Beurteilung sowohl <strong>de</strong>r bestan<strong>de</strong>nen Lehrgangsklausuren<br />
als auch <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Astin. vorgelegten Arbeitsproben<br />
habe Zweifel an einer beson<strong>de</strong>ren Qualifikation <strong>de</strong>r Astin. im<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Familienrecht hervorgerufen und <strong>de</strong>shalb die Ladung zu einem<br />
Fachgespräch (§ 7 Abs. 1 FAO) gerechtfertigt. Dem kann nicht<br />
gefolgt wer<strong>de</strong>n. Die Astin. hatte <strong>de</strong>n Nachweis beson<strong>de</strong>rer theoretischer<br />
Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Familienrecht<br />
bereits durch die vorgelegten schriftlichen Unterlagen erbracht.<br />
Keine Veranlassung<br />
für Anordnung eines<br />
Fachgesprächs<br />
Für die Anordnung eines Fachgesprächs<br />
bestand <strong>de</strong>shalb keine<br />
Veranlassung (Senatsbeschl. v.<br />
19.6.2000 – AnwZ [B] 59/99,<br />
NJW 2000, 3648 unter II 2 d zu<br />
§ 7 Abs. 1 FAO; vgl. auch BGHZ 142, 97, 99 zu § 10 RAFach-<br />
BezG).<br />
a) Die nach § 43c Abs. 1 und 2 BRAO i.V.m. <strong>de</strong>n Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>r FAO von <strong>de</strong>r RAK zu treffen<strong>de</strong> Beurteilung, ob die vom<br />
Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen die gesetzlich<br />
gefor<strong>de</strong>rten beson<strong>de</strong>ren Kenntnisse und Erfahrungen in einem<br />
Rechtsgebiet nachweisen, ist auch nach In-Kraft-Treten <strong>de</strong>r FAO<br />
grundsätzlich einer uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung<br />
zugänglich (Senatsbeschl. v. 19.6.2000 – AnwZ [B] 59/99,<br />
NJW 2000, 3648 unter II 2 im Anschluss an die frühere Senatsrspr.<br />
zum RAFachBezG: BGHZ 142, 97, 99; Beschl. v.<br />
18.11.1996 – AnwZ [B] 29/96, NJW 1997, 1307 unter II 3 b).<br />
Grenzen sind <strong>de</strong>r richterlichen Nachprüfung allerdings insoweit<br />
gezogen, als es um prüfungsspezifische Wertungen geht (BGHZ<br />
142, 97, 99; Senatsbeschl. v. 26.1.1998 – AnwZ [B] 55/97;<br />
BRAK-Mitt. 1998, 153 unter II 5). Dazu gehört die Beurteilung<br />
<strong>de</strong>s in einem Inhaltsprotokoll nie<strong>de</strong>rgelegten Fachgesprächs (Senatsbeschl.<br />
v. 26.1.1998, a.a.O.). Auch mag es gerechtfertigt<br />
sein, die Entscheidung über die Anordnung eines Fachgesprächs<br />
nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen,<br />
sofern diese ausnahmsweise – etwa für die Beurteilung außerhalb<br />
eines Lehrgangs erworbener theoretischer Kenntnisse (§ 4<br />
Abs. 3 FAO; früher § 8 Abs. 3 RAFachBezG) – eine umfassen<strong>de</strong><br />
Bewertung und Gewichtung <strong>de</strong>r vom Bewerber vorgelegten<br />
Nachweise erfor<strong>de</strong>rt (BGHZ 142, 97, 99).<br />
Der RAK und <strong>de</strong>m ihre Entscheidung vorbereiten<strong>de</strong>n Fachausschuss<br />
steht damit – auch nach Ablösung <strong>de</strong>s Gesetzes über<br />
Fachanwaltsbezeichnungen durch die FAO – in <strong>de</strong>r Regel kein<br />
<strong>de</strong>r richterlichen Nachprüfung entzogener, persönlicher Beurteilungsspielraum<br />
für die Beantwortung <strong>de</strong>r Frage zu, ob die<br />
vom Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen ausreichen,<br />
die Verleihung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung zu befürworten,<br />
o<strong>de</strong>r ob zuvor ein Fachgespräch anberaumt wer<strong>de</strong>n muss. § 43c<br />
BRAO enthält keine Ermächtigung zu einer nicht vollständig<br />
kontrollierbaren Abwägung (Senatsbeschl. v. 18.11.1996,<br />
a.a.O. unter II 3 b). Die Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag auf Erteilung<br />
<strong>de</strong>r Erlaubnis (§ 43c Abs. 2 BRAO) ist vielmehr in vollem<br />
Umfang rechtlich gebun<strong>de</strong>n. Darin, dass die Kammer die Befugnis<br />
zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung verleihen<br />
kann (§ 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO), liegt nur eine Aussage über<br />
die ihr vom Gesetzgeber verliehene Rechtsmacht.<br />
Einen eigenen Ermessens- o<strong>de</strong>r<br />
Beurteilungsspielraum hat sie<br />
damit – von <strong>de</strong>n o.g. Ausnahmen<br />
abgesehen – nicht erhalten<br />
(Senatsbeschl. v. 18.11.1996,<br />
a.a.O. unter II 3 b aa). Vielmehr<br />
Kein eigener<br />
Ermessens- und<br />
Beurteilungsspielraum<br />
für RAK<br />
hat je<strong>de</strong>r Anwalt, <strong>de</strong>r – wie in § 43c BRAO gefor<strong>de</strong>rt – beson<strong>de</strong>re<br />
Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben<br />
hat und dies in <strong>de</strong>r dafür in §§ 4 bis 6 FAO vorgesehenen<br />
Form nachweist, einen Anspruch darauf, dass ihm die Erlaubnis<br />
erteilt wird, die entsprechen<strong>de</strong> Fachanwaltsbezeichnung zu<br />
führen (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.1996, a.a.O.).<br />
Etwas an<strong>de</strong>res ergibt sich auch nicht aus <strong>de</strong>r Ermächtigungsgrundlage<br />
in § 59b Abs. 2 Nr. 2b BRAO, auf <strong>de</strong>r die FAO beruht.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 27<br />
§ 59b Abs. 2 Nr. 2 BRAO ermächtigt nur zur Konkretisierung <strong>de</strong>r<br />
in § 43c BRAO umschriebenen Voraussetzungen für die Verleihung<br />
einer Fachanwaltsbezeichnung. Die FAO enthält als Satzung<br />
– ebenso wie das frühere Gesetz über Fachanwaltsbezeichnungen<br />
– nur Ausführungsbestimmungen zu § 43c BRAO<br />
und könnte <strong>de</strong>m Fachausschuss und <strong>de</strong>r RAK <strong>de</strong>shalb keine weitergehen<strong>de</strong>n<br />
Befugnisse verleihen, als ihnen nach § 43c BRAO<br />
zustehen.<br />
b) Der Argumentation <strong>de</strong>r Agin., <strong>de</strong>r Ausschuss sei zur Sicherung<br />
eines qualifizierten beruflichen Standards für die Fachanwaltschaft<br />
berechtigt und verpflichtet, die Rechtskenntnisse <strong>de</strong>s Bewerbers<br />
anhand <strong>de</strong>r vorgelegten Lehrgangsklausuren und Arbeitsproben<br />
persönlich zu beurteilen und dabei erkannte Defizite<br />
zum Anlass für ein Fachgespräch zu nehmen, vermag <strong>de</strong>r<br />
Senat nicht zu folgen. Ein so weitgehen<strong>de</strong>s materielles Prüfungsrecht<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r fachlichen Qualität <strong>de</strong>r vorgelegten<br />
Klausuren und Arbeitsproben, wie es die Agin. für <strong>de</strong>n Ausschuss<br />
beansprucht, ist we<strong>de</strong>r § 43c Abs. 2 BRAO noch <strong>de</strong>n Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>r FAO selbst zu entnehmen. Die <strong>de</strong>m Fachausschuss<br />
obliegen<strong>de</strong> Prüfung <strong>de</strong>r theoretischen Kenntnisse und<br />
praktischen Erfahrungen anhand <strong>de</strong>r vorzulegen<strong>de</strong>n Nachweise<br />
(§ 43c Abs. 2 BRAO) ist vielmehr weitgehend formalisiert und<br />
lässt <strong>de</strong>m Fachausschuss keinen Raum für eine eigenständige<br />
Beurteilung <strong>de</strong>r fachlichen Qualifikation eines Bewerbers, <strong>de</strong>r<br />
die in §§ 4 bis 6 FAO gefor<strong>de</strong>rten Nachweise erbracht hat. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
steht es <strong>de</strong>m Fachausschuss nicht zu, die durch eine<br />
erfolgreiche Lehrgangsteilnahme nachgewiesenen beson<strong>de</strong>ren<br />
theoretischen Kenntnisse <strong>de</strong>s Bewerbers anhand <strong>de</strong>r bestan<strong>de</strong>nen<br />
Lehrgangsklausuren und <strong>de</strong>r vorgelegten Arbeitsproben zu<br />
überprüfen und in Zweifel zu ziehen.<br />
aa) § 43c Abs. 2 BRAO spricht zwar davon, dass ein Ausschuss<br />
<strong>de</strong>r Kammer die von <strong>de</strong>m RA vorzulegen<strong>de</strong>n Nachweise über<br />
<strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Kenntnisse und Erfahrungen „geprüft“<br />
hat, lässt aber <strong>de</strong>n konkreten Inhalt <strong>de</strong>r vorzulegen<strong>de</strong>n<br />
Nachweise und damit auch <strong>de</strong>n Gegenstand <strong>de</strong>r Prüfung durch<br />
<strong>de</strong>n Ausschuss offen.<br />
bb) Nach §§ 4 bis 6 FAO kann <strong>de</strong>r RA die gesetzlich gefor<strong>de</strong>rten<br />
beson<strong>de</strong>ren Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet<br />
weiterhin in <strong>de</strong>r Regel bereits durch Vorlage schriftlicher<br />
Unterlagen nachweisen, wie es § 43c Abs. 2 BRAO vorsieht.<br />
Die Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren theoretischen<br />
Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sind in §§ 4 und<br />
5 FAO in Anlehnung an die früheren Bestimmungen in §§ 8 und<br />
9 RAFachBezG geregelt und insoweit formalisiert, als für <strong>de</strong>n Erwerb<br />
beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse eine erfolgreiche<br />
Lehrgangsteilnahme (§ 4 Abs. 1 FAO) und für <strong>de</strong>n Erwerb beson<strong>de</strong>rer<br />
praktischer Erfahrungen eine quantitativ bestimmte<br />
Anzahl selbständiger Fallbearbeitungen (§ 5 FAO) in <strong>de</strong>r Regel<br />
erfor<strong>de</strong>rlich, aber auch ausreichend ist (Senatsbeschl. v.<br />
13.3.2000 – AnwZ [B] 25/99, NJW 2000, 1645 zu § 5 FAO). In<br />
dieser Formalisierung kommt – nicht an<strong>de</strong>rs als früher in <strong>de</strong>n<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>s Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen<br />
– zum Ausdruck, dass nicht eine individuelle<br />
ausgerichtete, <strong>de</strong>m Ausschuss obliegen<strong>de</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s<br />
Wissens und <strong>de</strong>r praktischen Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Bewerbers<br />
im Vor<strong>de</strong>rgrund steht (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.1996,<br />
a.a.O. unter II 3 b aa zum RAFachBezG), son<strong>de</strong>rn dass ein rechtlich<br />
durchsetzbarer Anspruch auf die Verleihung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung<br />
– ohne vorheriges Fachgespräch – besteht,<br />
wenn die in §§ 4 und 5 FAO genannten Voraussetzungen durch<br />
schriftliche Unterlagen nachgewiesen sind (vgl. BGHZ 142, 97,<br />
102 zu §§ 8, 9 RAFachBezG m.N.; ebenso zu § 4 FAO: Senatsbeschl.<br />
v. 19.6.2000, a.a.O. unter II 2 d).<br />
Die FAO hat insoweit keine Rechtsän<strong>de</strong>rung gegenüber <strong>de</strong>n Vorschriften<br />
<strong>de</strong>s RAFachBezG gebracht. Eine ausdrückliche Be-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
stimmung, dass die Agin. etwa auch dann, wenn die Voraussetzungen<br />
nach § 4 Abs. 1 und § 5 FAO durch die in § 6 FAO gefor<strong>de</strong>rten<br />
Unterlagen nachgewiesen sind, noch berechtigt und<br />
verpflichtet wäre, die – als bestan<strong>de</strong>n bewerteten – Klausurleistungen<br />
auf Mängel hin zu untersuchen und die in <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Anzahl nachgewiesenen Fallbearbeitungen anhand von<br />
Arbeitsproben auf ihre fachliche Qualität hin zu überprüfen,<br />
enthält die FAO nicht.<br />
Ein dahin gehen<strong>de</strong>s fachliches Prüfungsrecht <strong>de</strong>r Agin. ist auch<br />
nicht mittelbar daraus abzuleiten, dass <strong>de</strong>r Bewerber nunmehr<br />
– an<strong>de</strong>rs als nach §§ 8, 9 RAFachBezG – alle Aufsichtsarbeiten<br />
und ihre Bewertungen <strong>de</strong>m Antrag beizufügen (§ 6 Abs. 2c<br />
Satz 4 FAO) und auf Verlangen <strong>de</strong>s Fachausschusses anonymisierte<br />
Arbeitsproben vorzulegen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 FAO).<br />
Diese Bestimmungen dienen – wie die Vorschrift <strong>de</strong>s § 6 FAO<br />
insgesamt – nur <strong>de</strong>m Nachweis <strong>de</strong>r in § 4 Abs. 1 und § 5 FAO<br />
für <strong>de</strong>n Erwerb beson<strong>de</strong>rer Kenntnisse und Erfahrungen geregelten<br />
Voraussetzungen, ermächtigen <strong>de</strong>n Ausschuss aber nicht<br />
dazu, <strong>de</strong>n Erwerb beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und<br />
praktischer Erfahrungen trotz <strong>de</strong>s dafür erbrachten – formalisierten<br />
– Nachweises materiell zu überprüfen und in Frage zu<br />
stellen.<br />
Der Sinn <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>s § 6 Abs. 2c Satz 4 FAO liegt darin,<br />
dass <strong>de</strong>r Ausschuss hinsichtlich <strong>de</strong>r Aufsichtsarbeiten nachprüft,<br />
ob die Angaben in <strong>de</strong>m Zeugnis <strong>de</strong>s Lehrgangsveranstalters über<br />
die Gegenstandsbereiche und Bewertungen <strong>de</strong>r Klausuren zutreffend<br />
sind und <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 6 Abs. 2c Satz 1 FAO<br />
i.V.m. §§ 8 bis 14 FAO entsprechen. Anhand <strong>de</strong>r nach § 6 Abs. 3<br />
Satz 2 FAO vorzulegen<strong>de</strong>n Arbeitsproben kann etwaigen Zweifeln<br />
an <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Falllisten enthaltenen Angaben <strong>de</strong>s Bewerbers<br />
zu <strong>de</strong>n einzelnen Fällen und <strong>de</strong>ren selbständiger Bearbeitung<br />
durch ihn nachgegangen wer<strong>de</strong>n. Nicht dagegen ist aus<br />
diesen bei<strong>de</strong>n Bestimmungen herzuleiten, dass <strong>de</strong>m Bewerber<br />
auch dann, wenn er die Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 4 bis 6 FAO erfüllt,<br />
abweichend von <strong>de</strong>r früheren Rechtslage ein Rechtsanspruch<br />
auf die Verleihung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung noch<br />
nicht zusteht, son<strong>de</strong>rn dies darüber hinaus davon abhängen soll,<br />
ob <strong>de</strong>r Fachausschuss sich anhand <strong>de</strong>r vorgelegten Nachweise<br />
auch persönlich von einer beson<strong>de</strong>ren fachlichen Qualifikation<br />
<strong>de</strong>s Bewerbers zu überzeugen vermochte.<br />
Keine Rechtsgrundlage<br />
durch § 7 Abs. 1<br />
FAO (a.F.)<br />
Ein solches zusätzliches Erfor<strong>de</strong>rnis<br />
für die Verleihung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung<br />
über die<br />
Voraussetzungen nach §§ 4 bis 6<br />
FAO hinaus ergibt sich auch<br />
nicht aus § 7 Abs. 1 FAO. Wenn dort davon die Re<strong>de</strong> ist, dass<br />
<strong>de</strong>r Ausschuss zum Fachgespräch lädt, wenn er seine Stellungnahme<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Vorstand nach <strong>de</strong>m „Gesamteindruck<br />
<strong>de</strong>r vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen nicht<br />
abgeben“ kann, so hat dies nur Be<strong>de</strong>utung für die Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />
die Voraussetzungen nach §§ 4 bis 6 FAO nicht bereits<br />
durch die schriftlichen Unterlagen nachgewiesen sind, <strong>de</strong>r<br />
Nachweis beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und praktischer<br />
Erfahrungen im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich<br />
erscheint (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.1996, a.a.O.<br />
unter II 3 c a.E. zu § 10 RAFachBezG).<br />
Sind die beson<strong>de</strong>ren theoretischen Kenntnisse und praktischen<br />
Erfahrungen im Fachgebiet dagegen nach Maßgabe <strong>de</strong>r §§ 4<br />
bis 6 FAO – wie hier – bereits durch die schriftlichen Unterlagen<br />
nachgewiesen, dann kann (und muss) <strong>de</strong>r Ausschuss<br />
seine (befürworten<strong>de</strong>) Stellungnahme zu <strong>de</strong>m Antrag gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r RAK auch nach <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 7<br />
Abs. 1 FAO abgeben, ohne Veranlassung zu haben, ein Fachgespräch<br />
anzuordnen (Senatsbeschl. v. 19.6.2000, a.a.O. unter<br />
II 2 d).
28 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Da es somit an einem rechtfertigen<strong>de</strong>n Grund für die Ladung <strong>de</strong>r<br />
Astin. zum Fachgespräch fehlte, hätte die Agin. <strong>de</strong>r Astin. die<br />
Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht schon aufgrund<br />
<strong>de</strong>r von ihr vorgelegten, für <strong>de</strong>n Nachweis beson<strong>de</strong>rer Kenntnisse<br />
und Erfahrungen nach §§ 4 bis 6 FAO ausreichen<strong>de</strong>n<br />
schriftlichen Unterlagen verleihen müssen.<br />
Die Agin. hat nichts vorgetragen, was aus einem an<strong>de</strong>ren Grund<br />
eine weitere Sachaufklärung erfor<strong>de</strong>rlich machen könnte. Solche<br />
Umstän<strong>de</strong> sind auch für <strong>de</strong>n Senat nicht erkennbar. Daher<br />
ist die Agin. zu verpflichten, <strong>de</strong>m Begehren <strong>de</strong>r Astin. zu entsprechen.<br />
Anmerkung<br />
Der BGH hatte sich diesmal mit zwei Fragen zu befassen: Mit<br />
<strong>de</strong>r – schon mehrfach verneinten – Frage, ob, wenn die formalen<br />
Voraussetzungen <strong>de</strong>r FAO erfüllt sind, gleichwohl<br />
aber Zweifel bleiben, noch ein Fachgespräch anberaumt<br />
wer<strong>de</strong>n darf. Und mit <strong>de</strong>r – in dieser Form neuen – vorgelagerten<br />
Frage, ob Vorprüfungsausschuss und Kammervorstand<br />
das Recht haben, die vom Ast. vorgelegten Unterlagen (also<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Klausuren und Arbeitsproben) einer inhaltlichen<br />
Qualitätskontrolle zu unterziehen.<br />
Der Vorprüfungsausschuss (für Familienrecht) hatte die von<br />
<strong>de</strong>r Bfin. vorgelegten Klausuren (die mit „bestan<strong>de</strong>n“, „noch<br />
bestan<strong>de</strong>n“ und „mit äußersten Be<strong>de</strong>nken noch bestan<strong>de</strong>n<br />
(–)“ bewertet wor<strong>de</strong>n waren) als mit erheblichen Fehlern behaftet<br />
kritisiert. Auf weitere gravieren<strong>de</strong> materiell-rechtliche<br />
Mängel stieß <strong>de</strong>r Ausschuss bei Durchsicht <strong>de</strong>r angefor<strong>de</strong>rten<br />
Arbeitsproben. Insbeson<strong>de</strong>re ein Merkblatt für scheidungswillige<br />
Mandanten, das sich bei <strong>de</strong>n Arbeitsproben<br />
fand, enthielt falsche Rechtsausführungen. Der Ausschuss<br />
nahm das zum Anlass, die Bfin. zum Fachgespräch zu la<strong>de</strong>n,<br />
was diese jedoch ablehnte. Nach Anfor<strong>de</strong>rung weiterer Arbeitsproben,<br />
die sich ebenfalls als kritikwürdig erwiesen,<br />
lehnte <strong>de</strong>r Kammervorstand schließlich <strong>de</strong>n Antrag auf Verleihung<br />
<strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung Familienrecht ab.<br />
Der nordrhein-westfälische AGH bestätigte die Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r Kammer und sprach Vorprüfungsausschuss und Kammervorstand<br />
auch ein inhaltliches Prüfungsrecht zu. Es<br />
könne keine Re<strong>de</strong> davon sein, so <strong>de</strong>r AGH, dass <strong>de</strong>r Ausschuss<br />
und letztlich die Anwaltskammer bei <strong>de</strong>m äußeren<br />
Vorliegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 4 bis 6 FAO auf eine<br />
formale Kontrolle beschränkt seien. Dies sei nicht <strong>de</strong>r Fall,<br />
wie das Gebot, Arbeitsproben zu verlangen und zu überprüfen,<br />
zeige. Bei Arbeitsproben mit erheblichen Fehlern – dies<br />
sei <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>r Überprüfung – müsse auch die Zurückweisung<br />
<strong>de</strong>s Antrags bei Verweigern <strong>de</strong>s Fachgesprächs möglich<br />
sein.<br />
Der gegenläufige Beschluss <strong>de</strong>s BGH ist vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
früherer Entscheidungen (Beschl. v. 18.11.1996, NJW<br />
1997, 1307 ff. = BRAK-Mitt. 1997, 128 ff. = AnwBl. 1997,<br />
223 f.; Beschl. v. 21.6.1999, NJW 1999, 2677 f. = BRAK-<br />
Mitt. 1999, 271 f. = MDR 1999, 1227 ff.), in <strong>de</strong>nen festgestellt<br />
wur<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>n RAKn bei <strong>de</strong>r Entscheidung über Fachanwaltsanträge<br />
kein eigener Ermessens- o<strong>de</strong>r Beurteilungsspielraum<br />
zustehe, das Verfahren zur Feststellung <strong>de</strong>r von<br />
<strong>de</strong>m Bewerber nachzuweisen<strong>de</strong>n Kenntnisse und Erfahrungen<br />
vielmehr in hohem Maße formalisiert sei, eigentlich<br />
keine Überraschung. Dennoch hätte <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong> Fall Anlass<br />
zu differenzierterer Betrachtung geboten. Es ging hier<br />
nicht um einen Streit darüber, ob die rein formalen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Fachanwaltsordnung erfüllt seien, also z.B. die<br />
zum Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen Erfahrungen er-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
for<strong>de</strong>rliche Fallzahl im Fachgebiet nachgewiesen wur<strong>de</strong>.<br />
Vielmehr ging es darum, dass (die Klausuren und insbeson<strong>de</strong>re)<br />
die vorgelegten Arbeitsproben an so gravieren<strong>de</strong>n, auf<br />
<strong>de</strong>n ersten Blick erkennbaren qualitativen Mängeln litten,<br />
dass Ausschuss und Vorstand glaubten, es nicht verantworten<br />
zu können, die beantragte Fachanwaltsbezeichnung zu verleihen,<br />
ohne zuvor wenigstens noch eine Überprüfung durch<br />
ein Fachgespräch vorgenommen zu haben.<br />
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, ist<br />
eine für <strong>de</strong>n Stellenwert <strong>de</strong>r Fachanwaltschaften essenzielle:<br />
Darf bzw. muss <strong>de</strong>r Kammervorstand sehen<strong>de</strong>n Auges eine<br />
Fachanwaltsbezeichnung verleihen, obwohl die von <strong>de</strong>m<br />
Bewerber vorgelegten Unterlagen erhebliche und auch objektiv<br />
feststellbare Qualitätsmängel aufweisen? Um hier keinen<br />
falschen Eindruck entstehen zu lassen: Es soll keiner<br />
kleinlichen Krittelei und keinem spitzfedrigen Durchforsten<br />
von Klausuren und Arbeitsproben auf eventuelle Mängel das<br />
Wort gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Wenn aber die Fachanwaltsbezeichnungen<br />
als Qualitätsmerkmale mit hohem Werbewert Bestand<br />
haben sollen, muss es möglich sein, in Extremfällen, in<br />
<strong>de</strong>nen sich gravieren<strong>de</strong> materiell-rechtliche Mängel <strong>de</strong>n Prüfungsgremien<br />
gera<strong>de</strong>zu aufdrängen, auch negativ zu entschei<strong>de</strong>n.<br />
An<strong>de</strong>rnfalls wür<strong>de</strong> nicht nur das Institut <strong>de</strong>r Fachanwaltschaften<br />
ad absurdum geführt, son<strong>de</strong>rn auch einer Irreführung<br />
<strong>de</strong>s rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikums Vorschub geleistet.<br />
Pikanterweise formuliert <strong>de</strong>r BGH, <strong>de</strong>r Senat vermöge <strong>de</strong>r Argumentation<br />
<strong>de</strong>r Kammer, wonach <strong>de</strong>r Ausschuss zur Sicherung<br />
eines qualifizierten beruflichen Standards für die Fachanwaltschaft<br />
berechtigt und verpflichtet sei, die Rechtskenntnisse<br />
<strong>de</strong>s Bewerbers anhand <strong>de</strong>r vorgelegten<br />
Lehrgangsklausuren und Arbeitsproben persönlich zu beurteilen<br />
und dabei erkannte Defizite zum Anlass für ein Fachgespräch<br />
zu nehmen, nicht zu folgen. Dabei mutet es seltsam<br />
an, dass zwar die privatwirtschaftlichen Veranstalter von<br />
Fachanwalts-Lehrgängen, die ja Klausuren stellen und bewerten<br />
müssen, nicht aber die öffentlich-rechtlichen Körperschaften,<br />
also die Anwaltskammern, die die Verleihung <strong>de</strong>r<br />
Fachanwaltsbezeichnungen vornehmen, ein materielles Prüfungsrecht<br />
haben (sollen).<br />
Anhaltspunkte dafür, dass auch die Vorprüfungsausschüsse<br />
und Kammervorstän<strong>de</strong> zu inhaltlichen Qualitätskontrollen<br />
berechtigt sind, fin<strong>de</strong>n sich sowohl in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung<br />
als auch in <strong>de</strong>r Fachanwaltsordnung. So heißt<br />
es in § 43c Abs. 2 BRAO, dass über <strong>de</strong>n Antrag <strong>de</strong>s RA auf<br />
Erteilung <strong>de</strong>r Erlaubnis <strong>de</strong>r Vorstand <strong>de</strong>r RAK entschei<strong>de</strong>t,<br />
nach<strong>de</strong>m ein Ausschuss <strong>de</strong>r Kammer die von <strong>de</strong>m RA vorzulegen<strong>de</strong>n<br />
Nachweise über <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
Kenntnisse und Erfahrungen „geprüft“ hat. „Prüfen“ be<strong>de</strong>utet<br />
nach allgemeinem Sprachverständnis mehr als Sichten und<br />
Zählen. Nach § 6 Abs. 2 Ziff. c Satz 4 FAO sind (außer Zeugnissen,<br />
Bescheinigungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren geeigneten Unterlagen)<br />
auch alle Aufsichtsarbeiten und ihre Bewertungen <strong>de</strong>m<br />
Antrag beizufügen. Und § 6 Abs. 3 Satz 2 FAO sieht die Vorlage<br />
(anonymisierter) Arbeitsproben vor. Wenn die Ausschüsse<br />
und Kammervorstän<strong>de</strong> nicht die Möglichkeit haben,<br />
die Unterlagen auch einer inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen,<br />
machen ihre Vorlage und die Pflicht zur Vorlage nur<br />
begrenzten Sinn.<br />
Der BGH aber billigt Ausschüssen und Vorstän<strong>de</strong>n das Recht<br />
zu umfassen<strong>de</strong>r Bewertung und Gewichtung, also tatsächlicher<br />
Prüfung, <strong>de</strong>r vom Bewerber vorgelegten Nachweise nur<br />
ausnahmsweise zu, wenn es z.B. um die Beurteilung von<br />
außerhalb eines Lehrgangs erworbenen theoretischen Kenntnissen<br />
gehe. Die in § 6 Abs. 2 Ziff. c Satz 4 und Abs. 3 Satz<br />
2 FAO normierten Vorlagepflichten dienen nach seiner Auf-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 29<br />
fassung nur <strong>de</strong>r Überprüfung, ob die Angaben in <strong>de</strong>m Zeugnis<br />
<strong>de</strong>s Lehrgangsveranstalters über die Gegenstandsbereiche<br />
und Bewertungen <strong>de</strong>r Klausuren zutreffend sind und inhaltlich<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r §§ 8 bis 14 FAO entsprechen,<br />
bzw. <strong>de</strong>r Beseitigung o<strong>de</strong>r Bestätigung von Zweifeln an <strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Falllisten enthaltenen Angaben <strong>de</strong>s Bewerbers zu <strong>de</strong>n<br />
einzelnen Fällen und ihrer selbstständigen Bearbeitung<br />
durch ihn. Zu einem großen Teil geht es also um nicht viel<br />
mehr als <strong>de</strong>n Ausschluss von Täuschungsversuchen.<br />
Auch <strong>de</strong>r Argumentation, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 FAO a.F. (wonach<br />
<strong>de</strong>r Ausschuss zu einem Fachgespräch einlädt, wenn er<br />
seine Stellungnahme gegenüber <strong>de</strong>m Kammervorstand hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren theoretischen Kenntnisse o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
beson<strong>de</strong>ren praktischen Erfahrungen nach <strong>de</strong>m „Gesamteindruck“<br />
<strong>de</strong>r vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen<br />
nicht abgeben kann) nur Sinn macht, wenn <strong>de</strong>r Ausschuss<br />
auch berechtigten qualitativen Zweifeln nachgehen<br />
darf, folgt <strong>de</strong>r BGH nicht. Die Regelung habe vielmehr Be<strong>de</strong>utung<br />
ausschließlich für die Fälle, in <strong>de</strong>nen die Voraussetzungen<br />
nach <strong>de</strong>n §§ 4 bis 6 FAO nicht bereits durch die<br />
schriftlichen Unterlagen nachgewiesen seien, <strong>de</strong>r Nachweis<br />
beson<strong>de</strong>rer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen<br />
im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich<br />
erscheine. Die Frage, ob ein in hohem Maße objektiv<br />
fehlerhaft bearbeitetes Mandat (wir sprechen hier, wie<br />
gesagt, von extremen und ein<strong>de</strong>utigen Fällen) überhaupt<br />
noch als „Fall“ i.S. von § 5 FAO gewertet wer<strong>de</strong>n und damit<br />
zum Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen Erfahrungen dienen<br />
kann, stellt <strong>de</strong>r BGH nicht. So wie er § 7 Abs. 1 Satz 1<br />
FAO a.F. versteht, kommt ein Fachgespräch nicht dort in Betracht,<br />
wo aufgrund <strong>de</strong>s „Gesamteindrucks“ noch Zweifel an<br />
<strong>de</strong>r Qualifikation <strong>de</strong>s Bewerbers bestehen, son<strong>de</strong>rn – abgesehen<br />
vielleicht von im Hinblick auf § 4 Abs. 3 FAO zweifelhaften<br />
Fällen – nur dort, wo die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Fachanwaltsordnung<br />
eigentlich gar nicht erfüllt sind, man <strong>de</strong>m<br />
Bewerber aufgrund <strong>de</strong>s insgesamt positiven „Eindrucks“ aber<br />
<strong>de</strong>nnoch eine Chance geben will.<br />
Diese Auslegung hat zumin<strong>de</strong>st die Satzungsversammlung<br />
nicht gewollt, was sie durch die Einführung <strong>de</strong>s nunmehr obligatorischen<br />
Fachgesprächs in <strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>m 1.1.<strong>2003</strong> gelten<strong>de</strong>n<br />
neuen Fassung von § 7 Abs. 1 Satz 1 FAO jetzt sehr <strong>de</strong>utlich<br />
zum Ausdruck gebracht hat.<br />
Es muss aber auch bezweifelt wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Gesetzgeber,<br />
<strong>de</strong>r das frühere Gesetz über Fachanwaltsbezeichnungen vom<br />
27.2.1992 (BGBl. 1992 I S. 369 ff.) geschaffen hat und auf<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r BGH immer wie<strong>de</strong>r rekurriert, tatsächlich eine gänzlich<br />
restriktive Handhabung gewollt hat. In <strong>de</strong>r amtlichen Begründung<br />
zu § 10 Abs. 1 RAFachBezG (BT-Drucks. 12/1710,<br />
S. 8) heißt es, durch die Möglichkeit, in Zweifelsfällen ein<br />
Fachgespräch mit <strong>de</strong>m Ast. zu führen, wer<strong>de</strong> gewährleistet,<br />
dass <strong>de</strong>r Ausschuss seine gegenüber <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r RAK<br />
abzugeben<strong>de</strong> Stellungnahme auch dann auf einer sicheren<br />
Grundlage abgeben könne, wenn die vorgelegten schriftlichen<br />
Unterlagen – insbeson<strong>de</strong>re zum Nachweis <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
theoretischen Kenntnisse – hierfür nicht ausreichten.<br />
Dies liest sich nicht so, als habe <strong>de</strong>r Gesetzgeber ein Fachgespräch<br />
nur in <strong>de</strong>n Fällen zulassen wollen, in <strong>de</strong>nen die formalen<br />
Voraussetzungen <strong>de</strong>s RAFachBezG eigentlich gar<br />
nicht erfüllt waren. An<strong>de</strong>rnfalls wäre die Verwendung <strong>de</strong>r Begriffe<br />
„Zweifelsfälle“ und „sichere Grundlage“ verfehlt.<br />
Bemerkenswert und be<strong>de</strong>nkenswert ist, dass <strong>de</strong>r BGH formuliert,<br />
die Agin. stelle we<strong>de</strong>r die fachliche Qualifikation<br />
<strong>de</strong>s Lehrgangsveranstalters und <strong>de</strong>r Dozenten noch die inhaltliche<br />
Ausgestaltung <strong>de</strong>s Lehrgangs und <strong>de</strong>r Klausuraufga-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
ben infrage und mache auch nicht geltend, dass die Klausurbewertungen<br />
unsachgemäß und nicht vertretbar seien. Zwar<br />
lässt er offen, ob die RAK tatsächlich berechtigt wäre, vorgelegte<br />
Nachweise z.B. unter Gesichtspunkten einer unangemessenen<br />
(etwa zu leichten) Aufgabenstellung in <strong>de</strong>n Klausuren<br />
o<strong>de</strong>r einer unsachgemäßen Klausurbewertung in<br />
Zweifel zu ziehen, doch scheint er dies zumin<strong>de</strong>st für nicht<br />
ausgeschlossen zu halten. Hier wird es in geeigneten Fällen<br />
an <strong>de</strong>n Ausschüssen bzw. Vorstän<strong>de</strong>n liegen, entsprechend<br />
zu argumentieren und nachvollziehbar vorzutragen.<br />
Die praktische Relevanz <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Entscheidung ist<br />
aufgrund <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s obligatorischen Fachgesprächs<br />
(§ 7 FAO n.F.) eher gering. Zwar soll sich nach <strong>de</strong>m Willen<br />
<strong>de</strong>r Satzungsversammlung an <strong>de</strong>m Regel-Ausnahme-Verhältnis<br />
von Verzicht auf ein Fachgespräch und Durchführung<br />
eines Fachgesprächs letztlich nichts än<strong>de</strong>rn, doch gibt das<br />
obligatorische Fachgespräch <strong>de</strong>n Vorprüfungsausschüssen –<br />
vorbehaltlich <strong>de</strong>r verfassungsrechtlichen Unbe<strong>de</strong>nklichkeit<br />
von § 7 FAO n.F. – die Möglichkeit, allen (berechtigten)<br />
Zweifeln an <strong>de</strong>r Qualifikation eines Fachanwaltsbewerbers<br />
nachzugehen. Soweit es um prüfungsspezifische Wertungen<br />
gehe – wozu die Beurteilung <strong>de</strong>s in einem Inhaltsprotokoll<br />
nie<strong>de</strong>rgelegten Fachgesprächs gehöre – seien, so stellt <strong>de</strong>r<br />
BGH nochmals ausdrücklich klar, <strong>de</strong>r richterlichen Nachprüfung<br />
Grenzen gezogen.<br />
Rechtsanwältin Dr. Susanne Offermann-Burckart, Köln<br />
Zulassungswi<strong>de</strong>rruf – zur Bestimmtheit einer Verfügung<br />
im Zusammenhang mit einem ärztlichen Gutachten;<br />
BRAO § 8a, 14, 15<br />
Die an einen RA gerichtete Verfügung, das Gutachten <strong>de</strong>s Direktors<br />
einer Nervenklinik o<strong>de</strong>r eines <strong>de</strong>r dort tätigen<br />
Fachärzte über <strong>de</strong>n Gesundheitszustand <strong>de</strong>s Anwalts vorzulegen,<br />
genügt <strong>de</strong>n Bestimmtheitsanfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 8a Abs. 1<br />
Satz 1 BRAO nicht. Eine solche Verfügung löst die Vermutungswirkung<br />
<strong>de</strong>s § 15 Satz 2 BRAO nicht aus und bietet daher<br />
keine Grundlage für <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r Zulassung nach § 14<br />
Abs. 2 Nr. 3 BRAO. Dies gilt auch dann, wenn diese Verfügung<br />
bestandskräftig gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
BGH, Beschl. v. 23.9.2002 – AnwZ (B) 56/01<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Der Ast., <strong>de</strong>r bereits von 1974 bis 1976 zur Rechtsanwaltschaft<br />
zugelassen war, wur<strong>de</strong> 1982 erneut zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.<br />
Seit dieser Zeit ist er beim AG und LG ... und seit 1985<br />
auch beim OLG ... als RA zugelassen.<br />
Der Ast. äußerte sich, vermehrt nach 1998, in einer Vielzahl von<br />
Schriftsätzen, insbeson<strong>de</strong>re gegenüber <strong>de</strong>n verfahrensbeteiligten<br />
Richtern, in grob unsachlicher und beleidigen<strong>de</strong>r Weise. Im<br />
Zuge <strong>de</strong>r daraufhin gegen <strong>de</strong>n Ast. eingeleiteten Strafverfahren<br />
wur<strong>de</strong> das Gutachten eines Psychologen eingeholt, <strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>m<br />
Ergebnis kam, dass bei <strong>de</strong>m Ast. eine Neurose bzw. eine Persönlichkeitsstörung<br />
(Rorschach) vorliege. Nach<strong>de</strong>m die Agin.<br />
von diesem Gutachten erfahren hatte, gab sie <strong>de</strong>m Ast. mit Bescheid<br />
v. 10.8.2000 auf, ein Gutachten <strong>de</strong>s Direktors o<strong>de</strong>r eines<br />
<strong>de</strong>r Fachärzte <strong>de</strong>s Bezirkskrankenhauses ... über seinen Gesundheitszustand<br />
vorzulegen. Gegen diesen Bescheid stellte <strong>de</strong>r<br />
Ast. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Diesen Antrag nahm<br />
<strong>de</strong>r Ast. zurück, nach<strong>de</strong>m die Agin. sich bereit erklärt hatte, dass<br />
die Begutachtung entwe<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Institutsleiter <strong>de</strong>s Instituts<br />
für Neurologie und Psychiatrie <strong>de</strong>r ...-Universität ... o<strong>de</strong>r durch<br />
<strong>de</strong>n Leiter <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Instituts <strong>de</strong>r Technischen Uni-
30 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
versität ... erfolgen solle. Daraufhin än<strong>de</strong>rte die Agin. mit Bescheid<br />
v. 13.2.2001 <strong>de</strong>n Bescheid v. 10.8.2000 dahin ab, dass<br />
bis spätestens 5.5.2001 ein umfassen<strong>de</strong>s Gutachten durch <strong>de</strong>n<br />
Direktor o<strong>de</strong>r einen <strong>de</strong>r Fachärzte <strong>de</strong>r Nervenklinik <strong>de</strong>r ...-Universität<br />
... vorzulegen sei. Dieser Auffor<strong>de</strong>rung kam <strong>de</strong>r Ast.<br />
nicht nach.<br />
Mit Bescheid v. 17.5.2001 hat die Agin. die Zulassung <strong>de</strong>s Ast.<br />
zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 15 Satz 2,<br />
§ 8a Abs. 1 BRAO und zugleich wegen Vermögensverfalls nach<br />
§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wi<strong>de</strong>rrufen sowie die sofortige Vollziehung<br />
<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung angeordnet. Den Antrag auf gerichtliche<br />
Entscheidung und <strong>de</strong>n Antrag auf Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
<strong>de</strong>r aufschieben<strong>de</strong>n Wirkung hat <strong>de</strong>r AGH mit Beschl. v.<br />
25.6.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige<br />
Beschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ast., auf <strong>de</strong>ssen Antrag <strong>de</strong>r Senat mit Beschl. v.<br />
4.2.2002 die aufschieben<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>r sofortigen Beschwer<strong>de</strong><br />
wie<strong>de</strong>rhergestellt hat.<br />
II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO)<br />
und hat auch in <strong>de</strong>r Sache Erfolg.<br />
1. Der AGH hat offen gelassen, ob sich <strong>de</strong>r Ast. im Zeitpunkt <strong>de</strong>s<br />
Erlasses <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung und danach in Vermögensverfall<br />
befun<strong>de</strong>n hat. Der AGH hat seine Entscheidung allein auf<br />
<strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rrufsgrund <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO gestützt. Dabei<br />
hat er von einer eigenen Würdigung <strong>de</strong>r bereits vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Gutachten abgesehen, son<strong>de</strong>rn sich – ebenso wie bereits<br />
die Agin. in <strong>de</strong>m angefochtenen Bescheid – auf die gesetzliche<br />
Vermutung <strong>de</strong>s § 15 i.V.m. § 8a BRAO berufen. Entgegen <strong>de</strong>r<br />
Auffassung <strong>de</strong>r Agin. und <strong>de</strong>s AGH vermag jedoch <strong>de</strong>r Umstand,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. bis heute <strong>de</strong>r Anordnung, ein Gutachten vorzulegen,<br />
nicht nachgekommen ist, vorliegend die gesetzliche Vermutung<br />
<strong>de</strong>r nicht nur vorübergehen<strong>de</strong>n Berufsunfähigkeit nicht<br />
zu begrün<strong>de</strong>n.<br />
2. Nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 8a Abs. 1 BRAO kann in einem Wi<strong>de</strong>rrufsverfahren<br />
nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO die Wi<strong>de</strong>rrufsbehör<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>m RA aufgeben, innerhalb einer von ihr zu bestimmen<strong>de</strong>n<br />
angemessenen Frist das Gutachten eines von ihr bestimmten<br />
Arztes über seinen Gesundheitszustand vorzulegen.<br />
Wird das Gutachten ohne zureichen<strong>de</strong>n Grund nicht innerhalb<br />
<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> gesetzten Frist vorgelegt, so wird nach § 15<br />
Satz 2 BRAO vermutet, dass <strong>de</strong>r RA aus einem Grund <strong>de</strong>s § 14<br />
Abs. 2 Nr. 3 BRAO, <strong>de</strong>r durch das Gutachten geklärt wer<strong>de</strong>n<br />
soll, nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß<br />
auszuüben.<br />
Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist es allein Sache <strong>de</strong>r zuständigen<br />
Behör<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n die Untersuchung vornehmen<strong>de</strong>n Sachverständigen<br />
eigenverantwortlich zu bestimmen. Nur eine diesen<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen genügen<strong>de</strong> Verfügung ist geeignet, die gesetzliche<br />
Vermutung einer nicht nur vorübergehen<strong>de</strong>n Berufsunfähigkeit<br />
zu rechtfertigen (Senatsbeschl. v. 13.4.1992 – AnwZ<br />
[B] 8/92 – BRAK-Mitt. 1992, 217). Dies ist bezüglich <strong>de</strong>r Verfügung<br />
v. 13.2.2001, auf die es bei <strong>de</strong>r rechtlichen Beurteilung allein<br />
ankommt, nicht <strong>de</strong>r Fall.<br />
a) Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ast. gegen <strong>de</strong>n Erstbescheid <strong>de</strong>r Agin. v.<br />
10.8.2000 (Erstellung eines Gutachtens durch <strong>de</strong>n Direktor o<strong>de</strong>r<br />
einen <strong>de</strong>r Fachärzte <strong>de</strong>s Bezirkskrankenhauses ...) Antrag auf gerichtliche<br />
Entscheidung gestellt hatte, einigten sich die Verfahrensbeteiligten<br />
in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung vor <strong>de</strong>m AGH<br />
dahin, dass eine Begutachtung durch einen <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r ...<br />
Fachkliniken erfolgen sollte. Daraufhin nahm <strong>de</strong>r Ast. seinen<br />
Antrag zurück.<br />
Daraus will die Agin. herleiten, dass aufgrund dieser Verfahrensweise<br />
<strong>de</strong>r ursprüngliche Bescheid mit <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Verhandlung<br />
vor <strong>de</strong>m AGH einvernehmlich vorgenommenen Modifikation<br />
bestandskräftig gewor<strong>de</strong>n sei. Ob <strong>de</strong>m im Ausgangspunkt<br />
gefolgt wer<strong>de</strong>n könnte, erscheint schon zweifelhaft. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n weiteren Bescheid v. 13.2.2001, <strong>de</strong>r – wie die<br />
Agin. selbst nicht verkennt – über die im Termin vor <strong>de</strong>m AGH<br />
getroffenen Abre<strong>de</strong>n hinausgehend auch alle in <strong>de</strong>r Nervenklinik<br />
<strong>de</strong>r ...-Universität beschäftigten Fachärzte einschließt, das<br />
weitere Wi<strong>de</strong>rrufsverfahren auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt.<br />
Dies hat <strong>de</strong>r AGH und zunächst – bis zum Erlass <strong>de</strong>s Senatsbeschl.<br />
v. 4.2.2002 – auch die Agin. so gesehen und konnte<br />
auch aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Adressaten dieses Bescheids nicht an<strong>de</strong>rs<br />
gesehen wer<strong>de</strong>n. Für die Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, ob die Vermutungswirkung<br />
<strong>de</strong>s § 15 Satz 2 BRAO greift, ist <strong>de</strong>mzufolge allein<br />
auf <strong>de</strong>n Zweitbescheid <strong>de</strong>r Agin. v. 13.2.2001 abzuleiten.<br />
Darauf, ob, wie die Agin. nunmehr argumentiert, <strong>de</strong>r Erlass dieses<br />
Beschei<strong>de</strong>s eigentlich gar nicht mehr notwendig gewesen<br />
wäre, damit das Wi<strong>de</strong>rrufsverfahren seinen Fortgang nehmen<br />
konnte, kommt es nicht an.<br />
In diesem Zusammenhang ist weiter unerheblich, dass <strong>de</strong>r Ast.<br />
von <strong>de</strong>r Möglichkeit, gegen <strong>de</strong>n Zweitbescheid v. 13.2.2001,<br />
<strong>de</strong>r – wie ausgeführt – das Ergebnis <strong>de</strong>r im Termin vor <strong>de</strong>m AGH<br />
erzielten Übereinkunft nicht zutreffend wie<strong>de</strong>rgibt, erneut Antrag<br />
auf gerichtliche Entscheidung zu stellen, nicht Gebrauch<br />
gemacht hat. Ein inhaltlicher Mangel <strong>de</strong>s Bescheids, <strong>de</strong>r darin<br />
liegt, dass die Bestimmung <strong>de</strong>s Sachverständigen unterlassen<br />
o<strong>de</strong>r nicht konkret genug vorgenommen wird, ist unabhängig<br />
davon zu beachten, ob <strong>de</strong>r Bescheid Bestandskraft erlangt hat<br />
o<strong>de</strong>r nicht (vgl. <strong>de</strong>n Senatsbeschl. v. 13.4.1992, a.a.O., <strong>de</strong>m<br />
ebenfalls eine unangefochten gebliebene „Gutachten“-Verfügung<br />
zugrun<strong>de</strong> lag).<br />
b) Durch <strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r Agin. v. 13.2.2001 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Ast.<br />
aufgegeben, bis zum 5.5.2001 ein umfassen<strong>de</strong>s, durch „<strong>de</strong>n Direktor<br />
o<strong>de</strong>r einen <strong>de</strong>r Fachärzte“ <strong>de</strong>r Nervenklinik <strong>de</strong>r ...-Universität<br />
... zu erstellen<strong>de</strong>s Gutachten vorzulegen. Nach <strong>de</strong>m ein<strong>de</strong>utigen<br />
Wortlaut dieser Verfügung richtet sich <strong>de</strong>r Gutachtenauftrag<br />
an je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r angesprochenen Ärzte gleichermaßen. Eine<br />
einschränken<strong>de</strong> Auslegung dahin, dass mit <strong>de</strong>r Erstattung <strong>de</strong>s<br />
Gutachtens allein <strong>de</strong>r Direktor <strong>de</strong>r Klinik beauftragt und es diesem<br />
lediglich gestattet sein soll, an<strong>de</strong>re dort tätige Fachärzte als<br />
Hilfskräfte bei <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>s Gutachtens heranzuziehen<br />
(vgl. BVerwG, NJW 1984, 2645, 2646; BGH, Urt. v. 8.1.1985 –<br />
VI ZR 15/83 – NJW 1985, 1399, 1400), ist angesichts <strong>de</strong>s insoweit<br />
ein<strong>de</strong>utigen Wortlauts <strong>de</strong>r Verfügung nicht möglich.<br />
Eine <strong>de</strong>rartige Verfahrensweise,<br />
bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Sachverständige nicht<br />
als Einzelperson, son<strong>de</strong>rn als<br />
Mitglied einer, wenn auch abgegrenzten<br />
– alle in <strong>de</strong>r Nervenkli-<br />
Bescheid genügt nicht<br />
<strong>de</strong>n Bestimmtheitsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
nik tätigen Fachärzte – Gruppe ausgewählt wird, genügt nach<br />
<strong>de</strong>r Rechtsauffassung <strong>de</strong>s Senats, entgegen einer von Stimmen<br />
in Literatur und Rspr. (BayEGH, BRAK-Mitt. 1992, 221; Feuerich/Braun,<br />
BRAO, 5. Aufl., § 8a Rdnr. 2) vertretenen Meinung,<br />
<strong>de</strong>n Bestimmtheitsanfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 8a Abs. 1 Satz 1 BRAO<br />
nicht mehr.<br />
Angesichts <strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong>n Folge, die eine nicht fristgerechte<br />
Vorlage <strong>de</strong>s Gutachtens für die berufliche Existenz <strong>de</strong>s RA<br />
haben kann, muss für diesen hinreichen<strong>de</strong> Klarheit darüber bestehen,<br />
mit welchen sachverständigen Personen er sich ggf. auseinan<strong>de</strong>r<br />
zu setzen hat und ob für ihn Anlass besteht, die fachliche<br />
Kompetenz und persönliche Unabhängigkeit dieser Person<br />
zu überprüfen.<br />
c) Die angefochtene Verfügung und <strong>de</strong>r Beschl. <strong>de</strong>s AGH sind<br />
daher aufzuheben.<br />
Der AGH hat sich nur mit <strong>de</strong>m Vorliegen <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsvoraussetzungen<br />
<strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO befasst. Zur Frage <strong>de</strong>s<br />
Vermögensverfalls, auf <strong>de</strong>n die Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung <strong>de</strong>r Agin. v.<br />
17.5.2001 ebenfalls gestützt war, hat sich <strong>de</strong>r AGH nicht<br />
geäußert. Der Senat hält es daher für angezeigt, die Sache zur
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 31<br />
weiteren Abklärung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufsgrun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s § 14 Abs. 2 Nr. 7<br />
BRAO an <strong>de</strong>n AGH zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschlüsse<br />
v. 20.1.1995 – AnwZ [B] 16/94 – BRAK-Mitt. 1995, 162, 163; v.<br />
29.11.1993 – AnwZ [B] 47/93 – BRAK-Mitt. 1994, 40, 41).<br />
Anwaltliche Werbung – Briefbogengestaltung einer<br />
überörtlichen Anwaltssozietät; BRAO § 43b; BORA<br />
§§ 8, 10<br />
Wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Kopfleiste <strong>de</strong>s Briefbogens einer Anwaltskanzlei<br />
blickfangmäßig die Namen <strong>de</strong>r Sozietätsmitglie<strong>de</strong>r zusammen<br />
mit <strong>de</strong>n Berufsbezeichnungen Rechtsanwälte, Steuerberater<br />
und Patentanwalt herausgestellt, so wird damit zum Ausdruck<br />
gebracht, dass es sich um eine Kanzlei han<strong>de</strong>lt, in <strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />
ein Sozietätsmitglied über die Zusatzqualifikation Steuerberater<br />
und Patentanwalt verfügt. Weisen <strong>de</strong>mgegenüber nur<br />
Kooperationspartner <strong>de</strong>r Kanzlei eine <strong>de</strong>rartige Qualifikation<br />
auf, so wird die Gefahr einer Irreführung <strong>de</strong>r angesprochenen<br />
Verkehrskreise über die berufliche Qualifikation <strong>de</strong>r Sozietätsmitglie<strong>de</strong>r<br />
nicht dadurch ausgeräumt, dass die Berufsbezeichnungen<br />
Steuerberater und Patentanwalt am rechten Rand <strong>de</strong>s<br />
Briefkopfes durch Namensnennung <strong>de</strong>r Kooperationspartner<br />
unter Hinzufügung ihrer beruflichen Stellung erläutert wer<strong>de</strong>n.<br />
BGH, Beschl. v. 23.9.2002 – AnwZ (B) 67/01<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Die Ast. sind Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r überörtlichen Anwaltssozietät<br />
I. H. N. Z. mit Kanzleien in Hamburg und Rostock. Die Kanzlei<br />
<strong>de</strong>r Ast. befin<strong>de</strong>t sich in Hamburg. Die Sozietät arbeitet mit <strong>de</strong>m<br />
StB B. (Kanzleisitz in Hamburg) und <strong>de</strong>m Patentanwalt J. (Kanzleisitz<br />
in Parchim) zusammen. Auf diese Zusammenarbeit weist<br />
die Anwaltskanzlei auf <strong>de</strong>n von ihr verwen<strong>de</strong>ten Briefbögen mit<br />
folgen<strong>de</strong>m Briefkopf hin:<br />
I. · H. · N. · Z.<br />
RECHTSANWÄLTE STEUERBERATER* PATENTANWALT*<br />
HAMBURG · ROSTOCK<br />
Hamburg Rostock<br />
B. H. U. I.<br />
O. N.<br />
M. Z.<br />
G. I.straße<br />
Hamburg Rostock<br />
Telefon Telefon<br />
Telefax Telefax<br />
Gerichtsfach<br />
eMail:<br />
*in Kooperation<br />
G. B. R. J.<br />
Steuerberater Patentanwalt<br />
M.straße B.allee<br />
Hamburg Parchim<br />
Telefon Telefon<br />
Telefax Telefax<br />
Die Agin. hat <strong>de</strong>m Ast. zu 2 mit Schreiben v. 13.1.2000 mitgeteilt,<br />
dass die Gestaltung <strong>de</strong>s Sozietätsbriefbogens unzulässig<br />
sei, weil hierdurch <strong>de</strong>r unzutreffen<strong>de</strong> Eindruck erweckt wer<strong>de</strong>,<br />
zu <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Sozietät gehörten auch StB und ein Patentanwalt.<br />
Die Agin. hat <strong>de</strong>m Ast. zu 2 bis zum 4.2.2000 Ge-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
legenheit zur Stellungnahme gegeben mit <strong>de</strong>r Maßgabe, dass<br />
dann, wenn <strong>de</strong>r Ast. zu 2 binnen dieser Frist erkläre, eine „irreführungsfreie“<br />
Gestaltung <strong>de</strong>s Briefkopfes zu wählen, von <strong>de</strong>r<br />
Einleitung eines Aufsichtsverfahrens Abstand genommen wer<strong>de</strong>.<br />
Dagegen haben die Ast. Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />
gestellt. Der AGH hat <strong>de</strong>n Antrag zurückgewiesen. Hiergegen<br />
richtet sich die zugelassene sofortige Beschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ast. zu 2.<br />
II. Die sofortige Beschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ast. zu 2 ist nach § 223 Abs. 3<br />
BRAO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt wor<strong>de</strong>n.<br />
Der Ast. war auch zur Einleitung <strong>de</strong>s gerichtlichen Verfahrens<br />
befugt. Das Schreiben <strong>de</strong>r Agin. v. 13.1.2000 ging über eine<br />
bloße Belehrung (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO) hinaus. Dem Ast.<br />
zu 2 wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Fall, dass innerhalb <strong>de</strong>r gesetzten Frist nicht<br />
eine <strong>de</strong>n Beanstandungen <strong>de</strong>r Agin. Rechnung tragen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s Briefkopfes zugesagt wird, die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens<br />
(Rügeverfahren, Einleitung eines anwaltsgerichtlichen<br />
Verfahrens) angekündigt. Damit han<strong>de</strong>lt es sich bei<br />
<strong>de</strong>m angefochtenen Schreiben <strong>de</strong>r Agin. um eine hoheitliche<br />
Maßnahme, die geeignet war, die Ast. in ihren Rechten einzuschränken<br />
(vgl. Senatsbeschlüsse v. 18.11.1996 – AnwZ [B]<br />
20/96, NJW-RR 1997, 759 und v. 17.12.2001 – AnwZ [B] 12/01,<br />
NJW 2002, 608 sowie Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 73<br />
Rdnr. 19 ff.).<br />
III. Die Beschwer<strong>de</strong> hat in <strong>de</strong>r Sache keinen Erfolg. Die Agin. hat<br />
zu Recht <strong>de</strong>n vom Ast. zu 2 und <strong>de</strong>n übrigen Sozietätsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
verwen<strong>de</strong>ten Briefkopf beanstan<strong>de</strong>t.<br />
In <strong>de</strong>r Kopfzeile <strong>de</strong>s Briefbogens sind die Namen <strong>de</strong>r RAe aufgeführt,<br />
die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r überörtlichen Sozietät sind. Die in<br />
<strong>de</strong>r darunterliegen<strong>de</strong>n Zeile neben <strong>de</strong>r Berufsbezeichnung<br />
„Rechtsanwälte“ in <strong>de</strong>rselben Drucktype aufgeführten Berufsangaben<br />
„Steuerberater“ und „Patentanwalt“ treffen für keinen<br />
<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kopfzeile genannten Kanzleimitglie<strong>de</strong>r zu. Die Agin.<br />
und ihr folgend <strong>de</strong>r AGH halten die von <strong>de</strong>n Ast. gewählte Ausgestaltung<br />
<strong>de</strong>s Briefkopfes <strong>de</strong>shalb für unzulässig, weil er beim<br />
rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikum zu Fehlschlüssen über die wahren<br />
Berufe <strong>de</strong>r Anwaltssozietät und zu <strong>de</strong>r unzutreffen<strong>de</strong>n Annahme<br />
führen könne, min<strong>de</strong>stens ein StB und ein Patentanwalt seien<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anwaltssozietät. Dieser Bewertung folgt <strong>de</strong>r Senat.<br />
1. Die Gestaltung und Verwendung <strong>de</strong>s Briefkopfes o<strong>de</strong>r -bogens<br />
einer Anwaltskanzlei stellt ein werben<strong>de</strong>s Verhalten dar,<br />
das darauf abzielt, <strong>de</strong>n Verkehr für die Inanspruchnahme von<br />
Leistungen dieser Kanzlei zu gewinnen (vgl. BGH, Urt. v.<br />
17.4.1997 – I ZR 219/94, NJW 1997, 3236, 3237; Senatsbeschl.<br />
v. 12.2.2001 – AnwZ [B] 11/00, NJW 2001, 1573, 1574; AGH<br />
Nordrhein-Westfalen, BRAK-Mitt. 2001, 92 f.). Als solches ist es<br />
Bestandteil <strong>de</strong>r Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).<br />
Das ist bei <strong>de</strong>r Anwendung und Auslegung <strong>de</strong>r die anwaltlichen<br />
Werbemaßnahmen einschränken<strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>r<br />
§§ 43b, 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA mit <strong>de</strong>r<br />
Maßgabe zu berücksichtigen, dass in je<strong>de</strong>m Einzelfall nicht die<br />
Gestaltung <strong>de</strong>r Anwaltswerbung, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>ren Einschränkung<br />
einer beson<strong>de</strong>ren Rechtfertigung bedarf (vgl. BGHZ 147, 71,<br />
74 f.; Senatsbeschl. v. 17.12.2001, a.a.O., 609). § 43b BRAO,<br />
wonach <strong>de</strong>r RA über seine berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt<br />
sachlich zu unterrichten hat, steht aber einer irreführen<strong>de</strong>n<br />
Werbung entgegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.2000 – 1 BvR<br />
721/99, NJW 2000, 3195).<br />
Irreführung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsuchen<strong>de</strong>n<br />
zu befürchten<br />
2. Eine Gesamtbetrachtung <strong>de</strong>s<br />
von <strong>de</strong>r Agin. beanstan<strong>de</strong>ten<br />
Briefbogens ergibt, dass eine Irreführung<br />
<strong>de</strong>s rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikums<br />
in rechtlich relevanter<br />
Weise zu befürchten ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.4.1996 – I<br />
ZR 106/94, NJW 1996, 2308).
32 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
a) In <strong>de</strong>r Kopfleiste <strong>de</strong>s Briefbogens, die quer über die gesamte<br />
Seite gezogen ist, wer<strong>de</strong>n die Namen <strong>de</strong>r Kanzleimitglie<strong>de</strong>r zusammen<br />
mit <strong>de</strong>n Berufsbezeichnungen Rechtsanwälte, Steuerberater<br />
und Patentanwalt blickfangmäßig herausgestellt. Da die<br />
unter <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r Kanzleimitglie<strong>de</strong>r befindlichen Berufsbezeichnungen<br />
diesen Personen zugeordnet wer<strong>de</strong>n, enthält die<br />
Kopfleiste, für sich genommen, die ein<strong>de</strong>utige Aussage, dass die<br />
Anwaltskanzlei durch ihre Sozien neben anwaltlichen Leistungen<br />
auch solche Leistungen anbietet und erbringt, die zu <strong>de</strong>m<br />
Tätigkeitsbereich eines StB o<strong>de</strong>r Patentanwalts gehören, und<br />
zwar an <strong>de</strong>n Kanzleisitzen Hamburg o<strong>de</strong>r Rostock.<br />
Dies ist aber unrichtig, weil nur die in einem bloßen Kooperationsverhältnis<br />
mit <strong>de</strong>r Kanzlei stehen<strong>de</strong>n Personen mit Kanzleisitz<br />
in Hamburg und Parchim die in <strong>de</strong>r Kopfleiste genannten<br />
Qualifikationen als StB und Patentanwalt aufweisen.<br />
Arbeiten RAe mit Angehörigen an<strong>de</strong>rer Berufe wie StB und Patentanwälten<br />
in Form einer auf Dauer angelegten und durch<br />
tatsächliche Ausübung verfestigten Kooperation zusammen,<br />
sind sie zwar berechtigt, hierauf unter Angabe <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Berufsbezeichnungen auf <strong>de</strong>n Briefbögen aufmerksam zu machen<br />
(§§ 10 Abs. 2, 8 Satz 1 BORA). Dies darf jedoch nicht in<br />
<strong>de</strong>r Weise geschehen, dass <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Kanzlei beson<strong>de</strong>re<br />
Befähigungen zugewiesen wer<strong>de</strong>n, die nur die Kooperationspartner<br />
aufweisen.<br />
b) Die Aussage, die in <strong>de</strong>r Kopfleiste <strong>de</strong>s Briefbogens enthalten<br />
ist, wird nicht in ausreichen<strong>de</strong>r Weise durch die weitere Gestaltung<br />
<strong>de</strong>s Bogens richtiggestellt. Zwar sind die unter <strong>de</strong>n Namen<br />
<strong>de</strong>r Sozietätsmitglie<strong>de</strong>r angegebenen Berufsbezeichnungen<br />
Steuerberater und Patentanwalt mit einem Stern versehen. Dies<br />
ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass auf <strong>de</strong>m Briefbogen<br />
selbst noch weitere Erläuterungen zu diesen Berufsangaben erteilt<br />
wer<strong>de</strong>n. Geht ein aufmerksamer und über die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Formen <strong>de</strong>r beruflichen Zusammenarbeit von RAen untereinan<strong>de</strong>r<br />
o<strong>de</strong>r mit Angehörigen an<strong>de</strong>rer Berufe hinreichend informierter<br />
Leser diesem Hinweis nach, so wird er allerdings<br />
durch <strong>de</strong>n fettgedruckten und unterstrichenen Hinweis „in<br />
Kooperation“ davon in Kenntnis gesetzt, dass insoweit nur <strong>de</strong>r<br />
StB B. mit <strong>de</strong>m Sitz in Hamburg und <strong>de</strong>r Patentanwalt J. mit Sitz<br />
in Parchim die entsprechen<strong>de</strong> Qualifikation besitzen. Dies<br />
reicht aber nicht aus. Hinter <strong>de</strong>r blickfangmäßig herausgestellten,<br />
<strong>de</strong>n gesamten Bogen quer einnehmen<strong>de</strong>n Kopfleiste treten<br />
die unter einem durchgehen<strong>de</strong>n Querstrich auf <strong>de</strong>r rechten<br />
Hälfte <strong>de</strong>s Bogens wie<strong>de</strong>rgegebenen, in kleiner Schrift gehaltenen<br />
Informationen zurück.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>ssen wer<strong>de</strong>n sich<br />
vielfach je<strong>de</strong>nfalls diejenigen potentiellen<br />
Mandanten <strong>de</strong>r Kanzlei,<br />
<strong>de</strong>nen nicht an <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
mit einem bestimmten<br />
Sozietätsmitglied gelegen ist und <strong>de</strong>nen daher gleichgültig ist,<br />
welches <strong>de</strong>r aufgeführten Kanzleimitglie<strong>de</strong>r über welche spezielle<br />
Zusatzqualifikation verfügt, mit <strong>de</strong>n Angaben in <strong>de</strong>r Kopfleiste<br />
begnügen. Aber auch für die übrigen Rechtsuchen<strong>de</strong>n ist<br />
die Gefahr einer Irreführung nicht ausgeräumt. Denn für die<br />
nicht juristisch vorgebil<strong>de</strong>ten Verkehrskreise ist <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s<br />
Kooperationspartners in seiner inhaltlichen Be<strong>de</strong>utung nicht<br />
<strong>de</strong>rart ausgeprägt, dass ihnen aufgrund <strong>de</strong>r gegebenen Erklärung<br />
hinreichend <strong>de</strong>utlich vor Augen steht, es mit einer Anwaltskanzlei<br />
zu tun zu haben, bei <strong>de</strong>r kein einziges Mitglied die beson<strong>de</strong>rs<br />
herausgestellte Zusatzqualifikation StB und Patentanwalt<br />
aufweist.<br />
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es <strong>de</strong>n Ast. ohne weiteres<br />
möglich und zumutbar ist, durch eine an<strong>de</strong>re Gestaltung <strong>de</strong>s<br />
Briefbogens herauszustellen, dass sie sich die beson<strong>de</strong>ren<br />
Kenntnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>r Kooperationspartner zunutze<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Mandanten begnügen<br />
sich i.d.R. mit Angaben<br />
in <strong>de</strong>r Kopfleiste<br />
machen können; dies kann in einer Weise geschehen, die ihre<br />
werblichen Interessen unbeeinträchtigt lässt. Die in <strong>de</strong>r Beanstandung<br />
<strong>de</strong>r Agin. liegen<strong>de</strong> Einschränkung <strong>de</strong>r Berufsausübungsfreiheit<br />
<strong>de</strong>r Ast. ist daher geringfügig, dass insbeson<strong>de</strong>re<br />
auch von einer Verletzung <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
nicht gesprochen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
IV. Der Senat konnte über die Beschwer<strong>de</strong> ohne mündliche Verhandlung<br />
entschei<strong>de</strong>n, da die Beteiligten ausdrücklich auf sie<br />
verzichtet haben (§ 42 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 2<br />
BRAO).<br />
Zur Aufrechnung eines Rechtsanwalts gegen <strong>de</strong>n Anspruch<br />
<strong>de</strong>s Auftraggebers auf Herausgabe eines eingezogenen<br />
Geldbetrags; BGB §§ 667, 675; BORA § 4<br />
* 1. Der einem RA erteilte Einziehungsauftrag begrün<strong>de</strong>t nicht<br />
ohne weiteres ein <strong>de</strong>r Aufrechnung entgegenstehen<strong>de</strong>s Treuhandverhältnis.<br />
* 2. Grundsätzlich ist ein RA daher nicht gehin<strong>de</strong>rt, sich durch<br />
Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus nicht zweckgebun<strong>de</strong>nen<br />
Fremdgel<strong>de</strong>rn zu befriedigen. Dies gilt selbst dann,<br />
wenn die Honoraransprüche nicht <strong>de</strong>n Auftrag betreffen, <strong>de</strong>r<br />
zu <strong>de</strong>m Gel<strong>de</strong>ingang geführt hat.<br />
* 3. Unabhängig vom Vorliegen eines Treuhandverhältnisses<br />
können Sinn und Zweck eines Auftrags <strong>de</strong>m Beauftragten jedoch<br />
nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben verbieten, gegen<br />
<strong>de</strong>n Anspruch auf Herausgabe <strong>de</strong>s Erlangten mit Gegenfor<strong>de</strong>rungen<br />
aufzurechnen, die ihren Grund nicht in <strong>de</strong>m Auftrag<br />
und <strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Aufwendungen haben.<br />
Insofern ist zu ermitteln, ob <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Inhalt <strong>de</strong>s zwischen<br />
<strong>de</strong>n Parteien begrün<strong>de</strong>ten Schuldverhältnisses, die Natur <strong>de</strong>r<br />
Rechtsbeziehungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r geschul<strong>de</strong>ten Leistung<br />
eine Erfüllung im Wege <strong>de</strong>r Aufrechnung als mit Treu und Glauben<br />
unvereinbar erscheinen lassen.<br />
BGH, Urt. v. 12.9.2002 – IX ZR 66/01<br />
Volltext unter www.<strong>brak</strong>.<strong>de</strong><br />
Fachanwalt – zum Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren praktischen<br />
Erfahrungen; FAO § 5 c)<br />
* 1. Einem Ast. fehlt nicht schon <strong>de</strong>shalb genügend praktische<br />
Erfahrung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Arbeitsrechts, weil er lediglich<br />
drei Fälle <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts nachweisen kann.<br />
* 2. Im Lichte <strong>de</strong>r Grundrechte ist bei <strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>r von<br />
<strong>de</strong>m Bewerber vorgelegten Nachweise für <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
praktischen Erfahrungen auf seinem Fachgebiet ein<br />
um so großzügigerer Maßstab anzulegen, je schwieriger es ist,<br />
solche praktischen Erfahrungen zu sammeln.<br />
Bayerischer AGH, Beschl. v. 20.11.2002 – BayAGH I 19/01<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Mit Schreiben v. 24.3.2000 beantragte <strong>de</strong>r Ast. bei <strong>de</strong>r Agin.<br />
die Verleihung <strong>de</strong>r Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“.<br />
Unter an<strong>de</strong>rem reichte er dazu eine Fallliste von 80 gerichtlichen<br />
und 56 außergerichtlichen Fällen ein, wovon er 5 Fälle<br />
<strong>de</strong>m kollektiven Arbeitsrecht zuordnete.<br />
Mit Schreiben v. 30.11.2000 <strong>de</strong>s gemeinsamen Prüfungsausschusses<br />
<strong>de</strong>r Agin. wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Ast. mitgeteilt, dass seine Dokumentation<br />
<strong>de</strong>r praktischen Erfahrungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Streuung<br />
<strong>de</strong>r bearbeiteten Gebiete i.S.d. § 10 Nr. 1 FAO sehr knapp<br />
und hinsichtlich <strong>de</strong>r für in § 10 Nr. 2 FAO aufgeführten Gebiete<br />
<strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts ungenügend sei, weil min<strong>de</strong>stens<br />
5 Fälle kollektiven Arbeitsrechts mit direkter Anwendung nach-
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 33<br />
zuweisen seien. Der Ast. müsste entwe<strong>de</strong>r eine Nachdokumentation<br />
beibringen o<strong>de</strong>r das Angebot <strong>de</strong>r Führung eines Fachgesprächs<br />
akzeptieren.<br />
In einer Stellungnahme bat <strong>de</strong>r Ast., seine Falldokumentation im<br />
Hinblick auf seine Ausführungen nochmals zu überprüfen. Daraufhin<br />
wur<strong>de</strong> er mit Schreiben v. 19.3.2001 zum Fachgespräch<br />
vorgela<strong>de</strong>n. Nach Durchführung <strong>de</strong>s Fachgespräches leitete <strong>de</strong>r<br />
gemeinsame Prüfungsausschuss mit Schreiben v. 6.4.2001 die<br />
Antragsakte an <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Agin. zurück mit <strong>de</strong>m Hinweis,<br />
dass das Fachgespräch mit <strong>de</strong>m Ergebnis geen<strong>de</strong>t habe, dass die<br />
praktischen Erfahrungen <strong>de</strong>s Ast. weit unter <strong>de</strong>m Durchschnitt<br />
<strong>de</strong>ssen liegen, was im Erfahrungsbereich <strong>de</strong>s Fachanwalts sonst<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Mit Bescheid v. 9.5.2001 wies <strong>de</strong>r Vorstand <strong>de</strong>r Agin. <strong>de</strong>n Antrag<br />
auf Erteilung <strong>de</strong>r Erlaubnis zur Führung <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />
„Fachanwalt für Arbeitsrecht“ zurück mit <strong>de</strong>r Begründung, dass<br />
<strong>de</strong>r Ast. <strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Befassung mit kollektivem<br />
Arbeitsrecht nicht geführt habe, da insoweit lediglich 3<br />
Fälle anerkannt wer<strong>de</strong>n könnten. Außer<strong>de</strong>m habe das Fachgespräch<br />
ergeben, dass die praktischen Erfahrungen <strong>de</strong>s Ast. weit<br />
unter <strong>de</strong>m Durchschnitt liegen wür<strong>de</strong>n. Eine vom Ast. nachgereichte<br />
Dokumentation v. 10.4.2001 könne nicht mehr berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Gegen diesen Bescheid wandte sich <strong>de</strong>r Ast. mit seinem am<br />
5.6.2001 eingegangenen Antrag v. 1.6.2001 auf gerichtliche<br />
Entscheidung. Er begrün<strong>de</strong>te seinen Antrag damit, dass er ausreichend<br />
viele Fälle aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts<br />
nachgewiesen habe und im Übrigen Fälle aus <strong>de</strong>m Individualarbeitsrecht<br />
genügen wür<strong>de</strong>n, sofern das kollektive Arbeitsrecht<br />
einen wesentlichen Anteil an <strong>de</strong>r argumentativen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung habe.<br />
Im Termin v. 30.1.2002 beantragten bei<strong>de</strong> Parteien das Ruhen<br />
<strong>de</strong>s Verfahrens.<br />
Die Agin. hat mit Urkun<strong>de</strong> v. 15.6.2002 <strong>de</strong>m Ast. die Erlaubnis<br />
zur Führung <strong>de</strong>r Berufsbezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“<br />
unter Aufhebung <strong>de</strong>s Bescheids v. 9.5.2001 erteilt.<br />
Hierauf erklärte <strong>de</strong>r Ast. das gegenständliche Verfahren für erledigt<br />
und beantragt, <strong>de</strong>r Agin. die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens einschließlich<br />
<strong>de</strong>r Kosten <strong>de</strong>r anwaltlichen Vertretung <strong>de</strong>s Ast. aufzuerlegen.<br />
Die Agin. stimmt <strong>de</strong>r Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Ast. zu und beantragt,<br />
die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens <strong>de</strong>m Ast. aufzuerlegen.<br />
II. In entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r §§ 91a ZPO, 13a FGG waren<br />
<strong>de</strong>r Agin. die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens aufzuerlegen, weil <strong>de</strong>r<br />
Ast. mit seinem Antrag voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.<br />
Nach Aktenlage wäre die Agin. auch ohne Eintritt <strong>de</strong>s erledigten<br />
Ereignisses verpflichtet gewesen, <strong>de</strong>m Ast. die Erlaubnis zum<br />
Führen <strong>de</strong>r Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ zu verleihen.<br />
Dabei ist von folgen<strong>de</strong>n Erwägungen auszugehen:<br />
1. Neben <strong>de</strong>m Vorliegen <strong>de</strong>r formellen Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 3<br />
FAO hat die Agin. festgestellt, dass von <strong>de</strong>n in § 5 Satz 1 c FAO<br />
gefor<strong>de</strong>rten 50 gerichtsförmlichen Verfahren <strong>de</strong>r Ast. min<strong>de</strong>stens<br />
72 nachgewiesen habe und außergerichtlich eine Dokumentation<br />
über 56 Fälle vorliege. Die Erlaubnis <strong>de</strong>r Führung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung<br />
ist <strong>de</strong>m Ast. lediglich <strong>de</strong>shalb nicht verliehen<br />
wor<strong>de</strong>n, weil er nach Auffassung <strong>de</strong>r Agin. statt 5 lediglich<br />
3 Fälle <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen Befassung mit kollektivem Arbeitsrecht<br />
nachgewiesen habe.<br />
2. Der Ast. hat auf ein Schreiben <strong>de</strong>s gemeinsamen Prüfungsausschusses<br />
v. 30.11.2000 mit Schreiben v. 15.12.2000 zwar<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
seine Bereitschaft erklärt, sich einem Fachgespräch zu unterziehen,<br />
vorab jedoch darum gebeten, seine Falldokumentation im<br />
Hinblick auf die zusätzlichen Darlegungen zu überprüfen. Für<br />
die Agin. hätte Anlass bestan<strong>de</strong>n, hierauf einzugehen. Hätte <strong>de</strong>r<br />
Prüfungsausschuss bereits En<strong>de</strong> 2000 eine <strong>de</strong>m Schreiben v.<br />
25.3.2002 vergleichbare Stellungnahme <strong>de</strong>m Ast. zukommen<br />
lassen, hätte <strong>de</strong>r Ast. bereits früher die im Schreiben v. 3.4.2002<br />
erfolgten Ausführungen <strong>de</strong>r Agin. mitteilen können. Die Stellungnahme<br />
<strong>de</strong>s Ast. v. 3.4.2002 war offensichtlich mittragend<br />
für die Entscheidung, ein positives Votum zu Gunsten <strong>de</strong>s Ast.<br />
auszusprechen.<br />
3. Die Agin. hat in <strong>de</strong>m inzwischen aufgehobenen Bescheid v.<br />
9.5.2001 nicht ausreichend berücksichtigt, dass <strong>de</strong>m Ast. nicht<br />
schon <strong>de</strong>shalb genügend praktische Erfahrung fehle, weil lediglich<br />
3 von gefor<strong>de</strong>rten 5 Fällen <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechtes<br />
nachgewiesen seien. Im Bereich <strong>de</strong>s Nachweises praktischer<br />
Tätigkeit auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts hat <strong>de</strong>r<br />
BGH nicht erst im Beschl. v. 6.11.2000 darauf hingewiesen,<br />
dass Fälle aus <strong>de</strong>m kollektiven Arbeitsrecht in <strong>de</strong>r anwaltlichen<br />
Praxis nur verhältnismäßig selten vorkommen und im Übrigen<br />
Fragen aus diesem Rechtsgebiet auch bei <strong>de</strong>r Bearbeitung von<br />
Mandaten aus <strong>de</strong>m individuellen Arbeitsbereich eine wesentliche<br />
Rolle spielen können (BGH, NJW 1997, 1307, 1309).<br />
Großzügiger Maßstab<br />
für Fälle aus kollektivem<br />
Arbeitsrecht<br />
Im Lichte <strong>de</strong>r Grundrechte ist bei<br />
<strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Bewerber<br />
vorgelegten Nachweise<br />
für <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
praktischen Erfahrungen auf sei-<br />
nem Fachgebiet ein umso großzügigerer Maßstab anzulegen, je<br />
schwieriger es ist, solche praktischen Erfahrungen zu sammeln.<br />
Darüber hinaus hat <strong>de</strong>r BGH<br />
seit langem betont, dass die<br />
Schwelle für <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>r<br />
Fachanwaltsbezeichnung ersichtlich<br />
nicht sehr hoch anzu-<br />
Schwelle für Erwerb<br />
nicht sehr hoch<br />
anzusetzen<br />
setzen ist. Er hat mehrmals entschie<strong>de</strong>n, dass mangeln<strong>de</strong> Erfahrungen<br />
in einem Teilbereich <strong>de</strong>s Fachgebiets durch beson<strong>de</strong>re<br />
Erfahrungen in an<strong>de</strong>ren Teilbereichen ausgeglichen wer<strong>de</strong>n<br />
können (vgl. BGH, MDR 1998, 866, 867).<br />
III. Die Agin. beruft sich hinsichtlich <strong>de</strong>r Weichenstellung zu<br />
Gunsten <strong>de</strong>s Ast. auf einen Beschl. <strong>de</strong>s BGH v. 6.1.2000 (AnwZ<br />
(B) 75/99). Dieser Beschl. ist in <strong>de</strong>n BRAK-Mitteilungen (Herausgeber:<br />
BRAK) 2/2001, erschienen am 15.4.2001, veröffentlicht.<br />
Damit war <strong>de</strong>r Beschl. <strong>de</strong>s BGH zwar noch nicht veröffentlicht,<br />
als <strong>de</strong>r Prüfungsausschuss mit Schreiben v. 6.4.2001<br />
die Antragsakte an <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Agin. zurücksandte. Zum<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>r Beratung <strong>de</strong>r Angelegenheit durch <strong>de</strong>n Vorstand<br />
<strong>de</strong>r Agin. am 28.4.2000 und zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Erlasses <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />
v. 9.5.2001 war die Entscheidung jedoch bereits veröffentlicht<br />
und <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r Agin. zugänglich. Zu diesem<br />
Zeitpunkt wäre es veranlasst gewesen, die Voraussetzung für die<br />
Verleihung <strong>de</strong>r Befugnis zur Führung <strong>de</strong>r Fachanwaltsbezeichnung<br />
erneut überprüfen zu lassen.<br />
Voraussichtlich wäre dann ebenfalls mit <strong>de</strong>r Zweitüberprüfung<br />
ein Fachprüfungsausschuss beauftragt wor<strong>de</strong>n. Es ist davon auszugehen,<br />
dass sich dieser Fachprüfungsausschuss ebenfalls<br />
dafür entschie<strong>de</strong>n hätte, sich für die Verleihung <strong>de</strong>r Befugnis zur<br />
Führung <strong>de</strong>r Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ ohne<br />
Fachgespräch zu Gunsten <strong>de</strong>s Ast. auszusprechen. Der Vorstand<br />
<strong>de</strong>r Agin. hätte dann voraussichtlich <strong>de</strong>m Ast. die Befugnis verliehen.<br />
Es entspricht daher billigem Ermessen, <strong>de</strong>r Agin. die Gerichtskosten<br />
<strong>de</strong>s Verfahrens aufzuerlegen. Grün<strong>de</strong>, abweichend von<br />
§ 13a FGG die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen,<br />
sind nicht erkennbar.
34 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Zulassungsversagung – zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen einer<br />
Versagung wegen geistiger Schwäche; BRAO § 7<br />
Nr. 7; GG Art. 12<br />
* 1. Es ist die Pflicht eines RA, <strong>de</strong>r an körperlichen und geistigen<br />
Mängeln lei<strong>de</strong>t, sich selbst die nötige Beschränkung aufzuerlegen.<br />
Nur dann, wenn <strong>de</strong>r Bewerber dazu voraussichtlich<br />
nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, ist die Zulassung zu versagen.<br />
* 2. § 7 Nr. 7 BRAO lässt – ebenso wie § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3<br />
BRAO – <strong>de</strong>n medizinischen Befund allein nicht ausreichen.<br />
* 3. Als zum Teil massive Eingriffe in die durch Art. 12 GG geschützte<br />
Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Bewerbers stehen die Zulassungsversagungsgrün<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s § 7 BRAO in einem verfassungsrechtlichen<br />
Spannungsfeld, das eine restriktive Interpretation gebietet.<br />
* 4. Selbst wenn ein RA unfähig ist, sich in eigenen Angelegenheiten<br />
vernünftig und besonnen zu verhalten, be<strong>de</strong>utet dies<br />
nicht ohne weiteres, dass er zu ordnungsgemäßer Erledigung<br />
frem<strong>de</strong>r Angelegenheiten ebenfalls außerstan<strong>de</strong> ist.<br />
Nie<strong>de</strong>rsächsischer AGH, Beschl. v. 21.10.2002 – AGH 27/01<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Der am 5.2.1945 geborene Ast. war nach <strong>de</strong>m Bestehen <strong>de</strong>r<br />
2. juristischen Staatsprüfung ab 9.4.1974 bis 31.12.1998 als<br />
Richter, zuletzt beim LG ..., tätig. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ast. ab<br />
10.7.1996 vorläufig vom Dienst suspendiert und wegen <strong>de</strong>pressiver<br />
Neurose krankgeschrieben war, wur<strong>de</strong> er zum<br />
31.12.1998 auf eigenen Antrag in <strong>de</strong>n Ruhestand versetzt. Dem<br />
Antrag waren disziplinarrechtliche Verfahren gegen <strong>de</strong>n Ast. wegen<br />
Verletzung seiner Pflicht zur unverzögerten und vollständigen<br />
Dienstleistung vorausgegangen. Im Zuge dieser Disziplinarverfahren<br />
waren diverse ärztliche Gutachten zur Frage <strong>de</strong>r<br />
Dienst- und Schuldfähigkeit <strong>de</strong>s Ast. eingeholt wor<strong>de</strong>n, die bei<br />
<strong>de</strong>m Ast. unter an<strong>de</strong>rem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung<br />
sowie Alkoholmissbrauch diagnostiziert hatten. Der Ast.<br />
selbst hatte als Grün<strong>de</strong> für sein Verhalten schwere Belastungen<br />
im privaten Bereich wie das Scheitern <strong>de</strong>r langjährigen Ehe, <strong>de</strong>n<br />
Bruch eines außerehelichen Verhältnisses, Schul<strong>de</strong>nlast <strong>de</strong>s<br />
Hausbaus, einen schweren Streit mit <strong>de</strong>n Eltern und als Folge<br />
dieser Schwierigkeiten vermehrten Alkoholgenuss angegeben.<br />
Unter <strong>de</strong>m 30.12.1999 hat <strong>de</strong>r Ast. bei <strong>de</strong>r Agin. die Zulassung<br />
zur Rechtsanwaltschaft bei <strong>de</strong>m AG und LG ... beantragt. Die<br />
Agin. zog die über <strong>de</strong>n Ast. während seiner Richtertätigkeit geführten<br />
Personalakten einschließlich <strong>de</strong>r Vorgänge <strong>de</strong>r gegen<br />
ihn geführten Verfahren bei. Nach<strong>de</strong>m die Agin. <strong>de</strong>m Ast. am<br />
24.5.2000 ihre Absicht mitgeteilt hatte, dass die Versagung <strong>de</strong>r<br />
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 7 Abs. 1 Nr. 7 BRAO<br />
zu prüfen sei, stellte <strong>de</strong>r Ast. <strong>de</strong>r Agin. am 19.6.2000 eine gutachterliche<br />
Stellungnahme <strong>de</strong>s Amtsarztes <strong>de</strong>r Stadt ..., Herrn ...,<br />
v. 14.10.1998 sowie ein Attest <strong>de</strong>s ihn über drei Jahre behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für<br />
psychotherapeutische Medizin, Herrn ..., v. 6.6.2000 zur Verfügung.<br />
Während das amtsärztliche Gutachten von Herrn ... aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 1998 zu <strong>de</strong>m Ergebnis gekommen war, dass aus beamten-<br />
und dienstrechtlicher Sicht in absehbarer Zeit nicht mit<br />
einer Wie<strong>de</strong>rerlangung <strong>de</strong>r Dienstfähigkeit als Richter gerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n könne, attestierte Herr ... im Jahr 2000, dass aufgrund<br />
<strong>de</strong>r zwischenzeitlich erzielten Therapieerfolge eine rechtsanwaltliche<br />
Tätigkeit in Teilzeittätigkeit bei eigener Arbeitsteilung<br />
möglich sei.<br />
Die Agin., die weiterhin Be<strong>de</strong>nken gegen die gesundheitliche<br />
Eignung <strong>de</strong>s Ast. hatte, gab diesem daher mit Verfügung v.<br />
9.8.2000 auf, ein Gutachten <strong>de</strong>s Gesundheitsamtes <strong>de</strong>s Landkreises<br />
... vorzulegen. Dieses von Herrn ... vom ..., <strong>de</strong>r zugleich<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
für <strong>de</strong>n Dienstherrn <strong>de</strong>s Ast. die Dienstfähigkeit beurteilen<br />
sollte, für das Gesundheitsamt <strong>de</strong>s Landkreises ... erstellte Gutachten<br />
v. 4.1.2001 kam zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass seit <strong>de</strong>m Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Zurruhesetzung keine Besserung in <strong>de</strong>m Maße eingetreten<br />
sei, die eine Wie<strong>de</strong>rausübung <strong>de</strong>s Richteramtes erlauben<br />
wür<strong>de</strong>, und dass aus <strong>de</strong>n gleichen Grün<strong>de</strong>n auch nicht die<br />
nötige emotionale Belastbarkeit und Stabilität gegeben sei, um<br />
<strong>de</strong>n Beruf eines RA verantwortlich ausüben zu können. Das Gesundheitsamt<br />
<strong>de</strong>s Landkreises ... schloss sich in einer Stellungnahme<br />
v. 22.1.2001 <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Dienstfähigkeit durch<br />
... an und verneinte die gesundheitliche Eignung <strong>de</strong>s Ast. für <strong>de</strong>n<br />
Anwaltsberuf. Mit Verfügung v. 12.7.2001, <strong>de</strong>m Ast. zugestellt<br />
am 13.7.2001, lehnte die Agin. <strong>de</strong>n Antrag auf Zulassung zur<br />
Rechtsanwaltschaft ab, weil <strong>de</strong>r Zulassung § 7 Nr. 7 BRAO entgegenstehe.<br />
In <strong>de</strong>r Begründung ihrer Ablehnung schil<strong>de</strong>rt die<br />
Agin. Anlass und Verlauf <strong>de</strong>r seinerzeit gegen <strong>de</strong>n Ast. geführten<br />
dienstrechtlichen Disziplinarverfahren. Die Dienstunfähigkeit<br />
als Richter sei in <strong>de</strong>r Regel gleichbe<strong>de</strong>utend mit <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n<br />
Eignung für <strong>de</strong>n Anwaltsberuf. Nach <strong>de</strong>n Feststellungen <strong>de</strong>s<br />
Sachverständigen ..., – an<strong>de</strong>re Erkenntnisse lägen <strong>de</strong>r Kammer<br />
nicht vor – wür<strong>de</strong> kein Zweifel daran bestehen, dass <strong>de</strong>r Zulassungsantrag<br />
zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n müsse.<br />
Der Ast. ist <strong>de</strong>r Auffassung, die Ablehnung seines Antrags auf Zulassung<br />
zur Rechtsanwaltschaft sei nicht gerechtfertigt. Er rügt,<br />
die Agin. habe sein dienstliches Fehlverhalten aus <strong>de</strong>m Jahre<br />
1985, 1987 und 1988 bis 1994 mit berücksichtigt, hierbei jedoch<br />
außer Acht gelassen, dass dieses Fehlverhalten schon<br />
lange zurückliege und es darüber hinaus nicht auszuschließen<br />
sei, dass die dienstlichen Verfehlungen im Zustand einer krankheitsbedingten<br />
Dienstunfähigkeit begangen wor<strong>de</strong>n seien. Der<br />
Ast. weist darauf hin, dass er lediglich eine Teilzeittätigkeit ausüben<br />
wolle in <strong>de</strong>r Gestalt, dass er Termine in OWi- o<strong>de</strong>r Strafsachen<br />
in Untervollmacht für bekannte und befreun<strong>de</strong>te RAe<br />
vornehmen, dass er evtl. Urlaubsvertretungen wahrnehmen<br />
o<strong>de</strong>r Rechtsberatung im Rahmen <strong>de</strong>r PKH o<strong>de</strong>r Pflichtverteidigertätigkeit<br />
leisten wolle. Es bestehe für ihn auch die wirtschaftliche<br />
Notwendigkeit, als RA einen Verdienst neben seiner Richterpension<br />
– i.H.v. maximal ca. 460,00 Euro netto pro Monat –<br />
zu erzielen. Seine krebskranke Lebenspartnerin erhalte nur eine<br />
Witwen- und Erwerbsunfähigkeitsrente. Seine Lebenspartnerin<br />
und er seien auf einen Zuverdienst seinerseits dringend angewiesen.<br />
Der Ast. behauptet, die bei ... durchgeführte Langzeittherapie<br />
habe Erfolg gehabt. Die familienrechtliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit seiner früheren Ehefrau habe Anfang <strong>de</strong>s Jahres<br />
2002 zu<strong>de</strong>m durch einen Vergleich ihren Abschluss gefun<strong>de</strong>n.<br />
Der Ast. meint, er sei aufgrund seiner gestärkten Belastbarkeit zu<br />
einer Teilzeittätigkeit im Umfang von ca. 15 Std./Woche in <strong>de</strong>r<br />
Lage.<br />
Der Ast. beantragt daher, <strong>de</strong>n Ablehnungsbescheid <strong>de</strong>r Agin. v.<br />
12.7.2001 aufzuheben und ihn zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen.<br />
Die Agin. beantragt, <strong>de</strong>n Antrag zurückzuweisen.<br />
Sie tritt <strong>de</strong>r Behauptung <strong>de</strong>s Ast. entgegen, sie habe von seiner<br />
Dienstunfähigkeit als Richter ohne weitere Prüfung auf die Ungeeignetheit<br />
für die Ausübung <strong>de</strong>s RA-Berufs geschlossen.<br />
Hierzu trägt sie vor, <strong>de</strong>r Gutachter ... habe eine konkrete Prüfung<br />
auch für die RA-Eignung vorgenommen. Auch ... bejahe<br />
nur eine Eignung für eine Teilzeittätigkeit von ca. 15 Wochenstun<strong>de</strong>n.<br />
Auch bei einer solchen Teilzeittätigkeit bestehe die Gefahr,<br />
dass Rechtsuchen<strong>de</strong> nicht sorgfältig und sachgemäß betreut<br />
wür<strong>de</strong>n. Die von ... beschriebene Persönlichkeitsstruktur<br />
<strong>de</strong>s Ast. lasse zu<strong>de</strong>m nicht erwarten, dass er selbst beurteilen<br />
könne, wann er belastbar genug sei, um <strong>de</strong>n RA-Beruf wahrzunehmen.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 35<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ast. in <strong>de</strong>r Sitzung <strong>de</strong>s Senats am 25.2.2002 ergänzend<br />
vorgetragen hat, dass er nicht in <strong>de</strong>n Richterdienst<br />
zurückkehren, <strong>de</strong>shalb nicht für dienstfähig erklärt wer<strong>de</strong>n<br />
wolle und daher das Explorationsgespräch mit <strong>de</strong>m Gutachter ...<br />
mit einer entsprechen<strong>de</strong>n Zielrichtung betrieben habe, hat <strong>de</strong>r<br />
Senat am 25.2.2002 beschlossen, dass zu <strong>de</strong>r Frage, ob <strong>de</strong>r Ast.<br />
infolge einer Schwäche seiner geistigen Kräfte nicht nur vorübergehend<br />
unfähig ist, <strong>de</strong>n Beruf eines RA ordnungsgemäß<br />
auszuüben, durch Ergänzung <strong>de</strong>s von ... unter <strong>de</strong>m 4.1.2001 erstellten<br />
psychiatrischen Gutachtens durch ... Beweis erhoben<br />
wer<strong>de</strong>n soll. Der Senat hat daher Herrn ... gebeten, ein Gutachten<br />
zu <strong>de</strong>r Beweisfrage <strong>de</strong>s Beschl. v. 25.2.2002 zu erstatten.<br />
Herr ... hat daraufhin auf <strong>de</strong>r Grundlage einer Untersuchung v.<br />
23.5.2002 am 27.6.2002 ein psychiatrisches Gutachten über<br />
<strong>de</strong>n Ast. erstellt. Der psychopathologische Befund <strong>de</strong>s Gutachtens<br />
lautet, dass <strong>de</strong>r Ast. bewusstseinsklar und in allen Qualitäten<br />
sicher orientiert war und dass Störungen <strong>de</strong>r Merkfähigkeit,<br />
<strong>de</strong>r Konzentration, <strong>de</strong>s Gedächtnisses sowie <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit<br />
nicht festzustellen waren. Der Ast. sei freundlich und ausgeglichen<br />
und auf einen guten Eindruck bedacht gewesen. Herr<br />
... führt in seinem Gutachten weiter aus, dass sich ein etwas verän<strong>de</strong>rtes<br />
Bild gegenüber <strong>de</strong>r Vorbegutachtung zeige, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Ast. großen Wert auf professionelles Auftreten sowie auf die Demonstration<br />
seiner psychischen Stabilität gelegt habe. Während<br />
<strong>de</strong>r Exploration habe sich nicht die in <strong>de</strong>m Erstgutachten beschriebene<br />
emotionale Labilität gezeigt und in Einzelbereichen<br />
sei durchaus eine nach<strong>de</strong>nkliche bzw. selbstkritische Haltung<br />
vorhan<strong>de</strong>n gewesen. In die gegenteilige Richtung wiesen jedoch<br />
die Äußerungen <strong>de</strong>s Ast., wie die, dass er sich ohne weiteres<br />
auch eine Vollzeittätigkeit zutraue, sogar prinzipiell wie<strong>de</strong>r<br />
als Richter arbeiten könne. ... kommt zu <strong>de</strong>r Einschätzung,<br />
dass es im Rahmen von Belastungssituationen, die mit einem<br />
Angriff auf das Selbstwertgefühl <strong>de</strong>s Ast. verbun<strong>de</strong>n seien, zu erheblichen<br />
Arbeitsstörungen kommen wer<strong>de</strong>; er bleibt daher bei<br />
seiner Auffassung, dass die geschil<strong>de</strong>rten psychischen Defizite<br />
bzw. die beson<strong>de</strong>re Charakterstruktur <strong>de</strong>s Ast. einer Ausübung<br />
<strong>de</strong>s RA-Berufs entgegenstün<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite seien<br />
natürlich Konstellationen <strong>de</strong>nkbar, unter <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Ast. durchaus<br />
bestimmte Mandate korrekt wahrnehmen könne.<br />
Die Agin. hat zu <strong>de</strong>m Gutachten von ... am 17.7.2002 Stellung<br />
genommen. Sie hat im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Selbsteinschätzung <strong>de</strong>s Ast., dass er entgegen<br />
<strong>de</strong>r übereinstimmen<strong>de</strong>n Beurteilung <strong>de</strong>r Gutachter, eine Anwaltstätigkeit<br />
allenfalls in sehr eingeschränktem Maß ausüben<br />
zu können, sich ohne weiteres auch eine Vollzeittätigkeit zutraue,<br />
belege, dass er seine Leistungsfähigkeit nicht zuverlässig<br />
einschätze. Die Agin. lehnt eine Zulassung <strong>de</strong>s Ast. zur Rechtsanwaltschaft<br />
weiterhin ab.<br />
Der Ast. hat in seiner Stellungnahme zu <strong>de</strong>m Ergänzungsgutachten<br />
von Herrn ... v. 17.8.2002 darauf hingewiesen, dass <strong>de</strong>m<br />
Gutachten nicht ansatzweise zu entnehmen sei, dass und wie<br />
sich die Persönlichkeitsstörung auf die Wahrnehmung frem<strong>de</strong>r<br />
rechtlicher Interessen auswirken solle. Ergänzend erklärt <strong>de</strong>r<br />
Ast., dass er wie<strong>de</strong>r eine begleiten<strong>de</strong> Psychotherapie bei einem<br />
Therapeuten in ... aufgenommen habe. Der Ast. hat ein weiteres<br />
fachärztliches Attest von Herrn ... v. 15.8.2002 vorgelegt, in<br />
<strong>de</strong>r Herr ... <strong>de</strong>m Ast. eine <strong>de</strong>utlich gestärkte Persönlichkeit bescheinigt.<br />
Die angestrebte Berufstätigkeit als RA könne für <strong>de</strong>n<br />
Ast. überdies positiv und motivierend wirken. Der wahrscheinliche<br />
Tod <strong>de</strong>r Lebensgefährtin müsse nicht zu <strong>de</strong>m Zusammenbruch<br />
<strong>de</strong>s von Herrn ... als labil bezeichneten Gleichgewichts<br />
<strong>de</strong>s Ast. führen, da aus <strong>de</strong>r Beziehungsforschung wissenschaftlich<br />
gesichert sei, dass die Reaktionen <strong>de</strong>s Betroffenen beim Tod<br />
<strong>de</strong>s Partners nicht vorhersehbar seien. Die Trennung von <strong>de</strong>r Lebensgefährtin<br />
könne auch mit einem weiteren Reifungs- und<br />
Entwicklungsschritt für <strong>de</strong>n Ast. verbun<strong>de</strong>n sein.<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
genügt <strong>de</strong>r Antrag auch <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s § 39<br />
Abs. 2 BRAO, obwohl er keinen konkret formulierten Antrag <strong>de</strong>s<br />
Inhalts, dass <strong>de</strong>r Ablehnungsbescheid <strong>de</strong>r Agin. v. 12.7.2001<br />
aufgehoben und die Agin. verpflichtet wird, <strong>de</strong>n Ast. zur Rechtsanwaltschaft<br />
zuzulassen, enthält. Die Antragsschrift lässt erkennen,<br />
dass die vorgenannte Aufhebung <strong>de</strong>s Ablehnungsbeschei<strong>de</strong>s<br />
und Verpflichtung <strong>de</strong>r Agin. das vom Ast. verfolgte Ziel ist.<br />
Auf S. 1 <strong>de</strong>r Antragsschrift heißt es nämlich, dass <strong>de</strong>r Antrag auf<br />
gerichtliche Entscheidung „gegen <strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r RAK für <strong>de</strong>n<br />
OLG-Bezirk ... v. 12.7.01“ gestellt wird, und auf S. 15, dass „die<br />
ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung <strong>de</strong>r RAK ... zu revidieren und meinem<br />
Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft stattzugeben“ ist.<br />
Enthält die Antragsschrift keinen formulierten Antrag, lässt jedoch<br />
ihr Gesamtinhalt das Ziel <strong>de</strong>s Ast. erkennen, ist dies ausreichend<br />
(AGH Bremen, Beschl. v. 4.11.1995 – 2 EGH 1/94;<br />
AGH Dres<strong>de</strong>n, Beschl. v. 9.11.1995 – AGH 13/95 (I) – und<br />
13.9.1995 – AGH 1/95 (I); EGH Celle, EGE VIII, 150, 151).<br />
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begrün<strong>de</strong>t.<br />
Der Ast. wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Agin. zu Unrecht aufgrund <strong>de</strong>s § 7 Nr. 7<br />
BRAO nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, da <strong>de</strong>r Ast. eine<br />
geistige Schwäche i.S.v. § 7 Nr. 7 BRAO nicht aufweist.<br />
Gem. § 7 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zu versagen, wenn <strong>de</strong>r<br />
Bewerber infolge eines körperlichen Gebrechens, wegen<br />
Schwäche seiner geistigen Kräfte o<strong>de</strong>r wegen einer Sucht nicht<br />
nur vorübergehend unfähig ist, <strong>de</strong>n Beruf eines RA ordnungsgemäß<br />
auszuüben. Entschei<strong>de</strong>nd ist hierbei, ob die dauern<strong>de</strong>,<br />
d.h. nicht nur vorübergehen<strong>de</strong> körperliche o<strong>de</strong>r geistige Verfassung<br />
<strong>de</strong>s Bewerbers die Gefahr begrün<strong>de</strong>t, Rechtsuchen<strong>de</strong> wür<strong>de</strong>n<br />
bei anwaltlicher Beratung o<strong>de</strong>r Vertretung nicht mit einer<br />
sachgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung ihrer Interessen<br />
rechnen können.<br />
Eine die Gefahr, dass Rechtsuchen<strong>de</strong> nicht mit einer sachgemäßen<br />
und sorgfältigen Wahrnehmung ihrer Interessen durch<br />
<strong>de</strong>n Ast. rechnen können, begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> geistige Schwäche besteht<br />
nach Auffassung <strong>de</strong>s Senats bei <strong>de</strong>m Ast. nicht. Der psychopathologische<br />
Befund von Herrn ... in seinem Ergänzungsgutachten<br />
(S. 13), das fachärztliche Attest von Herrn ... v.<br />
15.8.2002 und die Tatsache, dass die <strong>de</strong>n Ast. belasten<strong>de</strong> Situation<br />
im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r familienrechtlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit seiner früheren Ehefrau abgeschlossen ist, stehen<br />
<strong>de</strong>r Annahme einer solchen Gefahr entgegen. ... attestiert <strong>de</strong>m<br />
Ast. auf S. 13 seines Gutachtens Bewusstseinsklarheit, sichere<br />
Orientierung, störungsfreie Merkfähigkeit, Konzentration, Aufmerksamkeit<br />
und Gedächtnisleistung. Von affektiver Seite her<br />
sei Herr ... freundlich und ausgeglichen und sehr auf einen<br />
guten Eindruck bedacht gewesen. Antriebsstörungen hätten sich<br />
nicht gezeigt. Herr ... beschreibt <strong>de</strong>n Ast. in seiner Stellungnahme<br />
v.15.8.2002 als <strong>de</strong>utlich gereiften und in <strong>de</strong>r Interaktion<br />
stabileren und einsichtigeren Mann. Er kommt zu <strong>de</strong>m Ergebnis,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. aufgrund seiner erworbenen Fähigkeiten und <strong>de</strong>r<br />
Erfahrungen zu einem Gewinn für die örtliche RAK insbeson<strong>de</strong>re<br />
in Scheidungs-, Unterhalts- und Familienfragen sein wer<strong>de</strong>.<br />
Zwar äußert ... in seinem Gutachten auch die Auffassung, das<br />
<strong>de</strong>rzeitige Gleichgewicht <strong>de</strong>s Ast. sei labil und wer<strong>de</strong> in Belastungssituationen,<br />
die mit einem Angriff auf das Selbstwertgefühl<br />
<strong>de</strong>s Ast. verbun<strong>de</strong>n sind, schnell zerbrechen (S. 19 <strong>de</strong>s Gutachtens<br />
v. 27.6.2002). Bei <strong>de</strong>r Regulation seines Selbstwertgefühls<br />
sei <strong>de</strong>r Ast. auf externe Faktoren (wie <strong>de</strong>r Bestätigung, die <strong>de</strong>r<br />
Ast. durch die Fürsorge für seine kranke Lebensgefährtin erhalte)<br />
angewiesen. Bei Verän<strong>de</strong>rungen bzw. Wegbrechen dieser externen<br />
Stabilisatoren wür<strong>de</strong> es zu einer massiven intrapsychischen<br />
Krise kommen. Dem steht jedoch die Aussage von Herrn ... entgegen,<br />
dass es aus <strong>de</strong>r Beziehungsforschung wissenschaftlich
36 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
gesichert sei, dass bei Trennungen etwa durch Tod im Voraus<br />
nicht ein<strong>de</strong>utig Reaktionen vorhergesagt wer<strong>de</strong>n könnten. Vielmehr<br />
sei auch möglich, dass <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>r Lebensgefährtin <strong>de</strong>s<br />
Ast. für diesen ein weiterer Reifungs- und Entwicklungsschritt<br />
sein könne (S. 2 <strong>de</strong>r Stellungnahme v. 15.8.2002). Aus Sicht <strong>de</strong>s<br />
Senats kommt entschei<strong>de</strong>nd hinzu, dass <strong>de</strong>r Ast. seit <strong>de</strong>m<br />
22.8.2002 an seinem Wohnort eine begleiten<strong>de</strong> Therapie absolviert,<br />
die insbeson<strong>de</strong>re eine Hilfe bei <strong>de</strong>r Belastungssituation<br />
mit <strong>de</strong>r kranken Lebensgefährtin darstellen soll. Der Senat geht<br />
davon aus, dass <strong>de</strong>r Ast., <strong>de</strong>r sich in <strong>de</strong>m jetzigen Zustand eines<br />
– wie von ... attestiert – stabilen seelischen Gleichgewichts befin<strong>de</strong>t,<br />
eine dauerhafte therapeutische Begleitung sichert, sich<br />
dieser Hilfe bedienen kann und wird, wenn es zu <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>r<br />
Lebensgefährtin und <strong>de</strong>m Wegbrechen <strong>de</strong>r Stabilisierung durch<br />
die Fürsorge <strong>de</strong>s Ast. kommt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Versagung <strong>de</strong>r Zulassung zur Rechtsanwaltschaft<br />
nach § 7 Nr. 7 BRAO ist auch zu berücksichtigen, ob <strong>de</strong>r<br />
Ast. voraussichtlich in <strong>de</strong>r Lage sein wird, sich bei einer Tätigkeit<br />
als RA selbst in <strong>de</strong>m Maße zu beschränken, dass eine etwaige<br />
Schwäche seiner geistigen Kräfte nicht dazu führt, dass er<br />
die Angelegenheiten seiner Mandanten nicht sorgfältig und<br />
sachgemäß bearbeiten kann. Die Pflicht eines RA, <strong>de</strong>r an körperlichen<br />
und geistigen Mängeln lei<strong>de</strong>t, ist es, sich selbst die<br />
nötige Beschränkung aufzuerlegen. Nur dann, wenn <strong>de</strong>r Bewerber<br />
dazu voraussichtlich nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, ist die Zulassung<br />
zu versagen (EGH München, EGE IX 123, 125).<br />
Der Senat ist auch aufgrund <strong>de</strong>s persönlichen Eindrucks, <strong>de</strong>r von<br />
<strong>de</strong>m Ast. im 2. Verhandlungstermin gewonnen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Auffassung,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. dazu in <strong>de</strong>r Lage sein wird, sich selbst bei<br />
<strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>r anwaltlichen Tätigkeit Beschränkungen aufzuerlegen.<br />
Zwar führt ...in seinem Gutachten v. 27.6.2002 aus,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. sich in <strong>de</strong>m Explorationsgespräch eine Vollzeittätigkeit<br />
zugetraut habe, sogar prinzipiell als Richter. Die Agin.<br />
meint, dass aus dieser Selbsteinschätzung folgt, dass <strong>de</strong>r Ast.<br />
seine Leistungsfähigkeit nicht zuverlässig einschätzt. Der Ast.<br />
hat jedoch mehrfach darauf hingewiesen, dass er nicht mehr als<br />
15 Std./Woche arbeiten wolle und angesichts <strong>de</strong>r Situation mit<br />
seiner Lebensgefährtin auch nicht könne. Auch die Tatsache,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. sich an seinem Wohnort erneut in eine Therapie begeben<br />
hat, lässt darauf schließen, dass er <strong>de</strong>r Einsicht in die psychisch<br />
belasten<strong>de</strong> Lebenssituation und in die Notwendigkeit<br />
einer therapeutischen Begleitung fähig ist.<br />
Keine mangeln<strong>de</strong><br />
Fähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Selbstreflexion<br />
Für eine mangeln<strong>de</strong> Fähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Selbstreflexion für <strong>de</strong>n Fall einer<br />
steigen<strong>de</strong>n Belastung sowie<br />
eine mangeln<strong>de</strong> Fähigkeit, notfalls<br />
die Konsequenzen zu ergrei-<br />
fen und <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r beruflichen Tätigkeit zu minimieren,<br />
gibt es aus Sicht <strong>de</strong>s Senats nicht genügend Anhaltspunkte. Im<br />
Gegenteil: Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Senat nur das Bild berücksichtigen, das<br />
sich in <strong>de</strong>n Verhandlungsterminen ergab, spräche nichts gegen<br />
eine Wie<strong>de</strong>rbeschäftigung <strong>de</strong>s Ast. als Richter.<br />
§ 7 Nr. 7 BRAO lässt ebenso wie<br />
§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BRAO<br />
<strong>de</strong>n medizinischen Befund allein<br />
nicht ausreichen (BGH, Beschl.<br />
v. 12.3.2001 – AnwZ [B] 21/00).<br />
Über die Einschätzung <strong>de</strong>s ..., <strong>de</strong>r selbst auch einige für <strong>de</strong>n Ast.<br />
sprechen<strong>de</strong> Gesichtspunkte feststellt, hinausgehen<strong>de</strong> Anhaltspunkte<br />
für eine geistige Schwäche seitens <strong>de</strong>s Ast. liegen nicht<br />
vor. Die Verfehlungen <strong>de</strong>s Ast. in <strong>de</strong>n 80er und 90er Jahren im<br />
Richterdienst geschahen unter an<strong>de</strong>ren „Vorzeichen“. Der Ast.<br />
hat mittlerweile belasten<strong>de</strong> Situationen been<strong>de</strong>t und eine Therapie<br />
absolviert. Die Verfehlungen <strong>de</strong>s Ast. in <strong>de</strong>n Jahren seiner<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Medizinischer<br />
Befund allein<br />
reicht nicht aus<br />
Richtertätigkeit können nicht dazu dienen, jetzt eine geistige<br />
Schwäche und eine Gefahr für Rechtsuchen<strong>de</strong> anzunehmen.<br />
Die bloße Tatsache, dass ein Bewerber in seiner Eigenschaft als<br />
Beamter wegen dauern<strong>de</strong>r Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen<br />
Grün<strong>de</strong>n vorzeitig in <strong>de</strong>n Ruhestand versetzt wor<strong>de</strong>n ist,<br />
kann allein nicht die Feststellung tragen, dass <strong>de</strong>r Bewerber in<br />
Folge eines körperlichen Gebrechens o<strong>de</strong>r wegen Schwäche<br />
seiner geistigen Kräfte dauernd unfähig ist, <strong>de</strong>n Beruf eines RA<br />
ordnungsgemäß auszuüben (EGH Celle, EGE VIII, 83). Dies ist<br />
je<strong>de</strong>nfalls dann nicht <strong>de</strong>r Fall, wenn sich <strong>de</strong>r Allgemeinzustand<br />
<strong>de</strong>s Bewerbers gebessert hat und <strong>de</strong>r glaubhaft versichert, nur in<br />
Teilzeit tätig sein zu wollen (BGH, Beschl. v. 20.7.1997 – AnwZ<br />
[B] 14/87; EGE XIV, 66). Dies ist vorliegend <strong>de</strong>r Fall.<br />
Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 7 Nr. 7 BRAO<br />
war seitens <strong>de</strong>s Senats auch Art. 12 GG zu beachten. § 7 BRAO<br />
geht aus von <strong>de</strong>m bereits in §§ 4, 6 BRAO verankerten Recht auf<br />
Zulassung.<br />
Restriktive Interpretation<br />
<strong>de</strong>r Versagungsgrün<strong>de</strong><br />
Als zum Teil massive Eingriffe in<br />
die durch Art. 12 GG geschützte<br />
Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Bewerbers stehen<br />
die Zulassungsversagungsgrün<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s § 7 BRAO in einem<br />
verfassungsrechtlichen Spannungsfeld, das eine restriktive Interpretation<br />
gebietet (Henssler/Prütting, Komm. zur BRAO, 4.<br />
Aufl. 1999, § 7 Rdnr. 1).<br />
Nicht zuletzt das Verhalten <strong>de</strong>s Ast. in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n gerichtlichen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung hat zu <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>s Senats<br />
geführt, dass die geistigen Mängel <strong>de</strong>s Ast. vom Krankheitsbild<br />
gesehen kein solches Ausmaß haben, dass er zu einer ordnungsund<br />
sachgemäßen Ausübung <strong>de</strong>s Anwaltsberufs auf Dauer<br />
außerstan<strong>de</strong> ist. Auch in <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n zu beurteilen<strong>de</strong>n –<br />
für <strong>de</strong>n Ast. sicherlich belasten<strong>de</strong>n – Verfahren hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hat sich <strong>de</strong>r Ast. nicht querulatorisch<br />
o<strong>de</strong>r in sonstiger Weise unkontrolliert verhalten. Die<br />
aus <strong>de</strong>n Verfahrensakten <strong>de</strong>r Agin. und <strong>de</strong>n Akten für das anwaltsgerichtliche<br />
Verfahren ersichtlichen Schriftsätze <strong>de</strong>s Ast.<br />
lassen nicht <strong>de</strong>n Schluss zu, <strong>de</strong>r Ast. sei zu sachgemäßem Vortrag<br />
nicht in <strong>de</strong>r Lage. Aber selbst wenn ein RA unfähig ist, sich<br />
in eigenen Angelegenheiten vernünftig und besonnen zu verhalten,<br />
be<strong>de</strong>utet dies nicht ohne weiteres, dass er zu ordnungsgemäßer<br />
Erledigung frem<strong>de</strong>r Angelegenheiten ebenfalls außerstan<strong>de</strong><br />
ist (BGH, Senatsbeschl. v. 8.5.1978 – AnwZ [B] 3/78 und<br />
v. 25.4.1988 – AnwZ [B] 54/87). Die durchaus vernünftige Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
<strong>de</strong>s Ast. mit <strong>de</strong>m hier zu beurteilen<strong>de</strong>n Verfahren<br />
über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gibt keinen Anhaltspunkt<br />
dafür, dass <strong>de</strong>r Ast. nicht auch zu einer ordnungsgemäßen<br />
Erledigung frem<strong>de</strong>r Angelegenheiten im Stan<strong>de</strong> wäre.<br />
Nach allem war die angefochtene Verfügung <strong>de</strong>r Agin. aufzuheben<br />
und diese zu verpflichten, <strong>de</strong>n Ast. zur Rechtsanwaltschaft<br />
zuzulassen.<br />
Berufspflichtverletzung – zur Aufgabe <strong>de</strong>s Grundsatzes<br />
<strong>de</strong>r Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Pflichtverletzung; BRAO<br />
§§ 113, 114<br />
* 1. Eine zwingen<strong>de</strong> gesetzliche Vorschrift, die die Annahme<br />
<strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Pflichtverletzung verlangt,<br />
gibt es nicht. Insbeson<strong>de</strong>re lässt sich dieser Grundsatz<br />
nicht aus § 113 Abs. 1 BRAO herleiten.<br />
* 2. Berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muss, dass es nunmehr keine allgemeine<br />
Berufspflicht mehr gibt, son<strong>de</strong>rn einzelne – gesetzlich<br />
<strong>de</strong>finierte konkrete Pflichten – existieren, die, soweit sie außerhalb<br />
von BRAO und BORA geregelt sind, über § 43 BRAO in<br />
das anwaltliche Berufsrecht übertragen wer<strong>de</strong>n.
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 37<br />
* 3. Für eine Aufgabe <strong>de</strong>r bisherigen Rspr. sprechen auch prozessökonomische<br />
Gesichtspunkte. So müssen bei Anwendung<br />
<strong>de</strong>r neuen Rspr. bei einer Anfechtung <strong>de</strong>s Urt. durch <strong>de</strong>n Betroffenen<br />
nicht auch die Vorwürfe mit untersucht wer<strong>de</strong>n, in<br />
<strong>de</strong>nen die erste Instanz eine Pflichtwidrigkeit nicht erkannt hat<br />
o<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>r betroffene RA nicht angreifen will.<br />
Nie<strong>de</strong>rsächsischer AGH, Urt. v. 14.10.2002 – AGH 35/01<br />
Volltext unter www.<strong>brak</strong>.<strong>de</strong><br />
Zur Ermächtigungsgrundlage für eine Untersagungsverfügung/Zur<br />
Angabe eines wissenschaftlichen Mitarbeiters;<br />
BRAO §§ 59a, 73; BORA § 8; VwVfG § 45<br />
* 1. Die Ermächtigungsgrundlage für eine Untersagungsverfügung<br />
einer RAK ergibt sich aus § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO.<br />
* 2. Es ist nicht zwingend erfor<strong>de</strong>rlich, dass eine RAK die<br />
Rechtsgrundlage für ihr Vorgehen ausdrücklich benennt.<br />
* 3. Die Angabe eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auf<br />
einem Kanzleibriefbogen verstößt gegen § 8 BORA, wenn es<br />
sich bei diesem nicht um einen zugelassenen RA han<strong>de</strong>lt und<br />
er auch <strong>de</strong>n übrigen in § 59a BRAO aufgeführten Berufsgruppen<br />
nicht angehört.<br />
Nie<strong>de</strong>rsächsischer AGH, Beschl. v. 17.9.2002 – AGH 8/2002<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Der Kanzleibriefbogen <strong>de</strong>s als RA in ... tätigen Ast. enthält im<br />
Briefkopf neben <strong>de</strong>m Namen <strong>de</strong>s Ast. <strong>de</strong>n Zusatz „Dr. jur. ... –<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter“. Mit einem solchen Kanzleibriefbogen<br />
wandte sich <strong>de</strong>r Ast. am 26.4.2001 an die Agin.<br />
und bat darum, Herrn ... für die Dauer seines Urlaubs als amtlichen<br />
Vertreter zu bestellen. Die Agin. wies <strong>de</strong>n Ast. am<br />
28.5.2001 darauf hin, dass sie die Verwendung <strong>de</strong>s Briefkopfes<br />
wegen <strong>de</strong>r Angabe <strong>de</strong>s wissenschaftlichen Mitarbeiters für unzulässig<br />
halte. Der Ast. antwortete <strong>de</strong>r Agin. mit Schreiben v.<br />
11.6.2001 und teilte mit, dass er die Angabe für zulässig halte,<br />
weil es sich bei Herrn ... um eine sozietätsfähige Person i.S.v.<br />
§ 59a BRAO han<strong>de</strong>le. In <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung hat <strong>de</strong>r<br />
Ast. seinen Vortrag dahin korrigiert, dass er kein Arbeitgeber im<br />
arbeitsrechtlichen Sinne sei. Herr ... bekäme Einzelaufträge zur<br />
Erstellung von Gutachten bzw. Schriftsätzen. Er rechne seine<br />
Tätigkeit stun<strong>de</strong>nweise ab. Mit Schreiben v. 10.10.2001 benachrichtigte<br />
die Agin. <strong>de</strong>n Ast. darüber, dass nach ihrer Rechtsauffassung<br />
sozietätsfähige Personen nur zugelassene bzw. bestellte<br />
Angehörige ganz bestimmter Berufe seien (§ 8 BORA<br />
i.V.m. § 59a BRAO). Die Angabe eines wissenschaftlichen Mitarbeiters,<br />
<strong>de</strong>r nicht RA sei, sei auf <strong>de</strong>m Briefbogen eines Anwalts<br />
hingegen unzulässig. Da <strong>de</strong>r Ast. dieser Rechtsauffassung mit<br />
Schreiben v. 23.10.2001 erneut entgegentrat, untersagte die<br />
Agin. <strong>de</strong>m Ast. am 26.11.2001 schriftlich, Herrn ... als wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiter im Briefkopf aufzuführen. Darüber hinaus<br />
bat die Agin. <strong>de</strong>n Ast., unverzüglich zu erklären, dass dieser<br />
Hinweis künftig entfalle und einen geän<strong>de</strong>rten Briefkopf vorzulegen.<br />
Der Ast. ist <strong>de</strong>r Auffassung, die Untersagung <strong>de</strong>r Agin. sei bereits<br />
in formeller Hinsicht rechtswidrig, da es sich nicht um eine<br />
förmliche Entscheidung han<strong>de</strong>le. Es fehle die Angabe <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Bestimmungen, aus <strong>de</strong>nen sich die Befugnis <strong>de</strong>r RAK<br />
ergäbe, die Untersagung auszusprechen. Darüber hinaus rügt<br />
<strong>de</strong>r Ast., die Agin. habe nicht die Befugnis, die Verwendung <strong>de</strong>s<br />
Briefkopfs zu untersagen. Sie habe es ferner an <strong>de</strong>r gebotenen<br />
Einzelfallprüfung fehlen lassen. Des Weiteren ist <strong>de</strong>r Ast. <strong>de</strong>r<br />
Auffassung, dass die Angabe von Herrn ... als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter auf seinem Kanzleibriefbogen mit § 8 BORA i.V.m.<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
§ 59a BRAO vereinbar und daher zulässig sei. Da Herr ... je<strong>de</strong>rzeit<br />
als RA zugelassen wer<strong>de</strong>n könne, sei er auch sozietätsfähig.<br />
Schließlich verweist <strong>de</strong>r Ast. auf die Form <strong>de</strong>r Kooperation,<br />
die auch mit Angehörigen nichtsozietätsfähiger Berufe<br />
zulässig sei und auf die gem. § 8 Satz 1 Variante 3 BORA hingewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n dürfe.<br />
Er beantragt daher, <strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r Agin. v. 26.11.2001 aufzuheben.<br />
Die Agin. beantragt, <strong>de</strong>n Antrag abzuweisen.<br />
Sie meint, ihre Untersagungsverfügung entspreche <strong>de</strong>n formellen<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen. Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung<br />
sei § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO i.V.m. § 223 BRAO. Die<br />
Agin. ist darüber hinaus <strong>de</strong>r Auffassung, dass Sozietätsfähigkeit<br />
nur bei einem zugelassenen RA vorliege. Dementsprechend<br />
dürfe nur ein solcher auf einem Kanzleibriefbogen angegeben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Ast. hat zunächst mit Schriftsatz v. 22.2.2002 auf mündliche<br />
Verhandlung verzichtet, diesen Verzicht jedoch mit Schriftsatz<br />
v. 22.2.2002 im Hinblick auf die grundsätzliche Be<strong>de</strong>utung<br />
in <strong>de</strong>r Sache wi<strong>de</strong>rrufen.<br />
II. Wegen <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs <strong>de</strong>s Verzichts auf mündliche Verhandlung<br />
war gem. § 40 Abs. 2 BRAO auf Grund mündlicher Verhandlung<br />
zu entschei<strong>de</strong>n.<br />
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und insbeson<strong>de</strong>re<br />
statthaft. Das vom Ast. angegriffene Schreiben <strong>de</strong>r<br />
Agin. v. 26.11.2001 stellt eine Belehrung, verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />
Auffor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>n beanstan<strong>de</strong>ten Zustand zu unterlassen, dar.<br />
Ein solches Schreiben unterliegt grundsätzlich <strong>de</strong>r gerichtlichen<br />
Überprüfung (vgl. BGH, NJW 1994, 1042, m.w.N.). Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich nicht um eine Unterlassungsverfügung i.S.d. Zivilrechts, da<br />
<strong>de</strong>r Agin. keine Möglichkeit zur Seite steht, ihre Auffor<strong>de</strong>rung zu<br />
einem künftigen Unterlassen wie ein gerichtliches Verbot zu<br />
vollstrecken (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2001, NJW 2002, 2039,<br />
2040).<br />
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegrün<strong>de</strong>t,<br />
da die Untersagung <strong>de</strong>r Agin. v. 26.11.2001 rechtmäßig<br />
ist und <strong>de</strong>n Ast. nicht in seinen Rechten beeinträchtigt.<br />
a) Die Ermächtigungsgrundlage<br />
für die Untersagungsverfügung<br />
<strong>de</strong>r Agin. v. 26.11.2001 ergibt<br />
sich aus § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4<br />
BRAO. Hiernach obliegt es <strong>de</strong>m<br />
Kammervorstand, die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kammer in Fragen <strong>de</strong>r Berufspflichten<br />
zu beraten und zu belehren sowie die Erfüllung <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r RAK obliegen<strong>de</strong>n Pflichten zu überwachen.<br />
Diese Überwachungspflicht <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s erstreckt sich auf<br />
<strong>de</strong>n gesamten Pflichtenkreis <strong>de</strong>s RA (Feuerich/Braun, Kommentar<br />
zur BRAO, 5. Aufl., 2000, § 73 Rdnr. 32). Auf Grund dieses<br />
Aufsichtsrechts steht <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r Kammer auch die Befugnis<br />
zu, Mitglie<strong>de</strong>r über die ihnen obliegen<strong>de</strong>n Pflichten zu<br />
belehren und die Belehrung mit <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung zu einem entsprechen<strong>de</strong>n<br />
künftigen Tun o<strong>de</strong>r Unterlassen zu verbin<strong>de</strong>n<br />
(Feuerich/Braun, a.a.O., § 73 Rdnr. 21, 33; BGH, NJW 1994,<br />
1042 (1044)).<br />
Angabe <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage<br />
entbehrlich<br />
Ermächtigungsgrundlage<br />
für Untersagungsverfügungen<br />
Dass die Agin. die Rechtsgrundlage<br />
für ihr Vorgehen in ihrem<br />
Schreiben v. 26.11.2001 nicht<br />
ausdrücklich genannt hat, ist un-<br />
schädlich, da die Angabe <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage selbst unter <strong>de</strong>r<br />
Geltung <strong>de</strong>s VwVfG nicht zwingend erfor<strong>de</strong>rlich ist, erst recht<br />
nicht in <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Tätigkeit einer Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts, die diesen Vorschriften nicht unterliegt. Bereits<br />
Verwaltungsakte solcher Behör<strong>de</strong>n und Körperschaften <strong>de</strong>s
38 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
öffentlichen Rechts, auf die die Vorschriften <strong>de</strong>s VwVfG Anwendung<br />
fin<strong>de</strong>n, sind nämlich nicht allein <strong>de</strong>shalb formell rechtswidrig,<br />
weil sie die Ermächtigungsgrundlage nicht ausdrücklich<br />
angeben (BVerwG, NVwZ 1985, 905 (906)). Im Übrigen könnte<br />
eine mangels Angabe <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage fehlerhafte Begründung<br />
gem. § 45 Abs. 1. Nr. 2, Abs. 2 VwVfG nachgeholt wer<strong>de</strong>n<br />
bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens,<br />
wodurch <strong>de</strong>r Fehler geheilt wür<strong>de</strong>.<br />
Auf die Belehrung <strong>de</strong>r Agin. v. 26.11.2001 fin<strong>de</strong>t das VwVfG<br />
hingegen keine Anwendung, da diese, wie dargelegt, <strong>de</strong>r anwaltsgerichtlichen<br />
Überprüfung unterliegt. § 2 Abs. 3 Ziff. 1<br />
VwVfG nimmt nämlich Tätigkeiten <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Justizverwaltung<br />
– und um eine solche han<strong>de</strong>lt es sich bei einer RAK und<br />
ihrem Vorstand (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., 1993,<br />
§ 1 Rdnr. 130, § 2 Rdnr. 87, 88) –, die nicht <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />
durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen, vom Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>s VwVfG aus.<br />
Die Agin. hat es auch nicht versäumt, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.<br />
Die Agin. hat ein ihr vorliegen<strong>de</strong>s Schreiben <strong>de</strong>s Ast.<br />
geprüft und ihn anschließend auf die Unzulässigkeit <strong>de</strong>r Angabe<br />
<strong>de</strong>s Herrn ... hingewiesen. Am 26.4.2001 hatte <strong>de</strong>r Ast. die Agin.<br />
schriftlich gebeten, Herrn ... als seinen Vertreter amtlich zu bestellen.<br />
Dieses Schreiben <strong>de</strong>s Ast. wur<strong>de</strong> ausweislich eines Vermerks<br />
in <strong>de</strong>n Akten <strong>de</strong>r Agin. geprüft und zum Anlass genommen,<br />
<strong>de</strong>n Ast. am 28.5.2001 auf die Unzulässigkeit hinzuweisen.<br />
b) Die Auffor<strong>de</strong>rung, gem. <strong>de</strong>r Belehrung v. 26.11.2001 zu han<strong>de</strong>ln,<br />
ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig, da die Belehrung,<br />
dass <strong>de</strong>r Ast. Herrn ... nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter<br />
auf seinem Kanzleibriefbogen aufführen dürfe, zutreffend<br />
ist.<br />
Verstoß gegen<br />
§ 8 BORA<br />
Die Nennung von Herrn ... auf<br />
<strong>de</strong>m Kanzleibriefbogen <strong>de</strong>s Ast.<br />
wi<strong>de</strong>rspricht § 8 BORA, weil es<br />
sich bei diesem nicht um einen<br />
zugelassenen RA han<strong>de</strong>lt und er auch <strong>de</strong>n übrigen, in § 59a<br />
BRAO aufgeführten Berufsgruppen nicht angehört, er mithin<br />
nicht sozietätsfähig i.S.v. § 59a BRAO ist. Gem. § 8 Satz 1 Variante<br />
1, 2 BORA darf nämlich auf eine gemeinschaftliche Berufsausübung<br />
nur hingewiesen wer<strong>de</strong>n, wenn sie in einer Sozietät<br />
o<strong>de</strong>r in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit)<br />
mit sozietätsfähigen Personen i.S. d. § 59a BRAO erfolgt.<br />
Hinsichtlich <strong>de</strong>r Angestellten und freien Mitarbeiter ist die<br />
Kundgabe unzulässig, wenn es sich bei diesen nicht um nach<br />
§ 59a BRAO sozietätsfähige Personen han<strong>de</strong>lt (Hartung/Holl,<br />
Kommentar zur Anwaltlichen Berufsordnung, 2. Aufl., 2001, § 8<br />
BO Rdnr. 21; Feuerich/Braun, a.a.O., § 8 BORA Rdnr. 1, 2). Sozietätsfähig<br />
sind die in § 59a Abs. 1 und 3 BRAO genannten Personen.<br />
Dies sind unter an<strong>de</strong>rem Mitglie<strong>de</strong>r einer RAK, also RAe<br />
(Feuerich/Braun, a.a.O., § 59a BRAO Rdnr. 17).<br />
Auf S. 2 seines Schreibens v. 11.6.2001 (Bl. 12 d.A.) bezeichnet<br />
<strong>de</strong>r Ast. Herrn ... als freien Mitarbeiter. Auf Antrag v. 26.4.2001<br />
hin wur<strong>de</strong> ... als Vertreter <strong>de</strong>s Ast. bestellt. Dies <strong>de</strong>utet darauf<br />
hin, dass es sich um eine Zusammenarbeit i.S.d. 2. Alternative<br />
<strong>de</strong>s § 8 Satz 1 BORA auf <strong>de</strong>r Basis eines arbeitsrechtlichen o<strong>de</strong>r<br />
ähnlichen Vertrages und nicht um eine allgemeinvertragliche<br />
Zusammenarbeit i.S.d. 3. Alternative han<strong>de</strong>lt. In diesem Fall ist<br />
eine Benennung von ... im Briefkopf – wie dargelegt – unzulässig.<br />
Die Angabe von Herrn ... auf <strong>de</strong>m Kanzleibriefbogen <strong>de</strong>s Ast. ist<br />
auch nicht von § 8 Satz 1 Variante 3 BORA ge<strong>de</strong>ckt, weil <strong>de</strong>r Ast.<br />
Herrn ... gera<strong>de</strong> nicht als Kooperationspartner benennt.<br />
Ein Kooperationspartner muss jedoch als solcher ausgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n, damit die Kundgabe einer Kooperation i.S.v. § 8 Satz 1<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
Variante 3 überhaupt gegeben<br />
ist. Da dies vorliegend schon<br />
nicht <strong>de</strong>r Fall ist, kommt es auf<br />
die Frage, ob eine Kooperation<br />
mit nichtsozietätsfähigen Beru-<br />
Kooperationspartner<br />
müssen als solche<br />
ausgewiesen wer<strong>de</strong>n<br />
fen zulässig ist, nicht mehr an. Da die Belehrung mithin zutreffend<br />
ist, ist auch die mit ihr verbun<strong>de</strong>ne Auffor<strong>de</strong>rung, gem. dieser<br />
Belehrung zu han<strong>de</strong>ln, d.h. die Nennung <strong>de</strong>s wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiters auf <strong>de</strong>m Briefbogen in Zukunft zu<br />
unterlassen, rechtmäßig, da sie nur eine unselbstständige Folgerung<br />
aus <strong>de</strong>r erteilten Belehrung darstellt (vgl. hierzu Feuerich/Braun,<br />
a.a.O., § 73 Rdnr. 21 m.w.N).<br />
Die sofortige Beschwer<strong>de</strong> wird nicht zugelassen, da die zu entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rechtsfrage keine grundsätzliche Be<strong>de</strong>utung besitzt<br />
(§ 223 Abs. 3 BRAO).<br />
Anwaltliche Werbung – Formulierungen in einer<br />
Kanzleibroschüre; BRAO § 43b<br />
* 1. Formulierungen, wie „Oftmals gleicht ein Gespräch zwischen<br />
Anwalt und Mandant ja eher einer babylonischen Unterhaltung“<br />
und „Sie sind hier nicht nur eine Akte – <strong>de</strong>nn Sie<br />
wer<strong>de</strong>n persönlich beraten“, sind zulässige Werbeaussagen<br />
i.S.d. § 43b BRAO. Die verwen<strong>de</strong>ten Begriffe („Babylon“,<br />
„Akte“) dienen im Umkehrsinn als eine Umschreibung für eine<br />
verständliche und persönliche Rechtsberatung, die von Art. 12<br />
GG ge<strong>de</strong>ckt ist. Die Formulierung von <strong>de</strong>r „babylonischen Unterhaltung“<br />
ist eine bildhafte Kritik an <strong>de</strong>r allgemeinen juristischen<br />
Fachsprache, nicht an <strong>de</strong>n Anwaltskollegen.<br />
* 2. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Formulierung „Frauen mit umfassen<strong>de</strong>m<br />
Wissen“. Nach Auffassung <strong>de</strong>s BVerfG versteht sich<br />
eine umfassen<strong>de</strong> Rechtsberatung nicht für je<strong>de</strong> Anwaltskanzlei<br />
von selbst. Dementsprechend ist „umfassen<strong>de</strong>s Wissen“ keine<br />
Selbstverständlichkeit.<br />
Bayerischer AGH, Urt. v. 2.7.2002 – BayAGH II 3/02<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Das AnwG für <strong>de</strong>n Bezirk <strong>de</strong>r RAK München hat gegen die<br />
bei<strong>de</strong>n Betroffenen mit Urt. v. 20.11.2001 wegen schuldhafter<br />
Verletzung ihrer anwaltlichen Pflichten jeweils die anwaltsgerichtliche<br />
Maßnahme einer Warnung verhängt.<br />
Auf die von bei<strong>de</strong>n Betroffenen eingelegte Berufung war das<br />
Urt. aufzuheben, die Betroffenen waren freizusprechen.<br />
II. Den Betroffenen lag zur Last, unsachliche und damit unzulässige<br />
Werbung durch die Verteilung einer Kanzleibroschüre<br />
im März 1999 betrieben zu haben, die u.a. folgen<strong>de</strong> Formulierungen<br />
zum Inhalt hatte:<br />
„Sieben gute Grün<strong>de</strong>n für die Kanzlei ... & ...<br />
...<br />
§ 2<br />
Sie wer<strong>de</strong>n immer klar verständlich über alles informiert<br />
§ 3<br />
Sie sind hier nicht nur eine Akte – <strong>de</strong>nn Sie wer<strong>de</strong>n persönlich<br />
beraten<br />
§ ...“<br />
„Auf je<strong>de</strong>n Fall eine klare Antwort.<br />
Gute Rechts-Beratung heißt ja in erster Linie: Verstehen. Gera<strong>de</strong>,<br />
wenn es um Ihr Recht geht ...<br />
Oftmals gleicht ein Gespräch zwischen Anwalt und Mandant ja<br />
eher einer babylonischen Unterhaltung. Anwälte haben nun<br />
mal ihre eigene Ausdrucksweise.<br />
...
BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Berufsrechtliche Rechtsprechung 39<br />
Hier treffen Sie zwei engagierte nette Menschen. Frauen mit umfassen<strong>de</strong>m<br />
Wissen und mehrjähriger Erfahrung aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s<br />
Rechts. ... ... und ... sprechen garantiert Ihre Sprache. ...<br />
RAin ... kümmert sich sowohl um Ihre Interessen am Arbeitsplatz<br />
als auch um Ihre sozialen Belange bei Verlust <strong>de</strong>sselben.<br />
...“<br />
III. Das AnwG erachtete die Formulierung, dass ein Gespräch<br />
zwischen Anwalt und Mandant oftmals ja eher einer babylonischen<br />
Unterhaltung gleiche, die Betroffenen sich als Frauen mit<br />
umfassen<strong>de</strong>m Wissen darstellen, die garantiert die Sprache <strong>de</strong>r<br />
Mandantschaft sprechen, sowie die Erklärung, dass die Mandanten<br />
<strong>de</strong>r Betroffenen nicht nur Akten wären, son<strong>de</strong>rn persönlich<br />
beraten wür<strong>de</strong>n, als unzulässige Werbeaussagen, die lediglich<br />
eine überhöhte Selbsteinschätzung <strong>de</strong>r eigenen Person enthalten.<br />
Die Formulierung „RAin ... kümmert sich ...“ wur<strong>de</strong> als Verstoß<br />
gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 BORA angesehen, da damit kein Tätigkeitsschwerpunkt<br />
beschrieben wer<strong>de</strong>.<br />
IV. Die Betroffenen waren aus rechtlichen Grün<strong>de</strong>n freizusprechen.<br />
1. RAen ist die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz<br />
nicht verboten, son<strong>de</strong>rn erlaubt. Die Werbefreiheit ist als<br />
Teil <strong>de</strong>r Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet.<br />
Zur Freiheit <strong>de</strong>r Berufsausübung gehört nicht nur<br />
die berufliche Praxis selbst, son<strong>de</strong>rn auch je<strong>de</strong> Tätigkeit, die mit<br />
<strong>de</strong>r Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfasst<br />
daher auch die Außendarstellung von selbständigen Berufstätigen<br />
einschließlich <strong>de</strong>r Werbung für die Inanspruchnahme ihrer<br />
Dienste. Dementsprechend bedarf nicht die Gestattung <strong>de</strong>r<br />
Anwaltswerbung <strong>de</strong>r Rechtfertigung, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>ren Einschränkung<br />
(BGH, Urt. v. 1.3.2001, NJW 2001, 2087 – Anwaltswerbung<br />
II).<br />
Die Bestimmung <strong>de</strong>s § 43b BRAO, die <strong>de</strong>m RA Werbung erlaubt,<br />
soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt<br />
sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags<br />
im Einzelfall gerichtet ist, sowie die Vorschrift <strong>de</strong>s § 6 BORA,<br />
wonach <strong>de</strong>r RA über seine Dienstleistung und seine Person informieren<br />
darf, soweit die Angaben sachlich unterrichten und<br />
berufsbezogen sind, eröffnen mithin nicht etwa eine ansonsten<br />
nicht bestehen<strong>de</strong> Werbemöglichkeit, son<strong>de</strong>rn konkretisieren lediglich<br />
die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit.<br />
Unübersehbar ist, dass sich die Auffassung über eine zulässige<br />
Werbung durch die Gesetzeslage (Einfügung <strong>de</strong>s § 43b in die<br />
BRAO durch die Berufsrechtsnovelle von 1994 und die ergänzen<strong>de</strong><br />
Regelung in § 6 ff. <strong>de</strong>r am 1.7.1997 in Kraft getretenen<br />
BORA) sowie die Rspr. i.S. einer großzügigen Beurteilung fortentwickelt<br />
hat (BVerfG, NJW 2000, 1635).<br />
Dem Anwalt ist <strong>de</strong>mzufolge Werbung erlaubt, die <strong>de</strong>m Interesse<br />
<strong>de</strong>s Adressatenkreises gerecht wird, eine sachlich angemessene<br />
Information zu fin<strong>de</strong>n, die formal und inhaltlich angemessen gestaltet<br />
ist und keinen Irrtum erregt. An<strong>de</strong>rs formuliert, darf Werbung<br />
nicht unsachlich, nicht irreführend und marktschreierisch<br />
sein und keine Selbstanpreisung enthalten (BVerfG, BRAK-Mitt.<br />
2001, 295; BGH, BRAK-Mitt. 2001, 229).<br />
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze enthält die verfahrensgegenständliche<br />
Kanzleibroschüre <strong>de</strong>r Betroffenen keine<br />
unerlaubte Werbung.<br />
2.1. Die angegriffene Entscheidung qualifiziert die Formulierungen<br />
„oftmals gleicht ein Gespräch zwischen Anwalt und<br />
Mandant ja eher einer babylonischen Unterhaltung“ und „Sie<br />
sind hier nicht nur eine Akte – <strong>de</strong>nn Sie wer<strong>de</strong>n persönlich beraten“<br />
als gegen § 43b BRAO verstoßen<strong>de</strong> unzulässige Wer-<br />
Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />
bung, weil sie sich nicht auf sachliche Angaben beschränke,<br />
son<strong>de</strong>rn Selbsteinschätzungen enthalte und i.S. einer inhaltsleeren<br />
Reklameformel bloße Selbstverständlichkeiten wie<strong>de</strong>rgebe.<br />
Dem rechtsuchen<strong>de</strong>n Publikum wer<strong>de</strong> suggeriert, bei Berufskollegen<br />
erfolge keine verständliche („Babylon“) und keine<br />
persönliche Beratung („Akte“). Damit wür<strong>de</strong>n beim Adressaten<br />
falsche Erwartungen i.S. einer Irreführung erweckt.<br />
Diese (u.a. in Anlehnung an OLG Köln, NJW 1999, 63, 64 vorgenommene)<br />
Argumentation entspricht nicht mehr <strong>de</strong>r aktuellen<br />
Anschauung von <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Berufsfreiheit (vgl.<br />
BVerfG, BRAK-Mitt. 2001, 295; BVerfG, NJW 2000, 1635).<br />
Umfassen<strong>de</strong> Rechtsberatung<br />
ist nicht<br />
selbstverständlich<br />
Das BVerfG hat in <strong>de</strong>n genannten<br />
Entscheidungen ausgeführt, eine<br />
„umfassen<strong>de</strong> Rechtsberatung“<br />
verstehe sich nicht für je<strong>de</strong> Anwaltskanzlei<br />
von selbst. Auch die<br />
Formulierung „Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgabe“ erwecke<br />
keinen irreführen<strong>de</strong>n Eindruck.<br />
Dementsprechend erweisen sich die von <strong>de</strong>n Betroffenen verwen<strong>de</strong>ten<br />
Begriffe („Babylon“, „Akte“) im Umkehrsinn als eine<br />
Umschreibung für eine verständliche und persönliche Rechtsberatung,<br />
die bei <strong>de</strong>r vorzunehmen<strong>de</strong>n grundrechtsfreundlichen<br />
Interpretation <strong>de</strong>s Wortsinns von Art. 12 GG ge<strong>de</strong>ckt ist.<br />
Die Formulierung von <strong>de</strong>r „babylonischen<br />
Unterhaltung“ ist eine<br />
bildhafte plastische Kritik an <strong>de</strong>r<br />
Keine Kritik an <strong>de</strong>n<br />
Anwaltskollegen<br />
juristischen Fachsprache, nicht an <strong>de</strong>n Anwaltskollegen. Dies<br />
erschließt sich auch aus <strong>de</strong>m nachfolgen<strong>de</strong>n Satz: „Anwälte haben<br />
nun mal ihre eigene Ausdrucksweise“.<br />
Mit <strong>de</strong>r Aussage „nicht nur eine Akte“ soll versucht wer<strong>de</strong>n, die<br />
Schranken zwischen RA und Rechtsuchen<strong>de</strong>n abzubauen und<br />
Letzteren die Scheu vor einer Kontaktaufnahme zu nehmen.<br />
Da nicht festgestellt ist, dass die Betroffenen ihren selbst gesetzten<br />
Zielen, nämlich verständliche und persönliche Rechtsberatung,<br />
nicht genügt haben, kann nicht von einer irreführen<strong>de</strong>n<br />
Werbung ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
2.2. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Formulierung „Frauen mit umfassen<strong>de</strong>m<br />
Wissen“.<br />
Nach Auffassung <strong>de</strong>s BVerfG versteht sich eine umfassen<strong>de</strong><br />
Rechtsberatung nicht für je<strong>de</strong> Anwaltskanzlei von selbst. Es<br />
kann <strong>de</strong>shalb mit dieser Formulierung zulässigerweise geworben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Dementsprechend ist „umfassen<strong>de</strong>s Wissen“ keine Selbstverständlichkeit;<br />
eine entsprechen<strong>de</strong> Werbung muss also erlaubt<br />
sein. Dass diese Behauptung bei <strong>de</strong>n Betroffenen unzutreffend<br />
ist, wur<strong>de</strong> nicht festgestellt. Es kann nicht davon ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass sich die Betroffenen „angesichts <strong>de</strong>r wenigen Berufsjahre<br />
noch kein umfassen<strong>de</strong>s Wissen angeeignet haben können“<br />
(s. S. 6 <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s angefochtenen Urt.).<br />
3. Einen Verstoß gegen beson<strong>de</strong>re Berufspflichten, weil entgegen<br />
§ 7 Abs. 1 Satz 3 BORA in <strong>de</strong>r Kanzleibroschüre verschie<strong>de</strong>ne<br />
Dienstleistungsangebote nicht als Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn formuliert ist:<br />
„RAin ... kümmert sich ...“, erachtet <strong>de</strong>r Senat nicht für gegeben.<br />
Nach § 6 Satz 2 BORA dürfen in Kanzleibroschüren weitere als<br />
die nach § 7 BORA erlaubten Hinweise gegeben wer<strong>de</strong>n. Das<br />
bezieht sich nicht nur auf die zahlenmäßige Beschränkung auf<br />
fünf Interessen- bzw. drei Tätigkeitsschwerpunkte in § 7 Abs. 1<br />
Satz 2 BORA. Es bestehen insgesamt weitergehen<strong>de</strong> Freiheiten<br />
bei <strong>de</strong>r Beschreibung <strong>de</strong>r Qualifikation bzw. Tätigkeit (vgl. Hartung/Holl,<br />
Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., 2001, § 6 BORA<br />
Rdnr. 130 ff.).
40 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong><br />
Wenn sogar die Selbsteinstufung als „Experte” als zulässig erachtet<br />
wird, weil dadurch beim Publikum nicht <strong>de</strong>r Eindruck objektiver<br />
Qualifizierung erweckt wer<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n Werben<strong>de</strong>n von<br />
an<strong>de</strong>ren Berufskollegen abhebe (OLG Stuttgart, BRAK-Mitt.<br />
1996, 215, 217), muss erst recht die Formulierung erlaubt sein<br />
(RAin ... kümmert sich um ...).<br />
4. Es ist nicht ersichtlich, dass sonstige Formulierungen in <strong>de</strong>r inkriminierten<br />
Kanzleibroschüre unzulässige Werbung beinhalten.<br />
Anwaltliche Werbung – Weiterführung <strong>de</strong>s Namens<br />
eines ehemaligen Partners nach Beendigung einer<br />
Sozietät; BGB § 12<br />
* 1. Ein RA kann sich nach Beendigung einer Sozietät nach § 12<br />
BGB dagegen verwahren, dass sein Name werbend für die<br />
Kanzlei seines ehemaligen Partners eingesetzt wird.<br />
* 2. Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r RA eine Abän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Domain<br />
ausdrücklich nicht verlangt hat. Hieraus kann noch nicht<br />
darauf geschlossen wer<strong>de</strong>n, dass er mit <strong>de</strong>r werben<strong>de</strong>n Verwendung<br />
seines Namens für die Kanzlei seines ehemaligen<br />
Partners einverstan<strong>de</strong>n gewesen ist.<br />
* 3. Eine Frist bezüglich <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r ehemals für bei<strong>de</strong><br />
Partner benutzten Domain muss einem ehemaligen Partner<br />
grundsätzlich nicht gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />
Hanseatisches OLG, Beschl. v. 12.9.2002 – 5 W 63/02<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
Die nach §§ 91a Abs. 2, 567 ZPO statthafte Beschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ast.<br />
ist zulässig, § 569 ZPO, und hat in <strong>de</strong>r Sache Erfolg.<br />
Es entspricht billigem Ermessen, <strong>de</strong>n Ag. mit <strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>nen<br />
Kosten zu belasten, da die einstweilige Verfügung nach Sachund<br />
Rechtslage zu bestätigen gewesen wäre, wenn nicht durch<br />
<strong>de</strong>n Abschluss <strong>de</strong>s Vergleichs Erledigung <strong>de</strong>r Hauptsache eingetreten<br />
wäre.<br />
Streitgegenstand <strong>de</strong>s Verfügungsantrags ist allein die Frage, ob<br />
<strong>de</strong>r Ag. berechtigt ist, unter <strong>de</strong>r Domain www.m...-p....<strong>de</strong> werbend<br />
auf die neue Sozietät in Firma „M. Rechtsanwälte“ hinzuweisen.<br />
Beseitigungs- und<br />
Unterlassungsanspruch<br />
nach § 12 BGB<br />
Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Orientierungssätze/*Leitsätze <strong>de</strong>r Redaktion<br />
Dies ist nicht <strong>de</strong>r Fall. Der Ast.<br />
kann sich nach Beendigung <strong>de</strong>r<br />
Sozietät mit <strong>de</strong>m Ag. aus § 12<br />
BGB dagegen verwahren, dass<br />
sein Name werbend für die<br />
Kanzlei seines ehemaligen Partners eingesetzt wird. Eine Gestattung<br />
<strong>de</strong>s Namensgebrauchs ist schlüssig noch nicht einmal<br />
vorgetragen und auch nicht glaubhaft gemacht. Die bei<strong>de</strong>n ei<strong>de</strong>sstattlichen<br />
Versicherungen <strong>de</strong>r Herren RAe ... und ... (Anlagen<br />
Ag. 4 und Ag. 5) geben eine Gestattung <strong>de</strong>r Namensbenutzung<br />
ebenso wenig her, wie die ei<strong>de</strong>sstattliche Versicherung <strong>de</strong>s<br />
Ag. selbst (Anlage Ag. 12). Die Versicherungen belegen nur, dass<br />
<strong>de</strong>r Ast. darum gebeten hat, die Website zu än<strong>de</strong>rn, verhalten<br />
sich aber ansonsten nicht dazu, dass er <strong>de</strong>m Ag. ausdrücklich<br />
erlaubt haben soll, seinen – <strong>de</strong>s Ast. – Namen werbend für die<br />
mit einem an<strong>de</strong>ren Partner unter an<strong>de</strong>rem Namen fortgeführte<br />
V. Auf die Berufung <strong>de</strong>r Betroffenen war daher das Urt. <strong>de</strong>s<br />
AnwG aufzuheben, die Betroffenen waren freizusprechen.<br />
Die Voraussetzungen für die Zulassung <strong>de</strong>s Rechtsmittels <strong>de</strong>r<br />
Revision gem. § 145 Abs. 2 BRAO liegen nicht vor, weil die<br />
Rechtsfragen o<strong>de</strong>r Fragen <strong>de</strong>r anwaltlichen Berufspflichten, über<br />
die zu entschei<strong>de</strong>n war, nicht von grundsätzlicher Be<strong>de</strong>utung<br />
sind. Die vorliegen<strong>de</strong> Entscheidung betrifft ausschließlich die<br />
singulären Formulierungen in <strong>de</strong>r Kanzleibroschüre <strong>de</strong>r Betroffenen.<br />
Sozietät <strong>de</strong>s Ag. zu benutzen. Dies gilt selbst dann, wenn <strong>de</strong>r<br />
Ast. ausdrücklich eine Abän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Domain nicht verlangt<br />
haben sollte, <strong>de</strong>nn daraus kann noch nicht darauf geschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass er etwa mit <strong>de</strong>r werben<strong>de</strong>n Verwendung seines<br />
Namens für die Kanzlei seines ehemaligen Partners einverstan<strong>de</strong>n<br />
gewesen sein soll.<br />
Ein die Wie<strong>de</strong>rholungsgefahr begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Verletzungsfall liegt<br />
in <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r Sozietät <strong>de</strong>s Ag. unter <strong>de</strong>r Domain<br />
www.m...-p... .<strong>de</strong> gem. Anlage Ast. 4. Diesen Internet-Auftritt<br />
hatte <strong>de</strong>r Ast. mit <strong>de</strong>r Abmahnung beanstan<strong>de</strong>t und die durch<br />
<strong>de</strong>n Verletzungsfall gesetzte Wie<strong>de</strong>rholungsgefahr hätte nur<br />
durch Abgabe einer strafbewehrten Verpflichtungserklärung beseitigt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Das Namensrecht <strong>de</strong>s Ast. wird schließlich<br />
auch durch <strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>r streitigen Domain gegebenen<br />
Hinweis auf das Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Ast. aus <strong>de</strong>r Sozietät mit <strong>de</strong>m<br />
Ag. verletzt (Anlage Ast. 9). Wenn <strong>de</strong>nn schon unter <strong>de</strong>r ehemals<br />
für bei<strong>de</strong> Partner benutzten Domain, die aus <strong>de</strong>n bürgerlichen<br />
Namen bei<strong>de</strong>r Partner gebil<strong>de</strong>t ist, auf das Ausschei<strong>de</strong>n eines<br />
Partners hingewiesen wer<strong>de</strong>n soll, kann dies nur einvernehmlich<br />
und die Interessen bei<strong>de</strong>r gleichermaßen berücksichtigend<br />
geschehen, wie es die Parteien in <strong>de</strong>m schließlich abgeschlossenen<br />
Vergleich vereinbart haben. Dies gilt je<strong>de</strong>nfalls, wenn es<br />
sich – wie hier – um eine lediglich zweigliedrige Sozietät han<strong>de</strong>lt.<br />
Gewährung einer<br />
Umstellungsfrist<br />
nicht notwendig<br />
Eine Umstellungsfrist wäre <strong>de</strong>m<br />
Ag. bezüglich <strong>de</strong>r Domain nicht<br />
zu gewähren gewesen. Er hätte<br />
<strong>de</strong>n Namen seines ehemaligen<br />
Partners ohne <strong>de</strong>ssen ausdrückli-<br />
che Gestattung keinesfalls für eigene Werbungsmaßnahmen<br />
ausnützen dürfen. Selbst wenn ihm aber eine Umstellungsfrist<br />
zuzubilligen gewesen wäre, hätte dies nicht zu einer Kostenbeteiligung<br />
<strong>de</strong>s Ast. führen dürfen. Denn die Gewährung einer<br />
Umstellungsfrist ist eine Rechtswohltat, die die Durchsetzung<br />
eines berechtigten Anspruchs nur zeitweise zu hemmen vermag,<br />
die aber nicht auch noch zusätzlich mit einer günstigen<br />
Kostenquote als Draufgabe gleichsam vergol<strong>de</strong>t wird.<br />
Letztendlich: Dringlichkeit nach § 25 UWG war gegeben. Dies<br />
gilt selbst dann, wenn <strong>de</strong>r Ast. bereits unmittelbar nach seinem<br />
Ausschei<strong>de</strong>n am 15.4.2002 von <strong>de</strong>r werben<strong>de</strong>n Verwendung<br />
<strong>de</strong>r Domain für die neue Sozietät <strong>de</strong>s Ag. Kenntnis erlangt haben<br />
sollte, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Verfügungsantrag ist bereits am 25.5.2002<br />
bei Gericht eingegangen. Der damit verstrichene Zeitraum von<br />
allenfalls fünf Wochen ist nach <strong>de</strong>r Rspr. <strong>de</strong>r Wettbewerbsgerichte<br />
in Hamburg keinesfalls schon als dringlichkeitsschädlich<br />
zu bewerten.