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1/2003 - brak-mitteilungen.de

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BRAK-Mitt. 1/<strong>2003</strong> Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts 9<br />

Die bisher i.V.m. <strong>de</strong>m Prozessdauerproblem wohl einschnei<strong>de</strong>nsten<br />

Maßnahmen wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Gesetz Nr. 89 v.<br />

24.3.2001 („Pinto-Gesetz“) verabschie<strong>de</strong>t. Das Gesetz sieht in<br />

Art. 2 ein Recht auf „billige Entschädigung“ (seitens <strong>de</strong>s Staates)<br />

für <strong>de</strong>n vor, <strong>de</strong>r aufgrund einer Verletzung <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention (beschränkt auf die Frage <strong>de</strong>r Verfahrensdauer)<br />

einen Vermögens- o<strong>de</strong>r Nichtvermögensscha<strong>de</strong>n<br />

erlitten hat. Aufgrund dieses Gesetzes braucht <strong>de</strong>r Geschädigte<br />

nicht mehr eine lange und üblicherweise beschwerliche Zivilklage<br />

gegen <strong>de</strong>n jeweiligen Richter zu führen und kann unmittelbar<br />

gegen <strong>de</strong>n Staat selbst vorgehen: gegen das Justizministerium<br />

(wenn es sich um Verfahren vor <strong>de</strong>m or<strong>de</strong>ntlichen Richter<br />

gehan<strong>de</strong>lt hat), gegen das Verteidigungsministerium (wenn ein<br />

militärgerichtliches Verfahren Ausgangspunkt ist), gegen das Finanzministerium<br />

(bei steuergerichtlichen Verfahren) und in an<strong>de</strong>ren<br />

Fällen gegen <strong>de</strong>n Ministerpräsi<strong>de</strong>nten. Der Staat hält sich<br />

dann an <strong>de</strong>n „Schädiger“, d.h. <strong>de</strong>njenigen, auf <strong>de</strong>ssen Verantwortung<br />

die Länge <strong>de</strong>r Verfahrensdauer zurückzuführen ist<br />

(bspw. durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens). Zuständiges<br />

Gericht ist in <strong>de</strong>n Verfahren nach diesem Gesetz das OLG,<br />

die Entschädigungen erfolgen im Rahmen <strong>de</strong>r hierfür zur Verfügung<br />

gestellten Summen (für das Jahr 2002 ca. 6 Millionen Euro).<br />

Überblick<br />

Mandatsbearbeitung bei Rechtsschutzversicherung<br />

Besteht eine Rechtsschutzversicherung, ist das in <strong>de</strong>r Regel nicht<br />

allein für <strong>de</strong>n Mandanten, son<strong>de</strong>rn auch für <strong>de</strong>ssen Anwalt ein<br />

erfreulicher Umstand. Der Anwalt kann direkt mit <strong>de</strong>r Versicherung<br />

abrechnen und bekommt gewöhnlich schnell und zuverlässig<br />

sein Honorar. Der Mandant muss bei Vergleichen mit entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Kostenquotelung die wirtschaftlichen Nachteile<br />

teilweiser Kostentragung nicht mit abwägen und braucht bei<br />

höherem Prozessrisiko teure Gutachten o.Ä. nicht zu fürchten.<br />

Nicht immer ist aber die Tatsache, dass <strong>de</strong>r Mandant <strong>de</strong>m Anwalt<br />

seine Rechtsschutzversicherung angibt, für diesen Grund<br />

zu ungetrübter Freu<strong>de</strong>. Wer nicht zumin<strong>de</strong>st die Grundzüge <strong>de</strong>r<br />

ARB kennt und einige Beson<strong>de</strong>rheiten berücksichtigt, die sich<br />

für rechtsschutzversicherte Mandanten ergeben, kann Überraschungen<br />

erleben.<br />

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Anwalt stets verpflichtet<br />

ist, von sich aus nachzufragen, ob eine Rechtsschutzversicherung<br />

besteht. Das OLG Nürnberg hat bereits in diese<br />

Richtung entschie<strong>de</strong>n (NJW-RR 1989,1370). Dem kann aber in<br />

dieser Allgemeinheit nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n. Vielmehr hat <strong>de</strong>r Auftraggeber<br />

die Obliegenheit, auf evtl. Deckung über einen<br />

Rechtsschutzversicherer hinzuweisen (so auch Zugehör-Sieg,<br />

Handbuch <strong>de</strong>r Anwaltshaftung, Rdnr. 689). Eine Rechtsschutzversicherung<br />

ist schließlich nicht selbstverständlich und man<br />

wird vom Mandanten erwarten dürfen, dass er seine eigenen Interessen<br />

insoweit auch wahrt.<br />

Überblick<br />

Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts<br />

Rechtsanwälte Bertin Chab und Holger Grams<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Allianz Versicherungs-AG, München<br />

Ob dieses Gesetz die gewünschte Wirkung zeigt, mag zumin<strong>de</strong>st<br />

zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Tat hat nämlich<br />

die Arbeitsbelastung <strong>de</strong>r Gerichte noch zugenommen, da<br />

zusätzlich nun eine große Anzahl von Rekursen – ausgerichtet<br />

auf die oben erwähnte „billige Entschädigung“ – anhängig gemacht<br />

wor<strong>de</strong>n ist, die die ohnehin schon überlasteten Gerichte<br />

mit zusätzlicher Arbeit versorgen. En<strong>de</strong> Oktober 2002 ließ die<br />

Regierung darüber hinaus auch noch die Möglichkeit verstreichen,<br />

die aus dieser Sicht (kontraproduktiven) Auswirkungen <strong>de</strong>s<br />

Pinto-Gesetzes durch neue gesetzliche Vorschriften abzumil<strong>de</strong>rn,<br />

<strong>de</strong>nen zufolge die avvocatura <strong>de</strong>llo stato (eine staatliche<br />

Behör<strong>de</strong>, die so genannte „staatliche Anwaltschaft“) vor Eröffnung<br />

eines Verfahrens zunächst eine Schlichtung bzw. einen Vergleich<br />

hätte anstreben müssen. Aufgrund von unterschiedlichen<br />

Auffassungen zwischen <strong>de</strong>r zweiten italienischen Parlamentskammer,<br />

<strong>de</strong>m Senat, und <strong>de</strong>r Regierung ist dieses Gesetzesvorhaben<br />

allerdings endgültig im Oktober 2002 gescheitert.<br />

Auch weiterhin wird sich <strong>de</strong>r italienische Staat daher in einer<br />

beson<strong>de</strong>ren Beobachtungssituation befin<strong>de</strong>n und erhebliche<br />

Anstrengungen unternehmen müssen, um nicht mehr mit <strong>de</strong>m<br />

oben erwähnten, im Übrigen auch noch unrühmlichen Primat<br />

<strong>de</strong>s am meisten Verurteilten in Verbindung gebracht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Vorsicht ist geboten, wenn <strong>de</strong>r Rechtsschutzversicherer – sei es<br />

zu Recht o<strong>de</strong>r zu Unrecht – die Deckung auf Nachfrage <strong>de</strong>s Anwalts<br />

versagt, dieser <strong>de</strong>n Mandanten hiervon „schlicht“ in<br />

Kenntnis setzt und <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>nnoch ausführt. Nicht selten<br />

behauptet <strong>de</strong>r Mandant nach Erhalt <strong>de</strong>r Honorarrechnung, er<br />

habe <strong>de</strong>n Auftrag nur unter <strong>de</strong>r Bedingung erteilt, dass <strong>de</strong>r<br />

Rechtsschutzversicherer die Deckung auch übernimmt. Die Beweislast<br />

dafür, dass das Mandat ohne aufschieben<strong>de</strong> Bedingung<br />

erteilt wur<strong>de</strong>, liegt im Honorarprozess beim Anwalt (OLG<br />

Naumburg v. 30.9.2002 – 1 U 28/02 mit Verweis auf BGH, NJW<br />

1985, 497 f.). Diese Beweislastverteilung wird man nicht unbedingt<br />

vermuten. Auch beim zitierten Urteil <strong>de</strong>s OLG Naumburg<br />

war unstreitig, dass <strong>de</strong>r Mandant telefonisch über die Deckungsablehnung<br />

informiert wor<strong>de</strong>n war. Dass die Mandatserteilung<br />

nicht unter <strong>de</strong>r aufschieben<strong>de</strong>n Bedingung <strong>de</strong>r Deckungszusage<br />

durch <strong>de</strong>n Rechtsschutzversicherer vorgenommen wor<strong>de</strong>n war,<br />

konnten die klagen<strong>de</strong>n Anwälte nicht beweisen. Jedoch half <strong>de</strong>r<br />

Senat <strong>de</strong>n Anwälten im Ergebnis dann doch noch. Der Bekl.<br />

könne sich nämlich nicht auf das „non liquet“ berufen, weil er<br />

– ebenfalls unstreitig – nach <strong>de</strong>r Mitteilung über <strong>de</strong>n fehlen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsschutz noch Leistungen in Anspruch genommen habe,<br />

die die streitgegenständlichen Gebührentatbestän<strong>de</strong> ausgelöst<br />

haben o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st hätten, wären sie nicht bereits vorher entstan<strong>de</strong>n.<br />

In diesem Verhalten sieht das OLG Naumburg eine<br />

konklu<strong>de</strong>nte nachträgliche Än<strong>de</strong>rung dahin gehend, dass das<br />

Mandat nunmehr unbedingt erteilt sei. Hiergegen konnte sich<br />

<strong>de</strong>r Bekl. auch nicht erfolgreich verteidigen, in<strong>de</strong>m er vortrug,<br />

er habe damit gerechnet, dass die Kl. notfalls ihr Honorar gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Rechtsschutzversicherer einklagen wür<strong>de</strong>n. Dazu<br />

hätte es dann schon konkrete Anhaltspunkte geben müssen, die

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