gen der Frauen kam der große Abschied. Doch da merkten die Daheimbleibenden,daß der letzte Wagen unbesetzt war. Flugs stiegen sie in denWaggon, denn sie wollten ihre Männer noch ein Stück begleiten. <strong>Die</strong> Lokomotivepfiff, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Da merkten die Frauenund Bräute, daß der letzte Wagen stehen blieb; man hatte ihn <strong>vor</strong>sorglichabgekoppelt, und plötzlich verwandelte sich der Abschiedsschmerz in lautesGeschrei und Geschimpfe.Franz GROSSWie bei allen Ämtern und <strong>Die</strong>nstellen wurden auch bei der Bahn ab 1933 dieAngestellten mit weniger als zehn <strong>Die</strong>nstjahren entlassen, jene mit mehr<strong>Die</strong>nstjahren ins Landesinnere versetzt und als Ersatz Tschechen eingewiesen.weißen Dampfwolken tsch, tsch, tsch Richtung Schwarzwasser Drehe. Es gabkein Schimpfwort, keinen bösen Blick, nur lachende Gesichter an den Waggonfenstern.Damals war der alte Nezděra Lokomotivführer.Gemeinsam mit meinen Freundinnen, denen ich die Geschichte erzählt hatte,sangen wir:Schatzlar ist ein schönes Städtchen.Es hat auch eine Eisenbahn,die aber fährt sehr langsam, langsam,da braucht man keine Angst zu ham.Emmi SCHREIBEREin unserer <strong>Die</strong>nststelle zugewiesener Tscheche -wir nannten ihn »Frante«-hatte bisher noch keinen <strong>Die</strong>nst auf einem Bahnhof versehen, und ich mußteihn mit dem Hinweis am Güterboden einsetzen, daß er sich auch bald dieKenntnisse für den Rangierdienst aneignen müsse. Er war willig und strebsam.Nachdem er etwa sechs Wochen bei uns war, hieß ich ihn die Weichenschmieren, und so bekam er Öl, Pinsel und Putzwolle. Nach geraumer Zeit kamKarl Baudisch zu mir und sagte, ich solle mir mal ansehen, was der »Frante«treibe. Als ich zu ihm kam, sah ich, daß er die Schienen sauber mit Ölbestrichen, sie aber inzwischen wieder mit der Putzwolle fein säuberlichabgewischt hatte.Ein anderer, namens Duschek, der ebenfalls kein Wort deutsch sprach undverstand, hatte einmal mit mir zusammen abends den letzten <strong>Die</strong>nst beimeinlaufenden Zug. Von den Orten Bober, Schwarzwasser und Schatzlar,kamen zum Frühzug viele mit dem Fahrrad, das sie bis zu ihrem <strong>Die</strong>nstschlußam Bahnhof einstellten. Duschek, der die Fahrkarten am Ausgang einsammelte,wurde von einer Boberin mit den Worten angesprochen: »Ich will’s Rad!«Duschek deutete auf die Tür mit der Aufschrift »Für Damen« und antwortete:»Tam srát !« (Dort schei ... ). Das Fräulein kam empört zu mir in dasAmtszimmer und beklagte sich wortreich. Ich erklärte der Dame das sprachlicheMißverständnis und ließ ihr das Rad aushändigen. Josef WANDERZum Schatzlarer KirchenfestAn einem schönen Sonntag war meine Schwester bei uns zuhause auf Besuch.Ehe sie ging, wurde ihr natürlich einiges mitgegeben. <strong>Die</strong>smal war es einKarton voll Porzellanfigürchen. Als sie ging, begleiteten wir sie ein Stück, undals wir heimkamen, steht - o Schreck - der Karton noch auf dem Tisch. Ich, hupsdi wups di, schnapp mir das Geschenk und ab gehts zur Bahn. Als ich zumBahnhof kam, fährt der Zug gerade schön gemütlich am Magazine <strong>vor</strong>bei.Wart, dachte ich, dich krieg ich noch. Ich rannte, so schnell ich konnte undschrie aus vollem Halse: »Hallo, hallo! Du host die Schachtl vrgassa! <strong>Die</strong>Schachtl, die Schachtl!« Und was ich nicht zu hoffen gewagt hatte, geschah:Der Zug blieb stehen, hilfreiche Hände streckten sich mir entgegen undnahmen mir den Karton ab. Und weiter gings mit schwarzem Qualm und318
<strong>12</strong>.3 Wie die Schatzlarer Frächter den Bau einerEisenbahnstrecke verhindertenUnbekannter VerfasserUrsprünglich sollte die Bahnlinie am rechten Ufer der Litsche über Brettgrund-Scharzlar und die Kohlenwerke nach Schmiedeberg geführt werden. <strong>Die</strong>sesProjekt zerschlug sich aber am Widerstand einzelner Gemeinden, einemunzureichenden Verständnis und mangelndem Weitblick der Verantwortlichenund einer Gruppe von kontrainteressierten Gewerbetreibenden. <strong>Die</strong>Erzählungen unserer Großeltern über den Kampf, den die Schatzlarer um denStreckenverlauf führten, sind überaus interessant und sollen deshalb hierfestgehalten werden.So fürchteten insbesondere die damaligen Frächter der Stadt um ihre Existenz,deren Grundlage die Kohlenfracht nach Trautenau und für den Rückweg dieWarenbeförderung Trautenau-Schatzlar waren und verstanden es, den Stadtväternklarzulegen, welchen Schaden die Bahnlinie der Stadt und ihrenBewohnern bringen würde, wenn die Gelder für die Fuhren entfielen oder einerortsfremden Verwaltung zuflössen. Außerdem wiesen sie darauf hin, daß »diebraven Frächter und Kutscher um das täglich gewohnte Trinkgeld kämen - derOrt und seine lieben Mitbürger müßten verarmen!«Der nicht geringe Einfluß des damaligen Bürgermeisters -selbst Fuhrunternehmer-führte außerdem dazu, daß das Projekt »Bahnführung über Schatzlarnach Schmiedeberg-Hirschberg« nicht mehr zur Beratung zugelassen undfallengelassen worden ist, und »damit das Unglück von der Stadt abgewendetwurde!«<strong>Die</strong> Folgen dieses ökonomisch folgenschweren Fehlers ließen nicht lange aufsieh warten und wurden der Bevölkerung schon bald nach Fertigstellung derBahnstrecke überdeutlich bewußt. So hätte beispielsweise die Papierindustriein Brettgrund durch den Bahnanschluß zweifellos einen beachtlichen Aufschwungerlebt. Mußte doch das im Tal erzeugte Frachtgut jeweils täglich oderwöchentlich mehrmals der hochgelegenen Bahnstation in Schatzlar mit Fuhrwerkenzugefahren werden. Da brachte auch die gleichzeitige Rückladung anRohmaterialien vom Bahnhof keine wesentliche Kosten- und schon gar keineZeitersparnis.Nicht zuletzt hätte Schatzlar durch die Verbindung viel zur fremdenverkehrsmäßigenErschließung des östlichen Riesengebirges beitragen können, da sichder Tourismus zunehmend entwickelte.Um diesen für unsere wirtschaft offensichtlich so gravierenden Fehler einigermaßenwettzumachen, sollte im Dritten Reich der Bau der bereits projektiertenAutostraße Trautenau-Schatzlar-Schmiedeberg bzw. Landeshut als Teil derSudetenstraße Entlastung, Erleichterung und Öffnung bringen. Durch denKriegsausbruch kam es jedoch nicht mehr zur Ausführung dieses Vorhabens.Technisch und finanziell wäre der Streckenbau über Schatzlar ebenfallsleichter und günstiger gewesen, da die Schichtungen des Schiefergesteins vonoben nach unten in Ost-West-Richtung führend, dem Bahndamm einen natürlichenHalt geboten hätten. Außerdem wären auf dieser Seite die hohenBrücken bei Gabersdorf, Krinsdorf und Bernsdorf weggefallen; es wäre nureine Überbrückung der Litsche in Gabersdorf nötig gewesen, und die Baukostenwären dadurch um ein gutes Stück gesenkt worden. <strong>Die</strong> Folgejahrezeigten die Mängel und Nachteile der jetzigen Bahntrasse überdeutlich auf.Erinnern wir uns nur an die jährlich mindestens zweimal durch Regen undSchneeschmelze verursachten Unterspülungen der Gleisstrecken.Obwohl in diesem Gelände die Gesteinsschichtung ebenfalls in Ost-West-Richtung verläuft - ähnlich dem am rechten Litscheufer, dem allerdings dieStufenbildung fehlt - führen die erstgenannten Schichten hangabwärts. <strong>Die</strong>Stützfunktion des Bahndamms reichte nicht aus, um dem zwischen denSchieferschichten eindringenden Wasser, das das Gestein zudem noch verseifte,genügend Widerstand zu leisten, so daß der Hang ständig abrutschte. Dahalfen auch die jährlich immer wieder neuangelegten Drainagen nichts, die dasWasser ableiten und eine Schadensbegrenzung bringen sollten.Wer auf dieser Strecke einmal im Frühjahr gefahren ist, wird sich nocherinnern, daß auf dem Abschnitt gegenüber der Woska-Mühle in Krinsdorf, <strong>vor</strong>der Krinsdorfer Brücke, zwischen dem sogenannten Reußen und KukserEinschnitt sowie zwischen dem Kukser und Bernsdorfer Einschnitt lange Zeitlangsam, an einzelnen Stellen nur im Schrittempo gefahren werden durfte.<strong>Die</strong>se ständigen Instandsetzungsarbeiten verschlangen natürlich Unsummenan Unterhaltungs- und Reparaturkosten.Bei all den Mängelerscheinungen ist aber nicht zu übersehen, daß auch derStreckenverlauf über Bernsdorf nach Königshan und weiter ins Schlesischeeine nicht geringe wirtschaftIiche Bedeutung hat. So wies Bernsdorf einenrelativ starken Personenverkehr durch das weitreichende Einzugsgebiet auf,das sich von Potschendorf, Teichwasser, dem oberen Teil von Goldenöls überLampersdorf, Krinsdorf bis zu bestimmten Teilen Schatzlars erstreckte.Nach der Errichtung der Fischfabriken Toryk im Jahre 19<strong>12</strong>, verbunden miteiner Kaffeerösterei, der Bernsdorfer Konservenfabrik Berko (1922) und derGetreiderösterei des Kaufmannes Ferdinand Kriegel, konnte der BahnhofBernsdorf trotz seiner verkehrstechnisch äußerst ungünstigen Berglage einenregen Eilgut- und ab 1920 auch Stückgutverkehr verzeichnen.Gleichfalls war die Bahnstation Königshan als Frachten-, Umschlag- undAbzweigbahnhof von größter ökonomischer Wichtigkeit für unsere Region.Bis dahin waren nämlich die von den Lampersdorf -Schatzlarer Bergwerkenmit Fuhrwerken angelieferten Kohlen dort von Hand in Waggons umgeladenworden. 7319