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Kapitel 12: Die Verkehrssituation vor 150 Jahren

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<strong>12</strong>.3 Wie die Schatzlarer Frächter den Bau einerEisenbahnstrecke verhindertenUnbekannter VerfasserUrsprünglich sollte die Bahnlinie am rechten Ufer der Litsche über Brettgrund-Scharzlar und die Kohlenwerke nach Schmiedeberg geführt werden. <strong>Die</strong>sesProjekt zerschlug sich aber am Widerstand einzelner Gemeinden, einemunzureichenden Verständnis und mangelndem Weitblick der Verantwortlichenund einer Gruppe von kontrainteressierten Gewerbetreibenden. <strong>Die</strong>Erzählungen unserer Großeltern über den Kampf, den die Schatzlarer um denStreckenverlauf führten, sind überaus interessant und sollen deshalb hierfestgehalten werden.So fürchteten insbesondere die damaligen Frächter der Stadt um ihre Existenz,deren Grundlage die Kohlenfracht nach Trautenau und für den Rückweg dieWarenbeförderung Trautenau-Schatzlar waren und verstanden es, den Stadtväternklarzulegen, welchen Schaden die Bahnlinie der Stadt und ihrenBewohnern bringen würde, wenn die Gelder für die Fuhren entfielen oder einerortsfremden Verwaltung zuflössen. Außerdem wiesen sie darauf hin, daß »diebraven Frächter und Kutscher um das täglich gewohnte Trinkgeld kämen - derOrt und seine lieben Mitbürger müßten verarmen!«Der nicht geringe Einfluß des damaligen Bürgermeisters -selbst Fuhrunternehmer-führte außerdem dazu, daß das Projekt »Bahnführung über Schatzlarnach Schmiedeberg-Hirschberg« nicht mehr zur Beratung zugelassen undfallengelassen worden ist, und »damit das Unglück von der Stadt abgewendetwurde!«<strong>Die</strong> Folgen dieses ökonomisch folgenschweren Fehlers ließen nicht lange aufsieh warten und wurden der Bevölkerung schon bald nach Fertigstellung derBahnstrecke überdeutlich bewußt. So hätte beispielsweise die Papierindustriein Brettgrund durch den Bahnanschluß zweifellos einen beachtlichen Aufschwungerlebt. Mußte doch das im Tal erzeugte Frachtgut jeweils täglich oderwöchentlich mehrmals der hochgelegenen Bahnstation in Schatzlar mit Fuhrwerkenzugefahren werden. Da brachte auch die gleichzeitige Rückladung anRohmaterialien vom Bahnhof keine wesentliche Kosten- und schon gar keineZeitersparnis.Nicht zuletzt hätte Schatzlar durch die Verbindung viel zur fremdenverkehrsmäßigenErschließung des östlichen Riesengebirges beitragen können, da sichder Tourismus zunehmend entwickelte.Um diesen für unsere wirtschaft offensichtlich so gravierenden Fehler einigermaßenwettzumachen, sollte im Dritten Reich der Bau der bereits projektiertenAutostraße Trautenau-Schatzlar-Schmiedeberg bzw. Landeshut als Teil derSudetenstraße Entlastung, Erleichterung und Öffnung bringen. Durch denKriegsausbruch kam es jedoch nicht mehr zur Ausführung dieses Vorhabens.Technisch und finanziell wäre der Streckenbau über Schatzlar ebenfallsleichter und günstiger gewesen, da die Schichtungen des Schiefergesteins vonoben nach unten in Ost-West-Richtung führend, dem Bahndamm einen natürlichenHalt geboten hätten. Außerdem wären auf dieser Seite die hohenBrücken bei Gabersdorf, Krinsdorf und Bernsdorf weggefallen; es wäre nureine Überbrückung der Litsche in Gabersdorf nötig gewesen, und die Baukostenwären dadurch um ein gutes Stück gesenkt worden. <strong>Die</strong> Folgejahrezeigten die Mängel und Nachteile der jetzigen Bahntrasse überdeutlich auf.Erinnern wir uns nur an die jährlich mindestens zweimal durch Regen undSchneeschmelze verursachten Unterspülungen der Gleisstrecken.Obwohl in diesem Gelände die Gesteinsschichtung ebenfalls in Ost-West-Richtung verläuft - ähnlich dem am rechten Litscheufer, dem allerdings dieStufenbildung fehlt - führen die erstgenannten Schichten hangabwärts. <strong>Die</strong>Stützfunktion des Bahndamms reichte nicht aus, um dem zwischen denSchieferschichten eindringenden Wasser, das das Gestein zudem noch verseifte,genügend Widerstand zu leisten, so daß der Hang ständig abrutschte. Dahalfen auch die jährlich immer wieder neuangelegten Drainagen nichts, die dasWasser ableiten und eine Schadensbegrenzung bringen sollten.Wer auf dieser Strecke einmal im Frühjahr gefahren ist, wird sich nocherinnern, daß auf dem Abschnitt gegenüber der Woska-Mühle in Krinsdorf, <strong>vor</strong>der Krinsdorfer Brücke, zwischen dem sogenannten Reußen und KukserEinschnitt sowie zwischen dem Kukser und Bernsdorfer Einschnitt lange Zeitlangsam, an einzelnen Stellen nur im Schrittempo gefahren werden durfte.<strong>Die</strong>se ständigen Instandsetzungsarbeiten verschlangen natürlich Unsummenan Unterhaltungs- und Reparaturkosten.Bei all den Mängelerscheinungen ist aber nicht zu übersehen, daß auch derStreckenverlauf über Bernsdorf nach Königshan und weiter ins Schlesischeeine nicht geringe wirtschaftIiche Bedeutung hat. So wies Bernsdorf einenrelativ starken Personenverkehr durch das weitreichende Einzugsgebiet auf,das sich von Potschendorf, Teichwasser, dem oberen Teil von Goldenöls überLampersdorf, Krinsdorf bis zu bestimmten Teilen Schatzlars erstreckte.Nach der Errichtung der Fischfabriken Toryk im Jahre 19<strong>12</strong>, verbunden miteiner Kaffeerösterei, der Bernsdorfer Konservenfabrik Berko (1922) und derGetreiderösterei des Kaufmannes Ferdinand Kriegel, konnte der BahnhofBernsdorf trotz seiner verkehrstechnisch äußerst ungünstigen Berglage einenregen Eilgut- und ab 1920 auch Stückgutverkehr verzeichnen.Gleichfalls war die Bahnstation Königshan als Frachten-, Umschlag- undAbzweigbahnhof von größter ökonomischer Wichtigkeit für unsere Region.Bis dahin waren nämlich die von den Lampersdorf -Schatzlarer Bergwerkenmit Fuhrwerken angelieferten Kohlen dort von Hand in Waggons umgeladenworden. 7319

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