Atemtherapie Methodenidentifikation - sbam
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1 Methodenbeschrieb<br />
1.1 Geschichte und Philosophie<br />
<strong>Methodenidentifikation</strong> – <strong>Atemtherapie</strong><br />
Seite 2 von 15<br />
1.1.1 Geschichte<br />
Die Entwicklung des Wissens um die Aufgaben und Wirkungsweisen des Atems geht<br />
einher mit der Geschichte der Menschheit. Die Ursprünge liegen über 4000 Jahre<br />
zurück. Atem und Lebenskraft waren in vielen Religionen gleichbedeutend, so dass<br />
zwischen beiden Begriffen kein Unterschied gemacht wurde.<br />
In der östlichen Welt entwickelten sich viele Atem- und Bewegungsschulen wie Yoga,<br />
Zen-Praktiken, Qi Gong und Tai-Chi. Im antiken Griechenland entstanden die<br />
Pneumaschulen. Die Aufgabe dieser Schulen war es, die geistige und persönliche<br />
Reifung und die religiöse Entwicklung des Menschen zu fördern.<br />
Die Erkenntnisse der antiken Naturlehre fanden Eingang in die mittelalterlichen<br />
Lehrbücher. Auch Hildegard von Bingen muss schon aussergewöhnlich grosse<br />
Kenntnisse über den Atem gehabt haben. Ohne diese wären ihre<br />
Gesangskompositionen nicht benutzbar gewesen. Ebenso spricht die Beobachtung von<br />
Paracelsus «Alle Heilung geht durch den Atem» dafür, dass er die heilende Wirkung des<br />
Atems kannte. So wandten im Mittelalter Ärzte atemgymnastische Übungen als sanftes<br />
Heilmittel an. Dadurch wurde eine vermehrte Durchblutung erzielt, um die Hitze in den<br />
inneren Organen zu steigern, und die Organe von Abfallprodukten zu befreien. In der<br />
westlichen Welt geriet dieses ursprüngliche Wissen nach und nach in Vergessenheit.<br />
Eine ausschliesslich naturwissenschaftliche Sicht mit funktionell-mechanischem<br />
Umgang mit dem Atem dominierte die weitere Entwicklung.<br />
1.1.2 Philosophie<br />
Die Atem- und Leibtherapie entwickelte sich im deutschsprachigen Raum Ende des 19.,<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts. In jener Zeit des Aufbruchs in Wissenschaft und Technik,<br />
besann sich eine Minderheit von bewusst lebenden Menschen auf das alte Wissen. Der<br />
Atem wurde als ein eigenständiges Phänomen erkannt, das nicht nur der aufstrebenden<br />
naturwissenschaftlichen Medizin zuzuordnen war. In philosophischen und geistigen<br />
Strömungen dieser Zeit erhielten Atem und Körper eine besondere Bedeutung. Vor<br />
allem Vertreter der Lebensphilosophie, der Reformpädagogik und der<br />
Körperkulturbewegung thematisierten das Körper-Seele-Phänomen. Sie formulierten<br />
viele Fragestellungen zum Thema Körper und Atem. Ein Interesse am bewussten<br />
Körpererleben, an sensitiven Bewegungsweisen, am Ausdruckstanz sowie an<br />
rhythmischer Gymnastik und an Atemerfahrungen wurde wach. Sie verwendeten die<br />
Bezeichnung Leibpädagogik für alle Methoden der neuen Kulturbewegung, in denen<br />
man sich mit Atem, Bewegung und Gymnastik im weitesten Sinne beschäftigte.<br />
Die Biedermeierzeit (1815 bis 1848) bildete den geistigen Hintergrund für die<br />
Naturheilbewegung. In dieser Zeit schlossen sich überwiegend an Medizin interessierte<br />
Laien zu einer lebensreformerischen Bewegung zusammen und setzten sich für eine<br />
Befreiung des Menschen aus einer als dekadent und ungesund empfundenen<br />
Lebensweise ein. Atem, gute Luft, gesunde Ernährung und Bewegung wurden zum<br />
Synonym für gesundes Leben und die Lebendigkeit schlechthin. Schon damals<br />
beinhaltete die Naturheilkunde eine Weltanschauung, die sich gegen die Einflüsse der<br />
damaligen Industriegesellschaft richtete. Ein weiterer Grund zur methodischen<br />
Entwicklung der damaligen Atemarbeit und Leibpädagogik waren die massive<br />
Verbreitung der Tuberkulose sowie die Mangel- und Fehlernährung. Im Gegensatz dazu<br />
strebte die ärztliche Atemgymnastik auf der Grundlage ihrer mechanistischen Weltsicht<br />
danach, mit Mechanik gegen Schwindsucht, Asthma, Lungenemphyseme und andere<br />
Lungenerkrankungen anzukämpfen.<br />
Die Philanthropie beeinflusste durch die erstmalige Integration von Bewegungsschulung<br />
und Elementargymnastik in den Schulunterricht die Leibpädagogik wesentlich. Dadurch<br />
sollte der kindliche Körper zur vollkommenen Einheit und Harmonie mit Geist und Seele<br />
zurückgeführt werden. Schon Heinrich Pestalozzi (1746 bis 1827) wies darauf hin,<br />
dass der Leib der Kinder ein Tempel des heiligen Geistes sei. Die Bedeutung von