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BeWL Heft 18 - Departement BWL - Universität Bern

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DEPARTEMENT BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHREUniversität <strong>Bern</strong>Herbstsemester 2012 <strong>18</strong><strong>BeWL</strong>«Chance Ausland»Informationen: Professor Andreas HackStudium: Was bringt ein Auslandstudium?Praxis: Voll ins AugeForschung: Frische Luft statt Amtsstubenmief


Liebe Studentinnen und Studenten,Liebe Leserinnen und LeserEditorial«Ein jeder ist Unternehmer seines eigenen Geistes» –so ähnlich habe ich es während meines Studiumssowohl in volkswirtschaftlichen Vorlesungen zumNeoliberalismus, als auch in betriebswirtschaftlichenKursen zum Thema Steuerrecht gehört. Interessantan dieser Aussage ist zunächst einmal, dass derBegriff des «Unternehmers» einem Jedem zugesprochenwird und nicht nur solchen, die ein eigenesUnternehmen gründen. Das hier gemeinte Unternehmertumfusst allein auf dem Geist eines jedenEinzelnen. So ist beispielsweise auch ein Angestellterin einem Unternehmen oder in einer öffentlichenInstitution, z. B. der Universität, ein Unternehmer.Dies entspricht dem Wunschgedanken vieler Unternehmenund Institutionen, denn einem Unternehmerwerden Eigenschaften wie schöpferische Kraft,Innovationskraft, und Selbstantrieb zugeschrieben.Das Fundament des Ganzen aber bildet der Geistoder das «Geistreich sein» eines jeden Einzelnen –zum Glück könnte man nun rufen, denn den eigenenGeist kann man schulen, trainieren, strapazieren –und je mehr man dies tut, desto grösser das unternehmerischePotenzial.Fassen wir nun den Begriff des Unternehmers wiederetwas enger, als den eines betrieblichen – sei esnun selbständig oder nicht – so sollte die betriebswirtschaftlicheAusbildung an der Universität alsodarauf abzielen, den Geist des potentiellen unternehmerischenBetriebswirts heranzubilden – alsozu lehren, unternehmerisch zu denken. Doch kanndie Universität dies alleine bewerkstelligen? DieAntwort lautet leider NEIN. Studenten müssen das,was die Universität <strong>Bern</strong> an ganzheitlicher <strong>BWL</strong>-Ausbildung bietet, durch Eigeninitiative ergänzen.Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre undauch im kommenden Herbstsemester viel Eigeninitiativeund Mut.Ihr Jens DibbernSprecher des <strong>Departement</strong>s <strong>BWL</strong>der Wirtschafts- und SozialwissenschaftlichenFakultät der Universität <strong>Bern</strong>In diesem <strong>Heft</strong> kommen einige aktive oder ehemaligeStudierende der Universität <strong>Bern</strong>, die Eigeninitiativeund Mut bewiesen haben, zu Wort:– Caroline Bleuer erzählt von ihrem Auslandssemesterin Schweden (S. 6 f.),– Albert Kurti berichtet über sein Praktikum inShanghai (S. <strong>18</strong> ff.) und– Frank Ziemer berichtet im Rahmen eines Interviewsvon seinen Erfahrungen als Gründer seinerim Bereich der Ophthalmologie tätigen ZiemerGroup (S. 13 ff.).Ins Bild des unternehmerischen Denkens passt auchdie Vorstellung unseres neuen Kollegen, Prof. Dr.Andreas Hack, vom Institut für Organisation undPersonal IOP. Er beschäftigt sich mit dem Themader Familienunternehmen – wobei sich mir hier miteinem Augenzwinkern natürlich gleich die Fragestellt, ob ich mich als Vater und Ehemann nicht aucheinen «Familienunternehmer» nennen darf.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Editorial1


<strong>Departement</strong> BetriebswirtschaftslehreUniversität <strong>Bern</strong>Herbstsemester 2012Editorial 1InformationenNachrichten aus dem <strong>Departement</strong> 3Neuer Professor am Institut für Organisationund Personal IOP – Prof. Andreas Hack 5StudiumMitt liv i Sverige – Mein Leben in Schweden 6Das Eis brechen – Auf in die Berufswelt 8Was bringt ein Auslandsstudium? 10PraxisDas geht voll ins Auge – Fachgespräch mitFrank Ziemer 13Shanghai – Praktikum in der Fremde <strong>18</strong>ForschungFrische Luft statt Amtsstubenmief –doch woher weht der Wind? 22Traineeprogramme: Integration indie Personalentwicklung als Erfolgsfaktor 26Publikationen 31


Nachrichten aus dem <strong>Departement</strong>InformationenErasmus-News<strong>BWL</strong>-Studierende können im Rahmendes Erasmus-Austauschprogrammsneu auch ein Semesteran der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnbergstudieren.<strong>Bern</strong>er Business PlanWettbewerb (BBPW)Die Abteilung für Unternehmensführungund Entrepreneurshipveranstaltet ab September 2012den BBPW in Zusammenarbeitmit den <strong>Bern</strong>er Fachhochschulenund dem Gründerzentrum <strong>Bern</strong>(innoBE). Der Veranstaltungszyklusbietet unternehmerisch interessiertenStudierenden und Mittelbauangehörigenaus allen Fachrichtungeneine Plattform, ihreGeschäftsideen zu entwickeln undzu konkretisieren. Dabei werdensie von Experten aus der Praxisunterstützt.Der BBPW umfasst vier Termineund startet am 19. Septembermit dem <strong>Bern</strong>er Start-Up Evening,welcher auch unabhängig vomWettbewerb besucht werden kann.Die Jury des BBPW ist hochkarätigbesetzt, die zwei bestenIdeen werden mit je CHF 1000prämiert, der beste Business Planwird mit CHF 8000 ausgezeichnet.Weitere Informationen:www.entrepreneurship.unibe.chCAS in EntrepreneurshipFür Personen, die sich auf Entrepreneurshipinnerhalb bestehenderOrganisationen spezialisierensowie für Unternehmerinnenund Unternehmer, die sich Entrepreneurship-KompetenzenalsGrundlage für die Geschäftsentwicklunganeignen wollen, wirdab Herbst 2012 ein neuer Zertifikatskursangeboten. In dreiBlöcken werden zentrale Aspektedes Entrepreneurship – von derGründungsintention über Marktforschungund Geschäftsplanungbis hin zur strategischen Unternehmensführung– beleuchtet. Dieerste Durchführung beginntEnde November. Ein unverbindlicherInformationsanlass wird am13. September 2012 ab 17.30 Uhrim Haus der Universität durchgeführt.Weitere Informationen:www.entrepreneurship.unibe.chPersonaAls neuen Lehrbeauftragten fürdie Vorlesung «Financing andCapital Structure» ab HS 2012konnte das IFM Prof. Karl Pichlerge winnen. Nach seinem <strong>BWL</strong>-Studium mit SchwerpunktfachFinanzen an der Universität <strong>Bern</strong>lehrte und forschte Prof. Pichleran der Universität <strong>Bern</strong>, danacharbeitete in New York und Londonim Bereich Finanzen.Von links nach rechts: Dr. Vera Friedli, Dr. Renato C. Müller und Rahel Zahnd.AuszeichnungenDer mit CHF 2000 dotierte WalterWasserfallen-Preis wurde imJanuar 2012 vom Institut für Finanzmanagement(IFM) an folgendePersonen verliehen: AlexanderBeutler für seine Masterarbeitzum Thema «Selection Ability inDach-Hedgefonds» sowie LukasKräuliger für seine Masterarbeit«Die Performance von kotiertenFamilienunternehmen in derSchweiz».Prof. Claudio Loderer hat für seinProjekt «The dynamics of internalcapital market efficiency»einen Beitrag vom SchweizerischenNationalfonds (SNF) erhalten.2011 geht der Best Paper Awardder International Review ofAdministrative Sciences an Prof.Adrian Ritz für den Beitrag «PuttingPublic Service Motivationinto Context. A Balance betweenUniversalism and Particularism».Dr. Vera Friedli (ehemalige IOPDoktorandin), Dr. Renato C. Müller(Dozent IOP) und Rahel Zahnd(Credit Suisse) bekamen vomVerein «Jugend und Wirtschaft»eine Auszeichnung für Ihre Publikation«Betriebswirtschafts lehre –Zusammenhänge verstehen».Habilitation PD Dr. Adrian RitzAm 17. April 2012 hat dieUniversitätsleitung auf Antragder Wirtschafts- und SozialwissenschaftlichenFakultät Prof.Dr. Adrian Ritz, Assistenzprofessoram Kompetenzzentrumfür Public Management (KPM),die Venia Docendi für das FachBetriebswirtschaftslehre erteilt.Adrian Ritz hat dieses Jahr miteiner schriftlichen Habilitationsleistungzu «Papers on Causes,Dimensionality, and Effects ofPublic Employees› Motivation» unddem mündlichen Habilitationsvortragzum Thema «Diversitätund Arbeitslast in der öffentlichenVerwaltung: Rolle von Homogenitätund Heterogenität desArbeitskontexts» habilitiert.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Informationen3


Dominique Bächler, Axpo MitarbeiterinStimmt. Wir von Axpo bieten Ihnen zahlreiche Möglichkeiten für Ihre Karriere in einemvielseitigen Unternehmen. Auf Sie wartet ein dynamisches Umfeld mit herausforderndenAufgaben in einem spannenden Markt. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung.Axpo, Hochschulmarketing, Parkstrasse 23, CH-5401 BadenTelefon +41 56 200 44 47, www.axpo.ch/karriere4 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Anzeigecw55_axpo_TradingFloor_178x272_d_ZS_ssp 1 24.08.12 15:33


Neuer Professor am Institut für Organisationund Personal IOP – Prof. Andreas HackWas treibt Startup-Gründer, Familienunternehmer und dengemeinen Angestellten? Die verhaltensökonomische Ausrichtungdes Instituts für Organisation und Personal. Von Andreas HackWarum genehmigt eine Bankihrem Vorstandsvorsitzenden einGehalt, das dem Hundertfacheneines normalen Angestellten entspricht?Warum beutet das eineFamilienunternehmen seine Angestelltenaus, während sich einanderes im besonderen Masse fürdie Belegschaft einsetzt? Warumsteigt die Tochter ins familieneigeneMaschinenbauunternehmenein, obwohl sie gerne Ärztin gewordenwäre, während der Sohnsein Kunststudium durchzieht?Und vor allem: Welche Auswirkungenhaben diese MotivationsundHandlungsstrukturen fürein Unternehmen und die Gesellschaft?Und: Wie kann ich durchgeeignete Massnahmen gewünschtesVerhalten fördern undnicht gewünschtes verhindern?Diese und andere verhaltensökonomischeFragen treiben michseit Jahren in der Forschung um.Warum? Weil sie meiner Meinungnach im Unternehmen undin einer Gesellschaft den Unterschiedmachen. Träumen wir dennnicht alle vom idealen Arbeit geber,von der erfüllenden Arbeitsaufgabeund einer gerechten Gesellschaft?Aber wie wollen wir diegestalten, wenn wir die grundlegendenAspekte unseres Handelnsund deren Auswirkungen nichtverstehen?Cash in de Täsch – oder vonder Taube auf dem DachBeginnen durfte ich meine Forschungenzu diesen Themen alsjunger Habilitand an der TechnischenUniversität Dortmund amLehrstuhl für Innovations- undGründungsmanagement. Es wardie Zeit der grossen Internet­Startups. Viele junge Menschenströmten als fleissige Arbeitsbienenzu den coolsten Startups,die in noch cooleren Lofts inBerlin zu Hause waren. Und alledachten: Hauptsache Kickertischund Turnschuhe bei der Arbeit.Doch war das wirklich so? Nein!Geht es ums Gehalt, sind auchMitarbeiter in jungen Unternehmenkleine Bausparer. Sohandelten jedenfalls die von mirbefragten Beschäftigten. Und:Die langfristige Kapitalbeteiligungist als Anreizinstrument gar nichtso wichtig, wie immer behauptet.Vielleicht ist also ein solidesund vor allem faires Fixgehaltdoch nicht so schlecht.Macht, Geld, Liebe – oder wieticken FamilienunternehmenNach dieser spannenden Zeitals Habilitand hatte ich das grosseGlück, an die WHU – Otto BeisheimSchool of Management alsProfessor berufen zu werden.Dort leitete ich das Institut fürFamilienunternehmen und fandmich nach der Startup-Szenedirekt in der nächsten interessantenSzene wieder: der Welt derFamilienunternehmen. Was wirimmer wieder vergessen: Diemeisten Unternehmen in unsererVolkswirtschaft sind in Familienhand.Vom Schuster um dieEcke über den mittelständischenMaschinenbauer bis hin zum weltweitenLogistikdienstleister. Allezeichnen sich dadurch aus, dasszwei Systeme miteinander interagieren:die Familie und das Unternehmen.Hieraus ergeben sichdie vielfältigsten Spannungsverhältnissezwischen Macht, Liebeund Geld. Diese führen zu einzigartigenUnternehmens kulturenund Handlungsweisen. Hier interessiertemich insbesondere dieFrage nach den verhaltensökonomischenAuswirkungen. SindFamilienunternehmen durch denEinfluss einer Unternehmerfamilieerfolgreicher als Publikumsgesellschaftenund wenn ja, unterwelchen Bedingungen? Wiekann man diese Bedingungenschaffen? Meine und die Überlegungenvon vielen Kolleginnenund Kollegen mündeten in denDeutschen Governance Kodexfür Familienunternehmen, der dieLeitplanken für eine gute Unternehmensführungund für eingutes Miteinander der Unternehmerfamiliebeschreibt.Verhaltensökonomie – odervom Traum, die Handlungender Menschen zu verstehenVor Kurzem erreichte michdann der Ruf an das Institut fürOrganisation und Personal (IOP).Die Entscheidung für die Universität<strong>Bern</strong> fiel mir sehr leicht,ist das IOP doch eines der renommiertestenInstitute im Bereichder Organisations- und Personalforschung.Und damit darf ichmich weiter mit meinem Lieblingsgebietbeschäftigen: den psychologischenGrundlagen ökonomischenVerhaltens. Doch nichtaus Selbstzweck. Ich möchte vorallem folgendes Ziel erreichen:die Studierenden für den fundamentalenEinfluss unseres Verhaltens– sei es unseres Arbeitsverhaltens,unseres Führungsverhaltensoder einfach nur unseresMiteinanders – auf Unternehmenzu sensibilisieren und ihnen dasweite Feld der ökonomischen Verhaltenswissenschaftenzu öffnen.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Informationen5


Mitt liv i Sverige – Mein Leben in SchwedenIch wollte schon immer in den Norden. Dank dem Erasmus-Programm der Universität <strong>Bern</strong>wurde dieser Wunsch Wirklichkeit: Ein Auslandssemester in Schweden! Während meinesAufenthaltes habe ich viel über Land, Leute, Sprache und Sitten dieses kleinen Königreichsgelernt. Von Caroline BleuerAn der Universität <strong>Bern</strong> studiereich auf Masterstufe Betriebswirtschaftslehremit SchwerpunktMarketing. Zusätzlich zum Studiumund zu diversen Praktika inder Textilindustrie, bei einer ModelundEventagentur und bei derJungfraubahn Management AGarbeite ich immer wieder beimSchlittschuh Club <strong>Bern</strong> und spieleUnihockey.Neben den beruflichen Erfahrungenwollte ich noch etwasanderes kennenlernen als dieUniversität <strong>Bern</strong> und eine neueSprache lernen. Ich habe michdeshalb entschieden, in meinemzweiten Master-Semester aneinem Erasmus-Programm inSchweden teilzunehmen.Die Qual der WahlZu meinen Präferenzen gehörtenbei der Erasmus-Bewerbungzwei Universitäten in Schweden(Linköping & Jönköping) undeine in Finnland. Warum? Weilich schon immer in den NordenCaroline Bleuerwollte und mich für das Sozialsystemsowie die Lebensweiseder Schweden interessiere. MeinWunsch ging in Erfüllung: Ichdurfte am 19. Januar 2011 nachSchweden reisen!Vor der Ankunft in Schwedenkonnte ich kein Wort Schwedischsprechen. Leider reicht auchein halbes Jahr nicht aus, um dieSprache vollständig zu lernen.Nicht, weil es zu schwierig wäre,sondern vielmehr deshalb, weilin Schweden vieles auf Englischausgerichtet ist. Die Leute sprechensehr gut Englisch, wahrscheinlichauch, weil die meistenFilme nicht in die schwedischeSprache übersetzt werden undim TV vieles auf Englisch ist.Dennoch kann man sehr schnellZeitungsartikel oder andere schwedischeBeiträge lesen und auchverstehen – denn wer Englisch,Deutsch und noch ein bisschenFranzösisch spricht, versteht dasGeschriebene sehr schnell.Hier wird das Studentenlebengross geschriebenIn Schweden hat mich vor allemdie Infrastruktur für die Studierendenbeeindruckt: es gibt aufund neben dem Campus eigentlichnichts, was es nicht auch speziellfür Studenten gäbe! Im Mai 2011fand zum Beispiel das SOF, einStudentenorchester Festival, statt.Dazu gehören unter anderem eineParade – für welche der gesamteöffentliche Verkehr stillgelegtwird – und ein Wochenende vollerMusik. Ein weiterer Uni­ Anlass wareine Art Spiel-Messe. Dafür werdenin einem UniversitätsgebäudeZimmer mit verschiedenen Spieleneingerichtet und in der Mensa riesigeBrettspiele aufgebaut.Keine Zeit zum Ausruhen –zum Glück!An der Gastuniversität habe ichAdvanced Consumer Marketing,Human Ressource Managementund Management Control Systemsbesucht. In den einzelnenVorlesungen waren wir vielweniger Studierende als ich dasvon <strong>Bern</strong> gewohnt bin. Ausserdemmussten wir oft Cases lösen,Vorträge halten und sonstigeArbeiten abgeben. Es ist mir gesagtworden, dass das Studierenim Norden nicht so anstrengendsei. Aber wie ich rasch merkenmusste, traf dies für meine Fächernicht zu, wofür ich im Nachhineinsehr dankbar bin. Ich habein meinem Auslandssemester sehrviel gelernt, nicht nur inhaltlich,sondern vor allem auch im Bezugauf effizientes Arbeiten in Teamsund das Halten von Referatenauf Englisch. Da die einheimischenStudierenden die Kurse, die ichbesucht habe, separat in ihrerLandessprache absolvieren, hatteich im Unterricht mehr Kontaktzu anderen Austauschstudentinnenund -studenten als zu deneinheimischen Studierenden.Verglichen mit der Universität<strong>Bern</strong> hat man in Schweden vielweniger Vorlesungen, dafürvermehrt Seminare. Dies hat zurFolge, dass nur in seltenen FällenFrontalunterricht abgehaltenwird. In den Fächern, die ichbesucht habe, war es meistens so,dass wir viele Gruppenarbeitengemacht haben. Anders ist auchdie Tatsache, dass man sich nurmit je einem Fach aufs Mal beschäftigt.Dies bedeutet, dass ichim ersten Drittel des Semestersnur das Fach Advanced ConsumerMarketing hatte, im zweiten Drit­6 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium


StudiumIntensiv und lehrreichZu den vielen Highlights meinesAustauschsemesters zählendie Reisen, welche ich mit ESNLinköping gemacht habe unddie Studenten-Events, welche fastwöchentlich stattfanden. Aberauch der Unterricht waren sehrintensiv und lehrreich. Nebenbeiwar für mich das Unihockeyspielen– bei dem ich Land, Leuteund Sprache kennenlernte –, dasWohnen mit anderen Studie rentelnur die Veranstaltung ManagementControl Systems besuchteund am Ende des Semesters HRM.In <strong>Bern</strong> kann man sich Major undMinor aus beliebigen Bereichenzusammenstellen. Wenn man sicheinmal für eine Richtung entschiedenhat, ist man immer nochfrei in der Fächerkombination.Dadurch ist man sehr flexibel undkann nebenbei auch gut einerArbeit nachgehen. In Schwedenist das anders. Selbst im Masterprogrammsind die Fächer vorgegebenund es gibt nur wenigefrei wählbare Module.Schlangenstehen alsNationalsportZu den besonderen Erlebnissengehört vor allem das Schlangestehen:Ich war überrascht, wiegerne die Schwedin und derSchwede in der Schlange stehen,man könnte fast sagen, es isteine Art Nationalsport. Für allesund immer reiht man sich ineine «Queue» ein. Das geht so­gar soweit, dass man für die Unipartysam Vorabend um <strong>18</strong>.00 Uhran die Uni geht und die ganzeNacht ansteht, um am nächstenMorgen um 8.00 Uhr ein Ticketkaufen zu können! Natürlichdurfte man während der Nachtaus Sicherheitsgründen keinAuge schliessen: die «Ordningsvakt»kam ab und zu vorbei,um dies zu kontrollieren. Ein kurzerBesuch im Supermarkt istaufgrund der langen Schlangenvor der Kasse meistens auchnicht möglich.den sowie das Feiern der Partyssuper Erfahrungen.Anderen Studierenden würde ichempfehlen: wenn ihr die Sprachelernen wollt, geht mindestens einJahr nach Schweden. Von Vorteilwäre dafür eine Unterkunft ineiner schwedischen Familie. Aberda dies nicht jedermanns Sacheist, empfehle ich euch einen Peer-Student zu suchen und bei möglichstvielen Events mitzu machen.Packt das Semester nicht allzu vollmit Vorlesungen, das Land hatnoch viel mehr zu bieten als nurden Aufenthaltsort.Erasmus-ProgrammWeiterführende Informationensind auf der Webseitewww.bwl.unibe.ch/erasmusverfügbarEin Traum in Weiss<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium7


Das Eis brechen – Auf in die BerufsweltDer Rucksack ist vollgepackt mit Wissen und ersten Berufserfahrungen, der Ehrgeiz drängt zuaussergewöhnlichen Taten. Nach über fünf Jahren am wohligen Herd der Alma Mater mag sichmanch eine Studentin und manch ein Student beim Aufbruch in die Berufswelt wie ein mutigerAbenteurer fühlen, der nicht genau weiss, wohin die Reise führen wird. Laura Friesenegger zumBeispiel, ist unterwegs einem Mammut und einem Eisbrecher begegnet. Von Anouk SelzLaura Friesenegger hat an derUniversität <strong>Bern</strong> <strong>BWL</strong>, mit SchwerpunktMarketing sowie Sport imNebenfach studiert. Im Bachelorstudiumhatte sie zwar ein Praktikumabsolviert, «aber ich wusste,dass diese drei Monate aufdem Arbeits markt nicht genügenwürden», erinnert sie sich. ImMasterstudium waren zudem keinepraxisorientierten, sondern nurforschungsorientierte Masterarbeitenausgeschrieben. Daraufhinhat sich Laura Friesen egger kurzerhanddazu entschlossen, ihreMasterarbeit auf Eis zu legen,die Segel noch einmal zu setztenund ein weiteres Praktikum zuabsolvieren. Eine gute Entscheidung,wie sich später herausstellensollte.Als begeisterte Outdoor-Sportlerinbekam Laura Friesenegger beiMammut, dem Schweizer Unternehmenfür Bergsport- und Outdoor-Ausrüstung,die Chance imBereich Trade-Marketing wertvollePraxiserfahrung zu sammeln.Von Anbeginn konnte sie in verschiedenenEvent-Projekten vielVerantwortung übernehmenund diese von A bis Z umsetzten.Der Einsatz hat sich gelohnt:nach lehrreichen sechs Monatenbekam Laura Frieseneggerdie Möglichkeit, bei Mammuteine praxisbezogene Masterarbeitzum Thema Kundenanalysezu schreiben.Auf Stellen-JagdNach Praktikums- und Studiumsabschlussmusste Laura Frieseneggererneut auf die Jagd gehen.Zu den Hauptwaffen einesStellen­ Jägers gehören «ein guterLebens lauf, ein hervor ragendesBewerbungsschreiben und gesundesSelbstvertrauen», weissdie ehemalige <strong>BWL</strong>-Studentin auseigener Erfahrung. «Als besonderswertvoll empfand ich den Ratvon früheren Arbeitgebern oderStudienkolleginnen und -kollegensowie von Fachstellen. Sie allekennen Tipps und Tricks und könnenbei der Zusammenstellungeines Dossiers von grosser Hilfesein», sagt Laura Friesenegger.Angehenden Abenteuerinnenund angehenden Abenteuern rätsie, sich die Hörner bereits währenddes Studiums in Nebenjobsoder Praktika abzustossen: «Fürden Berufseinstieg nach demMaster ist dies sehr wichtig. Diemeisten Arbeitgeber sucheneinen Kandidaten mit Berufserfahrung»,weiss Laura Friesenegger.«Und ganz wichtig: nichtaufgeben, auch wenn viele Absagenins Haus flattern – drannebliibe!», ermuntert uns die erfahreneStellen-Jägerin.Ihre jetzige Position als Marketing-Koordinatorinbeim internationalenUnternehmen Icebreakerhat Laura Friesenegger dank derHomepage des <strong>Departement</strong>s<strong>BWL</strong> (www.bwl.unibe.ch/stellenportal)gefunden. «Die Vakanzwar als Praktikumsstelle ausgeschrieben.Obwohl ich nicht aufder Suche nach einem Prakti­Laura Friesenegger bei der Arbeit.8 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium


kumsplatz war, habe ich michbeworben. Beim Vorstellungsgesprächhat sich herausgestellt,dass sie zusätzlich jemandenfür eine Vertretung suchen. DieseStelle war – und ist es noch –genau das Richtige für mich!»,erinnert sich die ehemalige <strong>BWL</strong>-Studentin zufrieden. Wenn sichein geduldiger Stellen-Jäger aufdie Lauer setzt, läuft statt deserwarteten Rehs schon mal einWildschwein vor die Flinte.Erste Schritte auf demneuen TerrainAuf die Frage, welche HerausforderungenLaura Frieseneggernach dem Studium auf dem ungewohntenTerrain der Berufsweltzu bewältigen hatte, antwortetsie: «Ich musste plötzlichwieder lernen, den ganzen Tagunter Zeitdruck konzentriertLeistungen zu erbringen, stattbloss in die Vorlesung zu sitzenund zu konsumieren. Zudemfand ich es zu Beginn schwierig,Prioritäten zu setzen». Aber LauraFriesenegger hatte eine guteÜberlebenstrainerin an ihrer Seite:«Meine Chefin ist sehr geduldig.Sie hat mich in die Projekte eingeführtund mir alles Wichtigeund Notwendige erklärt. Wir arbeitenoft zusammen, sodass ichviel von ihrer Arbeitsweise lernenkann.»Laura Friesenegger bewegt sichmittlerweile souverän auf demneuen Terrain. Sie möchte in naherZukunft mehr Entscheidungskompetenzenund einen grösserenVerantwortungsbereich innehaben – «vielleicht MarketingManager?», ergänzt sie. «Und in20 Jahren möchte ich zurückan die Uni und Latein studieren!»Wir wünschen Ihr dabei allesGute.Icebreaker SchweizLaura Friesenegger arbeitet seit2011 als Marketing Koordinatorinfür den neuseeländischenMerino spezialisten Icebreaker.Icebreaker wurde 1994 gegründetund war das weltweit ersteUnternehmen, das ein Schichtensystemfür Outdoor-Bekleidungaus Merinowolle entwickelte.Die Produkte des Unternehmenswerden in über 2000 Lädenin 24 Ländern in Europa, Asien,Australien und Nordamerika verkauft.Das Unternehmen setztsich für Nachhaltigkeit, ethischeProduktion und Tierschutz ein.www.icebreaker.comProduktentwicklung ist ein langer Prozess.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium9


Was bringt das Auslandsstudium?Berlin, Jyväskylä oder Istanbul, Kopenhagen, Madrid oder Tilburg, Arizona, Rio de Janeiro oderHong Kong – Auslandserfahrung verspricht nicht nur Abwechslung, sondern auch Vorteile fürdie persönliche und berufliche Entwicklung. Ein idealer Zeitpunkt dafür ist während des Studiums.Human Resource-Verantwortliche namhafter Unternehmen erläutern im Interview, welche VorteileAuslandserfahrungen beim Berufseinstieg bringen. Von Anouk SelzDas gewohnte Nest für eine bestimmte Zeit zu verlassen,sich in einem fremden Umfeld zurecht zufinden, Land und Leute kennen zu lernen, neue Sprachenzu lernen, fördert Eigenschaften, die nichtnur im Arbeitsalltag von Bedeutung sind: Flexibilität,Inte resse an Neuem, Kreativität und Aufgeschlossenheitgegenüber Fremdem. Ob ein Auslandssemester,ein Master oder Sommerkurse an einer anderenUniversität, ein Praktikum in Übersee oder Sommerkursean der Harvard Business School, es gibt für<strong>BWL</strong>-Studierende viele Möglichkeiten, ihren Horizontzu erweitern und dabei ihren Lebenslauf aufzupeppen.Human Ressource-Verantwortliche namhafterUnternehmen erzählen im Interview, ob und warumes ihnen bei potenziellen Nachwuchskräften wichtigist, dass diese über den Zaun gesprungen sind.Anouk Selz: Was sehen Sie aus der Perspektiveeines anstellenden Unternehmens als Mehrwerteines Auslandssemesters während desStudiums?Janine Rutz, University Marketing, Swisscom AG:Studenten, welche einen Auslandsaufenthaltmachen, bringen oftmals eine grössere Offenheit fürandere Kulturen, mehr Sprachgewandtheit, einestärkere Motivation, einen Zusatz-Effort zu leistenund eine grosse Reisebereitschaft mit. Dies sindEigenschaften, welche für Mitarbeiter von Swisscomdurchaus sehr wichtig sind.Daniel Burkhard, Leiter HRM, BDO AG: Diversityist ein zentrales Element: Es tut jedem gut, sich ineiner anderen Kultur zu bewegen, andere Mentalitäten,Sprachen und Arbeitsweisen kennen zu lernen.Der Stoff, der an der Fremduniversität gelerntwird, spielt im Vergleich zur Persönlichkeitsentwicklungeine untergeordnete Rolle. Als Firma nimmtman diesen Mehrwert mit, wenn man so jemandeneinstellt. Das macht ein Auslandssemester für unsinteressant.Katja Kläger, Finance Management Graduate ProgramManager, Syngenta: Syngenta ist ein globalesUnternehmen, das heisst viele verschiedene Kulturentreffen aufeinander und arbeiten zusammen.Es ist daher wertvoll für uns, wenn unsere Hochschulabsolventenbereits während des Studiums einAuslandssemester gemacht haben und damit eingewisses Verständnis für kulturelle Unterschiedemitbringen. Wenn eine Bewerberin oder ein Bewerberwährend des Studiums ein Auslandssemesterabsolviert hat, ist dies ein Indiz für uns, dass Offenheitund Interesse gegenüber Neuem – anderenKulturen, Sprachen usw. – bestehen. Hinzu kommtmeist, dass sie oder er seine sprachlichen Fähigkeitenausbauen und verbessern konnte. Besonderswertvoll sind Englisch, Spanisch, Mandarin oderRussisch.Thomas Achhorner, Recruiting Partner und ManagingDirector bei der Boston Consulting Group in Zürich(BCG): Studenten mit einem Auslandssemester habenwährend Ihrer Ausbildung gezeigt, dass sie sich ineinem neuen kulturellen Umfeld rasch zurechtfindenund erfolgreich sein können. Mehrwert entstehtdadurch, dass sie gelernt haben sich in einer fremdenUmgebung zu integrieren und zu sozialisieren. Aufden Erfahrungen, die Studenten in ihrem Auslandssemestersammeln, können sie in einem internationalenArbeitsumfeld aufbauen.Patrizia Herzog, Leiterin Personal, EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVD, Staatssekretariatfür Wirtschaft SECO: Zum Mehrwert einesAuslandssemesters zählen neben interkulturellenErfahrungen, die ein gebracht werden können, neuePerspektiven, inter kulturelle Kompetenz, mehrToleranz gegenüber «Andersartigkeit» und nichtzuletzt bessere Sprachkompetenzen.Anouk Selz: Wenn sich eine potentielleNachwuchskraft bei Ihnen bewirbt, wie wichtigist Ihnen, dass diese Person interkulturelleErfahrungen vorweisen kann?Katja Kläger, Syngenta: Interkulturelle Erfahrungist von Vorteil, aber kein Ausschlusskriterium. Hochschulabgängerohne Auslandsaufenthalt habengenauso eine Chance, bei uns eine Stelle zu erhalten.Generell kann ich aber sagen, dass die meistenTeilehmerinnen und Teilnehmer unserer GraduateProgramme einen internationalen Backgroundhaben – sei es als Teil ihres Studiums oder aufgrundihres persönlichen Lebenslaufs.Janine Rutz, Swisscom: Obwohl wir ein nationalesUnternehmen sind, sind wir dreisprachig und vereinenunterschiedliche Mentalitäten (z. B. Romandie,Ticino, Deutschschweiz) im gleichen Unternehmen.10 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium


Eine Person mit interkulturellen Erfahrungen hatdaher einen gewissen Vorteil. Ein Auslandsaufenthaltist für eine Anstellung jedoch nicht Pflicht.Daniel Burkhard, BDO: Interkulturelle Erfahrungensind nur ein Faktor von vielen und somit für eineAnstellung nicht zwingend, aber wertvoll. Auslandserfahrungensind in den meisten Fällen positiv undführen zu mehr Offenheit und Flexibilität gegenüberNeuem und Anderem, was in der Geschäftsweltsehr wichtig ist. Praktika, Nebenjobs und ausseruniversitäreAktivitäten, z. B. in Vereinen, sind abergenauso wichtig. Die Kombination ist zentral und essind mehrere Wege möglich. Allerdings könnenErfahrungen im europäischen Umfeld nicht mit Erfahrungenin Übersee gleichgesetzt werden: Es machteinen grossen Unterschied, ob man ein Austauschsemesterin Deutschland oder in einer ganz anderenKultur – etwa in China – absolviert.Thomas Achhorner, BCG: Für uns sind Auslandsaufenthalteein Signal für Neugier, welche in unseremBeruf zentral ist. Die erwähnten Challenges, dieSozialisation in einer neuen Gesellschaft und dasVerbessern der eigenen Fremdsprachenkenntnissesind weitere Faktoren. Wir sowie unsere Kundensind sehr global aufgestellt – umso wichtiger ist es,dass sich die Internationalität und die Bereitschaftzur notwendigen Mobilität bei unseren Mitarbeitendenzeigt.Patrizia Herzog, SECO: Interkulturelle Erfahrung istnicht der alleinige ausschlaggebende Faktor beider Personalauswahl, aber sicher ein komparativerWettbewerbsvorteil, wenn auch die anderen Voraussetzungenerfüllt sind.Anouk Selz: Welche Rolle spielt Ihrer Meinungnach Auslandserfahrung im weiteren Berufsleben?Thomas Achhorner, BCG: Flexibilität, kulturelle Sensibilitätund Integrationsfähigkeit sind Kompetenzen,die Studenten sich während eines Auslandssemestersaneignen und Faktoren, die im späteren Berufslebenmassgebend zum Erfolg beitragen. Vor diesem Hintergrundist Auslandserfahrung wertvoll und wirdimmer bedeutender.Katja Kläger, Syngenta: Auslandserfahrung ist – wiegesagt – sehr wertvoll. Aus diesem Grund sendenwir unsere Mitarbeiter oft für längere Zeit in unterschiedlicheLänder und Regionen. So entwickelnsie ein Verständnis für die Prozesse und Arbeitsweisenin anderen Kulturen und lernen Neues. Fürglobale Unternehmen werden Schwellenländer immerbedeutender – als Absatz – aber auch als Rekrutierungsmarkt.Entsprechend wichtig ist es, Wissenund Erkenntnisse über diese Regionen und Kulturenzu gewinnen.Janine Rutz, Swisscom: Das Arbeiten in einer grossen,dreisprachigen Organisation verlangt Flexibilität,Offenheit, Sprachgewandtheit und Freude am Zusammenarbeitenmit anderen Menschen. Wer dieseEigenschaften mitbringt, dem fallen gewisse Karriere-Schritte durchaus leichter.Daniel Burkhard, BDO: Offenheit und Flexibilitätkommen im späteren Berufsleben zum Tragen, auchwenn man mit Menschen aus eigener Kultur arbeitet.Es ist von grossem Vorteil ein Gespür für Arbeitsweisenund Arbeitsrythmen, Hierarchien, Highkontextund Tabuthemen zu haben und zu wissen, dass mannicht das Mass der Dinge ist. Der vorsichtige Umgangmit anderen Menschen will gelernt sein.Patrizia Herzog, SECO: Sie erhöhen die soziale Kompetenz,die Lebenserfahrung, die Flexibilität, dieAmbiguitätstoleranz und somit auch die Arbeitsmarktfähigkeiteiner Person in einer immer heterogenerwerdenden Arbeitswelt. Sie kann nur vonVorteil sein.Anouk Selz: Stellen Sie bei Ihren Mitarbeiterneinen Unterschied fest zwischen denjenigen,die bereits über Erfahrung in anderen europäischenLändern oder in Übersee verfügen,im Vergleich zu denjenigen, die das nicht tun?Patrizia Herzog, SECO: Zum Teil zeigen Mitarbeitendemit Auslanderfahrung eine grössere Offenheitgegenüber Neuem sowie eine differenziertereDenk- und Handlungsweise, ein höheres Massan Flexibilität bei Inkonvenienzen, bessere sprachlicheFertigkeiten, effektivere Verhaltensdisponibilitätenund entsprechende Anpassungs fähigkeiten sowieüberzeugendere Coping-Strategien in mehrdeutigenSituationen.Thomas Achhorner, BCG: Fast alle unsere Mitarbeitendenhaben ein Semester im Ausland verbracht.Dennoch ist ein Auslandsaufenthalt lediglich einIndikator von mehreren. Das bedeutet nicht, dassStudenten ohne Auslandsaufenthalt nicht auchsehr gute Mitarbeitende sein können.Katja Kläger, Syngenta: Das ist schwierig zu beurteilen.Tendenziell integrieren sich Hochschulabsolventenmit einem internationalen Hintergrundrascher und haben ein besseres kulturelles Verständnis.Diese Beobachtung lässt sich allerdingsnicht verallgemeinern.Janine Rutz, Swisscom: Diese Frage ist schwierig zubeantworten. Wie bereits erwähnt, punkten Personenmit Auslandserfahrung oftmals in den obengenannten Eigenschaften. Aber es gibt auch Hochschulabsolventen,die keinen Auslandsaufenthaltgemacht haben und ebenfalls ganz engagierte undhochmotivierte Mitarbeiter sind. Zum Schluss zählt<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium11


immer die Person als Ganzes. Ein Auslandsaufenthaltist nur ein Puzzle-Teilchen in einer Bewerbung.Daniel Burkhard, BDO: Wir gehen davon aus, dassjemand mit internationaler Erfahrung gerne weiterhinin einem internationalen Umfeld arbeiten möchteund setzen diese Person daher eher in den entsprechendenPositionen ein. Denn die Erfahrungensollten nicht brach liegen, besonders wenn es sichum sprachliche Kenntnisse handelt. Als ich selbstan der Universität <strong>Bern</strong> studierte, spielte Englischnoch keine grosse Rolle. Dies hat sich bis heutegrundlegend geändert. Ich würde jedem empfehlen:egal ob während dem Gymnasium, dem Studiumoder im Beruf, vertiefen sie im Ausland ihre EnglischoderSpanischkenntnisse. Zudem machen sämtlicheErfahrungen, die man im Leben macht, egal obpositive oder negative, die Persönlichkeit aus.Nützliche Links– Internationales Büro, Universität <strong>Bern</strong>:www.int.unibe.ch– Erasmus: www.ec.europa.eu/education– ISEP-Exchange Programms: www.isep.org– Berufs-, Studien- und LaufbahnberatungBIZ <strong>Bern</strong>-Mittelland: www.be.ch/berufsberatung– Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten:www.crus.ch– Deutscher Akademische Auslanddienst:www.daad.de– PLOTEUS Portal für Lernende in Europa:http://ec.europa.eu/ploteus– GO: www.ch-go.ch– AECC: www.aecc.chLandkarte Erasmus12 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium


Das geht voll ins AugePraxisFrank Ziemer hat seine Chance ergriffen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an derUniversität <strong>Bern</strong> hat er begonnen, seine innovativen Produktideen in einem eigenen Unternehmenzu realisieren. Die von ihm gegründete Ziemer Group ist mittlerweile weltweit im Bereich derAugenheilkunde tätig. Von Thomas MyrachThomas Myrach: Du gehörst zu dem exklusivenKreis von Personen, die nach dem Studiumeine eigene Firma gegründet haben. Dein Unternehmenist von der Grösse her ein KMU, wiees für die Schweiz ziemlich prägend ist. Wasmacht ihr eigentlich genau?Frank Ziemer: Erst einmal geht’s bei uns um dieAugen, genauer um die Ophthalmologie. Die Augenheilkundeist ein Riesengebiet, da muss man sichspezialisieren, damit man überhaupt eine Chance hat.Bei uns geht’s um den vorderen Abschnitt desAuges: die Hornhaut. Diese erste Schicht ist nichtsehr dick, nur 0.5 mm, aber da passiert sehr viel.Denn die höchste Brechkraft hat nicht, wie vielfachangenommen, die Linse, sondern die Hornhaut.Deshalb kann man an der Hornhaut chirurgisch sehrviel machen. Bei der Korrektur von Weit- und Kurzsichtigkeitsowie Hornhautverkrümmung oder grauerStar, aber auch bei Hornhauttransplantationen,werden zunehmend kurzpulsige Laser-Systeme wiedie unseren eingesetzt. FEMTO steht für 10 –15 , sokurz ist der Lichtpuls, den wir generieren und dersich ausserordentlich gut eignet, um am Auge ganzpräzise Operationen zu machen.Thomas Myrach: Es ist ja verrückt, dass maneinen Laser so genau ausrichten kann, dass sieletztendlich präzise schneiden …Frank Ziemer: Man kann es schneiden nennen,aber es ist kein «Schneiden» im eigentlichen Sinne:Wir erzeugen ein Terra-Watt Energie, also mehrals jedes AKW erzeugt, aber das in wenigen Femto­Sekunden. Soviel Energie braucht es, um bei einerFebril-Struktur (Anm. d. Red.: Febril ist eine feingliedrigeFaser), wie wir sie von der Hornhaut kennen,die Elektronen abzujagen. Das ist wie bei einemdürren Baum, den man schüttelt, damit die Blätterrunterfallen. Es ist ein fotochemischer Prozess undwirkt wie ein Schnitt, aber es ist kein mechanischesSchneiden, wie es bei der Trennung von Eisenoder Stahl angewandt wird. Das Phänomen wurdevor 12 bis 13 Jahren erkannt und da kam mandarauf, dass man es für Operationen am Auge gebrauchenkönnte.Thomas Myrach: Du bist ein Betriebswirt,kein Techniker oder Mediziner. Provokant gefragt:Wie viel verstehst Du eigentlich vonden Pro dukten, die in Deinem Unternehmengefertigt werden?Frank Ziemer: Wie du richtig sagst, sind wir Betriebswirteund keine Ingenieure, Physiker oder Mediziner.Gleichwohl wage ich zu behaupten, dass ich von denProdukten sehr viel verstehe. Wenn du möchtest,könnte ich dir jede Baugruppe, die im Laser drin ist,erklären. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könnteich dir auch sagen, wie viele Teile diese Baugruppeenthält und was physikalisch dahintersteht. MeineProdukte zu kennen, ist mir sehr wichtig und ichnehme mir auch Zeit, mir die Funktionsweise voneinem Spezialisten sehr genau erklären zu lassen.Das hilft mir und meinem Team, immer wieder dierichtigen Entscheidungen treffen zu können.Thomas Myrach: Deine Vorkenntnisse indieser speziellen Branche waren sicherlich einenotwendige Grundlage, um in das Wagniseines eigenen Unternehmens einzusteigen?Frank Ziemer: Genau. Ich war bereits währenddes Studiums in der Ophthalmologie tätig. Es warsehr wichtig, mich Schritt für Schritt einzuarbeiten.Ich nahm damals an internationalen Konferenzenund Kongressen teil und konnte dort wirklich mehrals nur Luft schnuppern und mir wertvolle Branchenkenntnisseaneignen. Ich bekam Antworten aufFragen wie: Was macht die Industrie? Wie ist dasalles aufgeteilt? Was läuft in der Hornhautchirurgie?Was machen die Akteure? Wie sieht die momentaneTechnologie aus? Was denken die Leute, wiedie nächsten Schritte aussehen könnten? Es dauertseine Zeit, sich einzuarbeiten, sich ein Bild zumachen und dann zu sagen, das kann man bessermachen. Wenn man sein erstes Projekt realisiert undein Produkt auf den Markt bringt, darf man sich<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis13


den Bogen nicht überspannen. Es sollte daserste Mal klappen, sonst ist man wieder weg vomFenster.«Es dauert seine Zeit, sich einzuarbeiten,sich ein Bild zu machen und dann zu sagen,das kann man besser machen.»Thomas Myrach: Wie ist das, wenn man miteinem vor allem ökonomisch geschultenSachverstand in einem innovativen und hochtechnologischenUnternehmen quasi der«Leithammel» ist? Inwieweit kannst Du zu dentechnologischen Innovationen beitragen, diegeschaffen werden?Frank Ziemer: Man kann das von verschiedenenSeiten betrachten: Man kann sich überlegen, welcheVoraussetzungen geschaffen werden müssen,damit Innovation möglich ist. Dies ist ein ganzschwieriges Thema. Viele kluge Leute haben überInnovationsmanagement geschrieben. Die R&D unddie Innovation sind mir unterstellt. In vielen Sitzungenhaben wir an unserem Innovations-Spirit gearbeitet:Wir wollen hochinnovativ sein und unsimmer wieder überlegen, was wir zu tun haben,damit wir weiterkommen und noch besser werden.Wenn man das aus der Vogelperspektive, oderals Ökonom anschaut, ist die zentrale Frage: Wieorganisiere ich dieses Innovationsdenken und wasbraucht es, dass ein Unternehmen wie unseres immerwieder innovativ ist? Ich gebe natürlich nicht dietechnischen Spezifikationen für einen Laser vor, daskann ich ja auch nicht. Aber ich kann dafür sorgen,dass beispielsweise von der ETH Zürich, der ETHLausanne, dem Laserzentrum Hannover oder vonder Universität Lausanne oder Genf die richtigenLeute mit unseren Leuten im Innovationszirkelund dem Management zusammenkommen, damitdann auch wirklich Innovation von Statten geht.Die Leute sollen nicht an irgendwelchen undurchführbarenDingen herumträumen, sondern sollendas, was gemacht, besprochen und runtergebrochenwird in eine Machbarkeitsstudie überführen. Schlussendlichwollen wir uns in die Augen schauen undsagen können: das funktioniert! Die ganzen Abläufeund Prozesse müssen auf Struktur, Kosten undMachbarkeit ausgerichtet sein. Zudem müssen dieseAbläufe und Prozesse ein Geschäftsmodell verfolgen,damit dann, wenn die Sache klappt, das Geschäftsmodellauch Früchte trägt. Wir stellen schliesslichnicht ein fach Laser her, wir machen viel mehr alsdas. Deshalb muss das Geschäftsmodell auch vonAnfang an so erarbeitet werden, dass es im Zentrumder Entwicklungsarbeiten steht. Und da könnenwir Ökonomen, die wir uns stark für Innovationsmanagementinteressieren, einen guten Beitragleisten.Dem Femto Sekundenlaser für die Augenchirurgie nähert sich auch Frank Ziemer nur mit Sicherheitsbrille.14 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis


«Die Leute sollen nicht an irgendwelchenundurchführbaren Dingen herumträumen,sondern sollen das, was gemacht, besprochenund runtergebrochen wird in eine Machbarkeitsstudieüberführen.»Thomas Myrach: Was braucht es, um einso hoch spezialisiertes Technikunternehmenerfolgreich an die Weltspitze zu bringen?Frank Ziemer: Das Geschäftsmodell stand immerim Zentrum. Wir haben immer wieder überprüft,ob dieses Geschäftsmodell möglich ist, mit denIdeen und Arbeiten, die wir für die neuen Produktehaben. Es handelt sich ja um ein Investitionsgut.Wir hätten auch etwas ganz anderes machenkön nen, z. B. ein Produkt, das einige ZehntausendFranken kostet. Aber wir haben uns ganz bewusstfür ein Investitionsgut entschieden. So werfen wirzur Klinik den Anker raus, damit wir über Jahre eineGeschäftsbeziehung aufbauen können. Hat sicheine Klinik einmal für ein teures Gerät entschieden,schauen sie sich nicht bereits nach einem Jahrwieder für etwas Neues um. Unsere Beziehungendauern 3 bis 5 Jahre. Unsere Kunden werden täglichvon Service und Applikation unterstützt. DennChirurgie heisst, dass man jeden Tag neue Problemelösen muss. Unsere Kunden müssen spüren, dasswir sie unterstützen und 24 Stunden für sie da sind.Sie müssen uns aus Korea anrufen können undzwei Tage später sind unsere Leute vor Ort. Dannfängt es an, den Leuten in der Klinik Spass zumachen und wir können ihnen helfen, ihr Operationsvolumenhochzufahren. Mit jeder Operationverbrauchen sie Sterilmaterial von uns, welchesdie wiederkehrenden Umsätze erzielt. Diese Erträgesind das Herz unseres Geschäftsmodells. Zudemsind alle Geräte an unser Netz angebunden. JedeSekunde können wir schauen, wo wie viel operiertworden ist.Thomas Myrach: Man kann also sagen, dieseLaser-Geräte sind der Speck, mit dem man dieMäuse fängt?Frank Ziemer: Das kann man so sagen, aber die«Mäuse» sind uns sehr dankbar. Schliesslich verdienendie «Mäuse» mit den Operationen mehr als wirmit unseren Geräten. Es handelt sich um eine klassischeWin­ win-Situation: Wenn die Leute draussenoperieren, verdienen sie ihr Geld aber auch wir profitierenvon ihrem Erfolg und verdienen unser Geld.Nicht nur die Kliniken und Ärzte, sondern – unddies freut uns besonders – auch die Patienten profitierenvon unseren Geräten. So versuchen wir, dieKette zu schliessen.Thomas Myrach: Was würdest Du Studierendenraten, die sich dafür interessieren, einenähnlichen Lebensweg zu beschreiten, also eineigenes Unternehmen zu gründen?Frank Ziemer: Wenn ihr die Möglichkeit habt, wennihr merkt, dass ihr so gestrickt seid, wenn ihr denDrang zum Unternehmertum verspürt und auch einerealistische Möglichkeit seht, geht euren eigenenWeg! Natürlich muss es realistisch sein. Man kannnicht mit jeder Idee einen Markterfolg haben.Und man kriegt auch viel zurück: z. B. Feedbackvon den Mitarbeitenden und vom Markt; man musssich selber immer wieder neu erfinden und sichselber immer wieder infrage stellen. Man muss sichjeden Tag fragen: Kann ich das? Wie kann ich das?Wo kann ich mir Hilfe holen? Es bringt einen auchals Mensch und Persönlichkeit weiter, was Spassmacht. Ich bin mir sicher, dass ich mich als Persönlichkeitanders entwickelt habe, als wenn ich beieinem Grossunternehmen wie Zeiss gearbeitet hätte.Zeiss ist eine tolle Firma und ich kenne die Leutegut, ich habe grossen Respekt vor ihrer Arbeit. Aberich wäre ein anderer Mensch geworden, wenn ichjetzt in Jena bei Zeiss arbeiten würde. Unternehmertumfärbt auf einen Menschen ab – im positivenSinne.«Unternehmertum färbt auf einen Menschenab – im positiven Sinne.»Thomas Myrach: Du hast gesagt: « … wennman merkt, dass man so gestrickt ist … » Wiemerkt man das?Frank Ziemer: Das ist eine ganz schwierige Frage.Ich denke, dass es viele <strong>BWL</strong>-Studierende gibt, dieLust haben, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.Sie können es sich nicht vorstellen, für die UBS oderCredit Suisse zu arbeiten. Vielleicht merken sie esauch daran, dass sie schon immer geholfen habenSachen zu organisieren und gerne mit den verschiedenstenMenschen zusammenarbeiten – dasist Unternehmertum. Mir persönlich ist es ganzwichtig, die anderen dank einer guten Organisationstark zu machen und gemeinsam vorwärts zu kommen.Vielleicht kann man es auch so sagen: Da istetwas, dass in einem schlummert und vielleicht hatman ja irgendwann die Möglichkeit, es umzusetzen.Thomas Myrach: Diese Frage ist Dir meinesErachtens schon einmal gestellt worden: Wirdman eigentlich zum Unternehmer geborenoder kann man Unternehmertum ausbilden?Frank Ziemer: Ich glaube nicht, dass es dazu eineabschliessende Antwort gibt. Ich denke wirklich,dass die Ausbildung einen grossen Beitrag leistenkann. Das Handwerkszeug, das man an der Universität<strong>Bern</strong> lernt, ist eminent wichtig! Es ist zentral,dass man eine Bilanz lesen kann oder dass manweiss, wie wichtig ein Asset-Management ist. Als<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis15


CEO muss man merken, wann man einen professionellenFinanz chef braucht und man muss auch dieGrundlagen aus den Marketing-Vorlesungen kennen.Indem an der Universität nicht nur die trockeneMate rie behandelt wird, sondern auch vermitteltwird, wie interessant es ist, eine Firma aufzubauen,kann die Uni den «Spirit» rüberbringen. Auch dasUmfeld spielt eine grosse Rolle: Mein Vater z. B. warauch schon Unternehmer. Beim Mittagstisch habeich nicht nur das Gute, sondern auch das Leidvollemitbekommen. Das prägt einen natürlich auch.«Es ist auch immer wieder wichtig Problemezu relativieren: Man sollte sich bewusst sein,dass wir es in der Schweiz im Vergleich zuvielen anderen Menschen auf der Welt sehrgut haben!»Thomas Myrach: Du hast eine Familie. Wiekriegst du es mit der Work-Life Balance hin,die sehr wichtig ist?Frank Ziemer: Die ist tatsächlich sehr wichtig undda muss jeder Mensch seinen eigenen Weg finden,da gibt es kein Patentrezept. Man muss daraufachten, dass man eine gute Work-Life-Balance haltenkann. Ich denke, das gelingt mir ziemlich gut, ichkann gut abschalten. Meine Familie, vor allem meineFrau, interessiert sich für meine Arbeit und unterstütztmich. Unterstützung von der Familie ist sehrwichtig. Es ist schön, wenn die Kinder finden,was Papa macht, ist gut. Es ist auch immer wiederwichtig Probleme zu relativieren: Man sollte sichbewusst sein, dass wir es in der Schweiz im Vergleichzu vielen anderen Menschen auf der Welt sehr guthaben! Das ist eine Einstellungssache.Thomas Myrach: Zuletzt eine persönliche Frage:In einer Biografie habe ich gelesen, dass duimmer noch deinem langjährigen Hobby nachgehst,nämlich als Jazz-Schlagzeuger in einerBand zu spielen …Frank Ziemer: Na ja, das ist etwas übertrieben. Wirhaben immer noch unseren Übungsraum und dastehen ein Klavier und ein Schlagzeug. Aber für dieBand fehlt mir momentan leider die Zeit.Wir sind derschlüssel zu ihrererfolgreichenkarriereSuchen Sie anspruchsvolle Aufgaben undinteressante Kundenkontakte? Wollen Sie raschVerantwortung übernehmen, Ihre Kompetenzenweiterentwickeln und gefördert werden?Dann starten Sie nach Ihrem Uni- oder FachhochschulabschlussIhre berufliche Karriere bei BDO.Der Schlüssel zu Ihrer erfolgreichen Zukunft:www.bdo.ch/karrierePrüfung • Treuhand • Beratung16 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis


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Shanghai – Praktikum in der FremdeEin Vierteljahr habe ich in der grössten Industriestadt Chinas verbracht. Während dieser Zeitist mir so einiges wiederfahren, das mich persönlich wie auch beruflich weiter gebracht hat.Von Albert KurtiIch wollte immer schon mal nach Asien. So entschlossich mich via Internet Praktikums angeboteim Ausland zu erkundigen. Zu meinen Favoritengehörten Japan und China. Als ich nach langemSuchen auf eine deutsche Organisation stiess, dieein Praktikum in China anbot, wurde mein TraumSchritt für Schritt Realität.Aller Anfang ist schwerWie immer, wenn man längere Aufenthalte plant,vergeht die Zeit am Anfang langsam und dann immerschneller. Zum Schluss bin ich dann ziemlichunter Zeitnot gekommen: Auf der Fahrt zum ZürcherFlughafen standen mein Vater, mein Bruder undich über eine halbe Stunde im Stau. Als wäre dasnicht schon genug, rammte uns fünf Kilometervor unserem Ziel ein anderer Wagen in voller Fahrt.Bis auf leichte Nackenschmerzen, die mein Vaterverspürte, war uns glücklicherweise nichts zugestossen.Während das andere Auto einen Total schadenerlitt, konnte mich mein Bruder noch rechtzeitigzum Flughafen fahren. Mein Glück sollte sich nichtso schnell wenden: Bereits nach der ersten Zwischenlandungin Frankfurt verpasste ich meinen Anschlussflugnach Peking. Statt nach Shanghai weiter zufliegen, verbrachte ich eine Nacht in Frankfurt. Endlichin Shanghai angekommen, musste ich feststellen,dass sich mein Gepäck noch in Peking befand.ShanghaiBei meiner Landung in Shanghai wurde ich voneiner schier unerträglichen Hitze überrascht. Da dieLuftfeuchtigkeit im Sommer so hoch ist, empfindetman die Wärme viel intensiver als in der Schweiz.Was mich auch erstaunte, war die in China weitverbreiteteSitte des Spuckens. Es stellt sich zudemals schwierig heraus, nach dem Weg oder nachder Zeit zu fragen. Anscheinend schämen sich vieleChinesen für ihre mangelhaften Englisch-Kenntnisseund gehen daher Touristen aus dem Weg.Auch das erste Treffen mit meiner Gastfamilie verliefnicht wie geplant. Meine Kontaktperson warnicht zum vereinbarten Treffpunkt erschienen, wasmich sehr nervös machte. Aber in China nimmtman es nicht so genau mit der Pünktlichkeit undmeine Ängste waren unbegründet – ich wurdemit 30 Minuten Verspätung dann doch noch abgeholt.Meine Gastfamilie freute sich, dass wir unsendlich gegen überstanden und uns kennenlernenkonnten. Der Vater, Mark, arbeitete für die Regierung,die Mutter, Daisy, war als Journalistin tätig,der kleine Sohn, Oskar, ging noch zur Schule unddie Oma, Nena, hing ständig zu Hause herum. Dadie meisten Ausländer sich chinesische Namennicht merken können, haben viele Chinesen einenwestlichen Zweit namen.Feierabend mit Arbeitskollegen.Kommunikationsmittel sind in China omnipräsent.<strong>18</strong> <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis


Kommunizieren mit Händen und FüssenAbgesehen von ihren englischen Namen konnte, bisauf Mutter, niemand Englisch sprechen oder verstehen.Die Kommunikation beschränkte sich alsoauf Körperzeichen. Am Ende des Aufenthaltes warich zumindest dieser Kommunikationsart mächtigund verstand auch die anderen Familienmitgliedermeistens.Einmal winkte die Oma beim Frühstück mit einerleeren Milchschachtel. Ich dachte, sie benötigeMilch und reichte ihr sogleich eine volle Tüte. Sieaber schüttelte den Kopf und zog mich zum Ausgang,wo sie auf ein Fahrrad zeigte. Nach längeremKombinieren verstand ich, was sie mir sagen wollte:Sie brauchte den Fahrradschlüssel um Einkäufe mitdem Fahrrad machen zu können, da sie die schwereMilch nicht tragen konnte. Ich wäre nie auf dieIdee gekommen, dass das Winken mit einer leerenMilchschachtel bedeuten könnte, dass sie denFahrradschlüssel braucht.Gegessen wird alles, was vier Beine hatund kein Tisch istNicht nur die Sprache stellte eine Herausforderungdar, sondern auch das Essen war gewöhnungsbedürftig.Im Norden Chinas besagt ein weit verbreitetesSprichwort: «In Südchina wird gegessen,was vier Beine hat aber kein Tisch ist oder fliegtaber kein Flugzeug ist!». Im Süden Chinas kamenSachen auf den Tisch, von denen ich niemals geglaubthätte, dass man sie essen kann. Ich habeKuriositäten wie Froschhenkel, Hühnerdarm, Rindsmagenwandund die Hälfte eines Schweinehirnsprobiert. Witzig daran ist, dass ich mit Ausnahmedes Gehirns diese ungewöhnlichen Gerichte leckerfand. Es ist in Südchina üblich, dass alles roh serviertund dann in dem sogenannten Hot-Pot gekochtwird, der mit rotem Chiliöl gefüllt ist und sich inder Mitte des Tisches befindet – wie wir es vomChinafondue kennen. Dementsprechend scharf sinddie Gerichte dann auch. Diese Vorliebe für Schärfeist schon in sehr alten Quellen belegt und ist nichterst in der Neuzeit, durch die Einführung der Chiliaus Amerika, entstanden. Für mich war es allerdingsso scharf, dass ich inner halb von Minuten jeglichesTast- und Geschmacksgefühl im Mund verlor.«Hey handsome boy, you can havemy T-Shirt!»In Shanghai verändert sich für unsere Begriffe allesrasend schnell. Diese Dynamik ist ansteckend undso habe auch ich mich zu der einen oder anderenVeränderung entschlossen. Mein Äusseres habeich dank der günstigen Waren bereits nach einemknappen Monat so stark verändert, dass ich michdanach selbst kaum wieder erkennen konnte. Dieberühmte Einkaufspromenade, die Nanjing-Road,muss man als Tourist gesehen haben und sich dasÜber den Dächern der Stadt macht die Arbeit besonders viel Freude!Handeln mit den Verkäufern nicht entgehen lassen.Auf der Suche nach Marken-Imitaten führte michein Händler in eine dunkle Seitenstrasse um mich,so dachte ich zumindest, auf einen der so genannten«Fake Markets» zu bringen. Tatsächlich aberwaren wir bei einem Bordell gelandet! Als ich ausrief«No, I am searching for T-Shirts and not forthat!», grinste er schelmisch und an seiner Stelleantwortete eine Frauenstimme: «Hey handsomeboy, you can have my T-Shirt!». An meinem Arbeitsplatzwurde diese Geschichte zum Dauerbrenner.Linya International Ltd.Meine Arbeit bei Linya war sehr herausfordernd.Die neu erbaute AM-Lounge, auch Atelier Markgraph-Loungegenannt, sollte zum einen als Büround zum anderen als Veranstaltungsplattform fürzukünftige Events genutzt werden. Meine Aufgabewar es, dieses Potential auszuschöpfen. In derersten Phase generierten wir mittels Mitarbeiter­Interviews Ideen. In einer zweiten Phase analysiertenwir, welche Konzepte realisierbar sind understellten daraus ein erstes Grobkonzept. Diesesdiente als Grundlage für weitere Konzept-Entwürfe.In meiner Version des AM-Lounge-Konzepts konntenfünf verschiedene Kate gorien von Veranstaltungstypenunterschieden werden. Jede von ihnenbenötigte aufgrund der unterschiedlichen Zielgruppeneinen eigenen Marketingplan. Ich fokussiertemich auf die Kategorie «Party» und arbeitete dazueinen möglichen Marketingplan aus. Mein Chef,den ich sehr zu schätzen gelernt habe, schlug alsThema «Zauber schaffen» vor. Meiner Meinungnach vermochte eine Party in Neonfarben diesesMotto am besten auszudrücken. Da die Durchführungvon Veranstal tungen mit Kosten verbunden istund man bei der Organisation schell die Übersichtverliert, hatte ich den Auftrag, eine Excel-Datei mit<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis19


Es gibt viel zu erleben.Hyperlinks zu erstellen. In einer PowerPoint-Präsentationdurfte ich mein Konzept meinen Vorgesetztenund ArbeitskollegInnen vorführen. Icherhielt für meine Arbeit sehr gutes Feedback undmein Vorschlag stiess auf viel Interesse.Im zweiten Teil meines Praktikums befasste ich michmit der Umsetzung einiger Veranstaltungen, darunterauch der Neonparty. Dabei unterstützte uns dieFirma TICT (The Ice Cream Truck), die bereits diverseArten von Events in Shanghai veranstaltet undsich erfolgreich etabliert hat. Wir entschieden unsdeswegen für die Zusammenarbeit mit TICT, weil sieeine ähnliche Zielgruppe wie die unsere anspricht(Designer, Künstler usw.). Es galt als Erstes organisatorischeAspekte mit TICT abzuklären, wie z. B.Fragen bezüglich Organisationsgebühren, Lizenzen,Marketing-Issues, Sound- und Beleuchtungssystem-Equipment, Caterer, DJ, Foto- und Videografer, usw.Danach folgte die Aufteilung der Aufgaben. Daunsere Lounge noch ziemlich neu war, waren wirsehr flexibel und konnten bei der Umsetzungdementsprechend risikofreudig vorgehen. Die Zusammenarbeitmit TICT klappte auf Anhieb und dieParty am 16. September wurde ein Erfolg!Party – mal anders!Zu meinen weiteren Aufgaben zählten die Unterstützungbei der Gestaltung, Planung und Durchführungvon verschiedenen Veranstaltungen, wiez. B. Partys, Openings, Firmen- und Geschäfts essen,Klassentreffen, Hochzeiten usw. Des Weiteren kontaktierteich mögliche Veranstalterorganisationen,mit dem Ziel, eine langfristige Beziehung zu ihnenaufzubauen, um so zukünftige Events in Kooperationdurchzuführen. Bei Veranstaltungen erhielt ichauch die Gelegenheit, in der Lounge-Bar auszuhelfenund neues praktisches Wissen anzueignen. DaAtelier Markgraph–LoungeLinya das Konzept des Kaizen (fleissige <strong>BWL</strong>-Studierendewissen, dass es sich dabei um eine Arbeitsphilosophiehandelt, in deren Zentrum das strebennach ständiger Verbesserung steht) für internewie auch externe Innovationen anwendet, habeich diverse Verbesserungsvor schläge angebracht.Diejenigen, die angenommen wurden, habe ich inZusammenarbeit mit Arbeitskolleginnen versucht,im Rahmen der Möglichkeiten umzusetzen. Auchhabe ich englische und deutsche Korrespondenzbearbeitet und übersetzt oder ArbeitskollegInnendabei unterstützt E-Mails auf Deutsch zu verfassen.Dynamik als VorbildDie Zeit in Shanghai war für mich sehr prägend.Nicht nur die Schrift und die Sprache sind anders,sondern auch die Mentalität. Alles ist vieldynamischer und schnelllebiger als ich es mir ausder Schweiz gewohnt war. Diese und weitereGegebenheiten haben in meinen Augen viele Vorteile.Herausforderungen waren während meinerPrakti kumszeit allgegenwärtig und ich habe versucht,möglichst viele davon anzunehmen und mitErfolg zu bewältigen. Ich habe nicht nur beruflichvieles dazu lernen können, sondern auch privat habensich meine Ansichten und Zukunftsperspektivenverändert. Ich bin sehr froh, diese Erfahrungengemacht zu haben, denn ich bin felsenfest davonüberzeugt, dass sie mir in Zukunft zugutekommenwerden.20 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Praxis


www.pwc.ch/careersA lifetime ofopportunitiesWith a career at PwC.We look forward toreceiving yourapplication viawww.pwc.ch/careers.AssuranceTax & Legal ServicesAdvisoryOperations© 2012 PwC. All rights reserved. “PwC” refers to PricewaterhouseCoopers AG, which is a member firm of PricewaterhouseCoopersInternational Limited, each member firm of which is a separate legal entity.HC_lifetime_TLS_178_272_Mann.indd 17/30/2012 10:06:30 AM<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Anzeige 21


Frische Luft statt Amtsstubenmief – doch woherweht der Wind?Die «Beamtenmentalität» in öffentlichen Verwaltungen wird oft heftig kritisiert und mehrprivat wirtschaftliches Denken wird gefordert. Doch der Versuch dies während der vergangenenReformjahrzehnte zu realisieren, ist vielerorts Ernüchterung und Demotivation gewichen.Inwiefern die Motivation öffentlicher Angestellter durch spezifische Motive geprägt ist, derenBeachtung für neue Reformimpulse wichtig ist, wird im Folgenden aufgezeigt. Von Adrian Ritz 1Oft wurde von einem Paradigmenwechsel in derSteuerung öffentlicher Organisationen gesprochen,als die New Public Management Reformen derletzten zwei Jahrzehnte durch den öffentlichenSektor zogen. Die Reformbefürworter wollteninsbesondere eine neue Verwaltungskultur etablierenmit primär ergebnisorientierten Akteurenund Steuerungsprozessen (z. B. Leistungskontrakte,Leistungslohnelemente). Doch diesbezüglich istErnüchterung eingetreten. Die institutionellen Charakteristika wie zum Beispiel das Legalitätsprinzipoder die politische Realität leerer Kassen erwiesensich in vielen Verwaltungen stärker als die Reformabsichten.Anders sieht es dort aus, wo in der Tat die mehrheitlicheAblösung einer politischen durch einebetriebliche Rationalität stattgefunden hat; zumBeispiel bei Swisscom, Ruag, bei der Post undvermehrt auch bei den SBB. Die Auslagerung staatlicherOrganisationen und deren verstärkter Auftrittam Markt haben zu einem Wandel in der Unternehmenskulturgeführt, z. B. auch bei der Fragenach den Entlohnungsprinzipien. Wird auf der einenSeite mit Gesellschaftsverantwortung argumentiert,so ist es auf der anderen Seite das Marktargument,das herangezogen wird. Beide sind relevant – vorallem im jeweiligen institutionellen Kontext.Grenzen finanzieller AnreizeVor dem Hintergrund des fehlenden Marktes inder zumeist monopolistisch organisierten Kernverwaltungund der stark gesellschaftsbezogenenAufgabeninhalte hat sich in der verwaltungswissenschaftlichenForschung die Diskussion umspezifische Motivationsaspekte im öffentlichen Kontextverbreitet. Zusätzlich haben die vergangenenReformjahre gezeigt, dass dem Einsatz finanziellerAnreize in der öffentlichen Verwaltung klare Grenzengesetzt sind. Insofern lässt sich im öffentlichenUmfeld die Mitarbeitendenmotivation, über Jahrehinweg gute Arbeit zu erbringen, kaum auf Frankenoder materiell attraktive Aufstiegsperspektivenreduzieren, denn es gibt nicht genug davon. Die1PD Dr. Adrian Ritz ist Assistenzprofessor am Kompetenzzentrumfür Public Management (KPM) der Universität <strong>Bern</strong>.Auskünfte zum Text sowie weiterführende Quellenangabensind beim Autor erhältlich.Organisationsforschung hat in diesem Zusammenhangbereits seit Langem die Bedeutung desArbeitsinhalts sowie der intrinsischen Motivation,also jener Motivation, die ihren Ursprung nichtausserhalb sondern innerhalb einer Person hat, hervorgehoben.Und auch die neuere ökonomischeForschung betont, dass Menschen weniger Eigennutzenmotiviert handeln als bislang angenommensowie intrinsische und extrinsische Motivation ineinem gegenseitigen Verdrängungsverhältnis zueinanderstehen.Der institutionelle Rahmen zähltIn der verwaltungswissenschaftlichen Forschung beschäftigensich die Arbeiten zur so genannten«Public Service Motivation» (PSM) mit ausgewähltenAspekten der Mitarbeitendenmotivation. IntrinsischeArbeitsmotivation weist sowohl eigennutzen- alsauch fremdnutzenorientierte Elemente auf. Ersterekennt pure Freude und Spass bei der Arbeit alsLeistungstreiber. Letztere ist gekennzeichnet durchBedeutung und Sinngehalt als wesentliche Treiber.Zu ihr wird die PSM gezählt. Sie weist u. a. Elementeso genannter pro-sozialer Motivation auf.Wesentlich ist dabei der besondere institutionelleRahmen, in welchem öffentlich Angestellte arbeiten.Verfassungsmässigkeit und Legalitätsprinzip gebendem Verwaltungshandeln Normen vor, die für daserfolgreiche Funktionieren gesellschaftlicher Systemeentscheidend sind. Das Erfolgskriterium derökonomischen Performanz einer öffentlichen Organisationwird somit entscheidend ergänzt durchjenes der rechtlichen und öffentlichen Legitimation.Selbstverständlich spielen beide, eigen- und fremdnutzenorientierteMotive eine wesentliche Rollebei öffentlichen Angestellten. Der besondere institutionelleRahmen und die sich daraus ergebendenAufgabeninhalte der öffentlichen Leistungserbringungverdeutlichen aber die Bedeutung der fremdnutzenorientiertenMotive bzw. der damit verbundenenSozialisation im entsprechenden organisationalenKontext.Public Service MotivationVor diesem Hintergrund zeichnen sich Mitarbeitendein öffentlichen Organisationen zumeist übereine höhere Ausprägung der PSM aus, wenngleichdiese auch in gewinnorientierten oder Non-Profit­22 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung


ForschungOrganisationen existiert. PSM bezeichnet jene Werteund Einstellungen einer Person, die über Eigeninteresseund Organisationsnutzen hinausgehen undals Antrieb für situationsadäquates Handeln imöffentlichen Interesse dienen. Damit sind beispielsweiseWerte wie Gleichbehandlung, Verantwortungfür die Gesellschaft, gegenüber der Öffentlichkeit,Nachhaltigkeit gegenüber zukünftigen Generationenoder Rücksichtnahme gegenüber sozial Benachteiligtengemeint, die ein Individuum internalisierthat und die es für seine Arbeit als zentral erachtet.Solche und ähnliche Ziele sind bekanntlich obersteLeitwerte der Verfassungen von Bund und Kantonen.Sie haben innerhalb öffentlicher Institutionen einenvielfach höheren Stellenwert als Ziele, die stark mitden Management reformen der vergangenen Jahreverknüpft sind (vgl. Abbildung 1).Einblicke in die ForschungIm Folgenden wird Einblick in drei Forschungsprojektedes Autors gegeben, die sich der PSM iminternationalen und schweizerischen Kontext widmeten.Ein Projekt verfolgte erstmalig die umfassendeWeiterentwicklung der ursprünglich im angelsächsischenRaum entwickelten Messskala der PSM(Kim et al., forthcoming). Insgesamt beteiligtensich an der international vergleichenden Studie zwölfLänder, wobei die Datenerhebung bei jeweils rund350 Mitarbeitenden vergleichbar grosser Stadtverwaltungenerfolgte (vgl. Abbildung 2). Folgende vierPSM-Dimensionen wurden dabei gebildet:– Attraktivität von Politik und Verwaltung (Attractionto Public Service, APS): Öffentliche Mitarbeitendewerden durch die Möglichkeit, einen Beitrag fürsGemeinwohl leisten zu können und durch die Möglichkeitzur Politikmitgestaltung motiviert.Leitwerte des VerwaltungshandelnsGleichbehandlung (N=37<strong>18</strong>, SD=0.74)4.6Beständigkeit der Leistungserbringung (N=3676, SD=0.71)4.4Innovations- und Bürgerorientierung (N=3705, SD=0.78)4.3Regelorientierung (N=3714, SD=0.85)4.2Kostenorientierung (N=3705, SD=0.95)4Wettbewerbsorientierung (N=3701, SD=1.2) 3.31 2 3 4 5Zustimmungswerte auf einer Skala von 1 (negativ) bis 5 (positiv)Abbildung 1: Ziele der Verwaltungsarbeit aus Sicht des Gemeindepersonals (279 Schweizer Gemeinden)<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung23


– Verpflichtung gegenüber öffentlichen Werten(Commitment to Public Values, CPV): Das Bekenntnisgegenüber öffentlichen Werten wie z. B. dieSchaffung gleicher Möglichkeiten für alle Bürger,die beständige Erfüllung öffentlicher Aufgaben,die nachhaltige Entwicklung öffentlicher Politikenoder ethisches Handeln ist Motivationsgrundlage.– Soziale Anteilnahme (Compassion, COM): Im Gegensatzzur institutionell ausgerichteten zweitenDimension stehen hier das individuell empfundeneMitgefühl und die Verantwortung gegenüberanderen Menschen zur Verbesserung derer Lebensumständeim Zentrum.– Uneigennützigkeit (Self-Sacrifice, SS): Ausprägungder Bereitschaft sich ohne Verschaffung eigenerVorteile oder sogar unter Inkaufnahme von Nachteilenfür die Gesellschaft einzusetzen.In Abbildung 2 sind einzig die Mittelwerte der vierDimensionen pro Land abgebildet. Zum einen wirddadurch die Ähnlichkeit der Dimensionsausprägungenin den untersuchten Ländern verdeutlicht.Zum anderen werden Unterschiede zwischen denDimensionen und Nationen deutlich, deren Ursachenim Rahmen der Skalenbildung noch nicht weitererforscht wurden. Beim Versuch der Bildung einerinternational generischen Skala ist insofern Vorsichtgeboten, da die kulturspezifische Abhängigkeitvon Mitarbeitendeneinstellungen spätestens seitden Arbeiten des Kulturwissenschaftlers GeertHofstede eine wesentliche Erkenntnis der Organisationsforschungdarstellt. Beispielsweise wärees interessant mehr über signifikante Unterschiedein einzelnen Dimensionen vor dem Hintergrundspezifischer kultureller und institutioneller Merkmalezu erfahren (vgl. z. B. die SS-Werte von Italien undBelgien).In diesem Zusammenhang hat sich ein zweitesForschungsprojekt mit dem kulturellen Einfluss aufdie Motivation öffentlicher Angestellter in derSchweiz befasst (Ritz / Brewer, forthcoming). Rund10 000 Bundesangestellte sowie ca. 3000 Gemeindeangestellteaus 279 Gemeinden der deutsch- undder französischsprachigen Schweiz wurden zu ihrerArbeitsmotivation befragt. Der kulturelle Einflusswurde anhand der sprachlich-kulturellen Grenze zwischenlateinischer und germanischer Kultur verglichen.Dabei zeigte sich ein signifikanter Unterschiedzwischen den beiden Regionen, indem dieMitarbeitenden mit deutschem Sprachhintergrundkonsistent höhere PSM-Werte rapportierten. Vorallem in Bezug auf die Dimensionen der sozialen Anteilnahmeund der Uneigennützigkeit stellt dieIdentifikation des Einzelnen mit den ihn umgebendensozialen Gruppen einen wichtigen Faktor dar, damitVier Dimensionen der PSM im internationalen Vergleich54321ItalienFrankreichLitauenDänemarkMittelwerte auf einer Skala von1 (negativ) bis 5 (positiv)AustralienSchweizUSAChinaGrossbritannienSüdkoreaBelgienNiederlandeAPSCPVCOMSSAbbildung 2: Internationale Ausprägungen der PSM24 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium


die Bereitschaft zu pro-sozialem Verhalten unduneigennützigem Einsatz eigener Ressourcen positivbeeinflusst wird. Im Einklang mit anderen Arbeitenwird folglich argumentiert, dass die französischsprachigeKultur der Schweiz ein anderes Verhältniszu Staat und Verwaltung hat als die deutschsprachige.Erklärt werden kann dies u. a. durch die Erkenntnisseüber den unterschiedlichen Umgang mitVerantwortung in stärker zentralistisch geprägtenKulturen oder durch die von der protestantischenArbeitsethik geprägte deutschsprachige Kultur.Das letzte hier erwähnte Forschungsprojekt hatsich mit der Perzeption von Leistung im Sinne einesOutcomes der PSM auseinandergesetzt (Ritz 2009).Die vergleichende Analyse mit anderen Einstellungsvariablenwie Arbeitszufriedenheit und organisationalemCommitment zeigt, dass die der CPV ähnlichePSM-Dimension «Commitment to the PublicInterest» eine ähnlich hohe positive Korrelation wieaffektives Commitment zur Zielvari ablen der Leistungaufweist. Die Identifikation von Mitarbeitendenmit den spezifischen Werten der öffentlichen Verwaltunghängt mit ihrer Einstellung gegenüber derOrganisation und deren Leistung zusammen, wassich situativ positiv auf ihr individuelles Engagementauswirken kann. Dies kann abschliessend veranschaulichtwerden anhand der Antworten zweierAmtsleitungspersonen kantonaler Verwaltungenauf die im Rahmen einer Studie vom KPM gestellteFrage nach ihren besten Mitarbeitenden:«Unsere Top-Mitarbeitenden zeichnen sich durchdas feine Gespür betreffend politischer Verfahrenund Entscheide aus. Sie sind fähig, frühzeitig zu erfassen,was die vorgesetzten Stellen – also Exekutiveund Parlament – wollen.»«Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügenüber eine besondere Motivation, die ganz zentralmit unseren Arbeitsinhalten zu tun hat. Entscheidendist, dass sie den Rechtsvollzug beherrschen,ein grosses Interesse für öffentliche und politischeAngelegenheiten zeigen und zudem über eine Art‹Helfersyndrom› verfügen.»Inhalte anstelle von PrivilegienSoll nun wirklich frischer Wind den Amtsstubenmiefaus der Verwaltung vertreiben, dann mussnach den Reformerfahrungen des New PublicManagements die Frage gestellt werden, woher derWind eigentlich kommen soll. Die Sozialisationseffekteinnerhalb und ausserhalb der öffentlichenOrganisationen sowie die institutionellen Besonderheitenhaben die Verankerung einer mehrheitlichmanagerialistisch geprägten Führungskultur klarerschwert. Deshalb ist die Berücksichtigung dererwähnten Motivationsaspekte öffentlicher Angestellterbei künftigen Reformvorhaben zentral.Oder aber es sind grundlegende System- undStrukturänderungen der Kernverwaltung in Richtungeines öffentlichen Unternehmens notwendig, diegemäss der Erfahrungen der NPM-Reformjahre inunserem politischen System jedoch nur sehr begrenztmöglich sind. Das bedeutet jedoch nicht, dassdem «bürokratischen Schlendrian» Tür und Torgeöffnet werden. Ein wesentlicher Unterschied zwischeneiner Public «Service» Motivation und einerPublic «Sector» Motivation besteht in der Identifikationdes Mitarbeitenden mit den die Organisationsleistungund den Arbeitsinhalt auszeichnendenZielen und Motiven und nicht – wie vielfachimplizit angenommen – den Arbeitsbedingungen undPrivilegien gewisser öffentlicher Anstellungen (z. B.Beförderungsautomatismen, Beamtenstatus), die dem«eigennutzenmaximierenden Bürokraten» zugeschriebenwerden.Aus der Perspektive der Motivationsforschungkommt frischer Wind vom Engagement und von derInnovationskraft intrinsisch motivierter und fähigerMitarbeitender. Verantwortungsvolles wie situationsadäquatesHandeln i. S. rechtsstaatlicher undökonomischer Erfolgskriterien wächst somit innerhalböffentlicher Verwaltungen massgeblich aufdem Boden einer intrinsischen Arbeitsmotivation,die über eigennutzenorientierte Motive hinausgeht.Das heisst nicht, dass eigennutzenorientierteMotive inexistent oder unwichtig wären, doch dieExtra-Leistung, welche vielfach einen entscheidendenBeitrag zum individuellen wie organisationalenErfolg beiträgt, fusst in öffentlichen Verwaltungenzusätzlich auf den fremdnutzenorientierten PSM-Motiven.Zitierte LiteraturRitz, A. (2009): «Public service motivation andorganizational performance in Swiss federal government.»International Review of AdministrativeSciences, 75(1): 53–78.Ritz, A.; Brewer, G. A. (forthcoming): «Does SocietalCulture Affect Public Service Motivation? Evidenceof Sub-National Differences in Switzerland.» InternationalPublic Management Journal.Kim, S., W.; Vandenabeele, B. E.; Wright, L. B.;Andersen, F. P.; Cerase, R. K.; Christensen, C.;Desmarais, M.; Koumenta, P.; Leisink, B.; Liu, J.;Palidauskaite, L. H.; Pedersen, J. L.; Perry; Ritz. A;Taylor, J.; De Vivo P.: (forthcoming): Investigatingthe Structure and Meaning of Public ServiceMotivation across Populations: Developing an InternationalInstrument and Addressing Issues ofMeasurement Invariance. Journal of Public AdministrationResearch and Theory.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium25


Traineeprogramme: Integration indie Personalentwicklung als ErfolgsfaktorEin Unternehmen kann viel tun, um geeignete Trainees auch nach Ablauf des Traineeprogrammsim Betrieb zu halten. Die Massnahmen reichen von der Einbindung in Teams bis hin zu regelmässigenMitarbeiterbeurteilungen. Eine empirische Erhebung zeigt, was in der Praxis bereitsgemacht wird und wo Nachholbedarf besteht. Von Kerstin Nesemann und Norbert ThomIm Rahmen von über 20 Jahren Breitenbefragungendes Instituts für Organisation und Personal(IOP) der Universität <strong>Bern</strong> in Deutschland und derSchweiz wurde regelmässig mit einem Anteil vonüber 86 Prozent bejaht, dass das eigene Traineeprogrammeinen integrierten Bestandteil des betrieblichenPersonalentwicklungssystems darstellt(siehe Abbildung 1). Die Erfahrungen mit und in derPraxis haben jedoch gezeigt, dass dieses Ergebniseiner kritischen Hinterfragung bedarf. Aus diesemGrund haben die Autoren ein Instrument zurempirischen Messung der Integration von Traineeprogrammenin ein umfassendes Personalentwicklungssystemkonzipiert (vgl. Nesemann 2012).Entwicklungsoptionen bereits früh aufzeigenEin erster Ansatzpunkt ist eine Karriereplanung fürdie Trainees. Diese kann als gedankliche Antizipationder Stellenfolge im Unternehmen verstandenwerden (vgl. Becker 2009: 520). Die Karriereplanungist vor allem beim Übergang vom Traineeprogrammin das reguläre Personalentwicklungssystemein kritischer Aspekt. Sie hat unter anderemdie Funktion, Mitarbeiter am Verlassen des Unternehmenszu hindern, weil sie dort nur mangelndeEntwicklungsoptionen sehen (vgl. Becker 2009:520). Empfehlenswert ist es daher, bereits frühzeitigmit den Trainees eine Karriereplanungdurchzuführen. 1 Einen zweiten Ansatzpunkt stellenWeiterbildungsmöglichkeiten dar. Sie steigernerfahrungsgemäss die Identifikation der Traineesmit dem Unternehmen und können ihrer Belohnungund Bindung dienen (vgl. Becker 2009: 284).1Die Massnahmen sollten stets nur für den Teil der Traineesangewandt werden, den das Unternehmen halten möchte.Trainee-Programme als integrierter Bestandteilder Personalentwicklung100 %90 %CHDE80 %70 %60 %50 %40 %30 %20 %10 %0 %1987 1992 1997 2002 2007Abbildung 1: Anteil der Unternehmen, der sein TrPr als einen integrierten Bestandteil desbetrieblichen Personalentwicklungssystems bezeichnet (vgl. Kloke 2009: 102)26 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung


Ein dritter Ansatzpunkt, die Schnittstelle beimÜbergang vom Traineeprogramm in das «reguläre»Personalentwicklungssystem zur Nahtstellezu transformieren, ist die Unterstützung vonMentoring beziehungen. Es ist ein Indikator für dieIntegration, wenn die Mentoringbeziehung überdas Ende des Traineeprogramms hinaus bestehenbleibt. Raabe und Beehr (2003: 289) nehmen an,dass Mentees eine geringere Neigung zeigen, dasUnternehmen zu verlassen, da sie die erhalteneUnterstützung durch ihren Verbleib «zurückzahlen»möchten. Lankau und Scandura (2002: 787 f.)konnten den Zusammenhang zwischen der Existenzeines formalen Mentoring-Programms und demVerbleib im Unternehmen für eine Periode von vierJahren empirisch bestätigen.Nachwuchsförderung als Teilder Unternehmens kulturEin vierter Ansatzpunkt sind die informatorischenGrundlagen der Personalentwicklung. Sie dienenals Entscheidungsgrundlage für zukünftige Personalentwicklungsmassnahmen(vgl. Thom 1987: 19).Besondere Bedeutung im Kontext von Traineeprogrammenhaben regelmässige Mitarbeiterbeurteilungen.Ihre Existenz verdeutlicht, dass Traineeprogrammenur einen ersten Schritt in einemumfassenden System der betrieblichen Personalentwicklungdarstellen. So geben regelmässigeMitarbeiterbeurteilungen, sowohl während alsauch nach dem Programm, Auskunft darüber,wie sich Leistung und Potenzial der Trainees entwickeln.Thom und Friedli (2008: 75) empfehlenüberdies eine Anbindung des Beurteilungssystemsder Trainees an das System der Führungskräfteentwicklung.Ein fünfter Ansatzpunkt lässt sich aus den interpersonalenAspekten der Organisationsentwicklungableiten. Es sind vor allem die Methoden auf Ebeneder Gruppe (vgl. Becker 2009: 606 ff.) von Interesse.Im Kontext von Traineeprogrammen sind insbesondereTeamkonzepte und Projektarbeit unterdem Aspekt der (Ein-)Bindung relevant.Schliesslich geht es um die Vermeidung von Diskontinuitätenauf Ebene des Programms. Traineeprogrammesollten Teil einer langfristigenPersonalentwicklungsstrategie zur Förderung vonNachwuchskräften sein. Demnach ist es entscheidend,dass die Geschäftsleitung sich für dasProgramm einsetzt. Letztlich müssen die Entscheidungsträgerüberzeugt sein, dass das Traineeprogrammeinen Mehrwert für die Nachwuchsförderunggeneriert.Die Bedeutung im Unternehmen manifestiert sichweiterhin in der Kontinuität des Programms. SoMassnahmen der Integration von TrPr in das betrieblichePersonalentwicklungssystemFrühzeitiges Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten nach Ende des TrPrFrühzeitiges Aufzeigen von Weiterbildungsmöglichkeiten nach Ende des TrPrErhaltung der Mentoringbeziehung über das Ende des TrPr hinausRegelmässige Beurteilungen der TraineesAnbindung des Beurteilungssystems der Trainees an das System der FührungskräfteentwicklungIntegration der Trainees in TeamsIntegration von Projektarbeit in TrPrEinsatz der UnternehmensleitungKontinuität von TrPrTabelle 1: Massnahmen zur Integration von TrPr in das betriebliche Personalentwicklungssystem<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung27


zeigt eine langjährige, und vor allem ununterbrochene,Existenz, dass die Geschäftsleitung dasTraineeprogramm als wichtigen Bestandteil derFörderung junger Talente anerkennt. Durch diesenStatus wäre das Programm relativ sicher vor Rationalisierungs-und Kostensenkungsmassnahmen, dieals Folge wirtschaftlicher Entwicklungen entstehenkönnen. Tabelle 1 zeigt zusammenfassend die erläutertenMassnahmen.Die vorangegangenen Ausführungen lassen vermuten,dass die Integration des Traineeprogramms indas betriebliche Personalentwicklungssystem einenpositiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit, gemessenam Verbleib der Trainees drei Jahre nach Ende desTraineeprogramms, hat. Im Rahmen einer umfangreichenempirischen Erhebung (130 Unternehmenin Deutschland, der Schweiz und Österreich) konntedieser Zusammenhang anhand von Regressionsanalysenbestätigt werden (vgl. hierzu ausführlichNesemann 2012). Auf ausgewählte Aspekte des«Integrations-Indexes» und seinen derzeitigenVerbreitungsgrad in der Wirtschaftspraxis soll imweiteren Verlauf eingegangen werden. Bezüglichdes frühzeitigen Aufzeigens von Karriere- sowieWeiterbildungsmöglichkeiten zeigt sich folgendesBild (siehe Abbildung 2)Etwa 63 Prozent der Unternehmen stimmen vollzu, mit ihren Trainees über Karrieremöglichkeitenzu sprechen, jedoch nur gut 40 Prozent überWeiterbildungsmöglichkeiten. Hier besteht Nachholbedarf.Den Programmteilnehmern sollte nichtnur auf gezeigt werden, welche Karrierechancen,sondern auch welche Gelegenheiten zur Weiterbildungbestehen, um sie auf ihrem weiteren Wegzu begleiten. Wünschenswert wäre, wenn dasTrainee programm nur ein erster Schritt in einemmittelfristig angelegten Entwicklungsplan für dieTrainees ist. Die Verantwortlichen generieren imIdealfall bereits frühzeitig Ideen, welche Positionder Teilnehmer nach Ende des Programms belegenund welche Massnahmen ihn hierbei unterstützenkönnten.Von weiterer Relevanz ist die Tatsache, ob dasMentoring-Programm, sofern vorhanden, überdas Ende des Traineeprogramms hinaus bestehenbleibt. Dies ist erst bei gut der Hälfte der Unternehmender Fall. Für den Mentee ist es aber einnicht unerheblicher Kostenfaktor, wenn die engeVerbindung zum Mentor beim Verlassen derOrganisation unterbrochen wird.Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten80 %60 %40 %20 %0 %Stimme überhaupt nicht zuStimme voll zuKarrieremöglichkeitenWeiterbildungsmöglichkeitenAbbildung 2: Aufzeigen von Karriere- sowie Weiterbildungsmöglichkeiten28 <strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung


Eine Beurteilung der Trainees ist heute in fast allenUnternehmen (95,38 Prozent) Standard. Im Rahmender Bewertung sind Entscheidungen über folgendeParameter zu treffen (vgl. Thom / Giesen 1998: 17 f.):– Beurteilungsrhythmus: Die Taktung sollte sich ander Anzahl Ausbildungsstationen orientieren. Esempfiehlt sich, nach jeder Station eine Evaluationdurchzuführen.– Beurteilende Instanz: Vor allem der Fachvorgesetztebeurteilt die Trainees (95,97 Prozent). Bei27,42 Prozent ist darüber hinaus die Personalabteilungund bei 22,58 Prozent der Mentor an derBewertung beteiligt.– Beurteilungskriterien: Hier sollten die Aspekte imVordergrund stehen, die das Unternehmen durchsein Programm vermitteln möchte. Als Anhaltspunktdienen die jeweiligen Ziele des Traineeprogramms.– Beurteilungsverfahren: Das Spektrum reicht vomstandardisierten Fragebogen bis zur vollkommenfreien Formulierung. Es hat sich eine Kombinationvon beidem bewährt. Das heisst, es gibt einenstandardisierten Fragebogen, der Raum für selbstständigformulierte, individuelle Würdigungenlässt.Zudem ist von Interesse, wie viele Unternehmendas Beurteilungssystem ihrer Trainees bereits an dasSystem der Führungskräfteentwicklung koppeln.Besagtes ist erst bei knapp einem Drittel der Betriebeder Fall. Hier besteht somit erheblicher Handlungsbedarf.Als letzte Massnahme steht die Kontinuität desProgramms im Zentrum. Neben der Anzahl Jahre,die das Programm bereits existiert, umfasst dieserAspekt die Tatsache, ob das Programm in denletzten drei Jahren aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungenunterbrochen werden musste. Letztereswar bei immerhin <strong>18</strong>,6 Prozent der Unternehmender Fall. Solche Diskontinuitäten sind im Sinne einernachhaltigen Ausbildung der Trainees unbedingtzu vermeiden.Hinweis:Dieser Artikel erschien zuerst im HR Today, Ausgabe 12/2011.Literatur– Becker, Manfred (2009)Personalentwicklung. Bildung, Förderung undOrganisationsentwicklung in Theorie und Praxis,5. Auflage, Stuttgart 2009– Kloke, Kerstin (2009)Trainee-Programme in der Schweiz. KonzeptionelleGrundlagen – Empirische Erhebung –Entwicklungstendenzen, Arbeitsbericht des IOPNr. 91, <strong>Bern</strong> 2009– Lankau, Melenie J. / Scandura, Terri A. (2002)An Investigation of Personal Learning in MentoringRelationships: Content, Antecedents, andConsequences. In: Academy of ManagementJournal, 45. Jg. 2002, Nr. 4, S. 779–790– Nesemann, Kerstin (2012)Talentmanagement durch Trainee-Programme.Auswirkungen der Gestaltungsmerkmaleauf den Programmerfolg, Wiesbaden 2012– Raabe, Babette / Beehr, Terry A. (2003)Formal mentoring versus supervisor and coworkerrelationships: differences in perceptions andimpact. In: Journal of Organizational Behavior,24. Jg. 2003, Nr. 3, S. 271–293– Thom, Norbert (1987)Personalentwicklung als Instrument der Unternehmungsführung.Konzeptionelle Grundlagen undempirische Studien, Stuttgart 1987– Thom, Norbert / Friedli, Vera (2008)Hochschulabsolventen gewinnen, fördern underhalten. 4. Auflage, <strong>Bern</strong> 2008– Thom, Norbert / Giesen, Birgit (1998)Gestaltungselemente für Trainee-Programme.Erfahrungsgestützte Orientierungshilfen amBeispiel der Trainee-Programme für Absolventender Wirtschaftswissenschaften. In: Entwicklungskonzepteund Personalmarketing für den FachundFührungsnachwuchs, 2. Auflage, hrsg. v.Norbert Thom / Birgit Giesen, Köln 1998, S. 1–33Die AutorenDr. Kerstin Nesemann forschte im Rahmen ihresDissertationsprojektes in den letzten Jahren intensivüber Erfolgsfaktoren für Trainee-Programme. Siewar bis Februar 2012 wissenschaftliche Assistentinam Institut für Organisation und Personal (IOP) derUniversität <strong>Bern</strong>.Prof. em. Dr. Norbert Thom Prof. h. c. Dr. h. c. mult.leitete alle IOP-Forschungsprojekte zum ThemaTrainee-Programme. Er war 1991 Gründer desInstitut für Organisation und Personal und bis 2012Direktor. Zu seinen Forschungsgebieten gehörtenneben dem Personalmanagement die organisatorischeGestaltung und das Innovationsmanagementjeweils im privaten und öffentlichen Sektor.Seit Februar 2012 ist er Professor im Ruhestand(Prof. emeritus).<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Studium29


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PublikationenBeiträge an wissenschaftlichen Konferenzen– Blatter, D.; Hofstetter, R.; Krohmer, H.; Zhang,Z. J.; 2012: Price Raise Or Quantity Decrease:Choosing The Optimal Price Increase Strategy ForConsumer Goods, Proceedings of the AMAWinter Educators’ Conference 2012, St. Petersburg,Florida / USA.– Brandinu, G.; Trautmann, N.; 2012: Sequentialselection and heuristic scheduling of multipleresource-constrained projects, 13th InternationalConference on Project Management and Scheduling.Publikation hrsg. von Demeulemeester, E.;Herroelen, W.; S. 102–105.– Grüter, M.; Myrach, T.; 2012: Understanding VirtualExperience and Telepresence – A Review andSynthesis of Literature, European Conference onInformation Systems (ECIS) 2012.– Krancher, O.; Dibbern, J.; 2012: The Learningof Software Maintenance Tasks in the TransitionPhase of Offshore Outsourcing Projects: TwoLearning-Theoretical Perspectives, Fifth GlobalSourcing Workshop, Courchevel, France.– Messner C.; Wänke M.; 2012: Why Starbuckscoffee tastes better. In: Advances of ConsumerPsychology, 4.– Meyer, P.; Dibbern, J.; 2012: Design and Impactof Awareness Functions – A Study about SocialMedia in Virtual Teams, European Conference onInformation Systems (ECIS) 2012.– Wittwer, D.; Malär, L; Nyffenegger, B.; Grohmann,B.; Krohmer, H; 2012: Measuring the Cult Statusof Brands: Conceptual Considerations and ScaleDevelopment, Proceedings of the 41th EuropeanMarketing Academy Conference (EMAC),Lissabon 2012.– Thom, N.; Müller, R. C.; 2012: Innovationsmanagementin KMU: Erkenntnisse aus einer explorativenStudie. In: Leadership – Best Practices und Trends,hrsg. von Bruch, H.; Krummaker, S.; Vogel, B.;2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden2012, S. 269–282.Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften– Bolle, F.; Breitmoser, Y.; Heimel, J.; Vogel, C.;2012: Multiple Motives of Pro-Social Behavior:Evidence from the Solidarity Game. In: Theoryand Decision, 72/3, S. 303–321.– Dibbern, J.; Chin, W. W.; Heinzl, A.; 2012: SystemicDeterminants of the Information Systems OutsourcingDecision: A Comparative Study of Germanand United States Firms. In: Journal of the Associationfor Information Systems, 13/6.– Friese M.; Messner C.; Schaffner, Y.; 2012:Mindfulness meditation counteracts self-controldepletion. In: Consciousness and Cognition,21/2, S. 1016–1022.– Kude, T.; Dibbern, J.; Heinzl, A.; 2012: Why DoComplementors Participate? An Analysis of PartnershipNetworks in the Enterprise Software Industry.In: IEEE Transactions on Engineering Management,59/2, S. 250–256.Monographien– Blattmann, O.; 2012: iQual – Informationsqualitätim Internet. Eine Analyse am Beispiel der SchweizerWeinbranche, 484 Seiten, Saarbrücken: SüdwestdeutscherVerlag für Hochschulschriften.Beiträge in Sammelwerken undHerausgeberschaften– Knolmayer, G. F.; Helfenstein, L. E.; Loosli, G.;Disterer, G. W.; 2012: Email Governance: AreCompanies in Financial Industries More Mature?In: Proceedings of the 45th Annual Hawaii InternationalConference on System Sciences, hrsg. vonSprague, R. H., Jr., Los Alamitos: IEEE ComputerSociety Press, S. 4992–5001.– Thom, N.; Müller, R. C.; 2012: Innovationsmanagementin KMU: Erkenntnisse aus einer explorativenStudie. In: Bruch, H.; Krummaker, S.; Vogel,B.; 2012: Leadership – Best Practices und Trends,Wiesbaden: Springer Gabler, S. 269–282.<strong>BeWL</strong> <strong>18</strong>/2012 Forschung31


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