September 2011 - Falkenseer Stadtjournal
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Ausflüge<br />
Ein Kleinod, das preußischdeutsche<br />
Geschichte atmet<br />
Alles begann natürlich mit dem Alten Fritzen. Als dieser in<br />
der denkwürdigen Schlacht von Kunersdorf im Jahre 1759<br />
in arge Bedrängnis geriet, hatte ihn ein Husaren-Rittmeister<br />
namens Prittwitz, der auf einem weißen Schimmel heransprengte,<br />
herausgehauen und dem Monarchen die<br />
Schmach einer Gefangennahme erspart.<br />
Zum Ende des Siebenjährigen Krieges<br />
erhielt der verdiente Haudrauf ein schönes<br />
Stück Land in Form des Rittergutes<br />
Quilitz, was ihm allerdings auch die<br />
ständige Einmischung des am Gedeihen<br />
der ritterlichen Domäne höchst interessierten<br />
Monarchen bescherte. „Er baut<br />
ja ein Schloss! Er will ja hoch hinaus!“<br />
soll der prunkende Potsdamer Schlossherr,<br />
der seinen Untergebenen die preußische<br />
Schlichtheit einzubläuen pflegte,<br />
genörgelt haben, worauf der getreue<br />
Prittwitz prompt auf die Beletage verzichtet<br />
und nur ein hohes Mansarddach<br />
auf die eingeschossige Dreiflügelanlage<br />
gesetzt hatte. Joachim Bernhard von<br />
Prittwitz wurde jedenfalls zu einer Allzweckwaffe<br />
für Friedrich II., der diesen<br />
zum Obersten der legendären Ziethenhusaren<br />
machte, ihn den alten Finowkanal<br />
auf Schifffahrtstauglichkeit und die<br />
Berliner Münze auf Unregelmäßigkeiten<br />
überprüfen ließ und der seinen Prittwitz<br />
schließlich sogar in den preußischen<br />
Olymp – die Tafelrunden auf Schloss<br />
Sanssouci – beförderte. Kein Wunder ist<br />
es also, dass der gute Prittwitz als eine<br />
der den Sockel schmückenden Figuren<br />
am Reiterstandbild des großen Friedrich<br />
auf dem Berliner Boulevard Unter den<br />
Linden verewigt ist.<br />
Es war wiederum eine königliche Schenkung,<br />
die 1814 den Staatskanzler Karl<br />
August Fürst von Hardenberg, der zusammen<br />
mit seinem Kollegen vom und<br />
zum Stein der Vater der gleichnamigen<br />
Reform des preußischen Staatswesens<br />
22 FALKENSEER STADT - JOURNAL 09/<strong>2011</strong><br />
war, in den Besitz des Rittergutes Quilitz<br />
brachte. Hardenberg brachte Urbanität<br />
und Grazie in das etwas abgelegene<br />
märkische Kleinod. Der Reformer<br />
ließ sogleich und in aller Bescheidenheit<br />
den Ort in Neu-Hardenberg umtaufen<br />
und verordnete dem Schloss sein heutiges<br />
klassizistisches Aussehen. Für den<br />
Umbau des ursprünglich barocken<br />
Schlosses zeichnete der allgegenwärtige<br />
Karl Friedrich Schinkel verantwortlich,<br />
während sich die großen Landschaftsgärtner<br />
Lenné und Pückler-Muskau<br />
um die Umgestaltung des Parks<br />
kümmerten.<br />
Hardenberg<br />
und Lindenberg<br />
Denkwürdiges hat auch die Zeitgeschichte<br />
zu berichten: Carl-Hans Graf<br />
von Hardenberg, der zu den Verschwörern<br />
des 20. Juli gehörte, versuchte sich<br />
1944 der Gefangennahme durch die<br />
Gestapo in der Bibliothek des Schlosses<br />
durch Selbstmord zu entziehen. Er<br />
überlebte, kam in das KZ Sachsenhausen<br />
und überlebte auch dieses. Die Enteignung<br />
durch die Nazis wurde durch<br />
die Bodenreform von 1945 bestätigt.<br />
1952 wurde der Ort nach der sozialisti-<br />
schen Ikone Karl Marx in „Marxwalde“<br />
umbenannt und auf dem benachbarten<br />
Militärflughafen wurden ein Jagdfliegergeschwader<br />
und später auch die DDR-<br />
Regierungsstaffel stationiert. 1991 erfolgte<br />
die Rückbenennung in Neuhardenberg.<br />
Das Schloss, das sich heute im Besitz<br />
der Stiftung Schloss Neuhardenberg<br />
befindet, wird als Hotel und Tagungsort<br />
genutzt und kann sonntags besichtigt<br />
werden. Täglich geöffnet sind der Park<br />
und die Schinkel-Kirche des Ortes, in<br />
deren Altar das Herz des Fürsten von<br />
Hardenberg aufbewahrt wird.<br />
Dem Reigen großer Gestalten der deutschen<br />
Geschichte, die Neuhardenberg<br />
zu bieten hat, fügt die Stiftung derzeit<br />
noch eine erfrischende Nuance an: Die<br />
Ausstellungshalle am Schloss erweist<br />
noch bis zum 20. November mit der<br />
Präsentation „UDO. Die Ausstellung“ der<br />
Rocklegende Udo Lindenberg ihre Referenz.<br />
Zu sehen sind Udo-Memorabilien<br />
wie gerahmte Manuskripte berühmter<br />
Liedtexte, aufgereihte Schallplatten in<br />
Gold oder Platin, schräge Privatbilder<br />
und Lederjacken, Lederjacken!<br />
UG<br />
Links: Die Schinkel-Kirche in Neuhardenberg.<br />
Wikipedia Commons / Clemensfranz<br />
Rechts: Schloss Neuhardenberg aus der<br />
Parkperspektive, im Vordergrund das<br />
Denkmal Friedrichs II. aus dem Jahre<br />
1792. ©TMB-Fotoarchiv / NBL Boldt