Bileams Esel 01/12 - Pfarrei St. Peter und Paul in Ratingen
Bileams Esel 01/12 - Pfarrei St. Peter und Paul in Ratingen
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aus der <strong>Pfarrei</strong> <strong>St</strong>. <strong>Peter</strong> <strong>und</strong> <strong>Paul</strong> | Rat<strong>in</strong>gen<br />
Warum gibt es so viel Leid <strong>in</strong> Gottes<br />
guter Schöpfung?<br />
Naturkatastrophen erschüttern den<br />
Glauben<br />
Immer wieder erschüttern die Nachrichten von<br />
schweren Naturkatastrophen unseren Glauben:<br />
Wie kann man angesichts von Erdbeben,<br />
Orkanen, Tsunamis <strong>und</strong> Vulkanausbrüchen,<br />
die unzählige Menschenleben fordern <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong> Bild der Verwüstung h<strong>in</strong>terlassen, an e<strong>in</strong>e<br />
gute Schöpfung <strong>und</strong> an e<strong>in</strong>en gerechten <strong>und</strong><br />
zugleich allmächtigen Gott glauben?<br />
Die Frage ist nicht neu, denn schon im alttestamentlichen<br />
Buch Hiob wurden die damals<br />
gängigen religiösen Deutungsmuster ausge-<br />
6<br />
hebelt: Zum e<strong>in</strong>en ließ sich der Glaube an<br />
den „Tun-Ergehens-Zusammenhang“ nicht<br />
aufrechterhalten: Wer Gutes tut, dem ergeht<br />
es gut, <strong>und</strong> wer Schlechtes tut, dem ergeht<br />
es schlecht. E<strong>in</strong>erseits musste diese Sichtweise<br />
angesichts guter Menschen, die leiden<br />
mussten, fallen gelassen werden. Andererseits<br />
widersprechen ihr die durch <strong>und</strong> durch<br />
böswilligen Ausbeuter <strong>und</strong> rücksichtslosen<br />
Absahner, denen es überaus gut geht. Nur<br />
ganz selten lassen sich die schädlichen Folgen<br />
von schlechtem Verhalten direkt nachweisen<br />
(wer zum Beispiel maßlos raucht,<br />
wird sich e<strong>in</strong>e Raucherlunge zulegen).<br />
E<strong>in</strong>e zweite gängige Glaubensme<strong>in</strong>ung war,<br />
dass Leiden e<strong>in</strong>e <strong>St</strong>rafe Gottes für sündiges<br />
Verhalten seien <strong>und</strong> Gott mittels dieser Leiden<br />
versuche, die Menschen zum Guten h<strong>in</strong><br />
zu erziehen. Auch dieser Gedanke erfährt im<br />
Buch Hiob e<strong>in</strong>e klare Abfuhr. Nur weil der<br />
e<strong>in</strong>e oder die andere <strong>in</strong> der Situation des Leidens<br />
e<strong>in</strong>en neuen Blick auf das Leben gew<strong>in</strong>nt<br />
<strong>und</strong> zu neuen Wertigkeiten f<strong>in</strong>det, lässt<br />
sich das noch lange nicht generalisieren.<br />
Im Gegenteil: Solche Versuche, dem Leiden<br />
e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n beizumessen, kl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> vielen<br />
Leidenssituationen geradezu zynisch. Übrigens<br />
weist auch unser Herr Jesus Christus<br />
solche Zusammenhänge entschieden zurück!<br />
Doch bis heute tauchen solche Deutungsmuster<br />
immer wieder auf: Die Frage „Womit habe<br />
ich das verdient?“ setzt voraus, dass es Menschen<br />
gibt, die ihr Leid verdient hätten. Und<br />
schon haben uns die uralten Denkweisen<br />
wieder, die wir längst überw<strong>und</strong>en glaubten.<br />
Allmacht Gottes<br />
Wer die Allmacht Gottes mit den Worten<br />
„alles-machen-können“ gleichsetzt, wird an<br />
se<strong>in</strong>em Glauben schier verzweifeln. Denn:<br />
Wenn Gott alles machen kann, warum tut er<br />
es dann nicht? Wenn Gott nicht e<strong>in</strong>greift,<br />
obwohl er es könnte <strong>und</strong> Unheil zulässt, obwohl<br />
er es verh<strong>in</strong>dern könnte, müsste er e<strong>in</strong><br />
Willkürherrscher <strong>und</strong> e<strong>in</strong> grausamer Despot<br />
se<strong>in</strong>! Das zeigt, so e<strong>in</strong>e Vorstellung von der<br />
Allmacht Gottes hilft uns nicht weiter <strong>und</strong><br />
führt uns von dem Nährenden <strong>und</strong> <strong>St</strong>ärkenden<br />
unseres Glaubens weit weg.<br />
Biblisch gesehen gründet das Bekenntnis zur<br />
Allmacht Gottes <strong>in</strong> der Zeit, <strong>in</strong> der jedes Volk<br />
noch se<strong>in</strong>e eigene Gottheit verehrte. Nun<br />
galt es festzuhalten, dass der Gott des Volkes<br />
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Israel der Mächtigste <strong>und</strong> Höchste unter den<br />
Göttern ist. Später entwickelte sich dann die<br />
Überzeugung, dass es nur e<strong>in</strong>en Gott gibt<br />
<strong>und</strong> daher die Verehrung der vielen Völker<br />
letztendlich diesem e<strong>in</strong>en Gott gilt, wenn<br />
auch auf unterschiedlicher Weise. Gott ist<br />
der E<strong>in</strong>e, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schöpfung wirkmächtig<br />
ist. Ihm steht ke<strong>in</strong>e andere Macht auf Augenhöhe<br />
gegenüber, auch ke<strong>in</strong> böses Gegenpr<strong>in</strong>zip<br />
(wie z. B. der Teufel), mit dem er um<br />
se<strong>in</strong>en Machte<strong>in</strong>fluss kämpfen müsste. Der<br />
„<strong>in</strong> allem mächtige“ Gott ist der tragende<br />
Gr<strong>und</strong> von allem, was lebt <strong>und</strong> existiert. Se<strong>in</strong>e<br />
Allmacht besteht dabei nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Alle<strong>in</strong>wirksamkeit,<br />
sondern <strong>in</strong> der Größe, se<strong>in</strong>e Geschöpfe<br />
<strong>in</strong> ihre eigene Macht <strong>und</strong> Verantwortlichkeit<br />
frei zu lassen. Damit endet die<br />
Macht Gottes an der Freiheit se<strong>in</strong>er Schöpfung<br />
<strong>und</strong> an der Freiheit des Menschen, der<br />
als Krone der Schöpfung gilt.<br />
Möchten wir diese Freiheit? Oder möchten<br />
wir angesichts von Krankheit <strong>und</strong> Naturkatastrophen<br />
die E<strong>in</strong>trittskarte zu dieser Welt<br />
lieber zurückgeben? Ist die Freiheit wirklich<br />
e<strong>in</strong> so hoher Wert, dass wir bereit s<strong>in</strong>d, diesen<br />
Preis dafür zu bezahlen?<br />
Entwicklungspsychologie<br />
Entwicklungspsychologisch gesehen macht<br />
jeder Mensch e<strong>in</strong>en Wandlungsprozess durch:<br />
Er muss sich <strong>in</strong> frühk<strong>in</strong>dlichen Jahren aus der<br />
Symbiose mit der nährenden Mutter lösen,<br />
die Phase der magischen Vorstellungen <strong>und</strong><br />
Allmachtsphantasien überw<strong>in</strong>den, wie er sie<br />
<strong>in</strong> der k<strong>in</strong>dlichen Märchenwelt durchlebt, <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> der Umbruchszeit der Jugend entscheiden,<br />
ob er die Freiheit <strong>und</strong> Selbstverantwortung<br />
e<strong>in</strong>es Erwachsenenlebens mit se<strong>in</strong>en Chan-