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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Biographie. Ein SozialJorschungsweg) 185<br />

legitimiert durch die allgemeine »Rede vom Wechselverhältnis von Personen und Sozialstruktur«.13<br />

Seine Aufforderung, den »cartesianischen Käfig« über ein alltagswissenschaftlich,<br />

sprach- und kommunikations theoretisch verfaßtes Biographie-Konzept zu<br />

sprengen, leitet dort fehl, wo die materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse in Konstitutionsleistungen<br />

rahmenstrukturierter Intersubjektivität verwandelt werden (Grathoff<br />

1975).<br />

H.<br />

Soll vorgebaut werden, »daß die Auseinandersetzung mit dem Biographischen subjektivistisch<br />

entgleist« (Lorenzer 1979. 44), soll mit der Kategorie »Biographie« ein<br />

Wegstück der »Erkenntnis der Totalität« (Bajohr 1980, 671) beschritten. soll »Biographie«<br />

als Sozialforschungsweg ausgewiesen werden, dann »ist vor allem zu vermeiden,<br />

die 'Gesellschaft' wieder als Abstraktion dem Individuum gegenüber zu fixieren. Das<br />

Individuum ist <strong>das</strong> gesellschaftliche Wesen. Seine Lebensäußerung ... ist daher eine<br />

Äußerung und Bestätigung des gesellschaftlichen Lebens« (Marx 1844, 538). Die Warnung<br />

vor dem Biographie-Subjektivität-Oralistik-Syndrom bezieht sich ausschließlich<br />

auf die Mißachtung der zitierten Einsicht, legt aber nicht die Konsequenz nahe, die Kategorie<br />

»Biographie« nun zu verwerfen. Folgende Gesichtspunkte scheinen mir <strong>für</strong> eine<br />

Ausarbeitung eines kultursoziologisch zu fassenden Konzepts »Biographie«, <strong>das</strong> die<br />

Forderung zu erfüllen imstande ist, den individuellen Lebenslauf bzw. den verwickelten<br />

Prozeß individueller Lebensgewinnung in seinen materiellen wie ideellen Seiten abzubilden,<br />

von Belang.<br />

1. Konzepte, die mit der Denkfigur der Biographie arbeiten, können nicht als von<br />

der Analyse der materiellen und ideellen Strukturen des gesellschaftlichen Lebensprozesses<br />

aparte Wissenschaft vom Menschen entworfen werden. Sie dürfen sich nicht<br />

gleichsam als zweites Bein des historischen Materialismus mißverstehen. Der vielzitierte<br />

»schwankende Boden« der Sozialisationsforschung (Hurrelmann 1976, 12) ist weder<br />

durch die bloße Hinzufügung der Perspektive lebensgeschichtlicher Subjektivität als<br />

theoretischer Quell sui generis, noch durch eine durchweg komplementär angezogene<br />

basal-anthropologische Stützungsstrategie zur humanwissenschaftlichen Konstitution<br />

des spezifisch Menschlichen zu befestigen. »Anthropologisierung des Subjekts«, ein<br />

Verfahren, <strong>das</strong> sich als »Wissenschaft vom Menschen« vorstellt, da ist Luhmann (1979,<br />

319) beizupflichten, »wird zur bürgerlichen Technik der Vermeidung theoretischer Probleme«,<br />

die mit der Wissenschaft von den Menschen zusammenhängen. Zur Kritik<br />

der »impliziten' Anthropologie' des abstrakt-isolierten Individuums« (Holzkamp 1979,<br />

16) und eines ebenso abstrakt gefaßten Wesens der menschlichen Gattung ist <strong>das</strong> Nötige<br />

seitens der Kritischen Psychologie in den letzten Jahren geleistet worden. Ohne Einsicht<br />

in die naturgeschichtliche Gewordenheit der gesellschaftlichen Natur des Menschen<br />

und in die formationsspezifische Bestimmtheit der Individualenrwicklungen<br />

sinkt kultursoziologische Biographieanalyse zu dem herab, wozu <strong>das</strong> historiographische<br />

Genre »Biographie« seit längerem verkommen ist; zu einem »Lager sämtlicher gängiger<br />

Kulturgüter«, die »alle nicht mehr ganz neu« sind, dessen »kunterbuntes Durcheinander<br />

der Allgemeinurteile (über <strong>das</strong> 'WeseIl oes Menschen' - F.K.) und Rezepte (über<br />

die Lebensfühtung der Menschen - F.K.) in Wahrheit Ausdruck völliger Ratlosigkeit«<br />

ist (LowenthaI1955, 363).<br />

2. Gegenüber den in Teil 1. skizzierten biographiebezogenen Ansätzen, in denen die<br />

DAS ARGUMENT 1U; /1981 '9

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