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EINBLICKE - KHSB

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einblickE<br />

Wise 2010<br />

Journal der HocHscHule


2<br />

Querblick<br />

eiNblick<br />

rückblick<br />

AugeNblick<br />

gott uNd die Welt<br />

FerNblick<br />

Ausblick<br />

Inhalt<br />

soziale gesundheit stärken: das verkannte Potential sozialen<br />

Wohlbefindens / sozialer unterstützung / sozialer sicherheit 4<br />

Studentische Identität und gutes Studium 10<br />

»Ach wie gut, dass niemand weiß ...« Ein Interview mit Ingrid Lutz 12<br />

Weiterbildung Pflegeberatung – ein neues Angebot 13<br />

Neue Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 14<br />

Promotionskolleg »Soziale Professionen und Menschen rechte« 15<br />

Forschungsprojekt Ȁlter werdende Eltern und erwachsene<br />

Familienmitglieder mit Behinderung« 16<br />

Auf der Baustelle mit der Startwerkstatt 17<br />

Bachelorpreis der Hamburger Caritasstiftung geht an Studierende der <strong>KHSB</strong> 17<br />

Das Gute im Blick 18<br />

Abschlussbericht der »Kundenstudie« zum unterstützten Wohnen in Berlin 18<br />

Abschluss des europäischen Projekts UNIQ 19<br />

Start des Projektes »Potenziale und Risiken in der familialen Pflege<br />

alter Menschen« 20<br />

Alternative Lehrveranstaltungen an der <strong>KHSB</strong> 20<br />

Zusammenarbeit über Grenzen hinweg 21<br />

Fachgespräch: »Qualitätsanforderungen und Qualitätssicherung internationaler<br />

Praktika und Hospitationen« 21<br />

Religiöse Praxis – die <strong>KHSB</strong> beteiligt sich am interreligiösen Dialog 22<br />

Ehemaliger Student der <strong>KHSB</strong> erhält den Johannes-Stelling-Preis 22<br />

Prof. Dr. Leo J. Penta 23<br />

Prof. Dr. Birgit Bertram 30<br />

Reise nach Oswiecim 24<br />

Die <strong>KHSB</strong> auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München 25<br />

Wie machen es die anderen? 26<br />

Kleine Schritte, die die Welt verändern… 27<br />

Sattelt die Hühner, wir reiten nach Texas! 27<br />

Internationaler Tag an der <strong>KHSB</strong> 28<br />

Sport und Behinderung 28<br />

Gerechte Finanzierung der Pflege 29<br />

Veranstaltungen des ForumFamilie 29<br />

Case-Management in der Sozialen Arbeit 29


Vorausblick<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

ich freue mich, Ihnen die vierte Ausgabe unserer Hochschulzeitung Einblicke<br />

vorzulegen. Zu Beginn des Wintersemesters 2010 / 11 geben wir Ihnen einen Einblick<br />

in neue Entwicklungen in der Hochschule und blicken auf eine Vielzahl von<br />

Projekten des Sommersemesters zurück. Vorangestellt ist der neuen Ausgabe als<br />

QUERBLICK ein Beitrag von Prof. Dr. Dieter Röh mit dem programmatischen Titel<br />

»Soziale Gesundheit stärken«. Gesundheit braucht mehr als medizinische Versorgung.<br />

Gesundheit ist abhängig von sozialen Bedingungen. Diesen Zusammenhang<br />

zu reflektieren, durch Forschung auszuleuchten und Handlungsmethoden für gesundheitsorientierte<br />

Soziale Arbeit im Studium zu vermitteln, ist das Anliegen der<br />

Instituts für Soziale Gesundheit und der katholischen Hochschule insgesamt. Soziale<br />

Gesundheit ist ein Profilelement der katholischen Hochschule. Wir ermöglichen<br />

den Studierenden bereits im Bachelorstudium, sich in einem entsprechenden Studienschwerpunkt<br />

mit Anforderungen an eine gesundheitsorientierte Soziale Arbeit<br />

zu befassen. Der Weiterbildungsmasterstudiengang »Klinische Soziale Arbeit« leistet<br />

eine Vertiefung und Ausdifferenzierung der sozialarbeiterischen Konzepte für<br />

die Bearbeitung komplexer psychosozialer Problemlagen. Ich freue mich, dass wir<br />

in den letzten Tagen die Nachricht erhielten, dass dieser Weiterbildungsstudiengang<br />

gerade erfolgreich reakkreditiert wurde. Der Beitrag von Prof. Dr. Röh steckt<br />

den Rahmen und die Aufgaben einer gesundheitsbezogenen klinischen Sozialen<br />

Arbeit ab. Wie denken Studierende über das Studium an der <strong>KHSB</strong>? Was ist gutes<br />

Studium? Einen kleinen EINBLICK gibt das Forschungsprojekt »Studentische Identität<br />

und gutes Studium«. Es verweist auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen<br />

Arbeit an der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung von Lehre, Forschen<br />

und Administration im Hochschulalltag. Darauf haben sich Lehrende, Studierende<br />

und Verwaltungsmitarbeiterinnen während eines Hochschultags im Mai dieses<br />

Jahres verständigt. Eine hochschulübergreifende Konsultation zum Thema Qualität<br />

in Praktika und Hospitationen im Ausland führte in der <strong>KHSB</strong> Studierende und<br />

Lehrende der drei Berliner Fachhochschulen des Sozialwesens und Vertreterinnen<br />

der Akademie Jabok in Prag zusammen. Im RÜCKBLICK berichten wir über eine<br />

Reihe von Forschungsprojekten, die in jüngster Zeit Ihre Arbeit erfolgreich beendet<br />

oder gerade aufgenommen haben. Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehle<br />

ich die beiden Praxisforschungsprojekte Ȁlter werdende Eltern und erwachsene<br />

Familienmitglieder mit Behinderung« und das Projekt »Potenziale und Risiken in<br />

der familialen Pflege alter Menschen«. Beide Praxisforschungsprojekte haben im<br />

Sommersemester ihre Arbeit aufgenommen. Sie greifen Fragen auf, die mit der<br />

demographischen Veränderung unserer Gesellschaft verbunden sind und Herausforderungen<br />

für die sozialen Professionen bergen.<br />

Ich empfehle die vielfältigen Einblicke in das Leben der <strong>KHSB</strong> Ihrer<br />

Aufmerksamkeit.<br />

3


4<br />

Querblick<br />

soziale gesundheit stärken: Das verkannte potential sozialen<br />

Wohlbefindens/sozialer unterstützung/sozialer sicherheit<br />

1. EInlEItung: Was macht uns EIgEntlIch krank?<br />

DIE top-tEn DEr hEalth rIsks DEr Who<br />

Soziales und Gesundheit, das scheinen auf den ersten Blick<br />

zwei verschiedene Dimensionen und Kategorien zu sein. Soziales<br />

– das hat scheinbar etwas mit Abweichung, Randgruppen,<br />

Kriminalität, Jugendhilfe, Arbeitslosigkeit, Sozialamt zu tun, also<br />

mit etwas, dass es nur bestimmte, marginalisierte, an den Rand<br />

gedrängte Bevölkerungsgruppen betrifft. Gesundheit dagegen<br />

– das hat etwas mit uns allen zu tun: Jeder und jede, ob jung<br />

oder alt, ob Frau oder Mann, ob mit oder ohne Migrationshintergrund,<br />

ob arm oder reich, wir alle hegen und pflegen unsere<br />

Gesundheit und vermeiden oder erleiden Krankheit. Doch ist der<br />

augenscheinliche Gegensatz auch ein tatsächlicher, d.h. hält er<br />

wissenschaftlichen Kriterien und Ansprüchen stand? Schon die<br />

Hinführung zur Frage lässt erkennen, dass dies gewiss nicht so<br />

ist bzw. sein kann und der genauere Blick, den ich im Folgenden<br />

einnehmen möchte, zeigt uns, dass es keineswegs so ist.<br />

Lediglich die öffentliche Meinung, die laienhafte Betrachtung<br />

und auch die medial transportieren Bilder über Gesundheit und<br />

Krankheit lassen so etwas vermuten. In diesem Beitrag soll es um<br />

die Darstellung der sozialen Grundlagen von Gesundheit ebenso<br />

wie um die Frage nach der Herstellung sozialer Gesundheit<br />

gehen. Ein prominenter Platz wird dabei der Sozialen Arbeit als<br />

Expertise für die Zusammenhänge zwischen individueller Lebensführung<br />

und externen, kollektiven Umwelten mit Risiken und<br />

Ressourcen zuerkannt. Soziale Arbeit verfügt wie keine andere<br />

Profession bzw. Disziplin über genügend Kontext- und Anwendungswissen,<br />

um soziale Gesundheit herzustellen. Dass sie dies<br />

nicht allein aus wissenschaftlicher Begründung und professioneller<br />

Tätigkeit heraus kann, werden die Hinweise auf gesellschaftliche<br />

Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und Gesundheit<br />

zeigen. Trotzdem soll versucht werden, die Handlungsbeiträge<br />

der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit in Form von Gesundheitsförderung,<br />

Gesundheitsberichterstattung, Klinischer<br />

Sozialarbeit und Krankenhaussozialarbeit aufzuzeigen und damit<br />

das Potential eines konsequenten Einbezugs der sozialen Seite<br />

der Gesundheit zu verdeutlichen. Für einen ersten Zugriff auf<br />

das Thema lohnt sich ein Blick auf die Top-Ten der Gesundheitsrisiken,<br />

die die Weltgesundheitsorganisation (2009, 9) für die<br />

menschliche Gesundheit erkennt: »More than one third of the<br />

world’s deaths can be attributed to a small number of risk factors.<br />

The 24 risk factors described in this report are responsible<br />

for 44% of global deaths and 34% of DALYs; the 10 leading risk<br />

factors account for 33% of deaths. […] The five leading global<br />

risks for mortality in the world are high blood pressure, tobacco<br />

use, high blood glucose, physical inactivity, and overweight and<br />

obesity. […] The leading global risks for burden of disease in the<br />

world are underweight and unsafe sex, followed by alcohol use<br />

and unsafe water, sanitation and hygiene.«


Die Aufzählung verrät uns also zunächst, dass bestimmte Gesundheitsrisiken,<br />

wie z.B. Bluthochdruck, Tabakkonsum, hoher<br />

Blutzucker, Bewegungsmangel und Übergewicht, für einen<br />

Großteil tödlicher Krankheiten verantwortlich sind. Diese sind,<br />

wie sich unschwer erkennen lässt, alle mit sogenannten Zivilisationskrankheiten,<br />

wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

Diabetes oder Krebs, verbunden und damit dem Lebensstil moderner<br />

Menschen in den industriell entwickelten Staaten dieser<br />

Welt geschuldet. Die Aufzählung zeigt uns aber auch, dass sich<br />

daneben nach wie vor auch genügend Gesundheitsrisiken im<br />

Bereich von Untergewicht, ungeschütztem Geschlechtsverkehr,<br />

Alkoholmissbrauch und unsauberem Wasser bzw. mangelnder<br />

Hygiene und dies vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern<br />

finden lassen. Zerfällt die Welt also in zwei Teile, deren<br />

Gesundheitsrisiken recht unterschiedlich sind? Die einen gefährden<br />

durch ihren Lebensstil ihre Gesundheit und die anderen leiden<br />

unter den mangelhaften Umständen im Bereich Ernährung,<br />

Versorgung und Gesundheitsverhalten? Sicherlich spricht einiges<br />

für diese Polarität im Bereich der Gesundheitsstörungen bzw.<br />

des Gesundheitsverhaltens, jedoch gibt es auch hierzulande genügend<br />

Hinweise für eine soziale Verursachung von Krankheiten<br />

bzw. eine Mitverursachung respektive Verschlechterung derselben.<br />

Denn wie Abbildung 1 zeigt, ist, weltweit gesehen, die<br />

Ausstattung und der Zugriff auf ökonomische Mittel, hier ausgedrückt<br />

durch das Einkommen der Bevölkerung, ein wesentlicher<br />

Faktor, der das Krankheitsrisiko zum Teil erheblich potenziert.<br />

Menschen mit geringem Einkommen sind beispielsweise sowohl<br />

im Bereich des Gesundheitsverhaltens (siehe hierzu die ernährungsrelevanten<br />

Faktoren, wie z.B. hoher Blutzucker oder hohes<br />

Cholesterin) als auch im Bereich der Umweltfaktoren (siehe hierzu<br />

Untergewicht bei Kindern oder unsauberes Wasser) größeren<br />

Risiken ausgesetzt.<br />

Figure 7: Percentage of disability-adjusted life years (DALYs) attributed to 19 leading risk factors,<br />

by country income level, 2004.<br />

Childhood underweight<br />

Unsafe sex<br />

Alcohol use<br />

Unsafe water, sanitation, hygiene<br />

High blood pressure<br />

Tobacco use<br />

Suboptimal breastfeeding<br />

High blood glucose<br />

Indoor smoke from solid fuels<br />

Overweight and obesity<br />

Physical inactivity<br />

High cholesterol<br />

Occupational risks<br />

Vitamin A deficiency<br />

Iron deficiency<br />

Low fruit and vegetable intake<br />

Zinc deficiency<br />

Illicit drugs<br />

Unmet contraceptive need<br />

High income<br />

Middle income<br />

Low income<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

Percent of global DALYs (total: 1.53 billion)<br />

Abb. 1: Todesfälle mit verursachenden Gesundheitsrisiken in Verbindung<br />

mit dem Einkommensniveau (WHO 2009, 104)<br />

Noch stärker schlägt diese Ungleicheit zu Buche, wenn man sich<br />

die Lebensjahre mit schlechter Gesundheit (disability-adjusted<br />

life years) anschaut, eine Maßzahl, die nicht auf die Lebensdau-<br />

er rekurriert, sondern die gesunden bzw. kranken Lebensjahre<br />

wiedergibt: In Abb. 2 ist klar zu sehen, dass sich hier die Einkommensverteilung<br />

erheblich negativer auswirkt als noch bei<br />

den Risiken selbst, d.h. die Folgen von beispielsweise schlechter<br />

Ernährung oder Alkohol- und Tabakkonsum wirken sich negativer<br />

bei geringem Einkommen aus als bei mittleren oder höheren<br />

Einkommen.<br />

Figure 6: Deaths attributed to 19 leading risk factors, by country income level, 2004.<br />

High blood pressure<br />

Tobacco use<br />

High blood glucose<br />

Physical inactivity<br />

Overweight and obesity<br />

High cholesterol<br />

Unsafe sex<br />

Alcohol use<br />

Childhood underweight<br />

Indoor smoke from solid fuels<br />

Unsafe water, sanitation, hygiene<br />

Low fruit and vegetable intake<br />

Suboptimal breastfeeding<br />

Urban outdoor air pollution<br />

Occupational risks<br />

Vitamin A deficiency<br />

Zinc deficiency<br />

Unsafe health-care injections<br />

Iron deficiency<br />

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000<br />

Mortality in thousands (total: 58.8 million)<br />

Abb. 2: Anteile an »disability-adjusted life years (DALYs)« bezüglich der<br />

19 führenden Risikofaktoren, in Verbindung mit dem Einkommensniveau<br />

(WHO 2009, 10)<br />

Liegt also in der sozialen Lage der Menschen selbst ein gesundheitliches<br />

Risiko? Die genannten sozialepidemiologischen Daten<br />

deuten darauf hin und geben somit Anlass für eine verknüpfende<br />

Betrachtung beider Dimensionen: des Sozialen und der<br />

Gesundheit. Zur Erklärung des augenfälligen Zusammenhangs<br />

bieten sich zwei Modelle an: Zum einen wird in der sog. Verursachungshypothese<br />

davon ausgegangen, dass sich ein schlechter<br />

sozio-ökonomischer Status negativ auf die Gesundheit auswirkt,<br />

zum anderen erklärt die sog. Drift-Hypothese, warum kranke<br />

Menschen (insbesondere chronisch kranke Menschen) häufiger<br />

von Armut oder einem schlechten sozio-ökonomischen Status<br />

betroffen sind als gesunde (vgl. Mielck 2000).<br />

2. Warum machen uns soziale Faktoren krank?<br />

theoretische grundlagen und Erklärungsmodelle<br />

High income<br />

Middle income<br />

Low income<br />

Die oben erwähnten Hypothesen lassen sich bislang vor allem<br />

über ein transitives Modell erklären, das annimmt, dass bestimmte<br />

soziale Ungleichheiten für ein bestimmtes Risikoniveau<br />

verantwortlich sind, das dann wiederum auf die Gesundheit<br />

Einfluss nimmt. So entstehen durch die jeweilige soziale Lage<br />

zum einen Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen<br />

selbst, zum anderen aber auch im Bereich der Inanspruchnahme<br />

gesundheitlicher Versorgung. Schließlich spielt auch das gesundheitsbezogene<br />

Verhalten selbst, also z. B. die Einstellung zur<br />

eigenen Gesundheit und das daraus resultierende Maß an ge-<br />

5


6<br />

Querblick<br />

sundheitsbewusstem Verhalten, eine entsprechende Rolle: Neben<br />

den oben referierten Erkenntnissen und Erklärungen stehen der<br />

Sozialen Arbeit im Bereich von Gesundheit und Krankheit weitere<br />

Theorien zur Verfügung. Mit der Sozialökologie oder ökosozialen<br />

Theorie verfügt sie über ein Grundverständnis, das das<br />

Verhalten von Menschen in einem transaktionalen Zusammenhang<br />

mit ihren Verhältnissen sieht. Menschen agieren in einer<br />

sie umgebenden natürlichen, kulturellen und sozialen Umwelt,<br />

aus der sowohl Risiken wie auch Ressourcen für die Erhaltung<br />

von Gesundheit oder die Vermeidung von Krankheit resultieren.<br />

unterschiede in den<br />

gesundheitlichen<br />

Belastungen<br />

(z. B. psychische und<br />

physische Belastung am<br />

Arbeitsplatz)<br />

soziale ungleichheit<br />

(Unterschiede in Wissen, Macht, Geld und Prestige)<br />

unterschiede in den<br />

Bewältigungsressourcen,<br />

Erholungsmöglichkeiten<br />

(z. B. soziale Unterstützung,<br />

Grünfläche in der<br />

Wohnumgebung)<br />

unterschiede im gesundheitsverhalten<br />

(z. B. Ernährung, Rauchen, Compliance)<br />

gesundheitliche ungleichheit<br />

(Unterschiede in Morbidität und Mortalität)<br />

unterschiede in der<br />

gesundheitlichen<br />

Versorgung<br />

(z. B. Zahnersatz, Arzt-<br />

Patient-Kommunikation)<br />

Abb. 3: Erklärungsmodell zur gesundheitlichen Ungleichheit,<br />

Mielck 2000, S. 173<br />

Sozialökologisch gedacht wird dabei Lebensführung als fortlaufender<br />

Bewältigungsprozess verstanden, der eine dynamische<br />

und auf eine gelingende Lebensführung abzielende, beständige<br />

Auseinandersetzung mit den individuellen Lebenszielen und<br />

–möglichkeiten sowie den in der Umwelt vorfindlichen Ressourcen<br />

und Begrenzungen der eigenen Lebensführung umfasst. In<br />

Abwandlung eines bekannten Satzes von Karl Marx (aus: »Der<br />

achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte«) könnte man sagen:<br />

Die Menschen machen ihre eigene Gesundheit, aber sie machen<br />

sie nicht nur aus freien Stücken, nicht nur unter selbstgewählten,<br />

sondern auch unter unmittelbar vorgefundenen und gegebenen<br />

Umständen. Bei dem medizinsoziologischen Stressforscher Aaron<br />

Antonovsky finden wir ein ähnliches Gesundheitsverständnis,<br />

das wiederum für den Zusammenhang von sozialer Lage und<br />

Gesundheit entscheidende Hinweise liefert. Antonovsky (1997)<br />

beschrieb in seinem Modell der »Salutogenese« das Zusammenwirken<br />

einer individuellen, psychologischen Variable, die er »Kohärenzgefühl«<br />

nannte, und sozialen Variablen, die er unter dem<br />

Terminus »Generalisierte Widerstandsressourcen« zusammenfasste.<br />

Das Kohärenzgefühl als ein Persönlichkeitsfaktor spiegelt<br />

nach Ansicht Antonovskys eine psychische Disposition wider, die<br />

allerdings durch Erfahrungen erworben wird und nach der Menschen<br />

in unterschiedlichem Maße davon überzeugt sind, dass sie<br />

etwas an ihrer Lage, auch ihrer Gesundheit, verändern können<br />

oder nicht. Das Kohärenzgefühl besteht aus drei Teilkomponenten:<br />

erstens durch die Fähigkeit zum Verstehen der jeweiligen<br />

Anforderungen (sense of comprehensibility), die mich in die Lage<br />

versetzt, Informationen in einem Bewertungsprozess als relevant,<br />

irrelevant, herausfordernd oder gefährlich und auch deren<br />

Herkunft, voraussichtlicher Dauer und Dringlichkeit einschätzen<br />

zu können. Zweitens zählt zum Kohärenzgefühl auch die Fähigkeit<br />

zum adäquaten Umgang mit diesen Erkenntnissen und der<br />

Bewältigung im engeren handlungszentrierten Sinne (sense of<br />

manageability). Diese Fähigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass<br />

ich zur Lösung einer erkannten Herausforderung bzw. eines<br />

Problems die nötigen praktischen Fähigkeiten besitzen muss, um<br />

es anzugehen. Hierzu gehören also wiederum Kenntnisse über<br />

Lösungswege und Bewältigungsressourcen wie auch Fertigkeiten<br />

zu deren Umsetzung. Drittens gehört zum Kohärenzgefühl nach<br />

Ansicht Antonovskys eine motivationale Komponente (sense of<br />

meaningfulness), die anzeigt, wie viel Energie jemand zur Bewältigung<br />

des Problems aufbringen kann. Wesentlich hierbei ist, wie<br />

viel »Sinn« in dem Problem selbst gesehen wird und vor allem,<br />

wie stark die Überzeugung ist, das durch das eigene Handeln etwas<br />

zu verändern bzw. zu bewirken ist. Neben dieser individuellen<br />

Konstitution setzt das Modell der Salutogenese auch auf die<br />

sog. »Generalisierten Widerstandsressourcen«, die Antonovsky<br />

in individuellen (z.B. körperlichen Faktoren, Intelligenz, Bewältigungsstrategien)<br />

als auch in sozialen und kulturellen Faktoren<br />

(z.B. soziale Unterstützung, finanzielle Möglichkeiten, kulturelle<br />

Stabilität) sah. Unterm Strich wird deutlich, dass sich auch mithilfe<br />

dieses Modells die Zusammenhänge zwischen individueller<br />

Konstitution (Verhalten) und sozialer Verfasstheit (Verhältnisse)<br />

verstehen lassen. Zuletzt hat die Weltgesundheitsorganisation im<br />

Jahre 2001 mit ihrer International Classification of Functioning,<br />

Disability and Health (ICF) diesem bipolaren, aber komplementären<br />

Verständnis Rechnung getragen und die Entstehung von<br />

Behinderung als negative Wechselwirkung zwischen einer Gesundheitsstörung<br />

und Umweltfaktoren sowie personenbezogenen<br />

Faktoren definiert (Deutsche Übersetzung unter www.dimdi.<br />

de). Überhaupt setzt die Weltgesundheitsorganisation schon seit<br />

ihrem Bestehen auf ein multidimensionales Gesundheitsverständnis<br />

und proklamierte schon 1948, dass Gesundheit ein Zustand<br />

vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens<br />

sei und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung.<br />

Diese biopsychosoziale Sichtweise setzte sich auch in der<br />

o.g. ICF sowie in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung<br />

(1986) durch und sollte als unumstrittener Maßstab für jedwedes<br />

Handeln im Bereich der Gesundheitsversorgung gelten.<br />

Umgesetzt finden wir es jedoch bislang hauptsächlich in der<br />

Rehabilitation, dort vor allem in psychosomatischen, psychotherapeutischen<br />

oder psychiatrischen Einrichtungen und wesentlich<br />

seltener in rein somatischen Fächern der Medizin. Lediglich die<br />

sog. »Integrierte Medizin« (v. Uexküll/Wesiack, 2003) leitet ihr<br />

Handlungskonzept konsequent aus einem solchen biopsychosozialen<br />

Modell ab, ebenso wie die Klinische Soziale Arbeit (Pauls<br />

2004, Ortmann/Röh 2008).


3. FormEn Von gEsunDhEItsBEzogEnEr sozIalEr arBEIt<br />

Soziale Arbeit kann auf den oben beschriebenen Zusammenhang<br />

durch ihre Expertise für die Zusammenhänge zwischen<br />

Individuum und Gesellschaft oder zwischen dem »Psychosomatischen«<br />

(Leib, Geist, Handeln) und dem »Sozialen« (Beziehungen,<br />

Normen, materielle Umgebung) in vielerlei Weise Einfluss<br />

nehmen. Traditionell ist die Soziale Arbeit als Beruf schon in<br />

ihren Pionierjahren (um 1900) als Fürsorgearbeit im Gesundheitswesen<br />

bzw. Gesundheitssektor tätig gewesen. Alice Salomon<br />

(1872-1948), die 1908 die erste soziale Frauenschule mit dem<br />

Anspruch der Professionalisierung des bisherigen, häufig ehrenamtlichen<br />

Helfens aufbaute, berichtet in ihrem Werk »Sociale<br />

Diagnose« von 1926 von einer Aussage des amerikanischen Arztes<br />

Richard Cabot und schrieb hierzu: »Noch enger wurde das<br />

Zusammenwirken von Arzt und Fürsorgerin in der sozialen Krankenhausfürsorge,<br />

für die uns die ersten Anregungen aus Amerika<br />

gekommen sind. Hierbei sind die sozialen Ermittlungen oft<br />

geradezu als Unterlagen für die ärztliche Diagnose zu verwenden.<br />

Dr. Richard Cabot aus Boston, Begründer einer der ersten<br />

sozialen Krankenhausfürsorge-Stellen, wollte durch Anstellung<br />

geschulter Sozialbeamtinnen nicht eine Vermischung von ärztlicher<br />

und sozialer Arbeit, sondern eine chemische Verbindung<br />

von beiden herbeiführen. Er sagt: »Wenn wir zusammenfassend<br />

über unsere Fälle in der sozialen Krankenhausfürsorge berichten,<br />

legen wir uns vier Fragen vor: 1. Wie ist der Gesundheitszustand<br />

des Patienten? 2. Wie ist sein Charakter, sein geistig-moralischer<br />

Zustand? 3. Wie sind die äußeren Verhältnisse beschaffen, unter<br />

denen er aufgewachsen ist und lebt? 4. Wie sind die geistigseelischen<br />

Einflüsse beschaffen, unter denen er aufgewachsen ist<br />

und lebt? Der Arzt weiß in der Regel viel über den ersten Punkt,<br />

etwas über den zweiten – über die beiden anderen so gut wie<br />

nichts auszusagen.« (S. 5 f.) Das hier in Andeutungen ersichtliche<br />

hierarchische Unterstellungsverhältnis, dass nämlich die<br />

sozialen Ermittlungen als Unterlagen für die ärztliche Diagnose<br />

zu verwenden seien, finden wir auch heute häufig wieder, wenn<br />

sich beispielsweise Soziale Arbeit im Krankenhaus als sozialadministrative<br />

Tätigkeit darstellt, die sich parallel neben der medizinischen<br />

Behandlung hauptsächlich als Sozialberatung sowie Organisation<br />

von Anschlussheilbehandlungen oder Nachsorge (etwa<br />

Unterbringung in Pflegeheimen bei älteren Patienten) manifestiert.<br />

Dass aber durch die Soziale Arbeit selbst ein Behandlungseffekt<br />

erzielt werden kann, und sei es auch nur, dass die medizinischen<br />

Behandlungen dadurch besser vom Patienten angenommen<br />

oder im häuslichen Alltag umgesetzt werden können oder<br />

der behandelnde Arzt gleich auf die lebensweltlichen Zusammenhänge<br />

hingewiesen wird, liegt auf der Hand. Hierzu noch<br />

einmal Richard Cabot, zitiert nach Alice Salomon: »Die soziale<br />

Arbeit hat nicht einen besonderen Gesichtswinkel, sondern ist<br />

auf den gesamten Menschen eingestellt, und das kann der soziale<br />

Arbeiter den Ärzten nahe bringen, die durch ihre Ausbildung<br />

oft dazu verführt werden, das Blickfeld zu verengen.« (S. 6). In<br />

dieser Zeit manifestierte sich die Gesundheitsfürsorge als Tätigkeit<br />

in den Bereichen der psychiatrischen Anstalten und sonsti-<br />

gen Rehabilitationsstätten ebenso wie in der Trinkerfürsorge, in<br />

den Gesundheitsämtern (dort v.a. als Tuberkulose-Fürsorge und<br />

Hygiene-Beratung) und in der Schulgesundheitspflege. Ziel dieser<br />

Bemühungen war es, neben der Verhinderung der Ausbreitung<br />

von ansteckenden Krankheiten, wie etwa der Tuberkulose, auch<br />

die Lebens- und Wohnbedingungen der Menschen insgesamt,<br />

und zuvorderst in den Großstädten mit ihrer engen Bebauung<br />

und den dunklen, unhygienischen, stickigen Mietwohnungen,<br />

zu verbessern. Auch war mit dieser Gesundheitsfürsorge ein<br />

gewisser Erziehungsanspruch verbunden, der die Menschen in<br />

ihrem Lebensstil zu Mäßigung, Sauberkeit und Ordnung anhalten<br />

sollte. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beteiligten sich<br />

aber auch an den ersten Untersuchungen über gesundheitliche<br />

Missstände im Rahmen der sog. Sozial-Enquêten, die hauptsächlich<br />

von den gerade erst entstandenen Krankenkassen oder auch<br />

von Wohnungsbaugenossenschaften durchgeführt wurden. Soziale<br />

Arbeit hat also sehr früh einen Bezug zur gesundheitlichen<br />

Lage und Versorgung gehabt und diesen in den letzten 100<br />

Jahren auch ausbauen können. So beschreiben Ortmann/Waller<br />

(2005) immerhin elf verschiedene Handlungsfelder, in denen<br />

gesundheitsbezogene Soziale Arbeit stattfindet. Dabei kann man<br />

zwischen Tätigkeiten im Gesundheitswesen (im Krankenhaus, im<br />

Öffentlichen Gesundheitswesen, in der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

in der Sozialpsychiatrie, in der Suchtkrankenhilfe und<br />

in der Rehabilitation) und solchen im Sozialwesen (Kindergärten,<br />

Jugendhilfe, Schulen, Stadtteil, Wohnungslosenhilfe) unterscheiden.<br />

Sting/Zurhorst (2000) gehen von fünf großen Bereichen<br />

aus: Gesundheits-Selbsthilfe, Jugendarbeit, Gemeinwesenarbeit,<br />

Suchtkrankenhilfe, Klinische Sozialarbeit.<br />

4. VIEr tätIgkEItsFElDEr EInEr gEsunDhEItsBEzogEnEn<br />

sozIalEn arBEIt<br />

An dieser Stelle möchte ich vor allem vier Ansätze bzw. Tätigkeitsbereiche<br />

unterscheiden, nämlich die Gesundheitsförderung<br />

und die Gesundheitsberichterstattung als allgemeine und die<br />

Krankenhaussozialarbeit und die Klinische Sozialarbeit als besondere<br />

Formen der Sozialen Arbeit im Bereich von Gesundheit und<br />

Krankheit. Die Darstellung wird notwendigerweise auf Skizzen<br />

der jeweiligen Bereiche reduziert bleiben müssen.<br />

gesundheitsförderung<br />

Mit der Entdeckung von bakteriellen und viralen Übertragungswegen<br />

durch Robert Koch Ende des 19. Jahrhunderts erreichte<br />

die Medizin einen neuen Zugang zu Krankheiten, die sie nicht<br />

länger nur behandeln, sondern denen sie auch in weiten Teilen<br />

vorbeugen konnte. Aufklärung und Information über notwendige<br />

Hygienemaßnahmen sowie weitere Maßnahmen, wie etwa<br />

der Bau von Kanalisationen und einer Frischwasserversorgung<br />

in den Städten, führten dazu, dass Übertragungskrankheiten<br />

wie Tuberkulose oder auch Typhus erheblich zurückgingen und<br />

gleichzeitig die weiteren Fortschritte in der Behandlung (und<br />

v.a. die neuen Hygiene-Standards in der Geburtshilfe) für eine<br />

7


8<br />

Querblick<br />

steigende Lebenserwartung der Menschen sorgten. Gegenüber<br />

der Krankheitsvorbeugung, zu der man ein unbedingtes Wissen<br />

über die kausalen Zusammenhänge von Risikofaktoren und<br />

Krankheitsfolgen benötigt, geht die Gesundheitsförderung von<br />

einem anderen Prinzip aus. Sie wird als Prozess verstanden, der<br />

Menschen befähigen soll, durch individuelle und soziale Maßnahmen<br />

mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen. Gesundheitsförderung<br />

setzt also neben der individuellen Ansprache<br />

an das Gesundheitsverhalten unbedingt auch an den sozialen<br />

Strukturen und sozialen Faktoren an, die die gesundheitliche<br />

Lage von Menschen beeinflussen (siehe den oben beschriebenen<br />

Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheit). Zudem wird<br />

eine andere Philosophie mit Gesundheitsförderung verbunden,<br />

denn anders als im Bereich Prävention wo nach einem pathogenetischen<br />

Muster gedacht und gehandelt wird (»Wie entstehen<br />

Krankheiten?«), wird im Bereich der Gesundheitsförderung eine<br />

salutogenetische Perspektive eingenommen (»Wie entsteht<br />

Gesundheit?«). So werden vor allem die Ressourcen zum gesund<br />

bleiben, statt die Risiken zum krank werden in den Blick<br />

genommen. Gesundheitsförderungsmaßnahmen wirken damit<br />

zwar auf eine Art ebenfalls präventiv, fokussieren aber nicht die<br />

Verhütung einer bestimmten Krankheit, sondern wollen die Gesundheit<br />

der Menschen im Allgemeinen stärken und verbessern.<br />

Ein zentrales Dokument der Gesundheitsförderung ist die bereits<br />

erwähnte Ottawa-Charta der Vereinten Nationen, die 1986 auf<br />

einer der ersten Konferenzen zum Thema veröffentlicht wurde.<br />

Sie definiert verschiedene Handlungsfelder (Entwicklung einer<br />

gesundheitsfördernden Gesamtpolitik, gesundheitsfördernde Lebenswelten<br />

schaffen, gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen,<br />

persönliche Kompetenzen entwickeln, Gesundheitsdienste<br />

neu orientieren), in denen mit den Handlungsstrategien Vernetzung,<br />

Anwaltschaft und Befähigung die gesundheitliche Lage der<br />

Bevölkerung insgesamt verbessert werden soll. Zentral ist dabei<br />

der sog. Setting-Ansatz: Maßnahmen zur Gesundheitsförderung<br />

sollen nicht künstlich angelegt sein, sondern grundlegend in die<br />

Lebenswelt der Menschen integriert werden, z.B. durch entsprechende<br />

Maßnahmen in Schulen, an Arbeitsplätzen, in Städten<br />

usw. Damit gewinnt dieser Ansatz eine deutliche Nähe zur lebensweltorientierten<br />

Sozialen Arbeit und ist deshalb gerade für<br />

viele Bereiche der Sozialen Arbeit von Bedeutung.<br />

gesundheitsberichterstattung<br />

Eine eher indirekte Maßnahme zur Stärkung der sozialen Seite<br />

der Gesundheit ist die seit den 1990'er Jahre entstandene und in<br />

vielen Bereich mittlerweile etablierte Gesundheitsberichterstattung,<br />

die neben den klassischen Berichten über die soziale Lage<br />

der Bevölkerung wesentliche Daten über die gesundheitliche<br />

Lage und die gesundheitliche Versorgung sowie die Häufigkeit<br />

von gesundheitlichen Belastungen liefern kann. Neben den eingangs<br />

zitierten Berichten der WHO werden auch in Deutschland<br />

auf Bundes- (www.gbe-bund.de) als auch auf Länderebene und<br />

vereinzelt auch in den Kommunen in regelmäßigen Abständen<br />

Reporte erstellt, die entweder allgemeine Indikatoren und Maß-<br />

nahmen beschreiben oder spezifische Schwerpunkte setzen, z.B.<br />

zur Kindergesundheit. Zielgruppe der Gesundheitsberichte sind<br />

in erster Linie jene Instanzen, die politische oder strukturelle Entscheidungen<br />

über Maßnahmen oder Veränderungen herbeiführen<br />

können, also Politiker, Arbeitgeber, Verbände, Krankenkassen<br />

und andere Organisationen.<br />

klinische sozialarbeit<br />

Neben einer pädagogischen Ausrichtung hat die Einzelfallhilfe<br />

in der Sozialen Arbeit auch eine therapeutische, behandelnde<br />

Interventionsform herausgebildet, die in Anlehnung an den<br />

anglo-amerikanischen Terminus »Clinical Socialwork« auch in<br />

Deutschland als Klinische Sozialarbeit verbreitet ist. Die »klinische«<br />

Ausrichtung ist jedoch nicht auf »krankenhausbezogen«<br />

zu reduzieren, vielmehr besteht der besondere Ansatz in der<br />

Behandlung von sozio-psycho-somatisch zu verstehenden Störungen,<br />

Erkrankungen und Behinderungen im Allgemeinen, wobei<br />

das »Klinische« weit über eine rein individuelle Betrachtung<br />

von Störungen hinausgeht und sich gerade durch den Einbezug<br />

sozialer Umweltbedingungen auszeichnet. Denn immer ist im<br />

Fall des sozialarbeiterischen Handelns das in Rechnung zu stellen,<br />

was bereits eine Pionierin der Sozialen Arbeit, Jane Addams<br />

(1860-1935) als »vortex causation« bezeichnete: das »kumulative<br />

Feld persönlicher Schwierigkeiten, verwirrenden gesetzlichen<br />

Regelungen, multiplen Krankheiten und konfliktiven Kulturen«<br />

(Addams zitiert nach: Staub-Bernasconi 1995, 49). Krankheiten,<br />

Störungen und Behinderungen entstehen in der Analyse<br />

Klinischer Sozialarbeit in einem Gefüge von bio-psycho-sozialen<br />

Einflüssen und ziehen immer auch entsprechende Folgen in diesen<br />

Bereichen nach sich. Der Wert der gesundheitsbezogenen<br />

Sozialen Arbeit, und damit auch der Klinischen Sozialarbeit als<br />

behandlungskompetenter Professionalität innerhalb der Krankenversorgung<br />

bemisst sich daher am Ziel der Verringerung von<br />

sozialen Gradienten sowohl im Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen<br />

wie auch in der Bewältigung von gesundheitlichen<br />

und sozialen Problemen. Klinische Sozialarbeit findet in therapeutischen<br />

Kontexten der psychiatrischen, neurologischen aber auch<br />

in somatischen Bereichen der Krankenversorgung statt und liefert<br />

dort wertvolle Beiträge zu einer ganzheitlichen Betrachtung und<br />

Behandlung von Krankheiten. Sie bedient sich dazu moderner<br />

Methoden Sozialer Diagnostik (vgl. Pantucek 2010, Pantucek/<br />

Röh 2009, Heiner 2004) und Sozialer Therapie, um bestmögliche<br />

Interventionen zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage von<br />

Einzelnen, Familien und Gruppen leisten zu können (vgl. Schaub<br />

2008).<br />

krankenhaussozialarbeit<br />

In einer besonderen Form findet Klinische Sozialarbeit auch<br />

als Krankenhaussozialarbeit statt. Diese schon 1905 als soziale<br />

Krankenhausfürsorge vom bereits erwähnten Bostoner Arzt Richard<br />

Cabot gegründete Institution hat sich mittlerweile auch in<br />

Deutschland zur Standardversorgung entwickelt. Jedes Krankenhaus<br />

verfügt über einen Sozialdienst, der sich laut § 112, Abs. 2


Nr. 4 des Vierten Sozialgesetzbuches um die soziale Betreuung<br />

und Beratung von Versicherten kümmern soll, wobei entsprechende<br />

Landeskrankenhausgesetze die Tätigkeitsfelder mitunter<br />

näher spezifizieren. Nicht immer sind in diesen Sozialdiensten<br />

Fachkräfte der Sozialen Arbeit tätig, da mitunter auch Pflegepersonal<br />

oder andere Berufsgruppen eingesetzt werden. Zu den<br />

Aufgabenfeldern bzw. Tätigkeitsbereichen gehören neben der<br />

sozialen Beratung von Patientinnen und Patienten und deren<br />

Angehörigen auch das Case Management (häufig als Entlassungsmanagement)<br />

sowie soziale Gruppenarbeit und vereinzelt<br />

auch Sozio- oder Sozialtherapie. Die Sozialdienste arbeiten dabei<br />

eng mit dem medizinischen, pflegerischen und therapeutischen<br />

Personal des Krankenhauses zusammen. Entscheidend für den<br />

Erfolg der Krankenhaussozialarbeit ist der Zeitpunkt der Einbeziehung<br />

in die Behandlung (früh oder erst kurz vor der Entlassung),<br />

die damit verbundene Dauer und Intensität des Kontaktes<br />

zu den Patientinnen und Patienten sowie die personelle und<br />

organisatorische Ausstattung und Einbindung in die Organisationsstruktur<br />

des Krankenhauses. Klinische Sozialarbeit als Arbeit<br />

im Krankenhaussozialdienst unterstützt die Bewältigungsprozesse<br />

bei akuten, schweren oder chronischen Erkrankungen,<br />

insoweit die soziale Situation der Patienten betroffen ist. Sie<br />

diagnostiziert die die Krankheit beeinflussenden soziale Faktoren,<br />

wie beispielsweise das Vorhandensein einer ausreichenden<br />

materiellen, häuslichen Versorgung oder auch von Angehörigen,<br />

Freunden, Nachbarn, die den Patienten im Sinne sozialer<br />

Unterstützung nach Rückkehr in ihre häusliche Umgebung<br />

entsprechend helfen können. So nennen denn auch 63% der in<br />

einer Studie der Deutschen Vereinigung für den Sozialdienst im<br />

Krankenhaus (heute Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im<br />

Gesundheitswesen, DVSG) befragten Nutzerinnen und Nutzer<br />

eines Kranken haussozialdienstes, dass Gegenstand der Beratung<br />

die Hilfe durch die Familie war. 20% gaben an, dass es um nachbarschaftliche<br />

Hilfe in den Beratungen ging und für 37% war<br />

die Hilfe im Haushalt von entscheidender Bedeutung. Daneben<br />

sind Informationen über Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen,<br />

Sozialstationen und anderweitige Betreuung von Interesse (Layer/Mühlum<br />

2003, S. 35).<br />

Prof. Dr. Dieter Röh ist Professor für Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Department Soziale<br />

Arbeit. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit,<br />

insb. im Bereich der Behindertenhilfe, Psychiatrie und Klinischen Sozialarbeit<br />

Die Literaturliste zum Artikel kann auf Anfrage gern zugeschickt werden.<br />

E-Mail: kaplow [at] khsb-berlin.de<br />

5. ausBlIck<br />

Soziale Arbeit und Gesundheit stehen in einem engen Zusammenhang,<br />

wie oben gezeigt werden konnte. Soziale Einflüsse,<br />

wie z.B. die soziale Lage oder auch das Maß an sozialer Integration,<br />

wirken auf die Gesundheit von Menschen ein und Gesundheit<br />

selbst wiederum ist eine starke Ressource zur Bewältigung<br />

von Lebensaufgaben und alltäglichen Anforderungen. Aus<br />

diesem Grunde sollte die soziale Gesundheit der Bevölkerung<br />

viel stärker in den Blickpunkt gerückt werden, hier sind enorme<br />

Potentiale für mehr Gesundheit und auch effektivere Behandlung,<br />

insbesondere von schwerwiegenden oder chronischen<br />

Erkrankungen, zu erwarten. Statt immer mehr Geld in die Medikotherapie<br />

oder die Apparatemedizin zu stecken, sollte sich<br />

einerseits die Medizin selbst wieder zu einer »sprechenden Medizin«<br />

entwickeln und andererseits die sozialen Einflüsse auf Gesundheit<br />

ernsthaft und vollständig in die Versorgung integriert<br />

werden. Hierzu bedarf es auch entsprechender Umsteuerungen<br />

im Versorgungssystem, von denen die Integrierte Versorgung<br />

nach § 140 SGB V eine solche moderne, integrierende Versorgungsform<br />

darstellen könnte. Soll das kooperative Zusammenwirken<br />

von Ärzten, Sozialdiensten, Pflege- und Krankenkassen,<br />

stationären, wie teilstationären und ambulanten Hilfen und<br />

vieler anderer Gesundheits- und Krankheitsinstitutionen erfolgreich<br />

verlaufen, bedarf es schließlich auch einer professionell<br />

ausgeführten und anerkannten Klinischen Sozialen Arbeit bzw.<br />

gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit, die ihre Expertise für die<br />

Zusammenhänge zwischen individuell feststellbarer Krankheit<br />

und lebensweltlichen, sozialen Einflüssen in den notwendigerweise<br />

multiprofessionellen Behandlungsprozess einfließen lassen<br />

kann. Sollte dies geschehen, so ist die soziale Seite der Gesundheit<br />

berücksichtigt und sind die verkannten Potentiale sozialer<br />

Ressourcen angemessen genutzt.<br />

9


10<br />

eiNblick<br />

studentische Identität und gutes studium<br />

eiNblick iN die ergebNisse eiNes ForschuNgsProjektes<br />

Prof. Dr. Ralf Quindel<br />

Der Bolognaprozess, die Rahmenbedingungen<br />

der Hochschulbildung in Deutschland<br />

und die konkrete Gestaltung von Bachelor-<br />

und Masterstudiengänge werden<br />

vielerorts kritisch diskutiert. Studierende<br />

klagen über die Verschulung durch Anwesenheitspflicht<br />

und hohe Prüfungsbelastung,<br />

Hochschullehrer/innen über die<br />

mangelnde Motivation der Studierenden.<br />

Diese Situation war Ausgangspunkt eines<br />

Forschungsprojekts, das die Perspektive<br />

der Studierenden beschreiben und verstehen<br />

möchte. Die qualitative Studie<br />

wurde im Bachelor Soziale Arbeit an der<br />

Katholischen Hochschule für Sozialwesen<br />

Berlin im Wintersemester 2009/2010<br />

von Prof. Dr. Ralf Quindel unter Mitarbeit<br />

der Studierenden André Kremer und<br />

Daniela Stegemann durchgeführt. Nach<br />

einer Datenerhebung in Form von drei<br />

Gruppendiskussionen mit Studierenden<br />

der Sozialen Arbeit aus dem ersten und<br />

siebten Semester, wurde die Auswertung<br />

mit Hilfe eines inhaltsanalytischen Verfahrens<br />

vorgenommen. Aus den Ergebnissen<br />

der Studie werden hier exemplarisch zwei<br />

Aspekte ausgewählt und mit Zitaten aus<br />

den Gruppendiskussionen mit Studierenden<br />

aus dem siebten Semester illustriert.<br />

Die Bedeutung der noten im studium<br />

Durch die Bolognareform sind in die Organisation<br />

des Studiums der Sozialen Arbeit<br />

mit Modulen, workloads und credits<br />

quantifizierbare Steuergrößen eingeführt<br />

worden, die für die Studierenden die<br />

Benotung weit bedeutsamer machen als<br />

im Diplomstudiengang. Dies liegt unter<br />

anderem daran, dass von Beginn an alle<br />

Noten in die Endnote einfließen, sowie<br />

an der Reglementierung des Zugangs<br />

zum Masterstudium. Diese Rahmenbedingungen<br />

verstärken die Konkurrenzorientierung<br />

der Studierenden: Noten<br />

werden nicht als individuelle Bewertung<br />

der eigenen Leistung, sondern primär im<br />

Vergleich gesehen. Es entsteht ein starker<br />

Druck mit guten Noten abzuschließen,<br />

um sich nicht »abgehängt« zu fühlen.<br />

D: Aber wenn ich dann so in der Klausur sehe,<br />

da ist jetzt nicht die Mehrheit, die da jetzt kurz<br />

vorm Durchfallen ist, sondern eigentlich ist das<br />

meiste mit Eins ... Zwei. C: Aber ich find auch<br />

grade das setzt einen nochmal unter Druck.<br />

A: Ja. C: Dass man irgendwie das Gefühl hat:<br />

Man muss jetzt mit Eins abschließen. So ungefähr,<br />

weil alle schließen ja mit Eins oder Zwei<br />

ab.<br />

Es kann ein Widerspruch entstehen zwischen<br />

dem Anspruch, etwas zu lernen,<br />

und dem, eine gute Note zu erreichen:<br />

Seminare und Lehrende mit hohem<br />

Anspruch zu wählen, heißt auch, mehr<br />

leisten zu müssen und doch potentiell<br />

schlechtere Noten in Kauf zu nehmen.<br />

»Wenn du dann wirklich was lernen willst,<br />

dann dahin gehst, wo du denkst okay, von diesem<br />

Prof könnt ich wirklich profitieren, dann<br />

ist es schwer!«<br />

Für die Studierenden gilt es also, eine<br />

Balance zu finden zwischen ihren inhaltlichen<br />

Interessen auf der einen und der<br />

Orientierung an den Rahmenbedinungen<br />

im Sinne eines angepassten, ökonomisch


effizienten Studiums auf der anderen Seite.<br />

Inwiefern diese Balance gelingt, hängt<br />

unter anderem von den strukturellen Rahmenbedingungen<br />

des Studiums ab.<br />

strukturelle Bedingungen für ein aktives,<br />

interessiertes und (selbst-) kritisches<br />

studieren an der khsB<br />

Als wichtige Bedingung wird eine möglichst<br />

große inhaltliche Wahlfreiheit in der<br />

Studiumsgestaltung gesehen, die die Bildung<br />

eigener Interessen ermöglicht. Die<br />

Realität sieht jedoch momentan anders<br />

aus: Der Umfang des verpflichtend zu<br />

bearbeitenden »Stoffes« ist so groß, dass<br />

kaum Zeit bliebt, eigene Interessen und<br />

Neigungen auszubilden.<br />

»So viel … einfach so viel Stoff hat und ich<br />

finde wenig. kaum [?] herauszufinden was einen<br />

wirklich interessiert und sich da auch mehr<br />

zu spezialisieren und dazu mehr zu machen<br />

… sondern man hat halt einfach so viel zu<br />

machen.«<br />

Die mangelnde Wahlfreiheit im Studium<br />

wird kritisiert, das »Ausprobieren« von<br />

Themen und Lehrenden als studentisches<br />

Privileg ist in dem engen Korsett des BA-<br />

Systems nicht mehr möglich.<br />

»Und vielleicht liegt das tatsächlich dann an<br />

diesem Bachelorsystem, dass das da nicht, oder<br />

kaum unterstützt wird (...) Die Möglichkeit<br />

zwei Seminare parallel zu belegen und dann<br />

festzustellen, dass einem das eine schmeckt<br />

und das andere nicht.«<br />

Als gute Studienbedingungen haben die<br />

Studierenden die semesterübergreifenden<br />

und projektorientierten Lehrveranstaltungen<br />

START-Werkstatt und Studienschwerpunkt<br />

hervorgehoben. Die Eigenverantwortung<br />

und die Prozessorientierung wird<br />

hier betont, ebenso, dass in diesen Veranstaltungen<br />

Freiräume vorhanden seien<br />

zu bearbeiten, was wirklich interessiert.<br />

Es sind die längeren Phasen über zwei<br />

Semester hinweg, die auch ein anderes<br />

Erleben von Prozessen erlauben:<br />

»Startwerkstatt ist da schon ein Ansatz. Wo<br />

ein größerer Freiraum ist, wie man auch mit,<br />

auch vom zeitlichen Ablauf her mit anderen<br />

Rhythmen arbeiten kann, als jetzt so eine<br />

Seminarsitzung, die 90 Minuten dauert. Die<br />

Studienschwerpunkte genauso. Was über zwei<br />

Semester geht, was man erst langsam gären<br />

lassen kann so, bis sich Gruppen finden, bis<br />

sich Themen finden. Bis man so dran ist an der<br />

Thematik und das man das über zwei Semester<br />

entwickeln kann find ich (...) vom zeitlichen<br />

Ablauf her ein wichtiges Strukturelement.«<br />

Fazit<br />

Soweit der kurze Einblick in die Ergebnisse<br />

des Forschungsprojektes. Statt einer<br />

Zusammenfassung soll zum Abschluss<br />

eine These zur »Studentischen Identität«<br />

stehen, die beschreibt, wie sich die ge-<br />

sellschaftlichen Widersprüche im Studium<br />

der Sozialen Arbeit spiegeln: Es besteht<br />

eine starke Diskrepanz zwischen dem<br />

durch die Bolognareform etablierten<br />

neoliberalen Studiumsethos (individueller<br />

Leistungswille, Durchsetzungsvermögen,<br />

Konkurrenz, Wettbewerb) und dem von<br />

den Studierenden der Sozialen Arbeit<br />

antizipierten Berufsethos (Reflexionsfähigkeit,<br />

Mitgefühl, Gerechtigkeit, Gleichheit,<br />

Einsetzen für Schwächere, Akzeptanz von<br />

Eigensinn).<br />

Prof. Dr. Ralf Quindel ist Professor für Psychologische<br />

Grundlagen der Sozialen Arbeit und der<br />

Heilpädagogik an der <strong>KHSB</strong>. Der ausführliche<br />

Forschungsbericht ist auf der <strong>KHSB</strong>-Homepage<br />

von Prof. Dr. Ralf Quindel als pdf-Datei veröffentlicht.<br />

11


12<br />

eiNblick<br />

»ach wie gut, dass niemand weiß ...«<br />

Ein Interview mit Ingrid lutz, leiterin des nächsten Durchlaufs der Weiterbildung Drama- und theatertherapie, einem<br />

kooperationsprojekt des referats Weiterbildung mit der Deutschen gesellschaft für theatertherapie (Dgft)<br />

Das Gespräch mit Ingrid Lutz führte Mechthild Schuchert, Studienleiterin <strong>KHSB</strong>.<br />

Frau Lutz, die Hochschule hat die Kooperationsanfrage<br />

der DGfT gern aufgegriffen und<br />

wird gemeinsam mit Ihnen im nächsten Frühjahr<br />

ein zweites Mal die Weiterbildung Dramaund<br />

Theatertherapie beginnen. Für die <strong>KHSB</strong><br />

ist diese Weiterbildung ein weiteres wichtiges<br />

Element in der Qualifizierung von Professionellen<br />

in den Feldern der Sozialen Arbeit, der<br />

Heilpädagogik und der gesundheitsorientierten<br />

Berufe mit kreativen, künstlerischen Methoden.<br />

Wir haben uns auch deshalb gern für eine Zusammenarbeit<br />

mit Ihnen entschieden, weil wir<br />

wissen, dass Sie über vielfältige Erfahrungen<br />

in der dramatherapeutischen Arbeit mit Menschen,<br />

z.B. mit Suchterkrankungen, verfügen.<br />

Wie kann die Dramatherapie hier nutzbar gemacht<br />

werden?<br />

Ich muss etwas ausholen, um Ihnen ein<br />

Beispiel zu nennen, mit dem ich Ihre Frage<br />

hoffentlich anschaulich beantworten<br />

kann. Zum Ende eines dramatherapeutischen<br />

Prozesses mit alkoholabhängigen<br />

Menschen erarbeiteten wir ein Stück mit<br />

dem Titel: »Ach wie gut, dass niemand<br />

weiß…« Dieser Satz bedeutete den Menschen<br />

viel, denn er fasste wesentliche Erfahrungen<br />

mit ihrer Suchterkrankung zusammen:<br />

die Angst, erkannt zu werden,<br />

den Druck, das Suchtverhalten verstecken<br />

zu müssen, die Einsamkeit und die soziale<br />

Isolierung – aber vorrangig die Erfahrungen<br />

im Therapieprozess, wesentliche Teile<br />

der eigenen Person nicht zeigen zu dürfen<br />

oder bagatellisieren zu müssen.<br />

Eine theatertherapeutische Methode<br />

besteht darin, dass die Gruppe die Rollen<br />

entwickelt und einander zuweist. In dieser<br />

Gruppe gab es eine Frau von etwa 50<br />

Jahren, die sehr »unscheinbar« war und<br />

in ihrem Verhalten sehr unterordnend. In<br />

diesem Stück nun wurde ihr die Rolle einer<br />

Domina zugewiesen. Zu meiner größten<br />

Überraschung nahm sie diese Rolle<br />

sofort an und spielte sie mit Lust und Lei-<br />

denschaft. Nach der Aufführung erzählte<br />

sie mir lächelnd, dass ihr Mann sie nicht<br />

erkannt hatte und jetzt ganz begeistert<br />

sei. Er empfand offensichtlich zum ersten<br />

Mal Respekt vor ihr – und das war ein<br />

wichtiger Schritt für ihre Heilung.<br />

Frau Lutz, ich sehe an diesem Beispiel, dass<br />

diese Frau, die sich – wie Sie berichteten –<br />

immer unterordnen musste – gern eine Rolle<br />

nahm, in der sie dominieren darf, stärker noch<br />

ausgedrückt: in der sie über die ihr zugewiesene<br />

Rolle dominieren muss, also eine Antirolle<br />

übernimmt. Wie passt dieses Verhalten zur<br />

»Sucht« und was<br />

bedeutet es in<br />

einem heilenden<br />

Prozess, dass<br />

diese Frau sich<br />

zu einem dominanten<br />

Verhalten<br />

entscheiden kann?<br />

Sie hätte die Rolle<br />

ja auch so spielen<br />

können, dass<br />

z.B. ihr Mann sie<br />

erkennt … also<br />

mit weniger Überzeugungskraft,<br />

mit<br />

weniger Hingabe.<br />

Ihre Sucht drückt die Abhängigkeit von<br />

einem sehr engen Selbstverständnis aus.<br />

Nur über das Suchtmittel gelingt »im<br />

Rausch« kurzfristig der Ausbruch aus<br />

einem engen Korsett, gefolgt von noch<br />

größerer Selbstentwertung, wenn der<br />

Rausch vorbei ist. Und so, wie sie ihre<br />

Lebenswünsche verheimlichen muss,<br />

muss sie auch die Sucht verheimlichen. Im<br />

Schutz des Spiels und der Rolle findet sie<br />

den »Raum«, tabuisierte Verhaltensweisen<br />

und Lebenswünsche auszuprobieren.<br />

Im spielerischen Tun verliert sie die Angst<br />

vor Bedürfnissen, die sie in ihrer Lebensgeschichte<br />

gelernt hat zu verneinen. Und<br />

in diesem Spiel ging es ja nicht darum,<br />

Domina zu sein, sondern auszuprobieren,<br />

wie es sein kann, zu bestimmen und sich<br />

nicht mehr zu unterwerfen. Im dramaund<br />

theaterherapeutischen Handeln geht<br />

es darum, »Spiel-Räume« zu ermöglichen.<br />

Ein schönes Bild – passend zum Leitgedanken<br />

der künstlerischen und kreativen Verfahren, unbewussten,<br />

geheimen und ungenutzten Möglichkeiten<br />

Ausdruck zu verleihen. Wie gelingt<br />

es, diese Fähigkeit zu lehren?<br />

Man kann es nur »am eigenen Leib«<br />

erfahren und lernen. Wir lehren es, indem<br />

wir auch in der Ausbildung »Spiel-<br />

Räume« eröffnen und die Lust, sich zu<br />

entwickeln, ungenutzte Möglichkeiten<br />

zu leben. Ausbilden heißt, geschützte<br />

Räume der Bühne, geschützte Räume der<br />

Rolle und von Ritualen anzubieten und<br />

das Experimentieren zu unterstützen. Erst<br />

danach kann gelernt werden, dies weiterzugeben.<br />

Ich tue so, als ob … und ich kann ja – weil es<br />

doch nur ein Spiel ist – immer wieder zurück ...<br />

Ja, hier liegt die große Chance. Im Spiel<br />

auf der Bühne, im Theater kann ich die<br />

Angst vor einem mir fremden Verhalten


nehmen. Ich darf es probieren. Und es<br />

mir aneignen oder auch wieder verwerfen.<br />

Und weiter spielen …, alles aus noch<br />

einem anderen Blickwinkel sehen.<br />

Welche Haltungen brauchen Sie und was kann<br />

zum Gelingen dieser therapeutischen Arbeit<br />

beitragen?<br />

Ich brauche Respekt vor den Handlungen<br />

der Menschen, mit denen ich<br />

arbeite. In der Sozialen Arbeit würde<br />

man wahrscheinlich sagen, dass ich auf<br />

die Ressourcen blicke, weg von der Defizitorientierung.<br />

Als Dramatherapeutin<br />

respektiere ich das Suchtverhalten als<br />

ein Lösungshandeln aus einem tiefen<br />

Dilemma. Zwar ein destruktives – aber<br />

ein Lösungsverhalten. Meine Aufgabe ist<br />

es, Menschen dabei zu unterstützen, in<br />

einem künstlerischen Schaffensprozess<br />

diese lebensfeindlichen Formen in lebensförderliche<br />

zu verwandeln.<br />

Woran können Sie erkennen, ob Sie mit einem<br />

Menschen auf dem »richtigen Weg« sind?<br />

Aus meiner Arbeit in einer Drogeneinrichtung<br />

in Peru habe ich einen ganz einfachen<br />

Indikator mitgebracht: Als geheilt<br />

gilt dort jemand, der den eigenen Körper<br />

und das Leben in seiner Umgebung würdigen,<br />

schätzen und pflegen kann. Dieser<br />

Respekt vor dem Leben ist gleichzeitig die<br />

Voraussetzung für ein soziales und ökologisches<br />

Miteinander.<br />

Mit diesem Konzept passt die Dramatherapie<br />

sehr gut in die neuen Ansätze der Suchttherapie.<br />

Was sagen Sie zur Nachhaltigkeit der<br />

kreativen Verfahren?<br />

Wir müssen auf einen wichtigen Punkt<br />

hinweisen, der im Übrigen für die meisten<br />

therapeutischen Verfahren gilt: Die<br />

Drama- und Theatertherapie kann ihre<br />

Wirksamkeit nur entfalten, wenn der Klient/die<br />

Klientin wirklich Veränderungen<br />

möchte. Diese kreativen Verfahren setzten<br />

eine hohe Motivation voraus – dann<br />

können sie sehr nachhaltig wirken und zu<br />

einer lebendigen und lebensförderlichen<br />

Gesellschaft beitragen.<br />

Weiterbildung pflegeberatung<br />

Ein neues angebot kooperation mit dem Institut für<br />

Innovation und Beratung der EhB<br />

Mechthild Schuchert<br />

Ab dem 1. Januar 2009 haben die ca. 2,1<br />

Millionen pflegebedürftigen Menschen<br />

in Deutschland einen Rechtsanspruch auf<br />

Pflegeberatung gegenüber ihrer Pflegekasse.<br />

Pflegeberaterinnen und Pflegeberater<br />

sollen Betroffene individuell beraten<br />

und Hilfestellung bei der Inanspruchnahme<br />

von bundes- oder landesrechtlich<br />

vorgesehenen Sozialleistungen und sonstigen<br />

Hilfsangeboten, die auf Unterstützung<br />

von Menschen mit Pflege-, Versorgungs-<br />

oder Betreuungsbedarf ausgerichtet<br />

sind, anbieten. Das individuelle Fallmanagement<br />

reicht von der Feststellung und<br />

systematischen Erfassung des Hilfebedarfs<br />

über die Erstellung eines individuellen<br />

Versorgungsplans mit allen erforderlichen<br />

Leistungen bis hin zur Überwachung der<br />

Durchführung des Versorgungsplans.<br />

Diese Pflegeberatung erfordert von den<br />

Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern<br />

zusätzliche Qualifikationen, die abhängig<br />

von den jeweils im erlernten Beruf<br />

erforderlichen Kenntnissen und Qualifikationen<br />

sind. Das Referat Weiterbildung<br />

hat in Kooperation mit dem Institut für<br />

Innovation und Beratung der Evangelischen<br />

Hochschule Berlin (INIB) eine<br />

modularisierte Weiterbildung konzipiert.<br />

Sie entspricht den Empfehlungen des<br />

GKV-Spitzenverbandes nach § 7a Abs. 3<br />

Satz 3 SGB XI vom 29. August 2008. Die<br />

drei Module Pflege, Recht und Case Management<br />

sind getrennt belegbar, bereits<br />

erworbene Qualifikationen können nach<br />

Einzelfallprüfungen angerechnet werden.<br />

Mit dem erfolgreichen Abschluss des Moduls<br />

»Case Management« sind die Qualitätsstandards<br />

der Deutschen Gesellschaft<br />

für Sozialarbeit (DGS) und des Deutschen<br />

Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH)<br />

erfüllt und die Zertifizierung als Case<br />

ManagerIn kann beantragt werden. Die<br />

wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof.<br />

Dr. Gabriele Kuhn-Zuber (<strong>KHSB</strong>) und Prof.<br />

Dr. Peter Sauer (INIB).<br />

Weitere Informationen zum Beginn und zu den<br />

Kosten entnehmen Sie bitte der Homepage.<br />

www.khsb-berlin.de Referat Weiterbildung<br />

13


14<br />

eiNblick<br />

Die türen der kitas stehen männern<br />

weit offen<br />

nEuE koorDInatIonsstEllE »männEr In kItas«<br />

Anfang 2010 nahm die Koordinationsstelle<br />

»Männer in Kitas« ihre Arbeit an<br />

der Katholischen Hochschule auf. Sie<br />

verfolgt das Ziel, in den kommenden<br />

Jahren gemeinsam mit Verantwortlichen<br />

aus Politik und Praxis den Anteil männlicher<br />

Fachkräfte in Kitas zu erhöhen, und<br />

wird vom Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend gefördert.<br />

Der Einrichtung einer Koordinationsstelle<br />

ging eine vom Familienministerium beauftragte<br />

Studie mit dem Titel »Männliche<br />

Fachkräfte in Kindertagesstätten« voraus,<br />

die von der Katholischen Hochschule für<br />

Sozialwesen Berlin und Sinus Sociovision<br />

GmbH erstellt wurde.<br />

nur 2,4 prozent männliche<br />

Fachkräfte in kitas<br />

Die Studie »Männliche Fachkräfte in<br />

Kindertagesstätten« kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass derzeit lediglich 2,4 Prozent<br />

männliche Fachkräfte in Kitas arbeiten.<br />

»Zwar steigt die absolute Anzahl der<br />

männlichen Fachkräfte tendenziell, das<br />

macht sich aber vor dem Hintergrund<br />

der insgesamt zunehmenden Anzahl von<br />

Fachkräften in Kitas kaum bemerkbar«,<br />

kommentiert Jens Krabel, einer der drei<br />

Autoren der Studie die aktuelle Situation.<br />

Die wenigen in den Kitas anwesenden<br />

männlichen Fachkräfte werden von allen<br />

Befragten als für die pädagogische Arbeit<br />

bereichernd wahrgenommen und geschätzt.<br />

Die Türen der Kitas stehen Männern<br />

weit offen. Trotz positiver Bilanz gibt<br />

es zahlreiche Hürden und Barrieren, die<br />

verhindern, dass Männer den Erzieherberuf<br />

ergreifen. »Der Facettenreichtum<br />

des Berufs und der mittlerweile hohe Bildungsanspruch<br />

an die Arbeit in Kitas sind<br />

wenig bekannt«, sagt Michael Cremers,<br />

Mitautor der Studie.<br />

politische unterstützung gewünscht<br />

Mehr als 80 Prozent der Eltern sind der<br />

Meinung, dass Träger von Kitas einen<br />

wesentlichen Beitrag dazu leisten sollen,<br />

den Anteil männlicher Fachkräfte in Kitas<br />

zu erhöhen. Die Erhöhung des Männeranteils<br />

in Kitas bedarf vor allem aus Sicht<br />

der Träger-Verantwortlichen und Kita-Lei-<br />

tungen politischer Unterstützung – und<br />

die gibt es ihrer Meinung nach bislang<br />

nicht. Familienministerin Kristina Schröder<br />

(CDU) will dies ändern und reagierte<br />

Ende Juli auf das positive Klima für mehr<br />

Männer in Kitas mit der Aufforderung an<br />

die Verantwortlichen, Modellprojekte und<br />

tätigkeitsbegleitende Qualifizierungen für<br />

Erzieher zu entwickeln.<br />

Ab dem 1. Januar 2011 stehen dafür<br />

12,5 Millionen Euro zur Verfügung. Damit<br />

werden drei Jahre lang mindestens zehn<br />

Modellregionen, in denen mehr männliche<br />

Fachkräfte für Kindertagesstätten<br />

gewonnen werden, gefördert. Diese<br />

gleichstellungspolitischen Vorhaben hat<br />

die Koordinationsstelle mit entwickelt<br />

und ist nun für die fachliche Begleitung<br />

zuständig.<br />

Weltweit einmaliges Vorhaben<br />

»Das im Aktionsplan der Bundesregierung<br />

eingesetzte Finanzvolumen ist weltweit<br />

einmalig. Nicht einmal die skandinavischen<br />

Länder Norwegen oder Schweden<br />

haben eine solche umfassende, von der<br />

Politik unterstütze Aktion gestartet, um<br />

männliche Fachkräfte für den Erzieherberuf<br />

zu gewinnen«, begrüßte Prof. Dr.<br />

Stephan Höyng, Projektleiter der Koordinationsstelle,<br />

das Vorhaben des Bundesministeriums.<br />

Weitere Informationen zur Koordinationsstelle,<br />

zur Studie und zum Modellprojekt unter:<br />

www.koordination-maennerinkitas.de


neuerscheinung<br />

»hanD In hanD DIE WElt BEgrEIFEn«<br />

BIlDWörtErBuch DEr DEutschEn<br />

gEBärDEnsprachE Für pErsonEn<br />

aB 7 jahrEn<br />

Viel Lust auf Spaß und Spiel, ein bisschen<br />

Neugier und zwei freie Hände – mehr<br />

braucht es nicht für dieses einzigartige<br />

Mitmach-Wörterbuch der Gebärdensprache.<br />

Von A wie Angeben über K wie<br />

Klopapier bis Z wie Zuckerwatte sind hier<br />

knapp 2000 Alltagsbegriffe versammelt.<br />

Sämtliche Themen, die Menschen ab<br />

etwa sieben Jahren umtreiben, werden in<br />

wunderbar quirligen Wimmelbildern dargestellt,<br />

umrahmt von den dazugehörenden<br />

Gebärden-Zeichnungen. Schön und<br />

gut, aber ist das nicht eher nur etwas für<br />

Gehörlose? Wer das Buch mit hörenden<br />

Kindern zusammen anschaut, weiß es<br />

sofort besser: Mit Begeisterung eignen sie<br />

sich die neue „Geheimsprache“ an. Auch<br />

wir Erwachsenen haben großen Spaß<br />

daran, diese expressive Sprache auszuprobieren<br />

und im wahrsten Wortsinn zu „begreifen“,<br />

welche Ausdrucksmöglichkeiten<br />

in uns stecken. Wer dieses Buch betrachtet,<br />

kann nicht still sitzen bleiben!<br />

Hand in Hand die Welt begreifen<br />

Bildwörterbuch der deutschen Gebärdensprache<br />

für Personen ab sieben Jahren<br />

Klett Kinderbuch Verlag<br />

192 Seiten, gebunden<br />

EUR 19,90 [D] • EUR 20,50 [A] CHF 32,90<br />

ISBN 978-3-941411-26-5<br />

promotionskolleg<br />

»soziale professionen und menschenrechte«<br />

Als Förderprogramm für NachwuchswissenschaftlerInnen<br />

läuft seit Januar 2010<br />

das Promotionskolleg »Soziale Professionen<br />

und Menschenrechte« an der <strong>KHSB</strong>.<br />

Das Kolleg bietet einen Rahmen für<br />

kontinuierlichen, fachlichen Diskurs und<br />

zielt darauf, Promotionen von FachhochschulabsolventInnen<br />

zu unterstützen.<br />

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der<br />

Förderung der Chancengleichheit von<br />

Frauen. Aus zahlreichen Bewerbungen<br />

wurden neun PromovendInnen in das<br />

Kolleg aufgenommen. Davon erhalten<br />

fünf Frauen ein Promotionsstipendium.<br />

Mit ihren Promotionsvorhaben sind die<br />

KollegiatInnen an verschiedenen Universitäten<br />

deutschlandweit eingebunden.<br />

ProfessorInnen der <strong>KHSB</strong> wirken in der<br />

Regel als ZweitgutachterInnen in den<br />

Promotionsverfahren mit und begleiten<br />

die KollegiatInnen fachlich. In den monatlichen<br />

Kollegstreffen wird zum einen der<br />

Austausch über die Forschungsprojekte<br />

sichergestellt. Zum anderen werden Themen<br />

entlang des Forschungsprogramms<br />

»Soziale Professionen und Menschenrechte«<br />

erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei<br />

die Reflexion von Sozialer Arbeit und<br />

Heilpädagogik als Menschenrechtsprofession<br />

sowie die Grundlagen der Praxisforschung.<br />

aktuEllE ForschungsprojEktE<br />

Im kollEg<br />

»subjektive theorien von Mitarbeiterinnen<br />

in den erstanlaufstellen für<br />

Flüchtlinge und deren einfluss auf das<br />

frühe erkennen von Problemlagen<br />

von Flüchtlingen mit behinderung«<br />

von Doris Gräber (Prof. Dr. Ralf Quindel)<br />

»begegnung, bildung und beratung<br />

für Familien im stadtteil – eine exemplarisch-empirische<br />

untersuchung«<br />

von Sarah Häseler (Prof. Dr. Jens Wurtzbacher)<br />

»lerndienste und Machtspiele. der<br />

entwicklungspolitische Freiwilligendienst<br />

aus der sicht der Aufnahmeorganisationen.<br />

eine qualitativ-empirische<br />

studie und netzwerktheoretische<br />

reflexion« von Ute Elisabeth Hoffmann<br />

(Prof. Monika Treber)<br />

»schule aus sicht der Migrantenfamilien<br />

– eine systematische darstellung<br />

von handlungs- und deutungsmustern<br />

von Migrantenfamilien im Verhältnis<br />

zu bildungsmöglichkeiten und<br />

schule in deutschland« von Meryem<br />

Ucan (Prof. Dr. Gaby Straßburger)<br />

»lebenslagen und Familiengeschichten<br />

von Menschen mit so genannter<br />

geistiger behinderung« von Thomas<br />

Schmidt (Prof. Dr. Reinhard Burtscher)<br />

»beteiligungskulturen der jugendhilfe<br />

aus sicht der eltern« von Judith<br />

Schobert (Prof. Dr. Gaby Straßburger)<br />

»Zur bedeutung sozialer unterstützung<br />

für die gesundheit gewaltbetroffener<br />

Frauen in Frauenzufluchtswohnungen«<br />

von Juliane Wahren (Prof.<br />

Dr. Karlheinz Ortmann)<br />

»die gemeinnützige Arbeit als sanktion.<br />

Arbeitslose im konflikt von Norm<br />

und realität« von Frank Wilde (Prof. Dr.<br />

Jens Wurtzbacher)<br />

»ein systemischer Vergleich der<br />

Frühförderung in schweden und<br />

deutschland anhand der Zielsetzung<br />

der inklusion als Menschenrecht.<br />

Möglichkeiten und grenzen einer optimierung<br />

der deutschen Frühfördersysteme«<br />

von Anja Wohlfahrt (Prof. Dr.<br />

Monika Schumann)<br />

Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />

unter www.khsb-berlin.de Forschung Pro-<br />

motionskolleg<br />

15


16<br />

rückblick<br />

ForschungsprojEkt ältEr WErDEnDE EltErn unD ErWachsEnE FamIlIEnmItglIE-<br />

DEr mIt BEhInDErung zu hausE – InnoVatIVE BEratungs- unD untErstützungsangEBotE<br />

Im aBlösungsprozEss an DEr khsB gEstartEt<br />

Auf Einladung von Prof. Dr. Burtscher<br />

trafen sich am 31.05.2010 an der Katholischen<br />

Hochschule für Sozialwesen die<br />

Projektpartner für das Forschungsvorhaben<br />

»ElFamBe« zu ihrem ersten Treffen.<br />

Dies war der offizielle Startschuss für das<br />

vom Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung geförderte Projekt. Ziel des<br />

ersten Treffens war es, sich gegenseitig<br />

besser kennenzulernen, erste Forschungsaufgaben<br />

vorzustellen und zu diskutieren.<br />

Im Anschluss fand im Senatsaal der Hochschule<br />

ein Empfang zusammen mit der<br />

Hochschulleitung, Projektpartnern und<br />

Hochschulmitarbeitern statt. Die Projektfinanzierung<br />

erfolgt über die Förderline<br />

»Soziale Innovationen für Lebensqualität<br />

im Alter« »SILQUA-FH«, es ist neben dem<br />

Forschungsprojekt SEVERAM das zweite<br />

Forschungsvorhaben, das an der Katholischen<br />

Hochschule für Sozialwesen Berlin,<br />

über diese Förderlinie finanziert wird.<br />

Das Projekt läuft von Mai 2010 bis April<br />

2013. Das Forschungsvorhaben stellt älter<br />

werdende Eltern, die ihre erwachsenen<br />

Söhne und Töchter mit Behinderung zu<br />

Hause betreuen, in den Mittelpunkt. Im<br />

Rahmen eines partizipativen Modells<br />

werden innovative Unterstützungsarrangements<br />

entwickelt mit dem Ziel, die<br />

Lebensqualität in den beschriebenen Familien<br />

zu verbessern.<br />

Folgende Aufgaben sind im Rahmen des<br />

Projekts vorgesehen:<br />

› Bedarfserhebung in Berlin<br />

› Familienbegleitung und Infrastrukturanalyse<br />

› Entwicklung, Erprobung und Evaluierung<br />

niedrigschwelliger Unterstützungsangebote<br />

› Multiplikatorenschulung und Erarbeitung<br />

eines Praxishandbuches<br />

› Sicherung von Nachhaltigkeit durch<br />

Netzwerkarbeit<br />

Als Kooperationspartner sind beteiligt:<br />

› Eltern beraten Eltern von Kindern mit<br />

und ohne Behinderung e.V.<br />

› Eltern für Integration e. V.<br />

› Eltern helfen Eltern e.V. in Berlin-Brandenburg<br />

› Lebenshilfe Berlin gGmbH<br />

› Spastikerhilfe Berlin eG<br />

› IN VIA Projekte Berlin gGmbH<br />

› Der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Landesverband Berlin e.V.<br />

› Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Weitere Informationen finden Sie auf folgenden<br />

Seiten im Internet:<br />

www.khsb-berlin.de Reinhard Burtscher<br />

Kontakt: reinhard.burtscher[at]khsb-berlin.de<br />

oder thomas.schmidt[at]khsb-berlin.de


auF DEr BaustEllE mIt DEr startWErkstatt<br />

ulrich Binner<br />

Am 13.04.2010 fand die Startwerkstatt<br />

von Prof. Dr. Ortmann in einem besonderen<br />

Rahmen statt. Die Studierenden<br />

besuchten das Generationsübergreifende<br />

Wohnprojekt Alte Schule Karlshorst. Dies<br />

geschah aber nicht, um das Projekt zu<br />

besichtigen, sondern um tatkräftig beim<br />

Bau eines generationenübergreifenden<br />

Spielplatzes mitzuhelfen.<br />

Die Alte Schule Karlshorst steht mit der<br />

Katholischen Hochschule in einer besonderen<br />

Verbindung. Von 2006 bis 2009<br />

wurde das Vorhaben während der Projektentwicklung,<br />

der Umsetzung und des<br />

ersten Wohnjahres durch die Katholische<br />

Hochschule wissenschaftlich begleitet.<br />

In dem Generationsübergreifenden<br />

Wohnprojekt Alte Schule Karlshorst leben<br />

Menschen in allen Lebensphasen und in<br />

unterschiedlichen Lebenslagen, mehrere<br />

Bewohner sind von Schwerbehinderungen<br />

betroffen und pflegebedürftig. Das<br />

Altersspektrum der Bewohnerschaft reicht<br />

von drei bis neunzig Jahre, insgesamt<br />

leben 29 Kinder und Jugendliche in der<br />

Alten Schule. Das ehemalige Schulhaus,<br />

das innerhalb von zwei Jahren durch die<br />

SelbstBau Genossenschaft in ein barrierefreies<br />

Wohnhaus für 20 Mitparteien<br />

umgebaut wurde, beherbergt auch eine<br />

Wohngruppe des Kinderhaus Berlin -<br />

Mark Brandenburg e.V., in der zehn Kinder<br />

und Jugendliche zwischen drei und<br />

16 Jahren, deren Eltern überfordert, alkoholkrank<br />

oder obdachlos sind. Das Wohnprojekt<br />

umfasst neben dem Haupthaus<br />

auch ein ca. 5000m² großes Außengelände<br />

für dessen Ausbau bislang sowohl das<br />

Geld als auch die benötigten Fachkräfte<br />

fehlten. ZIBB und radioBerlin 88.8 haben<br />

nun mit Hilfe ihrer Zuschauer und Zuhörer<br />

innerhalb von 96 Stunden diesen Ausbau<br />

in Angriff genommen, nachdem eine<br />

Bewohnerin der Kinderhauswohngruppe<br />

mit einem Brief um Unterstützung bei der<br />

Gestaltung des Hofs bat. Durch den Umbau<br />

konnten sowohl Spielgeräte und ein<br />

Baumhaus für die Kinder auf dem Gelände<br />

aufgebaut werden, als auch ein barrierefreier<br />

Mehrgenerationentreffpunkt<br />

und Hochbeete für die Bewohner, die auf<br />

einen Rollstuhl angewiesen sind, realisiert<br />

werden. Die Studierenden der Startwerkstatt<br />

beteiligten sich am ersten Tag der<br />

Bauarbeiten im Rahmen ihrer Seminarzeit<br />

(10 - 17.30 Uhr) rege und mit vollster<br />

Tatkraft an den Bauarbeiten. Das Prinzip<br />

der SelbstBau e.G., dass sich Gruppen<br />

durch gemeinsames Arbeiten finden und<br />

verfestigen, konnte so am eigenen Leib<br />

ausprobiert werden. Mit Spaten und<br />

Spitzhacke rodeten die Studierenden die<br />

ihnen zugewiesenen Teile des Geländes.<br />

Wie viele Schubkarren mit abgetragener<br />

Deckschicht und abgeschnittenem Wildwuchs<br />

an diesem Tag zusammen kamen,<br />

hat wohl keiner gezählt, der Muskelkater<br />

am nächsten Tag zeigte aber allen Beteiligten,<br />

dass sie am Dienstag viel geschafft<br />

hatten…<br />

BachElorprEIs DEr hamBurgEr<br />

carItasstIFtung gEht an stuDIErEnDE<br />

DEr khsB<br />

Die »Caritasstiftung Hamburg – Menschen<br />

in Not« hat am 2. Juni 2010 erstmalig<br />

einen Bachelorpreis für Abschlussarbeiten<br />

in den Studiengängen Soziale<br />

Arbeit und Sozialpädagogik verliehen.<br />

Zur Verleihung in die Rathauspassage<br />

kamen u.a. die Staatsrätin der Hamburger<br />

Sozialbehörde, Frau Dr. Angelika Kempfert,<br />

Mitglieder des Stiftungsvorstandes<br />

und Stiftungsrates, Mitarbeiter des Caritasverbandes<br />

sowie weitere Kooperationspartner.<br />

Nach einer Begrüßung von<br />

Caritasdirektor Laschinski wurden die<br />

Preisträger für ihre Arbeiten mit einem<br />

Blumenstrauß, einer Urkunde und einem<br />

entsprechenden Geldbetrag ausgezeichnet<br />

und stellten ihre Abschlussarbeiten<br />

dann in zehnminütigen Vorträgen vor.<br />

Von den sieben norddeutschen Hochschulen<br />

in Hamburg, Kiel, Bremen und<br />

Berlin, mit denen die Stiftung beim Bachelorpreis<br />

kooperiert, hatten vier Hochschulen<br />

insgesamt zehn Arbeiten eingereicht.<br />

Prof. Sturzenhecker (Hamburg),<br />

Prof. Panitzsch-Wiebe (Hamburg) und<br />

Prof. Bernzen (Berlin) prüften die Arbeiten<br />

und wählten die drei Preisträger aus. Den<br />

2. Preis erhält Doreen Schrötter von der<br />

Kath. Hochschule für Sozialwesen in Berlin.<br />

Sie schrieb eine preiswürdige Arbeit<br />

über ein Patenschaftsmodell für Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien.<br />

17


18<br />

rückblick<br />

Das gutE Im BlIck<br />

Ralf Quindel und Kai Schmidt<br />

Im Rahmen eines Hochschultags diskutier-<br />

ten am 26. Mai 2010 Lehrende, Studierende<br />

und Verwaltungsmitarbeiterinnen<br />

Erfahrungen mit Verfahren der Qualitätssicherung<br />

und erörterten Ansätze zu deren<br />

Weiterentwicklung. Die Themen der<br />

sieben Arbeitsgruppen, die den Kern des<br />

Tages bildeten, deckten unterschiedliche<br />

Ebenen (Lehrveranstaltung, Modul, Studiengänge)<br />

der Qualitätssicherung, Kernprozesse<br />

(Studieneingangsphase, Theorie-<br />

Praxis Verknüpfung, Prüfungen) der Lehre<br />

sowie das Profil der Hochschule ab.<br />

Die Weiterentwicklung der Verfahren der<br />

Qualitätssicherung an der KSHB ist nach<br />

Einschätzung der Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer am Hochschultag insbesondere<br />

im Hinblick auf vier Bereiche sinnvoll<br />

(vgl. Bericht der Kommission für Qualitätssicherung<br />

zum Hochschultag):<br />

› Wiederholt wurde der Wunsch nach<br />

mehr Information und Transparenz der<br />

Verfahren geäußert. So wurde z. B. in AG<br />

1 ausgehend von der Einschätzung, dass<br />

das Verfahren der Lehrevaluation wenig<br />

transparent ist, einige Ideen entwickelt um<br />

die Transparenz des Verfahrens zu verbessern<br />

› Die Frage, wie sich die Qualität der<br />

Lehre durch Vernetzung unterschiedlicher<br />

Akteure und durch Etablierung von<br />

Kommunikationsräumen verbessern ließe,<br />

nahm in den Arbeitsgruppen einen breiten<br />

Raum ein.<br />

› Dass der im Qualitätskreis beschriebene<br />

idealtypische Zusammenhang von Planen,<br />

Handeln, Überprüfen und Verbessern in<br />

vielen praktizierten Verfahren der Quali-<br />

tätssicherung mehr zur Geltung gebracht<br />

werden könnte, war ein weiteres zentrales<br />

Thema des Hochschultags.<br />

› Ein viertes Thema, das sich durch mehrere<br />

Arbeitsgruppen zog, war die Perspektive<br />

auf die Verantwortlichkeit für Verfahren<br />

der Qualitätssicherung. In mehreren<br />

Zusammenhängen äußerten Hochschulmitglieder<br />

die Einschätzung, dass Verantwortlichkeiten<br />

auszudifferenzieren und zu<br />

klären seien. Am deutlichsten wurde diese<br />

Einschätzung im Hinblick auf die Rolle der<br />

Modulverantwortlichen zum Ausdruck gebracht<br />

(AG 5).<br />

Abgeleitet von den Ergebnissen des<br />

Hochschultags hat der Akademische<br />

Senat in seiner Sitzung am 14. Juli 2010<br />

eine aus den Säulen Qualitätskonzept,<br />

Prozessdokumentation und Entwicklung<br />

von Verfahren der Qualitätssicherung<br />

bestehende Qualitätsstrategie beschlossen<br />

und die KfQ mit der Umsetzung<br />

beauftragt. Dadurch soll die Transparenz<br />

und Information über Verfahren der Qualitätssicherung<br />

erhöht, die Vernetzung der<br />

Akteure verbessert, Qualitätskreisläufe<br />

geschlossen und Verantwortlichkeiten<br />

ausdifferenziert werden.<br />

DEr aBschlussBErIcht DEr »kunDEn-<br />

stuDIE« zum untErstütztEn WohnEn<br />

In BErlIn lIEgt Vor: stanDortBEstImmung<br />

unD stratEgIEVorschlag.<br />

Im April diesen Jahres hat das Forschungsprojekt<br />

»KUNDENSTUDIE« –<br />

BEDARF AN DIENSTLEISTUNGEN ZUR<br />

UNTERSTÜTZUNG DES WOHNENS VON<br />

MENSCHEN MIT BEHINDERUNG« seinen<br />

Abschlussbericht vorgelegt. Gefördert<br />

von Aktion Mensch wurde das Projekt<br />

von 2007– 2009 an der Katholischen<br />

Hochschule für Sozialwesen Berlin unter<br />

Leitung von Prof. Dr. Monika Seifert und<br />

der wissenschaftlichen Mitarbeit von Dr.<br />

Birgit Steffens durchgeführt. Kooperationspartner<br />

waren der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

(Landesverband Berlin) und<br />

die Eberhard-Karls-Universität Tübingen<br />

(Forschungsstelle »Lebenswelten behinderter<br />

Menschen«). Schwerpunkt der<br />

Studie war eine mehrperspektivische und<br />

mehrdimensionale Analyse der wohnbezogenen<br />

Unterstützungsleistungen für<br />

Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung im Land Berlin. Im Sinne<br />

partizipativer Forschung haben sich rund<br />

250 Frauen und Männer mit Behinderung<br />

an Befragungen, Interviews, Workshops<br />

und stadtteilbezogenen Praxispro-jekten<br />

beteiligt. Als weitere Experten wurden<br />

Vertreter der Behindertenhilfe und der<br />

Sozialverwaltung sowie lokale Akteure<br />

sozialer Einrichtungen und Dienste in die<br />

Untersuchungen einbezogen.<br />

Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes<br />

Bild der aktuellen Strukturen und<br />

Entwicklungen im Bereich des Wohnens<br />

sowie der Erfahrungen der behinderten<br />

Menschen mit den Unterstützungsleistungen<br />

und mit dem Zusammenleben im<br />

Wohnquartier. Ihre Veränderungswünsche<br />

zeigen, dass verlässliche soziale Beziehun-


gen und individuelle sozialraumorientierte<br />

Wohn- und Unterstützungsarrangements<br />

einen zentralen Stellenwert haben.<br />

Die Erkenntnisse der »Kundenstudie«<br />

werden zu einem Strategiekonzept verdichtet,<br />

das konkrete Maßnahmen auf<br />

dem Weg zur Inklusion benennt. Sie<br />

betreffen die Ebene des Individuums und<br />

seiner Lebenswelt sowie die Ebene des<br />

Hilfesystems und des Sozialraums, unter<br />

Einbeziehung von behinderten Menschen<br />

mit Migrationshintergrund. Durch die<br />

Vermittlung theoretischer Prämissen und<br />

Leitorientierungen der Behindertenhilfe<br />

mit den realen Versorgungsstrukturen<br />

eröffnet die Studie neue Entwicklungsperspektiven.<br />

Sie liefert einen praxisbezogenen<br />

Baustein zur Umsetzung der<br />

UN-Behindertenrechtskonvention, die die<br />

vollständige gesellschaftliche Partizipation<br />

von Menschen mit Behinderung in einem<br />

inklusiven Gemeinwesen einfordert und<br />

seit 2009 verbindliche Grundlage für das<br />

nationale Recht ist. Die Studie hat für die<br />

Weiterentwicklung der Strukturen und<br />

Prozesse nicht nur der Behindertenhilfe<br />

bundesweite Bedeutung.<br />

aBschluss DEs EuropäIschEn projEkts unIQ - usErs nEtWork to<br />

ImproVE QualIty: nutzErInnEn unD nutzEr EValuIErEn angEBotE.<br />

Monika Seifert / Janna Harms<br />

Mit dem Workshop »Qualität sicherstellen:<br />

Dienstleistungen auf der Grundlage<br />

von Rechten und Werten« fand das<br />

UNIQ-Projekt auf dem 15. Weltkongress<br />

von Inclusion International im Juni 2010<br />

in Berlin seinen Abschluss. UNIQ ist eines<br />

von acht europäischen Projekten<br />

im Programm Progress, mit denen die<br />

EU-Kommission bewährte Methoden zur<br />

Definition, Verbesserung und Messung<br />

der Qualität sozialer Dienstleistungen in<br />

den Mitgliedsländern verbreiten möchte.<br />

Koordiniert wurde das Projekt von<br />

Atempo aus Österreich. Projektpartner in<br />

Berlin waren der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin, die Senatsverwaltung für<br />

Integration, Arbeit und Soziales und die<br />

Katholische Hochschule für Sozialwesen<br />

Berlin. Die Hochschule wurde vertreten<br />

durch Prof. Dr. Monika Seifert und Dipl.-<br />

Heilpäd. (MA) Janna Harms.<br />

Im Zeitraum von 2009-2010 wurde in<br />

drei Ländern (Deutschland, Tschechien,<br />

Norwegen) getestet, wie das in Österreich<br />

entwickelte Evaluationsmodell Nueva auf<br />

die Bedingungen in anderen europäischen<br />

Ländern übertragen werden kann.<br />

Nueva evaluiert die Qualität von Diensten<br />

für Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />

und Behinderung. Das Besondere: Menschen<br />

mit Lernschwierigkeiten waren an<br />

der Entwicklung der Evaluationsinstrumente<br />

beteiligt und arbeiten als Interviewer<br />

aktiv bei der Durchführung und<br />

Auswertung mit.<br />

In Berlin wurden im Rahmen des UNIQ-<br />

Projekts vier Nutzerinnen und Nutzer<br />

von Wohnangeboten für Menschen mit<br />

Lernschwierigkeiten in Grundlagen der<br />

nutzerorientierten Evaluation geschult.<br />

Als UNIQ-Peers führten sie Testinterviews<br />

in Wohneinrichtungen der Berliner Behindertenhilfe<br />

durch. In einem Seminar<br />

von Professor Dr. Monika Seifert haben<br />

sie über ihre Erfahrungen berichtet. Eine<br />

Teilnehmerin brachte nach Abschluss<br />

des Projekts zum Ausdruck, was die Mitarbeit<br />

für sie bedeutet: »Nueva ist eine<br />

neue, gute Möglichkeit für Menschen<br />

mit Lernschwierigkeiten, etwas auf die<br />

Beine zu stellen und im Vordergrund<br />

zu stehen. Hier sind wir. Hier bin ich.<br />

Wir haben unsere Rechte und unsere<br />

Fähigkeiten. Wir werden bei Nueva so<br />

akzeptiert wie wir sind und nicht als blöd<br />

dargestellt.« (Näheres zum Projekt: http://<br />

www.nueva-network.eu/cms/de/UNIQ/<br />

UNIQ_in_Deutschland/).<br />

Die Nueva-Evaluationsmethode wird in<br />

Berlin auf breiter Basis von der Fachverwaltung<br />

und von Trägern der Behindertenhilfe<br />

unterstützt. Der Beginn einer<br />

Ausbildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />

zur Nueva-Evaluatoren ist<br />

zum Ende des Jahres 2010 geplant.<br />

19


20<br />

rückblick<br />

ForschungsprojEkt potEnzIalE unD rIsIkEn In DEr FamIlIalEn<br />

pFlEgE altEr mEnschEn an DEr khsB gEstartEt<br />

Am 1. September 2010 fällt der Startschuss<br />

für ein neues vom Bundesfamilienministerium<br />

finanziertes praxisbezogenes<br />

Forschungsprojekt an der <strong>KHSB</strong>. Die<br />

Mittel für das Projekt mit den Standorten<br />

Siegen und Berlin wurden von Professor<br />

Dr. Suanne Zank (Universität Siegen) und<br />

Professor Dr. Claudia Schacke (<strong>KHSB</strong>) eingeworben.<br />

Das Projekt Purfam ist mit der<br />

Früherkennung, Prävention und Intervention<br />

prekärer, von Gewalt bedrohter oder<br />

betroffener familiärer Pflegebeziehungen<br />

befasst.<br />

hintergrund und wesentliche Inhalte<br />

des projektes<br />

Cirka 70% pflegebedürftiger älterer<br />

Menschen werden zuhause von Familienangehörigen<br />

betreut. Die Betreuung<br />

insbesondere demenzkranker Angehöriger<br />

ist mit vielfältigen Anforderungen<br />

verbunden, die zu Überlastung und<br />

schwerwiegenden physischen und psychischen<br />

Beeinträchtigungen der Pflegenden<br />

führen können. Chronische Überlastung<br />

wiederum gilt als eine Hauptursache von<br />

Aggressivität und Gewalt in der Pflege.<br />

Zwar leistet die überwältigende Mehrheit<br />

der Angehörigen eine gute, engagierte<br />

und aufopferungsvolle Pflege. Zu den<br />

Risiken der familialen Pflege zählen<br />

jedoch auch körperliche und seelische<br />

Misshandlungen sowie Vernachlässigung.<br />

Bislang existieren jedoch kaum Konzepte,<br />

die die (Früh)erkennung, Prävention und<br />

Intervention von Gewalt in der häuslichen<br />

Pflege älterer Menschen in den Blick nehmen.<br />

Vor diesem Hintergrund besteht das<br />

übergeordnete Ziel von Purfam in der Op-<br />

timierung des Praxishandelns in der Angehörigenarbeit,<br />

wobei der Schwerpunkt<br />

auf Gewaltprävention durch Früherkennung<br />

und Ressourcenstärkung liegt.<br />

Im Einzelnen beinhaltet das Projekt folgende<br />

Bausteine:<br />

1. Analyse internationaler Best-Practice-<br />

Ansätze<br />

2. Tagung mit internationalen Experten<br />

3. Entwicklung von Früherkennungsmaßnahmen<br />

4. Durchführung von Workshops mit<br />

Mitarbeitern in ambulanten Pflegediensten<br />

5. Evaluation der Interventionsmaßnahme<br />

6. Bundesweite Implementierung von<br />

Screeningverfahren und Interventionsangeboten<br />

7. Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs<br />

für Entscheidungsträger aus<br />

Gesundheits- und Sozialpolitik, Erarbeitung<br />

eines Handbuchs / Manuals<br />

für die Praxis.<br />

Das Projekt hat eine geplante Laufzeit<br />

von 2 1/2 Jahren (Standort Berlin) und<br />

ein Gesamtvolumen von 604.705 EUR<br />

(199.830 EUR Standort Berlin). Durch die<br />

Kooperation mit Professor. Dr. Susanne<br />

Zank besteht für die beiden an der <strong>KHSB</strong><br />

beschäftigten Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen<br />

die Möglichkeit, im Rahmen<br />

des Projekts zu promovieren. Interessierte<br />

Studierende der <strong>KHSB</strong> sind eingeladen,<br />

das Projekt kennenzulernen und ggf. ihre<br />

Abschlussarbeit zu schreiben.<br />

altErnatIVE lEhrVEranstaltungEn<br />

an DEr khsB<br />

Ulrike Poppe, Studentin an der <strong>KHSB</strong><br />

Unter dem Motto »Rolle und Funktion<br />

der Professionellen im Sozialwesen« fanden<br />

im Sommersemester 2010 fünf alternative<br />

Lehrveranstaltungen an der <strong>KHSB</strong><br />

statt. Die Idee zur Veranstaltungsreihe<br />

stammt aus dem Bildungsstreik 2009. Das<br />

Organisationsteam aus Studierenden und<br />

Lehrenden hat es sich zum Ziel gesetzt<br />

selbstorganisierte Lehrveranstaltungen<br />

sowie ein kritisches Bewusstsein und<br />

einen Blick auf gesamtgesellschaftliche<br />

Zusammenhänge an die Hochschule zu<br />

bringen und zu entwickeln. Die Themen<br />

reichten vom Einblick in den Berufsalltag<br />

von Berufseinsteigern und »alten Hasen«<br />

im Sozialwesen über Einblicke in internationale<br />

Verhältnisse. In einer weiteren Veranstaltung<br />

ging es um die Entwicklungen<br />

in der Trägerlandschaft Berlins und deren<br />

Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse<br />

von Bachelorabsolventen. Hierzu<br />

wurden Vertreter/Innen von Gewerkschaften<br />

und Trägern der Sozialen Arbeit<br />

und Heilpädagogik eingeladen. Es folgte<br />

ein Gastvortrag zum Thema »Kritische<br />

Theorie« von Dr. phil. Alexander Demirovic,<br />

bei dem man angeregt wurde einen<br />

Blick über den Tellerrand zu wagen und<br />

gedanklich neue Wege einzuschlagen. In<br />

der letzten alternativen Lehrveranstaltung<br />

stand der Austausch über die vollendete<br />

erste Lehrveranstaltungsreihen, sowie<br />

das Schaffen gemeinsamer Perspektiven<br />

an der <strong>KHSB</strong> für kommende Semester im<br />

Vordergrund. Resümierend ist zu sagen,<br />

dass ein großes Interesse an sozialpolitischen<br />

Themen herrschte, aber auch<br />

darüber hinaus. Besonders die Gespräche<br />

im Anschluss an die Veranstaltungen


erfreuten sich großer Beliebtheit. Alles in<br />

allem wurden die alternativen Lehrveranstaltungen<br />

im Sommersemester 2010<br />

begeistert aufgenommen und zum Anlass<br />

tiefgehender Diskussionen. Aufgrund dieser<br />

Tatsachen und der tollen neuen Ideen<br />

aus der letzten Veranstaltung wird es im<br />

Wintersemester weitergehen! Schon jetzt<br />

wird angedacht das Repertoire von Veranstaltungen<br />

um einen aktiveren Teil in<br />

Form von Workshops zu ergänzen. Natürlich<br />

sind alle eingeladen, die ihre Themen<br />

umgesetzt sehen wollen, die sich an der<br />

Organisation beteiligen möchten oder<br />

die einfach nur die Lust verspüren eine<br />

Veranstaltung zu organisieren. Informationen<br />

zu den Organisationstreffen und<br />

dem weiteren Vorgehen – oder einfach<br />

nur ein/e persönlichen Ansprechpartner/in<br />

gibt es unter folgender Adresse:<br />

internes[at]khsb.de<br />

zusammEnarBEIt üBEr grEnzEn hInWEg<br />

FachgEspräch: »QualItätsanForDErungEn unD QualItätssIchErung<br />

IntErnatIonalEr praktIka unD hospItatIonEn«<br />

Bernd Streich<br />

»Qualität« ist in aller Munde. – auch in<br />

Hochschulen und hier vielleicht in den<br />

letzten Jahren in einem besonderen Maß.<br />

Dies führte verschiedene Hochschulen mit<br />

sozialer Ausrichtung zusammen. Unter<br />

dem Thema »Qualitätsanforderungen<br />

und Qualitätssicherung internationaler<br />

Praktika und Hospitationen« fand am<br />

03./04.Mai 2010 ein interessantes Fachgespräch<br />

in Berlin statt. Tagungsort war<br />

die Evangelische Hochschule Berlin und<br />

die <strong>KHSB</strong>, also Zehlendorf und Karlshorst.<br />

Dem »Ev. Verein zur Förderung der Initiativen<br />

gegen Arbeitslosigkeit Berlin-Steglitz<br />

e. V.« – Eviga genannt – war es gelungen<br />

die Evangelischen Hochschule Berlin<br />

(EHB), die Alice-Salomon-Hochschule<br />

Berlin (ASH), die Katholischen Hochschule<br />

für Sozialwesen Berlin (<strong>KHSB</strong>) und die<br />

Akademie für Sozialpädagogik und Theologie<br />

Prag (Jabok) zusammen zu führen,<br />

um sich über internationale Praktika und<br />

Hospitationen auszutauschen und vielleicht<br />

auch Anregungen zu erarbeiten,<br />

insbesondere auch für Praktika in östlichen<br />

Nachbarländern. Ziel war es, das<br />

Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu<br />

betrachten und die Erfahrungen der beteiligten<br />

Fachhochschulen und von Eviga<br />

einer Fachöffentlichkeit vorzustellen und<br />

darüber ins Gespräch zu kommen. Beteiligt<br />

waren neben vielen Vertretern aus<br />

den beteiligten Institutionen auch alle drei<br />

Rektorinnen der Hochschulen. Von besonderem<br />

Interesse waren die Erfahrungen<br />

von Studierenden und Lehrenden der<br />

Jabok aus Prag. Die Jabok – Akademie für<br />

Sozialpädagogik und Theologie in Prag -<br />

ist eine Einrichtung der Gemeinschaft der<br />

Salesianer Don Boscos, einer katholischen<br />

Ordensgemeinschaft, die sich insbesondere<br />

um Kinder und Jugendliche kümmert.<br />

Die Schule in Prag bietet eine College-<br />

Ausbildung in der der christliche und der<br />

Don-Bosco- Geist im Bereich der Sozialarbeit,<br />

Sozialpädagogik und Theologie seine<br />

Verankerung hat. Die Initiatoren wollten<br />

sich mit diesem Fachgespräch zu einem<br />

bildungspolitischen Thema an aktuellen<br />

Debatten beteiligen. Dies wurde auch<br />

in der abschließenden Podiumsdiskussion<br />

unter dem Thema: »Nachhaltigkeit<br />

und Effekte internationaler Praktika und<br />

Hospitationen für Studium und Lehre«<br />

mit den Rektorinnen Frau Prof. Dr. Borde<br />

(ASH), Frau Prof. Treber (<strong>KHSB</strong>), Herrn<br />

Prof. Dr. Hildebrand und Herrn Direktor<br />

Mgr. Martinek (Jabok) deutlich.<br />

Ein herzlichen Dank allen, die zum Gelingen<br />

dieses Fachgesprächs beigetragen<br />

haben.<br />

21


22<br />

rückblick<br />

rElIgIösE praxIs – DIE khsB BEtEIlIgt<br />

sIch am IntErrElIgIösEn DIalog<br />

Bernd Streich<br />

Interreligiösen Dialog praktisch erlebten<br />

Studierende aus dem religionspädagogischen<br />

Bachelorstudiengang im April des<br />

Jahres. Sie nahmen zusammen mit Frau<br />

Professor Dr. Christine Funk teil an einen<br />

Vortrags- und Gesprächsabend, zu dem<br />

der Sachausschuss »Ökumene und interreligiöser<br />

Dialog« des Diözesanrates der<br />

Katholiken im Erzbistum Berlin und die<br />

islamischen Organisation DITIB (Türkisch-<br />

Islamische Union der Anstalt für Religion<br />

e.V.) eingeladen hatten. Das Thema »Religiöse<br />

Praxis in Christentum und Islam«<br />

stand an diesem Abend im Mittelpunkt.<br />

Und gab viel Stoff zum Austausch. Für<br />

die religiöse Praxis im Islam spielen die<br />

fünf Grundpflichten dieser Religion,<br />

auch »Pfeiler« oder »Säulen« des Islams<br />

genannt, eine maßgebende Rolle: Glaubensbekenntnis,<br />

Gebet, Unterstützung<br />

der Bedürftigen, Fasten und Pilgerfahrt.<br />

Impulsreferate zur religiösen Praxis im<br />

Islam wurden von Andry Abbas Schulz<br />

und im Christentum von Dompropst Dr.<br />

Stefan Dybowski gehalten. Sie ließen<br />

schon etliche Parallelen deutlich werden.<br />

In kleiner Runde konnten die Teilnehmenden<br />

über die Bedeutung der religiösen<br />

Praxis für das eigene Leben miteinander<br />

ins Gespräch kommen. Im Podium- und<br />

Plenumsgespräch zeigten sich einige<br />

Entsprechungen im Christentum und im<br />

Islam. Zum Gelingen des Abends trugen<br />

viele junge Muslime durch ihr engagiertes<br />

Gespräch bei, ebenso die Beteiligung von<br />

interessierten Nicht-Christen.<br />

Weitere Kooperationveranstaltung: 25.10.2010<br />

»Sterben und Tod aus christlicher und islamischer<br />

Perspektive« (Berliner Hospizwoche)<br />

EhEmalIgEr stuDEnt DEr khsB Erhält DEn<br />

johannEs-stEllIng-prEIs gEgEn rEchtsExtrEmIsmus<br />

Der Leiter der Kreisgeschäftsstelle der Caritas<br />

in Anklam und ehemaliger Student<br />

der <strong>KHSB</strong> (damals KFB), Ulrich Höckner,<br />

erhielt am 22. Juni 2010 den mit 2.000<br />

Euro dotierten Johannes-Stelling-Preis<br />

der SPD Fraktion des Landtages Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Ulrich Höckner<br />

war in der Vergangenheit in seinem Heimatort<br />

Bargischow immer wieder offen<br />

gegen rechtsextremistische Tendenzen<br />

eingetreten. Sein Engagement gegen<br />

die zeitweilige Nutzung eines dörflichen<br />

Jugendclubs durch den sogenannten Heimatbund<br />

Pommern – eine Vorfeldorganisation<br />

der militanten Neonazikameradschaften<br />

– führte zu einer beispiellosen<br />

Verleumdungs- und Schmutzkampagne<br />

gegen ihn und seine Familie. Trotz der<br />

erheblichen Anfeindungen blieb Höckner<br />

bei seiner engagierten demokratischen<br />

Grundhaltung und trat als unabhängiger<br />

Kandidat zur Kommunalwahl an. In seiner<br />

Laudatio würdigte der Ministerpräsident<br />

des Landes Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Erwin Sellering, die Leistungen von Ulrich<br />

Höckner und der weiteren Preisträgerin<br />

Jutta Bressem. Beim Kampf gegen Rechtsextremismus<br />

brauche man einen »langen<br />

Atem«, so Sellering. Wichtig sei, dass<br />

rechtsextreme Straftaten konsequent verfolgt<br />

würden. Von ganz besonderer Bedeutung<br />

sei zudem die Bekämpfung des<br />

Rechtsextremismus im gesellschaftlichen<br />

Raum: »Hier sind alle gesellschaftlichen<br />

Akteure gefragt. Das Engagement der<br />

beiden Preisträger kann dabei Vorbild für<br />

viele andere sein«, so Sellering. Der Preis,<br />

der seit 2006 verliehen wird, ist benannt<br />

nach Johannes Stelling, einem sozial-<br />

demokratischen Politiker der Weimarer<br />

Republik, der im Juni 1933 in Berlin während<br />

der sogenannten Köpenicker Blutnacht<br />

ermordet wurde. Ulrich Höckner,<br />

der neben seiner Tätigkeit für die Caritas<br />

auch Vorsitzender des Präventionsrates<br />

der Stadt Anklam ist, war von 1992 bis<br />

1996 Student der damaligen KFB. Die gesamte<br />

Hochschule gratuliert ihm von Herzen<br />

zu diesem Preis und wünscht ihm für<br />

sein Wirken alles Gute und Gottes Segen.


AugeNblick<br />

prof. Dr.<br />

leo j. penta<br />

professor für gemeinwesenarbeit und<br />

-ökonomie<br />

Warum möchten Sie ausgerechnet an einer<br />

katholischen Hochschule für Sozialwesen unterrichten?<br />

Weil ich Priester bin, könnte man einerseits<br />

meinen, dass es »natürlich« ist, dass<br />

ich hier bin. Die meisten Leute überrascht<br />

es jedoch, dass ich nicht Theologie , sondern<br />

Stadtteil- oder Gemeinwesenarbeit<br />

unterrichte. Für mich ist es dabei wichtig<br />

darauf hinzuweisen, dass es verschiedene<br />

Ausdrucksweisen des kirchlichen Auftrags<br />

geben kann.<br />

Was finden Sie an Ihrer Arbeit an der <strong>KHSB</strong><br />

besonders erfüllend, herausfordernd oder änderungsbedürftig?<br />

Ich arbeite an der <strong>KHSB</strong> seit langem und<br />

habe viele Wellen der Curriculumsreform<br />

erlebt. Das war nicht immer einfach,<br />

weil ich oft das Gefühl hatte, schon die<br />

nächste »Reform« entwerfen zu müssen,<br />

bevor die alte wirklich eingespielt<br />

war. Nach wie vor schätze ich sehr die<br />

Studienschwerpunkte, bei deren Entwicklung<br />

ich in meiner Anfangszeit an<br />

der Hochschule mitwirken durfte. Auch<br />

herausfordernd war die Tatsache, dass<br />

ich früher und lange Zeit der erste und<br />

einzige Nicht-Deutsche Professor an der<br />

<strong>KHSB</strong> war; es bedurfte ein hohes Maß an<br />

kultureller Übersetzung! Ich finde es nach<br />

wie vor schade, dass die Bologna-Reform<br />

das Beste aus den anglo-amerikanischen<br />

Traditionen der B.A. und M.A. oft liegen<br />

lässt und die Schwächen zu eigen macht.<br />

Doch die <strong>KHSB</strong> ist für mich besonders erfüllend,<br />

weil man hier Theorie und Praxis<br />

als Selbstverständlichkeit verbinden kann.<br />

Es ist eine Plattform, um Innovatives in<br />

Deutschland zu initiieren. Deshalb wollte<br />

ich an eine (Fach-)Hochschule anstatt eine<br />

Uni-Praxis zu generieren und zu reflektieren.<br />

Wenn Sie Ihren Studierenden eins vermitteln<br />

könnten, was wäre das?<br />

Die Menschen, mit denen sie arbeiten,<br />

sind nicht Kunden oder gar Klienten – wie<br />

sie leider meistens benannt werden. Sie<br />

sind Personen! »Klient« kommt aus dem<br />

Lateinischen und bedeutet »der Hörige«<br />

– der Inbegriff eines Objekts! Studierende<br />

sollten lernen, sie aber als Subjekte zu<br />

sehen und zu schätzen.<br />

Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Strömung<br />

in der Sozialen Arbeit bzw. Heilpädagogik, die<br />

mehr beachtet werden müsste?<br />

Die Sozialraumorientierung.<br />

Glauben Sie, dass es in den Sozialen Berufen<br />

Fortschritt gibt?<br />

Wessen Fortschritt? Fortschritt – aber<br />

aus welcher Sicht? In erster Linie gibt<br />

es Veränderung. Aber nicht jedwede<br />

Veränderung ist positiv, ist »Fortschritt«.<br />

Manche Änderungen sind einfach Modeerscheinungen,<br />

manche bringen keine<br />

Besserungen, manche sind gar gefährlich.<br />

In der Sozialen Arbeit liegen geschichtlich<br />

gesehen die Beispiele für einen gefährlichen<br />

»Fortschrittsglauben« auf der Hand.<br />

Haben Sie eine Person im Umfeld der Sozialen<br />

Berufe, die Sie als Vorbild sehen?<br />

Paulus und Saul Alinsky.<br />

Welche Autorin oder welchen Autor lesen Sie<br />

besonders gern?<br />

Hannah Arendt.<br />

Was würden die meisten Menschen von ihnen<br />

gar nicht erwarten?<br />

Ich fahre gern Kajak.<br />

neuerscheinung<br />

kunDEnstuDIE – BEDarF an DIEnstlEIs-<br />

tungEn zur untErstützung DEs WohnEns<br />

Von mEnschEn mIt BEhInDErung<br />

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat<br />

seit 2009 für die Behindertenpolitik in<br />

Deutschland programmatische Bedeutung.<br />

Unter der Zielperspektive Inklusion<br />

proklamiert sie die gleichberechtigte Teilhabe<br />

von Menschen mit Behinderung am<br />

Leben in der Gemeinde. Vor diesem Hintergrund<br />

hat die Berliner »Kundenstudie«<br />

eine Standortbestimmung der wohnbezogenen<br />

Unterstützungsleistungen für<br />

Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung vorgenommen und den<br />

Handlungsbedarf präzisiert. Die Erkenntnisse<br />

werden in einem Strategiekonzept<br />

verdichtet, das konkrete Maßnahmen<br />

auf dem Weg zur Inklusion benennt. Sie<br />

betreffen die Ebene des Individuums und<br />

seiner Lebenswelt sowie die Ebene des<br />

Hilfesystems und des Sozialraums.<br />

Die Forschungsarbeit weitet den Blick<br />

über das System der Behindertenhilfe<br />

hinaus auf sozialraumorientierte Ansätze<br />

der Sozialen Arbeit und der Sozialen<br />

Stadtentwicklung. Dabei wird den Unterstützungsbedarfen<br />

von behinderten<br />

Menschen mit Migrationshintergrund<br />

besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die<br />

Studie hat für die Weiterentwicklung der<br />

Strukturen und Prozesse (nicht nur) der<br />

Behindertenhilfe bundesweite Bedeutung.<br />

Taschenbuch: 420 Seiten<br />

Rhombos-Verlag; Auflage Juli 2010<br />

ISBN-10: 3941216287<br />

23


24<br />

gott uNd die Welt<br />

reise nach oswiecim<br />

Fahrt zu den gedenkstätten des konzentrationslagers auschwitz vom<br />

5. bis 9. Februar 2010<br />

Vor der reise<br />

Dem Aushang für die Fahrt nach Auschwitz<br />

im Dezember 2009 folgte eine Phase<br />

überraschend intensiver Kommunikation:<br />

Kolleginnen und Kollegen sprachen<br />

mich an: »Ja, es ist nötig, sich mit dem<br />

Ort zu konfrontieren.« Einige warnten:<br />

» Einfach so? Haben Sie sich das gut<br />

überlegt?« Es gab auch Distanzierung:<br />

»Auschwitz? Nein, das reicht jetzt doch.<br />

Es gibt wichtigere Themen für mich.«<br />

Einige Kollegen erzählten mir von Vorfahren,<br />

die in Konzentrationslagern waren.<br />

Einige überlegten, ob sie Urlaub dafür<br />

investieren sollten. Auch Studierende erwogen<br />

das Für und Wider einer Reise zu<br />

den Gedenkstätten der Vernichtungslager<br />

des Nationalsozialismus Auschwitz und<br />

Auschwitz-Birkenau. »Interesse hätte ich<br />

schon, aber ich trau mich nicht.« »Für<br />

das Geld kann ich eine Woche schönen<br />

Urlaub machen.« »Ich war schon mal da.<br />

Einmal reicht mir. Aber gut, dass es die<br />

Möglichkeit gibt, hin zu fahren.«<br />

Ohne die konkrete Anbindung an ein<br />

Seminar sollte eine persönliche Erfahrung<br />

und Auseinandersetzung ermöglicht werden,<br />

mit dem, wofür der Name »Auschwitz«<br />

in der Geschichte steht. Von der<br />

»Erziehung nach Auschwitz« über die<br />

Theologie, die sich von daher in Frage<br />

gestellt sieht, bis hin zu den Auswirkungen<br />

von Selektion, die die Arbeitsbereiche<br />

der Sozialen Arbeit und Heilpädagogik<br />

betreffen.<br />

Verlauf der reise<br />

Am 5. Februar 2010 machte sich eine<br />

Gruppe von 19 Personen mit der Bahn<br />

auf den Weg nach Oswiecim. 14 Studierende<br />

aus allen Studiengängen, 2<br />

Professoren und 3 Mitarbeitende der<br />

Verwaltung. Am Abend erreichten wir<br />

die Begegnungsstätte »Zentrum für Dialog<br />

und Gebet«, einer Einrichtung der<br />

katholischen Kirche, in der wir komfortabel<br />

untergebracht waren. Am ersten<br />

Tag besuchten wir die Lagergebäude des<br />

sogenannten »Stammlagers Auschwitz<br />

I«. Unser Begleiter, der hauptberuflich als<br />

Geschichtslehrer arbeitet und seit zwanzig<br />

Jahren nebenamtlich Besucherinnen<br />

und Besucher durch die Gedenkstätten<br />

begleitet, erschloss uns über das unmittelbar<br />

zu Sehende hinaus eine Ahnung<br />

des »Funktionierens des Lagers«, indem<br />

er uns an vielen Zeugenberichten teilhaben<br />

ließ, die er im Laufe seiner Tätigkeit<br />

vernommen und recherchiert hatte. Nach<br />

dem Besuch der Lagergedenkstätte mit<br />

der ganzen Gruppe gab es am Nachmittag<br />

Zeit, nochmal in kleineren Gruppen<br />

oder alleine das Gelände zu begehen<br />

und auch die sog. Nationalausstellungen<br />

anzusehen. Hier dokumentieren und<br />

gestalten die einzelnen von der Shoah<br />

betroffenen Länder das Gedenken an ihre<br />

Staatsangehörigen. Am Vormittag des<br />

zweiten Tages besuchten wir mit unserem<br />

Guide die Gedenkstätte des riesigen<br />

Lagers Birkenau. Am Nachmittag hatten<br />

wir die Gelegenheit, mit Archivalien des<br />

Archivs des Lagers in Kontakt zu kommen.<br />

Lagerbücher, Transportlisten, Personalakten<br />

der Aufseher u.s.w. Hier kann<br />

man komplementär zu der Qual und dem<br />

Leiden der Gefangenen, die man erahnt,<br />

den Versuch besichtigen, alles in verwaltungsmäßiger<br />

Ordnung darzustellen.<br />

Am Vormittag des nächsten Tages hatten<br />

wir eine Begegnung mit Herrn Wilhelm<br />

Brasse. Er war als politischer Häftling im<br />

Stammlager gefangen und musste als<br />

gelernter Fotograf die neu ankommenden<br />

Häftlinge für die Akten fotografieren und<br />

später auch die Menschen, mit denen<br />

Ärzte, wie Dr. Mengele und Prof. Dr.<br />

Clauberg, ihre medizinischen Versuche<br />

machten. Nach der Befreiung des Lagers<br />

wollte er natürlich seinen Beruf weiter<br />

ausüben, war dazu aber nicht mehr in<br />

der Lage, weil er - traumatisiert von dem<br />

im Lager Erlebten - immer wieder Opfer<br />

der Experimente vor Augen hatte. Am<br />

Nachmittag unseres letzten Tages besuchten<br />

wir mit dem Zivildienstleistenden<br />

des Zentrums für Dialog und Gebet das<br />

Stadtzentrum von Auschwitz und hörten<br />

etwas von der wechselvollen Geschichte<br />

der Stadt, bevor sie durch die Einrichtung<br />

dieses Vernichtungslagers zum Synonym<br />

der Shoah wurde und seitdem kaum je<br />

als eigene wahrgenommen werden kann.<br />

An den Abenden trafen wir uns in der<br />

Gruppe und versuchten, die Eindrücke<br />

des jeweiligen Tages anzuhören. Aus<br />

dem Vielen, das zur Sprache kam: die<br />

Verstörung, die die Fotos der ausgemergelten<br />

und ausgebeuteten Menschen


auslösen. Die Verzweiflung, die der Block<br />

11, der »Todesblock« hervorruft, in dem<br />

Unrechtssystem die Fiktion von rechtmäßigen<br />

Verurteilungen von Verstößen<br />

gegen Lagergesetze exekutiert wurde und<br />

Gefangene als Häftlinge zusätzlich brutal<br />

eingesperrt wurden. Die Fassungslosigkeit<br />

über Werkzeuge für die »Sonderstrafen«,<br />

denen die Häftlinge ausgesetzt waren, die<br />

der Brutalität und der Erniedrigung immer<br />

noch den Anschein von Rechtmäßigkeit<br />

geben sollten. Neben der Erschütterung<br />

über das vielfache Leiden der Häftlinge,<br />

für die es keine rechte Sprache zu geben<br />

scheint, gab es auch Reaktionen der Empörung,<br />

z.B. über die effiziente Organisation<br />

zur eigenen Bereicherung des NS-<br />

Staates. Empörung darüber, dass die Juden<br />

aus Griechenland beispielsweise ihre<br />

Fahrkarten zum Vernichtungslager selbst<br />

bezahlen mussten, darüber, wie die Habe<br />

der Deportierten säuberlich desinfiziert,<br />

gelagert und magaziniert wurde, um sie<br />

ausgebombten Bewohnern im »Reich«<br />

als Ersatzgüter anbieten zu können. Empörung<br />

und Wut, wie die Menschen mit<br />

Ankunft im Lager wie Sachen behandelt<br />

und wie sorgfältig die Sachen ihres Besitzes<br />

behandelt wurden. Und Erschrecken<br />

über den »Wert von Modernität«<br />

zeigte sich angesichts der »innovativen<br />

Technik«, mit der die Massenvernichtung<br />

organisiert wurde.<br />

nach der reise<br />

Nachdem wir am 9. Februar 2010 wieder<br />

in Berlin angekommen waren, gingen wir<br />

in die vorlesungsfreie Zeit. Bei einem Treffen<br />

zu Beginn des Semesters stellten wir<br />

fest, dass wir mit vielen Eindrücken nicht<br />

»fertig« waren. Dass sie einerseits nicht in<br />

die erlebten Alltage zu passen scheinen,<br />

andererseits hörten wir aber auch von<br />

Alltagserfahrungen und Themen, die sich<br />

als durchsichtig erweisen für das, was wir<br />

beim Besuch der Gedenkstätten erfahren<br />

haben.<br />

Die khsB auf dem 2. ökumenischen<br />

kirchentag in münchen<br />

Bernd Streich<br />

Unter dem Motto »Forschung & Lehre«<br />

präsentierten sich die 17 kirchlichen<br />

Hochschulen in Deutschland auf dem 2.<br />

Ökumenischen Kirchentag in München<br />

mit einem gemeinsamen Stand.<br />

Mit mehr als 20 Vorträgen, Filmvorführungen,<br />

Performances und Diskussionsrunden<br />

stellten die kirchlichen Fachhochschulen<br />

der Rektorenkonferenz kirchlicher<br />

Fachhochschulen (RKF) ihr breites Themenspektrum<br />

vor. Die Inhalte reichten<br />

von Religion und Religiosität über Soziale<br />

Arbeit, Bildung und Erziehung bis hin<br />

zu Pflege und Alter. Der Focus lag dabei<br />

auf Forschungsprojekte aus den einzelnen<br />

Hochschulen. Die <strong>KHSB</strong> war täglich<br />

am Stand vertreten: am Samstag durch<br />

die Rektorin, Frau Prof. Monika Treber<br />

und am Donnerstag durch Herrn Bernd<br />

Streich. Herr Prof. Dr. Stephan Höyng war<br />

im Dialogforum auf dem Stand beteiligt<br />

und stellte am Freitag unter dem Thema:<br />

»Männer in Kindertagesstätten – Bedarfe,<br />

Schwierigkeiten und Handlungsempfehlungen«<br />

sein Forschungsprojekt vor. Ziel<br />

des Projektes ist es, in den kommenden<br />

Jahren gemeinsam mit politisch und praktisch<br />

Verantwortlichen den Anteil männ-<br />

licher Fachkräfte spürbar zu steigern. Der<br />

gemeinsame Stand war einer der größten<br />

Stände in der Halle A6 und bot vielfältige<br />

Informationen, die Möglichkeit zum Gespräch<br />

mit Studierenden, Lehrenden und<br />

Mitarbeitern der Administration. Viele<br />

Interessierte informierten sich über konkrete<br />

Studienmöglichkeiten und fragten<br />

nach Besonderheiten einzelner Hochschulen.<br />

Es gab auch viele Gäste, die sich über<br />

die kirchlichen Hochschulen informieren<br />

wollten. So war Erzbischof Marx aus<br />

München sehr interessiert und ein gefragter<br />

Gesprächspartner.<br />

Studierende der Katholischen Hochschule<br />

Nordrhein-Westfalen führten ein Umfrageprojekt<br />

zum Thema »Ökumene«<br />

durch. Sie fragten Jugendliche und junge<br />

Erwachsene nach ihren Ansichten zur<br />

Ökumene. »Damit ihr Hoffnung habt«<br />

war das Motto des 2. Ökumenischen<br />

Kirchentages. Die Zusammenarbeit der 11<br />

evangelischen und 6 katholischen Hochschulen<br />

war gelungen und gibt Hoffnung<br />

zu weiterer guter ökumenischer Zusammenarbeit,<br />

nicht erst beim 3. Ökumenischen<br />

Kirchentag.<br />

25


26<br />

FerNblick<br />

Wie machen es die anderen?<br />

Deutsch-französischer Austausch zu Studium und Praxis im Nachbarland<br />

Wie machen es die anderen? Das ist die<br />

Leitfrage des deutsch-französischen Austauschs,<br />

den die <strong>KHSB</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit dem Institut Universitaire de Technologie<br />

de Rennes, dem Interkulturellen<br />

Netzwerk e.V. und unterstützt durch das<br />

Deutsch-Französische Jugendwerk in diesem<br />

Jahr durchführt. Im Mittelpunkt des<br />

deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekts<br />

steht der professionsbezogene Austausch<br />

und der Vergleich der deutschen<br />

Studiengänge Soziale Arbeit, Heilpädagogik,<br />

Bildung und Erziehung sowie des<br />

französischen Studiengangs Animation<br />

Sociale et Socio-culturelle. Den Studierenden<br />

des jeweils anderen Landes soll gezeigt<br />

werden, welche potentiellen Berufsfelder<br />

mit der erworbenen Qualifikation<br />

angestrebt werden können. Neben diesen<br />

fachlich orientierten Zielen stehen der<br />

kulturelle Austausch und die Entdeckung<br />

der jeweils anderen Kultur im Zentrum.<br />

Die erste Austauschwoche, an der neben<br />

Professorinnen und Betreuern 8 deutsche<br />

und 10 französische Studierende teilnahmen,<br />

fand im Juni 2010 in Berlin statt. Als<br />

Highlights wurden die praxisnahen Exkursionen<br />

in die verschiedenen Einrichtungen<br />

wie z.B. Unter Druck/Kultur von der Stra-<br />

ße sowie Kontakt- und Beratungsstelle für<br />

Flüchtlinge und MigrantInnen e.V. erlebt.<br />

Da in Frankreich keine institutionell verankerte<br />

Arbeit mit Obdachlosen existiert,<br />

sondern nur eine Grundversorgung für<br />

Obdachlose geleistet wird, war insbesondere<br />

dieses Thema für die französischen<br />

Studierenden von großem Interesse. Aber<br />

auch der Unterschied zwischen den deutschen<br />

und französischen Studiengängen<br />

sowie den potentiellen Berufsfeldern<br />

erzeugte noch mehr Neugier und den<br />

Wunsch, die einzelnen Studiengangsinhalte<br />

noch besser kennen zu lernen. In<br />

binationalen Gruppen wurden verschiedene<br />

Themen so z.B. zum Thema Arbeit<br />

mit Jugendlichen, KITA und Arbeit mit<br />

Obdachlosen bearbeitet. Die binationalen<br />

Gruppen entwickelten zu diesen Themen<br />

fiktive Projekte. Trotz unterschiedlich<br />

vorhandener Fremdsprachenkenntnisse<br />

schafften es die Studierenden, gemeinsam<br />

originelle Projektideen zu entwickeln<br />

und Sprachhemmnisse sowie kulturelle<br />

Unterschiede zu überwinden. Die Gruppenmitglieder<br />

lernten hierbei gegenseitig<br />

voneinander. Die Studierenden der <strong>KHSB</strong><br />

lernten z.B. die in Frankreich verbreitete<br />

Methode des Debatten-Cafés kennen, die<br />

themenspezifisch eingesetzt wird. Es wer-<br />

den hierbei Betroffene, der Bürgermeister<br />

sowie VertreterInnen von Organisationen<br />

eingeladen, um das spezifische Thema zu<br />

diskutieren. Nach der Austauschwoche<br />

waren sich die deutschen und französischen<br />

Studierenden einig, dass es eine<br />

gelungene Austauschwoche war. Die<br />

Tränen bei der Verabschiedung zeigten,<br />

dass nicht nur ein fachlicher Austausch<br />

stattgefunden hatte, sondern dass auch<br />

grenzüberschreitend neue Freundschaften<br />

geschlossen worden waren. Aber der<br />

Abschied ist ja noch kein richtiger: Im<br />

November diesen Jahres wird die Rückbegegnung<br />

in Rennes stattfinden – hier wird<br />

es für die Studierenden der <strong>KHSB</strong> dann<br />

um die Frage gehen: Wie machen es die<br />

anderen?<br />

WEgE Ins auslanDssEmEstEr &<br />

auslanDspraktIkum<br />

…interkulturelle Erfahrungen sammeln, über<br />

den Tellerrand hinausblicken, das professionelle<br />

Spektrum erweitern, die Fremdsprachenkenntnisse<br />

verbessern, auf eigenen Beinen stehen…<br />

Es gibt gute Gründe, einen studienintegrierten<br />

Auslandsaufenthalt zu planen.<br />

Die <strong>KHSB</strong> unterstützt Studierende bei<br />

der Planung eines Auslandssemesters<br />

und Auslandspraktikums. Als anerkannte<br />

ERASMUS-Hochschule kann die <strong>KHSB</strong><br />

jährlich Stipendien an Studierende vergeben,<br />

die an einer der 17. Partnerhochschulen<br />

studieren oder ein Praktikum<br />

an einer sozialen Einrichtung in Europa<br />

absolvieren wollen.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie bei:<br />

Marion.Mueller[at]khsb-berlin.de


kleine schritte,<br />

die die Welt verändern…<br />

Mein Praktikum auf den Philippinen<br />

Paradiesische Natur und Pazifik, Palmenund<br />

Bananenwälder sowie wunderbare<br />

Natur … das sind unsere ersten Eindrücke,<br />

als wir in Davao City auf den Philippinen<br />

ankommen, um dort unser Praktikum<br />

bei der Kindernothilfe zu absolvieren.<br />

Schnell folgen allerdings auch andere<br />

Bilder von der Realität auf den Philippinien<br />

und den Problemen des Landes: Die<br />

Armut ist sehr groß, oft leben bis zu fünf<br />

Generationen in einer kleinen Holzhütte.<br />

Die Menschen haben Krankheiten aufgrund<br />

schlechter Hygiene und Ernährung.<br />

Kinderarbeit und Kinderprostitution sind<br />

Alltag. Es gibt viele Kinder, die auf der<br />

Straße leben. Die Mitglieder armer Familien<br />

sind kaum gebildet und selten über<br />

Menschenrechte aufgeklärt. Gewalt als<br />

Erziehungsmethode ist vorherrschende<br />

Realität. Unser Praktikum eröffnet uns die<br />

Möglichkeit, mit Straßenkindern in einem<br />

Slumgebiet zu arbeiten. Für diese Kinder<br />

veranstalten wir Kunst- und Tanzprojekte.<br />

Wir arbeiten mit den Bajaos. Die Bajaos<br />

gehören zu den ethnischen Minderheiten<br />

auf der Südhälfte der Insel Mindanao.<br />

Außerdem erhalten wir die Möglichkeit,<br />

zwei Wochen in einer Einrichtung zu arbeiten,<br />

die psychisch und körperlich misshandelte<br />

Mädchen betreut. Aus der Sicht<br />

von Sozialarbeitern gibt es auf den Philippinen<br />

sehr viel zu tun und Hilfe von Außen<br />

ist hier von großer Bedeutung. Wer<br />

helfen will, kann Partner von Pag-Ugmad<br />

(meine Organisation) werden. Schon mit<br />

2 oder 3 Euro kann Kindern auf den Philippinen<br />

für eine Woche geholfen werden.<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, die Menschen<br />

zu unterstützen, sodass sie eine Chance<br />

haben in die Schule zu gehen, jeden Tag<br />

zu essen zu bekommen und einen sicheren<br />

Schlafplatz zu finden.<br />

Willst Du aktiv werden? Dann fordere weitere<br />

Informationen an: ninawahle[at]gmx.de<br />

sattelt die hühner, wir<br />

reiten nach texas!<br />

Das vierte Semester rückt näher und die Frage<br />

des passenden Praktikums wird für viele Studierende<br />

immer drängender. Benny und Rico<br />

studieren Soziale Arbeit hier an der <strong>KHSB</strong> und<br />

wagen den Fernblick nach Austin, Texas. Rico<br />

berichtet:<br />

Austin gehört mit seinen über 750 000<br />

Einwohnern zu den größten Städten in<br />

Texas. Hier gibt es zwei große und mehrere<br />

kleine Universitäten, sodass das Stadtbild<br />

von jungen Leuten und Alternativen<br />

geprägt ist, ganz nach dem Motto »Keep<br />

Austin weird«. Man merkt außerdem,<br />

dass Austin nicht zu unrecht als eine der<br />

»grünsten« Städte der USA gilt, da sich<br />

hier viele »grüne« Unternehmen angesiedelt<br />

haben und viele »Austinites« sehr<br />

umweltbewusst leben, Hybrid-Autos,<br />

Fahrräder, Busse und die Tram nutzen.<br />

Es fällt auch sofort auf, dass Austin zu<br />

Recht als die »Live Music capitol« der<br />

Welt gilt. Man kann jeden Abend in unzähligen<br />

Bars und Clubs auf der berühmten<br />

6th Street und »SoCo« live Bands<br />

erleben. Zudem veranstaltet die Stadt<br />

jedes Jahr zwei international bekannte<br />

und geschätzte Festivals: das »South by<br />

Southwest« und »Austin City Limits«.<br />

Wir hätten uns also keinen besseren Ort<br />

aussuchen können, um uns während des<br />

Praktikums auch in der Stadt wohl zufühlen.<br />

Die Unterschiede in der Sozialen<br />

Arbeit im Vergleich zum Sozialsystem in<br />

Deutschland erscheinen uns nicht all zu<br />

groß. Wir arbeiten beide in einer Non-<br />

Profit-Organisation für Menschen mit<br />

HIV / Aids. Ich selbst (Rico) bin in einem<br />

Wohnprojekt tätig und Benny arbeitet<br />

in einem Hospiz. Uns beeindruckt, wie<br />

stark die verschiedenen Einrichtungen in<br />

Austin untereinander vernetzt sind und<br />

wie offen und dennoch professionell die<br />

Kommunikationsstrukturen sind. Unsere<br />

Aufgaben sind sehr vielfältig und reichen<br />

von »Counseling« über Case Management<br />

bis hin zur Mitarbeit bei verschiedenen<br />

Projekten: Zum Beispiel einen<br />

Nachbarschaftsgarten zu organisieren,<br />

Fundraising-Aktionen wie das alljährliche<br />

Fahrradrennen der »AIDS Service Agencies«<br />

in Austin zu unterstützen oder mit<br />

einer Ressourcen Map den Dschungel an<br />

Hilfsangeboten für die Klienten verständlicher<br />

zu machen. Neben dem Praktikum<br />

haben wir zusätzlich die Chance, einen<br />

Einblick in das »Social Work«-Studium<br />

an der University of Texas in Austin zu<br />

bekommen. Wir besuchen ein Seminar zu<br />

»International Social Work« und halten<br />

dort eine Präsentation über Soziale Arbeit<br />

in Deutschland. Das Auslandspraktikum in<br />

Austin ist für uns beide ein voller Erfolg!<br />

Wir treffen hier interessante Menschen,<br />

lernen viel Neues über US-amerikanische<br />

Sozialarbeit und stellen fest, dass viele europäische<br />

Vorurteile gegenüber der USA<br />

nicht mehr sind als eben nur Vorurteile.<br />

27


28<br />

Ausblick<br />

IntErnatIonalEr tag an DEr khsB<br />

24. noVEmBEr 2010<br />

13:30 uhr – 18:00 uhr<br />

»Die <strong>KHSB</strong> ist internationaler als man<br />

denkt!« Viele Studierende bringen internationale<br />

Erfahrung mit, interessieren sich<br />

für andere Länder, wollen im Studium<br />

ins Ausland oder engagieren sich über<br />

Grenzen hinweg. Auch Lehrende sind oft<br />

international aktiver als es scheint. Es gibt<br />

hier und da an der <strong>KHSB</strong> Projekte mit internationaler<br />

Ausrichtung, von denen die<br />

wenigsten wissen. Diese Internationalität<br />

soll sichtbar gemacht werden. Am 24.<br />

November gibt es hierfür einen Internationalen<br />

Tag. Geplant sind neben Diskussionsrunden,<br />

Schnupperworkshops, Vorträgen<br />

und Ideenworkshops auch Foren für<br />

den Erfahrungsaustausch zu international<br />

ausgerichteten Themen. Für ein spannendes<br />

Programm und eine Menge Spaß<br />

ist somit gesorgt. Am besten den Termin<br />

gleich in den Kalender eintragen!<br />

… und wer sich im Vorfeld aktiv einbringen<br />

will, kann sich bei uns melden.<br />

Wir freuen uns auf Ihr/Euer Kommen!<br />

Kontakt<br />

Franziska Leers & Sara Kauer<br />

internationalertag[at]khsb-berlin.de<br />

Carolin Osterburg & Teresa Ernst<br />

ausland[at]khsb-berlin.de<br />

Marion Müller<br />

marion.mueller[at]khsb-berlin.de<br />

»sport unD BEhInDErung – DIE hErausForDErungEn<br />

DEr un-BEhInDErtEnrEchtskonVEntIon«<br />

symposIum<br />

am 22. noVEmBEr 2010 Im staDIon Von<br />

BayEr 04 lEVErkusEn (BayarEna)<br />

Das Thema »Sport und Behinderung« ist<br />

nicht neu. Neu aber sind jene Anforderungen,<br />

die die UN-Behindertenrechtskonvention<br />

an sämtliche kollektiven und<br />

individuellen Akteure des Sports stellt.<br />

Diese Konvention bedeutet für den Sport<br />

weitaus mehr als nur die Sicherstellung<br />

des Zugangs von Menschen mit Behinderungen<br />

zu Sportstätten und der Möglichkeit<br />

ihrer Teilnahme an sportlichen<br />

Aktivitäten! Welche Implikationen sie für<br />

die diversen kollektiven und individuellen<br />

Akteure des Sports mit sich bringt<br />

und wie die aus ihr hervorgehenden<br />

Grundsätze in den diversen Bereichen<br />

des Sports in konkrete Strukturen und<br />

Handlungen umgesetzt werden können,<br />

ist Gegenstand dieses Symposiums, das<br />

vom ICEP in Kooperation mit dem »Wissenschaftlichen<br />

Beirat des Arbeitskreises<br />

Kirche und Sport« und der »Arbeitsstelle<br />

Pastoral für Menschen mit Behinderung«<br />

der Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet<br />

wird. Referent/-innen sind u.a.<br />

Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Deutscher<br />

Olympischer Sportbund, Vizepräsidentin<br />

für Bildung und Olympische Erziehung);<br />

Hubert Hüppe (Behindertenbeauftragter<br />

der Bundesregierung); Prof. Dr. Andreas<br />

Lob-Hüdepohl (Präsident der Katholischen<br />

Universität Eichstätt-Ingolstadt).<br />

Information und Anmeldung:<br />

Florian Kiuppis<br />

ICEP - Berliner Institut für christliche Ethik<br />

und Politik<br />

Telefon 030 – 50 10 10 913<br />

kiuppis[at]icep-berlin.de<br />

www.icep-berlin.de


»gErEchtE FInanzIErung DEr pFlEgE<br />

– WIE muss solIDarItät künFtIg organIsIErt<br />

WErDEn?« 28. oktoBEr 2010,<br />

katholIschE akaDEmIE BErlIn<br />

Die Ermöglichung einer menschenwürdigen<br />

Pflege ist eine der großen sozialpolitischen<br />

Herausforderungen der kommenden<br />

zwei Jahrzehnte. Die Erweiterung<br />

des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die<br />

Dynamisierung der Beiträge durch die<br />

Pflegereform 2008 haben die Frage nach<br />

den strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen<br />

der sozialen Pflegeversicherung<br />

(SPV) nur zum Teil beantwortet.<br />

Es bleibt nach wie vor unklar, ob und wie<br />

eine solidarische und paritätisch getragene<br />

Finanzierung auch langfristig zu realisieren<br />

ist. Im Rahmen dieser Fachtagung<br />

werden Zukunftsfragen der Finanzierung<br />

der SPV und den sich daran anschließenden<br />

Herausforderungen für Politik,<br />

Ökonomie und Sozialethik diskutiert.<br />

Die Fachbeiträge aus der Wissenschaft<br />

und die politische Kontroverse sollen zur<br />

Reflexion der ethischen Dimensionen der<br />

Finanzierung von Pflege und zur Entwicklung<br />

geeigneter Lösungswege in Politik<br />

und Gesellschaft beitragen.<br />

Das ICEP veranstaltet diese nichtöffentliche<br />

Fachveranstaltung in Kooperation mit dem Verband<br />

Katholische Altenhilfe Deutschland und<br />

der Katholischen Akademie Berlin.<br />

VEranstaltungEn DEs ForumFamIlIE<br />

Im WIntErsEmEstEr 2010/11<br />

4.11.2010 | Das Patenprojekt: Bereichung der<br />

eigenen Lebenswelt für Kinder, Eltern und<br />

Paten. Ein Unterstützungsmodell für Kinder, die<br />

eine Erweiterung ihres familiären Netzwerkes<br />

benötigen.<br />

Andrea Rakers, Dipl.Päd, LebenLernen e.V.<br />

Kooperationsprojekt von PiK GmbH mit<br />

LebenLernen e.V. und Aktion Mensch,<br />

das Paten sucht, schult und begleitet,<br />

damit Kinder ohne stabiles soziales Netzwerk<br />

eine dauerhafte zusätzliche verlässliche<br />

Bezugsperson haben für ihre gesunde<br />

Entwicklung.<br />

18.11.2010 | Auf der Suche nach den »neuen<br />

Vätern« – Männer zwischen Familienarbeit und<br />

Brotverdienen.<br />

Johanna Possinger, Dipl.-Kulturwirt, Referemntin<br />

für Familienpolitik beim Deutschen Verein<br />

für öffentliche und private Fürsorge, Berlin<br />

Statt um »Vätermonate« und Elternzeit<br />

geht es auch um vielfältige Vereinbarkeitsdilemmata<br />

zwischen betrieblichen<br />

Hindernissen und persönlichen familiären<br />

Ansprüchen – Ergebnisse einer empirischen<br />

Studie bei einem großen Energiekonzern.<br />

13.1.2011 | Die Begleitung von pflegenden Angehörigen<br />

demenzerkrankter Menschen durch<br />

Soziale Arbeit.<br />

Antje Doliff, cand. BA Soz.Arbeit (<strong>KHSB</strong>); Projektmitarbeiterin<br />

am Demenzzentrum Schwerin<br />

Neue Versorgungsstrukturen und niedrigschwellige<br />

Betreuungsangebote<br />

Immer donnerstags 14.00 – 15.30 Uhr in<br />

Raum 214. Jede Veranstaltung wird hochschulöffentlich<br />

angekündigt.<br />

casE-managEmEnt In DEr sozIalEn<br />

arBEIt – chancE Für DIE proFEssIon –<br />

Fluch oDEr sEgEn?<br />

Fachtagung am 27.11.2010<br />

Eine Fachtagung in Zusammenarbeit mit dem<br />

Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.v.<br />

(DBSH)<br />

Case Management bewegt sich in der Polarität<br />

zwischen einer von Klienten beauftragten<br />

Hilfe-(dienst)-leistung und dem<br />

Anspruch hoher fachlicher Arbeit auf der<br />

einen Seite, und der Beauftragung zur<br />

kosten- und wirksamkeitsorientierten<br />

Verknüpfung gesundheitlicher, sozialer<br />

und materieller Dienste auf der anderen<br />

Seite. Chancen und Risiken des Case<br />

Management hängen daher entscheidend<br />

von den sozialpolitischen Rahmensetzungen,<br />

aber auch den Ausbildungsstandards<br />

ab. Entsprechend können Erfordernisse,<br />

Bedeutung, Reichweite, Motive, Inhalte<br />

und Wirkung des Case Managment<br />

höchst unterschiedlich sein. Das Referat<br />

Weiterbildung wird mit dem DBSH die<br />

Positionierung von Case Management in<br />

der Sozialen Arbeit bilanzieren. Eingeladen<br />

sind Prof. Dr. Matthias Müller von der<br />

Fachhochschule Neubrandenburg, Prof.<br />

Dr. Remmel-Faßbender, Katholische Fachhochschule<br />

Mainz und Friedrich Maus,<br />

DBSH<br />

Weitere Informationen bekommen Sie bei<br />

Mechthild Schuchert, Referat Weiterbildung.<br />

Telefon 030 – 50 10 10 37<br />

mechthild.schuchert[at]khsb-berlin.de<br />

29


30<br />

AugeNblick<br />

prof. Dr.<br />

Birgit Bertram<br />

professorin für mikrosoziologie<br />

Warum möchten Sie ausgerechnet an einer<br />

katholischen Hochschule für Sozialwesen unterrichten?<br />

Es entspricht meiner Vision vom Menschen,<br />

dass jeder Mensch, ob groß oder<br />

klein und egal in welchem Kontext, immer<br />

ein ganzer Mensch ist und damit ein<br />

Ebenbild Gottes.<br />

Was finden Sie an Ihrer Arbeit an der <strong>KHSB</strong><br />

besonders erfüllend, herausfordernd, oder änderungsbedürftig?<br />

Das hängt mit der ersten Frage zusammen.<br />

Ich mag es, wie menschenfreundliche<br />

und zugleich kompetente Lösungen<br />

gesucht und auch gefunden werden. In<br />

meinem Leben bin ich kreuz und quer<br />

durch die Republik gezogen und habe<br />

immer im Kontext der Caritas in der<br />

Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet und<br />

dabei eine eindrückliche Kombination von<br />

Professionalität mit Herzlichkeit erlebt.<br />

Und das finde ich hier an der Hochschule<br />

fortgesetzt, nämlich eine hohe Übereinstimmung<br />

von Menschenfreundlichkeit<br />

und Herzlichkeit, gepaart mit hoher<br />

Professionalität. Das finde ich großartig.<br />

Ich bin seit 18 Jahren hier und habe viel<br />

miterlebt – Umzüge, Reformen, Änderungen,<br />

was nicht immer einfach war. Dadurch<br />

aber ist ein Ethos entstanden, das<br />

die Menschen hier zusammenhält, trotz<br />

aller Differenzen.<br />

Wenn Sie Ihren Studierenden eins vermitteln<br />

könnten, was wäre das?<br />

Die Person ihres Gegenübers ganzheitlich<br />

ernst zu nehmen, weder auf den »Kopf«<br />

zu reduzieren noch auf das »Problem«,<br />

aber auch nicht auf die Interessen der Institutionen<br />

– sonst wird schnell übersehen,<br />

was wirklich hilft. Nützlich ist das Wissen,<br />

dass die kleinen Lebenskreise Stabilität<br />

und Hilfe ermöglichen. Das Schöne an der<br />

Mikrosoziologie ist, die Wirksamkeit der<br />

sozialen Netzwerkstrukturen zu erkennen<br />

– Familien, Freundschaften, Nachbarschaften<br />

– eben den Menschen in seinen<br />

Beziehungen zu seinen Mikrosystemen.<br />

Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Strömung<br />

in der Sozialen Arbeit bzw. Heilpädagogik, die<br />

mehr beachtet werden müsste?<br />

Ich lehre in den sog. Bezugswissenschaften,<br />

aber ich würde sagen: das Studium<br />

der gelebten Familienwirklichkeit aus der<br />

Perspektive ihrer Mitglieder, und dazu die<br />

empirischen Befunde ernst nehmen.<br />

Glauben Sie, dass es in den Sozialen Berufen<br />

Fortschritt gibt?<br />

Auf jeden Fall. Wir wissen jetzt viel dezidierter<br />

über die Entwicklungspotentiale<br />

von Menschen Bescheid, und das ist ein<br />

Ergebnis der Integration von verschiedenen<br />

Disziplinen: Neurologie, Medizin, Pädagogik,<br />

Psychologie, Soziologie – all das<br />

ergibt ein Mosaik, das hilft, die menschliche<br />

Entwicklung in unterschiedlichen<br />

Kontexten besser zu verstehen. Einige<br />

Entwicklungen tragen schon Früchte.<br />

Kinder werden zunehmend ganzheitlich<br />

ernst genommen, sozusagen schon als<br />

kleiner Mensch ein ganzer Mensch. Im<br />

Mittelpunkt sollte nicht stehen, wo es erst<br />

hinkommen soll, sondern wie es jetzt sein<br />

Leben mitgestalten kann. Kinder haben<br />

das Recht, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen<br />

werden.<br />

Haben Sie eine Person im Umfeld der Sozialen<br />

Berufe, die Sie als Vorbild sehen?<br />

Weiß ich ehrlich gesagt nicht.<br />

Welche Autorin oder welchen Autor lesen Sie<br />

besonders gern?<br />

Ich lese viel Belletristik und auch »gute«<br />

Krimis, und es fällt mir schwer, einzelne<br />

Namen zu nennen. Diese Lektüre brauche<br />

ich als Gegengewicht zu den wissenschaftlichen<br />

Texten. Ich habe zuerst Psychologie<br />

studiert und schwankte damals,<br />

ob ich nicht doch Kriminalistin werden<br />

könnte, denn mich fasziniert es herauszufinden,<br />

warum ein Mensch so handelt,<br />

wie er es tut. Das kann ich gut in meine<br />

Arbeit integrieren: Im Biographie-Seminar<br />

gibt es neben der wissenschaftlichen Literatur<br />

auch eine Romanliste für den »biographischen<br />

Blick«, was die Studierenden<br />

sehr schätzen.<br />

Was würden die meisten Menschen von Ihnen<br />

gar nicht erwarten?<br />

Die meisten sind völlig verblüfft – ich<br />

mache große Teppichbilder, die jeweils<br />

zwischen 3 und 5 Jahre dauern, und zwar<br />

Bilder, die ich im Kopf habe und denen<br />

ich mit Wolle und Farbe Gestalt gebe. Ich<br />

brauche etwas, was ich mit den Händen<br />

anfertige. Der letzte Teppich heißt »Californian<br />

Stranded Goods«, und gerade<br />

entsteht einer über Musik: »Hallelujah«!


IMPRESSUM<br />

Katholische Hochschule<br />

für Sozialwesen Berlin<br />

Köpenicker Alle 39-57<br />

10318 Berlin<br />

Herausgegeben von der Rektorin<br />

Prof. Monika Treber<br />

Chefredakteur<br />

Dr. Ian Kaplow, Presse<br />

kaplow[at]khsb-berlin.de<br />

Ausgabe WiSe 2010<br />

Layout & Satz<br />

Norbert Poppe | transformhaus.de<br />

Druck: Pinguindruck Berlin<br />

Auflage: 5000<br />

Gedruckt auf Papier mit FSC Umweltsiegel<br />

Bildnachweis<br />

S. 4 Dmitry Nikolaev - Fotolia.com<br />

S. 13 deanm1974 - Fotolia.com<br />

S. 20 Alexander Raths - Fotolia.com<br />

S. 21 willma... / photocase.com<br />

S. 24 istock.com<br />

S. 26 Kristin Werschnitzke<br />

Alle anderen Bilder <strong>KHSB</strong><br />

PersoNAliA<br />

Im sommersemester 2010 haben einige kolleginnen und kollegen die hochschule<br />

verlassen. Ihnen gelten unser Dank und unsere guten Wünsche für die zukunft.<br />

tombolo Mukengechay<br />

Mitarbeiter in der Verwaltung seit 01.01.1992<br />

judith schobert<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt »Aktuelle Entwicklungen<br />

in der Sozialpädagogischen Familienhilfe« seit 04.09.2009<br />

neu berufen bzw. angestellt wurden:<br />

dr. ute Fischer<br />

Gastprofessorin für Heilpädagogik<br />

projektmitarbeit:<br />

Astrid homann<br />

Sachgebietsbearbeitung in der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«<br />

thomas schmidt<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Ȁlter werdende Eltern und<br />

erwachsene Familienmitglieder mit Behinderung zu Hause«<br />

sandra schulte<br />

Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit, Web-Site-Management und Tagungsplanung<br />

in der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«<br />

Dienstjubiläum:<br />

Wir gratulieren Frau Annegret Schenkel zum 25-jährigen Jubiläum im kirchlichen<br />

Dienst am 01.09.2010.<br />

31

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