<strong>Plattform</strong>Sexuelle <strong>Bildung</strong>Wie auch immer das Thema Lust im sexualpädagogischenKontext didaktisch aufbereitetwird, so braucht es doch auch Feingefühl fürdie Formulierungen (z.B. von Arbeitsblättern)oder für die Gestaltung von Ausschreibungenvon Veranstaltungen. Das Wort „Lust …“ imTitel kann gerade bei der Arbeit mit Kindern undJugendlichen auch falsch ausgelegt werden.Vielleicht dienen die Anregungen in diesem<strong>Newsletter</strong> trotzdem (oder gerade deshalb)dazu, sexualpädagogisches Arbeiten aufhohem Niveau lustvoll zu hinterfragen, neueAnsätze zu entwickeln und/oder neue Methodenzu kreieren – über Rückmeldungen freuenwir uns wie immer, und bis zum nächsten<strong>Newsletter</strong> wünschen wir – viel Lust!Verwendete Literatur:Bragagna, Elia/Prohaska, Rainer (2010): Weiblich,sinnlich, lustvoll. Die Sexualität der Frau.Wien: Verlag Überreuter.Reichel, Auguste/Reichel, René (2005): MitAngst, Lust und Aggression leben. Münster:Ökotopia.Sanders, Pete/Swinden, Liz (2006): Lieben lernenlachen. Sozial- und Sexualerziehung für 6-bis 12-jährige. Mühlheim/Ruhr: Verlag an derRuhr.Schenk, Herrad (1991): Die Befreiung desweiblichen Begehrens. Köln: Kiepenheuer &Witsch.Timmermann, Stefan/Tuider, Elisabeth (2008):Sexualpädagogik der Vielfalt. Praxismethodenzu Identitäten, Beziehungen, Körper und Präventionfür Schule und Jugendarbeit. Weinheim/Basel:Juventa.Walker Barbara G. (2007): Das geheime Wissender Frau. Uhlstädt: Arun Verlag
<strong>Plattform</strong>Sexuelle <strong>Bildung</strong>Interview mit Elia Braganageführt von Carola KoppermannIm Interview mit der Ärztin, Therapeutin undBuchautorin Elia Bragagna, das ich im Juli führenkonnte, bestätigt sich dieses Bild. Ihrer Meinungnach engen die immer noch zu starrenRollenbilder, die katholisch geprägte Sexualmoralund normierende Medien die Vielfalt des(weiblichen) Begehrens nach wie vor stark ein.Sie macht in ihrer Praxis als Medizinerin undTherapeutin die gleichen Erfahrungen, wie sieoben beschrieben wurden: Frauen kennenihren Körper und daher auch die dem Lustempfindenzu Grunde liegenden Prozesse vielzu wenig. Nicht zuletzt deshalb hat sie, gemeinsammit ihrem Lebenspartner, das Buch„Weiblich, sinnlich, lustvoll“ geschrieben. DieTatsache, wie wenig selbst Fachleute über dieweibliche Anatomie wissen, veranlasst sie, Vorträgezu halten, in Fernsehen und Radio aufzutretenund Interviews zu geben, denn in ihrenAugen muss sich „die Wissenschaft schämenvor dem weiblichen Geschlecht!“Im Interview sagt sie: „Es gibt immer perfektereBilder davon, wie eine Frau zu sein hat. Sexverkommt so zu einem Performance-Akt, dabeiwäre es eigentlich wichtig, Ich-Stärke zu beweisenund zu sagen: ‚Ich will dem nicht entsprechen‘.“Sie wünscht sich vielmehr eine„Gegennorm“, die es Menschen erlaubt zusagen: „Meine Norm bin ich – ich zähle, meinKörper, meine Biografie, meine Bedürfnisse.“Das gelte im Übrigen für beide Geschlechter,denn die Frauen müssen lernen, ihre Wünscheund Bedürfnisse zu äußern, während die Männerin ihren Augen gefordert werden müssen,sich zu ändern. Dafür, so meint sie, müsste sichjedoch auch gesellschaftspolitisch etwas ändern:Menschen, die sich fühlen und ihre Bedürfnisseäußern und zeigen, dürfen nichtabgewertet werden. Diesbezüglich sieht sieeinen großen Handlungsbedarf bei der Erziehungvon jungen Menschen: „Ich finde, die Kinderund Jugendlichen stehen unter einemenormen Druck. Die Orientierungslosigkeit, diedie Eltern den Kindern mitgeben, in dem sieihre eigenen Positionen nicht klar haben, führtdazu, dass die Jugendlichen sich in der Pubertäteher an starren Rollenbildern orientieren.Dadurch wird ihnen vorenthalten, ihren eigenen,individuellen Weg zu gehen.“ Zum Abschlusswollte ich wissen, wie sie als Ärztin undTherapeutin zur Sexualpädagogik steht. Da sieeng mit dem Österreichischen Institut für Sexualpädagogikzusammenarbeitet, ist sie unsererArbeit gegenüber sehr aufgeschlossen undweist explizit darauf hin, dass es besser wäre(oder eigentlich notwendig), wenn Teams vonaußen, also Expert_innen, in die Schulenkämen und nicht Lehrer_innen sexualpädagogischeProjekte durchführen – ich denke, daskönnen wir als <strong>Plattform</strong> gerne unterstützen!Auf jeden Fall danken wir Frau Bragagna fürihre Bereitschaft zum Interview, ihre Beiträge imvorliegenden <strong>Newsletter</strong> und hoffen auf weitere,„lustvolle”, Zusammenarbeit!