REPORT

PAGE 05.13 071visuellen Lehrstücke über menschliches Ver halten dem Rezipienten –dank der als Tiere maskierten Pro tagonisten– Distanz, um nicht allzu hartmit seinen persönlichen Eigenartenins Gericht ge hen zu müssen (sieheInterview auf Seite 67).Für einen maximal reduzierten Bildwitzsteht Noma Bars Illustration »FatalAttraction«. Der Witz kommt zustande,indem Bar die formale Ähnlichkeit desIgels mit einer Kreissäge überdeutlichsichtbar macht. Diese Verwechslungwird dem Tier dann zum Verhängnis,als es seinen Fortpflanzungstrieb befriedigenwill. Oft sind es die klassischenWitzmechanismen wie Überraschung,Übertreibung und Verfremdung,die uns über Tierillustrationenschmunzeln lassen.Tierbilder als Spiegelder GegenwartNatürlich waren drollige Hunde, dekorativeSchwalben, markige Bären undkluge Adler schon in vergangenen Jahrhundertengängige Eyecatcher, Qualitäts-oder Machtsymbole der Herrscher,im frühen Buchdruck und der Plakatgestaltungdes 19. Jahrhunderts. Dennochlassen sich die Tierillustratio nen,die Design und Werbung gegenwärtigbevölkern, auch als visuelle Aus einandersetzungmit aktuellen gesellschaftlichenThemen verstehen. In den Anleihenaus Märchen und mythischer Tiersymbolikkann man die Rückbesinnungauf traditionelle Werte erkennen, aberauch den Wunsch nach mehr Geheimnisim Alltag. Zudem reflektieren dieZeichnungen unser Naturverhältnis.Mit dem Gegensatz von nüchter nerWissenschaft und ästhetischer, poe tischerNatur spielen zum Beispiel dieLandkarten von Kristjana S Williams:Auf einem Stadtplan von London bevölkerteine zarte, bunte Flora undFau na im Stil viktorianischer Stiche diekomplett vermessene, verbaute Welt.Im Spannungsfeld von Dokumentationund künstlerisch-emotionalem Aus -druck bewegen sich auch die Zeich nungenvon Eva Vasari, die das Er scheinungsbild des Weinguts Lenikus zieren.Sie überrascht mit Motiven prä his torischerTierarten, die in der Region Wienheimisch waren. Durch ihren filigra nengrafischen Stil erinnern die seltsamenWesen einerseits an histori sche wissenschaftlicheStudien, andererseits anFantasy-Zeichnungen. Dabei fungierensie nicht nur als für die Branche besondererHingucker, sondern stellen auchei nen ein drück lichen Bezug zum Pro-dukt her: »Um den verschiede nen Charakterenunse rer Böden und Wei neauch visuell Ausdruck zu verleihen, habenwir uns dazu entschlossen, echteWiener Charaktere zu unseren Botschafternzu ma chen«, steht auf derLenikus-Site. »Als Zeichen unse res Respektsfür die His torie unserer La gen.«Society6 wiederum, eine amerikanischeGrafikkunst-Plattform, verkauftbe druck te T-Shirts, iPhone- und Notebook-Hüllensowie Poster mit auffallendvielen Tiermotiven, angesiedeltzwischen naiven Kinderbuchillustrationenund New-Age-Ästhetik. Die spirituellenAnsätze von Filmen wie »Avatar«und »Life of Pi« scheinen hier ihreSpuren hinterlassen zu haben - etwader tröstliche Gedanke, dass alles imUniversum miteinander verbunden ist,oder das Wissen um die nicht kontrollierbarenKräfte der Natur. So wie derJugendstil mit seinen ornamentalenFormen aus Flora und Fauna eine Reaktionauf die Industrialisierung war,scheint das Tier in der aktuellen Illustrationdie Sehnsucht widerzuspiegeln,unserer entzauberten, artifiziellen Digitalweltzu trotzen.Gleich auf vielfache Art verschränkensich diese Tendenzen in den Stilkompositionenvon Low Bros: Füchse,Bären und Rentiere, dargestellt als Figurenim Stadtdschungel, reflektierendie Reibung zwischen Natur und urbanemAlltag. Die beiden Grafikkünstlerjonglieren mit surrealistischen, kubistischenund dekonstruktivistischen Elementen;sie zitieren Merkmale der Subkulturwie etwa die Graffitikunst, Computerspiel-und Skater-Ästhetik sowiedie mythische Symbolik. Die ses träumerische Durchmi schen von Themenaus Natur und Kultur, se man ti schenund visuellen Zeichen macht zeit ge nössischeIllustration gerade so reizvoll.Weitgehend frei von ironischen Zita tenoder scharfer Kritik, zeigen diese Mashupsden Respekt vor den Natur- undKulturschätzen, die sie darstellen. wlLow Bros schütteltStile undThemen so lässigdurcheinander,dass tatsächlichNeues entsteht.Das Brüderpaarverschönertmit seiner GrafikkunstprimärGebäudewändeund Holzleinwände,die siedigital nachbearbeiten.ZurPictoplasmalaunchen sie ihreerste Animation