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C. Nemes /Überlingen am Bodensee: Evolution der Anästhesie in

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<strong>Nemes</strong>: <strong>Evolution</strong> <strong>der</strong> Anästhesie nach 1846<br />

„das Institut e<strong>in</strong>es ständigen ...Anästhesirers, wie es <strong>in</strong> England vielerorts besteht.. hat viel Bestechendes", aber<br />

<strong>in</strong> Deutschland nur <strong>in</strong> großen Spitälern" anzuwenden sei. Diesen Dienst „können auch jüngere Mediz<strong>in</strong>er....<br />

versehen, braucht ja doch die richtige Haltung <strong>der</strong> Chloroformmaske, die sorgfältige Dosierung des Mittels, die<br />

Ueberwachung des Pulses, <strong>der</strong> Respiration, <strong>der</strong> Pupillen, <strong>der</strong> Gesichtsfarbe und des Ges<strong>am</strong>mtverhaltens des zu<br />

Chloroformirenden ..ke<strong>in</strong>e speziellen mediz<strong>in</strong>ischen Kenntnisse, son<strong>der</strong>n mehr grosse Vorsicht und Sorgfalt".<br />

Auch „muss <strong>der</strong> Operateur selbst e<strong>in</strong>en Theil dieser Verantwortlichkeit übernehmen". Allerd<strong>in</strong>gs fügt Kappeler<br />

h<strong>in</strong>zu, daß es gefährlich sei, „ohne Drittperson zu chloroformiren, ...weil beim Auftreten übler Zufälle die<br />

Assistenz für e<strong>in</strong>e wirks<strong>am</strong>e Anwendung <strong>der</strong> Rettungsmittel fehlt".<br />

Letztlich vermochten jedoch we<strong>der</strong> die offene Tropfenmethode, noch die Verwendung von<br />

Narkosemischungen (s.u.) bzw. die sequentiellen Mischnarkosen (s.o.) zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daß<br />

sich die Operateure ab 1862 zunehmend für das Lachgas und ab 1864-1871 erneut auch für<br />

den Äther zu <strong>in</strong>teressieren begannen. Bald nahmen diese ersten Inhalationsnarkotika neben<br />

dem Chloroform ihren festen Platz wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Narkosepraxis e<strong>in</strong>, <strong>der</strong>en Dom<strong>in</strong>anz bis <strong>in</strong><br />

die letzten Jahrzehnte des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts anhielt.<br />

Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung des Lachgases (1862-1870)<br />

Die <strong>in</strong>tensive, systematische Beschäftigung mit mediz<strong>in</strong>ischen Gasen <strong>in</strong> den Kreisen <strong>der</strong><br />

Englischen Pneumatischen Mediz<strong>in</strong> (Lunar Society <strong>in</strong> Birm<strong>in</strong>gh<strong>am</strong> und die Pneumatic<br />

Institution <strong>in</strong> Bristol; Bergman 1998) än<strong>der</strong>te nichts daran, daß das Stickoxydulgas, wie <strong>der</strong><br />

Äther, zwar <strong>in</strong> Europa entdeckt, aus Amerika zurückgebracht werden mußte. Merkwürdig<br />

genug, daß H. Wells , Lachgasanalgesie, immerh<strong>in</strong> von ihm mehrfach mit gutem Effekt <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Zahnarztpraxis e<strong>in</strong>gesetzt, zwischen 1848 und 1862 niemanden <strong>in</strong> Europa zur<br />

Nachahmung o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme dieser Experimente anregte. So wie<strong>der</strong>holte sich die<br />

Geschichte <strong>der</strong> Entdeckung dieses Gases e<strong>in</strong> zweites Mal. E<strong>in</strong> "nitrous showman", S. Colt las<br />

Davy , s Mitteilungen über die analgetische Potenz des Stickoxyduls und wurde nicht müde, die<br />

Lachgasvorführungen <strong>in</strong> fast allen Staaten Amerikas bis 1857 fortzusetzen. Ebenso bot e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>er fahren<strong>der</strong> Lehrer (Lecturer), G. Q. Colton, dessen Lachgasvorführung <strong>am</strong> 10. Dez.<br />

1844 Horace Wells <strong>in</strong> Hartford besuchte, erst 1859 <strong>in</strong> den Südstaaten, <strong>in</strong> Mobile, dann <strong>in</strong><br />

New England multimediale Shows an, <strong>in</strong> denen neben Magical Pa<strong>in</strong> Extractor und Medical<br />

Galvanism auch Lachgasdemonstrationen angekündigt wurden (Wright 1999). Diese<br />

Demonstrationen leisteten <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Lachgasanalgesie e<strong>in</strong>en solchen<br />

Vorschub, daß Colton 1863 mit zwei New Yorker Zahnärzten die Colton Dental Association<br />

gründen konnte. Dieses Unternehmen konnte sich noch 1897 rühmen 194.000<br />

Lachgasanästhesien durchgeführt zu haben. Colton selbst k<strong>am</strong> nach Europa, er starb 1898 <strong>in</strong><br />

Genf, und popularisierte se<strong>in</strong>en Stoff, den zunächst niemand als Anästhetikum anerkennen<br />

wollte. Colton durfte immerh<strong>in</strong> behaupten, mit se<strong>in</strong>em purifizierten Lachgas das sicherste<br />

aller bekannten Inhalationsanästhetika entdeckt zu haben, er führte selbst ca. 150.000<br />

Anästhesien ohne e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Todesfall durch!<br />

Ab 1862 stand auch e<strong>in</strong> Lachgasgenerator von A. W. Sprague aus Boston zu allgeme<strong>in</strong>er<br />

Verwendung und leichterem Transport (Abb. 3) zur Verfügung . Solche, oft im Stile <strong>der</strong><br />

Grün<strong>der</strong>zeit mit Zierrat versehene Schlafgasapparate eroberten England ab 1864, dann 1867<br />

auch Paris. E<strong>in</strong> Jahr später führte W. Andrews <strong>in</strong> Chicago den Gebrauch von Lachgas mit<br />

Sauerstoff als Schlafgas <strong>in</strong> die Anästhesiepraxis e<strong>in</strong>. Ab 1869/1870 glückte auch die<br />

Lachgasverflüssigung, an <strong>der</strong>em Verfahren auch Th. Clover mitwirkte. Von da an wurden<br />

leicht transportable Lachgaszyl<strong>in</strong><strong>der</strong> von <strong>der</strong> Fa. Coxeter und Barth auf dem Markt angeboten<br />

(Abb. 3). Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er mit Ventilen und Diaphragma erlaubten es, über e<strong>in</strong>en sog.<br />

Hele'schen Regulator das Schlafgas unter kontrollierten Bed<strong>in</strong>gungen dem Patienten<br />

zuzuführen, wobei die Entdeckung des Reduktionsventils e<strong>in</strong>e natürliche Konsequenz <strong>der</strong><br />

Verflüssigung war. Clover begann um 1874 Lachgas mit Chloroform bzw. mit Äther zur<br />

sequentiellen Misch<strong>in</strong>halationsanästhesie e<strong>in</strong>zusetzen (Abb.3) und das Gasgemisch Luft und<br />

Lachgas zu propagieren (Wawersik 1987).<br />

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