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Entlockungen von Ehrlichkeit - Stochastik in der Schule

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<strong>Entlockungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Ehrlichkeit</strong>: Wie sagt man die Wahrheit mit Statistik? 1JOSEPH G. EISENHAUER, BUFFALO, N.Y., USAÜBERSETZT UND BEARBEITET: JOACHIM ENGEL, LUDWIGSBURGZusammenfassung: Der Aufsatz beschreibt und illustriertverschiedene Modelle <strong>der</strong> Randomized ResponseTechnik, e<strong>in</strong>er Methode, um bei Umfragenehrliche Antworten auf sensible Fragen zu entlocken.1 E<strong>in</strong>leitungDie statistische Praxis wird oft als e<strong>in</strong> Instrumentzur Täuschung dargestellt, wie z.B. <strong>in</strong> Darrell HuffsHuff (1954) Abhandlung How to Lie with Statistics.Aber Statistiker können auch selbst das Opfer <strong>von</strong>Täuschungen se<strong>in</strong>. Für e<strong>in</strong>e Vielfalt <strong>von</strong> Gründene<strong>in</strong>schließlich Bescheidenheit, Scham und Furcht vorBestrafung reagieren Personen bei Umfragen oft nursehr wi<strong>der</strong>willig auf persönliche Fragen über E<strong>in</strong>kommen,politische Präferenzen, illegale Aktivitätenetc. Als Konsequenz beantworten sie <strong>der</strong>artige Fragenoft überhaupt nicht o<strong>der</strong> geben falsche Antworten.Solche Verhehlungen führen zu e<strong>in</strong>em Verzerrungsffektaufgrund ausweichen<strong>der</strong> Antworten.E<strong>in</strong> offensichtlicher Zugang zu diesem Problem bestehtdar<strong>in</strong>, Vertraulichkeit bei den Antworten zu garantieren.Damit dies effektiv ist, müssen Befragteauch tatsächlich darauf vertrauen können, dass ihreAntworten vertraulich behandelt werden. Selbst <strong>der</strong>E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> anonymen Umfragebögen ist begrenzt,wenn gleichzeitig auch demographische Informationenerbeten s<strong>in</strong>d.Um diese Schwierigkeiten zu überw<strong>in</strong>den hat StanleyWarner (1965) e<strong>in</strong>e Methode e<strong>in</strong>geführt, bei <strong>der</strong>die Stichprobe <strong>der</strong> Befragten zufallsbed<strong>in</strong>gte Antwortengeben. Diese randomisierte-Antwort-Technik(<strong>in</strong> englisch: randomized response sampl<strong>in</strong>g, kurz:RRS) ist e<strong>in</strong>e Wahrsche<strong>in</strong>lichkeits-basierte Methode,um ehrliche Antworten auf sensible Erhebungsfragenzu erhalten. Obwohl <strong>in</strong>zwischen fast vier Jahrzehntealt und wohlbekannt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachliteratur fehlt RRSweitgehend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>führenden Lehrbüchern zur Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsrechnungund Statistik (Ausnahmen:Arthur Engel, 1987). Dies erstaunt, da die grundlegendeHerangehensweise zu RRS im <strong>Stochastik</strong>unterrichtquasi auf allen Niveaustufen verfügbar istund <strong>in</strong> spannen<strong>der</strong> Weise zeigt, wie Ideen <strong>der</strong> Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsrechnungund des Stichprobendesignsmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>tegriert werden können. Da das Verfahrene<strong>in</strong>gesetzt werden kann, um das Ausmaß unethischen,unmoralischen o<strong>der</strong> krim<strong>in</strong>ellen Verhaltenszu bestimmen, ohne den Übeltäter zu belasten, istRRS selbst (und vielleicht sogar ganz beson<strong>der</strong>s) attraktivfür spitzbübige Schüler, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussionheimlicher Aktivitäten e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Reiz f<strong>in</strong>den.Dieser Aufsatz illustriert die RRS-Methode und fasste<strong>in</strong>ige Resultate <strong>der</strong> Forschung über RRS zusammen.Zuerst werden zwei Varianten <strong>von</strong> RRS zumSchätzen <strong>von</strong> Anteilen beschrieben. Als Zweiteswird die Anwendbarkeit <strong>von</strong> RRS auf mult<strong>in</strong>omialeund diskrete qualitative Daten untersucht. Undschließlich wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> RRS bei stetigenDaten demonstriert.2 Anteile Schätzen mit Hilfe <strong>von</strong> RRSAngenommen, wir wollen den Anteil <strong>der</strong> Schülerschätzen, die bei e<strong>in</strong>er Klausur geschummelt haben.Mehrere Version <strong>von</strong> RRS können zu diesem Zweckbenutzt werden. Warners ursprünglicher Ansatz ware<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e-Frage-Modell, das im Folgenden illustriertwird. E<strong>in</strong> Stapel gewöhnlicher Spielkarten wird unterden Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern verteilt. Je<strong>der</strong> ziehtverborgen e<strong>in</strong>e zufällige Karte, und steckt sie gleichwie<strong>der</strong> zurück. E<strong>in</strong>e Spielfarbe, z.B. Kreuz, repräsentiertSchuld, die an<strong>der</strong>en Farben repräsentieren Unschuld.Je<strong>der</strong> Schüler und jede Schüler<strong>in</strong> ist dann aufgefor<strong>der</strong>t,die folgende Frage mit ‘Ja’ o<strong>der</strong> ‘Ne<strong>in</strong>’ zubeantworten: “Gibt die Karte, die Du gezogen hast,De<strong>in</strong>en Status wie<strong>der</strong>?”. Egal, welche Antwort gegebenwird, niemand kann als schuldig o<strong>der</strong> unschuldigidentifiziert werden. Dennoch lässt sich aufgrund<strong>der</strong> bekannten Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten des Kartenstapels<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Antworten für beide Kategorienschätzen.Um zu sehen, wie das funktioniert, bezeichne X e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>omial-verteilte Zufallsvariable, die den Wert 1 annimmt,wenn <strong>der</strong> Befragte mit ‘Ja’ und 0, wenn <strong>der</strong>Befragte mit ‘Ne<strong>in</strong>’ antwortet. Es sei p die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,dass <strong>der</strong> Zufallsgenerator (d.h. diegezogene Spielkarte) Schuld anzeigt, und es sei π<strong>der</strong> wahre Anteil <strong>der</strong> schuldigen Schüler<strong>in</strong>nen undSchüler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtpopulation. Dann ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,dass irgende<strong>in</strong> Schüler mit ‘Ja’ ant-1 Übersetzung aus Teach<strong>in</strong>g Statistics, 2001 (2), 45-48<strong>Stochastik</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> 23 (2003) 3 S. 17–20 17


wortetP(X = 1) = πp + (1 − π)(1 − p).Nun bezeichne n die Anzahl <strong>der</strong> befragten Schülerund n 1 die Zahl <strong>der</strong> ‘Ja’-Antworten, so dass <strong>der</strong> Anteil<strong>der</strong> ‘Ja’-Antworten n 1 /n beträgt. Wenn wir dannfür die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit als Näherung die relativeHäufigkeit e<strong>in</strong>setzen, erhalten wirn 1n= ˆπp + (1 − ˆπ)(1 − p),wobei ˆπ <strong>der</strong> Maximum-Likelihood-Schätzer für πist. Vorausgesetzt das Experiment ist so gestaltet,dass p ≠ 0,5, dann beträgt <strong>der</strong> geschätzte Anteil <strong>von</strong>Schülern die geschummelt habenˆπ = n 1/n + p − 1.2p − 1In obigem Beispiel beträgt die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,e<strong>in</strong>e Kreuzkarte zu ziehen 0,25. Falls daher zum Beispiel65 <strong>von</strong> 100 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler mit ‘Ja’geantwortet haben, ist ˆπ = 0,20; dieser Schätzwertewürde bedeuten, dass 20% <strong>der</strong> Schüler geschummelthaben und es im Geheimen gestanden haben.Dennoch hat ke<strong>in</strong>er öffentlich irgende<strong>in</strong> Fehlverhaltengestanden.E<strong>in</strong> zweiter, vielleicht e<strong>in</strong>facherer Zugang zu demselbenProblem ist das Zwei-Fragen-Modell, das e<strong>in</strong>ezweite beziehungslose Frage mite<strong>in</strong>bezieht. Wie<strong>der</strong>umwird e<strong>in</strong> Stapel Spielkarten e<strong>in</strong>gesetzt, und dieSchüler werden aufgefor<strong>der</strong>t, falls sie e<strong>in</strong>e Kreuz-Karte ziehen, die Frage zu beantworten “Hast Dubei <strong>der</strong> Klausur geschummelt?”. Falls sie irgende<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e Karte ziehen, beantworten sie e<strong>in</strong>e harmloseFrage, die unvermeidlich mit ‘Ja’ zu beantwortenist, wie z.B. “Gehst Du zur <strong>Schule</strong>?”. E<strong>in</strong>e‘Ne<strong>in</strong>’-Antwort offenbart hier unvermeidlich, dass<strong>der</strong> Schüler nicht geschummelt hat, aber das sollteke<strong>in</strong>e Verlegenheit provozieren. An<strong>der</strong>erseits kannnichts aus e<strong>in</strong>er ‘Ja’-Antwort gefolgert werden. Indiesem Modell können wir erwarten, dass pn Schülerdie sensible Fragen erhalten; an<strong>der</strong>erseits erwartenwir, dass (1− p)n Schüler die harmlose Frage gestelltbekommen, und sie sollten sie alle mit ‘Ja’ beantworten.Bezeichnen wir mit n 1 wie<strong>der</strong>um die Zahl <strong>der</strong>‘Ja’-Antworten so folgt, dass n 1 ≥ (1− p)n. Die Differenzn 1 − (1 − p)n repräsentiert die Zahl <strong>der</strong> ‘Ja’-Antworten auf die sensible Frage. Wenn wir daherdie Differenz durch pn teilen, erhalten wirˆπ = n 1 − (1 − p)npnals geschätzten Anteil <strong>der</strong> Schummler gemäß demZwei-Fragen-Modell. Falls beispielsweise 80 <strong>von</strong>100 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler e<strong>in</strong>e ‘Ja’-Antwort geben,erwarten wir, dass da<strong>von</strong> 30 die harmlose Fragebeantwortet haben. Das Resultat bedeutet dann, dass5 <strong>von</strong> 25 o<strong>der</strong> 20% anonym e<strong>in</strong>gestehen, dass sie geschummelthaben.An<strong>der</strong>e Varianten s<strong>in</strong>d auch noch möglich, wie z.B.<strong>in</strong> <strong>der</strong> gut lesbaren älteren Arbeit <strong>von</strong> Campbell &Jo<strong>in</strong>er (1973) o<strong>der</strong> <strong>in</strong> jüngerer Zeit <strong>von</strong> Greenberget al. (1986) beschrieben. Hutch<strong>in</strong>son (1995) bevorzugte<strong>in</strong> Zwei-Fragen-Modell mit zwei Randomisierungen.Die meisten dieser Methoden können auf e<strong>in</strong>emziemlich e<strong>in</strong>fachen Niveau diskutiert werden,und Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong> Experimentierenmit diesen Methoden meist fasz<strong>in</strong>ierend. DieResultate <strong>der</strong> RRS-Methoden lassen sich vergleichenmit mehr konventionellen Erhebungsmethoden wiez.B. anonyme Umfragen, und die Diskussion kannsich darum drehen, welches Verfahren eher geeignetist, ehrliche Antworten zu erhalten.3 Mult<strong>in</strong>omial- und diskreteVerteilungenE<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>eres Modell für RRS wird notwendig,wenn die Daten mult<strong>in</strong>omial s<strong>in</strong>d. Abuul-Ela etal. (1967) haben die RRS Methode erfolgreich aufden Fall <strong>von</strong> drei und mehr Datenklassifikationen erweitert,<strong>in</strong>dem mehrere Stichproben <strong>von</strong> Befragtenausgewählt werden und dann e<strong>in</strong> Gleichungssystemgelöst wird. Unglücklicherweise wird dieser Prozesssehr komplex und unhandlich, wenn die Anzahl <strong>der</strong>Kategorien weiter zunimmt. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facherer Ansatz<strong>von</strong> Eriksson (1973) besteht im Stellen e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigenFrage an e<strong>in</strong>e Teilstichprobe und dem Zuweisen e<strong>in</strong>erKette <strong>von</strong> falschen Antworten mit bekannten Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten.Dieses Modell kann entwe<strong>der</strong> aufmult<strong>in</strong>omiale kategoriale Daten o<strong>der</strong> diskrete quantitativeDaten angewandt werden. Wir illustrieren dasLetztere.Angenommen wir wollen die Anzahl schätzen, wieoft Schüler bei Klausuren geschummelt haben. Wie<strong>der</strong>umsetzen wir e<strong>in</strong>en Stapel Spielkarten e<strong>in</strong>. JedeBildkarte (Bube, Dame o<strong>der</strong> König) repräsentierenull Vorfälle. E<strong>in</strong> Ass stehe für e<strong>in</strong>mal u.s.w. biszur 10, die zehn Vorfälle <strong>von</strong> Schummeln repräsentiere.Je<strong>der</strong> Befragte zieht e<strong>in</strong>e Karte ohne Zurücklegen.Ist die Karte ‘Kreuz’, so berichtet er o<strong>der</strong>sie lediglich den dazu gehörigen Wert <strong>der</strong> Karte.Der Kürze wegen bezeichnen wir dies als ‘falschenWert’. Hat die Karte e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Spielfarbe, nennt18


er o<strong>der</strong> sie die tatsächliche Zahl <strong>von</strong> Vorfällen desSchummelns. Die Zahl <strong>der</strong> falschen Antworten kannals irrelevant beiseite gelegt werden. In e<strong>in</strong>er Stichprobe<strong>von</strong> 52 Schülern beispielsweise würden dreie<strong>in</strong>e Kreuz-Bildkarte ziehen. Daher werden drei <strong>der</strong>Null-Antworten ignoriert usw. Dieses Vorgehen liefertDaten für e<strong>in</strong>e Stichprobe <strong>von</strong> 39 Schülern, ohnedass irgende<strong>in</strong>er se<strong>in</strong> persönliches Verhalten offen legenmusste. E<strong>in</strong> hypothetisches Beispiel ist <strong>in</strong> Tabelle1 illustriert. Das Resultat ist e<strong>in</strong>e diskrete Verteilung,<strong>von</strong> <strong>der</strong> das arithmetische Mittel, Varianz undan<strong>der</strong>e statistische Kennzahlen leicht errechnet werdenkönnen. Natürlich lässt sich dieses Vorgehen anjede Stichprobengröße anpassen.Würden die Karten hier mit Zurücklegen gezogen,würde man hier das Risiko e<strong>in</strong>gehen, dass es Kartengibt, die <strong>von</strong> weniger als 1/52 <strong>der</strong> Befragten gezogenwerden. In diesem Fall würden wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Kategorienweniger Beobachtungen als erwartet erhalten.Diese Gefahr besteht nicht, wenn ohne Zurücklegengezogen wird, und danach die Karten verborgen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Schachtel abgelegt werden, wodurch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erWeise <strong>der</strong> Schutz des Zufallsprozess bee<strong>in</strong>trächtigtwird.Es ist klar, dass dieses Vorgehen ebenso gut bei kategorialenDaten e<strong>in</strong>gesetzt werden kann, die mehrals zwei Klassifizierungen haben wie z.B. die Vorlieben<strong>von</strong> Wählern für drei o<strong>der</strong> mehr politische Parteien.Die Methode kann auch verwendet werden, umVerteilungen <strong>von</strong> gruppierten Daten zu erstellen. Wirkönnten beispielsweise jede Karte e<strong>in</strong>en bestimmtenE<strong>in</strong>kommenszuwachs repräsentieren lassen. Berechnungen,die auf ungruppierten stetigen Daten basieren,wenden wir uns jedoch dem nächsten Abschnittzu.4 Stetige DatenDie Erweiterung <strong>von</strong> RRS auf stetige Daten geht aufGreenberg et al. (1986) zurück. Sie schlagen vor,zwei Stichproben <strong>von</strong> Personen zu befragen. MittelsZufallsmechanismus wird entschieden, ob diebefragte Person die sensible Frage, z.B. “WievielE<strong>in</strong>kommen hat Ihr Haushalt im letzten Jahr verdient?”o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e verwandte, aber harmlose Fragewie z.B. “Wieviel E<strong>in</strong>kommen glauben Sie hat <strong>der</strong>durchschnittliche Haushalt im letzten Jahr verdient?”beantworten soll. Der Zweck dieses Vorgehens bestehtdar<strong>in</strong>, numerische Werte zu erhalten, die nichtoffen legen, welche Frage gefragt wurde. Um zu sehen,wie das funktioniert, bezeichne p i die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,dass die sensible Frage <strong>in</strong> <strong>der</strong> i-tenStichprobe gewählt wurde (i=1,2). Die Untersuchungsollte so angelegt se<strong>in</strong>, dass p 1 ≠ p 2 . Greenberg etal. (1986) empfehlen darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Wahl <strong>von</strong>p 2 = 1 − p 1 . Bezeichne jetzt X i die Antwort e<strong>in</strong>erzufällig gewählten Person <strong>in</strong> Stichprobe i, und seienµ S und µ H die wahren (Populations-)Mittelwerte<strong>der</strong> sensiblen bzw. harmlosen Frage mit ˆµ S und ˆµ Hals jeweiligen Schätzwert. Die Antwort, die wir <strong>von</strong>irgende<strong>in</strong>er Person zu erhalten erwarten, ist e<strong>in</strong> gewichteterMittelwert des sensiblen und des harmlosenErwartungswertes. Denn für e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> Stichprobe1 giltE(X 1 ) = p 1 µ S + (1 − p 1 )µ Hwährend für e<strong>in</strong>e Person aus Stichprobe 2E(X 2 ) = p 2 µ S + (1 − p 2 )µ H .Ersetzen wir jetzt für jede Stichprobe die ErwartungswerteE(X) mit den beobachteten MittelwertenX, und lösen anschließend die zwei Gleichungen mitzwei Unbekannten, dann erhalten wirˆµ S = (1 − p 1)X 2 − (1 − p 2 )X 1p 2 − p 1als geschätztes mittleres E<strong>in</strong>kommen. (Natürlichkann ebenso ˆµ H errechnet werden, aber dise Zahl hatke<strong>in</strong>e wirkliche Bedeutung.) S<strong>in</strong>d die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten,e<strong>in</strong>e sensible Frage zu erhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong> erstenund zweiten Stichprobe 0,25 bzw. 0,75, und betragendie durchschnittlichen Antworten 54000 ¤bzw. 60000 ¤ dann beträgt das geschätzte mittlereE<strong>in</strong>kommen 63000 ¤.Wenn unglücklicherweise die E<strong>in</strong>kommensverteilunge<strong>in</strong>e große Varianz hat, dann ist die zweite Fragenur e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>effiziente Verschleierung. Sie wirddie Privatsphäre <strong>der</strong> Befragten nur schlecht schützen.Befragte mit extremen E<strong>in</strong>kommen werden Verdachtschöppfen, da z.B. we<strong>der</strong> 15000 ¤ noch 300000 ¤als plausible Schätzung <strong>von</strong> irgendjemandem alsnationaler Durchschnitt angesehen werden könnte.Tatsächlich erkennen auch Greenberg et al. (1986)an, dass “Antworten an e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Ende <strong>der</strong> Verteilung... höchstwahrsche<strong>in</strong>lich sehr sensible Antwortens<strong>in</strong>d, und dies wird hellen Befragten schnell klarse<strong>in</strong>. Sie werden wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e ausweichendeo<strong>der</strong> unehrliche an Stelle e<strong>in</strong>er akuraten Antwort geben,die die Frage, auf die sie antworten, identifizierenwürde” (1971, S. 246). Aber dies wi<strong>der</strong>sprichtnatürlich dem beabsichtigten Zweck <strong>von</strong> RRS! E<strong>in</strong>Ausweg dazu besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Frageüber E<strong>in</strong>kommen zu stellen, und e<strong>in</strong>en Zufallsgeneratore<strong>in</strong>zusetzen, um den Befragten <strong>in</strong> Stichprobe19


Karte Wert Antworten falsche Zahlen geschätzte VerteilungBube, Dame, König 0 35 3 32Ass 1 4 1 32 2 3 1 23 3 2 1 24 4 1 1 05 5 2 1 16 6 1 1 07 7 1 1 08 8 1 1 09 9 1 1 010 10 o<strong>der</strong> mehr 1 1 0Tab. 1: Hypothetische Verteilung diskreter Datenmittels <strong>der</strong> RRS-Methode erstellti zu <strong>in</strong>struieren, mit Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit p i die Wahrheitzu sagen und mit Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit 1 − p i irgende<strong>in</strong>efalsche beliebige Antwort zu geben. Aufdiese Weise ist es weniger wahrsche<strong>in</strong>lich, dass diePrivatsphäre kompromittiert wird.5 SchlussfolgerungenZusätzlich zu den Übungen und Unterrichtsdiskussionenkann die RRS-Methode auch leicht beiSchülerprojekten e<strong>in</strong>gesetzt werden. Schüler sche<strong>in</strong>endaran Spass zu haben, Erhebungen mit <strong>von</strong> ihnenselbst gestellten sensiblen Fragen zu planen unddurchzuführen und die Ergebnisse dann zu vergleichen.Auf e<strong>in</strong>em weiter fortgeschrittenen Niveaukönnen ihre Resultate zum Testen <strong>von</strong> Hypothesenführen. Falls genügend viele Schüler solch e<strong>in</strong>e Erhebungdurchführen, können ihre Resultate auch verwendetwerden, um den zentralen Grenzwertsatz zuillustrieren. Daher kann RRS als didaktisches Hilfsmittele<strong>in</strong> Sprungbrett se<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>e Vielfalt statistischerKonzepte zu erarbeiten. Aber die vielleichtwichtigste Lektion ist: obwohl das berüchtigte Zitat“Lügen, verdammte Lügen, Statistik”, das oft Disraelizugeschrieben wird, Statistik als die übelste Form<strong>der</strong> Verlogenheit darstellt, zeigt RRS dass Statistikauch genutzt werden kann, um <strong>Ehrlichkeit</strong> zu entlocken,wo ansonsten Täuschung vorherrschen würde!LiteraturAbul-Ela, A.A., Greenberg, B.G. & Horvitz, D.G.(1967): A multi-proportions randomized responsemodel. Journal of the American Statistical Association,62 (319), 990-1008.Campbell, C. & Jo<strong>in</strong>er, B.L. (1973): How to get theanswer without be<strong>in</strong>g sure you’ve asked the question.American Statistician 27 (5), 229-231.Engel, A. (1987): <strong>Stochastik</strong>. Klett Verlag: Stuttgart.Eriksson, S.A. (1973): A new model for randomizedresponse. International Statistical Review, 41 (1),101-113.Greenberg, B.G., Abernathy,J.R. & Horvitz, D.G.(1986): Randomized response. In: S. Kotz &N.L. Johnson (eds), Encyclopedia of StatisticalSciences, volume 7, 540-548. Bew York: Wiley.Greenberg, B.G., Kuebler, R.R., Abernathy,J.R. &Horvitz, D.G. (1971): Application of randomizedresponse technique <strong>in</strong> obta<strong>in</strong><strong>in</strong>g quantitative data.Journal of the American Statistical Association, 66(334), 243-250.Huff, D. (1954): How to Lie with Statistics. NewYork: Norton.Hutch<strong>in</strong>son, P. (1995): Ask<strong>in</strong>g sensitive questions <strong>in</strong>surveys. Teach<strong>in</strong>g Statistics, 17(2), 43.Warner, S.L. (1965): Randomized response: a surveytechnique for elim<strong>in</strong>at<strong>in</strong>g evasive answer bias.Journal of the American Statistical Association,60) (309), 63-69.Anschrift des VerfassersJoseph G. EisenhauerCanisius CollegeBuffalo, New YorkUSAeisenhauer@canisius.edu20

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