wuppertaler uni magazin - Pressestelle - Bergische Universität ...
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WUPPERTALER UNIMAGAZIN Nr. 42 Wintersemester 2010/2011<br />
Was ist die Septuaginta?<br />
Die Bibel des hellenistischen Judentums und der ersten Christen/<br />
Dritte Internationale Konferenz in Wuppertal<br />
In der Überlieferungsgeschichte des Alten<br />
Testaments kommt der Sammlung griechischer<br />
Texte, die seit dem Altertum als<br />
„Septuaginta“ bezeichnet werden und die<br />
zum größten Teil Übersetzungen einer nicht<br />
mehr zur Verfügung stehenden hebräischen<br />
Vorlage sind, hohe Bedeutung zu. Zum<br />
dritten Mal nach 2006 und 2008 hat in Wuppertal<br />
eine Internationale Tagung zur Septuaginta<br />
stattgefunden: Über 60 Forscher aus<br />
Europa, Afrika, Asien, Amerika und Australien<br />
diskutierten in den Räumen der Kirchlichen<br />
Hochschule auf der Hardt Fragen der<br />
Textüberlieferung, der Interpretation, der<br />
Geschichte des antiken Judentums und des<br />
hellenistischen Umfeldes.<br />
Die Septuaginta („siebzig“) ist die altgriechische<br />
Übersetzung des hebräischen Alten<br />
Testaments, entstanden seit dem 3. Jahrhundert<br />
v. Chr. und somit die älteste bekannte Bibelübersetzung<br />
überhaupt. Ihr Name leitet sich<br />
von einer Legende ab, nach der 72 jüdische<br />
Gelehrte im antiken Alexandria die hebräische<br />
Bibel in 72 Tagen ins Griechische übersetzt<br />
haben sollen. Die Septuaginta war die Bibel<br />
des hellenistischen Judentums und der ersten<br />
Christen. Bis heute ist sie die Heilige Schrift<br />
der Orthodoxen Kirchen. Für Theologie, Philologie<br />
und Religionsgeschichte ist sie von hohem<br />
wissenschaftlichen Wert.<br />
Die Wuppertaler Septuaginta-Forschung hat<br />
in den letzten zehn Jahren weltweit Anerkennung<br />
gefunden. Auf der Tagung wurden zwei<br />
neue Veröffentlichungen präsentiert: die über<br />
1500 Seiten (!) umfassende zweite Auflage<br />
der deutschen Übersetzung der griechischen<br />
Septuaginta (die 5000 Exemplare der Erstauflage<br />
von 2009 sind inzwischen ausverkauft)<br />
und der im Verlag Mohr & Siebeck, Tübingen,<br />
publizierte Band „Die Septuaginta – Texte,<br />
Theologien, Einflüsse“ mit den Vorträgen der<br />
Wuppertaler Tagung 2008. Ein umfangreicher,<br />
von Wuppertaler Forschern redigierter Kommentarband<br />
zur Septuaginta erscheint in wenigen<br />
Monaten. Die deutsche Übersetzung der<br />
griechischen Septuaginta war Ergebnis einer<br />
zehnjährigen Arbeit von über 80 Wissenschaftlern,<br />
die sich unter Leitung von Prof. Dr. Martin<br />
Karrer (Kirchliche Hochschule Wuppertal) und<br />
Prof. Dr. Wolfgang Kraus (<strong>Universität</strong> Saarbrücken)<br />
zusammengetan hatten.<br />
Im Vorwort des Übersetzungsbandes sowie<br />
des in Kürze erscheinenden Kommentarbandes<br />
wird der Beitrag der <strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong> zum<br />
Gelingen besonders hervorgehoben. Prof. Dr.<br />
Wolfgang Orth, Historiker (Alte Geschichte) im<br />
Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften<br />
der <strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong>, und einer der Mitherausgeber<br />
von Übersetzung und Kommentar:<br />
22<br />
„Beide Bände belegen erneut die bewährte<br />
Kooperation von <strong>Bergische</strong>r <strong>Universität</strong> und<br />
Kirchlicher Hochschule!“ Die <strong>Universität</strong> Wuppertal<br />
hat im Rahmen des Projekts mehrere<br />
internationale Tagungen finanziell unterstützt.<br />
Auf der dritten Septuaginta-Tagung<br />
in<br />
Wuppertal gehörten<br />
auch Mitglieder und<br />
Angehörige des Fachbereichs<br />
Geistes- und<br />
Kulturwissenschaften<br />
der <strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong><br />
zu den Vortragenden:<br />
Prof. Orth<br />
(Foto) sprach über den<br />
historischen Quellenwert des sogenannten<br />
dritten Makkabäerbuches, Siegfried Kreuzer,<br />
Professor für Altes Testament an der Kirchlichen<br />
Hochschule und Lehrbeauftragter an<br />
der <strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong>, über das Verhältnis<br />
zwischen Textforschung und Bibelwissenschaft<br />
und Dr. Marcus Sigismund, Lehrbeauftragter<br />
im Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften<br />
an der <strong>Bergische</strong>n <strong>Universität</strong>, über<br />
die Bedeutung der Vetus Latina für die Rekonstruktion<br />
des Septuaginta-Textes. 2011 sollen<br />
die Vorträge im Druck vorliegen.<br />
Auf der Wuppertaler Konferenz wurde außerdem<br />
die Vorplanung für die Erarbeitung<br />
eines Septuaginta-Handbuchs abgeschlossen.<br />
Herausgeber des im Gütersloher Verlagshaus<br />
erscheinenden mehrbändigen Werkes sind<br />
Prof. Dr. Martin Karrer (Kirchliche Hochschule<br />
Wuppertal) und Professor Dr. Wolfgang Kraus<br />
(<strong>Universität</strong> Saarbrücken).<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. Wolfgang Orth<br />
Telefon 0202/439-2268<br />
E-Mail orth2@<strong>uni</strong>-wuppertal.de<br />
www.septuagintaforschung.de<br />
Handschriftenfragment der Septuaginta.<br />
Gewalt gegen Kinder: Was ist,<br />
wenn das Jugendamt kommt?<br />
Elterliche Gewaltanwendung und langfristige<br />
Vernachlässigung von Kindern sind<br />
immer wieder Thema in den Medien. Dabei<br />
geht es oft auch um Möglichkeiten und<br />
Grenzen staatlicher Interventionen. Im Rahmen<br />
des Forschungsprojekts „Sozialsystem,<br />
Kindeswohlgefährdung und Prozesse<br />
professioneller Interventionen“ (SKIPPI)<br />
untersucht die Wuppertaler Familiensoziologin<br />
Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger<br />
in Kooperation mit der <strong>Universität</strong> Kassel,<br />
wie professionelle Akteure – Sozialarbeiter,<br />
Jugendämter etc. – mit vermuteter<br />
und tatsächlicher Kindeswohlgefährdung<br />
umgehen. Prof. Bühler-Niederberger: „Die<br />
öffentliche Debatte dreht sich einseitig um<br />
Defizite bei bestimmten – mit begrenzten<br />
Ressourcen ausgestatteten – öffentlichen<br />
Instanzen wie den Jugendämtern und übersieht<br />
dabei die enorme Komplexität der<br />
Koordination der verschiedenen in diesem<br />
Bereich tätigen Akteure.“<br />
Prof. Bühler-Niederberger (siehe Seite 37!) und<br />
ihre Mitarbeiter untersuchen, was passiert,<br />
wenn professionelle Akteure auf betroffene<br />
Familien treffen. Dabei spielen nicht nur gesetzliche<br />
Regeln eine Rolle, sondern auch Vorstellungen<br />
von „guten“ Familien.<br />
Prof. Bühler- Niederberger: „Es geht um<br />
Ansprüche und Zugeständnisse an den privaten<br />
Raum, der immer auch als gesetzlich<br />
geschützte Rückzugszone begriffen werden<br />
muss. Ein Eingriff in die familiäre Privatsphäre<br />
ist immer problematisch.“ Das Vertrauen und<br />
die Bereitschaft zur Mitarbeit von Seiten der<br />
Familien kann gelegentlich nur gewonnen<br />
werden, wenn sich die professionellen Akteure<br />
größte Zurückhaltung auferlegen. „Das kann<br />
dann mit dem Schutzauftrag kollidieren“, so<br />
Bühler-Niederberger.<br />
Die Wuppertaler Forscher untersuchen auch<br />
die Kindesorientierung bei behördlichem Einschreiten:<br />
Wie werden Kinder und ihr Befinden<br />
im privaten Raum überhaupt für die professionellen<br />
Akteure sichtbar? Welche Vorstellungen<br />
von „Normalentwicklung“ und Abweichungen<br />
gibt es? Wie viel Aufmerksamkeit bleibt letztlich<br />
für die Kinder, wenn schon die schwierigen<br />
Beziehungen zu den Eltern viel Aufmerksamkeit<br />
der professionellen Akteure verlangen?<br />
Die Forscher der Uni Kassel verfolgen bei<br />
dem Projekt einen organisations- und berufssoziologischen<br />
Ansatz. Sie untersuchen unter<br />
Leitung von Prof. Dr. Ingo Bode die Strukturen,<br />
in denen Akteure verschiedener Berufsgruppen<br />
handeln. SKIPPI wird in fünf Städten und Landkreisen<br />
durchgeführt und von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />
http://projekt-skippi.info