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Fachzeitschrift "Gewerbemiete und Teileigentum" (GuT)

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Indexklauseln im Gewerbemietrecht<br />

dass eine Mietanpassung nur auf Verlangen einer der Vertragsparteien<br />

erfolgen soll <strong>und</strong> hinsichtlich des Ausmaßes der Anpassung<br />

ein Ermessensspielraum besteht.<br />

Zwar kann dem Vermieter gemäß §§ 315 <strong>und</strong> 316 BGB ein<br />

einseitiges Bestimmungsrecht zur Anpassung der Miete nach<br />

billigem Ermessen eingeräumt werden5. Dies ist allerdings aus<br />

Mietersicht nicht erstrebenswert, weshalb im Mietvertrag der<br />

Verhandlungsklausel der Vorzug gegeben werden sollte.<br />

Mit der Indexsteigerung ändert sich nur die Vergleichsgröße<br />

automatisch, nicht aber auch die Miethöhe6. Der Leistungsvorbehalt<br />

legt auch keinen bestimmten Termin für eine Mietanpassung<br />

fest, sondern nur ein Ereignis, nach dessen Eintritt weitere<br />

Mietverhandlungen möglich werden. Dieses Ereignis ist<br />

das Erreichen eines im Mietvertrag vereinbarten Indexstandes<br />

oder eine bestimmte Indexentwicklung. Nur wenn sich die Vertragspartner<br />

anschließend ausdrücklich darauf geeinigt haben,<br />

um wie viel sich die Miete erhöhen soll, steht der neue Betrag<br />

absolut fest. Die Mieterhöhung tritt dann zum ausgehandelten<br />

Zeitpunkt in Kraft. Zur Wahrung der Schriftform bedarf die<br />

Mieterhöhung eines schriftlichen Nachtrags zum Mietvertrag7. Beispiel für einen Leistungsvorbehalt:<br />

„Ändert sich der durch das Statistische B<strong>und</strong>esamt ermittelte<br />

Verbraucherpreisindex für Deutschland – VPI – gegenüber<br />

dem für den Monat des Vertragsabschlusses veröffentlichten Index<br />

um mindestens 8 Prozent, kann jede Partei eine Neufestsetzung<br />

der Miete verlangen. Maßstab dafür soll die Veränderung<br />

des Index sein, soweit dies der Billigkeit entspricht. Die<br />

Änderung der Miete wird ab dem auf das Änderungsverlangen<br />

folgenden Monat wirksam. Jede weitere Änderung des Preisindex<br />

rechtfertigt die Forderung nach einer Neufestsetzung der<br />

Miete nur, wenn sie seit dem Zeitpunkt der letzten Festsetzung<br />

jeweils wiederum mindestens 8 Prozent beträgt.“<br />

Nach einer Empfehlung des Statistischen B<strong>und</strong>esamts soll<br />

auf die Veränderung des Preisindex in Prozent <strong>und</strong> nicht in Prozentpunkten<br />

abgestellt werden, weil das Basisjahr bei einer Veränderung<br />

in Prozent keine Rolle spielt. Nur bei einer Veränderung<br />

in Prozentpunkten ist das Basisjahr maßgebend, z. B. Basisjahr<br />

= 20008. 3. 2 Eine Schiedsgutachter-Klausel kann Streit schlichten<br />

Auch wenn man sich zu Beginn des Mietverhältnisses noch<br />

so gut versteht, sollte man trotzdem daran denken, dass sich<br />

das irgendwann auch ändern könnte. Deshalb sollte der Mietvertrag<br />

unbedingt eine Vereinbarung enthalten,wonach die neue<br />

Miethöhe auch von einem beliebigen Dritten i.S.v. § 317 BGB<br />

bestimmt werden kann. Eine derartige Vereinbarung hilft dann<br />

weiter, wenn sich Vermieter <strong>und</strong> Mieter nicht über die neue<br />

Miethöhe einigen können. Hier hilft der unabhängige Schiedsgutachter<br />

weiter, indem er die neue Miethöhe für beide Seiten<br />

verbindlich festsetzt.<br />

Formulierungshilfe:<br />

„Einigen sich die Vertragsparteien nicht über die künftige<br />

Miethöhe, so entscheidet ein auf Antrag einer oder beider Parteien<br />

von der Industrie- <strong>und</strong> Handelskammer zu benennender<br />

Sachverständiger als Schiedsgutachter gem. § 317 BGB nach<br />

billigem Ermessen darüber, ob <strong>und</strong> in welcher Höhe eine Änderung<br />

der Miete eintreten soll. Die Kosten des Verfahrens trägt<br />

jede Partei zur Hälfte. Die neue Miete ist alsdann vom Ersten<br />

des auf den Tag der Antragstellung folgenden Monats für beide<br />

Parteien verbindlich <strong>und</strong> ggf. nachzuentrichten. 9“<br />

3. 3 Sinn <strong>und</strong> Zweck des Schiedsgutachtens<br />

Schiedsgutachten werden aufgr<strong>und</strong> einer vorherigen Vereinbarung<br />

der streitenden Parteien angefertigt, wenn sich Probleme<br />

nicht mehr eigenständig schlichten lassen. Der von beiden<br />

Seiten akzeptierte Sachverständige soll durch sein Gutachten<br />

eine Einigung herbeiführen, ohne lange Verfahrenzeiten <strong>und</strong> ohne<br />

dass ein Gericht bemüht werden muss. Trotzdem lässt die<br />

Schiedsgutachtenabrede im Einzelfall die gerichtliche Überprüfung<br />

offen. In der Praxis ist die fachliche Schiedsgutachter-<br />

funktion nachweislich sehr erfolgversprechend, weil hier den<br />

Parteien ein Weg angeboten wird, ihren Konflikt ohne Risiken,<br />

ohne lange Laufzeiten <strong>und</strong> mit überschaubaren Kosten einvernehmlich<br />

beizulegen10. Auch wenn hier <strong>und</strong> da schon der Einwand hörbar wurde,<br />

man sei dem Schiedsgutachter mehr oder weniger auf Gedeih<br />

<strong>und</strong> Verderb ausgeliefert, hat er sich streng neutral zu verhalten.<br />

Er muss in seinem Gutachten nachvollziehbar <strong>und</strong> nachprüfbar<br />

erläutern, wie sich die neue Miethöhe berechnet11. Dazu<br />

muss er beispielsweise auch angeben, welche Vergleichsmieten<br />

<strong>und</strong> Vergleichsobjekte er herangezogen hat. Sofern derartige<br />

Angaben im Gutachten fehlen, ist es natürlich wertlos12. Die Entscheidung des Schiedsgutachters hat rechtsgestaltende<br />

Wirkung, was nichts anderes bedeutet, als dass er die neue Miete<br />

für beide Vertragspartner verbindlich festlegt. Selbst wenn<br />

man das Mietgutachten für falsch hält, darf es die eine oder andere<br />

Vertragspartei nicht einfach ignorieren. Wer mit der neuen<br />

Miete nicht einverstanden ist, kann das Gutachten nach § 318<br />

BGB nur vor Gericht zu Fall bringen. Ansonsten sind Vermieter<br />

<strong>und</strong> Mieter daran geb<strong>und</strong>en13. Eine Klage gegen die Entscheidung<br />

des Gutachters wird nur dann Erfolg haben, wenn sie<br />

grob unbillig ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Ergebnis offenbar,<br />

d. h. für einen sachk<strong>und</strong>igen <strong>und</strong> unbefangenen Beobachter<br />

aufdrängend unrichtig ist14. Im Streitfall hat das Gericht<br />

die Miethöhe gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu bestimmen15. Wenn es in der Leistungsvorbehaltsklausel heißt, dass bei<br />

Veränderung des gewählten Index beide Vertragspartner berechtigt<br />

sind, die Aufnahme von Verhandlungen über eine Neufestsetzung<br />

der Miete zu verlangen, kann das nach Ansicht des<br />

3. Senats des OLG Frankfurt auch dazu führen, dass der beauftragte<br />

Schiedsgutachter sogar berechtigt sein kann, eine niedrigere<br />

als die bisher vereinbarte Miete festzusetzen16. Solch ein<br />

Fall könnte beispielsweise eintreten, wenn zwar der Verbraucherpreisindex<br />

gestiegen, hingegen das allgemeine Mietniveau<br />

gesunken wäre. Andererseits vertritt der 2. Senat des OLG<br />

Frankfurt das genaue Gegenteil: Wenn bei einer Indexsteigerung<br />

Verhandlungen über die Neufestsetzung der Miete vereinbart<br />

seien, könne die neue Miete nur in der gleichen Bewegungsrichtung<br />

der Bezugsgröße erfolgen, da sonst der Zweck<br />

der Klausel unterlaufen würde. Wenn demnach der Index gestiegen<br />

sei, könne dementsprechend die Miete auch nur steigen17.<br />

Auch das OLG Celle ist bei einer „Wertsicherungsklausel“<br />

der Auffassung, dass eine Mietneufestsetzung nur in Richtung<br />

der Bezugsgröße gerechtfertigt sei18. Nach anderer Ansicht<br />

des OLG Köln könne sich trotz Erhöhung der Bezugsgröße je<br />

nach Entwicklung des Gewerberaummietmarkts eine gleich<br />

bleibende oder sogar eine geringere Miete ergeben19. Bei der Formulierung einer Schiedsgutachterklausel könnte<br />

man auch festlegen, an welchen Gesichtspunkten sich der<br />

5) Palandt, BGB, Rdnr. 34 zu § 245.<br />

6) OLG Hamburg, Urteil v. 6. 2.1985 – 4 U 30/84, WuM 1986, 82 = ZMR<br />

1985, 237 = DWW 1985, 99.<br />

7) Schultz,Wertsicherung im Gewerberaummietrecht, NZM 2000, 1135.<br />

8) www.destatis.de/download/d/preis/allg_info.pdf.<br />

9) Im Sachverständigenverzeichnis der IHK stehen geeignete bestellte <strong>und</strong><br />

vereidigte Sachverständige in ganz Deutschland, http://svv.ihk.de.<br />

10) Im Internet findet man ein detailliertes Mustergutachten des Sachverständigen<br />

B. Kothe: www.immo-wert-kothe.de/index.php?option=com_<br />

content&task=view&id=27&Itemid=56.<br />

11) BGH, Urteil v. 16.11.1987 – II ZR 111/87, MDR 1988, 381.<br />

12) BVerfG, Beschluss v. 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93, WuM 1994, 661 =<br />

ZMR 1995, 7 = DWW 1994, 381.<br />

13) OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 3.12.1998 – 3 U 257/97, WuM 1999, 31<br />

= ZMR 1999, 244 = NZM 1999, 118.<br />

14) BGH, Urteil v. 21. 4.1993 – XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034.<br />

15) BGH, Urteil v. 20. 6.1997 – V ZR 39/96,WuM 1997, 545 = ZMR 1997,<br />

501 = NJW 1997, 2671.<br />

16) OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 3.12.1998 – 3 U 257/97,WuM 1999, 31.<br />

17) OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 10.11. 2000 – 2 U 228/99, NZM 2001,<br />

526.<br />

18) OLG Celle, Urteil v. 5. 4. 2001 – 2 U 196/00, NZM 2001, 468 = ZMR<br />

2001, 527.<br />

19) OLG Köln, Urteil v. 9. 4.1999 – 3 U 84/98, ZMR 1999, 633.<br />

212 <strong>Gewerbemiete</strong> <strong>und</strong> Teileigentum · Heft 30 · 8–9/06 · August/September 2006

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