Rochlitzer Anzeiger im Internet
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<strong>Rochlitzer</strong> <strong>Anzeiger</strong> Seite 10 16. Dezember 2010<br />
Eine Wanderausstellung zum Thema „Flucht<br />
und Vertreibung“ war kürzlich <strong>im</strong> <strong>Rochlitzer</strong><br />
Rathaus zu sehen. 65 Jahre nach Kriegsende<br />
erinnerte der Mittweidaer Kreisverband der<br />
Vertriebenen an dieses erschütternde Kapitel<br />
deutscher Geschichte. Unter dem Titel „Unsere<br />
neue He<strong>im</strong>at Sachsen“ brachte die Ausstellung<br />
den Besuchern Erlebnisse und Brüche <strong>im</strong><br />
Leben von Flüchtlingen, Vertriebenen und<br />
Aussiedlern nahe.<br />
Oberbürgermeisterin Kerstin Arndt machte in<br />
ihrer Eröffnungsrede insbesondere auf den<br />
schweren Anfang der Aussiedler, Flüchtlinge<br />
und Vertriebenen aufmerksam. Die Integration<br />
der neuen Mitbürger sei nicht einfach gewesen,<br />
auch habe sie Zeit gebraucht, aber heute könne<br />
man sagen: „Sie ist gelungen, die Menschen<br />
sind in ihrer neuen He<strong>im</strong>at Sachsen angekommen.“<br />
Annett Flemming, Lehrerin am Johann-Mathesius-Gymnasium,<br />
gehörte mit Schülern der<br />
Bildungsstätte gleich mehrfach zu den Besuchern<br />
der Ausstellung. „Migration, Wanderungsbewegung<br />
in Geschichte und Gegenwart<br />
ist ein Thema, mit dem sich die Schüler <strong>im</strong><br />
gesellschafts-wissenschaftlichen Profilunterricht<br />
auseinandersetzen sollen.“ Neben der<br />
geschichtlichen Aufarbeitung gehe es dabei<br />
auch darum, die aktuell-politische Diskussion in<br />
diesen Kontext einordnen zu können, hofft<br />
Annett Flemming auf eine lebendige Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema.<br />
Zu den über 500 Besuchern, darunter ca. 100<br />
Schüler, die <strong>im</strong> Verlauf der Ausstellung <strong>im</strong><br />
Rathaus weilten, gehörte auch die Zetteritzerin<br />
Herta Eulitz, die mit ihrer Familie dieses Schicksal,<br />
das in Deutschland an die 15 Millionen<br />
Flüchtlinge mit ihr teilen, am eigenen Leib erlebte.<br />
Damals acht Jahre alt musste sie mit ihrer<br />
Mutter und den zwei älteren Schwestern ihren<br />
He<strong>im</strong>atort Groß-Petersdorf in Schlesien verlassen.<br />
Vom 18. Februar 1945 bis Ende März war<br />
die vierköpfige Familie unterwegs bis sie<br />
schließlich die Ortschaft Winkeln (Gemeinde<br />
Seelitz) erreichte. „Auf der Flucht“, berichtet<br />
Herta Eulitz, „stand für einen Augenblick das<br />
Glück auf unserer Seite.“ Ihr Vater, der unmittelbar<br />
vor Ende des Krieges von den Nationalsozialisten<br />
zum Volkssturm eingezogen wurde,<br />
stieß während der Flucht zu ihnen und begleitete<br />
die Familie in die neue He<strong>im</strong>at Sachsen. Für<br />
Herta Eulitz ist es wichtig, dass mit der Ausstellung<br />
die Erinnerung an die leidvolle Geschichte<br />
der Betroffenen und ihrer Angehörigen wach<br />
gehalten wird. Sie selbst hat <strong>im</strong> Auftrag des<br />
Mittweidaer Kreisverbandes der Vertriebenen<br />
die Ausstellung tageweise betreut, was sie<br />
emotional sehr berührte.<br />
Kreisverbandsvorsitzender Siegfried Paschel<br />
hält es für richtig, dass sich gerade die junge<br />
Generation mit diesem traurigen Kapitel deutscher<br />
Geschichte auseinandersetzt. Auch 65<br />
Jahre nach Kriegsende seien noch nicht alle<br />
seelischen Wunden verheilt. Paschel hatte <strong>im</strong><br />
Alter von fünf Jahren die schicksalhafte Flucht<br />
in Begleitung seiner Familie miterlebt. „Gemeinsam<br />
mit meinen Eltern, zwei Geschwistern, der<br />
Großmutter und fast 950 weiteren Schlesiern<br />
sind wir bei eisigen Temperaturen aus unserem<br />
He<strong>im</strong>atort Deutscheck nach Sachsen aufgebrochen“,<br />
erinnert sich der 70-jährige Hainichener.<br />
Unsere neue He<strong>im</strong>at Sachsen<br />
Erinnern, Mahnen, Zukunft gestalten<br />
Oberbürgermeisterin Kerstin Arndt (li) während der Eröffnungsrede zur Ausstellung<br />
„Unsere neue He<strong>im</strong>at Sachsen“ <strong>im</strong> <strong>Rochlitzer</strong> Rathaus.<br />
Weiter <strong>im</strong> Bild: Ursula Barz (2. v. l.) mit dem <strong>Rochlitzer</strong> Frauenchor<br />
Von Andreas Brückner (Hainichen) originalgetreu gestalteter Flüchtlingswagen<br />
32 Tage seien sie unterwegs gewesen bis der Tross schließlich das Vogtland erreichte.<br />
Die Flüchtlinge und Vertriebenen hatten oft Schwierigkeiten sich in die neue Gesellschaft<br />
zu integrieren. Nicht selten gab es Diskrepanzen <strong>im</strong> Zusammenleben zwischen Einhe<strong>im</strong>ischen<br />
und Vertriebenen. Die Pflege von Kultur und Tradition, Religion und Errungenschaften<br />
nahmen dabei eine bedeutende Rolle ein.<br />
Die Ausstellung zeigte eindrucksvoll, dass die Integration von Millionen Menschen in die<br />
neue Gesellschaft eine herausragende Leistung darstellt. Mehr als eine Million deutsche<br />
Flüchtlinge und Vertriebene aus Ost- und Südosteuropa wurden infolge des 2. Weltkrieges<br />
in Sachsen angesiedelt.<br />
Jörg Richter<br />
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