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DIE VIOLINKONZERTE - Paul Hindemith

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te, habe ich auch versucht zu schreiben:„Ich möchte ein Weltgeiger werden“ –das Schulheft, in dem ich diesen Satz notierte,habe ich heute noch. Nein, imErnst: der Wille und der Wunsch, Musikerzu werden, waren schon ganz früh da.Natürlich gehören immer ganz viel Glückund Gesundheit dazu, und auch dasGlück, die richtigen Lehrer zu haben,wenn man als Musiker erfolgreich seinwill. Freilich ist das Musikerdasein immerauch ein sehr schwieriger und bisweilendornenreicher Weg, aber es ist doch wirklichdas, was ich im Leben gewollt habe,und ich schätze mich sehr glücklich, dassich ich auch in schlechten Tagen auf diegroßartigen Werke zurückgreifen kann,die mir den Halt und den Sinn im Lebenzeigen.Sie haben <strong>Hindemith</strong>s Violinkonzert von1939 im Repertoire und spielen es indieser und der nächsten Saison mehrfach.Welche Erfahrungen haben Sie mitdem Werk gemacht?Das <strong>Hindemith</strong>-Konzert habe ich ungefährim Jahre 1995 angefangen zuspielen. Gerne hätte ich es schon frühergespielt, doch gibt es leider nicht sehrviele Dirigenten, die sich darauf einlassenwollen. Ich habe das nie verstanden. Esgibt einige wenige, die mich in dieserHinsicht sehr unterstützt haben: Da ist inerster Linie Wolfgang Sawallisch zu nennen,mit dem ich das Konzert sehr oft,auch in den USA und in Japan, gespielthabe, und Marek Janowski, der es immerwieder gerne mit mir aufführt. Von Dirigenten,die das Werk nicht kennen, höreich immer das Vorurteil „<strong>Hindemith</strong>, dasist doch so trocken“. Dabei ist es dochein wunderbares, fast romantisches Konzertund folgt meines Erachtens als nächstesgroßes Violinkonzert eines großendeutschen Komponisten direkt demBrahms-Konzert nach (wenn man AlbanBerg weglässt, der ja Österreicher war).Ich spiele das <strong>Hindemith</strong>-Konzert regelmäßigund stelle dabei fest, dass <strong>Hindemith</strong>gerade in den englischsprachigenLändern viel eher willkommen ist als beiuns. Ich habe den Eindruck, dass das anden jungen deutschen Avantgarde-Komponistenvon damals liegt, die <strong>Hindemith</strong>nach dem Zweiten Weltkrieg den Stempelder Rückständigkeit aufdrückten. Ichbin da ganz anderer Meinung: <strong>Hindemith</strong>war so ein begabter, ja genialer Mann –man wünscht sich heute noch solcheKomponisten wie ihn.Wie würden Sie das Charakteristische an<strong>Hindemith</strong>s Violinkonzert beschreiben,das Sie mit Ihrer Interpretation heraus -arbeiten möchten?Im Violinkonzert findet man diese typischen<strong>Hindemith</strong>schen Momente, wieman sie etwa auch in der Sinfonie „Mathisder Maler“ von 1934 hören kann. Dasind zum einen die toccatahaften Passagen,dann aber auch die unglaublich lyrischenMomente, die einen in das 19.Jahrhundert zurückversetzen. Hier darfdie Geige so schwelgen wie in einemBrahms-Konzert. Überhaupt ist das Werkfür die Geige genial erdacht, und manmerkt auch deutlich, dass <strong>Hindemith</strong>, derja bereits mit 19 Jahren Konzertmeisterdes Frankfurter Opernorchesters war undspäter so ein hervorragender Kammermusikerund Bratscher wurde, das Instrumentselber so fantastisch beherrschthat. In jedem Satz spürt man außerdem,mit welcher Ehrfurcht <strong>Hindemith</strong> seinWerk in die große Tradition der Violinkonzertedes 19. Jahrhunderts stellte: ImThema des ersten Satzes entdecke ichfast wörtliche Parallelen zum Thema desViolinkonzerts von Mendelssohn. Der mit„Energisch“ überschriebene Abschnitt indiesem Satz erinnert mich an das punktiertedritte Thema des Brahms-Konzerts.Im langsamen zweiten Satz hört manebenfalls Reminiszenzen an das Brahms-Konzert und natürlich auch an Beethoven.Und ganz typisch für <strong>Hindemith</strong> ist,wie er das Thema des dritten Satzes anLehars Operette „Land des Lächelns“ anlehntund dann in einer gewaltigen Steigerungaufbaut, so wie er es wenig späterin den Symphonischen Metamorphosennach Themen von Carl Maria vonWeber praktiziert hat. Mitreißend ist aucheine Passage am Ende des dritten Satzes:Das Orchester spielt da fanfarenartigeSignale, auf welche die Geige mit halsbrecherischenSechzehnteln und Doppelgriffenantwortet, ähnlich wie im Tschaikowsky-Konzert.Man fühlt sich bei Hin-24. Juli 1939<strong>Hindemith</strong> beendet die Komposition desViolinkonzerts.1. September 1939Mit dem Überfall der deutschen Wehrmachtauf Polen beginnt der II. Weltkrieg.13. September 1939Willy Strecker schreibt an <strong>Paul</strong> <strong>Hindemith</strong>:„Wie die Welt in 6 Monaten aussehenwird, kann niemand voraussagen.Ob Mengelberg das Konzert geben kannist auch fraglich […]. Ich weiss auch garnicht,wie ich eben [Noten-]Material anKoussewitzky schicken kann. Jedenfallslasse ich weiterarbeiten und denke dasMaterial bis spätestens Ende Septemberfertig vorliegen zu haben.“18. Oktober 1939<strong>Paul</strong> <strong>Hindemith</strong> schreibt an WillyStrecker: „Dass Du nach Amsterdam undAmerika gleich Materiale schickst, istempfehlenswert. Boston kann dann wenigstensstarten. Von Amsterdam weißich bis jetzt nichts, weder von einer Absagenoch von einer Änderung. […] Ändertsich die Lage in den nächsten Wochenzum günstigen, so kann ich natürlichEnde November über Deutschlandhinfahren und das Engagement absolvieren,im anderen (mir sehr viel wahrscheinlicheren)Falle möchte ich lieber,dass [Mengelberg] so lange damit wartet,bis ich hinkommen kann.“29. November 1939<strong>Hindemith</strong> berichtet Willy Strecker vondem gescheiterten Vorhaben, die Uraufführungdes Geigenkonzerts in Amsterdamzu dirigieren: „Ich hatte schon neulichhingeschrieben, daß ich infolge Verstopfungder Zufahrtswege nicht hingelangenkönne und auch von dort resignierteKlagebriefe bekommen. Gesternjedoch flackerte das schon hübsch abgeglommeneFeuerchen zu heller Lohe auf.Es setzte ungezählte Telegramme undTelefongespräche mit Amsterdam und inder ganzen Schweiz herum. M[engelberg]sagte, er habe von Berlin einSchreiben bekommen, daß man ‚keineBedenken’ (offenbar gegen mich unddas meinige) habe, und ich solle dochschnell kommen. Wir versuchten allesMenschenmögliche, um diese schwierigeAufgabe zu lösen, aber es war unmöglich.Man muß einen deutschenSichtvermerk haben, den zwar das Konsulatoder die Botschaft ausstellt, abererst nach Rückfrage beim AuswärtigenAmt. Gestern am Abend rief man nochsehr freundlich von der Botschaft aus beiuns an und offerierte jegliche Hilfe, diemöglich sei. Aber das half nichts, dennwie hätte man in der Schnelligkeit auchnoch das Schweizer Rückreisevisum unddas holländische bekommen sollen?Und wenn heute früh wirklich alles geklappthätte, hätte ich heute nachmittagin Basel abfahren können, mit der Gewissheit,auf keinen Fall vor morgenNachmittag in Amsterdam zu sein, gera-<strong>Hindemith</strong>-Forum 19/200913

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