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Pfeifen & Cigarren Journal „Wo Tabak wächst, kann kein Haß gedeihen...“ 16 trafikantenzeitung 12/2006 „Wenn ich meine Gedanken über die Kunst des Rauchens – die Früchte meiner Erfahrung – zu Papier bringe, so scheint es mir, daß ich mich vor allem einer Freundespflicht entledige“, schrieb Zino Davidoff – eingedenk der Worte des französischen Romantikers Alfred de Musset („Jeder Cigarrenraucher ist ein Freund, denn ich weiß, was er empfindet“), im Vorwort zu seinem „Cigarren-Brevier oder Was raucht der Connaisseur“. Ein Buch-Juwel, das jene, die es besitzen, hüten wie einen Schatz. Und das nicht zuletzt deshalb, weil es ihnen das Wissen um die höheren Weihen des Rauchens vermittelte. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags veröffentlichen wir in diesem Zino-Davidoff- Jubiläums- und -Gedenkjahr das Vowort zu diesem Klassiker: einer Liebeserklärung an den Tabakgenuß.
D er reife Mann ist glücklich zu nennen, der über die Jahre hinweg dem Jüngling, der er einst gewesen, die Hand reichen kann. Mit zwanzig verliebte ich mich in die großen Tabakpflanzungen Kubas, die „Grünen Fluten“, die in den Tälern der Insel wogen. Diese Leidenschaft meiner jungen Jahre hat mich nie verlassen. Ich kann heute sagen, daß mein Leben unter dem Zeichen der Treue stand, die ich vor allem andern der Cigarre hielt. Die Cigarre war mein Leben. Ihr verdanke ich alles: meine Ekstasen und meine Qualen, die Freuden meiner Arbeit und meiner Mußestunden – und wenn ich im Laufe der Jahre ein wenig mit Philosophie gewürzte Wissenschaft erworben habe, so verdanke ich auch dies der Cigarre. Man könnte darüber lächeln. Lächeln Sie nur. Die Cigarre lehrt Nachsicht und bringt allmählich eine tiefere Gelassenheit, ein bedächtigeres Urteil. Die Cigarre lehrt Nachsicht und bringt allmählich eine tiefere Gelassenheit, ein bedächtigeres Urteil... . Anfangs war ich ein gieriger Raucher. Meine Eltern hatten einen Tabakhandel in Kiew. Ich erinnere mich an den kleinen Laden meines Vaters, in dem die ganze Familie in Handarbeit aus blondem türkischem Tabak Zigaretten mit Goldmundstück drehte. Es war kein Laden wie andere. Von Zeit zu Zeit versammelten sich darin sonderbare Menschen, die sich wie Verschwörer gebärdeten – und Verschwörer waren sie in der Tat. Wie José Marti, der Befreier Kubas, seinen Getreuen in Cigarren gewickelte Botschaften sandte, so verbargen sich die Feinde des Zaren in Kiew hinter Tabakrauch. Bald gehörten wir selbst zu den Verfolgten: Ich verließ Rußland in einem plombierten Waggon. In Genf machte mein Vater einen kleinen Laden ausfindig und ging wieder ans Werk. Verbannte wie wir selbst suchten uns oft auf. Sie bereiteten fieberhaft die Revolution vor. Einer von ihnen machte großen Eindruck auf mich. Er hatte ein mageres Gesicht und brennende Augen; er sprach mit lauter Stimme und ver- sorgte sich bei uns mit Cigarren, die er nie bezahlte. Mein Vater wagte nicht, Geld von ihm zu fordern. Im Bestellbuch, das ich als Andenken aufbewahrt habe, steht immer wieder der Vermerk „nicht bezahlt“ neben seinem Namen: Wladimir Uljanow ... Damals nannte er sich noch nicht Lenin. Ich verliess das Zimmer hinter dem Laden meines Vaters erst, als ich auf seinen Rat eine große Studienreise nach Amerika antrat. „Viel Geld“, sagte mein Vater, „kann ich dir nicht mitgeben. Nur zwei, drei Einführungsschreiben an Tabakhändler, aber wenn du es verstehst, sie richtig zu nutzen und dir Achtung zu verschaffen, werden diese Briefe Gold wert sein. In unserem Metier ist Freundschaft kein leeres Wort...“ Ich lernte sie bald kennen, die Freundschaft, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, das alle, die mit dem Tabak zu tun haben – die Fabrikanten, die Händler, die Raucher selbst – über Meere und Kontinente hinweg verbindet. Man nahm mich in Buenos Aires gut auf, und ich blieb dort eine Weile. Dann fuhr ich nordwärts nach Brasilien, wo ich den „schwarzen“, den dunklen Tabak kennenlernte, den eigentlichen Cigarren- tabak. Es war eine Erleuchtung. Ich erkannte augenblicklich, daß hierin der Adel unseres Handwerks liegt: in diesen großen, kräftigen, seidigen Blättern. Mehrere Monate arbeitete ich in Bahia, auf Plantagen, deren Reichtum mich entzückte. Eines Tages sagte ein alter brasilianischer Pflanzer, den ich verehrte, zu mir: „Du liebst den Tabak, mein Sohn. Geh nach Kuba, auf die Rote Erde. Dort wirst du den Puro entdecken, und es wird für dich nichts anderes mehr geben!“ Ich fuhr nach Kuba, wie ein junger Gräzist nach Griechenland fährt oder ein Seminarist nach Rom. Zwei volle Jahre lebte ich dort in einer Erregung aller Sinne. Ich arbeitete auf einer Finca und machte mich mit allem vertraut, was zur Herstellung des Puro, der Havanna- Cigarre, gehört, vom Pikieren der jungen Pflanzen über die Ernte, die Fermentation, die Trocknung, das Entrippen der Blätter, das Wickeln und Rollen bis zur Sortierung und Verpackung der fertigen Cigarren. Mein Leben stand unter dem Zeichen der Treue, die ich vor allem andern der Cigarre hielt... Neugierig, begeistert, unersättlich wollte ich alles über die Havanna- Cigarre wissen. Ich fragte alte Arbeiter aus, die in ihrer Jugend miterlebt hatten, wie die Pflanzer die ersten Anstrengungen unternahmen, ihr Produkt auf dem Markt einzuführen. Ich machte mir ihre Erfahrungen zu eigen. Ich lernte sehr rasch, daß man, so wie es keine zwei edlen Weine gibt, die einander gleichen, keine zwei Cigarren derselben Provenienz findet, die gleiche Eigenschaften besitzen, und die Cigarrenarbeiterinnen lehrten mich den Unterschied zwischen Cigarren, die aus den obersten Blättern der Pflanze gemacht wurden, und solchen, für die man Blätter aus den anderen „Etagen“ verwendete, zwischen Cigarren aus benachbarten Tälern oder aus verschiedenen Ernten. Ich wußte bald, welches die besten Cigarren der Welt sind – und warum sie es sind. Als ich nach Europa zurückkehrte, war ich im Innersten entschlossen, mich diesem Handel zu widmen. Der Puro aus 12/2006 trafikantenzeitung 1
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