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Pfeifen & Cigarren Journal<br />

führte Cigarre in Spanien und Portugal<br />

lange ein Privileg des Adels war. Man<br />

rauchte sie nur bei Hofe, allenfalls in den<br />

Fürstenpalais, wo sich das Gold der<br />

Neuen Welt häufte. Sie war mehr als ein<br />

Genußmittel: Sie war ein Zeichen. Langsam<br />

entfaltete sie ihre Symbole.<br />

Später war sie Kennzeichen der Reichen,<br />

dieser neuen Aristokraten. Und<br />

der Auserwählten. Franz Liszt, der geniale<br />

Musiker, ging nie ohne seinen persönlichen<br />

Vorrat auf Reisen, der in mehreren<br />

Kisten aus edlen Hölzern und mit<br />

dreifachen Wänden untergebracht war.<br />

Zu Beginn unseres Jahrhunderts unterhielten<br />

die Mächtigen der Welt<br />

ihre Gesandten auf Kuba, die den<br />

Auftrag hatten, die besten Blätter<br />

auszuwählen und die<br />

„Kabinette“ zu überwachen,<br />

in denen ständig fünf- bis<br />

zehntausend Cigarren<br />

reiften.<br />

Denn die großen<br />

Raucher hatten<br />

längst die besonderen<br />

Kräfte und Vorzüge<br />

der unersetzlichen<br />

Erde dieser<br />

Wunderinsel, ihrer Geologie,<br />

ihrer Winde, ihres<br />

Wassers, ihrer geheimen<br />

Säfte entdeckt. Für sie wie für<br />

uns konnte der Puro nur aus<br />

Kuba stammen. Aus La Habana.<br />

Alles übrige ist seither anders geworden,<br />

und die Welt verändert sich<br />

rasch. Edle Cigarren aber haben noch<br />

immer die gleiche Herkunft, selbst wenn<br />

sie ihre Namen gewechselt haben, und<br />

der gleiche Zauber, dem Krieg und<br />

Politik nichts anzuhaben vermögen, umgibt<br />

sie. Edle Cigarren werden immer auf<br />

derselben kostbaren Erde wachsen, und<br />

immer werden sie aus eigner Kraft den<br />

Weg zu Größe und Vornehmheit gehen.<br />

Allen Wechselfällen des Geschicks zum<br />

Trotz bleibt eine feine Havanna mit<br />

Gold und Purpur auf der Bauchbinde in<br />

ihrem mit Zedernpapier ausgelegten, mit<br />

barocker Bilderpracht geschmückten<br />

Holzkistchen eine große Dame. Nie wird<br />

es gelingen, sie von ihrer fernen, großartigen<br />

Vergangenheit, ihrem im Dunkel<br />

liegenden Ursprung zu trennen. Von<br />

adeliger Herkunft, wird sie nie ein gewöhnlicher<br />

Industrieartikel sein.<br />

Nie wird man sie wie die Zigarette behandeln.<br />

Sie hat etwas, was Respekt gebietet.<br />

Die Cigarre ist für alle Sinne gemacht,<br />

für alle Arten des Genießens, für<br />

20 trafikantenzeitung 12/2006<br />

die Nase, den Gaumen, die Finger, die<br />

Augen; ja sie wendet sich sogar an das<br />

Ohr. Das leise Knistern, das man hört,<br />

wenn man sie zwischen den Fingern rollt,<br />

galt lange als Vorbote höchsten<br />

Genusses. (Heute zieht man, außer in<br />

England, leicht feuchte, geschmeidige<br />

Cigarren vor, und man tut gut daran.)<br />

Eine edle Cigarre trägt die Verheißung<br />

vollkommener Wonne in sich. „Eine<br />

Frau ist nur eine Frau, aber eine gute<br />

Cigarre ist mehr als nur das“, schrieb<br />

Dr. Ernst Schneider –<br />

Zino Davidoff:<br />

Eine edle Cigarre trägt die<br />

Verheißung vollkommener Wonne<br />

in sich...<br />

Kipling in seinen „Verlobten“, und<br />

George Sand meinte: „Die Cigarre<br />

schläfert den Schmerz ein und bevölkert<br />

die Einsamkeit mit tausend anmutigen<br />

Bildern.“<br />

Rauchen können, das heißt vergessene<br />

Rhythmen wiederfinden, mit sich selbst<br />

wieder ins Gespräch kommen. Wenn es<br />

ein Geheimnis der Cigarre gibt, so liegt<br />

es darin. In den langsamen, würdevollen,<br />

gemessenen Gesten des Cigarrenrauchers<br />

sehe ich mehr als nur Gewohnheit: eine<br />

Zeremonie.<br />

„Die Asche der Cigarre galt stets als<br />

heilig“, schrieb Eugène Marsan. „Es ist<br />

schändlich, jemanden um Feuer zu<br />

bitten, der liebevoll die lange Asche<br />

einer Havanna betrachtet ... Langsam<br />

und majestätisch sei die Verwandlung<br />

der Cigarre...“<br />

Die Cigarre inspiriert Schriftsteller<br />

und Poeten. Ich habe nicht die Absicht,<br />

ihren Hymnen eine weitere hinzuzufügen.<br />

Ich stelle nur fest, daß zahllose<br />

Künstler all das empfunden haben, was<br />

mit dem Rauch einer Havanna aufsteigt,<br />

den geheimnisvollen Gleichklang, den<br />

er im Raucher weckt. Ich habe nicht<br />

den Ehrgeiz, Erfolg anzustreben, wo<br />

andere zum Teil versagten – andere,<br />

die mehr Inspiration besitzen als<br />

ich, die inniger vertraut sind mit<br />

diesen transzendenten Dingen,<br />

geschickter in der Kunst, ihre<br />

Gefühle, ihre Ekstasen mitzuteilen.<br />

Wenn der Tabak ein<br />

vergessener Kult ist,<br />

wenn in der Cigarre<br />

ein Sinn enthalten<br />

ist, der uns entgeht,<br />

müssen wir uns vor<br />

dem Geheimnis beugen.<br />

Wir werden nie<br />

genau wissen, warum wir<br />

rauchen, aber darum ist es<br />

nicht weniger wichtig, nach<br />

allen Regeln der Kunst zu<br />

rauchen. Das Rauchen will verstanden<br />

sein.<br />

„Der Cigarrenraucher“, schrieb<br />

der Kritiker Marc Alyn, „ist wie der<br />

vollkommene Liebhaber und der Dudelsackpfeifer<br />

ein Mann, der mit Ruhe und<br />

Bedacht zu Werke geht und seines Atems<br />

sicher ist.“ Er ist ein Mann, der einen<br />

Augenblick des Glücks genießt. Er muß<br />

wissen, daß er mit ein wenig Etikette und<br />

ein wenig Wissenschaft seinen Genuß<br />

noch erhöhen kann.<br />

Cigarren-Brevier oder<br />

Was raucht der Connaiseur<br />

Zino Davidoff/Gilles Lambert<br />

1967, Editions Robert Laffont, Paris<br />

© der deutsprachigen Hardcover-<br />

Ausgabe by Pabel-Moewig Verlag<br />

KG, Rastatt

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