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Auftrag_279_150dpi_HB.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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ISSN 1866-0843HEFT <strong>279</strong> – SEPTEMBER 201050. JAHRGANG• 2. ÖkumenischerKirchentag• Ethische Bildungfür <strong>Soldaten</strong>• BundeskanzlerSchröder und dieBundeswehr• Gedenken anFranz KardinalHengsbach• Woche derBegegnung


AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010 • 50. JAHRGANGeditorial:Liebe Leserschaft,eine außerordentliche Bundeskonferenz hatim Juni in Fulda die neue Ordnung verabschiedet.Jetzt geht es daran, die Inhalte auszufüllenund sich während der Woche der Begegnung inBensberg der spirituellen Arbeit zu widmen. Vonder außerordentlichen Bundeskonferenz in Fuldaberichtet der Vorsitzende der Antragskommissionund legt in seinem Artikel dar, welche Formunsere GKS jetzt hat. Christoph Auer erläutertaus der Historie heraus, wie es zu FGKS e.V. undGKS e.V. kam.Einen vorgesehenen Artikel über den Islamin Deutschland konnte ich leider in dieserAusgabe nicht veröffentlichen, da durch einengrößeren Datenverlust die Quelldateien verlorengingen. Somit ist dieser Artikel für die Ausgabe280 vorgesehen. Unser neues RedaktionsmitgliedOberstlt a.D. Rainer Zink schreibt als ersten Berichtvon ihm im AUFTRAG seine Erlebnisse währendder <strong>Soldaten</strong>wallfahrt Lourdes.In dieser Ausgabe wendet sich Helmut Jermerder Wehrpflicht und dem LebenskundlichenUnterricht zu. Helmut Jermer ist langjährigesMitglied im Sachausschuss „Innere Führung“und leitete diesen auch vertretungsweise. Da dieBundeswehr sich einer größeren Strukturreformgegenübersieht, ist das Thema „Wehrpflicht“ wiederim Blickfeld der politischen Parteien. Die Seminaredes Lebenskundlichen Unterrichtes laufenan und haben zumindest was den Standort Bonnangeht eine hohe Akzeptanz gefunden. Es wäreinteressant, die Meinung – nicht nur zum Artikelvon Helmut Jermer – sondern auch zu der Durchführungder Seminare außerhalb zu erfahren.Eine ganz andere Geschichte spielt sich imInnersten von Afrika ab. 2006 wurden <strong>Soldaten</strong>der Bundeswehr eingesetzt, um die Wahlenin der Demokratischen Republik Kongo abzusichern.Dieser <strong>Auftrag</strong> wurde „abgearbeitet“ undseitdem ist der Kongo im wahrsten Sinne „ausdem Augen – aus dem Sinn“. Klaus Liebetanz,der im <strong>Auftrag</strong> des Auswärtigen Amtes Hilfsprojekteüberprüft, schreibt in seinem Artikel überdie gravierenden Menschenrechtsverletzungen,die dort systematisch betrieben werden. Da er dieGelegenheit hatte, bei einer Konferenz in Berlinden Leiter der europäischen Mission zu befragen,fertigte er im <strong>Auftrag</strong> der Redaktion ein Interviewan. Dort zeigt sich, dass die Lage in Afrikanur mit großem Optimismus angegangen werdenkann, aber auch, dass die Politik auf ihre Versprechenaufmerksam gemacht werden muss, damitAfrika die Wertschätzung erhält, die es verdient.Mit herzlichen Grüßen aus Bonn3


SEITE DES BUNDESVORSITZENDENOrdnung muss sein! – Muss Ordnung sein?Die <strong>Gemeinschaft</strong> katholischer <strong>Soldaten</strong> hat eineneue Ordnung! Nach längerem Anlauf konntedie neue Ordnung am 12. Juni 2010 im FuldaerBonifatiushaus beschlossen werden. Dieser außerordentlichenBundeskonferenz ging eine intensiveVorbereitung voraus, die sich letztlich als Schlüsselzum Erfolg herausgestellt hat. Nur durch diese Vorbereitung,bei der alle,die Interesse an der GKShaben, eingebunden werdenkonnten, ist es jetztgelungen eine Ordnungfür die aktuellen Aufgabenzu beschließen. Sicher,es mussten Kompromissebei einigenPunkten gemacht werden.Die Zusammensetzungder Gremien hatsich entwickelt, sie sindangewachsen, um allenEbenen Vertretungsmöglichkeiteneinzuräumen.Es gibt eine strukturierteMitgliedschaft, dieVoraussetzung für dasaktive Mitgestalten ist.Einen Mitgliedsbeitraghingegen gibt es weiterhinnicht, auch wenn dieEntscheidung denkbarknapp ausgefallen ist.Wir haben auf demWeg zu dieser Ordnungdokumentiert, dass eineganzheitliche GKS aus vielen Elementen besteht.Dabei sind nicht nur die Gremien unterschiedlich,bedingt durch die regionalen Unterschiede prägtsich die <strong>Gemeinschaft</strong> auch in verschiedenen Formenaus, allerdings in gemeinsamer Identität. DieseTatsache stimmt mich zuversichtlich für die Zukunftder <strong>Gemeinschaft</strong>.Diese Zukunft der GKS hat bereits begonnen undes ist jetzt an uns allen, den gesetzten Rahmen mitLeben zu füllen. Ich sehe zahlreiche konstruktiveAnsätze in einer Zeit, in der der Katholischen Kircheder Wind entgegenweht. Die allgemeinen Rahmenbedingungenfür die Kirche allgemein und die Militärseelsorgeinsbesondere werden nicht einfacher, fürdiese Erkenntnis braucht man keine prophetischenFähigkeiten. Die Streitkräfte entwickeln sich rasantweiter und die existenziellen Herausforderungen fürdie <strong>Soldaten</strong> im Einsatz und ihre Familien werdenbleiben. Damit bleibt auch die Aufgabe der GKS zurBegleitung in diesen Herausforderungen bestehen.Auf diese und andere Aufgaben können wir uns jetztvoll einlassen, hier finden sich mehr als genügend Betätigungsfelder.Und umden Titel aufzugreifen:Eine Ordnung, die dieseAufgaben unter den aktuellenRahmenbedingungenermöglicht, diemusste sein!Mir war von Anfangan wichtig, die Debattenum eine erneuerteOrdnung im Geiste einerchristlich geprägten<strong>Gemeinschaft</strong> zu führen,alles andere wäreSelbstverleugnung gewesen.Dies ist in Fuldagelungen, die Stimmungunter der Delegiertenkann durchgehendals brüderlich bezeichnetwerden – leidernicht geschwisterlich,weil nur „Brüder“und keine „Schwestern“als Delegierte anwesendwaren.So hat die GKS nachdem „LeitershofenerProgramm“ jetzt eine „Fuldaer Ordnung“. Bei der„Bensberger Bundeskonferenz“ wird die Ordnungerstmals im großen Rahmen der Bundeskonferenzbelastet. Ich bin sicher, dass sie diese Bewährungsprobebestehen wird. Diese Bundeskonferenz wird imRahmen der 50. „Woche der Begegnung“ stattfinden,ein runder Geburtstag so zu sagen und damit auch einGrund zum Feiern. Dies wollen wir gemeinsam mitdem Katholikenrat in einem angemessenen Festaktauch tun. Und nach dem Feiern wird gearbeitet, aufBasis des „Leitershofener Programms“, im Rahmender „Fuldaer Ordnung“.Rüdiger AttermeyerBundesvorsitzender4 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 20100


Entwicklungen bei der Weiterverbreitungvon nuklearer (Waffen-)Technologien(14.gekürzte Fortschreibung – April 2010 bis Juni 2010)VON WERNER BÖSSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKDie Redaktion wird letztmalig über das Monitoring der Proliferationsproblematik des Sachausschusses„Sicherheit und Frieden“ berichten. Wie gewohnt, verzichten wir auf die detaillierte Wiedergabe derchronologischen Ereignisse und werden uns auf die Bewertungen des Autors stützen. An der chronologischenEntwicklung interessierte Leser könne diese bei der Redaktion AUFTRAG per e-mail abrufen (redaktionauftrag@kath-soldaten.de).AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010IranNach monatelangem Tauziehenhatte der Iran im Streit über seinAtomprogramm Mitte Mai scheinbareingelenkt; aber nicht etwa gegenüberden Vetomächten des Sicherheitsrates.Sondern die „neuen Mittelmächte“Brasilien und die Türkei, die ihrgewachsenes diplomatisches Gewichtin die Wagschale warfen, erreichtenmit der Regierung in Teheran einenKompromiss zum Austausch von Uranfür einen Forschungsreaktor. Demnachsollte der Iran schwach angereichertesUran in die Türkei bringenund im Gegenzug binnen JahresfristBrennstäbe für den Atom-Forschungsreaktorerhalten. Zuvor hatte der Iranin den Verhandlungen darauf bestanden,dass ein Austausch nur auf iranischemBoden stattfinden könne. DasAbkommen sieht die Urananreicherungfür den Forschungsreaktor desIran im Ausland vor, z.B. in Russlandund Frankreich. Es ist eine Varianteeines im Oktober 2009 ausgehandeltenVorschlages der InternationalenAtomenergiebehörde. Es hatte ein erstervertrauensbildender Schritt seinsollen, war aber damals nach einigemHin und Her von Iran abgelehntworden, Hardliner hatten das ausgehandelteAbkommen verhindert. Inzwischenhat Teheran nicht nur selbstdamit begonnen, Uran höher anzureichern,sondern verfügt auch ohne die1200 Kilogramm, die in die Türkeiverbracht werden sollen, über genugniedrig angereichertes Uran zum Baueiner Bombe. Genau das aber hatte dieinternationale <strong>Gemeinschaft</strong> verhindernwollen. Auch betrifft die Übereinkunftnicht den eigentlichen Steindes Anstoßes im Atomstreit, die Anreicherungvon Uran, deren Aussetzungder UN-Sicherheitsrat in einerResolution verlangt. Die Vereinbarungstieß entsprechend international aufSkepsis, da der Iran sein laufendesUrananreicherungs-Programm nichteinstellen will. Es wird vermutet, dassder Iran auf diesem Wege in letzter Minutedie drohende vierte Runde desUN-Sicherheitsrates mit verschärftenUN-Sanktionen unterlaufen wollte.Zudem ist die Hauptsorge der internationalen<strong>Gemeinschaft</strong> nicht das Uranfür den Forschungsreaktor, sonderndas Atomprogramm selbst. Seit vielenMonaten hat der Iran dabei versagt,die Bedenken gegen seine Absichtendes vermuteten Atomwaffenbausauszuräumen. Trotzdem, die iranischeRegierung sieht in der Vereinbarungeinen Erfolg in ihrem Bemühen, eineinternationale Isolierung zu vermeiden.Für Ahmadinedschad symbolisiertsie in seiner Weltordnung den„Triumph des globalen Südens“ überdie Hegemonie der „tyrannischenMächte der Vergangenheit“ des Nordens.Das Abkommen mit dem brasilianischenPräsidenten Lula und demtürkischen Regierungschef Erdoganist nach Präsident Ahmadinedschadein Indiz, dass Staaten mittlerer Größein der Lage seien, internationalenStreit aus eigenen Kräften mit diplomatischenMitteln zu lösen, statt sichwie seit Jahr und Tag ans Gängelbandder atomaren Großmächte nehmen zulassen. Und kündigte prompt den Baueiner weiteren Urananreicherungsanlagefür März 2011 an.Ist da trotzdem ein Hoffnungsschimmeraus Teheran zu sehen? Diejahrelangen bitteren Erfahrungen imUmgang mit dem fanatischen Mullah-Regime haben jeden Optimismus derinternationalen Staatengemeinschaftgedämpft. Der Iran steht und stand fürdas Gegenteil internationaler Verlässlichkeit.Zu oft hat er die Staatengemeinschaftdüpiert: durch hasserfülltenund gewaltbereiten Antisemitismusund ernst zu nehmenden Atom-Drohungen gegenüber Israel. Durcheinen Umgang mit der Opposition, derjede Form von legitimem Widerstandwegprügelt und deren Repräsentantendas Regime nach Schauprozessenim Gefängnis auf Nimmerwiedersehenverschwinden lässt. Eine solcheTyrannen-Clique besinnt sich nichtquasi über Nacht grundlegend neuund verabschiedet sich von allen bisherunumstößlichen Optionen. Dassdie Internationale <strong>Gemeinschaft</strong> vordiesem Hintergrund zurückhaltendreagiert ist mehr als gerechtfertigt.Schon zu oft hat Teheran taktiert undKatz und Maus gespielt.Die USA legten dem Weltsicherheitsratdann auch unbeeindrucktnach der türkisch-brasilianisch-iranischenVereinbarung Mitte Mai einenResolutionsentwurf für härtereSanktionen gegen Iran vor. Zuvor hatteWashington nach monatelangem Ringendie Zustimmung Chinas, Russlandsund der anderen Veto-Mächtesowie Deutschlands erhalten. Dabeihatte Peking die von den USA angestrebtenStrafmaßnahmen gegen dieiranische Zentralbank und im Energiesektorverhindert. So blieb ein Entwurfübrig, dessen Hauptzweck darinliegt, Einigkeit gegenüber Teheran zudemonstrieren. Er sah vor: StrengereImportverbote für konventionelleWaffen, schärfere Frachtgutkontrollenund das Einfrieren von Gutha-5


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKben der Revolutionsgarden. Um dieGeschlossenheit zu erhalten, hattendie westlichen Staaten von weiterenForderungen Abstand genommen. Immerhin:Unter dem Druck der absehbarenUN-Sanktionen schien durchdie brasilianisch-türkische Initiativeeine letzte Dialogmöglichkeit erhaltenzu bleiben. Zwei Punkte mussten geklärtwerden: Dass Teheran nicht Teileseines Atomprogramms der internationalenKontrolle entzieht. Und esmusste klar sein, dass die umfassendenÜberwachungs-Kompetenzen derInternationalen Atomenergiebehördenicht ausgebremst werden können.Und daran blieben nagende Zweifel.Die USA wollten die Daumenschraubenkräftig anziehen: Washingtonplante, durch neue Finanz- undRüstungssanktionen des UN-Sicherheitsratesdem Regime in Teheranempfindliche Schmerzen zuzufügen.Der Iran gab sich offiziell unbeeindruckt:Die USA und ihre Partnerwürden mit einer neuen Resolutionnichts erreichen. Im Gegenteil, sollteder UN-Sicherheitsrat eine vierteResolution mit Sanktionen verabschieden,wollte Iran das Abkommenmit Brasilien und der Türkei für nullund nichtig erklären. Das war freilichdas wahrscheinlichste Szenario, dennweder die westlichen Mitglieder desRates noch Russland und China würdensich von Brasilien und der Türkei,derzeit zwei von zehn nichtständigenMitglieder im Rat, die Agendades Sicherheitsrates diktieren lassen.Hinter den USA standen die vierständigen Mitglieder des Sicherheitsrates:Russland, China, Frankreichund Großbritannien. Auch Deutschland,das dem Sicherheitsrat nicht angehört,unterstützte die neuen Strafen.Besonders das Ja aus Peking und Moskaubrachte Dynamik in die US-Pläne;lange sträubten sich beide Vetomächtegegen neue Iran-Sanktionen. Das Zielder internationalen Bemühungen: DerIran soll die umstrittenen Elementeseines Atomprogramms wie die Anreicherungvon Uran endlich aufgeben.Insbesondere die westlichen Staatenwerfen Iran vor, den Besitz von Atomwaffenanzustreben.Bis Mitte Juni sollte der Entwurfmit neuen Sanktionen gegen Teheranverabschiedet werden. Zur Annahmesind neun der 15 Stimmen im Rat notwendig;ein Veto war ausgeschlossen,da sich die ständigen Ratsmitgliederin monatelangen Verhandlungenauf den am Tag nach der TeheranerVereinbarung von Washington eingebrachtenEntwurf geeinigt hatten.Neben Brasilien und Türkei warender Libanon und Gabun gegen weitereSanktionen. Nigeria und Ugandadürften am Ende mit den „ständigenFünf“ stimmen, so wurde es erwartet.Die Zustimmung Bosnien-Herzegowinas,Japans, Österreichs und auchMexikos – allein schon aus Rivalitätzu Brasilien – galt als gesichert. Dochselbst nur vier Gegenstimmen oderEnthaltungen würden die Resolutionschwächen; die vorherigen drei Sanktionsresolutionengegen Iran, die letztevom März 2008, wurden einstimmigverabschiedet.Dabei hatten die drei westlichenVetomächte und Deutschland, das alsinformeller Partner an den internationalenIran-Beratungen beteiligt ist,gegenüber China und Russland schonim Laufe der seit Januar währendenzähen Verhandlungen umfangreicheZugeständnisse gemacht. Auf DrängenPekings waren weder Erdölexporterlösenoch Benzinimporte Irans vonden angedrohten Strafmaßnahmen betroffen.Moskau hatte sich zusichernlassen, dass seine Waffengeschäftemit Teheran nicht beeinträchtigt werden.Das hieß unter anderem, dassdie seit langem von Moskau geplanteund von Washington bisher abgelehnteLieferung von S-300-Raketenerfolgen konnte. Das Flugabwehrsystemkönnte auch gegen amerikanischeund israelische Jagdbomber eingesetztwerden, was zumal das Unbehagender israelischen Regierung überdie mögliche Aufrüstung Irans weiterverstärkte. Offenbar als weitres Zugeständnisan Moskau hatte Washingtonbilaterale Sanktionen gegen vierrussische Unternehmen aufgehoben,die wegen illegaler Waffengeschäftemit Iran und Syrien seit 1999 bestandenhatten.Der am 09. Juni 2010 schließlichvom UN-Sicherheitsrat mit Mehrheitverabschiedeten neuen Sanktions-Resolutiongegen den Iran stimmten 12der 15 Mitgliedsländer zu. Brasilienund die Türkei lehnten sie ab, derLibanon enthielt sich der Stimme.Die ständigen Ratsmitglieder USA,Frankreich und Russland hatten zuvordie als Kompromissvorschlag gedachteVereinbarung Teherans, Ankarasund Brasilias zum Umtauschiranischen Spaltmaterials in Brennelementeabgelehnt. Verärgert zeigtensich die Regierungen darüber, dassin dieser Vereinbarung dem Iran einRecht auf Urananreicherung zugebilligtwurde, obwohl der UN-Sicherheitsratderen Suspendierung seit vierJahren fordert und der Iran sogar angekündigthat, weiterhin Uran sogarhöher anzureichern.Die Sanktionen richten sich vorallem gegen die iranischen Revolutionsgarden,eine der Säulen des Systems,und gegen Rüstungs- und Atomindustriedes islamischen Landes. Siebeinhalten unter anderem ein Reiseverbotfür Mitglieder die paramilitärischeGarde und deren Angestellte.Hinzu kommen Kontensperrungenund Handelsbeschränkungen. Künftigdürfen Panzer, Kampfhubschrauber,Kriegsschiffe und Raketensystemenicht mehr an den Iran verkauft werden.Die neuen Sanktionen werdenebenso wie die bisherigen, seit 2006gegen das Land verhängten Strafen,völkerrechtlich verbindlich sein. Dasbedeutet, dass Schiffe mit Frachtgutfür den Iran gestoppt und auf geschmuggelteWaffen und Waffentechnologiendurchsucht werden dürfenDie Entscheidung ist ein Befreiungsschlagfür die USA und die EU-Staaten. Mehrmals war eine Abstimmungim Sicherheitsrat verschobenworden, weil vor allem China undlange auch Russland die Zustimmungverweigerten. In den drei Anhängen,über deren Inhalt die ständigen Ratsmitgliederbis zuletzt verhandelt hatten,werden die Namen und Adressenvon 40 Firmen und Forschungseinrichtungengenannt, deren Auslandskonteneingefroren und deren Investitionstätigkeitim Ausland unterbundenwerden. 15 der genannten Unternehmengehören den iranischen Revolutionsgarden,die nach Überzeugungwestlicher Dienste das iranische Nuklearprogrammzu guten Teilen kontrollierenund vorantreiben. Zudemwerden in der neuen Resolution dieReisebeschränkungen von 40 schonin früheren Resolutionen genanntenMitarbeitern iranischer Atomeinrichtungenverschärft. Zusätzlich wurde6 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKAUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010der Leiter des Nukleartechnik-Zentrumsin Isfahan auf die Liste gesetzt.Nur die iranische First East ExportBank wird namentlich von den Sanktionenerfasst, weil China und Russlandaus Sorge vor weiteren wirtschaftlichenSchwierigkeiten für die iranischeZivilbevölkerung die Bestrafungsonstiger Banken abgelehnt hatten.So wurde hinsichtlich der TeheranerZentralbank nur die Formulierungaufgenommen, bei Transaktionen mitihr „Vorsicht walten zu lassen“. Insgesamtist die Liste der Personen,Unternehmen und Gruppen, die vonReisebeschränkungen, Handelsverbotenund Finanzsanktionen betroffensind, in der neuen Resolution etwadoppelt so lang wie in der vorherigen.Vor allem China, das sich einer neuenSanktionsrunde lange grundsätzlichverweigert hatte, verhinderte dieAufnahme etlicher Firmen. Pekingargumentierte, die iranische Bevölkerungdürfe durch die Strafmaßnahmennicht leiden.Die westlichen Ratsmächte legtenWert darauf, dass das Waffenembargogegen Iran verschärft und etwa aufPanzer, gepanzerte Fahrzeuge, großkalibrigeArtillerie, Kampfflugzeugeund Kampfhubschrauber, Kriegsschiffeund Raketenabwehrsystemeausgedehnt wurde. Ein umfassendesEmbargo, etwa auch für leichte Waffenund Munition, gibt es aber nicht. BestimmteFinanzaktionen der Revolutionsgardensowie iranischer Bankenim Ausland und iranische Investitionenin den Uranabbau in aller Weltsollen unterbunden werden. Es sindauch keine allumfassenden Finanzsanktionenund Investitionsblockadenvorgesehen. Schiffstransporte sollenkontrolliert werden, wenn der Verdachtauf illegale Aus- und Einfuhrvon Nuklear- und Raketentechnikbesteht. Aber solche Kontrollen sindfür die UN-Mitgliedstaaten nicht verpflichtendund sollen nur mit Zustimmungdes Staates erfolgen, unter dessenFlagge der Frachter fährt.Aber trotz der Einschränkungenund der Zugeständnisse an Moskauund Peking bedeuten die neuen Strafmaßnahmengegen Teheran eine „substantielleSchraubendrehung“. Obwohltrotz gegenteiliger Darstellungwestlicher Regierungen nun keineRede davon sein kann, dass die Resolutionden Revolutionsgarden wirtschaftlich„die Luft abschnüre“. Obdie neuen Sanktionen „Zähne haben“und auf das Regime den erwünschten„lähmenden Effekt“ ausüben werden,ist unsicher. Allerdings, die Erfahrungenmit den bisherigen drei Sanktionsrunden,die ebenfalls jeweils alssubstantiell angepriesen worden waren,sind nicht gut. Es gibt kontroverseStimmen, die die weitere Verschärfungder Sanktionen für wenigaussichtsreich halten. Sie plädierenstattdessen dafür, das Interesse Iransan regionaler Stabilität aufzugreifen.Zudem sollte die US-Regierung diediplomatischen Beziehungen mit Teheranwieder aufnehmen und glaubwürdigversichern, dass die VereinigtenStaaten keine militärischen Aktionengegen iranische Nuklearanlagenplanen und keinen gewaltsamenWechsel des Regimes in Teheran beabsichtigen.Die UNO verbindet die schärferenSanktionen mit einem Gesprächsangebot.Im Anhang IV der Resolutionwird das umfassende GesprächsundKooperationsangebot der fünfVetomächte und Deutschlands an Teheranvom 14. Juni 2008 wiederholt.Unter der Voraussetzung, dass Iranden Auflagen der IAEA in Wien unddes UN-Sicherheitsrates folgt, wirddem Land politische, wirtschaftlicheund technische Unterstützung seitensder internationalen <strong>Gemeinschaft</strong> zugesagt.Die UNO-Atomaufsicht IAEA sollnach 90 Tagen prüfen, ob der IranUrananreicherung und atomare Wiederaufbereitungbeendet hat. Bisherzeigte Präsident Ahmadinedschad dieentgegengesetzten Tendenzen undwarnte früh, dass Teheran im Falleneuer Sanktionen die Gespräche übersein Atomprogramm abbrechen undsein Atomprogramm unvermindertfortführen werde. „Egal wie viele Resolutionennoch kommen, wir werdenunsere Urananreicherung fortsetzen.“Angesichts des begrenzten Spielraumsim Sicherheitsrat haben dieUSA und die EU den Druck auf denIran durch eigene, weitergehendeWirtschaftssanktionen verschärft. Dabeiwird auch Deutschland eine wichtigeRolle zufallen, das zu Irans wichtigstenHandelspartnern im Westenzählt. Allein im ersten Quartal 2010exportierten deutsche UnternehmenWaren für 920 Millionen Euro in denIran. Irans Exporte nach Deutschlandverdoppelten sich derweil auf knapp160 Millionen Euro.Vor dem Jahrestag der umstrittenenWiederwahl des iranischen Präsidentenam 12. Juni stand die Oppositionunter wachsendem Druck. ImParlament hatte die Mehrheit von 175Abgeordneten gefordert, die führendenRegimegegner Mir Hussein Mussawiund Mehdi Karrubi vor Gerichtzu stellen. Der Chef der Justiz SadeghLaridschani allerdings bewerteteden Brief der Abgeordneten als Einmischungin die Tätigkeit der Justiz.Ein Sprecher der Revolutionsgardennannte es schließlich sogar geschickt,die Angeschuldigten derzeit nicht zuverhaften, denn auf diese Weise gingensie dem politischen Tod entgegen,während sie im Gefängnis zu Märtyrernwürden. Die Stimmungsmachegegen die Opposition verstärktesich im Mai, nachdem Mussawi gegendie Hinrichtung von fünf angeblichenTerroristen protestiert hatte.Regimenahe Kreise drohten damit,dass noch weitere bisher nicht bestätigteTodesurteile vollstreckt würden.Zu Beginn des Monats Juni, eine Wochevor dem ersten Jahrestag der umstrittenenPräsidentenwahl, richtetenIrans Revolutionsführer Ali Chameneiund Präsident Mahmud Ahmadinedschadscharfe Warnungen an dieOpposition. Bei einer Gedenkfeierzum 21. Todestag von StaatsgründerAyatollah Chomeini warf Chameneider grünen Bewegung vor, die Idealeder Islamischen Politik mit Füßen zutreten und drohte erstmals selbst denOppositionsführern mit der Todesstrafe.Zu der Jubelfeier hat die iranischeFührung zwei Millionen Menschenaus dem ganzen Land zusammengeholt.Hunderttausende der mobilisiertenBasidsch-Milizen wurden bis zumJahrestag der Präsidentenwahl in Teheranbelassen, um jeden Versuch dergrünen Bewegung zu unterdrücken,am 12 Juni erneut gegen Ahmadinedschadzu demonstrieren.Terror und Einschüchterung werdenmeist nur dann sichtbar, wenn siesich gegen bekannte Regimegegnerrichten, seien es ehemalige Mitgliederder Staatsführung und Regierung oderStudentenführer und bedeutende Kul-7


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKturschaffende usw. Doch sie dauertenauch ungesehen an. Unfaire Prozesseund harte Strafen sollten die Oppositionvor dem Jahrestag in Furcht versetzenund mundtot machen. SowohlMussawi als auch Karrubi hatten fürden 12. Juni zu gewaltlosen Protestenaufgerufen. Mussawi betonte dabei,er wolle nicht den Sturz des islamischenSystems, sondern dessen Reformierung.Die letzten großen Demonstrationender Opposition wurden am Revolutionstag,dem 11. Februar 2010,durch höchste Präsenz der Regime-Kräfte erstickt, die Demonstrationsorteabgeriegelt . Zum Jahrestag derumstrittenen Präsidentenwahl ergänztedas Regime dieses Vorgehen nochum eine neue Variante: Im Vorfeldwurden 91 sogenannte „Verdächtige“festgenommen und so die Oppositiongroßer Teile ihrer Führungskräfte beraubt.Schließlich wurden die geplantenGroßkundgebungen aus Furchtvor Repressalien von den Oppositionsführernabgesagt. Dadurch kames lediglich zu vereinzelten Zusammenstößenmit den übermächtigenSicherheitskräften. Der Präsident undseine ultrakonservativen Gefolgsleutehaben das Land fester im Griff dennje. Doch trotz aller Repressalien: DieOpposition hat Rückhalt in der Bevölkerungund lebt.NordkoreaBei dem Besuch in China AnfangMai 2010, der ersten Auslandsreisenach seinem Schlaganfall, zeigtsich ein schwacher nordkoreanischerStaatschefs nach langer Zeit wieder inder Öffentlichkeit. Der Besuch beimchinesischen Präsidenten Hu Jin-taohat erstmals öffentlich gezeigt, wiesehr der nordkoreanische Machthaberdurch seinen Schlaganfall im Jahr2008 gezeichnet ist. Die beiden Endsechzigerschüttelten sich vor einemroten Vorhang in der Großen Halle desVolkes in Peking die Hand und wirktendabei als trenne sie vom Alter hereine halbe Generation. Kim trug wieimmer seinen charakteristischen beigefarbenenBlouson, doch sein Haarist schütter geworden, ein Arm hängtschlaff herab und er hinkt – typischeSymptome bei Schlaganfallpatienten.Vor allem aufgrund des Gesundheitszustandesvon Kim hat man denBesuch als „inoffiziell“ bezeichnet.Damit ersparte man dem 68-jährigenanstrengende Begrüßungsparaden aufroten Teppichen. Kim besuchte Industrieparksin vier Städten Nordchinasund traf eine Handvoll chinesischerSpitzenpolitiker – neben Hu auchMinisterpräsident Wen Jia-bao. Kimfliegt nie und hält seine Reisen stetsgeheim. In der nordchinesischen HafenstadtDalian etwa musste das HotelFurama den gesamten Gebäudeflügel,in dem der Diktator mit seiner Delegationabstieg, mit weißen Planen zuhängen.Auch China hielt sich bis zuletztan den Maulkorb. Erst als nachBeendigung des Besuches Kims gepanzerterSonderzug wieder über dieGrenze in sein verarmtes Land rollte,berichteten Chinas Staatsmedien,dass der Nordkoreaner im Land war.Da hatte sich der Besuch aber ohnehinlängst herumgesprochen: Fotografenhatten Kim vor dem Hotelin Dalian abgelichtet. Die amtlicheNachrichtenagentur Xinhua brachtezudem eine Nachricht über diederzeit ausgesetzten Gespräche überdas nordkoreanische Atomprogramm:„Kim sagte, dass die DemokratischeVolksrepublik Korea gemeinsam mitChina daran arbeiten wird, vorteilhafteBedingungen zu schaffen, umdie Sechsergespräche wieder aufzunehmen.“Darauf hatten vor allemdie USA gewartet. Allerdings einenTermin nannte Xinhua nicht.So bleibt es vorerst unklar, wieernst es Kim ist. Vor sechs Monatenhat er bereits ein ähnliches Bekenntniszu den Sechsergesprächen abgegeben.Chinas Sondergesandter fürdie nordkoreanische Halbinsel hatteim März die Hoffnung geäußert,die Sechsergespräche noch im erstenHalbjahr aufnehmen zu können. Obes jetzt einen Deal gab, in dem ChinaKim weitere Hilfen für eine Rückkehran den Verhandlungstisch versprach,bleibt unklar.Beide Länder teilten ansonstennur die üblichen Solidaritätsbekundungenmit. Chinas StaatssenderCCTV zeigte neben dem offiziellenTreffen mit Hu auch Bilder von einemAbstecher Kims in den NordostenPekings, wo er mit dem Präsidenteneiner Biotechfirma zu sehen war. Dienordkoreanischen NachrichtenagenturKCNA und das Staatsfernsehenberichteten ebenfalls über Kims Reise– zeigten aber keine Fotos. Die wenigenFotos, die Nordkoreas Propagandaverantwortlichenseit dem Schlaganfallherausgaben, porträtierten denDiktator mit Sonnenbrille und nie ausnächster Nähe. Der Mangel an Informationhatte 2008 zunächst zu Spekulationengeführt, Kim sei bereits tot.Dass der ohnehin reiseunlustigeKim nun trotz seiner Krankheit nachChina gekommen ist, zeigt wie verzweifelter auf Pekings Hilfe angewiesenist. Ein weiteres Ziel der Reisekann gewesen sein, zu demonstrieren,dass er alles im Griff hat. Kim soll sichin Peking zudem Unterstützung für dieMachtübergabe an seinen 28-jährigenSohn Kim Jong Un geholt haben.Doch es gab keinen Nachweis, dassder junge Kim zur Delegation seinesVaters gehörte.China stützt Kim aus strategischemEigeninteresse, aber zeigtsich seit Jahren zunehmend ungehaltenüber Kims unkalkulierbaresVerhalten. Wirtschaftsreformen nachdem Muster Chinas lehnt Nordkoreastrikt ab. Erst zum Jahreswechsel2009/2010 scheiterte Kim mit einerWährungsreform, durch die viele Bürgerihre Ersparnisse verloren und diePreise für Lebensmittel unerschwinglichwurden. Die sogenannte Reformwurde zurückgenommen und der dafürzuständige Funktionär hingerichtet.Nordkorea ist das einzige Land,das aus dem Atomwaffensperrvertragausgetreten ist und Nuklearbombenentwickelt hat. Seit 2003 versuchtdie internationale <strong>Gemeinschaft</strong> inden Sechsergesprächen mit den USA,Russland China, Südkorea, Nordkoreaund Japan das Land bisher vergeblichzur Aufgabe seines Atom-Programmszu bewegen. Je nach Lage in dem immerwieder unter Hungersnöten leidendenLand spielt der Diktator KimJong Il die Atombombe als diplomatischeWaffe aus. Seit eineinhalb Jahrenboykottiert er die Verhandlungenwieder einmal.Die US-Administration von PräsidentObama hat nun wahrlich versucht,sich dem nordkoreanischenRegime auf diplomatischem Wege zunähern. Hohe Washingtoner Emissäre,im vergangenen Jahr kein Geringererals Ex-Präsident Bill Clinton,weilten im „Reich der Finsternis“8 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKund boten den Dialog an. Washingtonwollte damit zweierlei erreichen:Das gefährliche Atomprogramm derstalinistischen Diktatur zumindesttransparenter und kontrollierbarerzu machen und den internationalenParia-Staat wieder in die Staatengemeinschafteinzubinden. Diktator KimJong Il aber wertete die diplomatischeOffensive Obamas als Schwäche undschlug die gereichte Hand aus. Entspannung,so scheint es, kann dasRegime nicht gebrauchen. Die Suggestiondes ständigen Kriegszustandesdient als innenpolitische Machtkrückeder Herrschaftselite um denschwer kranken Staatschef.Nordkorea betrachtet „die derzeitigeLage als Kriegsphase“. EndeMärz, so geht es aus der erdrückendenBeweislast eines internationalenExpertenteams hervor, hat ein nordkoreanischesU-Boot die südkoreanischeKorvette „Cheonan“ nahe derinnerkoreanischen Seegrenze im GelbenMeer mit einem Torpedoangriffversenkt. 46 Seeleute starben. Womöglichwar dies eine Vergeltung fürden südkoreanischen Beschuss einesSchiffes aus dem Norden im November2009. Nordkorea weist jede Verantwortungfür die Havarie des südkoreanischenSchiffes am 26. März zurück.Falls Südkorea nun seinerseitsVergeltung üben wolle, werde Nordkoreadie Beziehungen komplett einfrierenund den Nichtangriffpakt beiderLänder annullieren. Zuvor schonhatte das Regime in Pjöngjang fürden Fall von Vergeltungsaktionen mit„harten Maßnahmen bis zum totalenKrieg“ gedroht.Dieses Kriegsgeschrei imFrühsommer war wohl vor dem Hintergrundeines Machtwechsels in demmaroden Staat zu sehen, und es solloffenbar noch dem Willen Kims einedynastische Erbfolge geben. Er selberwurde am 16. Februar 1941 ineinem sowjetischen Ausbildungslagerim Dorf Wjatskoje bei Cjabarowskgeboren, wo seine Eltern während desZweiten Weltkriegs Zuflucht vor denJapanern suchten. Die offizielle nordkoreanischePropaganda aber verlegteseine Geburt zeitlich in das Jahr 1942und örtlich auf den beiden koreanischenBruderstaaten heiligen Berg Paektu.Der „Geliebte Führer“ hatte dieMacht von seinem Vater, dem „EwigenAUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Präsidenten“ Kim Il Sung, nach dessenTod 1994 übernommen. Nun willer den allenthalben in Nordkorea gepflegtenPersonenkult um die FamilieKim weitervererben an den jüngstenseiner drei Söhne, den 28-jährigenKim Jong Un. Das durchzusetzen,offenbar gegen große regimeinterneWiderstände, scheint sein letztes großesZiel zu sein. Es fällt schwer, sichvorzustellen, dass das Militär die Geschickedes Landes in der Krise einempolitisch unerfahrenen „Kind“anvertrauen könnte.Militärische Muskelspiele geltenals Rahmenwerk, um den keineswegsmonolithischen Machtapparatin Pjöngjang zusammenzuschweißen.Nordkorea ist wieder auf dem Weg,zu einem sicherheitspolitischen Problemzu werden, und sein einzigerMentor China ist mehr als bisher alsehrlicher Makler gefragt. Doch Chinascheint ein kontrollierbarer „Hinterhof“wichtiger zu sein, als eine globalverantwortliche Haltung und die eigeneReputation.Die Kühnheit und RücksichtslosigkeitPjöngjangs hat mit der Versenkungder „Cheonan“ eine neue Qualitäterreicht. Er zeugt von der GewissheitNordkoreas, straffrei ausgehen zukönnen, und erinnert an den „Stabwechsel“vom alten zum jungen Kimvor 16 Jahren, der ebenfalls von vielkriegerischer Rhetorik begleitet wurde.Es ist eine gefährliche Eskalationzu beobachten und die Kriegsgefahrist eindeutig gestiegen. Ein Krieg hättefür das unterentwickelte und waffentechnischunterlegene Nordkoreaverheerende Folgen. Doch um des eigenenMachterhalts willen scheinendie Militärs, die womöglich von Kimgar nicht mehr kontrolliert werden,zum Äußersten entschlossen. Käme eszu einem Krieg auf der koreanischenHalbinsel, wäre dessen Ausgang zuGunsten des technologisch überlegenenSüdkoreas zwar vermutlich eindeutig,obwohl Nordkorea zahlenmäßigdeutlich mehr <strong>Soldaten</strong> und Waffensystemeunterhält. Aber ein hochindustrialisiertesLand wie Südkoreahat zu viel zu verlieren, als dass esein solches Risiko eingehen könnte.Im besonderen Fall kommt erschwerendhinzu, dass die Hauptstadt Seoulin Reichweite nordkoreanischerGeschütze liegt.Südkoreas Präsident Lee MyungBak stand innenpolitisch sehr unterDruck, der Volkszorn kochte hoch.Einem solchen Ereignis wäre in garnicht so ferner Vergangenheit unmittelbareine Kriegserklärung gefolgt.Nicht nur die Radikalen fordertenRevanche. Von ihm wurde eine harteReaktion angesichts der 46 getötetenSeeleute erwartet. Politische Vernunftund militärisches Kalkül verboten esihm jedoch, auf diese Provokationmit einem Waffengang zu reagieren.Zusammen mit seinem Sicherheitsratsprach er sich für eine „umsichtigeAntwort“ aus. Solange sich Südkoreanicht zum Waffengebrauch provozierenlasse, drohe kein Krieg aufder Halbinsel. Als Reaktion auf dieVersenkung beschloss Südkorea indiesem Sinne im Juni Handelssanktionen.Die Einfuhr von Sand und anderenGütern aus Nordkorea wurdegestoppt. Nordkoreanischen Frachtschiffenwurde die Fahrt durch südkoreanischeHoheitsgewässer verboten.Nach sechsjähriger Unterbrechungnahm Südkorea seine Propagandasendungenüber Lautsprecher undRundfunk wieder auf. Für den vonbeiden Seiten betriebenen Gewerbeparkin der nordkoreanischen GrenzstadtKaesong, in dem südkoreanischeFirmen rund 42000 Nordkoreaner beschäftigen,kündigte Nordkorea dieVerträge. Südkorea ist nach China derzweitwichtigste Handelspartner Nordkoreas.Trotzdem, Seoul allein kannden außer Rand und Band geratenenDiktator ökonomisch nicht bändigen.Auch deshalb brachte Südkorea denFall vor den UN-Sicherheitsrat. Dersoll nach UN-Generalsekretär Ban KiMoon, der selber Südkoreaner ist, „derErnsthaftigkeit der Lage angemesseneMaßnahmen ergreifen“. Nur Sanktionendes Weltsicherheitsrates könnenWirkung zeigen und auch nur, wennChina ehrlich und konsequent dahintersteht. Ohne Öl, Rohstoffe, Strom,Nahrungsmittel und moralische Rückendeckungaus dem Reich der Mittewäre das nordkoreanische Schattenreichinnerhalb von Monaten amEnde. Es würde erst ökonomisch unddann politisch implodieren oder – vielschlimmer noch – explodieren und damitin Fernost einen militärischen Flächenbrandauslösen.Niemand kanndiese Konsequenzen wollen.9


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKDie USA sicherten Südkorea volleUnterstützung zu. Sie stuften die Lageauf der Halbinsel als sehr gefährlichein und verschärfen ihre Tonlagedeutlich. Der Angriff auf die Korvette„Cheonan“ sei ein „grundloserund unberechtigter“ Akt gewesen undwerde definitiv Konsequenzen haben.Pjöngjang seinerseits setzte dieKriegsrhetorik fort, die AnschuldigungenSüdkoreas seien eine „nichttolerierbare, schwere Provokation“,gleichbedeutend mit einer Kriegserklärungund brach alle Beziehungenund Gesprächskontakte ab. Nordkoreaversetzte seine Streitkräfte inKampfbereitschaft und sprach vonder Vorbereitung auf einen „heiligenKrieg“. Wichtige Hotlines mitdem Süden, die dazu dienen, ungewolltebewaffnete Zusammenstößezu verhindern wurden vom Nordengekappt. Auch den altstalinistischenFunktionären und Generälen ist klar,dass nach normalen völkerrechtlichenMaßstäben das Versenken einervollbewaffneten Korvette einerKriegserklärung entspricht. Das istkein Versehen und keine Lappalie,nach der man zum Alltagsgeschäftübergehen kann.Das Pentagon stellte engen Kontaktmit Seoul her, um eine Antwortvorzubereiten. Es hielt seine in Südkoreastationierten 28 500 <strong>Soldaten</strong>in Bereitschaft. Die USA und Südkoreaführten im Juni zwei gemeinsameSeemanöver durch. Bei den Übungenging es neben der Demonstration vonStärke zur künftigen Abwehr von Aggressionendarum, U-Boote aufzuspürenund abzuwehren.Das von den USA geführte UN-Kommando (UNC), das die Grenzezwischen den beiden koreanischenStaaten sichert, prüft, ob Nordkoreamit dem Angriff den 1953 getroffenenWaffenstillstand gebrochen hat. DiesesVorgehen hat aus amerikanischerSicht den Vorteil, dass die Regierungvon Präsident Obama nicht direkt mitKim über die Versenkung der „Cheonan“verhandeln muss. Dem UNCgehören neben den USA, Vertreteraus Australien, Kanada, Dänemark,Frankreich, Neuseeland, der Türkei,Großbritannien und Südkorea an. Diebeiden koreanischen Staaten befindensich formal noch im Krieg, weilder Koreakrieg von 1950 bis 1953lediglich mit einem Waffenstillstandzu Ende ging.Für den Süden war der Torpedoschußdes Nordens eine Provokationzuviel. Mit der versöhnlichen „Sonnenscheinpolitik“,die seine VorgängerKim Dae Jong und Rob Moo Hyungegenüber dem Norden betrieben, istes nach den Worten des südkoreanischenPräsidenten Lee Myung Bakendgültig vorbei. Sie hatte mitgeholfen,das stalinistische Regime derKim-Dynastie vor einem unkontrolliertenZusammenbruch zu bewahren.Nicht länger will der Süden hilflosauf die Angriffe aus dem Norden reagieren;sich nicht länger den ewigenErpressungen des „Geliebten Führers“und seines Regimes fügen. Alldie kleinen Zwischenfälle im GelbenMeer entlang der nicht anerkanntenSeegrenze, all die militärischen Drohgebärdenund die Erprobung neuerRaketen sollen künftig Folgen haben.Hilflos sahen die Großmächte zu,wie sich der Konflikt immer weiteraufschaukelte. Keine Seite kann mehrvon ihrer Position abweichen, ohnedas Gesicht zu verlieren: Lee nicht,weil dann seine bisherigen Drohungenlächerlich wirken würden; Kim nicht,wenn er die Autorität seines Regimesnicht dadurch untergraben will, dasser sich, wie von Seoul verlangt, für denTorpedo-Angriff entschuldigt.Die kritische Lage auf der koreanischenHalbinsel zwingt die USAund China, nach Wegen zu suchen, umeinen neuen Waffengang ihrer jeweiligenkoreanischen Bundesgenossenzu verhindern, der auch den geopolitischenInteressenkonflikt zwischenihnen neu entfachen könnte. Pekingwill verhindern, dass die USA in derRegion wieder verstärkt Fuß fassenund Nordkorea wieder auf die Listeder Staaten setzt, die den Terror unterstützen.Überdies fürchtet Peking,dass Japan und Südkorea mittelfristigdem Vorbild Kim Jong Il folgenund sich selbst Atomwaffen zulegenkönnte. Für Peking geht es auch umdie Stabilität des eigenen Reiches:Ein Krieg der beiden Koreas könnteHunderttausende nordkoreanischeFlüchtlinge über die Grenze treiben.Und bräche die Kim-Dynastie zusammen,könnten amerikanische Truppenbis zur eigenen Grenze vordringen –für Peking ein Gruselszenario. ❏KurznachrichtenNiebel weist Kritik am Konzeptder vernetzten Sicherheit zurückBundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat die Kritik ander geplanten stärkeren Verzahnung von militärischem Handelnund Aufbauhilfe in Afghanistan zurückgewiesen. Es gehe um die Koordinierungder Steuermittel, sagte Niebel dem Deutschlandfunk. Diessei das Mindeste, was der Steuerzahler an Transparenz beim Einsatzseiner Mittel erwarten dürfe. Die Hilfsorganisationen könnten weiterunabhängig agieren, sagte Niebel. Lediglich beim Erhalt von Fördermittelnmüssten die Organisationen dort tätig werden, wo die BundeswehrVerantwortung trage, so der Minister. „Es gibt keine Sicherheitohne Aufbau, aber es wird auch keinen Erfolg des zivilen Aufbaus ohneein Minimum an Sicherheit geben“, sagte Niebel. Viele Hilfsorganisationenhatten die Pläne für die sogenannte „vernetzte Sicherheit“ kritisiert.Sie argumentierten, dass sie dann ihre Arbeit den nationalensicherheitspolitischen Interessen unterordnen müssten, statt sich amBedarf der hilfsbedürftigen Menschen zu orientieren.(KNA)10 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 20100


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSicherheit und FriedensethikPolitikergespräche fortgesetztSicherheitspolitiker Ernst-Reinhard Beck informiertüber vernetzte Sicherheit und AfghanistanBeeinträchtigt durch wichtige namentlicheAbstimmungen imBundestag am 17. Juni 2010 1 setztenKMBA und GKS die Anhörungnamhafter Politiker der Bundesebenefort. Zum Gespräch an diesem denkwürdigenTag der jüngeren deutschenGeschichte hatten MilitärgeneralvikarApostolischer Protonotar Walter Wakenhutund der Bundesvorsitzende derGKS Oberstleutnant i.G. Rüdiger Attermeyerdas Mitglied im VerteidigungsausschussErnst-Reinhard Beck 2 (MdBCDU) eingeladen. Es stand nur ein schmalesZeitfenster von 75 Minuten fürVortrag und Diskussion zur Verfügung.Etwa 35 <strong>Soldaten</strong> und Mitarbeiterdes KMBA waren aufmerksame Zuhörer,als MdB Beck die „UMSETZUNG DERGEÄNDERTEN AFGHANISTANSTRATEGIE DERBUNDESREGIERUNG IM KONTEXT EINER VER-NETZTEN SICHERHEITSPOLITIK“ erläuterte.Natürlich war den fachkundigen Publikumgeläufig, dass „vernetzten Sicherheit3 – comprehensive approach“nicht allein eine nationale Aufgabe ist,sondern nur in abgestimmtem globalenRahmen und innerhalb multilateralerVerflechtungen erlangt werden kann.Bezug nehmend auf die Äußerungendes zurückgetretenen Bundespräsidentenwies der Referent einmal mehr daraufhin, dass es bei Auslandseinsätzenauch immer um nationale Interessengehe: Deutschland habe an stabilenVerhältnissen in der Welt und als Exportnationan der Sicherung der Handelswegeein vitales Interesse.1 Abstimmungen im Dt. Bundestag zusicherheitspolitischen Themen am17.06.2010: Reduzierung der Wehrpflicht, Bundeswehr ohne Wehrpfl icht,Verlängerung des Darfur-Einsatzes(UNAMID), Verlängerung des Libanon-Einsatzes (UNFIL), Verlängerung desSudan-Einsatzes (UNMIS).2 Ernst-Reinhard Beck: Jg. 1945, Oberstudiendirektora.D., Wohnort Reutlingen/Baden-Württtemberg,MdB seit2002, verteidigungspolitischen Sprecherder CDU/CSU-Bundestagsfraktion.3 s. Weißbuch 2006, insb. Teil I, Abschnitt1.4 und Kapitel 2AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Beck ging ausführlich auf den umfassendenSicherheitsbegriff in Bezugauf die Afghanistanpolitik der Bundesregierungein. Wenn Sicherheit undAufbau in dieser hoch gefährdetenRegion einander bedingen sollen, somüsse neben der stabilisierenden undschützenden militärischen Komponentedie zivile Entwicklungshilfe wesentlichverstärkt und besser koordiniertwerden. In der deutschen Bevölkerungwerde der Einsatz militärischer Gewaltnur für die Landesverteidigung, nichtjedoch für das Erreichen politischerZiele im Ausland akzeptiert. DieseDiskrepanz sei für die Gesellschaftin unserem Land eine Herausforderung,die zur Auseinandersetzung mitsicherheitspolitischen Fragestellungenzwinge. Vor allem die Politik seiin der Pflicht, in dieser Debatte eineVorreiterrolle einzunehmen, mahnteder Politiker.Asymmetrische Bedrohungen, wiesie in Afghanistan Realität sind, zwingenzu flexiblem, mutigem Handelnund schneller Anpassungen an militärischeVeränderungen. Die Aufständischenagierten oft versteckt im zivilenUmfeld und nähmen dabei auch Opferin der eigenen Bevölkerung bewusst inKauf. Dadurch sei höchste Umsicht imUmgang mit Waffeneinsatz geboten.Allerdings sei das deutsche Konzept„möglichst keine Kollateralschäden“in einem effektiven Antiterrorkampfnicht durchzuhalten. Unabhängig vonkonzeptionellen Papieren, gab Beck zubedenken, sei es erforderlich die Verhaltensregelnfür Afghanistan der Realitätimmer wieder anzupassen. Diesgebiete die Verantwortung gegenüberden <strong>Soldaten</strong>. Es müsse auch klar definiertwerden, welches Ziel es für die Afghanistan-Missionzu erreichen gelte,nämlich: „Nur mit einer funktionierendenwirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturkann sich dort eine selbsttragendestabile Sicherheitslage entwickeln.“Der Sicherheitspolitiker versicherte,auch unter den gegenwärtigenSparzwängen würden , was Ausbildungund Ausrüstung anbelangt, an der Sicherheitder <strong>Soldaten</strong> im Auslandseinsatzkeine Abstriche vorgenommen.Jedoch werde eine Reduzierungdes Verteidigungsetats in der SicherheitsvorsorgeMaßnahmen auslösen,die bisher zwar schon diskutiert, abernicht angepackt oder aber aufgeschobenwurden.Ein weiterer Aspekt der Ausführungenwar die Rechtssicherheit der<strong>Soldaten</strong>: Das Grundgesetz kenne nurdie Landesverteidigung; deutschesRecht könne aber nicht eins zu einsim Auslandseinsatz angewandt werden.Die Rechtsfrage vom nationalen(Straf-)Recht bis zum humanitärenVölkerrecht spielte in den Fragen, dieder Politiker kompetent beantworte,eine vorrangige Rolle. Zwar konnte dierechtliche Situation für unsere Truppedurch die Klassifizierung des Konfliktsin Afghanistan als „nicht internationalerbewaffneter Konflikt“ präzisiertwerden – der MdB verwies in diesemZusammenhang auf die Bundesanwaltschaft,die das Verfahren gegenOberst Klein zu Recht eingestellt hat– dennoch existiere, so waren sich alleeinig, immer noch Optimierungsbedarf.Es gebe noch keine Schwerpunktstaatsanwaltschaftfür Bundeswehrangehörige.Dies wolle seine Fraktionzügig ändern, versprach Beck – DieModeration des Politikergesprächeslag in den Händen des Vorsitzendendes GKS-Sachausschusses „Sicherheitund Frieden“, Oberst Dipl.-Ing.Josef Schmidhofer.(PS, Foto: www.cducsu.de )11


GESELLSCHAFT NAH UND FERNEthische Bildung für <strong>Soldaten</strong>Plädoyer für den Lebenskundlichen UnterrichtMit der Einführung der neuen ZDv10/4 „Lebenskundlicher Unterricht– selbstverantwortlich leben –Verantwortung für andere übernehmenkönnen“ wird den verändertenBedingungen, unter denen <strong>Soldaten</strong>von heute ihren Dienst tun, Rechnunggetragen. Die revidierte Vorschriftwurde am 20. Januar 2009 zunächstfür drei Jahre zur Erprobung in Kraftgesetzt. Sie schafft mit aktualisiertenund standardisierten Inhalten eineneue Grundlage für den LebenskundlichenUnterricht (LKU), der nunmehrgrundsätzlich für alle <strong>Soldaten</strong> verbindlichist.Der Sachausschuss Innere Führungder GKS hat sich ausführlichmit der neuen Vorschrift befasst unddamit zusammenhängende Fragendiskutiert. Er empfiehlt dem Bundesvorstand,für „Lebenskunde“ alssoldatische Ethik zu werben und mitzuhelfen,dass der LKU engagiert umgesetztwird.Die GKS begrüßt diesen neuenüberzeugenden Ansatz und empfiehltallen Vorgesetzten in der Bundeswehr,dafür zu sorgen, dass der LKU überdie Dienstpläne durchgesetzt undauch wirklich alle erreicht. Von allen<strong>Soldaten</strong> erwartet sie, dass sie dasfür sie so hilfreiche Angebot zur ethischenBildung annehmen und aufnehmen.Auf die Frage: „Wieviel Ethikbraucht der Soldat?“ hat die GKS eineklare Antwort: „So viel wie möglich!“Neue VorschriftMit der neuen ZDv 10/4 wird „Lebenskunde“aus ihrem Schattendaseinherausgeholt und ins Licht des Truppenalltagsgerückt. Seitdem sich dieBundeswehr zur Einsatzarmee transformiert,betont die militärische Führungden Wert einer spezifischen ethischenBildung für <strong>Soldaten</strong> 1 , und erkennt,wie hilfreich und notwendig esist, „einen Beitrag zur Förderung der1 zugunsten der Lesefreundlichkeit wirddarauf verzichtet, weibliche Personalbegriffezu nennen; sie sind selbstverständlichmitbedacht.VON HELMUT JERMERsittlichen, geistigen und seelischenKräfte zu leisten, die mehr noch alsfachliches Können den Wert des <strong>Soldaten</strong>bestimmen.“ 2Der Soldat ist vielfältig gefordert:als freie Person, mündiger Bürger,überzeugter Demokrat, verlässlicherKamerad, schließlich als motivierterSoldat und – mancher obendrein– als vorbildlicher Vorgesetzter. Umsich diesem Ideal-Profil annähern zukönnen, bietet der LebenskundlicheUnterricht (LKU) Zeit, Raum und Inhaltzur Vermittlung von Themen, dieden <strong>Soldaten</strong> in seiner besonderenLage betreffen. Der Dienstherr löstmit diesem Bildungsauftrag nunmehrim Bewusstsein seiner Verantwortungfür die Truppe im Allgemeinen undfür jeden einzelnen <strong>Soldaten</strong> im Besonderenseine Bringschuld ein, indemer für alle <strong>Soldaten</strong> Lebenskundeverbindlich auf den Dienstplan setzt.Für gewissenhaft dienende <strong>Soldaten</strong>ist es wichtig, hilfreiche Antwortenauf das Warum und Wofür ihresDienstes zu bekommen. Denn der Umgangmit Waffen und das Handeln indie Gefahr hinein (Tapferkeit) verlangenein waches Gewissen und starkenMut. Im LKU werden sowohl Themenaus der persönlichen Lebens- undErfahrungswelt (junger) <strong>Soldaten</strong> alsauch schwerwiegende und tiefgründigeFragen nach dem Sinn ihres Tunserörtert: was steht hinter dem <strong>Auftrag</strong>der <strong>Soldaten</strong> 3 , für welches (höhere?)Ziel riskieren sie äußerstenfalls ihrLeben, mit welchen Methoden undMitteln dürfen sie – vor dem Hintergrundethischer Auflagen – Befehledurchsetzen? Der LKU trägt dazubei, <strong>Soldaten</strong> in die Lage zu versetzen,dass sie die Wirklichkeit sehen(wie sie ist), sie gewissenhaft bewertenund verantwortungsbewusst handelnkönnen.Ethische Bildung führt über Wertebindungund Gewissenbildung zu2 ZDv 66/2 – Vorläufer der ZDv 10/43 Ist der <strong>Auftrag</strong> politisch notwendig,rechtlich zulässig, ethisch gerechtfertigtund militärisch sinnvoll?verantwortungsbewusster Lebensführung.Wertebindung 4Der Staat als Gemeinwesen, demdie <strong>Soldaten</strong> per Eid und Gelöbnisverpflichtet sind, wird von Werten bestimmt,die sowohl der Gesellschaftals auch jedem einzelnen MitgliedWohlfahrt ermöglichen. Die mit demGrundgesetz vorgegebene politischeOrdnung ist zwar weltanschaulichneutral, jedoch nicht wertfrei; sie bildetdas geistige Fundament, um auseiner neutralen Gesellschaft frei undfriedlich eine wertorientierte <strong>Gemeinschaft</strong>zu bilden und weiter zu entwickeln.Die gemeinschaftsbildendenund -fördernden Grundwerte kann derStaat allerdings nicht aus sich selbstheraus erzeugen 5 , wohl aber für sichals bindend (im Sinne eines übergeordnetenBezugs) und verpflichtenderkennen, um daraus Regeln für dasZusammenleben von Bürgern (mit ihrenje unterschiedlichen Interessen)zu verfassen. Die Grundwerte, die inder Verfassung verankert und übereinstimmendals Grundrechte und-pflichten ausformuliert worden sind,bilden die ideelle Mitte der Gesellschaft.Alle staatlichen Organe, welchedie drei Gewalten Legislative,Exekutive und Judikative ausüben,haben sich an diesen Werten nicht4 Wertevermittlung: Der Hirnforscher,Manfred Spitzer (Lernen – Gehirnforschungund die Schule des Lebens,Springer-Verlag Berlin Heidelberg2007, S. 438 f) vertritt die Auffassung,dass sich Werte nicht durch Belehrung,sondern durch Beispiele vermitteln lassen.Das Lernen durch Beispiel erfolgeauf verschiedenen Ebenen, orientieresich am vom Lernenden gesetzten Prioritäten.Ethik im Sinne einer Reflexionauf Prinzipien von Handlungen würdeerst mit einem einigermaßen entwikkeltenAbstraktionsvermögen betriebenwerden können; Wertevermittlung liefebis ins dritte Lebensjahrzehnt ab.5 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: „Derfreiheitliche säkularisierte Staat lebtvon Voraussetzungen, die er selbst nichtgarantieren kann.“ (Festschrift fürCarlo Schmitt 1967)12 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


GESELLSCHAFT NAH UND FERNnur zu orientieren; vielmehr sind siedarüber hinaus verpflichtet, alles zuihrem Schutz und zu ihrer ungestörtenEntfaltung zu tun.Grundwerte sind abstrakte Begriffeder politischen Ethik; sie sindgleichsam die christlich-abendländischkultivierten geistigen Wurzelnder Verfassung und gehen als Grundrechteund -pflichten auf. Ihre Früchtelassen sich am Ergebnis politischenBemühens von Regierung und Parlamentaber auch und vor allem immitmenschlichen Umgang (Konkretisierung)erkennen. Grundwerte verpflichtendie demokratisch verfassteGesellschaft implizit zu einem kontinuierlichenVerbesserungsprozess;denn nichts ist so gut, als dass es nichtnoch verbessert werden könnte.<strong>Soldaten</strong> dienen mit ihrer ganzenPerson dem Staat und sind nach dem<strong>Soldaten</strong>gesetz dazu bestimmt, fürdie freiheitliche und demokratischeGrundordnung einzutreten. 6 Deshalbsollten sie wissen, an welche Wertesie sich gebunden fühlen 7 , welchemhöheren Ziel sie dienen und sich zudembewusst werden, dass sie dafür„Leib und Leben“ riskieren.Freiheit & Verantwortung, Gerechtigkeit& Barmherzigkeit, Solidarität& Subsidiarität sind Werte,„die für das Zusammenleben der Menschenin einer freiheitlichen und demokratischenOrdnung unabdingbarsind; sie müssen jeder Generation neuvermittelt, von ihr verstanden und verinnerlichtwerden, damit sie nachhaltigwirken können. 8 Grundwerte sindErrungenschaften, die im Laufe derKultur- und Geistesgeschichte deschristlichen Abendlandes, oft unterMühe und Opfer gewachsen sind undschließlich „als Recht“ erkannt wurden;sie sind es wert, verteidigt zu werden,dafür zu kämpfen und – äußerstenfalls– sein Leben einzusetzen.“ 9Freiheit & Verantwortung„Freiheit ist die Befugnis desMenschen, alles zu tun, was keinem6 vgl. SG § 8 und GKS-Leitsatz 2:„Für Recht und Freiheit“7 GKS-Leitsatz 3: „sittlich gebunden“8 vgl. KMBA-Broschüre: Innere Führungund Lebenskundlicher Unterricht –Kontinuität und Wandel, 2009, Seite20f, insbesondere 6. Aufzählung9 Sonderheft Militärseelsorge 2007,Seite 22AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010anderen schadet. Sie hat als Grundsatzdie Natur, als Regel die Gerechtigkeitund als Schutz das Gesetz“ 10Das Recht, seine Freiheit auszuüben,ist eine von der Menschenwürde untrennbareForderung 11 , Freiheit bedeutetalso nicht, dass Menschen tunkönnen, was sie wollen; vielmehr findetsie da ihre Grenzen, wo die Willkürbeginnt. Wäre alles erlaubt, würdesich der Stärkere jedes Recht nehmen.Allein das Menschen-Mögliche darfnie Maßstab für das Zusammenlebensein; die Menschen-Würde bliebe aufder Strecke. Hemmungslose Freiheitsetzte sich über alles hinweg, überandere Menschen und deren Rechte,auch über die Menschlichkeit. Ohnesittliche Bindung herrschte Angstund Terror, Anarchie und Chaos, dasFaustrecht würde zur Norm. Um desgeschützten Zusammenlebens willengilt also die Stärke des Rechts undnicht das Recht des Stärkeren.„Durch seine Freiheit soll derMensch in Wahrheit und Gütewachsen.“ 12 Der Mensch ist Herr seinerTaten; er kann sich frei für dieWahrheit und das Gute entscheidenund sich so mit Anstand selbst verwirklichen.Er soll werden können,was er soll, indem er Gott und denNächsten wie sich selbst liebt. An dieseGoldene Regel 13 soll er sich haltenund sie zu seinem persönlichen kategorischenImperativ erheben. 14Freiheit muss also sittlich verantwortetsein. Und dazu sind Maßstäbenotwendig, die von jedem einzelnenverinnerlicht (Haltung/Tugend) undvon der <strong>Gemeinschaft</strong> als wertvollund normstiftend anerkannt werden.Eine freie Gesellschaft wird indem Maße, wie sich ihre Bürger aufdas sie Verbindende besinnen und eswertschätzen, zu einer wertgebundenen<strong>Gemeinschaft</strong>. Mit dem Grundgesetzhat sich die BundesrepublikDeutschland eine tragfähige und belastbareOrdnung geschaffen, die einerseitsder Forderung nach Frei-10 Art 4 der Verfassung der FranzösischenRepublik von 179311 Katechismus der Katholischen Kirche(KKK) 174712 KKK 173113 Mt 7,1214 Immanuel Kant variiert mit seinemkategorischen Imperativ Mt 7,12heit gerecht wird und anderseits dieSpannung, die eine um des geregeltenZusammenlebens willen gebundeneFreiheit auslöst, einsichtig und erträglichmacht: „Das Grundgesetz isteine wertgebundene Ordnung, die denSchutz von Freiheit und Menschenwürdeals den obersten Zweck allenRechts erkennt; sein Menschenbildist nicht das eines selbstherrlichenIndividuums, sondern das der in der<strong>Gemeinschaft</strong> stehenden und ihr vielfältigverpflichteten Persönlichkeit 15 .Gerechtigkeit & Barmherzigkeit„Gerechtigkeit gibt jedem dasSeine, maßt sich nichts Fremdes anund setzt den eigenen Nutzen zurück,wenn es um das Wohl des Ganzengeht.“ 16 Gerechtigkeit zwischenMenschen fordert, „die Rechte einesjeden zu achten und in den menschlichenBeziehungen jene Harmonieherzustellen, welche die Rechtschaffenheitgegenüber den Personen unddem Gemeinwohl fördert.“ 17 Gerechtigkeithat zwei Dimensionen:Die austeilende Gerechtigkeit 18besteht in der Bereitschaft der <strong>Gemeinschaft</strong>oder ihrer Führung, jedemeinzelnen / der Teilgemeinschaftdas an Gütern und Lasten zukommenzu lassen, was ihm/ihr zusteht. Vorteileund Lasten werden dadurch gerechtverteilt, dass objektiv-sachlicheKriterien (Verdienst, Bedürftigkeit,Leistung, Fähigkeit usw.) als Maßstabherangezogen werden. Dabei ist dasWohl des einzelnen oder der Teilgemeinschaft(direkt) ebenso im Blickwie das Gemeinwohl (indirekt).Die ausgleichende Gerechtigkeit19 (Verkehrsgerechtigkeit) wirktdurch die tatkräftige Bereitschaft deseinzelnen (oder auch einer Gruppe),(einem) anderen (oder auch Gruppen)das Zustehende zu gewähren.Einer Leistung soll eine Gegenleistungentsprechen – und umgekehrt.Ausgleichende Gerechtigkeit beruhtauf gegenseitigem Vertrauen, dass keinersich etwas anmaßt, was ihm nichtzusteht. Auch hier geht es sowohl um15 BVerfG 12,45,5116 Kirchenvater Ambrosius von Mailand(339-397)17 KKK 180718 iustitia distributiva; vgl. Aristoteles,Nik. Eth. V 519 iustitia commutativa; vgl. Aristoteles,Nik. Eth. V 5, 1130 b13


GESELLSCHAFT NAH UND FERNdas Wohl des einzelnen als auch umdas Gemeinwohl.Als objektiver Maßstab („Kennzeichen“)für die (Rechts-) Ordnungeiner Gesellschaft gilt: Das Prinzipder Gleichheit der Menschen betrifftdie Würde der Person und die sichdaraus ergebenden Rechte (gleichesRecht für alle). Menschen haben diegleiche Natur und den gleichen Ursprungund die gleiche vernunftbegabteSeele. Durch Veranlagung undUmwelt kommen jedoch Unterschiedezum Vorschein, die mit dem Alter,der körperlichen Kondition, dengeistigen und sittlichen Anlagen, denim Wettbewerb gewonnen Vorteilenoder mit ererbten oder erworbenenReichtümern zusammenhängen. Nachdem Prinzip der Billigkeit werdenim Rechtsstaat (vor Gericht) die jeweiligen(besonderen) Umstände imkonkreten Fall berücksichtigt. DasPrinzip der Zweckmäßigkeit verlangt,dass sich alles staatliche Handelnan den Werten und Normen einerGesellschaft orientiert. Schließlichgarantiert das Prinzip der RechtssicherheitBerechenbarkeit und Verlässlichkeitder Rechtsprechung inden Schutz der Person und des Eigentums.20Ungerechte Unterschiede verletzendie gleiche Würde der Menschen,die für alle humane und gerechte Lebensbedingungenverlangt. UngerechteUmstände sind ein Ärgernis undstören den gesellschaftlichen und deninternationalen Frieden.B(W)armherzigkeit ist angewandteNächstenliebe. Sie soll dort greifen,wo Menschen unverschuldet in Notgeraten sind, sei es materiell (Armut)oder leiblich (Krankheit). Wer sichselbst nicht helfen kann, dem mussgeholfen werden. Als Komplementärwertzur Barmherzigkeit zeigt sichGerechtigkeit streng und unbestechlich.Barmherzigkeit ist dann geboten,wenn Gerechtigkeit durch menschlicheHärte pervertiert und in sozialeKälte umzukippen droht.Barmherzigkeit folgt der Gerechtigkeitals Ausdruck der (Nächsten-)Liebe, die ihrerseits der Wurzelbodender Gerechtigkeit ist. Die Erfahrung20 Jung, Wolfgang: Grundbegriffe aus Politik,Gesellschaft, Wirtschaft Frankfurtam Main, ISBN3-454-54500-5,Seite 112lehrt, „dass die Gerechtigkeit alleinnicht genügt, ja, zur Verneinung undVernichtung ihrer selbst führen kann,wenn nicht einer tieferen Kraft - derLiebe - die Möglichkeit geboten wird,das menschliche Leben in seinen verschiedenenBeziehungen zu prägen” 21Solidarität & Subsidiarität„Die Solidarität ist eine vorzüglichchristliche Tugend. Sie drängtdazu, die materiellen und ganz besondersdie geistigen Güter zu teilen.“ 22Mensch und <strong>Gemeinschaft</strong> sind ihremWesen nach verbunden und dahersittlich füreinander verantwortlich.Dieses Prinzip ergibt sich aus derForderung nach Geschwisterlichkeit(„soziale Liebe“), die sich zunächst inder Güterverteilung und Entlohnungder Arbeit zeigt. Angestrebt ist einegerechtere Gesellschaftsordnung, inder Spannungen abgebaut und Konfliktefriedlich gelöst werden können.Das Gebot zur Subsidiarität fordert,dass eine übergeordnete Gesellschaftnicht so in die inneren Angelegenheiteneiner untergeordnetenGruppe eingreifen darf, dass sie dieseihrer Kompetenzen (ihrer Verantwortungund ihrer Entfaltungsmöglichkeiten,der Verf.) beraubt; im Notfallsoll sie ihr helfen, ihr eigenes Bemühenmit anderen Gruppen im Hinblickauf das Gemeinwohl abzustimmen. 23Unter Gemeinwohl sind alle Bedingungendes Zusammenlebens zuverstehen, „die es sowohl Gruppenals auch deren einzelnen Gliedernermöglicht, die eigene Vollendungvoller und leichter zu erreichen.“ 24Alle sollen an der Förderung des Gemeinwohlsmitwirken. Indem sich derMensch seinem Vermögen (Fähigkeitenund Neigungen) entsprechend engagiertund persönlich Verantwortungübernimmt, bestätigt er seine Menschenwürde.25Das Gemeinwohl betrifft das Lebenaller! Es wird getragen von Mitmenschlichkeit(Achtung vor der Person,Menschenwürde), Gerechtigkeit(Gleichheit vor dem Gesetz, freie Entfaltungdes Einzelnen wie der Gesellschaft)und Friedfertigkeit (re-21 Enzyklika: Dives in Misericordia, 12,1422 KKK 194823 Enzyklika: Centesimus Annus 4824 GS 26,125 KKK 1913-1914spektvoller Umgang, gegenseitigesVertrauen, sicheres Umfeld, saubereUmwelt).Der Dienst des <strong>Soldaten</strong> hatimmer das Gemeinwohl im Blick. Sicherheitzu garantieren und Friedenzu sichern sind zunächst vorrangigeund vornehme Aufgaben eines jedenGemeinwesens (Subsidiarität: Selbsthilfedurch Sicherheits- und Streitkräfte)und, wenn es allein dazu nichtin der Lage ist, Verpflichtung der internationalen<strong>Gemeinschaft</strong> (Solidarität:Beitritt zu Bündnissen und übernationalenOrganisationen).Freiheit, Gerechtigkeit und Solidaritätsind nicht nur lokal, sondernauch regional und global zu fördern.Dieser Imperativ christlicher Friedensethikist gleichsam eine „ethischeHarmonielehre“ für das Zusammenlebender Völker. Frieden bedeutetin entwickelten Staaten längst nichtmehr nur Abwesenheit von Krieg. DieOrganisation friedlichen Zusammenlebensin Freiheit fordert vielmehralle „Menschen guten Willens“ zu einemDauerauftrag heraus, Grundbedingungenfür ein Leben in Friedenund Sicherheit für alle Menschen zuschaffen. Wohlfahrt wiederum ist dasErgebnis von Leben und Wirken ineinem freien, sozialen und auf Nachhaltigkeitausgerichteten Wirtschaftssystemin Verbindung mit sicherheitspolitischerKlugheit und friedenspolitischerWeitsicht. Deshalb argumentiertdie GKS aus der Perspektiveeines umfassenden Friedensbegriffsund setzt sich dafür ein, dass dasVölkerrecht durchgesetzt, die Menschenwürdegeschützt und Wohlfahrtverwirklicht werden. 26GewissensbildungDas Gewissen versetzt den Menschenin die Lage, nach seiner Vernunftzu erkennen und zu bewerten, obeine bestimmte Tat gut oder schlechtist. 27 Als „Mitte der personalen Existenz“wacht das Gewissen über die„grundlegende Übereinstimmung desMenschen mit sich selbst. Im Gewissenerfährt sich der einzelne Menschselbst als unmittelbar und unvertretbarBetroffener unter den unbedingtenAnspruch des Guten gestellt; es bestimmtihn zu einer „ethischen Exis-26 vgl. Gerechter Friede, 200027 vgl. KKK 179614 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


GESELLSCHAFT NAH UND FERNMilitärdekanat MainzEine Philosophie der FreiheitAm Dienstag den 18. Mai 2010fand der Clubabend der Thomas-Morus-Akademie in Zusammenarbeitmit dem Katholischen Leitenden MilitärdekanMainz im Geistlichen Forumin Bonn statt. An diesem Tagwäre der Johannes Paul II 90 Jahrealt geworden. Grund genug für denPhilosophen Dr. Christoph Böhr, Vorsitzenderder Cusanus Gesellschaftund Angehöriger der philosophischenFakultät der Universität Düsseldorf,über die Philosophie der Freiheitdieses Papstes vorzutragen. Nachder Begrüßung durch Dr. Hanns-GregorNissing von der Thomas-Morus-Akademie, sprach PastoralreferentKlaus Spreckelmeier in Vertretungdes Leitenden Katholischen MilitärdekansMsgr. Rainer Schnettker einGrußwort an die knapp vierzig Gästedes Vortrages. Der Referent bauteseinen Vortrag an drei Thesen auf:Karol Woityla als politischer Menschvor und nach der Papstwahl, das Verhältnisvon Mensch und Arbeit beiJohannes Paul II und die Anthropologieder Freiheit aus der Sicht KarolWoitylas, welche er als Philosophentwickelt hat und als Theologe verkündigte.Der junge Karol Woityla sei vielseitigbegabt gewesen, so wäre erSchauspieler und Dramaturg, Poet,Arbeiter im Steinbruch, Philosophund Theologe gewesen. Geprägt wurdeer durch sein Leben in Diktaturen,führte der Referent aus, zwar wuchser in der Republik Polen auf, dienach dem I. Weltkrieg wiedergeborenwurde und sich in den zwanzigerJahren des letzten Jahrhunderts gegendie Sowjetunion erfolgreich zurWehr gesetzt hatte, aber seit 1939stand das Land unter diktatorischerHerrschaft, erst die Nationalsozialisten,danach die Kommunisten. Dr.Böhr weiter: Während dieser Zeit, inder er als einfacher Arbeiter im Steinbruchsich bestätigte, entwickelte erseine Sicht auf den Wert der Arbeit,die den Menschen adelt. In dieserZeit im Untergrund entwickelte erPolitisches Denken bei Johannes Paul IIauch seine Philosophie der Freiheit,führte der Vortragende aus. So lernteer das Handeln im Hintergrund, wennöffentliche Kontakte nicht möglichoder erwünscht waren, er fand immereinen Weg, seine Vorstellungenzu verwirklichen, machte der Redneran dem Beispiel des Plattenneubauin Warschau „Nova Huta“ klar. Dorthabe Karol Woityla in einer Nachtund Nebel Aktion ein Kreuz errichtet,feierte dort mit den GläubigenWeihnachten und schuf so vollendeteTatsachen vor den Herrschern,erklärte Dr. Böhr. Die Kommunistenhätten danach dort die Errichtung einerneuen Kirchengemeinde genehmigt.Während der junge Karol Woitylaaktiv gegen die kommunistischenBesatzer, wandte sich sein Handelnnach 1945 gegen die Kommunisten,sagte der Referent. Dabei sei er immerfür Gespräche gewesen, um denGegenüber zu überzeugen. Er habedabei Kontakte und auch gegenseitigesVertrauen geschaffen, soweit dasin einer Diktatur möglich war, aberangepasst habe er sich nie. Sein Sinnensei immer gewesen: Kampf fürdie Freiheit des Menschen. Nachseiner Wahl zum Papst 1978 sei erder spiritus rector der Gründung vonSolidarnosc gewesen und habe derenWirken begleitet. Seine Kontaktezu General Wojciech Jaruselskiseien nicht durch Papiere belegbar,aber man ginge davon aus, dass dieseKontakte im Hintergrund hilfreichwaren, sei doch die erste Reise einesPapstes in den kommunistischenMachtblock 1983 nach Polen gewesen,noch während das Land unterKriegsrecht stand. Dr. Böhr weiter,dabei sei Karol Woityla immer einMann der Kirche gewesen und habedie „Freiheitsdenker“ Südamerikasbei seinem Besuch getadelt, weil diesesich in der politischen Ebene zuaktiv bewegt hätten.Als Ökonom habe Johannes Paulstets die Marktordnung als Teil einerRechtsordnung gesehen, führte derRedner aus. Dabei sei die Rechtsordnungimmer überzuordnen, damitdie Wirtschaft nicht zu einer Zwangsherrschaftmutieren könne. Aus diesemGrund habe der Papst nach demZusammenbruch des Ostblocks aucheine neue Ordnung gefordert, da diealte Ordnung sich überlebt habe.Am Beispiel der Finanzkrise legteder Referent dar, wie verhängnisvolleine fehlende Ordnung sich auswirkenkann. Während die Neuordnungder Staaten in Europa gelungen sei,mache die Weiterentwicklung dergesellschaftlichen Ordnung keineFortschritte, man stolpere von Krisezu Krise. Dabei gelte der Satz vonJohannes Paul uneingeschränkt, dassjede Ordnung dem Menschen dienen,seine Freiheit schützen und seine gutenEigenschaften fördern solle.Das Verhältnis von Mensch undArbeit habe Johannes Paul II in seinerEnzyklika „Laborum exercens“von 1981 deutlich zum Ausdruckgebracht. Arbeit sei der Schlüsselder Sozialfrage, legte der Redner dieEinstellung des Papstes zusammenfassenddar. Johannes Paul sei immergegen den primitiven Kapitalismusgewesen, der fordere, dass sich allesdem Gewinn unterordnen solle.Sinn der Arbeit sei vielmehr, dassder Mensch mehr Mensch sein könnedurch seine Arbeit. Somit habe derPapst den sozialethischen Imperativmit einem ökonomischen Imperativverknüpft. Letztendlich seien dieIdeologien des zwanzigsten Jahrhundertsgescheitert, weil sie ein falschesMenschenbild gehabt hätten, brachteDr. Böhr die Meinung des ehemaligenPapstes zum Ausdruck.Nach abschließenden Bemerkungenüber die Enzyklika „Evangeliumvitae“, wurde in einer lebhaften Diskussionmit dem Redner nicht nur dieFinanzkrise und die Globalisierung,sondern auch die klassische katholischeSoziallehre angesprochen. EinImbiss, bei dem man mit Dr. Böhrweiter diskutieren konnte, beendeteden Clubabend im Geistlichen Forum.(BB)AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 201017


GESELLSCHAFT NAH UND FERNSystematische Menschenrechtsverletzungen im OstkongoVON KLAUS LIEBETANZIm folgenden Beitrag hat Major a. D. Klaus Liebetanz Fakten und Quellen zusammengestellt, die belegen, dasssystematische Menschenrechtsverletzungen zur Unterdrückung der zivilen Bevölkerung im Ostkongo durchgeführtwerden. Für ihn als Ergebnisprüfer für weltweite Projekte der deutschen humanitäre Hilfe in den Jahren2005-2009 für das Auswärtige Amt u.a. auch in Kanyabayonga (100 km nördlich von Goma) steht fest, dassder Ostkongo der Ort ist, wo Frauen und Kinder am häufigsten auf der Welt durch systematische Menschenrechtsverletzungengefährdet sind. Da die Bundesrepublik sich beim VN-Weltgipfel in 2005 feierlich verpflichtethat, alles zu unternehmen, um solche Verstöße zu verhindern oder nachhaltig zu mindern (Responsibility toProtect, R2P) fordert er die Verantwortlichen in der Politik zum Handeln auf.Gewalt durch Angehörige der FARDCDie kongolesische Armee FARDCmacht sich einer Vielfalt vonMenschenrechtsver-letzungen schuldig.Im Zeitraum Januar bis Oktober2009 hat die Untersuchungskommissionder Vereinten Nationen„UN-Experts Group“ 530 Fälle vonschweren Verbrechen durch Angehörigeder FARDC dokumentiert. Dazuzählen Morde, willkürliche Verhaftungen,Folter, Zwangsarbeit, Plünderungen,Erpressungen, Brandstiftungvon Häusern und Dörfern sowiesexualisierte Gewalt 1 . Kampfhandlungender FARDC haben sich wiederholtgegen Zivilisten gerichtet.So haben die 231., 232. und 25. BrigadeEnde April 2009 ein Flüchtlingslagerin Nordkivu attackiert,wobei 129 Flüchtlinge ums Lebenkamen 2 . Das POLE-Institut berichtetvon Fällen, in denen FARDC-KämpferDörfer als Vergeltungsmaßnahmenaufgrund angeblicher Kollaborationmit FDLR-Rebellen angegriffenhaben 3 . Die FARDC hat zudemvon April bis September 2009 zehnAttacken gegen humanitäre Hilfsorganisationenverübt. Dabei handeltees sich um die Konfiszierungvon Fahrzeugen, physische Angriffe,aber auch Ermordung von lokalenMitarbeitern 4 . Die FARDC hat2004 zwar offiziell die Rekrutierungvon Kindersoldaten beendet. LautAmnesty International befindet sichjedoch immer noch eine unbekannteAnzahl von ihnen in den Reihender FARDC 5 .1 UN-Security Council (2009), Par. 3582 UN-Security Council, Par. 361, 3643 Pole-Institut (2010), S. 214 UN-Security Council (2009), Par. 3775 UN-Human Rigths Council (2009),Par 14Sexuelle Gewalt als KriegsmittelSexualisierte Gewalt durch militärischeGruppen stellt ein massivesProblem in den östlichen Provinzender DR Kongo dar. Genaue Zahlenüber das Ausmaß dieser Gewalt sindschwierig zu ermitteln. Um die Zahlenzu schätzen, muss auf die Frauen,die den Weg in eine Gesundheitseinrichtunggefunden haben, zurückgegriffenwerden. Es gibt allerdings diverseGründe, wie z.B. Scham, sozialeAusgrenzung bei Bekanntwerden derTaten, fehlendes Geld für die Behandlungoder auch schlechte Erreichbarkeitder Gesundheitszentren, die denFrauen eine medizinische Behandlungverwehren, sodass die Dunkelzifferder Vergewaltigungen die Zahlder tatsächlich statistisch erfasstenTaten um ein Vielfaches überschreitendürfte.Das International Rescue Committeehat im Zeitraum 2003 bis 2008allein in Südkivu über 40.000 Vergewaltigungsopferbehandelt 6 . Die UNhat für das Jahr 2006 27.000 Vergewaltigungengezählt 7 .Oxfam hat gemeinsam mit derHarvard Humanitarian Initiative diePatientenbefragungen des Panzi Hospitalsim Zeitraum 2004 bis 2008 ausgewertet.Die Studie untersucht, welchenTätergruppen die Delikte sexualisierterGewalt zugeordnet werdenkönnen und ob sich die Form der sexualisiertenGewalt nach Tätergruppenunterscheidet 8 . 42 % der Täterkonnten nicht näher spezifiziert werden,während nur 6 % klar Zivilistenzugeordnet wurden. 52 % der Ver-6 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 67 ebda8 ebdagewaltigungen wurden militärischenGruppen zugeordnet 9 .Oxfam geht bei den nicht näherspezifizierten Tätern davon aus, dasssich darunter ein erheblicher Teil anmilitärischem Personal befindet, dasich der Tathergang mit denen dermilitärischen Gruppen ähnelt. So fandendiese Vergewaltigungen in Verbindungmit Plünderungen statt undwurden von Gruppen verübt. DieseVorgehensweise fand sich nicht beiden zivilen Tätern 10 .Die Zuordnung der Täter zu bestimmtenmilitärischen Gruppen stelltdie Opfer und damit auch die Ermittlervor große Schwierigkeiten. Die Tatenfinden häufig im Dunkeln statt,was die Identifizierung von Uniformenund Abzeichen erschwert. Auch diebei der Tat gesprochene Sprache ist oftein Indiz dafür, dass es sich bei denTätern um Mitglieder der FARDC oderder ruandisch – stämmigen FDLRoder CNDP Milizen handelt 11 .Die Auswertung der Verbrechennach Tätergruppen ergab, dass es erheblicheUnterschiede zwischen denTaten ziviler und militärischer Herkunftgibt. Militärische Täter begehenihre Verbrechen im Zusammenhangmit Plünderungen, verüben Gruppenvergewaltigungenund sexuelle Sklaverei.Die Übergriffe erfolgen gegenFrauen und Mädchen jeglicher Altersund jeglicher ethnischer Zugehörigkeit.Die Taten zeichnen sich durcheine große Brutalität aus. So berichtetendie Frauen im Panzi Hospitalvon Vergewaltigungen hochschwan-9 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 1310 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 3311 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 3518 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


GESELLSCHAFT NAH UND FERNgerer oder behinderter Frauen, sehrjunger Mädchen und von Patientinnenin Krankenhäusern, von erzwungenenVergewaltigungen zwischen Opfernoder auch Familienmitgliedern. Esgab Berichte von erzwungenen Kannibalismusund dem Verbrennen vonFamilienmitgliedern bei lebendigemLeibe 12 .Die meisten Übergriffe wurden2004 gemeldet, im Zeitraum 2004 bis2008 gab es einen leichten Rückgang.Es konnte eine Verbindung zwischender Verdichtung der sexuellen Übergriffeund verstärkter militärischerAktivität festgestellt werden. So wurdenbeispielsweise während der Attackeder CNDP-Milizen auf Bukavuim Jahr 2004 wesentlich mehr Übergriffein der Region gemeldet. Berichtenzufolge wurde innerhalb einerWoche 16.000 Frauen vergewaltigt 13 .Die Korrelation zwischen dem Anstiegder sexualisierten Gewalt und militärischenAktivitäten sowie die Brutalitätder Übergriffe deuten auf denEinsatz systematischer sexualisierterGewalt als Kriegsmittel hin. HumanRights Watch hat 2009 die Beteiligungder FARDC an sexualisierter Gewaltuntersucht und im Zeitraum Januarbis Mai 2009 im Einzugsgebiet einerKrankenstation in Nordkivu 143 Fällevon Vergewaltigungen durch FARDC-<strong>Soldaten</strong> dokumentiert 14 .Laut dem Bericht des UN ExpertsPanel wurden von Januar bis Juli 2009über 3.100 Fälle sexualisierter Gewaltgezählt, wovon die Hälfte durchFARDC-<strong>Soldaten</strong> begangen wurde 15 .2007 kam MONUC zu dem Ergebnis,dass 54 % der von ihr in den erstensechs Monaten des Jahres festgehaltenenFälle sexueller Gewalt durchFARDC-<strong>Soldaten</strong> verübt wurden 16 .In einer exemplarischen Fallstudiehat Human Rights Watch die 14.Brigade der FARDC untersucht, dieim Südkivu stationiert war, und inderen Reihen ab 2006 Kämpfer derRCD-Goma, der Mai Mai und derCNDP integriert wurden 17 .12 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 35f13 Oxfam International/Harvard HumanitarianInitiative (2010), S. 33 f14 Human Rights Watch (2009), S. 2115 UN-Security Council (2009), Par 33916 UN-Human Rights Council (2008),Par. 1317 Human Rights Watch (2009), S. 23, 26AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010HRW hat 26 Fälle von sexualisierterGewalt durch Angehörigeder 14. Brigade dokumentiert. Davonhaben 23 Fälle seit Anfang 2008statt gefunden. Die Vergewaltigungenwurden häufig im Rahmen von Dorfplünderungenverübt. Massenvergewaltigungenwaren dabei eine gängigeVorgehensweise 18 . Diese Brigadewurde als Beispiel ausgewählt, weilihr Verhalten dem vieler anderer Militäreinheitenim Osten der DR Kongogleich kommt. So hat z.B. die 4.FARDC-Brigade ebenfalls 2006 inder Provinz Orientale vielfach sexualisierteGewalt verübt 19 .Der vergessene Krieg in der DR KongoDr. Denis Mukwede, der medizinischeDirektor des Panzi-Hospitalsin Bukavu (Südkivu), berichtete aufdem 2. Ökumenischen Kirchentag inMünchen am 14. Mai 2010 bei der Podiumsveranstaltung„Der vergesseneKrieg im Kongo“, dass allein 2009 ca.3.000 vergewaltigte Frauen und Mädchenmedizinisch in seinem Hospitalbehandelt wurden. Insgesamt seien imOstkongo in 2009 ca. 41.000 Frauenund Mädchen Opfer sexueller Gewaltgeworden. Dr. Mukwede vertrat fernerdie Auffassung, dass ein baldigerAbzug der UN-Schutztruppe MONUCdas Ausmaß der menschlichen Katastrophenoch bedeutend erhöhen würde.StraflosigkeitDie Vergehen der FARDC-<strong>Soldaten</strong>werden nur unzureichend geahndet.Selbst wenn die FührungsebeneKenntnis von den Vergehen ihrer<strong>Soldaten</strong> hat, werden diese nicht zurVerantwortung gezogen. Falls es zuVerurteilungen kommt, betreffen diesenur niederrangige Offiziere. VieleUrteile werden nicht vollstreckt 20 .Das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungendurch die FARDC istauf die nur schleppende Reform desSicherheitssektors zurückzuführen.Die ca. 130.000 offiziell registriertenFARDC-<strong>Soldaten</strong> unterstehen defacto nicht dem Verteidigungsministeriumin Kinshasa, sondern werdenvon lokalen Kommandeuren mit teilweisestarken politischen und finan-18 Human Rights Watch (2009), S. 2719 Human Rights Watch (2009), S. 21 f20 UN-Security Council (2009),Par. 341-344ziellen Eigeninteressen geführt. Seit2006 wurde mit der Absicht, ehemaligeBürgerkriegsparteien zu befrieden,ein Prozess der „Mixage“ gestartet.Komplette Rebellengruppen wie dievon Ruanda unterstützte CNDP, oderdie lokale Miliz Mai-Mai und vielekleinere Gruppen erhielten in kürzesterZeit den Status und das Gehaltvon FARDC-Angehörigen. Ihre Kommandeuresollen sie nun gemeinsammit den alten FARDC-Brigaden zumSchutz der Zivilbevölkerung einsetzen.So entstanden parallele Kommandostrukturen,die von politischenKalkülen sowie Einzelinteressen bestimmtsind 21 .Die Integration der CNDP in dieFARDC scheint beispielsweise weitgehendgescheitert zu sein. Die CNDPKommandostrukturen sind nach wievor intakt und die CNDP unterhält inden Gebieten Masisi, Walikale, Kaleheund Mwenga (Nordkivu) paralleleVerwaltungen 22 .Monatelang ausbleibender Sold,knappe Nahrungsrationen, zerstörteund korrupte Gerichte und fehlendeKasernen führen dazu, dass die staatlichenSicherheitsorgane und <strong>Soldaten</strong>anfällig für Korruption sind 23 .Auch die zivilen und militärischenGerichte und Juristen im Ostender DR Kongo sind weitgehend unbezahltund fern des Justizapparates derHauptstadt darauf angewiesen, sichdurch Bestechungsgelder und Gefälligkeitenzu versorgen. Dies bedeutet,dass für weite Teile der Bevölkerungeine rechtliche Verfolgung der begangenenStraftaten durch die Justizkeine realistische Option darstellt, sodasssie weiterhin den Übergriffen derstaatlichen Sicherheitsorgane und derMilizen schutzlos preisgegeben sindSchlussfolgerungenDem Einsatz deutscher <strong>Soldaten</strong>im Jahr 2006 zur Absicherung derPräsidentenwahl in der DR Kongolag bedauerlicherweise kein in sichschlüssiges, zielführendes Gesamtkonzeptder Bundesregierung für denFriedensprozess in der DR Kongo zuGrunde. Der nicht ganz ungefährlicheEinsatz der Bundeswehr hatte offensichtlichnur das Ziel nachzuweisen,21 Group International Crisis (2010), S. 622 Refugees International (2010), S. 223 ÖNZ (2009), S. 2519


GESELLSCHAFT NAH UND FERNdass die EU auch außerhalb Europasoperativ tätig werden kann, ohne aufPotenziale der NATO zurückzugreifen,wie Oberst a.D. Ludwig Jakob, inseinem Artikel „Im Interesse der EUoder der DR Kongo?“ in „Beiträge zurFriedensethik 42“ nachgewiesen hat.Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierungdie Versäumnisse der Vorgängerregierungnachholt und endlichzusammen mit den europäischen Partnernein ressortübergreifendes, zielführendesGesamtkonzept für die Situationin der DR Kongo entwickelt,damit die andauernden schweren undsystematischen Menschenrechtsverletzungenzur Unterdrückung der zivilenBevölkerung im Ostkongo verhindertoder doch gemindert werden.Das wäre auch im Sinne des neuen„Afrika-Konzepts der Bundesregierung“,das bezeichnenderweise mitfolgendem Zitat von BundespräsidentHorst Köhler beginnt: „Für mich entscheidetsich die Menschlichkeit unsererWelt am Schicksal Afrikas“.Abkürzungen:– DR Kongo – DemokratischeRepublik Kongo– FARDC – staatliche kongolesischeArmee– CNDP – von Ruanda unterstützteMiliz in der DR Kongo– Mai-Mai – aus „Selbstverteidigungsgruppen“entstandenekongolesische Miliz– FDLR – ehemalige Hutu-Milizenaus Ruanda, jetzt in DR Kongoverortet– MONUC – UN Friedensmissionin der DR Kongo– RCD-Goma – von Ruanda unterstützteMiliz–Quellen:– Human Rights Watch (2009):Soldiers who rape, commanderswho condone. Sexual violence andmilitary reform in the DemocraticRepublic of Congo,– http://www.hrw.org/en/reports/2009/07/16/soldiers-who-rape-commanderswho-– condone-0 (27.4.2010).– International Crisis Group(2010): Congo.L´enlisementdu projet démocratique, PolicyBriefing Afrique No73, http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/africa/centralafrica/ drcongo/B73%20Congo%20-%20lenlisement%20du%20projet%20democratique. ashx (4.5.2010).– Ökumenisches Netz Zentralafrika(2009): FDLR. Ruandische Hutu-Milizen in der DR Kongo,– http://www.oenz.de/fileadmin/users/oenz/Aktuell/FDLR_Studie_OENZ_2009.<strong>pdf</strong>(5.5.2010).– Oxfam International/HarvardHumanitarian Initiative (2010):Now the world is without me. Aninvestigation of sexual violencein Eastern Democratic Republicof Congo, http://www.oxfam.org/en/policy/now-world-without-me(27.4.2010).– Pole Institut (2010): Guerillas imNebel. Wie Kongolesen den Krieggegen die ruandische FDLR-Milizen im Osten der DR Kongoerleben und was Deutschlanddamit zu tun hat,– http://www.oenz.de/fileadmin/users/oenz/PDF/POLE_Studie_FDLR_Guerillas_im_Nebel_Feb_2010.<strong>pdf</strong> (5.5.2010).– Refugees International (2010): DRCongo. Unstable Areas endangerReturns,– http://www.refugeesinternational.org/sites/default/files/041910%20drc.<strong>pdf</strong>– (5.5.2010).– UN Human Rights Council (2008):Report of the Special Rapporteuron violence against women, itscauses and consequences, YakinErtürk, Addendum Mission tothe Democratic Republic of theCongo, A/HRC/7/6/Add.4,– http://daccess-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G08/111/42/PDF/G0811142.<strong>pdf</strong>?OpenElement(5.5.2010)– UN Human Rights Council(2009): Summary prepared by theoffice of the high commissionerfor human rights, in accordancewith paragraph 15 (c) of theannex– to Human Rights CouncilResolution 5/1 DemocraticRepublic of the Congo, A/HRC/WG.6/6/COD/3,– http://lib.ohchr.org/HRBodies/UPR/Documents/Session6/CD/A_HRC_WG6_6_COD_3_EF.<strong>pdf</strong> (27.4.2010).– UN-Security Council (2009): Finalreport of the Group of Expertson the Democratic– Republic of the Congo,S/2009/603,– http://www.congoplanet.net/download/UN_Report_Congo_Group_Experts.<strong>pdf</strong>(27.4.2010).KurznachrichtenRückblick FußballweltmeisterschaftDie Fußball-WM hat auch Projekten katholischer Hilfswerke imGastgeberland zu Erfolg verholfen. Das ist eine erste Bilanz beiDon Bosco Jugend Dritte Welt in Bonn und bei Missio in München.Beide Einrichtungen unterstützen stark Bildungsinitiativen in Südafrika,die bei der Entwicklung in dem jungen Land mit hoher Jugendkriminalitätsrateeine Schlüsselstellung einnehmen. „Das Interesseam Land von privaten Stiftungen und Spendern ist gestiegen.“, sagtSprecherin Annegret Spitz von Don Bosco Jugend Dritte Welt rückblickend.Aber nicht nur Sponsoren und prominente Unterstützer ließensich leichter mobilisieren, wie Missio-Präsident Pater Eric Englertfeststellte. „Dabei sind auch Initiativen herausgekommen, bei denensich deutsche Jugendliche überlegt haben, wie sie denn junge Leutein Südafrika unterstützen können.“(ZENIT)20 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 20100


GESELLSCHAFT NAH UND FERNReform des Sicherheitssektors im Kongo notwendigInterview mit General Jean-Paul MichelVON KLAUS LIEBETANZVom 10. bis 11. Juni 2010 fand in der Heinrich Böll Stiftung in Berlin die Internationalen Expertenkonferenz„Peace Needs in the DR Congo. Local and International Strategies for Conflict Resolution“ statt. Teilnehmerdieser Konferenz waren unter anderen:– Jean-Paul Michel, Leiter der Mission EUSEC, Kinshasa– Rene Ngongo, Träger d. Alternativen Nobelpreises, Greenpeace, Kinshasa– Christian Manahl, östlicher Koordinator der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo(MONUC), Goma– Raphael Wakenge, Gründer der Initiative „Congolaise pour la Justice et la Paix“, DR Kongo– Claudia Roth, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen– Jean Claude Katende, Präsident, „Association Africaine de Defense des Droits de l‘Homme“(ASADHO), DR KongoIm Verlauf dieser Tagung konnte Major a.D. Klaus Liebetanz für den AUFTRAG das folgende Interview mit demLeiter der EUSEC RD CONGO General Jean-Paul Michel führen. Sollte erneut ein Einsatz europäischer Kräftemit oder ohne Beteiligung deutscher Kräfte in diesem geschundenen Land notwendig werden, so hält es die Redaktionfür wichtig, Informationen aus diesem Teil unserer Welt zu bekommen, der nicht ständig im Fokus unseresInteresses liegt.AUFTRAG: Schwere, systematischeMenschenrechtsverletzungenhaben im Ost-Kongonicht nachgelassen. Über 50%der schweren und systematischenMenschenrechtsverletzungen zurUnterdrückung der Zivilbevölkerungwerden nachweislich von<strong>Soldaten</strong> der FARDC kollektiv begangen.Dies berichten übereinstimmenddie von den VereintenNationen eingesetzte Expertengruppeund zahlreiche Menschenrechtsorganisationen,wie HumanRights Watch (HRW) und Oxfam.Welchen effektiven Einfluss hatEUSEC auf die Sicherheitssektorreformder kongolesischen Streitkräfteum die schweren und systematischenMenschenrechtsverletzungen zu verhindernoder mindestens zu mildern?AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010General Michel: Die Zahlen,die mir über Menschenrechtsverletzungenvon <strong>Soldaten</strong> der FARDCvorliegen, sind geringer. Wir sprechenbei der Tätergruppe besondersgegenüber Frauen von Männernin Uniform, weil sich die Uniformenvon <strong>Soldaten</strong> der FARDC undden verschiedenen Rebellengruppenkaum unterscheiden und teilweiseidentisch sind. Ich will abernicht bestreiten, dass auch <strong>Soldaten</strong>der FARDC an den schweren Menschenrechtsverletzungenbeteiligtsind. Die FARDC besteht zum Teilaus Einheiten, die aus ehemaligenRebellengruppen gebildet wurden,dem sog. Verwürfelungsverfahren.Die Disziplin dieser Verbände ist zurZeit noch nicht ausreichend. Das Zielvon EUSEC ist eine Personalpolitik(human ressource policy) zu schaffen,mit der menschlich ungeeignete<strong>Soldaten</strong> ausgesondert werden können,dem sog. Vetting-Verfahren).Die FARDC soll sukzessive von zurzeit150.000 auf 80.000 gut trainierteund disziplinierte <strong>Soldaten</strong> reduziertwerden. Damit wird auch der Missbrauchzurückgehen. Zwischenzeitlichsollen drei Feldjägerbataillone(Militärpolizei) aufgestellt werden,um die Straflosigkeit innerhalb derFARDC auf ein Mindestmaß zu reduzieren.AUFTRAG: Die ehemaligeKunda-Truppe (CNDP) ist 2009formal der FARDC beigetreten.Sie führt aber weiterhin das Lebeneiner Rebellengruppe, die Lagerstättenvon Coltan, Gold undDiamanten erobert und die Zivilbevölkerungmit schweren systematischenMenschenrechtsverletzungenunterdrückt. Hat EUSECeine unmittelbare Kontrolle aufdie CNDP?General Michel: Nein, EUSEChat nicht genügend Experten um einewirksame Einschätzung der Lage inder Tiefe des Landes durchzuführen.EUSEC hat lediglich vier Teams, mitjeweils 3-4 Experten im Ostkongo, wo90% der kongolesischen Streitkräftedisloziert sind. Diese Teams befindensich bei den wichtigen Kommandozentralender FARDC nämlich inKisangani (Orientale), Goma (Nord-Kivu), Bukavu (Süd-Kivu) und in Lubumbashi(Katanga).AUFTRAG: Ist die Zahl von 60Offizieren und Feldwebel der EUS-EC für die DR Kongo, die so großist wie Westeuropa, ausreichend?General Michel: Nein, dieseZahl ist lächerlich gering, um einesolche Aufgabe ordentlich durchzuführen;aber die verantwortlichen Mitgliederin den betreffenden Gremiender Europäischen Union haben dieZahl auf 60 Experten reduziert.AUFTRAG: Es wird immerwieder berichtet, dass <strong>Soldaten</strong>der FARDC schlecht oder überhauptnicht bezahlt werden, sodass sie auf Plünderung und Unterdrückungder Zivilbevölkerungangewiesen sind. Welche Möglichkeitbesitzt EUSEC die Auszah-21


GESELLSCHAFT NAH UND FERNlung des Soldes aller <strong>Soldaten</strong> derFARDC konkret und effektiv zukontrollieren?General Michel: EUSEC hat inden letzten Jahren eine Database vonallen <strong>Soldaten</strong> der FARDC inklusivebiometrischer Angaben erstellt,nicht zuletzt um die Bezahlung einer„Schattenarmee“ zu verhindern. Anfänglichbestand die kongolesischenStreitkräfte aus angeblich 300.000<strong>Soldaten</strong>. EUSEC weis, dass von Kinshasaaus der Sold für jeden einzelnen<strong>Soldaten</strong> angewiesen wird. DerSold eines einfachen <strong>Soldaten</strong> beträgtmonatlich 50 USD. Die Erfahrungzeigt aber, dass einzelne weit von denKommandozentralen entfernte kleinereEinheiten ihren Sold nicht immererhalten. Außerdem gibt es einzelneVorgesetzte, die das System der Kleptomaniepraktizieren, in dem sie einTeil des Soldes der einfachen <strong>Soldaten</strong>für sich behalten. EUSEC hatweder das Personal noch die Mittel,um das zu verhindern. Gelegentlichwird jedoch das Argument der Unter-oder Nichtbezahlung der <strong>Soldaten</strong>vom Militär als Entschuldigungund Rechtfertigung für die brutalenÜbergriffe auf die Zivilbevölkerunggenutzt. Generell muss aber ein Staatin der Lage sein, seine eigenen <strong>Soldaten</strong>zu bezahlen.AUFTRAG: Viele Kenner derMenschenrechtslage im Ost-Kongohalten den Abzug der MONUC ab1.07.2011 für eine Katastrophe,weil sich dann die Menschenrechtslagenoch weiter verschlimmernwürde. Wie ist dem zu begegnen?General Michel: Am 28. Mai2010 hat der VN-Sicherheitsrat mitder Resolution 1925 (2010) das Mandatder MONUC ausgeweitet. Derneue Name der VN-Mission heißtMONUSCO. Sie dient der Stabilisierungder DR Kongo und beginnt am01.07.2010. Das Ende der Missionist zunächst auf das Ende 2011 festgelegt.Die Mission kann aber verlängertwerden, wenn die „Indikatorendes Fortschritts“ nicht erreicht würden.Insofern ist ein rascher Abzugder MONUC mit möglichen katastrophalenFolgen verhindert worden.AUFTRAG: Was kann aus IhrerSicht die deutsche Regierungtun, um die Lage der Menschen imOstkongo zu verbessern?General Michel: Aus meinerSicht muss es das este Ziel der Bemühungensein, eine effektive undrechtstaatliche Nationalarmee für dieDR Kongo zu schaffen. In zweiter Prioritätsteht eine funktionierende Polizeiund ein rechtsstaatliches Justizwesen.Die neue umgestaltete kongolesischeArmee muss alle Milizen undMafiagruppen daran hindern, weiterihr Unwesen zu treiben und die illegaleAusbeutung der Rohstoffe desLandes zu betreiben. Dann wird auchdie Regierung ausreichende finanzielleMittel haben, um die Entwicklungdes Landes voranzutreiben. Ohne dieReform des Sicherheitssektors sindalle anderen Bemühungen umsonst.Die Annahme, dass mit Wahlen undeinem Mehrparteiensystem die Demokratievon allein kommt, ist einIrrtum, wie wir im Kongo gesehenhaben. Ohne Sicherheit gibt es keineEntwicklung.Was kann die deutsche Bundesregierungtun, um die Reform des Sicherheitssektorsvoranzubringen? Ichwar sehr froh, dass uns das deutscheAuswärtige Amt bei einem Projekt geholfenhat, 18.000 <strong>Soldaten</strong> der CNDPbiometrisch innerhalb von 6 Wochenin einer Database zu erfassen, und damitin die FARDC zu integrieren. Dafürsage ich ausdrücklich Dank. Wirbrauchen aber auch weiterhin starkeUnterstützung durch die deutscheBundesregierung bei anderen Projektender EUSEC, zum Beispiel bei derDemobilisierung und nachhaltigenIntegration von ehemaligen <strong>Soldaten</strong>in die Zivilgesellschaft, damit diesenicht wieder zu Rebellengruppen gehenund/oder für die Mafia arbeiten.AUFTRAG: Zum Abschluss desInterviews möchten wir Ihnen nocheine ganz persönliche Frage stellen.Sind Sie mit Ihrer Mission alsLeiter der EUSEC innerlich zufrieden?Oder würden Sie Ihren<strong>Auftrag</strong> lieber anders ausführen?General Michel: Ich bin Optimist.Natürlich bin ich nicht vollkommenzufrieden mit meiner Arbeit beiEUSEC. In Afrika gehen die Uhrenanders. Man muss sehr viel Geduldhaben. Man kann nicht mit dem Kopfdurch die Wand gehen. Im Laufe derZeit haben mein Stab, auf den ich sehrstolz bin, und ich einige Schritte nachvorn getan. Wir haben das Vertrauender Kongolesen erlangt und Dinge erreicht,die wir vor zwei Jahren nochfür unmöglich gehalten haben, besondersim finanziellen Bereich, derfür uns zunächst verboten war. Mankann nicht von großen Fortschrittensprechen, aber die Tendenz stimmt.Dokumentationszentrum über Völkermordin Ruanda eröffnetIn Ruanda ist ein Dokumentationszentrum über den Völkermord von1994 eröffnet worden. Das von der nationalen Kommission für denKampf gegen Völkermord in der Hauptstadt Kigali eingerichtete Zentrumsoll vor allem über die Arbeit der lokalen Gerichte (Gacacas) Auskunftgeben. Die entsprechenden Dokumente seien nun an einem Ort zugänglich,berichtet die Tageszeitung „The New Times“. Die Dorfgerichte waren2001 entstanden und basieren auf der traditionellen Rechtsprechung. Zielist es, eine Aussöhnung von Opfern und Tätern des Genozids von 1994zu schaffen. Nach UN-Angaben kamen bei dem Völkermord in Ruandarund 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu ums Leben. Vom April 1994 antöteten Angehörige der Hutu-Mehrheit innerhalb von 100 Tagen etwa 75Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie moderate Hutu,die sich am Völkermord nicht beteiligten oder aktiv dagegen einsetzten.(KNA)22 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 20100


BILD DES SOLDATENIn der noch laufenden Transformation soll die Bundeswehr grundlegend verändert werden. Eine Strukturkommissionwird dem Bundesminister Modelle vorschlagen, wie das vorgesehene Einsparpotenzial erreicht werdenkann, ohne die Effizienz der Armee allzu stark einzuschränken. Dabei wurde die Wehrpflicht teilweisein Frage gestellt. Die folgenden zwei Artikel von Oberstlt a.D. Helmut Jermer drücken zum Einen den Unmutüber die Sorglosigkeit der Politiker aus, zum Anderen nennt das Mitglied des Sachausschusses Innere Führungelf gute Argumente für die Wehrpflicht.Allgemeine Wehrpflicht – ein Abgesang?Als ehemaliger Berufssoldat undSympathisant der AllgemeinenWehrpflicht kann ich mich nur wundern,wie die politisch Verantwortlichenmit der hochsensiblen Fragenach der angemessenen Wehrformfür die Bundesrepublik Deutschlandbisher umgegangen sind.Gestern noch haben die „Volksparteien“einmütig die Notwendigkeitder Allgemeinen Wehrpflicht „von derKanzel“ verkündet; sie merken nicht,dass sie längst zu Sterbehelfern derWehrpflicht geworden sind, angefangenmit der Postkartenlösung (HeinerGeißler, CDU), die das Verweigernso leicht und verlogen gemacht hat– Ausnahmen bestätigen die Regel –bis hin zu der Tatsache, dass inzwischenmehr junge Männer „zivilen Ersatzdienst“(so die richtige Bezeichnung)als Grundwehrdienst leisten.De iure war und ist der Wehrdienstauf der Grundlage der AllgemeinenWehrpflicht die Regel, und der zivileErsatzdienst – wie der Begriff vermittelt– die Ausnahme. Diese Positionist auch heute noch stichhaltig undwahrhaftig im Sinne des seinerzeitigenGesetzgebers. Das hat der zeitgeisthörigen„68er Spätlese“ schondamals (70/80er Jahre) nicht gepasst.Seit vielen Jahren setzen sie mit billigemPopulismus diese wert-volle Errungenschaftder wehrhaften Demokratienach dem Motto: „Wie es euchgefällt“ aufs Spiel. De facto ist der zivileErsatzdienst inzwischen zur Regelgeworden – verdrehte Welt. Diese dieAllgemeine Wehrpflicht aushöhlendeEntwicklung sollte vordergründigWehrgerechtigkeit (ein komischer Begriff)herstellen, hat aber bestenfallsein wenig mehr „Dienstgerechtigkeit“herbeimanipuliert. Der Umgang desGesetzgebers mit der AllgemeinenWehrpflicht erinnert den Autor andas Kinderlied von den „Zehn KleinenNegerlein“.AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010VON HELMUT P. JERMERAls kritischer Betrachter derEntwicklung der Allgemeinen Wehrpflichtvon 1956 bis heute stelle ichetliche Ungereimtheiten fest. M.E.waren und sind sich die politischenVerantwortlichen nicht immer bewusst(gewesen), dass ihr Umgang mit derWehrpflicht am Ende zu ihrer (de jure)Aussetzung und (de facto) Abschaffungführen wird.Volker Rühe behauptete als Bundesministerder Verteidigung schonMitte der 90er Jahre, wir seien „vonFreunden umzingelt“. Geografischgesehen hat(te) er recht. Sicherheitspolitischist diese Aussage angesichtsder diffusen terroristischen Gefahr mitihren asymmetrischen Bedrohungsformenkritisch. Einerseits hat sich die„euregionale“ Sicherheitslage in denletzten zwei Jahrzehnten deutlich stabilisiert,anderseits beantragen globalvagabundierende Terroristen keineEinreisevisa. Für die (inländische)Terrorbekämpfung ist nach der Verfassungdie Polizei zuständig, Wehrpflichtigekönnten einen eventuellenPersonalmangel im Bereich der innerenSicherheit also kaum kompensieren.Im übrigen hat der „Erfinder“ derallgemeinen Wehrpflicht, der FranzoseLazare N. M. Carnot (von 1793 bis1797 Organisator der französischenLandesverteidigung), schon seinerzeitdie Bedingung an die Wehrpflicht geknüpft,dass man junge Männer nurdann in Pflicht nehmen darf, wenndie Nation in existentieller Gefahr sei.Wer also die Allgemeine Wehrpflichtbeibehalten will, muss sie glaubwürdig(!)begründen. Darauf hat der ehemaligeBundespräsident Roman Herzogbeim 40jährigen (1995) Bestehender Bundeswehr vor Kommandeurenhingewiesen: „Die Wehrpflicht ist einso tiefer Eingriff in die individuelleFreiheit des jungen Bürgers, dassihn der demokratische Rechtsstaatnur fordern darf, wenn es die äußereSicherheit des Staates wirklich gebietet.Sie ist also kein allgemeingültigesewiges Prinzip, sondern sie ist auchabhängig von der konkreten Sicherheitslage.Ihre Beibehaltung, Aussetzungoder Abschaffung und ebensodie Dauer des Grundwehrdienstesmüssen sicherheitspolitisch begründetwerden können. Gesellschaftspolitische,historische, finanzielle undstreitkräfteinterne Argumente könnendann ruhig noch als Zusätze verwendetwerden. Aber sie werden im Gesprächmit dem Bürger nie die alleinigeBasis für Konsens sein können.Wehrpflicht glaubwürdig zu erhalten,heißt also zu erklären, weshalb wir sietrotz des Wegfalls der unmittelbarenäußeren Bedrohung immer noch benötigen.“Auch wenn das Bundesverfassungsgerichtdie „Dienstgerechtigkeit“relativiert und verwässert hatund ausschließlich vom politisch entschiedenenBedarf(?) der Streitkräfteabhängig sieht - es war und ist dennochungerecht, wenn junge Männerjahrgangsweise unterschiedlich belastetwerden, und Frauen – ich habegelesen, dass ca. ein Drittel kinderlosbleiben – überhaupt nicht herangezogenwerden. Und warum hat sicheigentlich bisher niemand aufgeregt,dass nur Familien (mit Söhnen) belastetwurden und immer noch werden?Welchen Beitrag leisten eigentlichEheleute ohne Kinder oder Familien,die keine Söhne haben? Dass einigeGruppen belastet werden und anderenicht, ist ungerecht.Das Herumspielen (Kompensieren)mit Tauglichkeits- und Freistellungskriterien– nicht einmal die Hälfteeines Jahrgangs wird zurzeit zumWehr- oder zivilen Ersatzdienst herangezogen(Kompass 6/10, S. 10)– trägt ebenfalls nicht zur Dienstgerechtigkeitbei. Ebenso merkwürdigwar und ist die bis heute fünf Mal23


BILD DES SOLDATENreduzierte Dauer des Wehrdienstes.Die militärische Führung warnte jedesMal vor den Folgen verkürzter Ausbildungund zu kurzen Erfahrungs- undÜbungszeiten der GWDL; die politischVerantwortlichen dagegen habensich darüber hinweggesetzt. Seit demWegfall der „Gewissensprüfung“ solltendie Zivilen Ersatzdienst Leistendenbewusst länger dienen und damitdie Ernsthaftigkeit Ihrer Gewissensgründeglaubhaft machen. Auch dieserUnterschied wurde „wegpopularisiert“– ein weiterer Sargnagel für die(stetig abnehmende) Glaubwürdigkeitund Wertschätzung der AllgemeinenWehrpflicht seitens der politisch Verantwortlichen.Die Allgemeine Wehrpflichtim Sinne des Begriffes ist faktischabgeschafft (worden), bestenfallsgibt es eine Allgemeine Dienstpflicht,denn nicht mehr Grundwehrdienstleistendesondern „Zivis“ stellen seiteiniger Zeit die Mehrheit.Auch die Ausgestaltung desWehrdienstes steht nach wie vor inder Kritik. Wenn es die „Organisation“nicht schafft, die den jungenMännern genommene Zeit mit sinnvollerBeschäftigung zu füllen, stattihnen Gammeldienst zuzumuten, verliertder Grundwehrdienst seine Legitimation.Bis zum Wehrbeauftragtendurchgereichte Beschwerden (Eingaben)füllen und sprechen Bände.Sinnlose oder artfremde Tätigkeitenverstoßen gegen die Menschenwürde.Wer zwangsverpflichteten jungenMännern stumpfsinnige Tätigkeitenzumutet oder sie durch „Nichtstun“verelenden lässt, nimmt sie nichternst und sollte von seiner Verantwortungals Vorgesetzter entbundenwerden. Die phantasielose Ausrede:„warum sollen die es besser habenals wir?“ war früher so dumm wie siees heute ist. Am Ende seiner Dienstzeitsollte vielmehr jeder „gediente“Wehrpflichtige folgende Fragen mit„ja“ beantworten können: Erstens:Wurde ich gebraucht? Zweitens: Warmein Dienst sinnvoll? Drittens: Wurdeich anständig behandelt? bzw: Warenmeine Vorgesetzten fair, anständig,vorbildlich, kompetent?Ist es in diesem ZusammenhangWehrpflichtigen zu verdenken, wennsie sich für den scheinbar sinn-vollerenDienst interessieren? Ist es nichtauch eine Gewissensfrage und -entscheidung,wenn sie erwägen, wemoder welchem Sozial- oder Pflegedienstsie die ihnen genommene Zeit„schenken“ oder anders gefragt: Könnenes junge Männer mit ihrem Gewissenvereinbaren, sich ihre Zeitdurch Desorganisation oder Desinteresse(Ausbildungs- und Dienstgestaltung)„totschlagen“ zu lassen?So jung sie auch seien: Zeit ist Leben– Lebenszeit!Die Wertschätzung der jungen,dienstbereiten Männer seitens desDienstherrn zeigt sich nicht nur imUmgang mit ihnen, sondern auch darin,was ihnen zugedacht oder zugemutetwird. Der Wehrbeauftragte hatschon häufig den Zustand der Unterkünftebeklagt. Es wäre einem entwickeltenLand wie der BundesrepublikDeutschland durchaus angemessen,wenigstens Jugendherbergs-Standardin den Mannschafts-Unterkünften sicherzustellen.In diesem Zusammenhangwäre es interessant zu wissen,welchen Ausstattungsstandard dieseinerzeit in Stammheim einsitzendenTerroristen „genossen“ haben.Oder anders gefragt: Wie geht eigentlichder Staat mit denen um, die ihnverteidigen und schützen, und wie mitjenen, die ihn bekämpfen?In Ländern, die sich bereits vonder Wehrpflicht verabschiedet haben,leisten junge Männer keinenPflichtdienst zur Landesverteidigung.Im vereinten Europa herrscht heuteeine bisher kaum beklagte, weil offensichtlichnoch nicht wahrgenommeneUngerechtigkeit.Warum sollen junge Belgier, Franzosenoder Engländer keinen Dienstzur Verteidigung ihrer jeweiligen Nationleisten, während beispielsweisejunge Deutsche „mit Haut undHaar“ ihrem Vaterland einen in ihreLebensgestaltung einschneidendenDienst zu leisten haben? Von 27 EU-Mitgliedstaaten haben bereits 21 dieWehrpflicht ausgesetzt!Meines Erachtens kann die AllgemeineWehrpflicht in Deutschlandheute nur noch im Rahmen einer AllgemeineDienstpflicht überzeugenddargestellt werden. Mit einer solchenwirklich allgemeinen Inpflichtnahmejunger Menschen ließe sich ein effektiverHeimat- und Katastrophenschutzpersonell generieren. Dazuzählen Dienste bei allen Organisationen,die diesem Ziel unmittelbar odermittelbar dienen, wie z.B. Landesverteidigung(gibt es eigentlich noch einentsprechendes militärisches Bedrohungsszenario?),Zivil- und Katastrophenschutz(THW und Feuerwehren),Unfallhilfe auf der Autobahn (z.B. unsäglicheStaus nach Unfällen schnellauflösen), ABC-Abwehr als Umweltpolizei,Landschafts- und Gewässerschutz(Deichbau). Und mit dieserLösung könnte de facto Dienstgerechtigkeithergestellt werden. Heimat-und Umweltschützer und anderenützliche Dienstleister kann eseigentlich nicht genug geben! Mankönnte eine solche „Nationalgarde“für all’ diese Aufgaben organisieren,warum nicht? Es wäre schlicht zu regeln,dass jede(r) Taugliche eine gewisseZeit der <strong>Gemeinschaft</strong> schenktund damit dem Gemeinwohl dient.Die Dienstzeit könnte ebenso derPersönlichkeitsentwicklung wie derberuflichen Orientierung nützen. ImKrisenfalle wäre die „Nationalgarde“(Beispiel USA) eine notwendige undwirksame Ergänzung, die auftragsorientiertaufwachsen und – einsatzbezogenausgebildet – neben die Einsatzkräftegestellt werden könnte;diese ließe sich entsprechend ihrenspeziellen Aufgaben professionalisierenund auf ihre vielfältigen Aufgabenkonzentrieren, was dazu beitragenwürde, die Effizienz im Einsatzzu steigern. Würde die AllgemeineWehrpflicht beibehalten und aufgewertet,so gäbe es also eine zweigeteilteArmee: Einsatzkräfte und Heimatschutztruppen.Letztere wären –sprichwörtlich schnell wie die Feuerwehr– dann eben nicht als minderwertigoder zweitklassig angesehen,was übrigens auch eine Frage desSelbstbewusstseins ist! Und aus dendienstpflichtig rekrutierten Truppenkönnte schließlich auch der Nachwuchsfür die Einsatzkräfte gewonnenwerden. Beides sind gleichermaßenvornehme Aufgaben: Heimatschutzim <strong>Auftrag</strong> des eigenen Volkes oderFriedensmissionen im Ausland imNamen des Völkerrechts. Falls einesolche oder ähnliche Lösung nichtverfolgt wird, sollte die Wehrpflichtkonsequenterweise ausgesetzt werden.Die Abschaffung ist dann eineFrage der Zeit. Ob das aber für unserLand gut wäre? ❏24 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


BILD DES SOLDATENArgumente pro Allgemeine WehrpflichtDiese im Jahr 2000 auf der Bundesmännerkonferenzder KJG(Katholische Junge Gemeinde) inAltenberg in ähnlicher Form vorgetragenenArgumente sind heute genausostichhaltig wie seinerzeit undsollten nicht leichtfertig außer Achtgelassen werden. Gerade die jüngsteDiskussion um die Wehrpflicht zeigteinen merkwürdigen Ansatz: Ist eswahr, dass der Bundesminister derVerteidigung die Wehrform von derKassenlage abhängig macht? Solltenicht vielmehr gründliches Abwägeneine so weitreichende Veränderungbestimmen? Die folgendenelf Argumente mögen einen Beitragzur Nachdenklichkeit und Vor-Sichtleisten, damit „das Kind nicht leichtfertigmit dem Bade ausgeschüttetwird“.AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010VON HELMUT JERMER1. Die Allgemeine Wehrpflicht, diemit dem Artikel 12a Grundgesetzdemokratisch legitimiertist, macht die Verteidigung desLandes, konkret den Schutz derfreiheitlich verfassten und demokratischangelegten politischenOrdnung des Grundgesetzes, zueiner Angelegenheit aller wehrfähigen(männlichen) Bürger.2. Nur eine wehrhafte Demokratiekann im Kräftespiel der Politikbestehen. Ein Staat mit 80 Mio.Menschen in der Mitte Europassollte, wenn er ernst genommenwerden will, eine respektableArmee unterhalten (so, wiejede Kommune sich eine wirksameFeuerwehr leistet). Dennmilitärische Herausforderungenwird es auch in Zukunft geben.Die Wehrpflicht schafft die optimaleVoraussetzung, genügendwehrfähige junge Männer zu rekrutieren.Neben strukturellenund materiellen Aufwendungenist der Personalumfang ein wesentlicherBeitrag zur Bündnissolidarität.(Burdensharing) Dernationale Beitrag ist Maßstab fürden Einfluss im Bündnis.3. Der Wehrpflichtige leistet mitdem Wehrdienst einen persönlichenBeitrag für das Gemeinwohl.Als besonders intensiveForm der „Inpflichtnahme“durch den Staat stiftet der Wehrdienstnachhaltig Identität mitdem Gemeinwesen. Der Grundwehrdienstist daher ein besondersdeutlicher Beitrag zumGemeinwohl; intensiver als dieSteuerpflicht als finanzielle Abgabeist der Wehrdienst persönlicheHingabe in Form von Zeitund Arbeitskraft.4. Die Wehrpflicht schafft eine Bürgerarmee,die in hohem Maßefür die Integration des Militärsin die staatliche <strong>Gemeinschaft</strong>und in die pluralistische Gesellschaftsorgt. Durch den personellenAustausch, durch das Kommenund Gehen, durch Einberufungund Entlassung, werdendie Bundeswehr im allgemeinenund die Vorgesetzten als derenRepräsentanten im besonderenständig herausgefordert, militärischeVerhaltensweisen mit zivilenLebensstilen in Einklangzu bringen.5. Durch die Wehrpflicht bleibtdie Bundeswehr eine junge Armee,die einen Vergleich mitden „Profis“ aus Freiwilligenstreitkräftennicht zu scheuenbraucht. Die Allgemeine Wehrpflichtmacht die Bundeswehr zueiner intelligenten Armee, zumalsie ihren Nachwuchs nicht imWettbewerb mit der Wirtschaftund aus allen Berufen rekrutierenmuss.6. Der Charakter einer Bürgerarmeeunterscheidet sich von einer„Söldnerarmee“ durch den persönlichenBezug zum Gemeinwesen,zur schutzwürdigen politischenOrdnung. Die spezielle, inder Bundeswehr kultivierte Gehorsamskultursorgt dafür, dasssich militärisches Handeln anden Werten und Normen des GGorientiert: Wehrpflichtige stellenVorgesetzte intensiver als Berufs-und Zeitsoldaten vor dieNotwendigkeit, ihre Befehle einsichtigzu machen: Gehorsamaus Einsicht in die Notwendigkeit!Oder anders: Wehrpflichtigehaben, weil sie nicht freiwilligdienen moralisch betrachteteinen größeren Anspruch, dieNotwendigkeit und Sinnhaftigkeitvon Befehlen zu hinterfragen(Legitimation). Wenn Zeit- oderBerufssoldaten Befehle hinterfragen,werden sie gelegentlichmit dem plumpen „Totschlagargument“konfrontiert: „Sie sindja freiwillig hier! – Sie werdenja bezahlt.“7. Die wehrpflichtigen <strong>Soldaten</strong>bilden einen „Hygienefaktor“in der Bundeswehr. Sie dürfennur zum Heimatschutz undzur Bündnisverteidigung eingesetztwerden. Die politischVerantwortlichen wissen, dassdie Grundwehrdienstleistendennicht für Auslandseinsätze (außerhalbdes Bündnisgebietes)zur Verfügung stehen. Sie schützensomit vor voreiligen und unüberlegtenEinsätzen und sorgenauf diese Weise auch dafür,dass die Bundeswehr nicht zueiner „Allerwelts-Interventionsarmee“mutiert.8. Die Wehrpflicht schafft gute Voraussetzungen,für den Fall einerexistentiellen Bedrohung des eigenenLandes oder des Bündnisgebietesdie Fähigkeit zum Aufwuchsdurch Heranziehen vonReservisten zu organisieren. Ineiner sich entwickelnden Krisensituationkann die Mobilmachungals politisches Mittel eingesetztwerden, um einem möglichenAggressor die Entschlossenheitzu demonstrieren, sichselbst zu behaupten und nichtklein beizugeben (konventionelleEskalationsdominanz / Abschreckung).9. Die Wehrpflicht sorgt dafür, dassdie Rekruten aus allen Bevölkerungs-und Bildungsmilieusherangezogen werden. Das Einberufungssalterund die Tatsache,dass (bisher) nur Männerdienen müssen, macht die Bundeswehrzu einer Art „Hohlspiegel“der Gesellschaft. Die Rek-25


BILD DES SOLDATENruten wollen und sollen von denVorgesetzten bzw. der Truppe soakzeptiert werden, wie sie sind– ein nicht zu unterschätzenderHygienefaktor in pädagogischerund psychologischer Hinsicht(Menschenführung).10. Die Bundeswehr setzt sich zu einemgrößeren Teil aus Zeit- undBerufssoldaten und aus einemgeringeren Teil aus Grundwehrdienstleistendenzusammen. DieWehrpflicht sorgt dafür, dass ausder Truppe heraus ein nicht unerheblicherTeil des Nachwuchsesfür den freiwilligen Dienstin den Streitkräften gewonnenwerden kann.11. Die Konzeption der Inneren Führungals eine von der Wehrpflichtnachhaltig beeinflusste und geförderte„Unternehmenskultur“sorgt dafür, dass die Streitkräfteder Bundesrepublik Deutschlanddemokratiefreundlich undgesellschaftsverträglich sind.Innere Führung überträgt dasMenschenbild des Grundgesetzesin die Bundeswehr undprägt entscheidend ihre innereVerfassung. Wehrpflichtige <strong>Soldaten</strong>wollen von der Notwendigkeitihres Dienstes und vonder Rechtmäßigkeit der Aufträgeimmer wieder neu überzeugtwerden, wenn von Ihnen verlangtwird, „der BundesrepublikDeutschland treu zu dienenund das Recht und die Freiheitdes deutschen Volkes tapfer zuverteidigen!“ (Legitimation, Information,Motivation). ❏Katholikenrat beim Katholischen Militärbischof für die Deutsche BundeswehrAufruf des Vorstandes zur Strukturreform der BundeswehrAufgabe des Katholikenrates beimKatholischen Militärbischof fürdie Deutsche Bundeswehr ist es, alsAngehörige der Streitkräfte in einemdemokratischen Staat Entwicklungenim gesellschaftlichen, staatlichenund kirchlichen Leben zu beobachtenund die Anliegen der Katholikendes Jurisdiktionsbereichs des KatholischenMilitärbischofs in der Öffentlichkeitzu vertreten.Die Bundeswehr steht vor großenHerausforderungen. Deshalb sollenin den nächsten Jahren ihre Strukturenauf größere Wirksamkeit imEinsatz ausgerichtet, zivile und militärischeFührungsorganisation gestrafftund bürokratische Hemmnisseabgebaut werden. Aufgaben, Fähigkeitenund Ausrüstung der Bundeswehrmüssen unter Berücksichtigungder verfügbaren Finanzmittel und imRahmen eines streitkräftegemeinsamenAnsatzes synchronisiert und dabeiunsere multinationalen Verpflichtungenberücksichtigen werden.Die Erwartungen des Katholikenratesan diese Strukturreform erwachsenaus der Perspektive deschristlichen Glaubens und enthaltenwichtige Ziele für die Gestaltung derzukünftigen Bundeswehr. Wir rufendazu auf, unsere Anliegen in der Arbeitder Kommission und bei der Umsetzungder Ergebnisse zum Wohleunserer <strong>Soldaten</strong> und ihrer Familienzu berücksichtigen:– bei der ethischen Bildung undWerteentwicklung der Soldatinnenund <strong>Soldaten</strong> unverändertdas christlich abendländischeMenschenbild zu Grunde zu legen;– die Themen der berufsethischenAus- und Weiterbildung in dieAusbildungspläne, insbesondereauch die der Truppen-, OffizierundUnteroffizierschulen, weiterhinfest zu integrieren und derenUmsetzung zu überprüfen;– flexible und innovative Strukturenmit dem Ziel zu entwickeln,weiterhin die Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf zu verbessernund so eine wichtige Voraussetzungfür eine nachhaltige Gewinnungvon qualifiziertem Personalfür die Bundeswehr zu erhalten;– die strukturellen und rechtlichenMöglichkeiten zu verbessern, damitSoldatinnen und <strong>Soldaten</strong>mit seelischen oder körperlichenVerwundungen im Dienst verbleibenkönnen, wenn sie dieswünschen;– die nachhaltige Fürsorge, Betreuungund Versorgung der Soldatinnenund <strong>Soldaten</strong> und ihrerFamilien, insbesondere auch derHinterbliebenen, sicherzustellen;– den häufig unterschiedlichenkulturellen Hintergrund der Soldatinnenund <strong>Soldaten</strong> in derBundeswehr zu respektierenund die sich daraus ergebendenChancen für interkulturelleKompetenz besser zu nutzen;– bezüglich der AllgemeinenWehrpflicht weiterhin die wichtigeKlammerfunktion zwischenStreitkräften und Gesellschaft zuverstehen und dabei die Wehrgerechtigkeitzu beachten;– den Sanitätsdienst der Bundeswehrso zu strukturieren, dasseine qualitativ hochwertige undangemessene medizinische Versorgungder Soldatinnen und<strong>Soldaten</strong> im Einsatz und an denHeimatstandorten gewährleistetist;– eine sachgerechte personelleund materielle Ausstattung derMilitärseelsorge sicherzustellensowie dabei die sich aus den Einsätzenund den Bedürfnissen der<strong>Soldaten</strong> und ihrer Familien anden Friedensstandorten ergebendenAufgaben in effektiverBalance zu halten;– die Rahmenbedingungen fürdas ehrenamtliche Engagementvon Soldatinnen und <strong>Soldaten</strong> inder Militärseelsorge weiterhinsicherzustellen.Beschlossen vom Vorstand desKatholikenrats beim KatholischenMilitärbischof für die Deutsche Bundeswehram 19.06.201026 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


RELIGION UND GESELLSCHAFT2. Ökumenischer Kirchentag„Damit ihr Hoffnung habt“Eindrücke vom 2. Ökumenischen Kirchentag in MünchenVON KLAUS LIEBETANZDas christliche Glaubensfest des 2. Ökumenischen Kirchentages vom 12.-16. Mai 2010 in München warmit 125.000 Dauerteilnehmern und ca. eine Million täglichen Teilnehmern bei den über 3.000 Einzelveranstaltungenwieder das größte geistige und geistliche Ereignis in Deutschland und wohl auch in Europa.Neben Gottesdiensten und täglichen Bibelarbeiten stand das Zusammenleben der vielfältigen christlichenOrientierungen und das verantwortliche Handeln der Christen heute in und für die Welt im Vordergrund. Alleswas Rang und Namen in Politik und Gesellschaft hat, einschließlich vieler prominenter Vertreter aus dem Ausland,war in München dabei. Der folgende Beitrag gibt einige (subjektive) Eindrücke vom 2. ÖkumenischenKirchentag wieder.Der Bundespräsident als Glaubenszeugeund MahnerBundespräsident Horst Köhler betontebei seinem Grußwort zur Eröffnungdieses großen Laientreffensauf der Theresienwiese, dass der 2.Ökumenische Kirchentag gerade zurrechten Zeit käme. Die Christen beiderKonfessionen seien verunsichertdurch Missbrauchsskandale innerhalbder Kirche und durch den Stillstandin der Ökumene. Er verwies aufdie großen Verdienste der Kirchen füreine soziale und humane Welt. Er riefdie Gläubigen auf, sich nicht entmutigenzu lassen, sondern als mündigeChristen Weltverantwortung zu übernehmenund sich für Fortschritte inder Ökumene einzusetzen.An die beiden Kirchen appellierteer, „eine neue innere Missionzu beginnen“. Es ginge dabei umdie spirituelle Selbstvergewisserungder Christen und um die Frage, wasChristsein in der Welt angesichts derHerausforderungen durch demografischenWandel, Klimaveränderung, Finanzkriseund anhaltende Armutsproblemein der 3. Welt bedeute. Im RheinischenMerkur (Nr. 19/2010) äußertesich der überzeugte evangelischeChrist wie folgt: „Bestimmt werdenwir in den kommenden Jahren nichtdas (wirtschaftliche) Füllhorn ausgießenkönnen. Wir stehen vor einer Phaseder Konsolidierung, nicht nur beiden Staatsfinanzen, sondern auch inBezug auf das Bewusstsein der Menschen.Die Grenzen der Biosphäreauf unserm Planeten zeigen Grenzenfür die Wünsche der Menschen auf.AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010Das muss man jedoch nicht nur alsVerzicht, als Einschränkung und alsNot begreifen. Diese Phase der Konsolidierungkann uns auch zu neuerSpiritualität führen, zu einem neuenBewusstsein für Harmonie und Übereinstimmungmenschlichen Lebensmit der Natur dieses Planeten. Wennwir das schaffen, muss unsere künftigeLebensqualität nicht schlechter seinals die heutige, die doch viel zu sehrvom materiellen „Immer mehr“ geprägtist. Wohlergehen erwächst nichtnur aus Konsum. Der Mensch lebtnicht nur vom Brot allein. Er brauchtmenschliche Zuwendung, Empathie.Gerade da liegt manches im Argen.Die Menschen vereinsamen in einerWohlstandsgesellschaft. Immermehr fühlen sich trotz wirtschaftlichenWachstums nicht mehr gebraucht undwerden mit sozialpolitischer Alimentierungruhiggestellt. Ich glaube, einUmdenken ist nötig. Es kann unsermLand auch neue seelische Kraft bringen“.Erschöpft und ausgebrannt!Was tun?Im Geistlichen Zentrum auf demMessegelände gab es eine interessanteVeranstaltung mit einem derStars des Kirchentages, Pater Dr. AnselmGrün von der Benediktiner-AbteiMünsterschwarzach. Die Halle warwie immer, wenn der Benediktiner mitseinem Rauschebart auftritt, vor Beginnder Veranstaltung wegen Überfüllunggeschlossen und stand unterdem Thema „Selber dürsten und anderndas Wasser reichen. Darf Kirchebeschädigt sein?“. Vorbereitet wurdedas Podium vom katholischen Recollectio-HausMünsterschwarzach unddem evangelischen Haus Respiratio,Rödelsee. In beiden Häusern werdenkatholische und evangelische Geistlichebis zu einem halben Jahr lang therapiert,wenn sie erschöpft und ausgebranntsind und unter Versagenssyndromenleiden. Die Häuser liegennur 20 km voneinander entfernt. Siesind die einzigen Einrichtungen dieserArt in Deutschland. Das Recollectio-Hauswird von Pater WunibaldMüller geleitet. Er hat neben Theologieund Philosophie auch Psychologiestudiert und ist Autor zahlreicher einschlägigerBücher. Er wird von seinemMitbruder Pater Anselm Grün unterstützt.Das evangelische Haus Respiratiowird u.a. von Schwester IngridTabea Lutz geleitet, die einer evangelisch-benediktinischenSchwesternkongregationangehört, die auchdie Einrichtung betreibt. Das „Burnout-Syndrom“(med. Erscheinungsformder völligen seelischen u. körperlichenErschöpfung) ist natürlichnicht nur auf Geistliche beschränkt,sondern ist eine alltägliche Erscheinungin unserm anstrengenden undperfektionierten Berufsleben. Abergerade für Geistliche, welche die frohmachendeund befreiende Botschaftdes Evangeliums zu verkünden haben,ist es besonders bitter, an dieserAufgabe zu scheitern und deshalb anVersagenssyndromen zu leiden.Im Folgenden ein kleiner Ausschnittder Erkenntnisse aus dieserVeranstaltung:27


RELIGION UND GESELLSCHAFT– Das Abenteuer Leben geschiehtnicht ohne Beschädigungen (PaterWunibald).– Sich selbst kennenlernen und einLeben lang annehmen.– Das eigene Selbstbild nicht idealisieren.– In der eigenen Krise eine Chancesehen.– Die Arbeit für Gerechtigkeit darfnicht zur Selbstdarstellung undzur Machtausübung führen.– Bei Überarbeitung muss abgerüstetwerden.– Eigene Bedürfnisse dürfen aufDauer nicht unterdrückt werden.– Wichtig sind persönliche Beziehungenzu den Mitmenschen.Kein Einzelgänger werden.– In schwierigen Situationen Geduldhaben und auf die PhantasieGottes vertrauen.Das Phänomen Anselm GrünPater Anselm spricht immer freiund authentisch. Er kann tiefe religiöseGedanken einfach und verständlichdarlegen. Es ist immer faszinierend,ihm zuzuhören. Der Benediktiner hatzusätzlich Betriebswirtschaft studiertund leitet als Cellar (Kellermeister)den Betrieb Kloster Münsterschwarzachmit ca. 120 Mitarbeitern. Er hältu.a. Vorträge bei Managern und istder meistgelesene geistliche Autor inDeutschland und hat zahlreiche Bücherin Millionenauflage verfasst. Esist ein erstaunliches Phänomen, dassein sog. mittelalterlicher Klostermannder modernen Welt etwas zu sagen hat.Margot Käßmann, der „Popstar“des KirchentagesMargot Käßmann ist wieder da.Bei ihrer ersten morgendlichenBibelarbeit in der überfüllten HalleC2 des Messegeländes wurde sie mitminutelangem Beifall begrüßt. AmAbend feierte sie im Dom zu UnsererLieben Frau mit musikalischer Begleitungvon „Evas Schwestern“ ausDresden einen ökumenischen Frauengottesdienstmit dem Thema: „Vor unsdie Sintflut? Mit der Erde leben. GottesBund trauen“. Der Dom war bis aufden letzten Stehplatz randvoll. In ihrerPredigt beklagte sie die unersättlicheGier der Börsenmakler und HedgeFonds, welche die Weltwirtschaft anden Rand einer Katastrophe gebrachtund in der 3. Welt infolge der Globalisierunggroßes Elend verursacht hätten.Darunter hätten besonders dieFrauen in der 3. Welt zu leiden, weildiese die Leistungsträger ihrer Familienseien. Käßmann sprach sich fürGeburtenkontrolle aus und lobte dieVorzüge der Anti-Baby Pille, die fürviele zunächst etwas Anrüchiges gehabthabe. „Wir können sie aber auchals Geschenk Gottes sehen“. Sie verhelfeden Frauen zu einem selbstbestimmtenLeben und vermeide ungewollteSchwangerschaften. Vor ihrerPredigt hatte eine Wissenschaftlerinvom Potsdam Institut für Klimaforschungauf die ernsten und katastrophalenFolgen des Klimawandels fürdie 3. Welt hingewiesen, wenn dieVerantwortlichen in Politik und Wirtschaftnicht endlich mit entschiedenenMaßnahmen gegensteuern.Das Phänomen Margot KäßmannKäßmanns Redestil ist locker undsouverän. Sie fügt immer wieder kleineAnekdoten ein, welche die Zuhörerzum Lachen bringen. Sie spricht dieSprache unserer Zeit. Dabei ist sienicht ganz frei von Populismus. IhrePredigt oder Bibelarbeit wird immerwieder vom Beifall unterbrochen. Siespricht den Zuhörern aus der Seeleund gelegentlich nach dem Munde.Sie sieht den <strong>Auftrag</strong> der Kirche wenigerin der spirituellen Anleitungder Gläubigen, sondern vielmehr imweltlichen „Engagement“. Das unterscheidetsie von Anselm Grün. Sie istgeprägt von der christlich-amerikanischenBefreiungs- und Protestbewegung.Das Persönliche spielt beiKäßmann immer eine große Rolle.Die Schilderung ihrer eigenen, zumTeil schmerzlicher Erlebnisse und Befindlichkeitenmacht es vielen Menschenleicht, sich mit ihr zu identifizieren.Sie ist zu einem Hoffnungsträgervieler engagierter Christen inder Evangelischen Kirche geworden.Eine Münchner Zeitung titelte amzweiten Tag des Kirchentages „MitKäßmann macht der Glaube wiederSpaß“. Man kann Margot Käßmannmit Recht wegen mancher ihrer überspitztenÄußerungen kritisieren; abersie gehört sicher zu den wenigen Kirchenvertretern,die in der Lage sind,alle Generationen anzusprechen undzu begeistern.Der vergessene Krieg im KongoZum vergessenen Krieg im Kongogab es zwei Veranstaltungen aufdem Kirchentag. Das eine Podium wurdedurch das „Ökumenische Netz Zentralafrika“(ÖNZ) und das andere durchdie „Gemeinsame Konferenz Kircheund Entwicklung“ (GKKE) vorbereitet.Beide Podien waren mit anerkanntenMenschenrechtlern und Kirchenvertreternaus der DR Kongo besetzt.Schwester Marie Bernard Alima,die Leiterin des Sekretariats „Friedeund Gerechtigkeit“ der NationalenBischofskonferenz der DR Kongobeklagte sich über die Untätigkeit derEuropäischen Union gegenüber denschweren, systematischen Menschenverletzungenin der DR Kongo, als hättendie Europäer nichts aus dem Holocaustgelernt. Sie wies darauf hin,dass 80% der Coltan-Produktion ausdem Ostkongo komme und für die Handyherstellungunerlässlich sei. DiesesColtan werde von regulären <strong>Soldaten</strong>,Milizen und Rebellengruppen mit Hilfeder lokalen Bevölkerung gewonnen.Im gegenseitigen Kampf um die Rohstofflagerwerde brutale sexuelle Gewaltgegen Frauen und Mädchen bishin zur Tötung als Mittel der Kriegsführungangewendet. An jedem Handyin Europa klebe das Blut der kongolesischenFrauen und Mädchen, führtedie Schwester aus.Dr. Denis Mukwede, der medizinischeDirektor vom Panzi-Hospitalin Bukavu (Südkivu) berichtete, dassallein 2009 ca. 3000 Frauen und Mädchenmedizinisch behandelt werdenmussten, die Opfer der brutalen Attackenvon regulären <strong>Soldaten</strong>, Milizenund Rebellen geworden seien. Insgesamtseien im Ostkongo in 2009 ca.41.000 Frauen und Mädchen Opfer sexuellerGewalt geworden. Dr. Mukwedevertrat ferner die Auffassung, dass einbaldiger Abzug der UN-SchutztruppeMONUC das Ausmaß der menschlichenKatastrophe noch bedeutend erhöhenwürde.Schwester Marie Bernard berichteteauch über positive Entwicklungenim Zuge der kongolesischen Wahlen in2006. Die Kirchen hätten insgesamt110.000 Wahlhelfer ausgebildet. Daraushätten sich Netzwerke zur Förderungder Demokratie in der DR Kongoentwickelt. Diese sollten von Europaaus unterstützt werden.28 AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010


RELIGION UND GESELLSCHAFTDr. Christian Ruck, der stellvertretendeVorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuständigfür Entwicklungspolitik, sprach sichbeim zweiten Podium der GKKE dafüraus, ein Tabu der Entwicklungshilfezu brechen, nämlich aus Entwicklungsmittelneinen Teil des Soldesder <strong>Soldaten</strong> der regulären kongolesischenStreitkräfte angemessen zubezahlen. Dadurch könnten die kaumoder überhaupt nicht besoldeten <strong>Soldaten</strong>davon abgehalten werden, dieZivilbevölkerung durch Plünderungund Vergewaltigung zu unterdrücken.Diese „Incentives“-Zahlungen (Zusatzzahlungen)müssten allerdings unabhängigkontrolliert werden, damitdie Zahlungen nicht auf dem Wegezum einfachen <strong>Soldaten</strong> und derenFamilien in den Taschen von Vorgesetztenverschwänden. Dies solltesolange im europäischen Rahmengeschehen, bis die kongolesische Regierungin der Lage sei, genügend finanzielleMittel aus der Gewinnungund Besteuerung von Rohstoffexporten(Coltan, Gold, Diamanten undKupfer) zu generieren. Die kongolesischeRegierung werde schon jetztvom deutschen Bundesministeriumfür Wirtschaftlichen Zusammenarbeitund Entwicklung (BMZ) durchTransparenzmaßnahmen mittels dergeologischen Fingerabdrucks unterstützt(Vgl. AUFTRAG 277 S. 11f.„Katastrophale Menschenrechtslageim Ostkongo“).AUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010Der Friede ist möglichSamuel P. Huntington vertritt in seinemweltbekannten Buch „Kampfder Kulturen – Die Neugestaltung derWeltpolitik im 21. Jahrhundert“ dieThese, dass aus dem Ende der westlichenVorherrschaft neue Konflikteglobalen Ausmaßes erwachsen. Diezukünftigen Fronten beruhen nichtmehr auf politischen, ideologischenoder ökonomischen Gegensätzen, sondernverliefen zwischen den großenWeltkulturen. Derzeit vorherrschendsei der antagonistische Gegensatzzwischen der westlichen und islamischenWelt (vgl. AUFTRAG 252/253S. 71ff.). Dieser These widersprachder bekannte amerikanische FriedensforscherProf. Dr. Amitai Etzioniauf dem Podium „Der Friede istmöglich“ anlässlich des Kirchentages.Nach seiner Auffassung gehe esnicht um einen Kampf der Kulturen,sondern dieser Kampf verlaufe innerhalbder Kulturen, nämlich zwischenden moderaten Vertretern einer Kulturund/oder Religion und extremenVertreter derselben. Es gehe also nichtdarum Krieg gegen ganze Kulturenoder Religionen zu führen, sonderndie moderaten Kräfte zu gewinnen. Soführten Deutschland und die NATOin Afghanistan nicht einen Krieg gegenden Islam, sondern sie bekämpftendie radikal-islamischen Taliban,also auch nicht alle, die sich Talibannennen. Ferner vertritt Etzioni dieMethode der kleinen Schritte bei Verhandlungen,die viel Geduld erfordert;jedoch in der Regel nachhaltig sei.Barack Obama – Ein tiefgläubigerChristAm vorletzten Tag des ÖkumenischenKirchentages hielt Prof.Dr. Mark S. Burrows aus Chicago eineBibelarbeit. Der vorgegebene Text(Mt 25,31-46) befasste sich mit demGleichnis Jesu vom Weltgericht. „Wasihr für einen meiner geringsten Brüdergetan habt, habt ihr mir getan“.Burrows erläuterte in verschiedenenBeispielen, wie die Gläubigen den unsichtbarenGott konkret im Mitmenschenerfahren können.Zu Beginn der Bibelarbeit erwähnteer bei seiner eigenen Vorstellung,dass er Mitglied der „UnionChurch of Christ“ in Chicago sei undzur selben Gemeinde wie Barack Obamagehörte. Der Autor dieses Beitragesfragte Professor Burrows, wasdessen Meinung von Obama sei. Dieserschilderte ihn als tiefgläubigenChristen. Das deckt sich mit der Aussagevon Jim Wallis, einen wichtigengeistlichen Berater von Barack Obama,den der Autor auf dem Kirchentagin Bremen sprechen konnte (Vgl.AUFTRAG 277 S. 10 „Widerstand gegenReformen in den USA – Obamaschristliche Ziele“). Wegen Obamaszweiten Vornamens, Hussein, den ihmsein indonesischer Stiefvater gegebenhatte, waren Zweifel aufgekommen, ober überhaupt Christ sei.Ökumene und gemeinsamesAbendmahlAuch auf dem 2. ÖkumenischenKirchentag konnte man wie inBerlin 2003 feststellen, dass dieChristen verschiedener Konfessionsich näher gekommen sind undein Hoffnungszeichen christlichenHandelns gegeben haben. Dies zeigtesich besonders beim Treffen desForums „Miteinander für Europa“,einem internationales Netzwerk vonrund 250 christlichen Bewegungenund <strong>Gemeinschaft</strong>en in ganz Europa.Es entstand 1999 und verbindetevangelische, katholische, anglikanischeund orthodoxe Christenebenso wie Mitglieder von Freikirchenund neuen Gemeinden. Auchder gemeinsame Stand. der „<strong>Gemeinschaft</strong>Evangelischer Soldatinnenund <strong>Soldaten</strong>“ (GES) und der„<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>“(GKS) war ein Zeichen der ökumenischenZusammenarbeit.Typisch für Kirchen- und Katholikentageist die Erfahrung, dassman nach einem längeren geistlichenGespräch mit einem zunächstunbekannten Gegenüber schließlichfragt: „Und welcher Konfessiongehören Sie an?“. Die geistigeTrennlinie verläuft eher innerhalbals außerhalb der Konfessionsgrenzen(Vgl. Prof. Etzioni).Die Frage nach gemeinsamenEucharistiefeiern wurde häufigergestellt. Auf Podien wurde die Forderungeher von evangelischer Seitevorgetragen. Hier spielt wohl derenAnerkennung als Kirche eine nichtunbedeutende Rolle. Der Vorsitzendeder katholischen DeutschenBischofskonferenz, der FreiburgerErzbischof Robert Zollitsch, sagtedazu: „Ich verstehe die Sehnsucht,ich verstehe die Ungeduld“. Dennochmahnte er Geduld an, dennFortschritte in der Abendmahlsfragemüssten theologisch sorgfältig vorbereitetsein.Hier könnten z.B. Lutheranerund Katholiken zu einer gemeinsamenLösung kommen, wie beider „Gemeinsamen Erklärung zurRechtfertigungslehre“ von 1999 inAugsburg. Viele wünschten, dassdies bis zum nächsten ÖkumenischenKirchentag möglich sein sollte.Abschließende BemerkungenDas Glaubensfest des 2. ÖkumenischenKirchentages hat wieder er-29


Beim Einzug für den Ökumenischen Friedensgottesdienstvon links: Erzabt Jeremias Schröder OSB, EvangelischerMilitärbischof Dr. Martin Dutzmann, <strong>Katholischer</strong>Militärgeneralvikar Walter Wakenhut.Der gemeinsame Stand der GKS und der GES warimmer gut besucht, viele interessante Gesprächekonnten geführt werden.VerteidigungsministerKarl-Theodor zuGuttenberg imGespräch mit Dr. (hc)Susanne Kastner,MdB (SPD) auf dem2. ÖkumenischenKirchentagZufriedene Gesichter nach dem Podium von links:<strong>Katholischer</strong> Militärgeneralvikar Walter Wakenhut,General Karl-Heinz Lather, Wehrbeauftragte desDeutschen Bundestages Hellmut Königshaus,Brigadegeneral Johann Berger.Immer gern gesehene Gäste: derehemalige Wehrbeauftragte ReinholdRobbe, Brigadegeneral Johann Berger,stellvertretender Befehlshaber WehrbereichIV, Hellmut Königshaus, der neueWehrbeauftragteDer Vorsitzende der GES StFw RalfSiegmann im Gespräch mit demehemaligen Wehrbeauftragten ReinholdRobbe30Militärgeneralvikar ApostolischerProtonotar Walter Wakenhutbei dem ökumenischenFriedensgottesdienst in derkatholischen Kirche St. Gertrudin München


RELIGION UND GESELLSCHAFTleben lassen, dass die <strong>Gemeinschaft</strong>der Gläubigen lebendig und ewigjung ist, weil Jesus Christus ewigjung ist und in der Mitte der Gläubigenerfahrbar wurde. Auch wennder Teilnehmer in seine gewohnteUmgebung zurückkehrt, wo engagierteChristen eher in der Minderzahlsind und die Masse der Zeitgenossendem Glauben mit Desinteressebegegnen, ist er nicht mehrallein und scheinbar auf verlorenenPosten.Parallel zum Vertrauensverlustder hierarchisch verfassten Amtskircheund zum Rückgang der Zahltraditioneller Gläubiger haben sichin der Kirche fast unbemerkt neue„Geistliche Bewegungen“ kraftvollund lebendig entwickelt. Das ist einZeichen der Hoffnung und des Aufbruchsund für viele ein untrüglichesZeichen, dass der Heilige Geistin der Kirche wirkt. ❏Marx: Katholische Soziallehre will mehr als nur Werte fordernDie katholische Soziallehre darfaus Sicht des Münchner ErzbischofsReinhard Marx nicht als bloßeEthik verstanden werden. „Ich binimmer skeptisch, wenn Leute einfachWerte fordern, denn Werte fordern istbanal und einfach“, sagte Marx am 2.Juli in Dortmund. Dagegen vermittledie kirchliche Soziallehre darüberhinaus ein dezidiertes Menschenbildund ein gesellschaftliches Ordnungsmodell.Ihre Grundsätze müssten aberheute so formuliert werden, dass siein einer vielfältigen Gesellschaft nichtnur für Christen zugänglich und verbindlichsein können.In seiner Sozialenzyklika habePapst Benedikt XVI. verdeutlicht,dass das Leben ein Geschenk sei undkein Verdienst, so der Erzbischof.Daraus resultiere, dass auch die Güterder Welt und die Ressourcen derSchöpfung der gesamten Menschheitzugänglich sein müssten. Dies sei jedochin den vergangenen Jahren durchdie „Ideologie des reinen Markts“ inden Hintergrund gedrängt worden. Erwünsche sich anstelle eines Kapitalismusim herkömmlichen Sinn gleichberechtigteAkteure auf den Märkten,die Tugenden und Regeln unterworfensein müssten, sagte Marx. Zu derVeranstaltung hatte das Sozialinstitut„Kommende“ des Erzbistums Paderborneingeladen, dessen DirektorMarx über Jahre war, sowie die Bankfür Kirche und Caritas im ErzbistumPaderborn.Bei dem Unternehmertreffen verliehendie Bank und die „Kommende“den Unternehmerpreis „ErfolgreichNachhaltig 2010“ an den Gründerder SuperBioMarkt AG, Michael Radau(49). Das 1985 gegründete Unternehmenhabe mit seinem Angebotdie Zielgruppe für ökologisch nachhaltigeProdukte erheblich ausgeweitet,hieß es zur Begründung. Zudemhabe es durch langfristige und faireKonditionen die regionale und überregionaleökologische Landwirtschaftgestärkt. Auch seien durch gezielteAktionen Schulkinder über ausgewogeneErnährung informiert worden.Die SuperBioMarkt AG unterhält derzeit15 Filialen in Nordrhein-Westfalen.(KNA)Mehr Einsatz für die ReligionsfreiheitDie Bundesregierung soll zukünftig regelmäßig einen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit in der Welt vorlegen.Das fordern die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP in einem gemeinsamen Antrag, der indieser Woche im Bundestag beraten wird. Weltweit nehme die „Diffamierung von Religion“ zu, heißt esin dem vierseitigen Papier, der Einsatz für die Glaubensfreiheit müsse Teil einer „kohärenten Außen- und Entwicklungspolitik“sein.Der Deutsche Bundestag widmetdem Thema Religionsfreiheit indieser Woche eine ausführliche Debatte.Initiiert wurde die Ausspracheunter anderem vom Menschenrechtsausschuss.Doch zu einem gemeinsamenVorgehen konnten sich die Parlamentarierdort nicht entschließen.Auf die Initiative der Koalition reagierendie Grünen mit einem eigenenAntrag. Aus ihrer Sicht wird dieVerteidigung der Religionsfreiheit zustark am Thema der Verfolgung vonAUFTRAG <strong>279</strong> • AUGUST 2010Christen festgemacht. Vielmehr müssees generell um die Verteidigungder grundlegenden Menschenrechtegehen, heißt es bei der grünen Opposition.Dazu gehöre auch, die Fragevon Meinungs- und Religionsfreiheitim eigenen Land in Augenschein zunehmen. In der Debatte wird VolkerBeck, parlamentarischer Geschäftsführerder Grünen, zu dem Themasprechen.Die Union will hingegen geradeauf die Christenverfolgungaufmerksam machen. Christen seiendie am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft,so FraktionschefVolker Kauder (CDU) in einemKNA-Interview. „Wir Christen müssensolche Menschenrechtsverletzungenan Christen noch klarer benennen.“Der Forderungskatalog andie Bundesregierung hat 11 Punkte.Unter anderem soll auch die europäischeEbene sich stärker mit demSchutz der Religionsfreiheit befassen.❏31


BLICK IN DIE GESCHICHTEZeitgeschichte − 50 Jahre BundeswehrGerhard Schröder,der siebte Bundeskanzlerund die Bundeswehr (1998 bis 2005)Zweckbündnis mit einer fremden WeltVON DIETER KILIANAls Gerhard Fritz Kurt Schröderam 7. April 1944 in Mossenberg– 10 km ostwärts von Detmold– als Sohn des KirmesarbeitersFritz Werner Schröder (1912-1944)und dessen Frau Erika (* 1913; geb.Lauterbach) 1 geboren wurde, kämpftesein Vater als Soldat in der Ukraine.Der aus Leipzig stammende Mann warMitte der dreißiger Jahre mit der jungenFrau aus Magdeburg nach Westfalengezogen.Im Mai 1940 wurde Fritz Schröderin das 80 km entfernte Soest zu seinemStammtruppenteil, der 3. Schwadronder Fahr-Ersatz-Abteilung 6 unterOberstleutnant Kreuth, in der KaserneWilhelmsberg eingezogen; siegehörte zur Division 166. Im Februar1941 wurde er zur Bäckerei-Kompanie306 2 versetzt, bei der er bis1943 blieb. Die Kompanie unterstanddem Nachschubführer der Rheinisch-Westfälischen 306. Infanteriedivision(ID). 3 Mit dieser war Schröder ab Februar1941 fast zwei Jahre zum SchutzNordseeküste beiderseits Ostende inBelgien stationiert. Doch im Dezember1942 wurde sein Großverbandunter dem General der Artillerie GeorgPfeiffer (1890-1944; Eichenlaub) 41 Aus dieser Ehe stammt noch SchwesterGunhild (* 1940).2 Etwa 150 <strong>Soldaten</strong> mit fünf bespanntenoder auch von LKW gezogenen und mitHolz zu befeuernden Feldbacköfen und2 Wassertankwagen. Eine Bäckerei-Kphatte eine Kapazität von 12.000 Broten(je 1,5 kg) pro Tag.3 Sie war im November 1940 in Hamm(Wehrkreis VI) aufgestellt worden.4 Kommandeure der 306. InfDiv warenu. a: Generalleutnant Theobald Lieb(Feb/Mar 1943), General der KavallerieKarl-Erik Köhler (Mar 1943-Jan 1944),Generalmajor Karl Bär (Jan 1944) undab Mitte Januar 1944 erneut GeneralKöhler.bei 28 Grad minus an den Don-Bogenim Südabschnitt der Ostfront zur ArmeegruppeHollidt verlegt. Zu dieserZeit war der Kessel von Stalingradbereits geschlossen, und auchSchröders Division wurde – obwohlweiter im Westen – über Weihnachten1942 am Don im Raum Millerovo inschweren Kämpfen nahezu aufgerieben.Wegen der hohen Verluste wurdeder Tross „ausgekämmt“ und dessen<strong>Soldaten</strong>, darunter auch Schröder, am10. Mai 1943 zur 10. Kompanie desGrenadierregiments 580 versetzt, dasebenfalls zur 306. ID gehörte.Schröder wurde zum Infanteristen,zum Kämpfer. Sein Regimentskommandeurwar zunächst Major d.R.Curt Ludwig Ehrenreich von Burgsdorff(1886-1962; Ritterkreuz) undab März 1944 Oberstleutnant HeinrichBusse (1909-1998; Eichenlaub).Im Sommer 1943 war Fritz Schröderzum letzten Mal auf Heimaturlaub.Als er an die Ostfront zurückkehrte,stand sein Regiment 580 im Rahmender Heeresgruppe A 5 zwar in heftigenAbwehrkämpfen, aber die Lagewar noch stabil. Das Weihnachtsfest1943 verbrachte Schröder im BrückenkopfNikopol am Dnjepr – versorgtmit zwei Schachteln Zigaretten,Tee mit Rum, einem Frontkämpferpäckchenund Feldpost von Daheim.Doch dann musste sich die Truppe –Schritt für Schritt zurückgedrängt –in Schnee und Eis, bisweilen aberauch auf grundlosen Schlammwegendurch den Süden der Ukraine kämpfen;am 23. März 1944 überquerte sieden Bug. Nur wenige Monate später,5 Sie war im August 1942 durch dieAufteilung der bisherigen HeeresgruppeSüd gebildet worden.im Sommer, verlief die Front über 800km weiter westlich.Am 12. April erreichte SchrödersRegiment den 7 km breiten Dnjestr;beim Übersetzen mit Sturmbooten –eine Fahrt dauerte 18 Minuten – griffenFlugzeuge an. Rumänien lag nunvor und Russland hinter ihnen, dochdie Strapazen waren keineswegs zuEnde. Die deutsch-rumänische Heeresgruppe– im April 1944 in „Südukraine“6 umbenannt, obwohl derName längst Makulatur war – versuchteunter Generaloberst Hans Frießner(1892-1971; Eichenlaub), Rumänienmit insgesamt 650.000 Mann gegendie immer schneller vorrückende RoteArmee zu verteidigen. Die Frontbreitevon fast 1.000 km spannte sich vonden Ostkarpaten über Jassy bis zumSchwarzen Meer. Die Heeresgruppebestand aus der 6. (ArmeegruppeFretter-Pico) und der 8. Armee (ArmeegruppeWöhler), dem XXIX. Armeekorps,sowie rumänischen undslowakischen Großverbänden. Schröders306. InfDiv gehörte zum XXX.Armeekorps 7 und bildete südlich vonTirasopol entlang des Dnjestr denrechten Flügel der 6. Armee. Ihnenstanden zwei sowjetische Heeresgruppen(= Front) mit 90 Schützendivisionen,1.400 Panzern und Sturmgeschützensowie 1.700 Flugzeugen gegenüber.Alle Anträge, frühzeitig aufungarisches Gebiet auszuweichen,waren von Hitler 8 kategorisch abge-6 Am 5. Sept. 1944 wurde sie erneutumbenannt: „Heeresgruppe Süd“..7 KG war Generalleutnant Georg Postel(1896-1953) und Chef des StabesOberst i.G. Joachim Clauss (1900-1944), der Vater des späteren Vier-Sterne-Generals der Bundeswehr,Dieter Clauss (* 1934).8 So z.B. in der „Südost“-Besprechung32 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTElehnt worden. Und so war die Katastrophevorprogrammiert: Die 6. Armeewurde im Raum Kishinev eingekesseltund fast vollständig vernichtet.Bereits am 1. Tag des sowjetischenGroßangriffes am 20. August 1944verlor Schröders Division im Flussbogendes Botna durch Trommelfeuerder 37. sowjetischen Armee dieHälfte ihrer <strong>Soldaten</strong>. Drei Tage späterwurde der rumänische StaatschefMarschall Ion Antonescu (1882-1946)gestürzt. 9 Der ehemalige Verbündeteerklärte Deutschland den Krieg, undnun waren die Versprengten nicht nurvon sowjetischen, sondern auch vonrumänischen Truppen bedroht. DieReste der Division, darunter auchSchröder, schlugen sich mühsam zuFuß über 400 km in Kleingruppennach Westen bis in den Raum Klausenburgdurch – zunächst über denbreiten Pruth und dann über die steilenBerge der Ostkarpaten.Mit einer weiträumigen Zangenbewegungumfassten die 2. und 3. UkrainischeFront die stark geschwächte8. Armee von Südosten. Die sowjetischeÜberlegenheit lag in Durchbruchsabschnittenbei 6 : 1 und dieArtilleriedichte bei 240 Geschützenpro Kilometer. 10 In der „Hölle Rumänien“vollzog sich eine Katastrophe,jener von Stalingrad vergleichbar, 11nur zu einer anderen Jahreszeit. Innerhalbvon drei Wochen verlor dieWehrmacht mehr <strong>Soldaten</strong> als dieheutige Bundeswehr stark ist. 12 FritzSchröder stand – obwohl mit mehr alsvier Jahren an der Front ein erfahrenerund tapferer Soldat – auf verlorenemPosten. Es gab es keine geordnete Verteidigungund wegen fehlender FernimFührerhauptquartier am 23. August1944.9 In fataler Fehleinschätzung beurteiltedie deutsche Gesandtschaft in Bukarestunter Manfred Frhr. von Killinger(1886-1944/ Freitod) – anders als dieTruppe – die innere Lage Rumäniensbis kurz vor dem Umsturz als stabil.„Das rumänische Volk und die rumänischeArmee stehen wie ein Mann hinterdem Marschall“ (= Antonescu), soHitler noch am 24. Juli 1944 zu GeneraloberstFrießner (Kissel, Hans a.a.O.S. 17).10 Hnílícka, Karl Das Ende auf dem Balkan1944/45 S. 50.11 Schiebold, Kurt Opfergang in RumänienS. 134.12 Gem. KTB: 5 Korps-Stäbe und18 Divisionen.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010meldeverbindungen auch keine einheitlicheFührung mehr – Zeichen derAuflösung. So legte am 29. August derKommandierende General des XXIX.Armeekorps die Führung nieder undBild 2: Fritz Schröder, Obergefreiter.gab den Divisionen Handlungsfreiheit.Schröders letzte Monate warendie schlimmsten seines Lebens. DieVernichtung seines Regiments 580 imAugust hatte er überlebt und war beimDurchschlagen nach Westen auch derGefangennahme entkommen. Als sichdie versprengten Truppen im Septemberim Raum Klausenburg sammelten,wurde er einem ad-hoc-Verband, der„Kompanie Stange“ im „AlarmbataillonWitzel“, zugeteilt, 13 das dem Grenadierregiment203 (ursprünglich 76.ID) unterstellt war. Der fällige Heimaturlaubkonnte nicht angetretenwerden. Das Regiment verteidigte ImRahmen der „Kampfgruppe von Kessel“14 (20. Panzerdivision) ab dem 24.September im Raum Klausenburg –Thorenburg. 15 unter der Führung von13 Brief der Truppe vom 6.10.1944 anEhefrau Erika Schröder. Der Verband istnach Hauptmann Heinz Witzel (1917-1992; später Major), dem Kommandeurder Heeres-Flak-Artillerie-Abteilung276 der 14. PzDiv, benannt. Obwohldieser bereits Ende August 1944 zurHeeresgruppe Nord verlegte (Geschichteder 14. PzDiv, S. 238), wurde derName beibehalten.14 General der Panzertruppen Mortimervon Kessel (1893-1981).15 Siehe: Löser, Jochen Bittere Pfl icht S.399 ff.Oberstleutnant Busse, 16 Schröders altemKommandeur bei 580. Es bestandaus 6 Bataillonen (darunter daseinzige Fallschirmjägerbataillon desHeeres und der Alarmverband Witzel).Die zusammengewürfelte Truppesollte in einem 15 km breiten, d.h. überdehnten Abschnitt den Aufbaueiner neuen HKL (Hauptkampflinie)in Ungarn sichern Doch die Mittel dafürfehlten: es gab nur wenige Panzerund Geschütze, kaum Munition, dafürHunger und Durst, Gefallene inMassengräbern, kein Verbandszeug.Die oberste Führung nahm dies wieso oft nicht zur Kenntnis. 17 Dennochleistete die Truppe erbitterten Widerstand– nicht für Hitler, sondern um zuüberleben. Es war vergebens. Als derObergefreite Fritz Schröder (Bild 2)am 4. Oktober 1944 auf einer Höhe 18bei Pusztacsan (heute: Ceanu Mic) –ca. 30 km südostwärts von Klausenburg– mit zweiunddreißig Jahrenfiel, 19 standen südlich davon sowjetischeAngriffsspitzen schon in derungarische Tiefebene. Emil Schröder,Gerhard Schröders Onkel, der ebenfallsSoldat war, überlebte den Krieg.Vater und Sohn sind sich niemalsbegegnet, ein Schicksal, dasSchröder mit Vielen teilt. „Für mich“,sagte Gerhard Schröder der „InternationalHerald Tribune“, „existierte derVater eigentlich nicht“. 1978 wurdeder Ort, in dem Fritz Schröder mitacht Kameraden seine letzte Ruhe16 Busse hatte das GrenRgt 203 im September1944 übernommen. Als er am04.10. schwer verwundet wurde – er lagbis Kriegsende im Lazarett – übernahmes Major Franz Knapp (schwere Panzerabteilung663). Busse diente ab 1956in der Bundeswehr und schied 1967 alsOberst aus.17 Rumänien wurde im Wehrmachtsberichtvom 01.09.1944 nicht mehr erwähntund Schröders alte 306. InfDiv am 9.Oktober 1944 offiziell aufgelöst. Die 6.Armee bestand Ende Oktober nur nochaus 20 zusammengewürfelten Einzel-Bataillonen (siehe: Hinze, Rolf: Hitze,Frost und Pulverdampf, S. 326).18 Um welche Höhe es sich genau handelte,ist unbekannt. Die Gefechtsberichteder 23. PzDiv nennen z.B. die Höhen371, 425, 429, 453 bei Thorenburg) unddie Höhe 627 bei Tureni.19 In den Medien wurden Augenzeugenzitiert, die von einem Beschuss durchMehrfachraketenwerfer (die sog.„Stalin-Orgel“ – russ. „Katjuscha“),berichteten, was für reguläre Kampfhandlungenspricht.33


BLICK IN DIE GESCHICHTEfand, die rumänische Ortschaft CeanuMare südöstlich von Klausenburg, gefunden,aber erst 2001 erfuhr die Familiedavon. Am 12. August 2004 besuchteSohn Gerhard die Grabstätte. 20Nur ein Bild – auf dem Schreibtischplatziert – ist geblieben: ein jungerMann mit unverkennbar „Schröderschen“Zügen blickt melancholischunter dem Stahlhelm mit Reichsadlerund Hakenkreuz.Die alleinerziehende Muttermusste nach dem Krieg ihren Lebensunterhaltfür sich und ihre fünf Kinderdurch schwere Arbeit verdienen. Sielernte den landwirtschaftlichen HilfsarbeiterPaul Vosseler (1906-1966)kennen und heiratete ihn 1947. 21Auch er war Soldat gewesen 22 ; frühan Tuberkulose erkrankt, verbrachteer lange Zeit in Lungenheilanstalten.Es waren harte Kinder- und Jugendjahre– zunächst in Bexten bei BadSalzuflen und ab 1956 in Talle-Osterhagen23 nördlich von Lemgo. Und sowerden sie in Schröders Erinnerungennur gestreift, Eltern und Großelternbleiben gänzlich im Dunkel.Der Großvater väterlicherseits,Emil Hermann Schröder (1887-1946)aus Naumburg an der Saale, hatte von1909 bis 1911 seinen zweijährigenWehrdienst im Königlich Sächsischen7. Infanterieregiment „König Georg“Nr. 106 in Leipzig-Möckern geleistet.24 Im Ersten Weltkrieg diente er20 Der Direktor des Historischen Museumsin Cluj Napoca, Gheorghe Bodea, bezweifeltdie Grabangabe. Er glaubt, dasGrab liege nicht in Ceanu Mare, weildas Rote Kreuz den alten Namen vonCeanu Mare (Mezönagycsan) versehentlichmit Pusztacsan angegeben hätte.Das damalige Pusztacsan heißt aberheute Ceanu Mic und liegt 20 Kilometerwestlich von Ceanu Mare.Als Fritz Schröder fiel, hatte es dortheftige Kämpfe gegeben. In Ceanu Micgibt es auch ein deutsches Massengrab.Allerdings wurden die meistenGefallenen auf dem jüdischen Friedhofin Klausenburg beigesetzt.21 Aus dieser Ehe gingen noch die HalbgeschwisterHeiderose, Ilse und Lotharhervor.22 In den erhalten gebliebenen Unterlagender Deutschen Dienststelle ist ergem. Auskunft vom 17.11.2009 nichtverzeichnet.23 Mit nur 87 Einwohnern war es eine derkleinsten Gemeinden Nordrhein-Westfalens.24 Sächsisches Staatsarchiv Leipzig:Geburtsregister (A-Sign. PP-M 8908)und Meldekarte (A-Sign. P-M 1128).ab 1914 in der 11. Kompanie des 3.Bataillons seines alten Regiments immehrfachen Wechsel zwischen WestundOstfront und kehrte 1918 aus demKrieg zurück.Gerhard Schröders Kindheit undJugend bestimmten dessenSchulausbildung und Berufswahl.Nach der Hauptschule – von 1950bis 1957 in der „Zwergschule“ inBexten und der 8. Klasse in Talle –absolvierte Schröder im nahen Lemgovon 1958 bis 1961 eine Lehre alsEinzelhandelskaufmann in einem Gemischtwarenladen.Danach ging ernach Göttingen, arbeitete in einer Eisenwarenhandlungund holte 1964 inder Abendschule die Mittlere Reifenach. Als einziger Sohn eines Gefallenenwar Schröder vom Wehrdienstbefreit.Von 1964 bis 1965 bereitete ersich in Weidenau und Bielefeld aufdem Zweiten Bildungsweg auf das Abiturvor, das er 1966 ablegte. Anderehaben den Aufstieg zum schulischenGipfel auf einer leichteren Route geschafft.1966 ging er ein zweites Malnach Göttingen, studierte in der altenUniversitäts- und Garnisonsstadtbis 1971 Jura und schloss es mit demersten Staatsexamen ab. Schröder warzwar vom Alter her zwar ein „68er“,rechnete sich selbst aber nicht dazu:„Interessanterweise habe ich der Vätergenerationkeine Vorwürfe gemacht. …Ich habe das Studium als ein ungeheuresPrivileg begriffen. … Ich bin vonder 68er-Bewegung beeinflusst worden,aber ich war nicht ihr Teil.“ 25In Göttingen lagen zu dieser Zeitder Stab der Panzergrenadierbrigade4 und einige ihrer Truppen. Auch dortgab es in jenen Jahren Studentenunruhen,doch zum Demonstrieren hatteSchröder keine Zeit: Er wollte seinStudium schnellstmöglich beenden.„Ich war daher kein Aktivist der 68er.Dem standen meine Herkunft und auchein daraus erwachsender Mangel anpolitisch-intellektueller Schärfe entgegen.“261976 folgte das zweite Staatsexamen,und im selben Jahr wurde er25 Interview als Kanzlerkandidat in der„Jüdischen Rundschau“ mit Igal Avidanwährend einer Israelreise im März 1998.26 Schröder, Gerhard EntscheidungenS. 33Rechtsanwalt – der soziale Aufstiegwar geschafft.Von 1978 bis 1980 war SchröderBundesvorsitzender der Jungsozialisten(Jusos), denen keine besondereNähe zum Militär nachgesagt wird– schon gar nicht in jener Zeit desNATO-Doppelbeschlusses. Nun warauch der Grundstein für seine politischeKarriere gelegt. 1980 wurdeSchröder in den Bundestag gewähltund gehörte ihm bis zu seiner Wahlals Oppositionsführer im niedersächsischenLandtag 1986 an. Allerdingsarbeitete er noch bis 1990 parallel alsRechtsanwalt.Am 21. Juni 1990 wurde Schröderzum niedersächsischen Ministerpräsidentengewählt und übte diesesAmt – nach seiner Wiederwahl 1994– bis 1998 aus. 27 Erst in dieser Zeitkam er ex officio mit dem Militär inBerührung. Im Falle einer militärischenAuseinandersetzung währenddes Kalten Krieges wäre Niedersachsen– das flächenmäßig zweitgrößteBundesland – als Frontland zum WarschauerPakt zur „Vorderen Kampfzone“geworden. Es beherbergte zahlreichedeutsche und alliierte Truppenteile.Die Stäbe dreier Heeres-Großverbände– 1. und 3. Panzer- und die11. Panzergrenadierdivision – lagenin Hannover, Buxtehude und Oldenburg;alle drei unterstanden dem I.Korps im westfälischen Münster. Die3. Panzerdivision hatte zwar zwei ihrerBrigaden (8 in Lüneburg und 9 inMunster) auf niedersächsischem Bodenund nur eine (7) in Hamburg stationiert,verstand sich aber als „HamburgerHausdivision“ und orientiertesich hinsichtlich ihrer Kontaktpflegeprimär zur Hansestadt an der Elbe.Die 11. Panzergrenadierdivision inOldenburg wurde 1994 – etwa zurHälfte von Schröders Amtszeit in Hannover– aufgelöst.Des Weiteren sind zahlreicheLuftwaffen- und Marinetruppenteileauf niedersächsischem Boden stationiert;so z. B. der Stab der 4. Luftwaffendivisionim ostfriesischen Aurichund das Lufttransportgeschwader62 in Wunstorf. Wilhelmshaven istgrößter Standort der Deutschen Ma-27 Bis 1994 rot-grüne Koalition, danachabsolute Mehrheit. 1998 wurde Schröderim Amt bestätigt.34 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTErine, und in Nordholz liegt das Marinefliegergeschwader3 „Graf Zeppelin“.In der „Lucius-D.-Clay-Kaserne“in Garlstedt bei Bremen warenzwischen 1978 und 1992 Teile der 2.US-Panzerdivision stationiert, heuteist es der Standort der „Logistikschuleder Bundeswehr“. Auch die TruppenübungsplätzeBergen-Hohne undMunster befinden sich auf niedersächsischemBoden. Die LandeshauptstadtHannover hat eine lange Tradition alsGarnison, so beherbergt sie den Stabder 1. Panzerdivision und lange Jahreauch die Heeresoffizierschule I. 281982 wurde eine Fregatte der „Bremen-Klasse“auf den Landesnamen„Niedersachsen“ getauft. Von 1994bis 2001 waren das „WehrbereichskommandoII und die 1. Panzerdivision“,d. h. Feld- und Territorialheerfusioniert.1996 forderte MinisterpräsidentSchröder, dass Frauen auch denDienst an der Waffe ausüben dürften,„wenn dies auf der Basis von strikterFreiwilligkeit geschieht“. Er stelltesich damit gegen die offizielle Linieseiner Partei. Eine Wehrpflichtfür Frauen lehnte er jedoch ebensoab wie eine Berufsarmee. In den fastacht Jahren seiner Zeit als Landesvatererlebte Schröder vier Kommandeureder 1. Panzerdivision und zwei28 Seit Oktober 2009 ist auf dem Geländedie Schule für Feldjäger und Stabsdienstder Bundeswehr stationiert.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010der 11. Panzergrenadierdivision. 29Eine Befragung, wie sie SchrödersBeziehung zur Bundeswehr als Ministerpräsidentbeurteilten, ergab einweitgehend übereinstimmendes Bild.Bild 3: Gerhard Schröder als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen1996 beim Kommandowechsel der 1. PzDiv in Hannover mit GeneralmajorGerd Schultze-Rhonhof (vorn) und Generalleutnant Ruud Reitsma.Danach brachte Schröder der Bundeswehr„kein Interesse entgegen, dasüber ihre Funktion als ‚Dienstleister‘im Notfall hinausging, konnte sichaber schnell in unsere Probleme hineindenken.“Die sich aus seinem Amtan der Spitze eines Bundeslandes ergebendenPflichten waren weitgehendauf den Innenminister delegiert.Nur zwei der Divisionskommandeurewurden zu Antritts- und Abschiedsbesuchenempfangen. EinemGeneral wurde auf die Frage nach einemAntrittsbesuch durch das Bürobeschieden „der Ministerpräsidenthätte keine Zeit; man solle späternachfragen“, was aus verständlichenGründen dann unterblieb. In einemFalle „gelang es nur mit Schwierigkeiten,einen Termin zu vereinbaren.“Der andere Besuch fand „nichtunter vier Augen im Dienstzimmerdes Ministerpräsidenten statt, sondernwährend der Mittagspause am Randeeiner Sitzung der Landesregierung.Das höchstens zehn Minuten dau-29 1. PzDiv: Generalmajore HartmutBehrendt (1987-1991), Ernst Lissinna(1991-1994), Gerd Schultze-Rhonhof(1994-1996) und Christian Hellwig(1996-1999); 11. PzGrenDiv: GeneralmajoreHubertus Senff (1987-92) undKarsten Oltmanns (1992-94).ernde ‚Gespräch‘ wurde von Schrödermehrfach unterbrochen, um sichmit anderen Personen auszutauschen,die in sein Blickfeld kamen.“ Insgesamtkein positives Bild. Nur einmalin den acht Jahren seiner Amtszeitnahm er persönlich an einer Veranstaltungder Bundeswehr teil: 30 EndeMärz 1996 war er als Ehrengast beider Kommandoübergabe der 1. Panzerdivisionvon Generalmajor GerdSchultze-Rhonhof (* 1939) 31 an GeneralmajorChristian Hellwig (* 1940),die vom Kommandierenden Generaldes Deutsch-Niederländischen Korps,Generalleutnant Ruurd Reitsma (*1943), in der Scharnhorst-Kasernein Hannover-Bothfeld vollzogen wurde(Bild 3). Zum scheidenden Divisionskommandeursagte Schröder:„Sie haben Ihre Positionen aufrichtigvertreten und geradlinig die Konsequenzengezogen. Beides hat mich tiefbeeindruckt.“ 32 Für das BMVg wurdeder General zur „persona non grata“.Nach dem Wahlerfolg der SPD beider Bundestagswahl 1998 wurdeGerhard Schröder am 27. Oktober1998 mit 351 von 666 abgegebenenStimmen zum 7. Bundeskanzlerder Bundesrepublik Deutschlandgewählt. Seinen Amtseid leistete er alsbisher einziger Bundeskanzler ohnedie Anrufung Gottes. Noch nicht imAmt, wurde der künftige Kanzler mitden Turbulenzen im Kosovo konfrontiert;auch der neu gewählte 14. Bundestaghatte sich noch nicht konstituiert.Am Ende monatelanger, ergebnisloserVerhandlungen, mit denender UN-Sicherheitsrat das Regimein Belgrad zur Einstellung von Vertreibungund Ermordung der albanischenBevölkerung im Kosovo bewegenwollte, hatte sich die NATO zueiner bewaffneten humanitären Interventionentschlossen. Washingtonverstärkte den militärischen Druckauf das Miloševiç-Regime und drängtedie Bündnispartner auf Auslösung30 Einmal hatte er seine Teilnahme aneinem Marsch mit <strong>Soldaten</strong> zunächstzugesagt, sie später aber nicht eingelöst.31 Schultze-Rhonhof war von 1991 bis zurAußerdienststellung Ende September1994 Kommandeur der 3. Panzerdivisionin Buxtehude.32 Bei einem Empfang hatte er 1995 dassog. „Mörder-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtskritisiert.35


BLICK IN DIE GESCHICHTEder „activation order“ (ACTORD)33,für welche die Zustimmung aller Mitgliedsstaatenerforderlich ist. DerDruck der USA auf Deutschland warimmens. Schröder – mit seinem designiertenAußenminister Fischer am 9.Oktober zum Antrittsbesuch in Washington– musste sich innerhalb wenigerMinuten entscheiden und sagtezu, ACTORD nicht zu blockieren. Eindeutsches Nein hätte die Bündnissolidaritätmassiv beschädigt. Am 12.Oktober stimmte das Kabinett Kohl– in Anwesenheit von Schröder, Fischerund Scharping – in einer letztenAmtshandlung den Luftschlägen gegenRest-Jugoslawien zu. 34 Vier Tagespäter trat der bereits abgewählte 13.Bundestag zu einer außerordentlichenSitzung zusammen und stimmte mitgroßer Mehrheit einer Beteiligungder Bundeswehr zu. 35 Der Vorwurf,Schröder hätte als erster deutscherRegierungschef das Land wieder ineinen Krieg geführt greift daher zukurz. Zwar hatte er noch als Kanzlerkandidatim Falle einer Eskalation einenNATO-Einsatz „vorzugsweise mit,notfalls auch ohne VN-Mandat“ inErwägung gezogen. 36 Doch auch VorgängerKohl hatte im September 1998– anders als Außenminister Kinkel –für ein Eingreifen der NATO plädiert,auch wenn kein VN-Mandat vorläge. 37Am 24.März 1999 begannen dievölkerrechtlich umstrittenen Luftangriffeder NATO gegen Rest-Jugoslawien,obwohl für diesen erstenKampfeinsatz der Bundeswehr seitdem Zweiten Weltkrieg kein VN-Mandatvorlag. Der öffentliche Protestblieb aus, biss sich lediglich am Begriff„Kollateralschaden“ fest. Zumeinen, weil zwei Parteien die Armeein diesen Einsatz schickten, die ihr33 <strong>Auftrag</strong> an den NATO-OberbefehlshaberSACEUR, innerhalb eines bestimmtenZeitraumes Luftangriffe auf vom NATO-Rat festgelegte und gebilligte Ziele zubefehlen.34 BT-Drucksache 13/11469.35 Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, der zuständigeJustizminister, nahm an der Abstimmungnicht teil. Er hielt die Kabinettsvorlagefür völkerrechtswidrig und gabdies zu Protokoll.36 FAZ vom 06.06.1998.37 FAZ vom 24.09.1998. Mehrere Strafanträgewegen Verstoßes gegen StGB §80 (Vorbereitung eines Angriffskrieges)wurden von den Staatsanwaltschaftennicht angenommen.Bild 4: Kanzler Schröder mit General Klaus Naumann.per se skeptisch gegenüberstanden.Zum anderen war der Luftkrieg, deram 24. März begonnen hatte, ohne realeKampfhandlungen und ohne Opferauf westlicher Seite am 10. Juni nachzehn Wochen zu Ende. Mit überspitztenmoralischen Argumenten wie „Pazifismusbedeutet Völkermord“, wurdenGegner zum Schweigen gebrachtund die Teilnahme mit umstrittenenInformationen („Operation Hufeisen“)forciert.In den beiden Kabinetten Schröderswaren – einschließlich des Kanzlers– 26 Minister; vier von ihnen hattenWehrdienst geleistet. 38 Sechs Mitgliederdes Kabinetts waren durch die68er-Bewegung geprägt, 39 d.h. standenBundeswehr und Militär ablehnendgegenüber. Verteidigungsministerwar zunächst von 1998 bis zuseinem, durch den Kanzler im Juli2002 erzwungenen Rücktritt, Rudolf38 Funke, Müntefering, Riester und Scharping.Scharping hatte sich 1967 auf 2Jahre verpflichtet, wurde aber nach 6Monaten aus gesundheitlichen Gründenentlassen. Riester dient als Pionier;nach seinem Grundwehrdienst stellte erAntrag auf Wehrdienstverweigerung.39 G. Schröder, J. Fischer, O. Schily, J.Trittin, Frau Wieczorek-Zeul und FrauFischer.Scharping (* 1947). „Es hat michÜberwindung gekostet, mich von ihmzu trennen. Er allein hätte es verhindernkönnen, wenn er rechtzeitig gehandelthätte.“ 40 Dr. Peter Struck (*1943), der Fraktionsvorsitzende derSPD, folgte ihm.An der militärischen Spitze derBundeswehr standen während SchrödersKanzlerschaft drei Generalinspekteure:zunächst Hans-Peter vonKirchbach (* 1941) bis Mitte 2000,dem der Luftwaffengeneral HaraldKujat (* 1942) folgte. Dieser übergabdas Amt im Juli 2002 an GeneralWolfgang Schneiderhan (* 1946).Während der Kanzlerschaft Schröderswurde die Gruppe 23 Im Kanzleramtzunächst bis 2000 von Obersti.G. Robert Bergmann (* 1949; späterGeneralmajor), danach bis 2004 vonOberst i.G. Josef Niebecker (* 1954;später Brigadegeneral) und bis zumRegierungswechsel von Oberst i.G.40 Schröder, Gerhard EntscheidungenS. 295. Scharping geriet zunächst wegenumstrittener Geschäfte mit dem PR-Unternehmer Moritz Hunzinger in dieKritik. Zu Fall brachten ihn schließlichFotos der Klatschpresse, die ihm beimPoolvergnügen auf Mallorca zeigten,während seine <strong>Soldaten</strong> auf dem Balkanim Einsatz waren.36 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEDr. Henning Hars (* 1955; später Brigadegeneral)geleitet. Am 6. Februar1999 weilte der neue Kanzler erstmalsauf der Münchner Sicherheitskonferenz.In seiner Eröffnungsansprachesagte er: „Deutschland kann und willkeinen Sonderweg gehen. … Deshalbsind wir heute ohne jedes Wenn undAber bereit, als „normale“ AlliierteVerantwortung zu übernehmen – obin der EU oder in der NATO. … InternationaleMilitäreinsätze über dasBündnisgebiet hinaus haben eine unbezweifelbarevölkerrechtliche Grundlagezur Voraussetzung. In der Regelist das ein Mandat des Weltsicherheitsratesoder ein Vorgehen in der Verantwortungder OSZE.“Der Kanzler empfing den Vorsitzendendendes Militärausschussesder NATO, General Klaus Naumann(* 1939), am 13. April 1999 zu einemMeinungsaustausch (Bild 4). Die BeziehungSchröders zur Bundeswehrbasierte nur darauf, dass er sie alsInstrument politischen Handelns respektierteund anerkannte. In diesemDenken ähnelte er Adenauer. Streitkräftewaren für ihn ein Mittel, umden politischen Einfluss des wiedervereintenDeutschlands auszubauen.Sicher wurde jede Entscheidungüber einen Auslandseinsatz der Streitkräftein Bezug auf Kosten und verfügbaremilitärische Mittel geprüft;weniger genau jedoch hinsichtlichder zu erreichenden und erreichbarenmilitärischen Ziele. Die Entwicklungvon einer Ausbildungsarmee zu einerEinsatzarmee vollzog sich schnell undweitgehend ohne Protest jener Kreise,die ansonsten über die militärischeJungfräulichkeit der Bundeswehr mitArgusaugen wachen. Auch die Bevölkerungnahm es hin. Am 19. Mai 1999ließ sich der Kanzler auf dem oberitalienischenLuftwaffenstützpunktSan Damiano bei Piacenza währendeines Briefings des Einsatzgeschwaders1 41 vom Inspekteur der Luftwaffe,Generalleutnant Rolf Portz (* 1940),über die Einsätze im Kosovo-Kriegeinweisen.41 Das Einsatzgeschwader 1 unter OberstJohann-Georg Dora (* 1948; später Generalleutnant)wurde von Kontingentendes Jagdbombergeschwaders 32 (Lechfeld)und des Aufklärungsgeschwaders51 „Immelmann“ (Schleswig-Jagel)gestellt. Es war vom August 1995 bisAugust 2001 in Piacenza stationiert.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Am 20. Juli 1999 sprach GerhardSchröder als erster Kanzler beidem Feierlichen Gelöbnis von 430Rekruten des Wachbataillons derBundeswehr im Bendlerblock in Berlin.Er sagte, die Bundeswehr hättesich zu einer demokratischen Armeeund einer „Friedens-Streitmacht“entwickelt. Der Kosovo-Einsatz zeige,dass Deutschland bereit wäre,Verantwortung für Menschenrechteauch dort zu übernehmen, „wo diedeutschen Armeen in der VergangenheitTerror und Verbrechen über dieVölker gebracht“ hätten und mahntezum Einsatz für Freiheit und Demokratie;dies sei das Vermächtnisdes 20. Juli 1944. Zwei Tage später,am 22. Juli 1999, flog er in Begleitungvon Gene ralinspekteur vonKirchbach und Brigadegeneral HelmutHarff (* 1939) als erster westlicherRegierungschef nach dem Endedes Kosovo-Krieges nach Prizren, woer <strong>Soldaten</strong> der Multinationalen BrigadeSüd unter Brigadegeneral Fritzvon Korff (* 1943), überwiegend vonder Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“gestellt, besuchte. Ihr Einsatz tragedazu bei, „Schuld und historischeVerbrechen, die in deutschem Namenbegangen wurden“, durch ein anderesBild Deutschlands zu ersetzen, sagteder Kanzler. Die <strong>Soldaten</strong> sorgten dafür,dass die Menschen, deren Rückkehrin die Heimat die Bundeswehrsichere, „ein Bild von einem friedlichenDeutschland“ bekämen, dessenArmee „keine Eroberungsstreitmacht“sei. 42 Schröder, der mit den <strong>Soldaten</strong>zu Mittag aß, erinnerte wie schonbeim Gelöbnis in Berlin daran, dassdie Verantwortung der deutschen <strong>Soldaten</strong>über den Schutz der Bundesrepublikhinausreiche. „Ihr Hierseingibt den Menschen die Sicherheit, diesie hier bleiben lässt“, sagte er. Am10. Juni 1999 hatte der UN-Sicherheitsratmit der Resolution 1244 denEinsatz der NATO-SicherheitstruppeKosovo Force (KFOR), die den Abzugder jugoslawischen Truppen und dieEntmilitarisierung des Kosovo überwachensollte, genehmigt.In seiner Ansprache am 3. Oktober1999 beim Festakt im Kurhausin Wiesbaden zum 10. Jahrestag derWiedervereinigung gestand Kanzler42 http://rhein-zeitung.de/on/99/07/23/topnews/schroeko1_htmlSchröder: „Die Entscheidung für eineBeteiligung am Krieg und an der Friedenssicherungdurch die militärischenMaßnahmen im Kosovo ist niemandemleicht gefallen. Erst in den letzten Tagenist uns schmerzlich vor Augen geführtworden, mit welchen Risiken derEinsatz unserer <strong>Soldaten</strong> behaftet ist.“Auf der 37. Kommandeurtagungder Bundeswehr im Hamburger Kongresszentrum(CCH) im November1999 unter der Leitung von Generalvon Kirchbach hatte Schröder beiseinem ersten Besuch einer Kommandeurtagungdie Zusicherung gegeben,die Regierung werde „allesdaran setzen, dass die <strong>Soldaten</strong> überdie Ausrüstung verfügen, die sie benötigen“.Entscheidungen „über <strong>Auftrag</strong>,Umfang, Wehrform, Ausbildung undAusrüstung“ der Bundeswehr werdedie Regierung von den Vorschlägender Zukunftskommission abhängigmachen. Schröder räumte ein, dassdie Neuorientierung Geld kosten werde.Gleichwohl müsse aber auch dieBundeswehr trotz dieses „Nachbesserungsbedarfs“einen Beitrag zurSanierung der Staatsfinanzen leisten.Dies bedeute, dass sie sich „vielWünschenswertes nicht unbedingt undnicht sofort leisten“ könne. Das Geldmüsse „intelligenter und wirtschaftlicher“eingesetzt werden, auch durchTeilung von Aufgaben und Kostenmit den europäischen Verbündeten.Der Kanzler sagte, er „hege große Zurückhaltunggegenüber Forderungennach einer Berufsarmee“. Er ordnetedie künftige Rolle der Bundeswehr einem„erweiterten Sicherheitsbegriff“zu. Frieden, Sicherheit, Freiheit undStabilität könnten in Zukunft jedoch„weniger denn je ausschließlich militärischdefiniert werden“.Bei seinen Truppenbesuchen hatteSchröder keine Berührungsängste.So begrüßte er z.B. am 3. Juni 2005kurz vor dem Eintreffen eines Staatsgasteseinen Musiker des Stabsmusikkorps,scherzte mit den <strong>Soldaten</strong>und plauderte mit einem Hauptbootsmannder Fahnenbegleitung am 15.Juni 2005 kurz bevor der mongolischeMinisterpräsident eintraf. Am14. August 2005 schüttelte der KanzlerCornelius Ganzer, dem jüngstender „Blauen Jungs“ des Chors derMarineoperationsschule, auf der Seebäderkajein Bremerhaven die Hand.37


BLICK IN DIE GESCHICHTEDoch Bilder, die ihn auf einem Panzersitzend zeigen, gibt es nicht. Undwenn Schröder mit soldatischen Formenkonfrontiert wurde, spürte man,dass ihm ihr Wesen fremd war. Werseit seiner Jugend auf Distanz zumMilitärischen stand, kann dies späterauch mit schauspielerischem Geschickkaum übertünchen. So wirkteSchröder z.B. beim Abschreiten derFront stets gehemmt, linkisch beinaheund keineswegs souverän; man dachteunwillkürlich an Minister Apel.Am 24. Februar 2000 empfingKanzler Schröder den scheidendenNATO-Oberbefehlshaber Europa(SACEUR), den amerikanischen GeneralWesley K. Clark (* 1944), zumAbschiedsbesuch.Am 20. Juli 2000, dem Gedenktagdes deutschen Widerstandes, legtenzum zweiten Mal Rekruten vor demBendlerblock in Berlin ihr Gelöbnisab. In Anwesenheit von KanzlerSchröder und dem neuen VerteidigungsministerStruck sprach PolensStaatspräsident Aleksander Kwasniewski(* 1954) als erster ausländischerPolitiker zu den 500 Rekrutendes Wachbataillons unter OberstleutnantArtur Schwitalla. (Bild 5)In seiner Rede zur Beteiligungdeutscher Streitkräfte an dem von derNATO geführten Einsatz in Mazedoniensagte Schröder im Bundestag am29. August 2001: „Die Deutschen sindauf dem Balkan, weil sie ein eigenesnationales Interesse an der Stabilität inder Region haben; denn Instabilität inBild 5: Kanzler Schröder beim Gelöbnis in Berlin im Jahre 2000 (v.l.:Generalinspekteur Schneiderhan, Verteidigungsminister Struck, Kanzler undder polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski).der Region bedroht uns vielleicht nichtunmittelbar und gegenwärtig, aber potenziellschon.“Am 4. Mai 2000 sprach der Kanzlerauf einer Veranstaltung in Berlinüber das Thema „Bundeswehr undWirtschaft – eine strategische Partnerschaftauf dem Weg in den modernenStaat”. „Moderner Staat, moderneWirtschaft und moderne Streitkräfte… gehören zusammen. … Wir wollenEffizienz und Wirtschaftlichkeit in denStreitkräften erhöhen.“Wenige Tage später, am 23. Mai,überreichte Altbundespräsidentvon Weizsäcker in Berlin imBeisein des Regierungschefs den Berichtseiner Kommission „GemeinsameSicherheit und Zukunft der Bundeswehr”.Im Rahmen seiner Sommerreisebesuchte Kanzler Schröder am 28.August – begleitet von Dr. HaraldRingstorff (* 1939), dem Ministerpräsidentenvon Mecklenburg-Vorpommern,Minister Scharping, HeeresinspekteurWillmann und GeneralmajorRiechmann (* 1941), dem Kommandeurder 14. Panzergrenadierdivision– das Panzergrenadierbataillon 411unter Oberstleutnant Rainer Nückenin der Kürassier-Kaserne in Stallbergnahe der polnischen Grenze in Mecklenburg-Vorpommern.Kommandeurder vorgesetzten Panzergrenadierbrigade41 in Torgelow war BrigadegeneralWolfgang Otto (* 1947; späterGeneralleutnant). (Bild 6)Am 3. September 2000 ging BundeskanzlerSchröder als Schirmherrder „Sail 2000“ in Bremerhaven anBord der Fregatte „Schleswig-Holstein“,wo er vom Inspekteur der Marine,Vizeadmiral Hans Lüssow (*1942), mit militärischen Ehren begrüßtwurde. Danach lief das Schiffin die Weser aus, von wo der Kanzlerdie Windjammerparade – angeführtvom Segelschulschiff „Gorch Fock“unter Kapitän z.S. John Schamong (*1951) – abnahm. Abends holte einHubschrauber vom Typ „Sea King“des Marinefliegergeschwaders 5 denRegierungschef ab und brachte ihnnach Nordholz zurück, von wo er miteiner Maschine der Flugbereitschaftnach Berlin zurückflog.Am 9. August 2001 besuchte derKanzler – gemeinsam mit MinisterpräsidentRingstorff, Minister Scharpingund Vizeadmiral Lüssow, demInspekteur der Marine – Einheitender Bundesmarine in der Ostsee. Aufder Fahrt von Warnemünde nach Rostockwurde er auf der Brücke desSchnellbootes „Falke“ vom Kommandanten,Korvettenkapitän Jungmann,im Beisein von Fregattenkapitän Thomasvon Buttlar, dem Kommandeurdes 2. Schnellbootgeschwaders, in dasWaffensystem eingewiesen.Im Herbst 2001 führte BundeskanzlerSchröder die obersten Offizierevon Heer, Luftwaffe und Marinedurch das neue Kanzleramt in Berlin.Heeresinspekteur Gert Gudera(* 1943) unterbrach das Sightseeing:Dazu sei man nicht hergekommen, es„müsse über die Zukunft der Wehrpflichtgesprochen werden und überdie ungenügende Finanzausstattung,die die Sicherheit der <strong>Soldaten</strong> im38 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEEinsatz gefährde.“ Schröder bügelteden General ab: „Sie wollen dochjetzt nicht mit mir Haushaltsverhandlungenführen.“Am 5. Oktober 2001 empfing derKanzler den neuen GeneralinspekteurKujat, der sein Amt am 1. Juli übernommenhatte.Nach den Anschlägen in den USAvom 11. September 2001 bekräftigteSchröder in Regierungserklärungen,Interviews und Ansprachen die „uneingeschränkteSolidarität“ mit denUSA. „Wir sind uns in der Bewertungeinig, dass diese Terrorakte eineKriegserklärung an die freie Welt bedeuten.“43In seiner Regierungserklärung vom19. September sagte er: „Dabei wissenwir um die Verschiedenheiten derKulturen in der Welt und wir respektierensie. Wir bestehen aber darauf,dass die Verheißungen der amerikanischenUnabhängigkeitserklärunguniversell gelten.“Der letzte Satz fordert zu Widerspruchheraus. Es gibt keine Grundsätze,die weltweit anerkannt sind.Einen Monat später sagte Schröder inseiner Regierungserklärung vom 11.Oktober 2001: „Dass unsere zivile Gesellschaftgegenüber der Notwendigkeitmilitärischer Optionen … zurückhaltenderals jemals in der deutschenGeschichte geworden ist, begreife ichals einen zivilisatorischen Fortschritt,auch wenn es die eigene Argumentation… schwerer macht. Mir ist … dieZurückhaltung einer Gesellschaft, diesich zu Recht etwas auf ihren zivilenCharakter einbildet, allemal lieber alsjede Form von Hurrapatriotismus.“Am 17. September 2001 hatteBundeskanzler Schröder im ZDF einenmilitärischen Beitrag Deutschlandszu einem US-Gegenschlag nachder Terrorserie für denkbar gehalten.In der Regierungserklärung vom08.11. betonte er die Bereitschaftseiner Regierung, den Bekundungender uneingeschränkten Solidaritätmit den Vereinigten Staaten konkreteMaßnahmen des Beistands folgenzu lassen, fügte aber hinzu: „DerKampf gegen den Terrorismus ist nichtmit militärischen Mitteln allein zu gewinnen.“43 Regierungserklärung vom 12. 09.2001.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Am 10. November 2001 beschlossdie Regierung Schröder den größtenMilitäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg.Die parlamentarische Rückendeckungholte sich der Kanzler fünfTage später im Bundestag mit einembisher einmaligen Schachzug, als erden Afghanistan-Einsatz mit der Vertrauensfrageverknüpfte, um kritischeStimmen zum Schweigen zu bringen.Dabei konnte Schröder zunächst aufeine breite Mehrheit bauen, da dieOpposition in dieser Frage auf seinerSeite stand. Doch als er sein Konzeptänderte und das Votum über seine Regierungmit dem Bundeswehr-Einsatzverband, betrat Schröder verfassungsrechtlichesNeuland. Aus der Vertrauensfragewurde ein parlamentarischesDisziplinierungsinstrument. Bei „außenpolitischenNotwendigkeiten“, soder Kanzler, „könne es keine Gewissensentscheidunggeben.“ Die militärischeTeilnahme am Hindukuschwar der Preis für deutsches Mitspracherechtin der politischen Oberliga.Weder war damals von einer BedrohungDeutschlands die Rede, nochdavon, dass dort unsere Freiheit undSicherheit verteidigt würde. In seinenErinnerungen schreibt Schröder:„Erstmals … hatte ich die Verantwortungauf mich zu nehmen …, dassdeutsche <strong>Soldaten</strong> außerhalb Europaszu einem Kriegseinsatz kommandiertwerden sollten.“ 44Am 22. Dezember 2001 stimmteder Bundestag auf der Grundlage derUN-Resolution 1386 45 der Beteiligungdeutscher Kräfte am ISAF-Einsatz(International Security AssistanceForce) in Afghanistan als Beitrag zumnationalen Versöhnungsprozess undzum Wiederaufbau des Landes zu.Bild 6: Kanzler Schröder besuchte im Jahre 2000 die 14. Divisionin Neubrandenburg (v.l.: Ministerpräsident Ringstorff, GeneralmajorRiechmann, Kdr 14. Div, Generalleutnant Willmann (halb verdeckt),Brigadegeneral Otto, Minister Scharping und Kanzler).Die Kontingentgröße lag anfangs bei1.200 <strong>Soldaten</strong>.Ende März 2002 informierte sichSchröder in Oberhof in der Kaserneam Rennsteig über die Trainingsmöglichkeitender Wintersportler inUniform. Am 8. April 2002 weilteder Kanzler zum zweiten Mal nach1999 auf einer Kommandeurtagung.In seiner Rede auf der 39. Tagungder militärischen Führungsspitze inHannover unter GeneralinspekteurHarald Kujat führte er u.a. aus: “Ichhabe mir nicht vorgestellt, dass ich …44 Schröder, Gerhard EntscheidungenS. 178.45 Vom 20.12.2001: „ … to assist theAfghan Interim Authority in the maintenanceof security in Kabul and itssurrounding areas, so that the AfghanInterim Authority as well as the personnelof the United Nations can operate ina secure environment.”39


BLICK IN DIE GESCHICHTEmit verantwortlich sein würde, dass eszu diesen Einsätzen im Kosovo, … jetztin Afghanistan … kommt. In meinerLebensplanung war das nicht vorgesehen.… Unser … Verständnis von‚Ultima Ratio’ kann nicht heißen, dassman warten soll, bis alle anderen Mittelausgeschöpft sind, sondern dass derrechtzeitige, präventive Einsatz vonStreitkräften … helfen kann, Konflikte… zu regeln, noch bevor sie gewaltsamausbrechen.“Nun brachte er erstmals auch denAspekt einer Bedrohung ins Spiel:„Uns am Kampf gegen den Terrorismuszu beteiligen, das ist …nicht nur eineFrage der Solidarität mit den VereinigtenStaaten. Nein, es geht hier auchum ureigene nationale Interessen. Terrorismusist auch eine Bedrohung derSicherheit des eigenen Landes.“Bei seinem Rundgang nach derEröffnung der Internationalen LuftundRaumfahrtausstellung ILA amFlughafen Schönefeld am 6. Mai 2002besichtigte der Bundeskanzler die fürdie Bundeswehr umgerüstete Medevac-Versiondes Airbus A 310 zurmedizinischen Evakuierung Verletzter.Am 9. Mai 2002 reiste Schröder –u.a. in Begleitung von GeneralleutnantFriedrich Riechmann, demBefehlshaber des Einsatzführungskommandosund Franz Beckenbauer(* 1945) – über Usbekistan erstmalsnach Afghanistan. Anstatt der Bevölkerungklar zu sagen, dass der Einsatzder Bundeswehr am Hindukuschaus Gründen der Bündnissolidaritäterfolge, machte Schröders VerteidigungsministerStruck ihr glauben, diedeutsche Freiheit würde dort verteidigt.Der deutsche UN-Gesandte TomKoenigs (* 1944) meinte dazu, eswäre „ein blöder Spruch“; allerdingsenthielte er einen Teil der Wahrheit. 46Acht Jahre später sagte Struck in einemInterview, 47 „wir dachten, wirwären in 2-3 Jahren wieder draußen.“„Naiv und blauäugig“ wäre man nachAfghanistan gegangen. Auf dem Flugvon Termez nach Kabul saß Schröderim Cockpit. 48 Brigadegeneral Carl-Hubertus von Butler (* 1950; späterGeneralleutnant), der Kommandeur46 Interview Welt online vom 14.02.2010.47 ZDF vom 16.03.2010 „Sterben fürAfghanistan“-Dokumentation.48 Schröder, Gerhard a.a.O., S. 189.des deutschen ISAF-Kontingents, undder britische General John McColl (*1952) als ISAF-Kommandeur, empfingenden Regierungschef. In SchrödersErinnerungen ist von Butler dereinzige deutsche Soldat, der namentlicherwähnt wird. Schröder schreibt:„Hier, aber auch bei Besuchen andererAuslandsmissionen … habe ich immerwieder erlebt dass sich das Image desdeutschen Militärs in der Welt in sehrfreundlicher Weise gewandelt hat. …Ein Bruch mit alten militärischen TraditionenDeutschlands hat sich vollzogenund wird in der Praxis der Bundeswehreindrucksvoll bestätigt.“ 49Auf den ersten Blick klingenSchröders Worte überzeugend. Näherbetrachtet aber halten sie einerPrüfung nicht stand. Der Bruch isteine Folge des Wandels der Politik,die über den Einsatz des Militärs entscheidet;mit Tradition hat dies nichtszu tun.Am 2. Juni 2002 stattete GeneralKujat dem Kanzler seinen Abschiedsbesuchals Generalinspekteur ab, bevorer sein neues Amt als Vorsitzenderdes NATO-Militärausschusses inBrüssel antrat. Am 23. August 2002empfing Bundeskanzler Schröder imBeisein von Minister Struck und GeneralinspekteurSchneiderhan 65 <strong>Soldaten</strong>aus den Einsatzkontingentenund deren Familienangehörige imBundeskanzleramt.Nach der Wahl zum 15. DeutschenBundestag im September 2002wurde Schröder am 22. Oktober zumzweiten Mal zum Kanzler gewählt. Inden Monaten danach verdichtetensich die Anzeichen, dass die USA dieLage im Irak militärisch lösen würden.Auf dem NATO-Gipfel in Pragam 21./22. November 2002 beschlossendie Staats- und Regierungschefsden Aufbau einer „NATO ResponseForce“ (NRF). Mit den ca. 25 000 <strong>Soldaten</strong>,an denen sich auch die Bundeswehrbeteiligt, wurde aus bereitsbestehenden Truppenteilen aller Teilstreitkräfteein schnell verlegbarerEinsatz-Großverband geschaffen, derzu weltweiten Operationen in einembreiten Einsatzspektrum befähigt ist.Im Dezember 2002 bekräftigte Schröderin der ARD-Sendung „Farbe bekennen“,dass sich Deutschland zwar49 Schröder, Gerhard a.a.O., S. 193.nicht an einer Militäraktion gegen denIrak beteiligen werde, es allerdings imKriegsfalle nicht unbeteiligt bliebe.„Bündnisverpflichtungen werden erfülltund das bedeutet natürlich auch,dass zum Schutze des Bündnisgebietesauch AWACS-Flugzeuge mit deutschen<strong>Soldaten</strong> besetzt sein werden.“In seiner Fernsehansprache am20. März 2003 zum begonnenen 3.Golfkrieg („Irak-Krieg“) sagte derKanzler: „Wir haben versucht, denKrieg zu verhindern. Bis zur letztenMinute. Ich bin sicher: Es hätte einenanderen Weg zur Entwaffnung des Diktatorsgegeben, den Weg der VereintenNationen. … Es bleibt dabei: Deutschlandbeteiligt sich nicht an diesemKrieg. Aber natürlich wird Deutschlandnicht abseits stehen, wenn es gilt,den Menschen zu helfen.“Am 3. November 2003 besuchteKanzler Schröder – begleitetu. a. vom Inspekteur der Luftwaffe,Generalleutnant Gerhard W. Back (*1944; später General) und dem Ministerpräsidentenvon Mecklenburg-Vorpommern Harald Ringstorff – dasJagdgeschwader 73 „Steinhoff“ unterseinem Kommodore Oberst PeterHauser (* 1955) auf dem FliegerhorstLaage. Der Bundeskanzler ließsich über fliegende und nicht fliegendeWaffensysteme informieren. DenAuftakt bildete eine Einweisung indie Ausbildung der Piloten auf dem„Eurofighter“. In dem neuen Schulungsgebäudetestete Schröder einender Simulatoren. Danach wurden demKanzler einzelne Waffensysteme wiez.B. eine „MedEvac-Transall“ und dasFlaRak-System „Patriot“ vorgestellt.Der Kanzler setzte sich in das Cockpiteines „Eurofighters“, und zeigte sichvom Leistungsspektrum der Luftwaffeund dem Engagement der Piloten sehrangetan. Medienwirksam signierte ernoch ein Rumpfteil des „Eurofighter98+03“.Drei Tage später, am 6. November2003, besuchte Schröder in Begleitungvon Generalinspekteur Schneiderhanund Heeresinspekteur Guderadie Offizierschule des Heeres (OSH)in Dresden unter Brigadegeneral Fritzvon Korff. In seiner Rede hob Schröderdie Bedeutung einer guten Offizierausbildunghervor und ging ausaktuellem Anlass auch kurz auf die40 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEEntlassung des Brigadegenerals Günzel50 ein. Die Aufgabe bei Auslandseinsätzenumriss er mit den Worten:„Sie werden gefordert sein als Schlichtervon Streitfragen, als Vermittler zwischenParteien und als Helfer in derNot.“Von Kampfeinsätzen war nicht dieRede. Am 5. Februar 2004 war erstmalsein deutscher Regierungschef,wiederum begleitet von GeneralinspekteurSchneiderhan, beim 1996gebildeten Kommando Spezialkräfte(KSK) der Bundeswehr in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw zu Gast(Bild 7). Ursprünglich war der Besuchschon im Dezember geplant. DochSchröder wollte unmittelbar nach derEntlassung des KSK-KommandeursGünzel nicht nach Calw kommen.Nach der Begrüßung durch BrigadegeneralCarl Hubertus von Butlerwurde dem Bundeskanzler über dieLeistungsfähigkeit des Kommandosvortragen. Es folgten praktische Vorführungenund Gespräche mit <strong>Soldaten</strong>.Mit seinem ersten Besuch desKSK wollte Schröder ein Signal setzen,dass die Bundesregierung bereitsei, sich auch an internationalen Operationenzu beteiligen.Am Freitag, dem 19. März 2004,übergab Kanzler Schröder dem Präsidentender Bundesakademie für Sicherheitspolitik(BAKS), Vizeadmirala.D. Hans Frank (* 1939), dieSchlüssel zum neuen Dienstsitz inBerlin-Pankow, einem Nebentraktdes Barockschlosses Schönhausen.Es war der erste Besuch eines deutschenRegierungschefs in der – 1992in Bonn gegründeten – höchstrangigen,Ressort übergreifenden Weiterbildungsstätteder Bundesrepublik. 51Der Kanzler führte in seiner Redeaus: „Deutsche Sicherheitspolitik ist,war und wird immer zuallererst Friedenspolitiksein. Wir wollen Konflikteverhüten und eindämmen, … . UnserInstrumentarium erschöpft sich nicht50 Die Präsidenten waren: Admiral a.D.Wellershoff (1992-1995), Botschaftera.D. Günter Joetze (1995-1999); VizeadmiralFrank (1999-2004), Dr. RudolfAdam (2004-2008); Generalleutnanta.D. Kersten Lahl (seit 2008).51 Die Präsidenten waren: Admiral a.D.Wellershoff (1992-1995), Botschaftera.D. Günter Joetze (1995-1999); VizeadmiralFrank (1999-2004), Dr. RudolfAdam (2004-2008); Generalleutnanta.D. Kersten Lahl (seit 2008).AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010in militärischen Mitteln. …DeutscheSicherheitspolitik ist Präventionspolitik,denn die Anwendung militärischerGewalt kann und darf immer nur UltimaRatio sein.“Auf der Internationalen Luft- undRaumfahrtausstellung ILA inBerlin ließ sich der Kanzler am 10.Mai 2004 von einem Luftwaffenpiloteneinen Flugsimulator erklären.Am 3. Juni 2004 besuchte Schröderdas Zentrum für Nachrichtenwesender Bundeswehr (ZNBw) 52unter Brigadegeneral Armin Hasen-52 Im Jahre 2002 aus dem vormaligenAmt für Nachrichtenwesen der Bundeswehrhervorgegangen, wurde esam 31.12.2007 aufgelöst. 52 ImJahre 2002 aus dem vormaligen Amt fürNachrichtenwesen der Bundeswehr hervorgegangen,wurde es am 31.12.2007aufgelöst.Bild 7: Kanzler Schröder besucht 2004 das Kommando Spezialkräftein Calw 2003 (von links: Brigadegeneral von Butler, Kommandeur KSK,Kanzler, Generalinspekteur Schneiderhan).pusch (* 1948; später Generalmajor)in Grafschaft-Gelsdorf. Um 14.30 Uhrschwebte der Kanzler in Begleitungvon Generalleutnant Hans-HeinrichDieter (* 1947), dem Inspekteur derStreitkräftebasis, mit dem Hubschrauberein. In dem tief unter der Erdoberflächeliegenden Bau wurden ihm Arbeitsweisenund Methoden der militärischenNachrichtengewinnung erläutertund Mittel der elektronischenKampfführung „Hummel“ vorgestellt.Als erster Bundeskanzler nahmGerhard Schröder an den Feierlichkeitenzum 60. Jahrestag des „D-Day“in Caen am 6. Juni 2004 teil. SechsJahre zuvor hatte er es noch abgelehnt,an den Feiern zum 90. Jahrestagdes Endes des Ersten Weltkriegsin Frankreich teilzunehmen. Schröderbesuchte den britischen Friedhof vonRanville in der Normandie, auf dem41


BLICK IN DIE GESCHICHTEauch 322 deutsche <strong>Soldaten</strong> ihre letzteRuhestätte fanden und legte dortzwei Kränze nieder. Ein Besuch desgrößten deutschen Friedhofs La Cambemit 21.500 Gefallenen unterblieb,weil dort auch <strong>Soldaten</strong> der Waffen-SSbeigesetzt sind. 53 Die beiden ehemaligenGeneralinspekteure Wellershoffund Naumann kritisierten diese Entscheidung.Es wird noch lange dauern,bis militärische Totenehrungenin Deutschland frei von Polemik undHass sein werden. Dabei zeigte Schröderim Umgang mit noch lebendenehemaligen <strong>Soldaten</strong> der Waffen-SS,wie dem Maler Prof. Bernhard Heisig(* 1925) 54 ,keine Berührungsängste.„Ohne irgendeine Reserve sage ich:Ich habe nicht nur großen Respekt vorIhrem Lebenswerk, sondern auch vorIhnen.“ 55Die versöhnlichen Worte desKanzlers in Caen wurden kaum beachtet:„Tausende alliierter <strong>Soldaten</strong>starben an einem einzigen, grausamenTag. Sie zahlten den höchsten Preis fürdie Freiheit. Deutsche <strong>Soldaten</strong> fielen,weil sie in einen mörderischen Feldzugzur Unterdrückung Europas geschicktwurden. Doch in ihrem Tod waren alle<strong>Soldaten</strong> über die Fronten hinweg verbunden.. .“Mit diesem Hinweis auf die überwindendeKraft des Todes sprach eraus, was sein Vorgänger Kohl mitdem Besuch des <strong>Soldaten</strong>friedhofsin Bitburg 1985 ausgedrückt hatte.Sein Satz über die deutschen <strong>Soldaten</strong>klingt distanziert. Doch auch sietaten nur das, was die Politiker vonihnen forderten: ihre Pflicht. Und somitwaren die <strong>Soldaten</strong> beider Seiten,auch sein Vater Fritz Schröder, nichtnur durch Tod, sondern auch durchPflichterfüllung verbunden. „ZumSturz der Hitler-Diktatur brauchtees Patrioten und <strong>Soldaten</strong>. Weil wirDeutsche das wissen, sind wir keinePazifisten. Wir sind aber auch nicht53 Fast zeitgleich besuchte Joseph KardinalRatzinger auf Einladung des Bischofsvon Bayeux, Pierre Pican S.D.B.,den Friedhof.54 Heisig diente ab 1942 als Freiwilligerin der 12. SS-Panzerdivision, wurdemehrfach schwer verwundet und nahmu.a. an der Ardennen-Schlacht teil. Ergeriet in sowjetische Gefangenschaft,wurde aber 1945 als Invalide entlassen.55 Bei der Ausstellungseröffnung „DieWut der Bilder“ in Leipzig am 20. März2005.leichthin bereit, zu militärischen Mittelnzu greifen. Wo militärisches Eingreifenjedoch nötig …ist, entziehtsich Deutschland seiner Verantwortung… nicht.“Am 20. Juli 2004 beschwor GerhardSchröder in Anwesenheit vonBundespräsident Köhler und des niederländischenMinisterpräsidentenJan Peter Balkenende (* 1956) 56 beider Feierstunde zum Gedenken anden Widerstand Vergangenheit undEuropas Zukunft. Im sonnendurchflutetenInnenhof des Bendlerblocksin Berlin erinnerte der Kanzler auchan den gescheiterten Aufstand imWarschauer Ghetto vor fast 60 Jahren:„Europa hat heute guten Grund, diesebeiden Daten – den 20. Juli und den1. August – als flammende Zeichenauf dem Weg zu einer wahren europäischenWertgemeinschaft zu verstehenund in Ehren zu halten. …Denn derKampf für Freiheit und Recht, gegenGewaltherrschaft und militärische Aggressionist die wichtigste Grundlagedessen, was uns in Europa eint.“56 Peter Balkenende würdigte das Attentatals „bedeutendes Ereignis auf dem Wegzur europäischen Zusammenarbeit undIntegration“. Er verwies in seiner aufDeutsch gehaltenen Rede darauf, dassdie Anhänger des Widerstands bereitsdamals über die Zukunft Europas undeine Verfassung für den Kontinent nachgedachthätten.Bild 8: Kanzler Schröder mit Marineinspekteur Feldt an Bord der Fregatte„Hamburg“.Am 22. September 2004 nahmerstmalig ein Kanzler an der Verabschiedungsfeiereines GeneralstabsundAdmiralstabslehrgangs an derFührungsakademie in Hamburg unterGeneralmajor Hans-Christian Beck (*1944) teil – eine besondere Auszeichnung.Nach dem Besuch von KanzlerKohl am 24. Juni 1993 war es derzweite eines amtierenden deutschenRegierungschefs. Er dankte den Offizierendes 45. Lehrgangs, darunterauch vielen ausländischen Offizieren,zum bestandenen zweijährigenLehrgang und schloss deren Familienmit ein. Wegen der „privatisiertenGewalt“ könne heute kein Staat dieSicherheitsprobleme, die aus religiösen,ethnischen Gründen entstünden,mehr allein lösen. „Unsere Geschichteund unsere … Erfahrung lehren unsauch, dass militärisches Handeln vielfachUrsachen von Konflikten nicht beseitigenkann. … Deutsche Sicherheitspolitikfolgt dabei einem umfassendenSicherheitsbegriff. Wir dürfen deshalbunser Denken und Handeln nicht aufdie militärischen Aspekte verengen.“Auf dem Rückflug von einer Reisenach Indien, Vietnam und Pakistanmachte er am 11 Oktober 2004einen vierstündigen Zwischenstoppbeim deutschen ISAF-Kontingent inKabul unter Brigadegeneral Walter42 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTESpindler (* 1954), dem Kommandeurder Multinationalen Brigade Kabulund Oberst Reinhard Barz (* 1953),dem Kommandeur der PRT-GruppenKunduz, Feyzabad und Pol-e-Khomri.Schröders Besuch – in schusssichererWeste – wurde von strengen Sicherheitsmaßnahmenbegleitet. US-Kampfhubschrauber kreisten, als erin Begleitung des stellvertretendenISAF-Kommandeurs, GeneralmajorWolf-Dieter Löser (* 1949; späterGeneralleutnant) per Helikopter imCamp Warehouse, dem Stützpunkt derrund 1.800 deutschen <strong>Soldaten</strong>, eintraf.Dort wurde er vom französischenGénéral de Corps d‘Armée Jean-LouisPy (* 1948), dem Kommandeur derinternationalen Schutztruppe ISAF, 57begrüßt. Er habe „großen Respekt vorden jungen Leuten hier“, sagte Schröder.Im Eiltempo besichtigte er mitGeneralleutnant Holger Kammerhoff(* 1945) und einem Journalisten-Trossdas Feldlazarett.Zum 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestagdes Endes des Zweiten Weltkriegesin Europa, reiste Schröderals Zeichen der Versöhnung mit einerkleinen Delegation, darunter einigeehemalige <strong>Soldaten</strong> der Wehrmacht, 58nach Moskau. Nach der Parade aufdem Roten Platz fand eine Diskussionmit Kriegsveteranen beider Seiten undJugendlichen statt. Am Morgen hatteer als erster Bundeskanzler an derrussischen Militärparade teilgenommen.In einem Interview der „Bild“-Zeitung – gemeinsam mit dem russischenPräsidenten Putin – wich Schröderder Frage nach den „Helden desKrieges“ aus. „Ich gebe zu, mir fällt esschwer, angesichts der Millionen Toten,…von Helden des Krieges zu sprechen.Sicherlich gab es viele mutige <strong>Soldaten</strong>und auch geniale Strategen unterden Offizieren und Befehlshabern. Aberfür mich zeichnen nur ganz konkretesVerhalten oder eine klare Haltung jemandenals Helden aus“. 59 Nach den57 Kommandierender General des Euro-Korps.58 Die deutschen Veteranen waren vomVolksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorgeausgewählt worden: Lothar Scholz(Berlin), Günther Stiemke (Berlin),Emil Lachenmayer, (Berlin), HeinrichKönig (Echte), Heinz Keim (Kaarst), Dr.Jürgen Meyer-Wilmes (Berlin), RichardWagner (Ehrenpräsident des Volksbundes)und Ernst August Ratje (Hamburg).59 Das Interview mit beiden PolitikernAUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Feiern legte Schröder – begleitet vonseiner Gattin Doris Schröder-Köpf –auf dem deutschen <strong>Soldaten</strong>friedhofLjublino 60 im Südosten Moskaus einenKranz für die gefallenen deutschen<strong>Soldaten</strong> nieder.Am 11. Juli 2005 besuchte Schröderdie Wehrtechnische Dienststellefür Schiffe und Marinewaffen inEckernförde. Dort informierte sich derKanzler über die technischen Möglichkeitenund das Einsatzspektrumdes neuen Forschungsschiffes „Planet“.Als Schröder das U-Boot U 32an der benachbarten Pier entdeckte,entschloss er sich, dieses ebenfalls zubesichtigen. Er wurde von FregattenkapitänJochen Brune, dem Kommandeurdes 1. U-Boot-Geschwaders undKorvettenkapitän Frank Thiede, demKommandanten von U 32, begrüßt.An Bord schwärmte der Kanzler vonTechnik und Leistungsstärke des neuenU-Boots und zeigte sich von denLeistungen der Matrosen beeindruckt:„Es ist unvorstellbar für einen Laien,dass auf so engem Raum so viele Leutearbeiten. Die Kunst liegt in der Konstruktion,und darin sind die deutschenU-Boot-Bauer die Besten der Welt.“Als Schirmherr der „Marine SailBremerhaven“ ging der Kanzler am14. August 2005 gemeinsam mit MarineinspekteurLutz Feldt (* 1945) anBord der Fregatte „Hamburg“ unterFregattenkapitän Rainer Engelbertund nahm die Abschlussparade desinternationalen Festivals der Windjammerauf der Weser ab (Bild 8).Anfang Mai 2005 besuchte Schröder– auf der Rückreise von der Türkei –das 1. Einsatzkontingent EUFOR imbosnischen Feldlager Rajlovac unterOberst Paul Bacher und dem britischenEUFOR-Kommandeur GeneralmajorDavid Leakey (* 1952; späterGeneralleutnant). Er informiertesich u.a. über Arbeit und Aufgabender Kampfmittelbeseitiger und Sanitäter.Nach 1999 war es sein zweiterTruppenbesuch auf dem Balkan. BeimFestakt zum 50. Jahrestag der Gründungder Bundeswehr im DeutschenHistorischen Museum in Berlin am 7.wurde vom Chefredakteur Kai Diekmanngeführt und am 6. und 7. Mai2005 veröffentlicht.60 Auf dem Friedhof, den auch schonBundeskanzler Kohl besucht hatte, sind596 <strong>Soldaten</strong> aus elf Ländern beigesetzt,darunter 486 Deutsche.Juni 2005 betonte der Kanzler in seinerFestansprache unter dem Motto„Entschieden für Frieden“ die „tiefeVerankerung der Bundeswehr in unsererGesellschaft und zwar in allenSchichten der Gesellschaft“ und begründetediese mit ihrer Hilfsfunktionbei Katastrophen und der Fähigkeit,„in schwierigen und lebensbedrohlichenAuslandseinsätzen Konfliktezu entschärfen, Hunger, Not undElend zu bekämpfen, …und Demokratiezu befördern.“ Überdies habesie deutlich gemacht, „dass sie nichtin der verhängnisvollen Tradition desdeutschen Militarismus steht, sonderndass sie in der … Auseinandersetzungmit der deutschen Vergangenheit eigeneund überzeugende Traditionslinienentwickelt“ hat.“ Er nannte sie „eineErfolgsgeschichte ohne Beispiel“ undfügte hinzu: „Die Regeln des demokratischenRechtsstaates, die Unverletzlichkeitder Menschenrechte undder Primat der Politik müssen undwerden auch weiterhin Grundsätze militärischenHandelns in der Bundeswehrbleiben.“Insgesamt aber war es eine unpersönlicheAnsprache: Die Feststellungvo n der „tiefen Verankerung“war Wunschdenken, denn diese hattrotz aller Appelle eher ab als zugenommen.Der scheidende Kanzler nahm am26. Oktober 2005 am Großen Zapfenstreichzum 50. Geburtstag der Bundeswehrauf dem Platz der Republikvor dem Reichstag – mit 4.500 Gästen,an ihrer Spitze Bundespräsident HorstKöhler, NATO-Generalsekretär Jaapde Hoop Scheffer und CDU-VorsitzendeAngela Merkel – teil. Am Ende seinerAmtszeit verabschiedeten ihn MinisterStruck und GeneralinspekteurSchneiderhan am 19. November 2005in Hannover im Park hinter dem Rathausmit einem Großen Zapfenstreich(Bild 9). Für die Serenade hatte GattinDoris Schröder-Köpf die Musikstücke„Summertime“ von George Gershwin,Kurt Weills „Moritat von Mackie Messer“aus Brechts „Dreigroschenoper“und Frank Sinatras „My way“ 61 ausgesucht.Nach der Wahl von AngelaMerkel zur Regierungschefin legte61 Englische Adaption des von ClaudeFrançois und Jacques Revaux komponiertenfranzösischen Liedes „Commed‘habitude“.43


BLICK IN DIE GESCHICHTESchröder am 22. November 2005 seinBundestagsmandat nieder.Mit dem Wechsel in die Wirtschafterloschen Schröders Kontaktezur Bundeswehr. Nur einmal, imWahlkampf 2009, meldete er sich zueinem sicherheitspolitischen Themazu Wort und forderte im westfälischenLübbecke den Rückzug der Bundeswehraus Afghanistan bis Ende 2015.– Siebenbürgische Zeitung vom11.09.2004, Kroner, Dr. Michael.Besonderer Dank gilt dem Bilderdienstdes Bundespresse- und Informationsamtes,Herrn Rettig (DeutscheDienststelle Berlin), dem Archivdes KSK in Calw und dem SächsischenStaatsarchiv Leipzig, sowieGenLt a.D. Oltmann, GenMaj a.D.Hellwig und GenMaj a.D. Schultze-Rhonhof sowie Frau Ursula Witzel,Düsseldorf.Literatur– Böttger, Karl u. a.: Das Kgl. Sächs.7. Infanterie-Regiment „KönigGeorg“ Nr. 106.– Erinnerungsblätter deutscherRegimenter, Heft 40, Verlag vonBaensch-Stiftung Dresden 1927.– Brugmann, Gerhard (Hrsg.):Wege eines <strong>Soldaten</strong> – HeinzGaedcke –, Books on demand,Norderstedt 2005.– Frießner, Hans: VerrateneSchlachten, Holsten-Verlag,Hamburg 1956.– Grams, Rolf Die 14. Panzerdivision1940-1945 Podzun-VerlagBad Nauheim 1957– Hinze, Rolf: Hitze, Frost und Pulverdampf,Der Schicksalsweg der20. Panzer-Divisio, Heinrich PöppinghausVerlage, Bochum 1981.– Hnílícka, Karl : Das Ende aufdem Balkan 1944/45, Studienund Dokumente zur Geschichtedes Zweiten Weltkrieges,Bd. 13, Musterschmidt-Verlag,Göttingen 1970.– Hogrefe, Jürgen: Gerhard Schröder,Ein Porträt, Siedler Verlag,2002.– Kissel, Hans: Die Katastrophe inRumänien 1944, Darmstadt 1964.– Löser, Jochen: Bittere Pflicht,Kampf und Untergang der 76.Infanterie-Division, Biblio Verlag,Osnabrück 1986.– Rebentisch, Ernst: Zum Kaukasusund zu den Tauern, Die Geschichteder 23. Panzer-Division1941-1945, Esslingen a.N. 1963.– Sächsisches Staatsarchiv Leipzig,Geburtsregister und Meldekarte.– Schiebold, Kurt: Opfergang in Rumänien,Niemeyer Verlag, Tübingen1952.– Schröder, Gerhard: Entscheidungen.Mein Leben in der Politik,Hoffmann und Campe Verlag,2006.Bild 9: Zapfenstreich für den scheidenden Bundeskanzler Gerhard Schröderam19. November 2005 in Hannover.den ehemaligen Kommandeuren der1. und 3. Panzerdivision, den HerrenBildnachweis:Presse- und Informationsamtes(BPA) der Bundesregierung (1, 4, 5,6, 8, 9), dpa-Bilderdienst (3), Jagdgeschwader73 „Steinhoff“ (10), undArchiv des KSK, Calw (7).Anglikaner Kanadas in voller Einheit mit dem Bischof von RomDie „Anglican Catholic Church of Canada“ hat entsprechend der Modalitätender Apostolischen Konstitution „Anglicanorum coetibus“für die Bitte um volle Einheit mit der Römisch-Katholischen Kirche unterder Leitung des Bischofs von Roms, Papst Benedikt XVI. gestimmt.Die Kirchenführer dieser konservativen anglikanischen Gruppierung,die sich im Jahr 1970 in Kanada gebildet hat, trafen die Entscheidungmit einer breiten Mehrheit. Die Gruppierung hatte sich vehementgegen die Praxis der Ordination von Frauen zu Priesterinnen innerhalbder Anglikanischen Kirche ausgesprochen und deshalb ihre Abspaltungvor 40 Jahren organisiert.Wie die vatikanische Zeitung „L‘Osservatore Romano“ berichtet,war der Konsens zur Gründung eines anglo-katholischen Ordinariatsin Kanada einmütig unter den Mitgliedern des „House of Clergy“. DieSynode approbierte einen Beschluss, mit dem Bischof Peter Wilkinsonautorisiert wird, die notwendigen kanonischen Maßnahmen zu treffensowie die Normen festzulegen, entsprechend denen das Ordinariat eingerichtetwerden kann. Das „House of Clergy“ wählte die Mitglieder des„Interim Governing Council“. Der Rat schlug Bischof Wilkinson als erstenordentlichen Bischof des Ordinariats vor. (ZENIT)44 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 20100


BLICK IN DIE GESCHICHTEVor 100 Jahren: Am 10. September 1910 Franz Kardinal Hengsbach geborenMotor und Reformer des Laienapostolats –auch in der „Kirche unter <strong>Soldaten</strong>“Ruhrbischof (1958-1991) – Militärbischof (1961-1978) – Kardinal (1988-1991)Franz Kardinal Hengsbach (* 10. September 1910 in Velmede; † 24. Juni 1991 in Essen)war der erste Bischof von Essen und der zweite Katholische Militärbischof für die DeutscheBundswehr. Seine Ernennung zum Kardinal wurde am 29. Mai 1988 von PapstJohannes Paul II. bekannt gegeben. Hengsbach war ein tatkräftiger, sozial engagierter undauf Ausgleich bedachter Bischof. Doch sein besonderes Engagement galt dem Apostolat derLaien in der Kirche. – Den folgenden Beitrag hat Paul Schulz aus verschiedenen Publikationenredaktionell zusammengestellt (Quellenangabe am Schluss des Beitrags).Eine kurze BiografieElternhaus– Franz Hengsbach wurde als erstesvon acht Kindern der EheleuteJohann und Theresia Hengsbachin Velmede im Sauerlandgeboren,– von 1925 bis 1926 besuchte erdas Gymnasium Petrinum in Brilon,– ab 1926 das Theodorianum inPaderborn, wo er am 6. März1931 das Abitur bestand. Währenddieser Zeit lebte er im Knabenseminarzu PaderbornKirchliche Laufbahn im Bistum Paderborn– Franz Hengsbach studiertein Paderborn, Freiburg undMünster Theologie, wurde am13.03.1937 in Paderborn zumPriester geweiht und wirkte bis1946 als Vikar in der GemeindeSt. Marien, Herne-Baukau. 1944promovierte er zum Dr. theol. ander Theologischen Fakultät derUniversität Münster.– Von 1948 bis 1958 war er Leiterdes Erzbischöflichen SeelsorgeamtesPaderborn und indieser Funktion verantwortlichfür den 73. Deutschen Katholikentagin Bochum zum Thema„Gerechtigkeit schafft Frieden“.Dieser Katholikentag gilt als einwichtiger Meilenstein in der Geschichteder christlich-sozialenBewegung.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010– Am 30.04.1952 wurde er Generalsekretärdes Zentralkomiteesder deutschen Katholiken (ZdK).– Am 20.08.1953 erhielt er die Ernennungzum Titularbischof vonCantano und Weihbischof in Paderborn,wo er am 29.09.1953 dieBischofsweihe erhielt.Bischof von Essen– Franz Hengsbach wurde am18.11.1957 zum ersten Bischofdes neuen Ruhrbistums Essenernannt und dort am 01.01.1958inthronisiert.– Am 29.05.1988 wurde seine Ernennungzum Kardinal durchPapst Johannes Paul II. bekanntgegeben. Als Titelkirche erhielter Nostra Signora di Guadalupeauf dem Monte Mario in Rom zugesprochen.– Am 21.02.1991 nahm Papst JohannesPaul II. sein Rücktrittsgesuchals Bischof von Essen an.– Kardinal Hengsbach starb am24.6.1991 in Essen und wurdeam 29.6.1991 in der Adveniat-Krypta im Westen der EssenerDomkirche beigesetzt.Weiteres kirchliches Wirken– 05.06.1960 Von Papst JohannesXXIII. in die Konzilsvorbereitungskommissionfür die Laienarbeitberufen– 10.10.1961 bis zum Rücktritt am22. 05.1978 <strong>Katholischer</strong> Militärbischoffür die Deutsche Bundeswehr– 1961 Gründung des BischöflichenWerkes Adveniat– 1963 Mitglied des Generalratesder Päpstlichen Kommission fürLateinamerika– 1965 Briefwechsel des polnischenund des deutschen Episkopateszur Versöhnung der Völkerals Frucht des Konzils. BischofHengsbach ist einer der drei vorbereitendenBischöfe auf deutscherSeite– 1968 verantwortlich für die Seelsorgean den katholischen Ersatzdienstleistenden– 1973 Mitglied der römischen Kongregationfür den Klerus und desZentralkomitees für das HeiligeJahr– Seit 1975 Großprior der DeutschenStatthalterei des Ritterordensvom Heiligen Grab.– 1976 Vorsitzender der KommissionWeltkirchliche Aufgaben derDeutschen Bischofskonferenz– 1977 Vertreter des Deutschen Episkopatesim Rat der EuropäischenBischofskonferenzen (CCEE)– 1977 in den päpstlichen Rat CorUnum berufen– 1980 Präsident der Kommissionder Bischofskonferenzen der Europäischen<strong>Gemeinschaft</strong> (CO-MECE)– November 1988 Berufung in dieKongregation für die Glaubensverbreitung,in das Sekretariat zurFörderung der Einheit der Christen,die Kommission „Justitia etPax“.45


BLICK IN DIE GESCHICHTEDie Gründung des Bistums Essenund sein erster BischofDie Gründung des „Ruhrbistums“am 1. Januar 1958, als der gerade47 Jahre alte Dr. Franz Hengsbach am1. Januar 1958 als erster Bischof desdurch Papst Pius XII am 23. Februar„eritis mihi testes –ihr sollt mir Zeugen sein“Wahlspruch des Bischofs von EssenFranz Hengsbach1957 errichteten Bistums Essen eingeführtwurde, war für alle Teilnehmereine unvergessliche Feier. Zu den15.000 bei Regen und Kälte auf demBurgplatz vor der Essener Münsterkircheausharrenden Christen sprach derBischof nach dem Festgottesdienst dieunvergessenen Worte: „Der Bischofist hier vor Ort gegangen. Im NamenGottes wollen wir die erste Schichtverfahren. Glück auf!“Diese Wahl (von Franz Hengsbachzum ersten Bischof von Essen) stießallgemein auf große Zustimmung, sowohlbei der Bevölkerung des Ruhrgebietesals auch bei den staatlichen,kommunalen, wirtschaftlichen undgesellschaftlichen Verantwortungsträgern.Hengsbach, der aus dem sauerländischenVelmede stammte, hatteschon als Kind bei seinem OnkelPastor Konrad Hengsbach in Gelsenkirchen-Schalkedas Ruhrgebietkennen und lieben gelernt. Er wusste,dass die säuerliche Luft aus derKokerei kam. Er wusste auch, was esheißt: „auf Schalke gehen“; er kanntedie Lebensart der Stahlkocher undKumpel. Auch sein Bischofsring warProgramm: Anstelle eines Edelsteinstrug dieser ein Stück Kohle – von derer sagte, sie sei aus demselben chemischenElement wie ein Diamant – ,darüber errichtet ein Kreuz: „Kreuzüber Kohle und Eisen“.Damit nicht genug. Der junge Bischofwar, wie er am 1. Januar 1958gesagt hatte, „vor Ort gegangen“. Unddas verstand er sehr konkret. In seinerAmtszeit ist er mehr als 100malin ein Bergwerk eingefahren. Es gabwohl kein größeres Unternehmen, daser nicht besucht hat. Er kannte dieBundesliga-Vereine und war Ehrenmitgliedbei Schalke 04. Der Bischofscheute sich auch nicht, an der Spitzevon Demonstrationen zu marschieren,als es um die ersten Zechenschließungenging. Die Sorge um die Menschen,die Arbeiter und ihre Familien, triebihn Tag für Tag um.Mit viel Engagement und Einsatzsteuerte er den Aufbau des Bistums,das aus Teilen der Bistümer Köln,Münster und Paderborn zusammenwachsenmusste. Immer war es ihmein besonderes Anliegen, ein eigenesEssener Bistumsbewusstsein zuschaffen. Auch legte der Bischof vonAnfang großen Wert auf die Mitarbeitund Mitverantwortung der Laien. Sofand bereits am 17. Juni 1959 dieKonstituierung des „Diözesankomiteesder Katholikenausschüsse desBistums Essen“ statt. Diese Mitarbeitund Mitverantwortung der Laien wardann auch eines der großen Themenbeim II. Vatikanischen Konzil, das am25.Januar 1959, also gerade ein Jahrnach Bistumsgründung, von Papst JohannesXXIII angekündigt wurde. Das„Konzilsdekret über das Laienapostolat“wurde von Bischof Hengsbachvorbereitet und später ausführlichkommentiert.Einen weiteren Schwerpunkt legteBischof Hengsbach auf die Präsenzder Kirche in der Öffentlichkeit.„Wenn es um den Menschen geht, umseine Sorgen und Probleme, darf dieKirche nicht wie ein stummer Hundda stehen.“ Dieses öfters von ihm gebrachteWort des heiligen Augustinusentfaltete er in seinen vielen Predigten;er war aber auch auf die Präsenzin den Medien, in Presse, Fernsehenund Hörfunk bedacht. Am 5. April1959 erschien die erste Nummer derEssener Kirchenzeitung unter demNamen „Ruhrwort“. Es sollte eineKirchenzeitung modernen Stils seinmit flotter Aufmachung und mit einerSchreibe, die dem Ruhrmenschenaufs Maul schaute.Laienapostolat und KircheAunter <strong>Soldaten</strong>m 10. Oktober 1961 übernahmder Bischof von Essen, Dr. FranzHengsbach, das mit dem Tode vonJoseph Kardinal Wendel am 31. Dezember1960 verwaiste Amt des KatholischenMilitärbischofs. Mit dem„Ruhrbischof“ Dr. Franz Hengsbachtrat ein Kirchenführer an die Spitzeder Militärseelsorge, der sich vor allemfür soziale Fragen und die Stellungdes Laien in der Kirche engagierte.In ihm sollten der KönigsteinerOffizierkreis (KOK) und die spätere<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>(GKS) ihren bedeutendsten Förderererhalten.Der Militärbischof hatte stets betont,dass sowohl die Verantwortungfür Menschen wie der Beitrag zumFrieden vom <strong>Soldaten</strong> – auf allen Verantwortungsebenen– mehr als fachlichesKönnen verlangen. In seinen Redenzeigte er den Zusammenhang vonSach- und Sinnfragen, die sittlichenAspekte von Beruf und <strong>Auftrag</strong> des<strong>Soldaten</strong> und immer wieder die Wurzelnchristlicher Weltverantwortung.In der Zeit des Aufbaus der Militärseelsorgehat man – mit Fug undRecht – von einer „neuen Konzeptionder Militärseelsorge“ gesprochen.Ein Ergebnis dieser Konzeption ist,dass man Militärseelsorge heute nurbeschreiben und verstehen kann als„Kirche unter <strong>Soldaten</strong>“. So jedenfallslautete die Erkenntnis einer Bestandsaufnahmevon 1973 1 . MilitärbischofHengsbach hatte das Geleitwortzu dieser Dokumentation am 29.September, dem 20. Jahrestag seinerBischofsweihe, unterschrieben. Seitdemist „Kirche unter <strong>Soldaten</strong>“ zwarkeine offizielle Bezeichnung, aberein gängiger Begriff, die zutreffenderist als der Begriff „Militärseelsorge“,der den Eindruck erweckt, es handle1 Bestandsaufnahme des Priesterrates desMilitärbischofs in: Dokumentation zurKath. Militärseelsorge, Heft 5/1973, S.35-64.46 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEsich hier nur um eine Tätigkeit vonGeistlichen.Der entscheidende Anstoß zu dieserEntwicklung kam aus der so genanntenLaienarbeit. Katholische Offiziereund auch Unteroffiziere, trafensich schon gegen Ende der 1950erJahre zu Gruppenabenden. Die meistenkamen aus katholischen Jugendverbänden.Sie kannten die Diskussionenum den deutschen Beitrag zuratlantischen Verteidigung und stelltenFragen, was sich für Beruf und <strong>Auftrag</strong>des <strong>Soldaten</strong> ergebe, wenn man dieMaßstäbe christlicher Verantwortunganlegt – sowohl im Hinblick aus „Verteidigung“als auch auf (eine an denGrundrechten und der Menschenwürdeorientierten) „Menschenführung“.Das waren die Anfänge des KönigsteinerOffizierkreises (KOK).Bischof Dr. Franz Hengsbachnahm vom Beginn seiner Tätigkeitals <strong>Katholischer</strong> Militärbischof regenAnteil an der Arbeit des KOK. AlsAusdruck des Dankes und der Verehrungerhielt er am 12. April 1962 dasvon den Militärseelsorgern und demKOK gestiftete Militärbischofsbrustkreuzüberreicht, dessen Form auchheute noch Signum der katholischenMilitärseelsorge ist. Wenn man dieAUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010umfangreichen Akten über die einzelnen„Wochen der Begegnung“ imArchiv des Katholischen Militärbischofsdurchsieht, ist klar erkennbar,wie stark sich der Militärbischof persönlichfür die Ausgestaltung dieserTagungen engagiert hatte. Er nahman allen Wochen der Besinnung teilund stellte sich häufig als ReferentDie Militärbischöfe Joseph Kardinal Wendel, Erzbischof vonMünchen und Freising, (links) und Dr. Franz Hengsbach, Bischofvon Essen, förderten den Aufbau des Laienapostolates in ihremJurisdiktionsbereich nach Kräften (als das Bild1960 aufgenommenwurde, war Bischof Hengsbach allerdings noch nicht Militärbischof)zur Verfügung.In der Entscheidung für die Beteiligungder Laien an der Mitverantwortunginnerhalb der Bereiche derMilitärseelsorge liegt ein besonderesVerdienst des früheren MilitärbischofsDr. Hengsbach, der diese Entwicklungmaßgeblich vorangetrieben hatte.Der Militärbischof hatte auf derGesamtkonferenz der hauptamtlichenMilitärgeistlichen in Königstein am 3.Oktober 1963 die theologischen undpastoralen Grundzüge dieses Neubeginnsvorgestellt: Das Apostolat istdie entscheidende Klammer, in deralle Lebens- und Erscheinungsformender geistlich handelnden Kirche übereinkommen.Das „Volk Gottes“ habesowohl einen Heils- als auch einenWeltauftrag. Ihm gehören Bischöfe,Priester und Laien an. Auch die Laienhätten Anteil an der priesterlichenSendung Christi und müssten sichdeshalb aktiv an der nach innen undaußen gerichteten Heilssendung derKirche beteiligen. Dies solle in der„Heiligen Ordnung“ in Einheit mitdem Bischof und unter dem Bischofgeschehen. Aus diesem Grunde müsseein Wandel von Formen der Zusammenarbeitzwischen hierarchischemApostolat und Laienapostolat stattfinden.Vor allem werde eine ständigeKoordination und Kooperation derApostolatsarbeit notwendig.So kam es bereits 1963 zu Bildungvon Pfarrausschüssen in einzelnenMilitärpfarrgemeinden. Im Jahre1964 wurden die Militärpfarrer aufgefordert,in ihren „Seelsorgebezirken“Pfarrausschüsse einzurichten.In seiner Verordnung vom 18. April1969 hat der Militärbischof dann dieBildung der „Beratenden Ausschüssebeim katholischen Standortpfarrer“und die Schaffung einer „BeratendenVersammlung beim Katholischen Militärbischof“angeordnet. In diesenLaiengremien arbeiteten von Anfangan zahlreiche Mitglieder des KOKmit. Da der Militärpfarrer die katholischen<strong>Soldaten</strong> aller Dienstgrade undderen Familien seelsorgerisch zu betreuenhatte, waren die Offiziere, diehier tätig wurden, auf die Zusammenarbeitmit Unteroffizieren und hier vorallem mit den Portepeeunteroffizierenangewiesen.Der Militärbischof hat dies auchauf der 5.Woche der Besinnung in Königsteinam 16. April 1964 deutlichzum Ausdruck gebracht und die Zusammenarbeitzwischen Offizier undUnteroffizier auf kirchlichem Gebietals „unerlässlich“ bezeichnet: „DiePfarrausschüsse sollen AusspracheundPlanungsgruppen sein und demSeelsorger die Arbeit erleichtern helfen.Der Königsteiner Offizierkreisist in diesem Rahmen eine Arbeitsgruppe.“Während der 6. Woche der Besinnung1965 konnte der Bundessprecher„Vertreter des Unteroffizierkorps“willkommen heißen.Zu weiteren zentralen Veranstaltungendes KOK in den folgendenJahren wurden erneut Unteroffiziereeingeladen. Auf örtlicher Ebenekam es nach der Bildung von Pfarrausschüssenbzw. Beratenden Ausschüssenzu enger und vertrauensvollerZusammenarbeit von <strong>Soldaten</strong>47


BLICK IN DIE GESCHICHTEaller Dienstgradgruppen, insbesonderevon Offizieren und Unteroffizieren.Die Diskussionen um die Öffnung desKOK führten dazu, dass während der9. Woche der Besinnung in Königstein(1969) grundsätzlich beschlossenwurde, den KOK für <strong>Soldaten</strong> allerDienstgrade zu öffnen; mit Durchführungund Festlegung der Organisationsformwurde der Führungskreisbeauftragt.Bei der darauf folgenden 10. Wocheder Besinnung, die unter demThema „Soldat und Kirche – Laienarbeitin der Zukunft“ vom 16. bis20. März 1970 in Essen-Heidhausenstattfand, übertraf erstmals die Zahlder teilnehmenden Unteroffiziere dieder Offiziere. Die Delegierten berietenden vom Führungskreis des KOKunter der Leitung von Helmut Kornerarbeiteten Entwurf einer „Ordnung70 der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong>“, der nach Überarbeitungvor Ort am 17. März mit großer Mehrheitangenommen wurde. Damit wardie GKS gegründet. MilitärbischofHengsbach bestätigte die Gründungam folgenden Tag. Zum ersten Sprecherder GKS wurde Oberstleutnanti.G. Dr. Helmut Korn gewählt.Im Verlauf des Zweiten VatikanischenKonzils (1961-1965) hatteBischof Hengsbach entscheidend beider Formulierung der Pastoralkonstitution„Über die Kirche in der Weltvon heute“ mitgewirkt. So war er einerder Redakteure des 5. Kapitels derKonstitution, in dem sich die Konzilsväteru.a. zu den ethischen Fragenatomarer Bewaffnung äußerten. DieAnregungen für den KOK, sich mitden vom Konzil erarbeiteten theologischenErkenntnissen zu beschäftigenund für das Leben nutzbar zu machen,war mit Sicherheit eine unmittelbareFolge der persönlichen Beziehungendes Konzilsvaters und MilitärbischofsHengsbach zur Führung des KOK. Inden Vordergrund des Interesses tratnunmehr die christliche Weltverantwortungals Pflicht und Zeichen deskatholischen <strong>Soldaten</strong>. Die Pastoralkonstitutionwies die Wege für eineLegitimation des <strong>Soldaten</strong>berufes auschristlicher Verantwortung auf. Dieseneuen Leitgedanken wurden unabhängigvon den Konzilsdokumentenauch deutlich, als beim zweiten Weißbuchim Titel an die Stelle von „Verteidigungspolitik“(1969) nunmehrdie „Sicherheit der BundesrepublikDeutschland“ trat. Als „Diener derSicherheit und Freiheit der Völker“fühlte sich „der katholische Berufssoldat“in doppelter Weise legitimiert:als katholischer Christ in der Bundeswehrund als Soldat in seiner Kirche.Das Interesse dieser katholischen<strong>Soldaten</strong> gilt nicht ausschließlich densittlichen Aspekten der Verteidigungund Menschenführung, den Problemender Friedensforschung und Friedenslehre.Sie bekennen sich zurchristlichen Mitverantwortung in derBreite des Dekretes über das Laienapostolatdes II. Vatikanischen Konzils.(Schon vor Beginn dieses Konzilshatte der Militärbischof den damaligenKOK in diese Richtung gewiesen.)… Der frühe Aufruf des Militärbischofs,die katholischen <strong>Soldaten</strong>sollten sich nicht als „Objekt derSeelsorge“ betrachten, sondern sich„vor Ort“ auch als „Subjekte“ ihrerKirche verstehen und engagieren, istauf fruchtbaren Boden gefallen.In Deutschland ist – anders alsin andern Ländern – immer ein residierenderDiözesanbischof mit demzusätzlichen Amt des KatholischenMilitärbischofs für die Deutsche Bundeswehrbetraut. Auch damit wirddeutlich, dass der Militärbischof inkeinerlei Dienstverhältnis zum Staatsteht. Kraft der Autorität, die er alsresidierender Diözesanbischof „mitbringt“,gilt daher der Militärbischofimmer auch als „offizieller“ Vertreterder (Gesamt-)Kirche. Mit seinenMilitärbischof Franz Hengsbach begrüßt <strong>Soldaten</strong> vor demKirchenportal.Visitationsreisen als Militärbischofsind deswegen „offizielle Besucheder Bundeswehr“ verbunden. Bei Verhandlungenmit der staatlichen Seiteist er der „kirchliche“ Partner des zuständigenBundesministers. Schon dererste Militärbischof, Joseph KardinalWendel, Erzbischof von München undFreising, hatte den offiziellen Besuchender Bundeswehr großes Gewichtbeigemessen. Bischof Hengsbach hattediese Konzeption, dass mit demMilitärbischof immer auch der Vertreterder Kirche in die Bundeswehrkommt, stabilisiert – vor allem durchseine Reden und Vorträge, in denener nicht nur die Fragen der <strong>Soldaten</strong>,sondern auch die Fragen von allgemeinerBedeutung aus kirchlicherSicht Stellung nahm. 22 Einige Beispiele aus den 1970er Jahren:„Kirche und Wehrdienst“, Vortrag imWBK II, Düsseldorf, 1970. „Warum berätdie Kirche in Sachen Kriegsdienstverweigerungaus Gewissensgründen?“,HOS I Hannover, 1972. „Zukunft alsFolge menschlicher Entscheidungen“,vor Offizieren der StO Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald, 1975.„Erziehung in der Welt von heute“,48 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEAuf diese Weise hat BischofHengsbach die Bundeswehr darangewöhnt, dass es auch zur Aufgabedes Militärbischof gehört, offiziell –als Vertreter der Kirche – zu den GegenwartsfragenStellung zu nehmen.Gespräche und Besprechungen mitden Kommandeuren ergänzten dieseTätigkeit. Die Bundeswehr hat dieseKonzeption, als Militärbischof mit jedemZoll „Mann der Kirche“ zu sein,um so leichter akzeptieren können, alsder „Ruhrbischof“ auch in der Bundeswehrim Umgang mit jedermanndas bewies, was unter <strong>Soldaten</strong> als„Ausstrahlung“ geschätzt wird. DasVertrauen katholischer <strong>Soldaten</strong> zuihrem (Militär-)Bischof hat von dieserAmtsführung profitiert. Es ist der Militärseelsorgegut und auch der Bundeswehrnicht schlecht bekommen,dass der „Chef“ der Militärseelsorgeein residierender Diözesanbischof inder Bundeswehr für die Identität von„Kirche unter <strong>Soldaten</strong>“ und „Gesamtkirche“bürgt und geradesteht.Soldat und FriedenDas II. Vatikanische Konzil (1962-1965) richtete in seiner Pastoralkonstitution„Die Kirche in der Weltvon heute“ an die <strong>Soldaten</strong> die folgendeMahnung; „Wer als Soldat imDienst des Vaterlandes steht, betrachtesich als Diener der Sicherheit undFreiheit der Völker. Indem er dieseAufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaftzur Festigung des Friedens bei.“(GS Nr. 79)Zur Vorgeschichte dieses seitdemunzählige Male zitierten Satzesgehört auch, dass Bischof Hengsbachsehr früh erkannt hatte, wie unerlässliches sein würde, dass dieses Konzilim Abschnitt über die „Förderung desFriedens“ auch ein Wort zum Dienstdes <strong>Soldaten</strong> sage. Als Militärbischofhatte er die Möglichkeit, auch mitWBK V, Stuttgart, 1976. „Hat der Friedenan Boden gewonnen?, Ansprachebeim Volkstrauertag in Munster/Örtze,1976. „Werte der Zukunft – Zukunft derWerte“, TerrKdo Süd, Heidelberg, 1976.„Lernziel Menschlichkeit. Zur politischenBildung und Menschenführungin den Streitkräften“, OSH, Hannover,1977. „Lebenskundlicher Unterrichtals pastoraler Dienst“, TerrKdo Süd,Heidelberg, 1978.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Militärbischof Franz Hengsbach besucht während der Internationalen<strong>Soldaten</strong>wallfahrt 1977 kranke <strong>Soldaten</strong> in Lourdes.sachkundigen und verantwortungsbewussten<strong>Soldaten</strong> darüber zu beraten,wie der Zusammenhang zwischender Förderung des Friedens und demDienst des <strong>Soldaten</strong> zu sehen und zuformulieren sei. Als Konzilsvater hatteder Militärbischof die Möglichkeit,entsprechende Erkenntnisse rechtzeitigin die Arbeit des Konzils einzubringen.Für die Militärseelsorge war vonAnfang an klar, dass die zitierte Konzilsaussageüber den Dienst des <strong>Soldaten</strong>davor bewahrt werden musste,als bloßes Zitat ein Eigenlebenzu entwickeln. Vielmehr war es notwendig,den <strong>Soldaten</strong> alles ohne jedeAusnahme nahe zu bringen, was diesesKonzil unter der Überschrift „DieFörderung des Friedens und der Aufbauder Völkergemeinschaft“ gesagthatte, insbesondere auch das Kapitel„Von der Vermeidung des Krieges“.Der Militärbischof begann damitbei der jährlichen Zentralen Veranstaltungfür katholische Offiziere.Er legte ferner die Grundgedankendieser Konzilsaussagen vielen Redenund Vorträgen zugrunde. 3 Diese Be-3 Auszüge aus diesen Reden bei seinenoffi ziellen Besuchen der Truppe, derOffi ziersschulen und bei hohen Stäbensind in den Publikationen der Militärseelsorgeveröffentlicht, insbesondere inmühungen des Militärbischofs fielenauf fruchtbaren Boden. Während dergemeinsamen Synode der Bistümerin der Bundesrepublik Deutschland(1972-1975) veröffentlichte z.B. dieGKS ein Arbeitsbuch mit dem Titel„Wenn <strong>Soldaten</strong> Frieden sagen“. 4Hierzu gehört auch, dass sich katholischeOffiziere als geeignete Gesprächspartnerin den Kommissionen,(Ausschüsse und Arbeitskreise) derGemeinsamen Synode bewährten, damitdort die bestehenden Meinungsverschiedenheitenin den BereichenWehrdienst, Kriegsdienstverweigerungund Zivildienst auf eine Wieseausgetragen werden, „die dem gemeinsamenZiel der Friedenssicherungund Friedensförderung dient“. 5Auch persönlich hat der Militärbischofdiese Grundhaltung vorbereitenhelfen. Er hatte 1970 in derDeutschen Bischofskonferenz die FedenHeften 3 (1970) und 6 (1978) der„Dokumentationen zur kath. Militärseelsorge“,Hrsg. KMBA.4 „Wenn <strong>Soldaten</strong> Frieden sagen. Aus derArbeit der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong>“, hrsg. von Walter Loch u.Helmut Fettweis i.A. der GKS, EchterVerlag, Würzburg, 11974, 21975, VerlagBachem, Köln, 31988.5 Das Ergebnis dieser Gespräche ist indie Formulierung des Synodenbeschlusses„Entwicklung und Frieden“, Nr.2.2.4.5 eingeflossen49


BLICK IN DIE GESCHICHTEderführung für die Seelsorge an denZivildienstleistenden übernommen,nicht obwohl, sondern weil er Militärbischofwar. Seine Begründung:„Auch in diesen Fragen darf die Kirchenicht mit gespaltener Zunge sprechen.“Und: „In der Kirche haben dieZivildienstleistenden den gleichenAnspruch auf Seelsorge wie die Wehrdienstleistenden“.In die Thematik „Soldat und Frieden“gehören sicherlich auch die jährlichim Mai stattfindende Internationale<strong>Soldaten</strong>wallfahrt nach Lourdes,zu der der französische Militärbischoferstmals im Jahr 1958 auch die katholischen<strong>Soldaten</strong> der Bundeswehreinlud sowie die seit 1965 auf Initiativevon Apostolat Militaire International(A.M.I.) und GKS stattfindende„Feier des Weltfriedenstages“. Diesenbegeht die Militärseelsorge i.d.R.im ersten Quartal als Friedensgottesdienstder Ortsbischöfe mit den in ihrenDiözesen stationierten deutschenund ausländischen <strong>Soldaten</strong>.Bischof Dr. Franz Hengsbach hatim Jahr 1978 die Internationale <strong>Soldaten</strong>wallfahrtnach Lourdes als Anlassgewählt, den „Wechsel im Amtdes Militärbischofs“ bekannt zu geben.Dass Bischof Hengsbach als Ortdes Wechsels im Amt des MilitärbischofLourdes wählte, hatte die Qualitäteines geistlichen Testaments. Diesejährliche <strong>Soldaten</strong>wallfahrt nachLourdes zeigt nicht nur Chancen undAufgaben der Seelsorge in der DeutschenBundeswehr, sie weckt undrechtfertigt auch Hoffnungen.Über 17 Jahre hat er den Dienstals Militärbischof getan und sich engagiertfür die Belange der <strong>Soldaten</strong>eingesetzt. Noch heute sind die Spurendes Mannes, den die Feldjägerzu ihrem Ehrenmitglied ernannten,in der Militärseelsorge deutlich zusehen.Zum Kardinal erhobenAls am 29. Mai 1988 der Rundfunkin den Mittagsnachrichtenmitteilte, Bischof Hengsbach sei vomPapst Johannes Paul II. zum Kardinalerhoben worden, da herrschte bei vielenGläubigen große Freude.Denn dieser Bischof hat einenNamen, der über die Grenzen seinesBistums hinausgeht. Der „Ruhrbischof“hat es verstanden, den Bereich,der aus ehemaligen Gebietenmehrerer Bistümer besteht, zu einerEinheit zusammenzufügen. Ererkannte die Zuverlässigkeit der arbeitendenBevölkerung an der Ruhr,er lernte „seine Kumpels“ kennenund schätzen. Er bahnte die deutschpolnischeVersöhnung an, als nochFranz Kardinal Hengsbach imSommer 1988.niemand an einen solchen Schritt zudenken wagte. Er bemühte sich umdie Menschen und übertrug dem Laienschon vor dem Konzil Aufgaben indieser Kirche. Als er dann noch zusätzlichdas Amt des Militärbischofsfür die Bundeswehr übernahm, daglaubten viele, dass er für „sein Revier“weniger Zeit haben werde. DasGegenteil war der Fall; auch in dieserPosition ließ er seine Gläubigen vonder Ruhr nicht im Stich. Er machtedas Ruhrgebiet nunmehr überall bekannt.Und er suchte unter den <strong>Soldaten</strong>nach denen, die aus seinemBistum stammten. Die Freude überdie Begegnung war dann meist beiderseitig.Aber er brachte es auch fertig,den Leuten „im Pütt“ den Dienstder <strong>Soldaten</strong> verständlich zu machen.Doch über den engen Kreis derBundesrepublik hinaus engagierteer sich für diese Kirche. Er erkannteschon frühzeitig, dass auf die KircheTeilhabe an der Weltverantwortungzukommen würde.Im Konzil hatte er großen Anteilan der Vorbereitung der Konzilskonstitution„Kirche in der Welt von heute“.Über das Dekret über die Laienarbeitschrieb er einen Kommentar.Aus ersten Kollekten für das PartnerbistumHongkong wuchs der Gedankean das Werk Adveniat. Durchdieses Werk wird den Völkern Lateinamerikasneue Hoffnung und Stärkegeschenkt. So hat der Bischof von Essenimmer wieder auf die Verflechtungder einzelnen Diözesen mit denGläubigen in der ganzen Welt hingewiesen.Er vertritt die Belange der europäischenKatholiken, aber er weißauch, dass sie ins Gesamtkonzepteiner Weltkirche eingebracht werdenmüssen.Durch die Verleihung der Titelkirche„Unsere liebe Frau von Guadalupe“auf dem Monte Mario in Romkommt diese Einbindung in die Weltkirchebesonders zum Ausdruck. Aufder einen Seite wird der Essener Bischofnun auch Priester des BistumsRom. Zum anderen weist der Nameder Kirche auf das Engagement desKardinals für Südamerika hin.Wir, die wir Kardinal Hengsbachlange Jahre als unseren Hirten fürden Bereich der Militärseelsorge erlebenkonnten, freuen uns über diesehohe Auszeichnung. Wir dankenihm, dass er aus seiner Berufung zumPriester den Menschen zugewandt,helfend und sorgend, offen für die Notdes Nächsten geblieben ist.Wir wissen auch, dass die neuenAufgaben nicht leicht sein werden.Aber wir können auch heute versichern,was einer der Unseren vor 26Jahren, am 12. April 1962, als BischofDr. Franz Hengsbach als Militärbischofeingeführt wurde, versprochenhat: Er wies auf das Bischofskreuzhin und sagte auf dieQuerbalken deutend: „Daran helfenwir tragen.“In dieser Zeit, da Kardinal Hengsbachnicht mehr unser Militärbischofist, können wir ihm auf zwei Wegenhelfen, einmal, dass wir seinen Amtsnachfolger,unseren Militärbischof Dr.Elmar Maria Kredel, Erzbischof vonBamberg, nach Kräften unterstützenund so der Kirche als <strong>Gemeinschaft</strong>dienen. Der zweite Ansatzpunkt aberist das Gebet. So soll unser Versprechensein: „Eminenz, wir helfen tra-50 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


BLICK IN DIE GESCHICHTEgen durch unser Gebet.“ Wir sind gewiss,Gott wird dann alles dazu geben,was notwendig ist.Ein bischöfliches Lebenist vollendetUnmittelbar nach der Feier seines80. Geburtstages am 10. September1990 traf Kardinal Hengsbacheine schwere Krankheit. Mit Energiestemmte sich der erste Bischofvon Essen dagegen und nahm nachmehrwöchigem Krankenlager seineAmtsgeschäfte wieder auf. Am 21.Februar 1991 teilte Rom mit, dassPapst Johannes Paul II. das vor fünfJahren gestellte Rücktrittsgesuch desBischofs nun angenommen hatte.„Noch am Fronleichnamsfest1991 feierte er auf dem Burgplatz inEssen mit etwa 7.000 Menschen einenGottesdienst.“, schreibt KlausHellmich in einem Nachruf 6 auf denersten Bischof von Essen und fährtfort: „Die anschließende Prozessionjedoch konnte er schon nichtmehr mitmachen. Sein Gesundheitszustandließ das nicht mehrzu. Schweren Herzens blieb er aufder Altarinsel zurück, auf der etwasmehr als einen Monat später dasPontifikalrequiem für den verstorbenenKardinal vom Kölner ErzbischofJoachim Kardinal Meisnergefeiert wurde. Die Feier des Gottesdienstesan Fronleichnam sollteder letzte öffentliche Auftritt desEssener Kardinals sein. Dort, wo erseine erste Schicht im Bistum Essen1958 begonnen hatte, auf demBurgplatz, sollte er auch seine letzteSchicht verfahren.“Der Essener Diözesanadministrator,Weihbischof Wolfgang Große,der seit der Annahme des Rücktrittsgesuchsvon Kardinal Hengsbachim Februar 1991 das Bistumverwaltete, bezeichnete denverstorbenen Essener Gründerbischofals einen Mann, der mit großerEnergie und Umsicht das BistumEssen aufgebaut habe. Darüberhinaus habe Hengsbach den Menschenan Rhein und Ruhr Zuver-6 Klaus Hellmich, Kardinal Dr. FranzHengsbach - Erster Bischof von Essen.Sein Name stand für das Revier, aus:www.bistum-essen.de/…/kardinal-drfranz-hengsbach.AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010sicht und Hoffnung gegeben in derZeit der Strukturkrise. „Einer vonuns“ oder „Kumpel Franz“ oderauch „Ruhrbischof“, das waren Begriffe,die deutlich machten, wiesehr der Name Franz Hengsbachmit der Region an Rhein und Ruhrverbunden war. Er war es, der auchden Initiativkreis Ruhrgebiet gegründethatte, um Maßnahmen zurÜberwindung der Strukturkrise imRevier zu ergreifen. Dieser Kreis,dem Spitzenvertreter aus Wirtschaftund Industrie angehörten, hatte entscheidendeinen wirtschaftlichenAufschwung im Revier angeschoben.Aber auch über den Bereich desBistums Essen hinaus hat KardinalHengsbach viel bewirkt. So war ereiner der Gründer der BischöflichenAktion Adveniat 1961 und derenVorsitzender bis zum Schluss. Als„Außenminister“ der Deutschen Bischofskonferenzempfing der EssenerKardinal Besucher aus aller Welt inEssen. So war er einer der Initiatorendes Briefwechsels zwischen der polnischenund der deutschen Bischofskonferenzzur Aussöhnung zwischenden beiden Völkern. Er war ebensoeiner der Motoren der Polenhilfe,die im Jahre 1981 begann. Dabeiging es ihm nicht nur um materielleHilfe, sondern auch um die Begegnungder Menschen. Als Vorsitzenderder Kommission Weltkirche derDeutschen Bischofskonferenz war erzudem entscheidend beteiligt an derAnnäherung und Zusammenarbeitder europäischen Bischofskonferenz.Es wäre müßig, so heißt es imNachruf von Klaus Hellmich, alleVerdienste und Tätigkeiten des erstenBischofs von Essen aufzuzählen.Am 28. Juni 1988 würdigte derPapst das Wirken des Bischofs mitder Aufnahme in das Kardinalskollegium.Der Essener Bischof hatdiese ehrenvolle Berufung jedochnie als persönliche Ehrung empfunden,sondern immer als Auszeichnungfür das gesamte Revier.Als im Februar 1991 seinRücktrittsgesuch als Bischof vonEssen vom Papst angenommen wordenwar, steckte er noch voller Pläne.Er wollte, wie er selbst sagte,„Sachen tun, die ich bis dato nichttun konnte“. Dazu war er dann dochnicht mehr gekommen. Er hat jedochim Bistum Essen, im Revier,in der Weltkirche Spuren hinterlassen,die von einer fest verwurzeltenLiebe zur Kirche und zumMenschen zeugen. Und die Menschenhaben ihn geliebt. Nicht endenwollte der Zug der Trauernden,die dem toten Kardinal im offenenSarg in der Essener Domkirche dieletzte Ehre erwiesen haben. undauch heute noch besuchen Bürgeraus dem Revier seine Grabstättein der Westkrypta der Domkirche.Quellenangabe:– Kapitel „Eine kurze Biografie“:BiographischBibliographischesKirchenlexikon: www.bbkl.de/h/hengsbach_f.shtml– Kapitel „Die Gründung des BistumsEssen und sein erster Bischof“:Dompropst em. FerdinandSchulte Berge, Die Gründung desRuhrbistums, auf der Internetseite:www.kirche-im-ruhrgebiet.de/– Kapitel „Laienapostolat und Kircheunter <strong>Soldaten</strong>“: KatholischesMilitärbischofsamt (Hrsg.),Katholische Christen in der Bundeswehr,Bachem Verlag, Köln,1987.– Kapitel „Laienapostolat und Kircheunter <strong>Soldaten</strong>“ und „Soldatund Frieden“:Martin Gritz, Militärseelsorge– Kirche unter <strong>Soldaten</strong>,in: Zeugnis und Dienst.Zum 70. Geburtstag von BischofDr. Franz Hengsbach, Verlag FerdinandKamp, Bochum, 1980.– – Kapitel „Zum Kardinal erhoben“:Helmut Fettweis, Zum Kardinalerhoben, in: AUFTRAG Nr.175/Aug. 1988, S. 8-9.– Kapitel „ Ein bischöfliches Lebenist vollendet „: Klaus Hellmich,Kardinal Dr. Franz Hengsbach -Erster Bischof von Essen. SeinName stand für das Revier, aufder Internetseite: www.bistumessen.de/…/kardinal-dr-franzhengsbach.Fotonachweis:Zeugnis und Dienst (1),www.bistum-essen.de/…/kardinaldr-franz-hengsbach(2-Wappen),KMBA-Archiv (3, 4 u. 5),Archiv Bistum Essen (6)51


KIRCHE UNTER SOLDATEN52. Internationale <strong>Soldaten</strong>wallfahrt nach LourdesWallfahrer unter der Obhutdes Katholischen Militärpfarramtes VeitshöchheimVON RAINER ZINKVom 19.05. bis 25.05.2010 fand die 52. Internationale <strong>Soldaten</strong>wallfahrt in Lourdes statt. In diesem Berichtsollen die Erlebnisse der <strong>Soldaten</strong> auf dieser <strong>Soldaten</strong>wallfahrt aus der Region Veitshöchheim, Hammelburg,Walldürn und Wildflecken geschildert werden.Eingestimmt wurden die „unterfränkischen“ Wallfahrerdurch Pfarrhelfer Elmar Fries vom KatholischenMilitärpfarramt, Veitshöchheim bei einem Informationsgesprächam 17.05.2010. Am 19.05.2010 um 10.00 Uhrstartete dann die Wallfahrt unter Leitung des KatholischenMilitärpfarrers Martin Klein in Veitshöchheim, Hammelburgper Bustransport nach Fulda. Dort war Treffpunktder Pilger aus den verschiedenen Standorten, um in denFeierlicher Gottesdienst im Zeltlager der <strong>Soldaten</strong> in LourdesSonderzug 2 aus Hamburg einzusteigen, der gegen 12.30Uhr ab Fulda losfahren sollte. Es sei angemerkt, dass imZug schon eine besondere Stimmung vorhanden war, dennalle Pilger freuten sich auf die nächsten Tage.Nach circa 4 Stunden Fahrt erreichte der SonderzugOffenburg. Dort war ein 3-stündiger Halt eingeplant, dennes fand in Offenburg der Eröffnungsgottesdienst (siehe Bild1) in der Heiligkreuzkirche statt. Alle Militärpfarrer desSonderzuges 2 zelebrierten gemeinsam mit Dekan Bürklevon der Heiligkreuzkirche diese Messfeier. Gestärkt vondiesem Gottesdienst konnten die Wallfahrer die Reise imZug gegen 19.00 Uhr fortsetzen. Die Reise war sehr kurzweilig,denn es fanden in den Abteilen gute Gespräche stattund auch die Nacht in den Liegewägen war angemessen.Am nächsten Tag erreichte der Sonderzug 2 gegen12.40 Uhr den Wallfahrtsort Lourdes und der MilitärischeTransportführer Oberstleutnant Alfred Warner konnte feststellen,dass der Zug pünktlich im Ziel war und darüberhinaus ein strahlend blauer Himmel in Lourdes die Pilgerab sofort verwöhnen sollte.Schon die Begrüßung am Bahnhof in Lourdes sollteein besonderes Ereignis sein, denn es spielte das Heeresmusikkorps1 aus Hannover und der deutsche Pilgerleiter,Militärdekan Msgr. Johann Meyer sowie der militärischeLeiter, Oberstleutnant Stefan Graichen begrüßten die Teilnehmer,indem diese ein Glas französischenRotwein bekamen.Vom Bahnhof aus marschierten die<strong>Soldaten</strong> ins Zeltlager und die Hotelgästewurden ins Hotel chauffiert. Gegen16.00 Uhr stand dann der erste Programmpunktan: Die Einführung in denHeiligen Bezirk, die Pfarrhelfer Friesdurchführte. Deutlich erkennbar war dasErstaunen auf den Gesichtern der Pilgerüber die Ausstrahlung des heiligenBezirks, aber auch über die Vielzahl derMenschen aus allen Nationen. Nach dieserEinweisung war ein kurzer Marschins Zeltlager angesagt, denn dort solltedie offizielle Begrüßung stattfinden.Am nächsten Morgen wurde dieMessfeier für alle deutschen Pilger ander Grotte durch MilitärgeneralvikarApostolischer Protonotar Walter Wakenhutzelebriert. Ein sehr schöner Gottesdienst,bei dem alle deutschen Pilger,aber auch andere Nationen mit viel Begeisterung mitfeiernkonnten. Im Anschluss daran übernahm MilitärpfarrerKlein „seine“ Pilger, um den Kreuzweg zu gehen. Nacheiner ausgedehnten Mittagspause zeigten sich alle Nationenin vielen herrlichen Farben, um sich bei der Paradeder Delegationen vorzustellen. Ein weiterer Höhepunktstand für die Wallfahrer zur Verfügung, denn in der BasilikaPius X fand die Internationale Eröffnung der 52. <strong>Soldaten</strong>wallfahrtLourdes statt. Eindrucksvoll und unter demApplaus der riesigen Menschenmenge marschierten alle30 Nationen mit ihren Delegationen, ihren Fahnen und ihrenhöchsten militärisch-geistlichen Würdenträgern ein.Die <strong>Soldaten</strong> aller Nationen bekundeten bei dieser Eröffnungsfeierihren Glauben und ihre Hoffnung und vereintensich im Singen, Beten und in der Freude – in der großenFamilie der Gläubigen einen gemeinsamen Friedenauf der Welt anzustreben.52 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


KIRCHE UNTER SOLDATENer Samstag begann um 08.00 Uhr mit der MessfeierD im Zeltlager (siehe Bild 2). Auch dieser erneute Höhepunktwar mit vielen Glanzleistungen geprägt. Zum Einenhatte unser Herr und Schöpfer weiterhin dafür Sorgegetragen, dass uns schon zu diesem Zeitpunkt ein strahlendblauer Himmel erwartete, alle deutschen Pilger warenrundum glücklich, zum Anderen hat auch hier MilitärgeneralvikarWakenhut eine sehr eindringliche und beherztePredigt gesprochen und zu Guter letzt durfte bei dieserMessfeier ein Soldat die Taufe erhalten. Viele Gläubigebei dieser Messfeier waren gedanklich bei anderen Taufen,seien es die Taufen ihrer Kinder oder auch die Taufen beiFreunden und Verwandten. Ein wirklich sehr eindrucksvollesErlebnis, das hier allen Pilgern widerfahren ist. Danachtrafen sich die deutschen Pilger im so genannten Herzstückder <strong>Soldaten</strong>wallfahrt, im Zeltlager, in dem die <strong>Soldaten</strong>dem soldatischen „Leben im Felde“ entsprechendeUnterbringung in Zelten haben. Dort im Zeltlagerbereichder deutschen <strong>Soldaten</strong> fand ein ausgedehntes Treffen mitdem Militärgeneralvikar Wakenhut und seinen Gästen mitallen Pilgern statt. Am späten Nachmittag versammeltensich alle Pilger zur Totenehrung am Ehrenmal der StadtLourdes, am Place Peyramale. Auch diese Gedenkfeier wareine der großen Augenblicke der <strong>Soldaten</strong>wallfahrt, denndieser Platz beinhaltet sowohl Gedenken und ist zugleichZeichen der Hoffnung:– Gedenken für die im Kampf gefallenen <strong>Soldaten</strong>, welcherNation sie auch immer angehören mögen und– Hoffnung darauf, dass tieferes Verständnis zwischenden Nationen entsteht und eine echte Wallfahrt desFriedens zustande kommt.Am Abend wurde dann aufgerufen zur traditionellenLichterprozession, einer Sternprozession auf der Esplanade.Die <strong>Soldaten</strong> nahmen an dieser Prozession in ihrenUniformen teil und die Pilger aller Nationen waren an diesercirka 2-stündigen Prozession mit ihren Kerzen ausgestattet,unterwegs.Mit der Internationalen Messfeier in der unterirdischenBasilika Pius X wurde der Sonntag begonnen. Auch dieseMessfeier war ein Höhepunkt der <strong>Soldaten</strong>wallfahrt undhat viele positive Eindrücke hinterlassen, denn insbesonderedas Miteinander aller Nationen war bei dieser Feierdeutlich erkennbar.Am Nachmittag fand dann auch schon für die Pilgeraller Nationen die Internationale Abschiedsfeier statt.Auch hier präsentierten sich wieder alle Nationen mit ih-ren Delegationen und der Verantwortliche der Abschiedsfeier,Militärdekan Msgr. Johann Meyer hat diese Veranstaltunggenutzt, um auf beeindruckende Art und Weiseein schönes Rollenspiel zu dokumentieren.Am Abend dieses wunderschönen Sonntages mit sehrvielen eindrucksvollen Bildern gab es dann noch einen besonderenGenuss für alle Musikliebhaber. Das Heeresmusikkorps1, Hannover unter der Leitung von OberstleutnantManfred Peter hat mit ihrem Konzert nicht nur die Musikliebhaber,sondern alle deutschen Pilger verzaubert. Vonklassischer Musik über Tophits britischer und schwedischerGruppen bis hin zur Filmmusik verschiedener Kultfilmewar für jeden Pilger sicherlich seine Musikrichtunggetroffen und unter tobenden Applaus mit Zugabe verabschiedetsich das Heeresmusikkorps.Der letzte Tag in Lourdes begann mit dem gemeinsamenAbschlussgottesdienst in der Kirche St. Bernadette.Hier gilt es zu erwähnen, dass in diesem Gottesdienst Pilgerverschiedener Nationen ihre Eindrücke wiedergebenkonnten. Alle Redner waren sehr beeindruckt von dieser<strong>Soldaten</strong>wallfahrt, vom Miteinander, vom gemeinsamenFrieden und werden diese <strong>Soldaten</strong>wallfahrt auch stets inbester Erinnerung behalten.Gegen 12.00 Uhr durften dann die Pilger, Sonderzug2 die Rückreise antreten. Auch diese Zugfahrt war sehrkurzweilig. In den Abteilen wurden viele Gespräche geführt,die äußerst positiven Eindrücke der <strong>Soldaten</strong>wallfahrtwurden ausgetauscht, es wurde viel gelacht und allePilger waren äußerst zufrieden. Der Zug kam dann amDienstag gegen 07.40 pünktlich ins Ziel Fulda und vondort aus ging dann die Reise per Bus zurück nach Veitshöchheimbzw. Hammelburg. Aus vielen Gesprächen herausist festzustellen, dass diese 52. Internationale <strong>Soldaten</strong>wallfahrtfür alle Pilger ein besonderes Erlebnis war,dass alle ein bisschen näher zusammen gerückt sind unddass alle Pilger irgendwie ein Stück weit glücklicherenEindruck hinterlassen.Mein Dank gilt dem Katholischen Militärpfarramt,Veitshöchheim mit Militärpfarrer Martin Klein und PfarrhelferElmar Fries, dem deutschen Pilgerleiter, MilitärdekanMsgr. Johann Meyer, für den reibungslosen Ablaufder Zugfahrt dem Militärischen Transportführer, OberstleutnantAlfred Warner, aber auch allen organisatorischenund helfenden Kräften, die an dieser 52. Internationalen<strong>Soldaten</strong>wallfahrt, Lourdes mitgewirkt haben. ❏DiakonweiheAm 22.05.2010 wurde der stellvertretende Vorsitzendeim GKS-Bereich West, Hptm Wilfried Puth, im HohenDom zu Trier von Bischof Dr. Stephan Ackermann mit vierweiteren Weihekandidaten zum Diakon geweiht.Die Weihekandidaten hatten sich als Segenssprucheinen Vers aus dem Kolosserbrief (3.17) gewählt: „Alles,Aktiver Soldat zum Diakon geweihtwas ihr in Worten und Werken tut, geschehe im NamenJesu, des Herrn“.Bischof Ackermann ging in seiner Predigt auf diesenVers ein und betonte insbesondere die Verkündigung unddie Caritas als Hauptaufgabe eines Diakons. Doch bevordie Weihe und das Gehorsamsversprechen der Kandida-AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 201053


KIRCHE UNTER SOLDATENStabsfeldwebel Wolfgang Wedekin mit der GKS-Fahnehinter dem neu geweihten Diakon Willfried Puth.ten erfolgte, wurde vom Bischof das Einverständnis derEhefrauen zum Dienst ihrer Männer eingeholt. Den neuenDiakonen wurde danach als Zeichen Stola, Dalmatik unddas Evangeliar überreicht.Eine kleine Abordnung aus dem GKS-Bereich, die einschließlichFahne auftrat, hat die Feier der Diakonenweihemiterlebt. Nach dem Gottesdienst war auf dem DomplatzZeit und Gelegenheit unserem neuen Diakon alles Guteund Gottes Segen für seine künftige Arbeit zu wünschen.Bei einem Empfang im Priesterseminar sprach DiakonPuth auch im Namen seiner Mitbrüder den Dank an diePersonen aus, die sie in den letzten Jahren auf ihren zukünftigenDienst als Diakon vorbereitet und begleitet haben.Eine Dankandacht in der Jesuitenkirche bildete denAbschluss dieses ereignisreichen Tages. Hptm Puth tratam Ende des Monats in den Ruhestand, dennoch ist esnicht die Regel, dass <strong>Soldaten</strong> dieses Weihesakramentnoch während ihrer aktiven Dienstzeit empfangen.(Text und Foto: Heinrich Dorndorf)Seminar Dritte Lebensphase„Nach dem Arbeitsleben fängt das Leben an !?“Vom 21.04.2010 bis 25.04.2010 fand in Nürnberg imCaritas-Pirkheimer Haus (cph) das Seminar 3. Lebensphasestatt. 22 Teilnehmer konnten sich „ Im Zeichen derBurg“ wie eine große Versicherungsgesellschaft als Werbesloganhat, auf die Zeit nach dem Berufsleben vorbereiten.Der Veranstaltungsort Nürnberg zeigte sich mit demgesamten Charme seines mittelalterlichen Stadtbildes undrundete somit das Seminar ab. Hauptziel der Veranstaltungwar die sozial-psychologische Vorbereitung der Teilnehmerauf den bevorstehenden Lebensabschnitt. Der mitder Gesamtleitung beauftragte Professor Dr. Heimo Ertlhatte bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Seminarsdie richtige Mischung gefunden. Auch verwaltungstechnischeThemenbereiche kamen nicht zu kurz. Es trug vorHerr Regierungsamtmann Thomas Hörmann Sozialberatervom Bundeswehrdienstleistungszentrum IngolstadtAußenstelle Roth. Sein sehr interessanter Vortrag brachteden Teilnehmern viele neue Erkenntnisse auf dem Gebietder sozialen Versorgungslage nach Beendigung des Dienstverhältnisses.Die Gesundheit im Alter war das Themavon Dr. Klaus Bender, Oberarzt für Innere Medizin an derUniversitätsklinik Erlangen. Altern als Chance, Schicksaloder Perspektive zu betrachten war das Ziel des Referatesdas der Mediziner den Seminarteilnehmern vortrug. Diegeistliche Leitung hatte Pater Ludwig Schuhmann S.J. Seintägliches Morgenlob und die spirituellen sowie psychologischenAnteile regten die Teilnehmer zum positiven Nachdenkenan. Für eine Eucharistiefeier am Samstag konnteDekan Alfons Hutter, stellv. Leitender Militärdekan Südgewonnen werden. Die <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>wurde durch den Haushaltsbeauftragten OStFw a.D.VON REINHARD KIESSNERJohann Schacherl vorgestellt. Außerdem standen der organisatorischeLeiter OStFw a.D. Friedrich Mirbeth und der1. stellv. Vorsitzende Bereich Süd OStFw Reinhard Kießnerals Insider für Einzelfragen zur Verfügung. Abschließendzogen alle Teilnehmer ein sehr positives Resümee zu demVon links: Pater Ludwig Schuhmann S.J., OStFw a.D.Johann Schacherl, Prof. Dr. Heimo Ertl, OStFw a.D.Friedrich Mirbeth.Seminar bei dem die hervorragende Versorgung durch dasCaritas-Pirkheimer Haus und die sehr gute Harmonie derGruppe besonders angesprochen wurde.Gerüstet, um eine hohe Qualität in der dritten Lebensphaseerreichen zu können, wurden die Teilnehmer durchdas Team der Seminarleitung verabschiedet. ❏54 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


KIRCHE UNTER SOLDATEN50. Woche der BegegnungDen Wandel mitgestalten – Glauben weitertragenVom 13.09.10 bis 17.0910 findet in Bensberg im Tagungshausdes Erzbistums Köln die 50. Woche derBegegnung statt. Im Kardinal Schulte Haus treffen sichvom 13.09. bis 15.09. die Delegierten des Katholikenratesbeim Katholischen Militärbischof und vom 14.09.bis 17.09. findet die Bundeskonferenz der <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> statt. Diese Woche steht unter demWort des II. Vaticanums:An der Aufgabe der Kirche, Träger der HeilsendungChristi zu sein, haben die ganze Gemeinde und jedes ihrerGlieder Anteil. Von der gemeinsamen Verantwortung kannniemand sich ausschließen oder ausgeschlossen werden.Kraft der Taufe und Firmung wirken alle in ihrer Weisemit am <strong>Auftrag</strong> Christi, seine Botschaft zu verkünden,seine Gemeinde aufzubauen und sein Heil in der liturgischenFeier zu vergegenwärtigen und im Leben zu bezeugen.Damit alle an der Sendung der Kirche teilhabenkönnen, schenkt der Geist Gottes die Gaben und Charismen,die zum Aufbau der Kirche und zur Erfüllung ihrerHeilssendung erforderlich sind (1 Kor 12).Jeder Christ hat ein ihm eigenes Charisma, das im Allgemeinenmit seinen natürlichen Fähigkeiten, mit seinemBeruf und seinen Lebensumständen im Zusammenhangsteht. Dazu gehört die selbstlose Bereitschaft, Kirche alslebendige, brüderliche <strong>Gemeinschaft</strong> zu verwirklichen undDienste in ihr zu übernehmen. (Dogmatische Konstitutionüber die Kirche „Lumen gentium“ 12).VON BERTRAM BASTIANAufgrund des Jubiläums wird der Ablauf anders seinals gewohnt. Zum Höhepunkt der Jubiläumswoche wirdein gemeinsamer Bildungsteil mit dem Festvortrag vonPater Eberhard von Gemmendingen S.J. am Mittwoch, den15.09. sein, der über das Laienengagement in der Weltkirchevortragen wird. Anschließen werden sich Zeugnissevon Zeitzeugen, die das langjährige Wirken der Laien geradein der Militärseelsorge begleitet haben. Ein Vortragdes Militärgeneralvikars Apostolischer Protonotar WalterWakenhut über die Zukunft der Katholischen Militärseelsorgeund die sich daraus ergebenden Perspektiven fürdie Arbeit des organisierten Laienapostolats wird diesenfestlichen Takt beschließen. Ab 17.00 Uhr zelebriert MilitärgeneralvikarWakenhut einen feierlichen Gottesdienstin St. Gereon, bevor der Empfang des Generalvikars imMaternushaus diesen gemeinsamen Teil der Woche derBegegnung beschließt.Am Donnerstag stehen am Vormittag nach der Begrüßungdurch den Bundesvorsitzenden sein Lagebericht imMittelpunkt. Nachmittags findet die Mitgliederversammlungdes FGKS e.V. statt (siehe Seite 56), bevor BrigadegeneralReinhard Kloss, Stabsabteilungsleiter Fü S I imBMVg, über die Attraktivität des Dienens in den Streitkräftenin den Zeiten des Strukturwandels referieren wird.Der Vortrag des Bundesvorsitzenden über den zukünftigenWeg der <strong>Gemeinschaft</strong> wird den Freitagvormittag ausfüllenund die Bundeskonferenz beschließen. ❏KurznachrichtenTurkmenistan gewährt der katholischen Kircheoffizielle AnerkennungDer Apostolische Nuntius in der Türkei, Erzbischof Antonio Lucibello, hielt sich im Juli in Turkmenistanauf. Angesichts der Tatsache, dass dieses Land der katholischen Kirche eine offizielle Anerkennunggewährte, hat sich der Gesandte des Vatikans mit Vertretern des Justizministeriums zu Gesprächengetroffen, in deren Rahmen diese offiziellen Schritte ratifiziert wurden. Eine Tatsache, die im Vatikan Genugtuunghervorgerufen hat.In der ehemals sowjetischen zentralasiatischen Republik Turkmenistan sind 90 Prozentder rund 5 Millionen Einwohner Muslime. Es gibt derzeit keine katholischen Kirchen,nachdem diese von sowjetischen Revolutionären nach 1920 zerstört wurden. Bisher warennur die sunnitische und die russisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft offiziell anerkennt.Die turkmenischen Christen sind größtenteils polnischer oder deutscher Abstammung. Es gibt zwei katholischePriester und einen Diakon von den Oblaten von der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) und bishernoch keine Ordensschwestern. Nun kann die kleine katholische Gemeinde mit neuer Hoffnung in dieZukunft blicken. (ZENIT)AUFTRAG <strong>279</strong>• SEPTEMBER 201055


KIRCHE UNTER SOLDATENFörderkreis der <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e.V.Vorstand48317 Drensteinfurt, im Juli 2010Sehr geehrte Mitglieder,im Namen des Vorstandes des Förderkreises der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e.V.lade ich Sie zur Mitgliederversammlung 2010 ein.Termin: Donnerstag 16.09.2010Zeit:Ort:Kosten:14:00 UhrKardinal Schulte HausTagungszentrum des Erzbistums KölnOverather Straße 51 – 5351429 Bergisch Gladbach (Bensberg)sind selbst zu tragen, einschließlich Fahrtkosten.Tagesordnung:1. Berichte des Vorstandes2. Bericht der Kassenprüfer3. Entlastung des Vorstandes4. Sachstand:a) Gemeinnützigkeit5. Wahlen:a) Kassenprüfer6. VerschiedenesMitglieder des FGKS, die an der Mitgliederversammlung teilnehmen, melden sich bittebis Freitag, 3. September 2010schriftlich, per Fax (030 – 206 199 91) oder per E-Mail (gks.berlin@online.de)bei der Geschäftsstelle der GKS, z.Hd. Bundesgeschäftsführer, Oberstleutnant Artur Ernst,Am Weidendamm 2, 10117 Berlin.Mit freundlichen Grüßengez. der Vorstand des FGKSVorsitzenderStellv. VorsitzenderSchatzmeisterOberstleutnant i.G. Rüdiger ATTERMEYER, Josef-Rhein-Straße 9a, 53359 RheinbachE-Mail: Bundesvorsitzender@Kath-<strong>Soldaten</strong>.deOberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen KLEIN, Poststraße 12, 52477 AlsdorfE-Mail: KarlJuergenKlein@t-online.deOStFw a.D. Hubert BERNERS, Mecklenburger Straße 11, 48317 DrensteinfurtE-Mail: FGKS@Kath-<strong>Soldaten</strong>.de56 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 20100


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSGKS-Kreis UnnaUpdates für den christlichen GlaubenJeder kennt von seinen Computerprogrammen die notwendigenUpdates. Für den persönlichen Glauben isteine solche Maßnahme wünschenswert, jedoch noch ungewöhnlich.Seit Ende Mai bringen die Mitglieder desGKS-Kreises Unna ihren Glauben mit diesen Updates „aufVordermann“. Bei einem Familienwochenende in Günne/Möhnesee begann dieses mit der Reflektion der Schöpfungsgeschichtefür den christlichen Glauben.Der Kreis Vorsitzende Ralf Eisenhardt bemerkte, dassdie Grundlagen des christlichen Glaubens oftmals nichtso gegenwärtig wären, wie es sich viele Christen wünschten.In den Heiligen Messen sei es kaum zu schaffen, dieGrundlagen des Christlichen und Katholischen immerwieder neu und grundlegend zu vermitteln. MilitärpfarrerMartin Tilles nahm diese Anregung auf und begann jetztmit dem GKS-Kreis Unna das Programm „Glaubenssache– 7 christliche Updates“ zu bearbeiten. „Wir haben alleschon die richtigen Grundlagen für unser Glaubensleben,aber es ist sicher gut, sich dieser Grundlagen immer wiederneu bewusst zu werden“, meint Militärpfarrer Tilles.Glaubenssache – 7 christliche Updates ist ein Bildungsprogrammfür die Erwachsenenbildung, es kann auch inbegrenztem Rahmen für Kinder interessant sein. Die Mitgliederder GKS Unna fanden den ersten Teil, der sich mitFragen der Schöpfung und mit der besonders spannendenFrage „Mit welchen Augen sehen wir die Welt?“ beschäftigte,spannend und freuen sich auch schon auf die Fortsetzungim Herbst.Der GKS-Kreis beschäftigte sich auch mit den wesentlichenVorschlägen zur Satzung der GKS. Die Erhebungeines Mitgliedsbeitrages sahen die Unnaer nicht alsProblem an. Ebenfalls diskutierten die Mitglieder eingehenddie besondere Situation, in der sich die katholischeKirche in Deutschland zurzeit befindet. Hier brachte esDie Familien nutzten die großen Freiräume, umausgiebig mit Militärpfarrer Martin Tilles über dieFragen der Schöpfung zu diskutieren.Helmut Krause auf den Punkt. „Die Vorfälle sind sicheroftmals schrecklich, aber für mich ändert das an meinemGlauben und auch an meiner Zugehörigkeit zur katholischenKirche gar nichts“. Diese Einstellung teilten auchdie anderen Mitglieder.(Text: R.Eisenhardt, Foto: F.Johland)AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010GKS-Kreis KÖLN„Ehe und Familie – Fernbeziehunggestalten“Vom 11. bis 13.06.2010 lud die <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> KÖLN zum ersten Familienwochenendenach der Neuaufstellung im Februar ins FamilienhotelHochwald mit dem Thema „Ehe und Familie – Fernbeziehunggestalten“ ein. Als Referentin konnte die FamilientherapeutinUlla Kuhn gewonnen werden.Erfreulich war die große Anzahl der Kinder undJugendlichen, die das Wochenende zu einem richtigenFamilienwochenende machten.Nachdem alle Teilnehmer mit mehr oder weniger Staudie Reise nach Horath erfolgreich gemeistert und sich mitdem Abendessen gestärkt hatten, begab sich die Gruppein den Tagungsraum. Nach Begrüßung, kurzer Vorstellungsrundeund Einführung in das Thema durch den GKS-Vorsitzenden Oberstleutnant Walter Raab, übernahm UllaKuhn das „Zepter“ und lud alle Teilnehmer ein, ihre Erwartungshaltungfür das Familienwochenende aufzuschreiben.Anschließend ließ man diesen Abend in gemütlicherRunde im Freien ausklingen.Während am Samstag nach dem Frühstück die Kinderdurch die Kinderbetreuung gut versorgt waren, versammeltensich die Erwachsenen, um sich mit dem Themaweiter auseinanderzusetzen. Zu Beginn stellte die Referentindie emotionalen Entwicklungsphasen bei längerenTrennungen im Vergleich zu Wochenendbeziehungen vor.So wurde bei allen Teilnehmern deutlich, dass sich Einsatzzeitenund lange Trennungen stark auf das emotionaleErleben und Handeln in der gesamten Familie und derenUmfeld auswirken. Herausgestellt wurde auch, dass Fernbeziehungeni.d.R. nicht der Grund für Trennungen sind.In Gruppenarbeit erarbeiteten die Teilnehmer Regeln füreine gute und tragfähige Partnerschaft bei Fernbeziehungen.Als weiteren Schwerpunkt stellte Ulla Kuhn die Beeinflussungder veränderten Lebens- und Gefühlssituationbei Kindern heraus. Hier vermittelte sie einen interessantenEinblick auf typische altersbedingte Reaktionen undmöglichem Umgang mit dieser Problematik. Am Ende der57


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSArbeitseinheiten stellte man einhellig fest, dass man diesesThema an diesem Wochenende nur „anreißen“ konnte.Trotz der Kürze der Zeit haben aber die meisten vieleneue Erkenntnisse mitnehmen können.Nachmittags war dann „Familienzeit ohne Barrieren“angesagt. Hier ging es um die Gestaltung der Wochenendenfür Familien in Fernbeziehungen. Dass hier die Nutzungdes vielfältigen Angebotes solcher familienfreundlichenHäuser, gerade bei schlechtem Wetter, hilfreich ist, wurdevon allen großen und kleinen Teilnehmern bestätigt. Nacheinem gemütlichen Beisammensein am Abend, mit weiterenregen Gesprächen über das Thema Fernbeziehung,traf man sich am Sonntag zur Nachbereitung und stelltefest, dass solche Familienwochenenden eine hervorragendeMöglichkeit bilden, die <strong>Gemeinschaft</strong> weiter zu vertiefen.Da der Militärpfarrer van Dongen aus gesundheitlichenGründen absagen musste, organisierte die Gruppeeigenständig einen Wortgottesdienst, der das Wochenendegelungen abrundete.(Text und Foto: W.Raab)Militärpfarramt BonnMilitärgemeinde Bonn auf Wallfahrtzur Rosa MysticaNein, es war wirklich kein Frühlingswetter, als sich am05. Mai ca. 25 Personen an der Südwache des Verteidigungsministeriumsin Bonn zusammenfanden und demAufruf des katholischen Militärpfarrers zur traditionellenFußwallfahrt nach Buschhoven folgten. Bei gefühltenTemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt (es schneiteübrigens an diesem Tag in der Eifel) und ständigem Regentrotzten sie diesen widrigen Bedingungen und begannendie Wallfahrt mit einer kurzen Station, an der MilitärdekanPorovne die kleine Gruppe auf die Wallfahrt vorbereiteteund auf den Weg durch den Kottenforst entließ. Anweiteren Stationen wurde der Gottesmutter gedacht undder gemeinsame Weg in der Welt mit Gebeten und im Gesprächreflektiert.Nass und trotz angepasster Kleidung durchfroren, erreichtendie Wallfahrer nach 2 ½ Stunden dann in Buschhovendie Wallfahrtskirche der Rosa Mystica, wo der feierlicheGottesdienst bereits vorbereitet war. Doch nicht nurder Abschlussgottesdienst der Wallfahrt konnte gefeiertwerden. Drei neue Mitglieder wurden in die Gemeindeaufgenommen. Militärdekan Porovne spendete OberfeldwebelAnja Gamsa und ihrer Tochter Caroline sowie ObergefreiterOliver Wissenbach im Rahmen des Gottesdienstesunter Anwesenheit von nunmehr ca. 80 Mitfeierndendie Taufe und legte mit der gleichzeitigen Spendung derFirmung der Erwachsenen das von ihnen erbetene christlicheFundament. Auch die Mitfeiernden aus der GemeindeBuschhoven freuten sich über die schwungvolle musikalischeUntermalung durch Oberstleutnant Mayer (Gitarre,Gesang) und Obergefreiter Baumgärtner (Saxophon), dieden Gottesdienst mitgestalteten. Kameradinnen und Kameradender <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>, KreisBonn, unterstützten beim Ministrieren und beim Lektorendienstsowie beim weiteren Ablauf der Veranstaltung.Dem Grundsatz, dass neben den geistlichen Wertenauch das Weltliche nicht vernachlässigt werden sollte,folgten die Teilnehmer der Wallfahrt anschließend imPfarrheim. Dort erwartete alle die von Matthias Curtius,Pfarrhelfer Katholisches Militärpfarramt Bonn, mit Teamprofessionell vorbereitete obligatorische „Bayerische Brotzeit“mit Leberkäse, Kartoffel- und Krautsalat sowie Getränken.Allewaren sich einig: nächstes Jahr geht es wiederauf nach Buschhoven, hoffentlich bei besserem Wetter!(Text und Foto: R.Gradl)Nach dem Motto, dass es kein schlechtes Wetter gibt,nur unpassende Kleidung machten sich die Teilnehmeran der Wallfahrt in angepasster Ausrüstung auf ihrenWeg durch den Kottenforst bei Bonn.Militärpfarramt BonnKlausurtagung des MitarbeiterkreisesHeute noch eine Vorlage für den Inspekteur der Luftwaffe,später noch ein Betreuungsgespräch, morgenmuss der Haushalt mitgezeichnet werden. Alle kennenden Zeitdruck im täglichen Dienstgeschäft, der so wenigZeit für den Feierabend oder auch für andere Aktivitätenlässt. Auch die monatlichen Sitzungen des Mitarbeiterkreisesbeim Katholischen Militärpfarramt Bonn leidengrundsätzlich unter Zeitdruck. Und so beschlossen dieMitarbeiter um Militärdekan Benno Porovne und OberstabsfeldwebelJoachim Lensch, in einer Sitzung ohneTermindruck die Aussprache über grundsätzliche Fragenund Themenkreise zu suchen.Es war schnell klar, dass dies nur in einem auswärtigen,nicht durch die gewohnten Rahmenbedingungenbeeinträchtigten Umfeld gelingen kann Deshalb nahmenwir das Angebot unseres früheren Mitarbeiters Oberstleut-58 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSnant Andreas Unkelbach, jetzt Kommandeur der TechnischenGruppe beim Lufttransportgeschwader 62, an, eineKlausurtagung mit seiner Unterstützung in Wunstorf beiHannover durchzuführen. Nachdem die vorbereitendenPlanungen zwecks Unterkunft und Tagungsraum geregeltwaren, konnten wir uns am Donnerstag, den 24.Juni aufweiterzubilden, schloss sich am Freitag Nachmittag eineFahrt zur Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer an.Die von seinem Erbauer Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe eingeführten sozialen und militärischen Neuerungenwaren ausgesprochen richtungsweisend und findensich in manchen heutigen Festlegungen und Regularienwieder. Bei einem gemeinsamen Abend in der Wunstorfer(und Steinhuder) Gastronomie konnten wir in der Nachbesprechungfeststellen, dass sich der zeitliche Aufwandauf jeden Fall gelohnt hat. Eigentlich sollten wir uns einesolche Möglichkeit zur Grundsatzdiskussion regelmäßigermöglichen – ein Thema, das auf der Heimfahrt am Samstagmorgennoch vertieft wurde.(Text: R. Gradl, Bilder: A. Preuss)Der Mitarbeiterkreis beim Militärpfarramt Bonn bei derDiskussion um das Werbe- und Pressekonzept, in demfestgelegt werden soll, wer für welche Veranstaltungbeworben wird und wie die Berichterstattung aussehensollte.den Weg machen. Nach der Anreise bezogen wir unsereUnterkunft am Steinhuder Meer und wurden durch KameradUnkelbach herzlich begrüßt. In einer dichtgedrängtenÜbersicht brachte er uns sein derzeitiges forderndes Aufgabenfeldnahe, geprägt vom Umbau des Verbandes aufden in Zukunft einzuführenden Airbus A400M Als Zuhörerwar einem sehr schnell klar: das verlangt alle Kräfteund Ressourcen des Verbandes.Nachdem die organisatorischen Vorbereitungen durchFrau Feldwebel Friedrich vom Stab der Technischen Gruppe,nochmal abgeglichen wurden, begannen wir mit derthematischen Arbeit. Dabei wurden die aktuellen Themenvorgezogen und möglichst schnell abgeschlossen, um späterund in den weiteren Arbeitseinheiten dann die Zeit fürdie angestrebte Grundlagenarbeit zu haben. Und so wurdenneue Ideen zur Struktur der Laienarbeit im SeelsorgebereichBonn ebenso diskutiert wie die Grundlagen füreine angepasste Werbe- und Pressearbeit gelegt wurden.Dass wir bei einer kurzen Unterbrechung der Tagung ander Rückkehr des amtierenden Kommandeurs des Lufttransportkommandos,Generalmajor Hans-Werner Ahrens,von seinem letzten Flug teilnehmen konnten, setzte für denAufenthalt noch ein weiteres Highlight.Vor der Fortsetzung der Grundlagenarbeit am Freitagmorgenhatten wir die Möglichkeit, am Standortgottesdienstteilzunehmen, den Militärpfarrer Heribert Weinbrennerzusammen mit Militärdekan Benno Porovne zelebrierte.Die musikalische Ausgestaltung unterstützte OGefr RobertBaumgärtner in bewährter Manier mit seinem Saxofon,und wir Bonner Katholiken konnten als Ministrantund Lektoren unterstützen.Um uns in diesem historisch sehr geprägten Umfeld– so ist der Nachbarort Bordenau aufs Engste mit GeneralScharnhorst verbunden – auch unter diesem GesichtspunktAUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010GKS-Kreis NörvenichGelungene PremiereEtwas skeptisch war der Vorsitzende des neu gegründetenGKS Kreis Nörvenich, Oberstabsfeldwebel MatthiasHasebrink, zu Beginn des ersten Familienwochenendesdes Kreises. Auch wenn die Teilnehmerzahl nach Ansichtdes Vorsitzenden noch nicht den Möglichkeiten entsprach,waren alle Anwesenden zufrieden, dabei sein zu können.Die Teilnehmer dieser Premiere des Kreises Nörvenicham Ende der Veranstaltung - der Kern der Teilnehmer fürkünftige Vorhaben des KreisesSo reisten ins Familienhotel Hochwald 10 Familienmit ihren Kinder an. Das Haus in der Nähe von Trier bietetfür Familien alles, was man sich wünschen kann. Bereitsam ersten Abend wurden die Erwachsenen mit Rollenspielenin das Thema „Fernbeziehungen erfolgreichgestalten“ durch die Referentin Martina Müller von derKatholischen Arbeitsgemeinschaft für <strong>Soldaten</strong>betreuung(KAS) und dem Referenten Rudolf Strothmann eingeführt.Die Kinder wurden zwischenzeitlich und im weiterenVerlauf des Wochenendes von der erfahrenen KinderbetreuerinRosa Ponzel professionell und ideenreich betreut.59


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSVon den Erwachsenen wurde am Samstagvormittagin einer weiteren Arbeitseinheit Regeln und Voraussetzungenfür das Gelingen einer Fernbeziehung erarbeitet.Insbesondere die Rahmenbedingungen und Gründe füreine Fernbeziehung führten in den bewusst heterogen zusammengestelltenArbeitsgruppen zu kontroversem Diskussionsstoff.Am Ende der Arbeitseinheiten konnten dieTeilnehmer einen kleinen Wegweiser für den steinigenWeg der Fernbeziehungen mitnehmen. Mit gemeinsamenKommunikationsritualen das Wir-Gefühl stärken, Vertrauenund Vertrautheit aufbauen, regelmäßig Zeit zumreden einplanen, weniger Druck aufbauen, nicht zu hoheErwartungen beim Partner aufbauen, eine ausgewogeneStreitkultur entwickeln, auch auf die Distanz und am Telefonmüssen Probleme gelöst werden können, Aufmerksamkeitennicht vergessen („kleine Geschenke erhaltendie Freundschaft“), Perspektive schaffen, eine Zukunftohne räumliche Trennung planen. In der Zusammenfassungstellte Martina Müller noch einmal heraus, dass derWegweiser zwar ein griffiges Gerüst sein kann, die Individualitätjedes Einzelnen jedoch Berücksichtigung findenmuss, vor allem aber dass gegenseitiges Vertrauen für dasGelingen einer Fernbeziehung unerlässlich ist.Zum Abschluss des Wochenendes stellte der Vorsitzendedes Bereiches West Oberstleutnant Albert Hechtden Förderverein der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>vor. „Jeder kann Mitglied im Förderverein werden und einegute Sache für kleines Geld unterstützen“ betonte Hecht.Für die geistliche Betreuung und den Gottesdienstsorgte Militärpfarrer Stephan van Dongen aus Köln.(Text und Foto: Daniel Hecht)<strong>Soldaten</strong> des Standortes Köln folgen während derProzession den Fahnen der GKS und der KatholischenMilitärseelsorge.Anschließend führte die Prozession durch die InnenstadtKölns. Beeindruckend war die große Anzahl vonGruppierungen, darunter Ritterorden, Bruderschaften,Ordensleute, Gemeinden der internationalen KatholischenSeelsorge, Vertreter der katholischen Vereine und Verbändesowie der Militärgemeinde.Die Schlussfeier mit dem sakramentalen Segen fandim Hohen Dom statt.(Text und Foto: Dirk Ponzel)Kreise Köln und WahnFronleichnam in KölnMitglieder der Kreise Köln und Wahn beteiligtensich gemeinsam mit Vertretern der MilitärgemeindenKöln I und Köln II, darunter Militärpfarrer Stephanvan Dongen, an der Fronleichnamsprozession in Köln.Auf dem Roncalliplatz vor dem Hohen Dom zu Kölnwurde durch Erzbischof Joachim Kardinal Meisner dieHeilige Eucharistie gefeiert. Über den Feiertag predigteer: „Das ist Fronleichnam: nicht Gebot, sondern Überschwang;nicht Pflicht, sondern Begeisterung; nichtVerordnung, sondern Freude! Wer dieses eucharistischeBrot gläubig nimmt, erfährt bis in sein leiblichesLeben hinein, dass Gott den Himmel verlässt und Mitbewohnerseines kleinen und engen irdischen Daseinswird. In der Eucharistie enthüllt sich Gott als einer, deralles für die Seinigen tut. „Es gibt keine größere Liebe,als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“(Joh 15,13). Er hat es nicht nur gesagt, sondern auchgetan. Er ist wirklich der Gebende, ja die Gabe selbst.Am Gründonnerstag hat er sich selbst in die Hand genommenund sich den Menschen ausgehändigt: Hier binich! Nehmt mich!“Fresko aus dem 7. Jahrhundertin Rom entdecktIn der römischen Basilika Santa Sabina ist ein bislangunbekanntes byzantinisches Fresko aus dem7. Jahrhundert entdeckt worden. Wie die römischeTageszeitung „Il Messaggero“ berichtete, wurde das2,80 Meter hohe und 4,30 Meter breite Bild im Zugevon Restaurierungsarbeiten unter dem Putz freigelegt.Es zeigt Maria mit dem Jesuskind flankiert vonden Aposteln Petrus und Paulus. Am Rande desFreskos sind zudem die heilige Sabina und die heiligeSerafina zu sehen. Die Datierung ermöglichtennach Angaben der Zeitung zwei weitere Figuren, dieals päpstliche Gesandte für das dritte Konzil vonKonstantinopel (680/681) identifiziert wurden. DasFresko soll ab September öffentlich zu sehen sein.Wie die italienische Tageszeitung „Il Tempo“ berichtete,wird das Bild zusammen mit einem neuenMuseum der Basilika der Öffentlichkeit präsentiert.In den Ausstellungsräumen sollen antike Funde undchristliche Kunst gezeigt werden.(KNA)60 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 20100


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSAußerordentliche Bundeskonferenz der GKSNeue Ordnung – eine zukunftsweisende LösungVON CHRISTOPH AUERDie erste außerordentliche Bundesversammlung der GKS vom 12. auf den 13. Juni in Fulda diente derDiskussion und der Verabschiedung der neuen Ordnung der GKS, um den Inhalt des Leitershofener Programmsumzusetzen. Die Konsequenzen sind vielfältig und werden unsere <strong>Gemeinschaft</strong> noch einige Zeitbeschäftigen. Dennoch ist der Weg jetzt frei, weg von den organisatorischen Dingen hin zu inhaltlicher Arbeitin der <strong>Gemeinschaft</strong> zu kommen. Der Leiter der Antragskommission Oberstleutnant Christoph Auer gibt einenÜberblick über das Geschehen von 2004 in Lingen bis hin zu 2010 in Fulda und erläutert die Zusammenhängezwischen der GKS, der GKS e.V. und dem Förderkreis FGKS e.V.Begonnen hatte das Ganze auf der Bundeskonferenz2004 in LINGEN. Der damalige Bundesvorsitzende,Oberst Karl-Jürgen Klein und der BundesgeschäftsführerOberst a.D. Dr. Klaus Achmann stellten für die GKS inAblösung der Ordnung und Geschäftsordnung eine neueSatzung vor, welche die GKS zukunftssicher machen sollte.Dies betraf zunächst die Rechtsform als eingetragenerund gemeinnütziger Verein und darüber hinaus die Einführungeines Mitgliedbeitrages. Beides wurde von derBundeskonferenz in Lingen nach heftiger und kontroverserDiskussion zurückgewiesen. Die Delegierten warenmehrheitlich der Auffassung, dass Geist und Charakterder <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> sich nicht mitdem Status eines Vereins vertragen, man wollte <strong>Gemeinschaft</strong>bleiben. Und im Übrigen wollte man auch keinenBeitrag zahlen.1Zu diesem Zeitpunkt existierte nämlich der Förderkreisder GKS bereits seit sieben Jahren und war gemäßseiner Satzung durchaus in der Lage, komplementäre Finanzmitteleinzuwerben. Was durch den FGKS allerdingsnicht geleistet werden konnte, war eine befriedigende Lösungder Haftungsfrage. Dadurch dass die <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> ausdrücklich kein eingetragenerVerein und damit keine juristische Person werden wollte,hafteten handelnde Personen (Kreisvorsitzende bei Vertragsabschlussmit Häusern für ein Familienwochenende)mit ihrem Privatvermögen.Noch bei der Bundeskonferenz in Lingen brachteder damalige Beauftragte der Aktion Kaserne und heutigeChefredakteur des Kompass Josef König das Modelleines Trägervereins nach Beispiel des BDKJ in die Diskussionein. Ein aus dem Plenum dann als Beschlussvorschlageingereichter Antrag: „Die Bundesversammlungmöge beschließen, eine GKS e.V. als Trägerverein mit beschränkterAnzahl der Mitglieder, in dem die Kreise undBereiche mehr Mitglieder als die Bundesebene stellen“,fand großen Zuspruch und beendete die Satzungsdebatte.Zumindest für 2004.Die GKS e.V. wurde als Trägerverein gegründet, sieist heute wie auch der FGKS e.V. vom Finanzamt alsgemeinnützig anerkannt. Und so existiert neben der GKSals <strong>Katholischer</strong> Verband nach den Regeln des Codex Ju-1 Dokumentiert in AUFTRAG 256AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010ris Canonici (CIC) heute parallel dazu der FGKS e.V. unddie GKS e.V.Nach der Bundeskonferenz in Lingen wurde parallel dieFortschreibung des Grundsatzpapiers der GKS „Gemeinsamin die Zukunft! Ziele und Wege“ betrieben, was bei derBundeskonferenz 2007 zur Verabschiedung des LeitershofenerGrundsatzprogramm führte (siehe <strong>Auftrag</strong> Nr. 267).Die Fortentwicklung der Ordnung, die Einarbeitungder Geschäftsordnung im notwendigen Umfang sowie dieSchaffung einer Wahlordnung hingegen dauerte deutlichlänger. Wieder wurden gewichtige Stimmen laut, die GKSmüsse sich von ihrer Ordnung an eine Satzung annähern.Konstitution als eingetragener Verein, basisdemokratischeWahlen, schlanke Gremien, ausführliche Rechenschaftüber das Finanzgebaren: All das sollte nach dem Willendes einen Flügels in eine neue Satzung eingearbeitet werden.Und damit könne dann der Trägerverein GKS e.V. aufgelöstwerden und sogar mittelfristig der FGKS überflüssigwerden, wenn die Regelungen für Mitgliedschaft dieehemaligen <strong>Soldaten</strong> auffänge und eine Beitragspflicht dieGewinnung komplementärer Finanzmittel erlaube.Auf der anderen Seite standen die Befürworter derDreier-Gliederung. Sie fürchteten um die Bundeskonferenzen,die dann zu Jahreshauptversammlungen des Vereinswürden und damit anstatt spirituelle Nahrung zu bieten,in Vereinsmeierei abgleiten könnten.Einen Vorgeschmack auf solche Zustände erhielten dieDelegierten der Bundeskonferenz 2009 in Hamburg. Dieneue Ordnung zu der auf dem Wege der Änderungsanträgeein kompletter Gegenentwurf im Sinne einer Vereinssatzungeingebracht worden war, konnte nicht beschlossenwerden. Das Abstimmungsverfahren uferte in Sach- aberauch Verfahrensdebatten aus und wurde ergebnislos abgebrochen.Entsprechend frustriert reisten die Delegiertennach Hause.Militärgeneralvikar Apostolischer Protonotar WalterWakenhut sprach bei der nächsten Bundesvorstandsitzungdem Bundesvorstand Mut zu und regte eine AußerordentlicheBundeskonferenz mit einem einzigen Tagesordnungspunkt,eben der neuen Ordnung, für den Juni 2010 an.Diese Außerordentliche Bundeskonferenz hat nun am12. Juni in Fulda die neue Ordnung einstimmig bei nureiner Enthaltung beschlossen. Die Wahlordnung erhieltausnahmslose Zustimmung.61


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSDie 39 Änderungsanträge zur Ordnung und die vierAnträge zur Wahlordnung haben zwar gegenüber den Entwürfenund den Beschlussempfehlungen der Antragskommissionnoch Änderungen eingebracht, aber die Grundstrukturist nun bestätigt:– die GKS bleibt auch von ihrer Ordnung her eine <strong>Gemeinschaft</strong>und wird kein rechtsfähiger Verein,– die Mitgliedschaft ist sehr weit gefasst und ermöglichtallen, die auf der Suche nach den ethischen Grundlagenihres Berufes und nach dem Sinn des Lebens sinddie Mitgliedschaft, soweit sie sich zu den Zielen undAufgaben der <strong>Gemeinschaft</strong> bekennen, erklären undentsprechend handeln,– die schriftliche Erklärung der Mitgliedschaft wird unverzichtbar,– ein Mitgliedsbeitrag wird auch künftig nicht erhoben.Lediglich diejenigen, die nicht zum Jurisdiktionsbereichdes Katholischen Militärbischof für die DeutscheBundeswehr gehören, müssen zugleich Mitgliedim Förderkreis, also im FGKS sein,– die Gremien Bundeskonferenz, Bundesvorstand undGeschäftsführender Bundesvorstand bleiben wie imOrdnungsentwurf in der „großen“ Zusammensetzung.Zum Stimmrecht und aktiven / passiven Wahlrechtsind tragfähige Lösungen gefunden, die sowohl die Führungder <strong>Gemeinschaft</strong> durch aktive katholische <strong>Soldaten</strong>sicherstellt, als auch die Rechtsstellung der Familienangehörigenklar regelt.Als nächster Schritt wird daher das Formular der Beitrittserklärungneu zu gestalten sein, bei dem die Familienangehörigenmit dem vollendeten 14. Lebensjahr ihren Beitrittjeweils selbst erklären müssen und jedes Mitglied aucheine Einwilligung zum Datenschutz unterzeichnen muss.Das Zusammenwirken von GKS als <strong>Katholischer</strong> Verband,GKS e.V. als dem in der Mitgliederanzahl beschränktenTrägerverein und dem Förderkreis, also dem FGKS wirdim folgenden Abschnitt nochmals kurz erläutert.Die GKS existiert in drei Rechtsformen. Wer steht für was?Die GKS tritt unter drei verschiedenen Bezeichnungen,mit zwei unterschiedlichen „Labeln“ auf (siehe Bild 1)Zum einen als der katholische Verband im Jurisdiktionsbereichdes Katholischen Militärbischofs.Der Förderkreis zum zweiten bietet neben dem Erschließenkomplementärer Finanzmittel die Möglichkeitder gleichberechtigten Integration der Ehemaligen undanderer Personen außerhalb des Jurisdiktionsbereiches.Daher ist in der neuen Ordnung der GKS festgelegt, dassdie GKS zwar keinen Beitrag erhebt, aber Personen außerhalbdes Jurisdiktionsbereichs nur dann Mitglied werdenkönnen, wenn sie auch (im beitragspflichtigen) FGKSMitglied sind.Der GKS e.V. schließlich ist als drittes ein in der Mitgliederanzahlbeschränkter Trägerverein, der als juristischePerson das Haftungsrisiko der handelnden Vorstandsmitgliederauf das Vereinsvermögen beschränkt und die persönlicheHaftung weitestgehend ausschließt.Er war wegen des Votums von 2004 in Lingen notwendiggeworden, da ansonsten die Verantwortlichen weiterhinmit ihrem Privatvermögen haften würden.„Dreimal GKS – Was ist Was?GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATENFörderkreis der <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> (FGKS)Satzung des „gemeinschaft <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e. V. (GKS e. V.)gegründet am 14. April 2005 in BerlinBild 1: Die dreifache GKSDie Meilensteine vom KOK (Königsteiner Offizierkreis) zur GKS1. 17. März 1961 Königsteiner Grundsätze2. 15. Juli 1961 Ordnung des KOK3. 19. März 1970 Konstituierung der GKS(Öffnung für alle Dienstgrade)(siehe Bild 2)Insbesondere die Herausforderung, ehemalige <strong>Soldaten</strong>und ihre Familien, aber auch Nicht-Katholiken in dieGKS integrieren zu können, aber auch die ErschließungBild 2: der AnfangAm Anfang war ...der ausdrücklich als <strong>Gemeinschaft</strong>und nicht als Verein gegründete„Königsteiner Offizierkreis“GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATENkomplementärer Finanzmittel, führten 1997 zur Gründungdes Förderkreises. (siehe Bild 3)Die Verwaltung der Mitgliedsbeiträge, das Ziel der anerkanntenGemeinnützigkeit und der steuerlichen Abzugsfähigkeitvon Spenden führten zwangsläufig zur Rechtsformder juristischen Person eines eingetragenen Vereins unddie Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit.Mit der jetzt verabschiedeten Ordnung hat sich die GKSsoweit geöffnet, dass allen Mitgliedern des FGKS auch dieMitgliedschaft in der GKS offensteht, soweit sie auf derSuche nach den ethischen Grundlagen ihres Berufes undnach dem Sinn des Lebens sind und sich zu den Zielen62 AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSZIEL:Warum GKS e. V.?führte zur Bildung /GründungWarum FGKS?Bild 3: der Förderkreis der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong>❍✘Vorstand haftet persönlichfür das Finanzgebahren❍✘Gemeinnützigkeit nur als e. V.❍✘Basis votiert in Lingen gegenUmwandlung in einen e. V.✔ beschränkter Trägerverein als jusristische Person✔ gemeinnützig und haftungsbeschränkendBild 4: Entstehung des GKS e.V.❍✘Im Kern nur für Personen innerhalbdesJurisdiktionsbereichs❍✘keine Mitgliedsbeiträgeführte zum✔ formale Mitgliedschaft incl. Beitrag✔ ist offen für alle Personen,auch außerhalb des Jurisdktionsbereichsund Aufgaben der <strong>Gemeinschaft</strong> bekennen, erklären undentsprechend handeln.Damit wird der „Verwaltungskram“ in den e.V. verlagert(siehe Bild 4), die <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>kann sich in allen Ebenen und Gremien, insbesondere aufihren Bundeskonferenzen den spirituellen Themen widmenund verwirklicht damit einen Appell der DeutschenBischöfe zu der „Stellung der Verbände in der Kirche 2 “,die am 07.03.1990 in Augsburg erklärten:„Vielleicht wird auch in den katholischen Verbändenheute zuviel verwaltet und zuwenig geführt und persönlicheLebensorientierung gegeben. Verwaltung und Führungsind beide wichtig. Verwalter machen die Dinge richtig,Führende tun die richtigen Dinge. In der Zeit eines gesellschaftlichenund kirchlichen Umbruchs halten wir esfür entscheidend, dass sich die Verbände wieder verstärktauf ihre Führungsaufgaben besinnen und, wenn nötig, ihreRichtung neu bestimmen und formulieren“. ❏2 http://www.dbk.de/fi leadmin/redaktion/veroeffentlichungen/deutsche-bischoefe/DB45.<strong>pdf</strong>AUFTRAG <strong>279</strong> • SEPTEMBER 2010Satzung des „<strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e. V.(GKS e. V.),gegründet am 14. April 2005in BerlinDokumentationDie Vatikan-Erklärung zur„Causa Mixa“ im WortlautDer ehemalige Augsburger Bischof WalterMixa (69) ist am 1. Juli von Papst BenediktXVI. in Audienz empfangen worden. ImAnschluss veröffentlichte das vatikanische Presseamteine Erklärung, die AUFTRAG in der vonder Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)veröffentlichten Originalfassung dokumentiert:Der Heilige Vater hat am 1. Juli 2010 den emeritiertenBischof von Augsburg Monsignore WalterMixa in Audienz empfangen. Der Papst hatte mitSchreiben vom 4. Mai 2010 der Bitte des Bischofs umEntpflichtung von seinen Ämtern als Oberhirte derDiözese Augsburg und als deutscher Militärbischofentsprochen; die Endgültigkeit dieser Entscheidungwurde in der Audienz nochmals bestätigt. BischofMixa wird sich zu einer Zeit des Schweigens, derSammlung und des Gebets zurückziehen und nacheiner Periode der Heilungen und der Versöhnungwie andere emeritierte Bischöfe für Aufgaben derSeelsorge im Einvernehmen mit seinem Nachfolgerzur Verfügung stehen.Bischof Mixa hat betont, dass er seinen bischöflichenDienst immer gern und gewissenhaft zu erfüllensich mühte. Er hat aber auch in aller Ehrlichkeitund Demut sein Bekenntnis bekräftigt, dass er Fehlerund Irrtümer begangen hat, die zu einem Vertrauensverlustführten und den Rücktritt unvermeidlichwerden ließen. Er hat erneut für all seine Fehler umVerzeihung gebeten, bittet aber zu Recht auch darum,dass man über seinen Fehlern das Gute, das ergetan hat, nicht ganz vergessen möge.Der Heilige Vater hat die Hoffnung ausgedrückt,dass die Vergebungsbitte auf offene Ohren und Herzenstoße. Nach einer Zeit oft maßloser Polemikwünscht er sich Versöhnung, ein neues Sich- Annehmenin der Gesinnung der Barmherzigkeit desHerrn und im gläubigen Sich-Anvertrauen an seineFührung. Er bittet vor allem auch die Mitbrüder imbischöflichen Amt, Bischof Mixa mehr als bisher ihrefreundschaftliche Nähe, ihr Verstehen und ihre Hilfezur Findung der rechten Wege spüren zu lassen.Alle Gläubigen der Diözese Augsburg bittet derPapst, neu aufeinander zuzugehen und den Bischofoffenen Herzens anzunehmen, den er als Nachfolgervon Bischof Mixa bestellen wird. Die Welt wartet ineiner Zeit der Gegensätze und der Unsicherheit aufdas gemeinsame Zeugnis der Christen, das sie vonihrer Begegnung mit dem auferstandenen Herrn herzu geben vermögen und in dem sie einander wie derganzen Gesellschaft helfen, den rechten Weg in dieZukunft zu finden. ❏63


Der Königsteiner EngelDer »siebte Engel mit der siebten Posaune«(Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung,der die uneingeschränkte HerrschaftGottes ankündigt. Dieser apokalyptischeEngel am Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Grün dungsort des KönigsteinerOffi zier kreises (KOK), ist heute noch dasTra di tionszeichen der GKS, das die katholischeLaienarbeit in der Militärseelsorgeseit mehr als 40 Jahren begleitet.Das Kreuz der GKSDas »Kreuz der GKS« ist das Symbolder <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>.Vier Kreise als Symbol für dieGKS-Kreise an der Basis formen ineinem größeren Kreis, der wiederumdie <strong>Gemeinschaft</strong> ver sinnbildlicht, einKreuz, unter dem sich katholische <strong>Soldaten</strong>versammeln.ImpressumAUFTRAG ist das Organ derGEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN(GKS) und er scheint viermal im Jahr.Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2,10117 Berlinwww.katholische-soldaten.deRedaktion: verantwortlicher RedakteurBertram Bastian (BB),Paul Schulz (PS), Oberstlt a.D., Redakteur,Klaus Brandt (bt), Oberstlt a.D., RedakteurRainer Zink (RZ), Oberstlt a.D., RedakteurZuschriften: Redaktion AUFTRAGc/o Bertram Bastian,Alter Heerweg 104, 53123 Bonn,Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164,E-Mail: redaktion-auftrag@kath-soldaten.deFür unverlangte Einsendungen wird keineHaftung übernommen. Namensartikel werdenallein vom Verfasser verantwortet. Nicht immersind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechtenfeststellbar oder erreichbar. In solchen Ausnahmefällenverpflichtet sich der Herausgeber,nachträglich geltend gemachte rechtmäßigeAnsprüche nach den üblichen Honorarsätzenzu vergüten.Druck: Verlag Haus Altenberg GmbH,Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf.Überweisungen und Spenden an:GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln,BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018.Nachdruck, auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion und mitQuellenangabe. Nach be stellung gegeneine Schutzgebühr von EUR 10,- anden ausliefernden Verlag.ISSN 1866-0843

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