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40 Eindrücke eines Praktikums beim OMNIBUS von Sophie-Marie Brennenstuhl Im März 2009 sollte ich von der <strong>Schule</strong> aus ein zweiwöchiges Berufspraktikum machen und da war ich im Rückblick nirgends richtiger als beim OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE. Denn ich bin inzwischen der Ansicht, dass es keine wichtigere Berufung für den Menschen gibt, der Mitglied einer Gesellschaft ist, als seine Verpflichtung als Souverän wahrzunehmen. Unsere Gesellschaft steht unter dem Leitmotiv der Demokratie – also der Volksherrschaft –, aber es scheint, als ob die meisten Menschen das vergessen hätten. In meinen zwei Praktikumswochen durfte ich jeden Tag mit den anderen 3 Mitfahrern vor dem OMNIBUS auf immer neuen Marktplätzen stehen und den Gedanken der Demokratie repräsentieren und diskutieren. Und ich war erschrocken darüber, wie wenig Vertrauen bei meinen Mitmenschen in die Gesellschaft besteht. Jedem scheint klar zu sein, dass die Abgeordneten, denen man seine Stimme abgeben kann, unsere Gedanken und Forderungen nur mangelhaft repräsentieren. Allerdings hören an dieser Stelle die meisten auf, auf ihr Mündigkeitsrecht zu pochen, im Gegenteil, sie beugen sich der Resignation. Und genau an dieser Stelle beginnen die Diskussionen. Die Idee des „OMNIBUS“ (lat: für alle, durch alle, mit allen) ist, eine Volksabstimmung auch auf Bundesebene durchzusetzen und die Bedingungen für Volksabstimmungen auf Länderebene zu verbessern. Er will ein direktes Instrument der Bürger schaffen, mit denen sie jederzeit in das politische Geschehen eingreifen können und nicht tatenlos und vor allem uninteressiert zusehen müssen. Dabei denke ich, ist der wichtigste Gedanke, dass man sich dessen überhaupt erst einmal bewusst wird. Jahrhunderte waren wir es gewohnt, „Untertan“ zu sein, zu gehorchen, andere die Fäden ziehen zu lassen; aber in einer aufgeklärten Gesellschaft ist es längst überfällig, dass jeder Bürger das Recht hat – und auch selbstverständlich in der Lage ist – über Dinge, die ihn persönlich betreffen, direkt abzustimmen. Und jeder Mensch wird dabei für sich selbst eine derartige Wichtigkeit empfinden, dass er selbst daran interessiert ist, sich ausreichend und objektiv über die Gegebenheiten zu informieren. Ist diese Grundlage des „selbst – bewussten Individuums“ erst einmal geschaffen, wird sich viel bewegen. Nur muss zuvor eine ganze Gesellschaft diesen Prozess des „Sebstbewusstwerdens“ vollziehen. Momentan sind die Bürger uninteressiert und resigniert. Aber das wird sich sofort ändern, sobald sie gefragt sind, denn kein Mensch wird zu seinen Ungunsten etwas entscheiden. Diese Erkenntnis des Selbstbestimmens, dass alles, was in meinem Leben passiert, von mir beeinflusst und gelenkt werden kann, dass ich die Person bin, aus der mein Leben kommt, dass ich nicht fremdbestimmt sein muss, sondern selbst entscheiden kann, was ich für richtig oder falsch empfinde, ist mir das erste Mal bei diesem Praktikum so bewusst geworden. Die Sicht auf mich in der Gesellschaft war plötzlich eine andere. Ich denke daher, dass die Diskussionen am OMNIBUS viel mehr sind als „nur“ politische. Sie sind auf die Gesellschaft, auf das Individuum und auf die Selbsterkenntnis bezogen. Es sind gesellschaftliche, philosophische und existentielle Fragen, die bewegt werden. Ich möchte sogar sagen: ich war noch nie so „nah am Leben dran“ wie in diesen zwei Wochen. Im Alltag kann man sich immer so wunderbar ablenken von diesen tiefgreifenden und doch so wichtigen Fragen – man muss immer hunderte andere wichtige Dinge erledigen und ist daher sehr froh, manche Dinge auf andere abschieben zu können. Ich glaube, es ist eine Art Lebensaufgabe, diese Waage halten zu können, zwischen Alltagsmanagement und „Weltverbesserung“. Mich hat es damals so sehr fasziniert, wie konsequent man diese Gedanken leben kann. Am OMNIBUS ist nichts dem Zufall überlassen. Es wird ein ständig wacher Geist erwartet und ein Achtsamsein mit sich und der ganzen Umgebung. Es fängt schon allein bei solchen Dingen an wie: wo soll der OMNIBUS stehen? Wie fügt
sich seine Erscheinung in das Stadtbild ein? Wo verlaufen welche Linien, denen sich der OMNI- BUS angleichen könnte? Wo steht der Tisch vor dem Bus? Wie stehe ich vor dem OMNIBUS, um die Leute anzusprechen, ohne sie zu bedrängen? Ist alles aufgeräumt? Liegt nichts wahllos umher? Sind die Betten im zweiten Stock gemacht? Die Karte an der Windschutzscheibe des Busses, die eine Beuys-Notiz zeigt, trifft diese konsequente Lebenshaltung sehr gut: „Jeder Griff muss sitzen“. Beuys trug Entscheidendes zur Entstehung dieser Bürgerinitiative bei. Er brachte erst diesen Gedanken des souveränen Bürgers richtig auf den Tisch. Mit seiner Aussage „Jeder Mensch ist ein Künstler“ und seiner Idee der „Sozialen Plastik“ trifft er diesen Geist auf den Punkt. Er richtet sich an jedes Individuum und sagt: Du bist der, der es gestalten kann – es liegt an dir, was du daraus machst – du bist der Künstler. Hieran sieht man wieder, dass es viel weniger um Politik im herkömmlichen Sinne geht, als vielmehr um das künstlerische Gestalten der Gesellschaft und natürlich des eigenen Lebens. Auch wenn es nur eine kurze Zeit war, die ich mit den Leuten des OMNIBUS verbracht habe, habe ich unwahrscheinlich viele neue Inspirationen bekommen – die ich dann allerdings erst einmal verarbeiten und verdauen musste. Ich kann aber rückblickend sagen, dass diese Erfahrungen und Gespräche mich bis heute begleiten, weiter bewegen und ausgebaut werden, bis ich hoffentlich mal wieder Zeit finden werde, ein paar Wochen mit auf Bewusstseins- und Selbstbestimmungs-Tour durch Deutschland zu fahren. Sophie-Marie Brennenstuhl, Schülerin (nach ihrem Praktikum (23.03. – 03.04.2009) hat Sophie-Marie auch eine ausführliche Facharbeit zum Thema Direkte Demokratie geschrieben) 41
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