Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
48<br />
Volksinitiative <strong>Schule</strong> in Freiheit<br />
von Jonas Parr<br />
Endlich. Am 25. November war es so weit.<br />
Nach sechs Monaten des basisdemokratischen<br />
Werbens für eine Idee – auf den Straßen und<br />
Plätzen, den Märkten und Parks Berlins – übergibt<br />
die Volksinitiative <strong>Schule</strong> in Freiheit dem<br />
Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses<br />
28.717 gesammelte Unterschriften. Weit mehr<br />
also, als die gesetzlich vorgeschriebene Hürde<br />
von 20.000 MitzeichnerInnen für eine erfolgreiche<br />
Volksinitiative vorgibt.<br />
Was aber steht hinter dieser Idee? Welches<br />
Thema scheint den BerlinerInnen so wichtig zu<br />
sein, dass fast 30.000 Menschen es mit ihrer<br />
Unterschrift unterstützen?<br />
Es geht um das Berliner Schulwesen. Genauer<br />
gesagt um eine Bildungspolitik, die den staatlichen<br />
<strong>Schule</strong>n Berlins wenig pädagogische und<br />
gestalterische Freiräume zugesteht und dabei<br />
gleichzeitig den <strong>Schule</strong>n in freier Trägerschaft<br />
kaum ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung<br />
stellt. Dadurch wird es einerseits den staatlichen<br />
<strong>Schule</strong>n nahezu unmöglich gemacht, sich<br />
vom „Lehren nach Vorschrift“ zu emanzipieren.<br />
Über den praktischen Schulalltag bestimmen<br />
die <strong>Schule</strong>n oft nicht selbst, sondern er wird von<br />
der staatlichen Schulaufsicht „diktiert“. Kreativen<br />
Impulsen wird somit nicht selten der staatlich<br />
vorgeschriebene Lehrplan als Riegel vorgeschoben.<br />
Andererseits sind durch die unzureichende<br />
Finanzierung die <strong>Schule</strong>n in freier Trägerschaft<br />
dazu gezwungen, Schulgeld zu erheben, weil sie<br />
ansonsten finanziell nicht bestehen können. Allzu<br />
oft sehen sie sich dadurch dem Vorwurf ausgesetzt,<br />
Freie <strong>Schule</strong>n (Montessori- Waldorfschulen<br />
etc.) seien eigentlich „Privatschulen“, da sich nur<br />
die „gesellschaftliche Elite“ diesen „Luxus des<br />
Schulgelds“ leisten könne. Dass sich aber die<br />
meisten <strong>Schule</strong>n in freier Trägerschaft voll und<br />
ganz als öffentlich zugängliche <strong>Schule</strong>n verstehen,<br />
findet dabei keine weitere Beachtung.<br />
Die drei Forderungen der Volksinitiative griffen<br />
ebenjene Verfehlungen der Bildungspolitik auf und<br />
machten sie so zu einem öffentlichen Thema:<br />
Pädagogische Freiheit:<br />
Die <strong>Schule</strong>n sollen die Inhalte und Qualitätsmaßstäbe<br />
ihrer Arbeit selbstständig gestalten können<br />
Gleichberechtigte Finanzierung:<br />
Die <strong>Schule</strong>n in staatlicher und freier Trägerschaft<br />
sollen ohne Schulgeld zugänglich sein<br />
Selbstständige Organisation:<br />
Alle <strong>Schule</strong>n, die es wollen, sollen die weitestgehende<br />
organisatorische Selbstständigkeit erhalten<br />
Über diese drei Punkte habe ich zwei Monate<br />
lang, von Anfang Oktober bis Ende November,<br />
mit den Berlinerinnen und Berlinern gesprochen.<br />
Bin auf Wochenmärkten gewesen, vor Einkaufszentren,<br />
in Fußgängerzonen und auf öffentlichen<br />
Veranstaltungen. Immer bewaffnet mit Unterschriftenlisten,<br />
Infomaterial und Kugelschreiber.<br />
„Guten Tag, ich sammle Unterschriften für die<br />
Volksinitiative <strong>Schule</strong> in Freiheit“. So kam ich in<br />
den Dialog mit den Menschen, die interessiert<br />
waren. Dass die Mehrheit mich nicht weiter<br />
beachtete und einfach an mir vorbeiging, war<br />
etwas, was mich anfangs stark irritierte, worüber<br />
ich mich aber im Laufe der Zeit immer weniger<br />
wunderte.<br />
Denn es blieben ja auch nicht wenige stehen<br />
und wollten wissen, worum es bei dieser Initiative<br />
gehe? Nachdem ich die drei grundlegenden<br />
Ideen erzählt hatte, wurde diskutiert. Teils sehr<br />
kontrovers und teils in voller Übereinstimmung,<br />
was unsere Gedanken und Ideen betraf. Mal<br />
wurde ich motiviert („weiter so! Nur durch Leute<br />
wie euch kommt die Politik wieder zurück zum<br />
Menschen!“), mal belächelt („Deinen Idealismus<br />
in Ehren, junger Mann, aber dafür interessiert<br />
sich doch eh keiner...“). Manche Menschen<br />
begegneten mir mit Desinteresse („Nee du, auf<br />
der Straße unterschreibe ich grundsätzlich nie<br />
was!“), nicht wenige Menschen waren jedoch<br />
angetan von den Themen, die durch die Volksinitiative<br />
zum Ausdruck gebracht wurden („Genau<br />
das braucht das Berliner Schulwesen jetzt! Es<br />
wird Zeit, dass mal ein Ruck durch die Bildungspolitik<br />
geht“). Wenn das Gespräch so in etwa