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Max Mustermann

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D O R N H E I MRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERDornheim • RAe und StB • Brahmsallee 9 • 20144 HamburgDatum1. Dezember 2008Fünf Monate nach der Pflegereform – eine ZwischenbilanzRECHTSANWÄLTEÜbersicht:1. Begutachtung durch den MDK (§ 18 SGB XI)2. Inanspruchnahme ambulanter Sachleistungen für zusätzliche Betreuung /Poolen von Leistungen (§ 36 SGB XI)3. Gesamtversorgungsvertrag (§ 72 Abs. 2 SGB XI)4. § 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI - Gewährung einer ortsüblichen Arbeitsvergütungals Voraussetzung des Versorgungsvertrages5. Leistungsvereinbarung gem. § 84 Abs. 5 SGB XI6. Härtefall-Pflegesätze (§ 84 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 3 SGB XI):7. Externer Vergleich (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI)8. Abwesenheitsabschläge gem. § 87 a Abs. 1 Sätze 5 – 7 SGB XI9. Vergütungszuschläge nach § 87 b SGB XI10. Qualitätsprüfungen und Veröffentlichung der Ergebnisse11. BundesschiedsstelleOve DornheimFachanwalt FamilienrechtHeinrich GeisingFachanwalt ArbeitsrechtLehrbeauftr. Universität HamburgDr. jur. Sylvia HackeDr. jur. Markus PlantholzFachanwalt MedizinrechtRüdiger MeierLehrbeauftr. Universität HamburgDr. Tobias BeckmannSTEUERBERATERHeinrich LeinemannANSCHRIFTBrahmsallee 920144 HamburgTel.: 040 / 41 46 14 – 0Fax: 040 / 44 30 72www.kanzlei-hamburg.demp@kanzlei-hamburg.deGerichtskasten 4925 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 1


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATER1. Begutachtung durch den MDK (§ 18 SGB XI)§ 18 Abs. 3 wurde im Hinblick auf die Beschleunigung des Verfahrens umfassend neu gestaltet.Außerdem wurden die Abs. 6 und 7 ergänzt.Abs. 3 wurde insgesamt durch das PfWG neu gefasst und darauf ausgerichtet, das Verfahrenzur Feststellung von Pflegebedürftigkeit und der Leistungsberechtigung gem. § 45b zu beschleunigen. Gem. Abs. 3 Satz 1 hat hierzu zunächst die zuständige PflegekasseAnträge zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern,an den MDK weiterzuleiten. Abs. 3 Satz 2 regelt, dass der Antrag auf Leistungen derPflegeversicherung spätestens fünf Wochen nach seinem Eingang bei der Pflegekassebeschieden sein soll. Die Intention des Gesetzgebers ist hehr. In der Tat müssen pflegebedürftigeMenschen und ihre Angehörigen schnelle Entscheidungen über die von ihnenbeantragten Leistungen erhalten, um die Pflege zeitnah planen und organisieren zu können.Die Gesetzesbegründung legt überdies sehr plausibel dar, dass die regionale Bearbeitungsdauerdurchaus sehr unterschiedlich ausfällt und deshalb Abs. 3 Satz 2 auch denZweck hat, zu einem einheitlicheren Standard der Bearbeitung zu gelangen. Allerdingshandelt es sich letztlich um einen Appell des Gesetzgebers, der im Einzelfall, wird er nichtgehört, auch sanktionslos bleibt. Das Verstreichen der Frist führt nicht zu einer vorläufigenLeistungsverpflichtung der Pflegekasse. Unmittelbar rechtliche Implikationen kann die Fristallenfalls im Hinblick auf eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG haben. Man wird die Fristdes Abs. 3 Satz 2 als lex specialis zu § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG ansehen dürfen. Eine Untätigkeitsklagewäre also nach Ablauf von fünf Wochen ab Antragseingang denkbar, wenn,weil es sich bei Abs. 3 Satz 2 um eine Soll-Vorschrift handelt, kein sachlicher Rechtfertigungsgrundfür die Verzögerung besteht. Personelle Engpässe stellen keinen solchen dar,wohl aber, wenn es zu Verzögerungen bei der Beschaffung der Unterlagen zur einstufungsrelevantenVorgeschichte kommt, die nicht in der Sphäre des MDK liegen. Aberauch die Untätigkeitsklage wird für den Antragsteller angesichts der gerichtlichen Verfahrensdauerletztlich keine Option sein.Redaktionell wurde bei der Neufassung des Abs. 6 übersehen, dass der MDK auch dasErgebnis seiner Begutachtung über Einschränkungen der Alltagskompetenz und seineEmpfehlung zur Anspruch und Anspruchshöhe gem. §§ 45 a, 45 b Abs. 1 zu übermitteln5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 2


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERhat. Auch diese Ergebnisse sind ohne schuldhaftes Zögern gegenüber der Pflegekassebekannt zu geben.Zur Umsetzung: Es ist tatsächlich zu beobachten, dass die verkürzten Zeiten bis zur Erstellungder Einstufungsgutachten größtenteils eingehalten und die personellen Kapazitätender MDKen zur Erfüllung der weiteren Aufgaben aufgestockt werden.2. Inanspruchnahme ambulanter Sachleistungen für zusätzliche Betreuung / Poolen vonLeistungen (§ 36 SGB XI)Die Thematik ist für vollstationäre Träger nicht von Interesse, wohl aber für die Träger vonEinrichtungen des Betreuten Wohnens, von Wohnheimen o.ä. und mittelbar auch für dieTräger von Einrichtungen der Tagespflege.Der durch das PfWG eingefügte § 36 Abs. 1 Satz 5 regelt die Möglichkeit mehrerer Pflegebedürftiger,Leistungen zu „poolen“. Nach der Begründung des PfWG sollen mehrerePflegebedürftige in die Lage versetzt werden, Leistungen der Grundpflege und derhauswirtschaftlichen Versorgung gemeinsam abzurufen. Zu Gunsten des Leistungsberechtigtensollen dadurch Synergieeffekte ausgeschöpft werden, die zu einem Mehr anSachleistungen innerhalb der Budgets nach Abs. 3 führen. Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründungdie gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen durch mehrere Pflegebedürftigein einer Wohngemeinschaft oder bei Wohnorten in räumlicher Nähe, insbesondereinnerhalb desselben Gebäudes. Tatsächlich ist die gemeinsame, zeitlich verbundeneInanspruchnahme und dadurch die Erzielung zeitlicher Einsparungen zu Gunstender Pflegebedürftigen bei den grundpflegerischen Verrichtungen des täglichen Lebens(§ 14 Abs. 4 Nr. 1–3) in nennenswertem Umfang nur schwer vorstellbar, sodass sichder künftige Anwendungsbereich vermutlich vorwiegend auf den gemeinsamen Abrufvon hauswirtschaftlichen Versorgungsleistungen (§ 14 Abs. 4 Nr. 4) und dies vor allem inWohngemeinschaften, Wohnheime, Einrichtungen des Betreuten Wohnens oder Haushaltenetwa von pflegebedürftigen Ehepaaren konzentrieren wird.Dem Grunde nach vermittelt § 36 keinen Sachleistungsanspruch auf Betreuungsleistungen,soweit diese nicht konkret verrichtungsbezogen und deshalb Bestandteil der Verrichtungennach § 14 Abs. 4 sind. Der Anspruch auf weitergehende ambulante Betreuungsleistungenist durch § 45 b geregelt. Andererseits zeigt die Begründung des PfWG,5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 3


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERdass der Gesetzgeber den Begriff der Betreuungsleistung so verstanden wissen will, wie erin § 45 b Abs. 1 beschrieben ist. Das lässt nur den Schluss zu, dass Einsparungen innerhalbder Sachleistungsbudgets des Abs. 3 nicht für die Inanspruchnahme weiterer Leistungender Grundpflege oder hauswirtschaftlicher Versorgung genutzt werden müssen, solangediese sichergestellt sind, sondern dann auch frei für die Betreuung eingesetzt werdenkönnen. Wenn also etwa ein Pflegebedürftiger mit Pflegestufe II unter der Voraussetzungder Sicherstellung der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (Abs. 1 Satz6) aufgrund der erzielten Synergieeffekte des gemeinsamen Abrufs nun für die Hilfe beiden Verrichtungen des täglichen Lebens nur noch 800 € anstatt € 940 verbraucht, musser nicht auf Kombinationsleistungen gem. § 38 umstellen und ggf die anteilige Geldleistungfür Betreuung in Anspruch nehmen, sondern kann auch im Umfang von 140 €Betreuung als Sachleistung erhalten. Versicherte können so ihren Anspruch auf Betreuungsleistungennach § 45 b erweitern.Zu regeln ist die Inanspruchnahme gepoolter Leistungen im Verhältnis zum Leistungserbringerim Pflegevertrag nach § 120. Im Übrigen korrespondiert die Neufassung des § 89Abs. 3 mit der leistungsrechtlichen Regelung. Danach sind nunmehr auch die Entgeltebei gemeinsam durch mehrere Pflegebedürftige in Anspruch genommene Leistungen zuvereinbaren, so dass die ggf für die Betreuung erzielbaren Synergieeffekte (entsprechendauch im Kostenvoranschlag nach § 120 Abs. 3) ersichtlich werden. Bestandteil der Entgeltvereinbarungsind auch die Entgelte für die im Rahmen des § 36 in Anspruch genommenenBetreuungsleistungen.Daraus folgt: Die Umsetzung der Reform ist davon abhängig, dass mögliche Synergieeffektefür die gepoolte Inanspruchnahme von Leistungen (v.a. der HWV) zunächst in denEntgeltverträgen nach § 89 SGB XI bepreist werden müssen. Dazu ist es nach unseremÜberblick bisher aber nicht gekommen.3. Gesamtversorgungsvertrag (§ 72 Abs. 2 SGB XI)§ 72 Abs. 2 SGB XI erlaubt nunmehr den Gesamtversorgungsvertrag. Gemeint damit istein einheitlicher Versorgungsvertrag für mehrere Einrichtungen. Folgt man der Gesetzesbegründung,soll es gerade Sinn der Neuregelung sein, die einheitliche Leitung und fachlicheVerantwortung mehrerer Einrichtungen zu ermöglichen. Der Gesamtversorgungsvertragsetzt nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung gerade auch an der Funktion5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 4


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERder verantwortlichen Pflegefachkraft an. Nimmt man dies ernst, müsste es also künftigmöglich werden, eine einheitliche PDL für mehrere Einrichtungen zu benennen. MitteNovember 2008 erleben wir allerdings eine Situation, in der es noch nicht zur Umsetzungder Idee des Gesamtversorgungsvertrages gekommen ist.Der Gesetzgeber bindet den Abschluss an mehrere Voraussetzungen:- Es muss sich um Einrichtungen desselben Trägers handeln: Träger ist immer dieBetreibergesellschaft. Folgt man dem Wortlaut, wäre der Gesamtversorgungsvertragausgeschlossen für Gesellschaften, die für jeden Betrieb eine eigenständigeGesellschaft begründen (Beispiel: Die Muttergesellschaft M ist zu 100 % Gesellschafterinder Tochtergesellschaft T1, die ein Pflegeheim betreibt, und zu 100 %Gesellschafterin der Tochtergesellschaft T2, die eine Tagespflegeeinrichtung aufdemselben Gelände betreibt). Meiner Ansicht nach sollte der Wortlaut ausgelegtwerden. Wenn das Ziel die gemeinsame Organisation und Leitung ist, dann mussdies auch möglich sein, wenn zwei gesellschaftsrechtlich miteinander verflochteneBetreibergesellschaften bestehen. Ob man sich damit durchsetzen kann,bleibt abzuwarten.- Die Einrichtungen müssen organisatorisch verbunden sein. Das dürfte in der Regelder Fall sein, weil typischerweise eine gemeinsame Verwaltung besteht.- Die Einrichtungen müssen räumlich verbunden sein. Erwartbar ist wohl, dass dieLandesverbände der Pflegekassen diesen Begriff eng auslegen und die räumlicheVerbindung nur annehmen, wenn die Einrichtungen ihren Sitz auf demselben Geländehaben. M.E. ist aber danach zu fragen, ob die gemeinsame fachliche Verantwortungangesichts der räumlichen Distanz noch effektiv wahrgenommenwerden kann. Dies dürfte nicht nur bei Einrichtungen auf demselben Gelände derFall sein, sondern auch bei überschaubarer räumlicher Entfernung, wie auch immerdiese bestimmt wird.- Hinzuweisen ist darauf, dass der Gesetzgeber § 132 a SGB V nicht in die Reformeinbezogen hat. Soweit also der Gesamtversorgungsvertrag auch für den häuslichenPflegedienst abgeschlossen werden soll, ist die Idee nur so gut, wie auch dieKrankenkassen bereit sind, die Verträge nach § 132 a Abs. 2 SGB V freiwillig mitanzupassen.5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 5


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERUnabhängig davon kommt es vermehrt zum übergreifenden Personaleinsatz zwischeneinzelnen Betriebsteilen. Dieser ist dem Grunde nach schon jetzt auch ohne Umsetzungsregelungdurch veränderte Versorgungsverträge, es sind jedoch eine ganze Reihe vonAspekten zu beachten (vgl. dazu in der Tagungsmappe die Ausarbeitung zum Gesamtversorgungsvertragund zum übergreifenden Personaleinsatz).4. § 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI - Gewährung einer ortsüblichen Arbeitsvergütung als Voraussetzungdes Versorgungsvertrages§ 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI gebietet eine ortsübliche Entlohnung aller Bescchäftigten. DieBegründung des PfWG hierzu lautete:„Mit der Ergänzung der Nummer 2 wird sichergestellt, dass Pflegeeinrichtungen eineArbeitsvergütung an ihre Beschäftigten zahlen, die dem Lohnniveau im Wirtschaftskreisentspricht. Zur Bestimmung der ortsüblichen Vergütung ist im Regelfallauf fachlich und räumlich einschlägige Tarifverträge abzustellen, soweit üblicherweiseTariflohn gezahlt wird. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden,dass Arbeitskräfte üblicherweise nur zu den tariflichen Lohnbedingungen am Arbeitsmarktgewonnen werden können. Fehlt es an einer Verkehrsüblichkeit des Tariflohns,ist auf das allgemeine örtliche Lohnniveau in Pflegeeinrichtungen abzustellen.“Bei näherem Hinsehen kann man feststellen, dass die Begründung fast wortgleich einerEntscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 612 BGB entnommen ist, und zwar zu einemFall, in welchem die vertraglich vereinbarte Vergütung sittenwidrig und damit nichtigwar, eine Taxe zur Bemessung nicht zur Verfügung stand und es deshalb auf die Ortsüblichkeitankam:„Nach der Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob ein auffälliges Missverhältniszwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, der Wert der Leistung des Arbeitnehmersnach ihrem objektiven Wert zu beurteilen (zuletzt Senat 23. Mai 2001 - 5AZR 527/99 - EzA BGB § 138 Nr. 29). Ausgangspunkt zur Feststellung des Wertes derArbeitsleistung sind dabei in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs.Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 6


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERTariflohn gezahlt wird. Denn dann kann grundsätzlich davon ausgegangen werden,dass Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nur zu den Tariflohnsätzen gewonnenwerden können. Entspricht der Tariflohn indessen nicht der verkehrsüblichenVergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist zur Ermittlung des Wertesder Arbeitsleistung von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebietauszugehen (Senat 23. Mai 2001 - 5 AZR 527/99 - aaO; 11. Januar 1973 - 5 AZR322/72 - AP BGB § 138 Nr. 30 = EzA BGB § 138 Nr. 10; 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 -AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83).“ (BAG, Urt. v.24.4.2004 – 5 AZR 303/03 = DB 2004, 1432).Nun ist es aber ohne Zweifel ein fundamentaler Unterschied, ob eine Vergütung gerichtlichfestgesetzt werden muss, weil eine wirksame Vereinbarung nicht besteht und damiteine Regelungslücke auszufüllen ist, oder ob man dem Unternehmer einem Verdikt übereine bestimmte Entgeltung unterwirft und damit seine Gestaltungsmöglichkeiten ausschließt.Eine Entgeltvereinbarung kann wegen Lohnwuchers oder wegen eines wucherähnlichenRechtsgeschäfts nichtig sein. Sowohl der spezielle Straftatbestand als auch derzivilrechtliche Lohnwucher nach § 138 Abs. 2 BGB und das wucherähnliche Rechtsgeschäftnach § 138 Abs. 1 BGB setzen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung undGegenleistung voraus (BAG, Urt. v. 23. Mai 2001 - 5 AZR 527/99 - EzA BGB § 138 Nr. 29, zu II1 der Gründe; v. 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79, 82 f., zu I 1 der Gründe) .Die Sittenwidrigkeit einer Entgeltvereinbarung ist allerdings nicht allein nach der vereinbartenEntgelthöhe zu beurteilen. Ein Rechtsgeschäft verstößt gegen § 138 Abs. 1 BGB,wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zuentnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH 28.Februar 1989 - IX ZR 130/88 - BGHZ 107, 92, 97, zu II 1 a der Gründe; 6. Mai 1999 - VII ZR132/97 - BGHZ 141, 357, 361, zu I 2 b (1) der Gründe). Im Falle der sittenwidrigen Lohnvereinbarungoder des Lohnwuchers überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen der Privatautonomieund kann sich folgerichtig nicht auf eine geltungserhaltende Reduktion berufen.Die Rechtsprechung hat ihre Berechtigung.Die Übernahme der Rechtsprechung zu § 612 BGB in die Begründung des PfWG zeigt,dass es dem Gesetzgeber um die Schaffung von Mindestbedingungen geht, nicht aberum die heimliche Allgemeinverbindlicherklärung durchschnittlicher Gehälter.Zur Umsetzung: Wohl auch deshalb, weil nicht klar ist, wie das Gesetz ausgelegt werdensoll und wie dann im Anschluss – je nach Interpretation – die Untergrenze einer angemessenenEntgeltung bzw. ein Korridor ortsüblicher Gehälter je nach Qualifikation festgelegtwerden soll, ist es noch nicht zu einer Umsetzung gekommen. Insbesondere sind nach5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 7


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERunserem Kenntnisstand weder die Strukturerhebungsbögen für Neuabschlüsse von Versorgungsverträgengeändert worden noch wurden die Träger aufgefordert, Lohndatenoffen zu legen. In zwei Fällen konnten wir beobachten, dass sich Pflegesatzverhandlerder Kostenträger auf § 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI berufen und im Zusammenhang mit derPflegesatzverhandlung die Offenlegung als Bedingung für die Abgabe eines Angeboteszum Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung gemacht haben. Diese Interpretation istschon deshalb schief, weil sich § 72 Abs. 3 SGB XI an die Landesverbände der Pflegekassenbei Abschluss und Überprüfung des Versorgungsvertrages, nicht aber an die Partnerder Entgeltvereinbarung wendet.5. Leistungsvereinbarung gem. § 84 Abs. 5 SGB XIDie LQV wurde zum 1.7.2008 abgeschafft und durch die Leistungsvereinbarung gem. §84 Abs. 5 SGB XI ersetzt. Die Leistungsvereinbarung ist nach wie vor von der Konzeptiongetragen, dass aus den Bedarfen des Bewohnerkreises Personalschlüssel entwickelt undvereinbart werden. Dies war auch das Herzstück der LQV. Entsprechend einfach wird dieUmsetzung gestaltet. Soweit jetzt neue Pflegesatzvereinbarungen ohne Veränderung derbisherigen Personalschlüssel getroffen werden und die bisherigen LQVen wie etwa inNiedersachsen hinsichtlich ihrer Regelungsdichte sehr umfassend waren, wird einfachdarauf verwiesen, dass die Regelungen der bisherigen LQV als Leistungsvereinbarung imSinne des § 84 Abs. 5 SGB XI fortgelten.6. Härtefall-Pflegesätze (§ 84 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 3 SGB XI):Bis zum Inkrafttreten der Reform war die Praxis zur Abrechnung von Härtefällen in stationärenEinrichtungen sehr uneinheitlich.Einen eigenständigen Zuschlag für Härtefälle im Rahmen der Pflegesatzvereinbarunggab es bisher nur in wenigen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt. Die meisten Pflegekassenhaben nach einer entsprechenden Einstufung den Härtefallzuschlag ausgezahlt,obwohl in der Pflegesatzvereinbarung kein solcher Zuschlag vereinbart war. Dadurchkam es zu geringeren Eigenanteilen als in der Pflegeklasse III. Sinn der Härtefallregelung istes aber nicht, den Bewohner mit Pflegestufe III + gegenüber dem Bewohner in der PflegeklasseII oder III zu privilegieren. Entsprechend hatte das LSG NRW zu Recht entschieden,dass der Härtefallzuschlag nicht durch die Pflegekasse zu entrichten ist, wenn dem5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 8


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERdahingehend verbunden, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erkanntenGrundsätze und Maßstäbe nicht gegen den Willen einer Vertragspartei, sondernnur noch auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendungkommen dürfen.“ (BT-Drs. 16/7439, S. 71; gemeint sind die Urteile B 3 P 18/00 R und B 3P 19/00 R).Auch wenn sich dies im Gesetzeswortlaut so nicht ausdrücklich widerspiegelt, ergibt diehistorische Auslegung also, dass die Parteien in den Pflegesatzverhandlungen nur gemeinsamüber die Anwendung des externen Vergleichs disponieren können. Dies ist allerdingsnichts wesentlich Neues, weil schon bisher keine Seite die andere im Rahmen derPflegesatzverhandlung zu einer Methode, zu einer Einigung oder zur Offenbarung von fürden Vergleich benötigten Daten zwingen konnte. Brünner/Philipp schließen aus diesemUmstand, dass die Neuregelung deshalb auch auf die Schiedsstellen gem. § 76 SGB XIanzuwenden sei (Kurzgutachten, S. 7).In der Tat stellt sich also die Frage, ob die Schiedsstelle gem. § 76 SGB XI an die Dispositionüber die Methodik gebunden ist, mithin also den externen Vergleich ebenfalls nichtdurchführen darf, wenn die Parteien im Schiedsverfahren nicht ihr wechselseitiges Einverständniserklärt haben.Die historische Auslegung gibt hierzu u.E. keinen ausdrücklichen Aufschluss. Denn sie enthält– den oben dargestellten Ausführungen vorgeschaltet – auch folgende Hinweise:„Mit der Regelung werden die Vertragsparteien zur angemessenen Berücksichtigungder Pflegesätze derjenigen Einrichtungen verpflichtet, die im Wesentlichengleichartig sind. Damit wird klargestellt, dass für einen externen Vergleich von Pflegeeinrichtungenim Hinblick auf die Bemessung der Pflegesätze nur die in den wesentlichenVergleichskriterien gleichartigen und nicht auch die wesensfremden Einrichtungenherangezogen werden können.Nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht den Schiedsstellen nach dem SGB V undden SGB XI ein quasi-vertraglicher Gestaltungsspielraum innerhalb der gesetzlichen Regelungsvorgabenzu. Die Dispositionsbefugnis der Parteien im Pflegesatzverfahren gehtim Schiedsverfahren also auf die Schiedsstelle über; ausgenommen davon ist die bei denParteien verbleibende Disposition über die Ober- und die Untergrenze der Vergütung.Der Schiedsstelle ist es nicht gestattet, geringere Entgelte als die von den Kostenträgernbeantragte oder höhere Entgelte als die vom Träger der Einrichtung beantragten festzusetzen.So hat das BSG in einem Grundurteil zur Freiheit der Schiedsämter bei der inhaltlichenGestaltung der Verträge ausgeführt:5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 10


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATER„Was die Beteiligten in freier Verantwortung hätten regeln können, wird im streitschlichtendenSchiedsverfahren durch den Schiedsspruch ersetzt. Daraus folgt,dass das Landesschiedsamt bei der Festsetzung des Vertragsinhalts die gleicheGestaltungsfreiheit hat, wie sie für die Vertragsparteien bei gütlicher Einigung besteht.[…] Soweit nicht der allgemeine Inhalt des Gesamtvertrages aufgrund vonMantelverträgen […] festliegt und soweit nicht zwingende gesetzliche VorschriftenSchranken errichten, besteht für die Beteiligten, die sich über den Gesamtvertrageinigen, Vertragsfreiheit und für das Landesschiedsamt ein entsprechendes Gestaltungsermessen.“(BSGE 20, 73, 76f.; vgl. weiter BSGE 36, 151, 153; 51, 58, 62).Deshalb spricht u.E. viel dafür, dass die Schiedsstelle nach wie vor den externen Vergleichbemühen kann und im Einzelfall auch muss, auch wenn sich eine Seite in den Pflegesatzverhandlungennicht mit ihm einverstanden erklärt hat.8. Abwesenheitsabschläge gem. § 87 a Abs. 1 Sätze 5 – 7 SGB XINoch sehr uneinheitlich ist das Bild bei der Umsetzung der Regelung zu den Abwesenheitsabschlägen.Keine neuen rahmenvertraglichen Vereinbarungen zur Höhe des Abwesenheitsabschlagesbestehen etwa in Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Sachsen.Gänzlich ungeklärt ist die künftige Umsetzung für die Kurzzeitpflege.Das Problem besteht darin, dass die Dauer der Platzfreihaltegarantie mit einigen Unwägbarkeitenunmittelbar im Gesetz geregelt ist (bis zu 42 Tage im Kalenderjahr zuzüglich derAbwesenheitszeiten für KH- oder Reha-Aufenthalt). Hingegen ist die Höhe (mindestens 25% für U+V und Pflege bei vollen Abwesenheitszeiten von mehr als drei Kalendertagen)davon abhängig, dass in den Rahmenverträgen eine entsprechende Regelung getroffenwird.In einigen Fällen ist die Regelung zu den Abwesenheitszeiten sehr viel günstiger für dieTräger, weil in der Regel bisher die Abwesenheitszeiten, während derer die Pflegekassendie Entgelte anteilig fortgezahlt hat, geringer waren. Umgekehrt gibt es einige Länder, indenen der Abwesenheitsabschlag bisher unter der Mindestregelung von 25 % liegt. Soweiteine rahmenvertragliche Vereinbarung bisher noch nicht zu Stande gekommen ist,stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Regelung hinsichtlich der Abwesenheitszeitenbzw. hinsichtlich der Mindesthöhe des Abschlages von 25 % bereits heute umzusetzen ist.Die Schiedsstelle Niedersachsen hat einen Festsetzungsantrag zum Rahmenvertrag gem.§ 75 SGB XI als unzulässig zurückgewiesen, weil seit der Veröffentlichung des PfWG im5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 11


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERBundesgesetzblatt am 28.5.2008 noch keine sechs Monate zur Erzielung einer Lösung aufdem Verhandlungswege verstrichen seien - § 75 Abs. 4 sieht eine Verhandlungsphasevon sechs Monaten vor, bevor die Schiedsstelle angerufen werden kann.Streitig sind zum Teil auch folgende Einzelfragen:- Gilt der Tag der Krankenhauseinweisung bereits als erster Abwesenheitstag bzw.gilt der Tag der KH-Entlassung noch als Abwesenheitstag? Da das Gesetz von einerAbwesenheit über mindestens drei Kalendertage spricht, deutet alles daraufhin, dass der Tag der Einweisung oder Entlassung nicht als Abwesenheitstag gewertetwerden kann.- Ausschließlich in Mecklenburg-Vorpommern ist die Höhe des Abschlages vonmindestens 25 % noch streitig – dort bieten die Landesverbände der PKen 50 %Abschlag an.Eine grandiose Regelungslücke hinterlässt § 87 a SGB XI für die Kurzzeitpflege. Auch für siegilt § 87 a SGB XI. Wie aber soll die Dauer der Freihaltegarantie von 42 Tagen p.a. auf dieKurzzeitpflege umgerechnet werden, deren Inanspruchnahme nur vier Wochen je Kalenderjahrdenkbar ist? Im Übrigen ist in den meisten Versorgungsverträgen vereinbart,dass während der Abwesenheit keine Entgelte (ausgenommen investive Entgelte) berechnetwerden – der Abwesenheitsabschlag betrüge demnach 100 %. Es ist aber kaumvorstellbar, dass der Träger der Einrichtung in diesem Umfang ersparte Aufwendungendurch Abwesenheit erzielen kann, denn das Leistungsspektrum unterscheidet sich jagrundsätzlich nicht von dem einer stationären Einrichtung, sieht man davon ab, dass inder KZP im Anschluss an eine KH-Entlassung oftmals deutlich mehr Behandlungspflegeanfällt.9. Vergütungszuschläge nach § 87 b SGB XINachdem die Spitzenverbände der Pflegekassen recht rasch eine Richtlinie für die Qualifikationvon zusätzlichen Betreuungskräften gem. § 87 b Abs. 3 SGB XI beschlossen haben,fokussierten sich die Verhandlungen auf den angemessenen in die Bemessung desZuschlages einzustellenden Bruttoarbeitgeberaufwand je Vollzeitstelle. Nach anfänglichenSchwierigkeiten lässt sich jetzt folgendes beobachten:5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 12


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATER- Der Schlüssel von 1:25 für die zusätzlichen Betreuungskräfte für die nach § 45 aSGB XI anspruchsberechtigten Personen ist in den Verhandlungen in der Regel unstreitig.- Die Vereinbarungen mit den Pflegekassen sind einfach und übersichtlich strukturiert;wie erwartet wird die Einbeziehung einer vom Träger zu erstellenden Konzeptionfür die zusätzliche Betreuungsleistung vorausgesetzt.- In den meisten Ländern konnte eine Einigung über den Zuschlag bzw. seine Kalkulationsgrößenerzielt werden (Hamburg: € 3,40 tgl.; Berlin: € 3,33 tgl.; Brandenburgund NRW: € 100,00 mtl.; M-V: € 28.000 Brutto-AG-Aufwand je Vollzeitstelle als Kalkulationsgröße;Sachsen-Anhalt: € 27.000 je VK; Hessen: € 30.000 je VK; in Schleswig-Holstein ist eine endgültige Lösung noch nicht erzielt; jedoch ist derzeit ein Betragzwischen € 31.000 und € 34.000 je VK unter Einschluss des Fortbildungs- und Sachaufwandesin der Diskussion und sind erste Vereinbarungen über € 31.000 je VKabgeschlossen; keine abschließende Lösung ist derzeit v.a. in Sachsen in Sicht).Für die Träger von Tagespflegen und KZP-Einrichtungen ist in diesem Zusammenhang § 45b SGB XI interessant. Versicherte (auch mit Pflegestufe 0), die die Anspruchsmerkmaledes § 45 a erfüllen, haben Anspruch auf Betreuungsleistungen im Wert des Grundbetrages(€ 100 mtl.) oder des erhöhten Betrages (€ 200 mtl.). Die Richtlinie zur Feststellung vonPersonen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Bewertung des Hilfebedarfsvom 22.03.2002 wurde bereits durch Beschluss vom 10.6.2008 an die Neuregelungder §§ 45 a, 45 b SGB XI angepasst.Anspruch auf die Leistung nach § 45b haben danach Pflegebedürftige der PflegestufenI, II und III und Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichenVersorgung haben, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe I (Pflegestufe 0 !)erreicht, mit einem auf Dauer bestehenden erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigungund Betreuung. Für Versicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz,die sich in einer vollstationären Pflegeeinrichtung befinden, haben die Einrichtungenab dem 01.07.2008 einen Anspruch auf Vereinbarung leistungsgerechter Zuschlägezur Pflegevergütung, wenn die Einrichtung ein zusätzliches über das normale Betreuungsangebotfür pflegebedürftige Menschen hinausgehendes Angebot der Betreuung undAktivierung dieser Heimbewohner vorhält (§ 87b Abs. 1 Satz 3).5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 13


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERDie zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b werden- für Versicherte mit einem im Verhältnis geringeren allgemeinen Betreuungsbedarf (erheblicheingeschränkte Alltagskompetenz) bis zu einem Grundbetrag und- für Versicherte mit einem im Verhältnis höheren allgemeinen Betreuungsbedarf (in erhöhtemMaße eingeschränkte Alltagskompetenz) bis zu einem erhöhten Betrag geleistet.Maßstab für die Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zurBemessung der jeweiligen Höhe des Betreuungsbetrages sind die Feststellungen zu denSchädigungen und Fähigkeitsstörungen bei den maßgeblichen Items im Rahmen desAssessments.Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz liegt vor, wenn im Assessment wenigstensbei zwei Items ein "Ja" angegeben wird, davon mindestens einmal bei einem Itemaus einem der Bereiche 1 bis 9. Eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenzliegt vor, wenn die für die erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz maßgeblichenVoraussetzungen erfüllt sind und zusätzlich bei mindestens einem weiteren Item aus einemder Bereiche 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 ein „Ja“ angegeben wird.10. Qualitätsprüfungen und deren Veröffentlichung§ 115 Abs. 1 a SGB XI bestimmt nunmehr:Die Landesverbände der Pflegekassen stellen sicher, dass die von Pflegeeinrichtungenerbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- undLebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlichund vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfreiveröffentlicht werden. Hierbei sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen des MedizinischenDienstes der Krankenversicherung sowie gleichwertige Prüfergebnisse nach § 114Abs. 3 und 4 zugrunde zu legen; sie können durch in anderen Prüfverfahren gewonneneInformationen, die die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität,insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, darstellen, ergänzt werden.Personenbezogene und personenbeziehbare Daten sind zu anonymisieren. Ergebnissevon Wiederholungsprüfungen sind zeitnah zu berücksichtigen. Das Datum der letztenPrüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, eine Einordnungdes Prüfergebnisses nach einer Bewertungssystematik sowie eine Zusammenfassung der5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 14


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERPrüfergebnisse sind an gut sichtbarer Stelle in jeder Pflegeeinrichtung auszuhängen. DieKriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik sind durch denSpitzenverband Bund der Pflegekassen, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungenauf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger derSozialhilfe und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bis zum 30. September2008 unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bundder Krankenkassen zu vereinbaren.Am 11.11.2008 ist ein Beschluss der Vertragspartner zu Stande gekommen, der hier zusammengefasstdargestellt wird:- In die Veröffentlichung werden die Prüfergebnisse zu 82 Kriterien einbezogen. DieseKriterien sind maßgeblich für die Qualitätsprüfung durch den MDK nach § 114 aSGB XI.- 35 Kriterien betreffen den Bereich „Pflege und medizinische Versorgung“, 10 Kriterienden Bereich „Umgang mit demenzkranken und anderen gerontopsychiatrischveränderten Menschen“, 10 kriterien beziehen sich auf den Bereich „SozialeBetreuung und Alltagsgestaltung“, 9 auf die Bereiche „Wohnen, Verpflegung,Hauswirtschaft und Hygiene“ und die letzten 18 auf eine Bewohnerbefragung.- Es werden 10 % der Bewohner, mindestens jedoch 5 Bewohner, höchstens 15 indie Prüfung einbezogen, die entsprechend der Verteilung der Pflegestufen in derEinrichtung und innerhalb der Pflegestufen zufällig ausgewählt werden.- Jedes einzelne Kriterium erhält eine Einzelbewertung von 0 (schlechtester Wert) bis10 (bester Wert). Ist ein Kriterium für einen einzelnen Bewohner erfüllt, wird die 10vergeben; ist es nicht erfüllt, die 0. Aus den Bewertungen wird für jedes Kriteriumdas arithmetische Mittel gebildet. Aus den Kriterien des Bereichs wird die Durchschnittsnotedes Bereichs gebildet. Aus allen Kriterien wird eine durchschnittlicheGesamtnote errechnet. Die Gesamtnote wird ohne den Bereich „Bewohnerbefragung“ermittelt; dessen Ergebnis wird getrennt dargestellt. Das heißt, bei derBildung der Gesamtnote wird der Bereich „Pflege und medizinische Versorgung“besonders stark berücksichtigt, weil er die meisten Kriterien enthält. Die bewohnerbezogeneBewertung gilt aber nicht für alle Kriterien, sondern nur für 1 – 33, 36– 39 und 44. Nicht bewohnerbezogene, sondern auf die Struktur der Einrichtung5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 15


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERoder auf die Mitarbeiter bezogene Kriterien werden nur einmal einheitlich für dasHeim bewertet (Beispiel: Nr. 34: Werden die Mitarbeiter regelmäßig in Erster Hilfeund Notfallmaßnahmen geschult? Nr. 40: Sind zielgruppengerechte BewegungsundAufenthaltsflächen vorhanden?)- Dem Gesamtergebnis wird der Vergleichswert im jeweiligen Bundesland gegenübergestellt.Um Chancengleichheit des betroffenen Trägers zu gewährleisten, erfolgtdie Veröffentlichung des Landesvergleichsergebnisses jedoch erst dann,wenn 20 % aller Heime im jeweiligen Bundesland nach der neuen Systematik geprüftworden sind. Nicht beabsichtigt ist eine Darstellung der Landesvergleichswertefür die einzelnen Bereiche.- Die Darstellung der Prüfergebnisse erfolgt bundesweit einheitlich; die Vertragspartnerhaben hierzu eine Pressemitteilung verfasst, die eine Anlage 1 (Fiktives Beispielüber die Ergebnisübersicht enthält).- Die Bewertung erfolgt nach Schulnoten von sehr gut bis mangelhaft. Die Notenzuordnungerfolgt so:Note 1- 1,4: Skalenwert 8,7 – 10,0Note 1,5 – 2,4 Skalenwert 7,3 – < 8,7Note 2,5 – 3,4 Skalenwert 5,9 - < 7,3Note 3,5 – 4,4 Skalenwert 4,5 - < 5,9Note 4,5 – 5,0 Skalenwert 0,0 - < 4,5Die Noten werden farblich abgestuft dargestellt.Nach wie vor bestehen allerdings einige drängende rechtliche Fragen:- § 115 Abs. 1 a sieht vor, dass bei der Darstellung auch gleichwertige Prüfergebnissenach § 114 Abs. 3 und 4 zugrunde zu legen sind; sie können durch in anderenPrüfverfahren gewonnene Informationen, die die von Pflegeeinrichtungen erbrachtenLeistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der ErgebnisundLebensqualität, darstellen, ergänzt werden. Geeinigt hat man sich jetzt, dassauf der 1. Ebene der Darstellung der Ergebnisse ein Hinweis auf gleichwertige Prüfungsergebnisseerfolgen soll. Der Hinweis soll „verlinkt“ werden, so dass durch An-5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 16


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATERklicken die Ergebnisse sofort sichtbar werden sollen. Zu den Ergebnissen weitererPrüfungen, die nicht gleichwertig sind, soll ebenfalls ein auf der 1. Ebene enthaltenerLink führen. Darunter sollen rein interne Prüfungen allerdings nicht fallen. Ungeklärtist allerdings, ob in dem von § 115 Abs. 1 a vorgesehen deutlich sichtbarenAushang auch auf die Ergebnisse anderer Prüfungen verwiesen wird und wiediese zugänglich gemacht werden. Was etwa geschieht, wenn der Betreiber nebenden Aushang zur MDK-Prüfung einen Ergebnisbogen einer anderen Prüfungaufhängt?- Nach der bisher bekannten Systematik ist der Qualitätsprüfbericht kein Verwaltungsakt,der mit einer Klage gegen den MDK isoliert angegriffen werden könnte –obwohl derzeit noch gerichtliche Verfahren zu dieser Frage einer eigenständigenKlage gegen den MDK schweben. Vielmehr erfolgt die Prüfung im Auftrag derLandesverbände der Pflegekassen und ist der Prüfbericht auch an diese gerichtet.Im Anschluss erfolgt die Konsequenz – etwa in Gestalt eines Auflagenbescheides– durch die Landesverbände. Der Auflagenbescheid ist durch die (Teil-)Anfechtungsklage angreifbar. Die Veröffentlichung der Prüfberichte erfolgtdurch die Landesverbände, so dass in einem Rechtsstreit auf Unterlassung derVeröffentlichung wegen vermeintlich fehlerhafter Prüfergebnisse die Landesverbändeder Pflegekassen auch die richtigen Beklagten wären. Die Veröffentlichungselbst ist aber kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Er ist mit der einfachenUnterlassungsklage anzugreifen, die keine aufschiebende Wirkung hat. DieKlage verhindert also nicht die Veröffentlichung. Vor diesem Hintergrund ist erwartbar,dass es vermehrt zu Eilverfahren kommen wird.- Die Pflicht zum Aushang ergibt sich hingegen unmittelbar aus dem Gesetz undbedarf keines Umsetzungsaktes durch die Landesverbände der Pflegekassen. Daherstellt sich die Frage, ob deshalb ein unmittelbar gegen den MDK gerichtetesVerfahren denkbar ist. M.E. ist dies eher nicht der Fall. Veröffentlicht der Träger dieErgebnisse nicht, weil er sie für partiell falsch hält, verstößt er gegen seine Verpflichtungenaus dem SGB XI. Die Landesverbände können die Einhaltung durchAuflagenbescheid erwirken, gegen den wiederum die Klage möglich ist. Das istaber nur eine vorsichtige Annäherung an die Problematik; Genaueres wird sicherst durch die Rechtsprechung erweisen.5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 17


D ORNHEIMRECHTSANWÄLTE & STEUERBERATER11. Schiedsstelle nach § 113 bDie Vertragspartner auf Bundesebene nach § 113 SGB X richten gemeinsam eineSchiedsstelle ein. Diese entscheidet über die Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherungund Weiterentwicklung der Pflegequalität (§ 113), aber auch über den Auftrag zur Entwicklungoder Aktualisierung und die Einführung von Expertenstandards nach § 113 asowie über die Kriterien zur Veröffentlichung von Prüfergebnissen nach § 115 Abs. 1 a.Diese Schiedsstelle ist mittlerweile gebildet.5 Monate nach der Reform – eine Zwischenbilanz Seite 18

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