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3. baumnachbar, oder „der baum in nachbars garten“ - Manz

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<strong>3.</strong> BAUMNACHBAR, ODER „DER<br />

BAUM IN NACHBARS GARTEN“<br />

„Es kann der Frömmste nicht <strong>in</strong> Frieden bleiben, wenn es dem<br />

bösen Nachbar nicht gefällt.“ Zu dieser folgenschweren Erkenntnis<br />

lässt Friedrich Schiller se<strong>in</strong>en Titelhelden im 1804 erschienenen<br />

Drama „Wilhelm Tell“ gelangen (Wilhelm Tell IV, 3).<br />

Und neben Lärm und Abwässern s<strong>in</strong>d es oft die Bäume <strong>in</strong><br />

Nachbars Garten, die für Verstimmung sorgen.<br />

Was kann ich tun, wenn ich mich vom Baum im Garten me<strong>in</strong>es<br />

Nachbarn bedroht fühle, <strong>oder</strong> mir dadurch Licht <strong>oder</strong> Luft entzogen<br />

wird? Wenn Äste <strong>oder</strong> Wurzeln zu mir herüber wachsen,<br />

<strong>oder</strong> der herbstliche Laubfall mich <strong>in</strong> die alljährliche<br />

Depression treibt?<br />

64<br />

Das österreichische Nachbarschaftsrecht vere<strong>in</strong>t<br />

zwei Gedanken:<br />

E<strong>in</strong>erseits, Freiheit des Eigentums – andererseits,<br />

Rücksichtnahme auf Dritte.<br />

Das Allgeme<strong>in</strong>e Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) bietet Hilfe:<br />

E<strong>in</strong>erseits durch das Immissionsverbot nach § 364 ABGB,<br />

andererseits durch das Selbsthilferecht nach § 422 ABGB.<br />

Aber auch hier kann es kompliziert werden: So wird e<strong>in</strong> Immissionsabwehranspruch<br />

nach § 364 (3) ABGB <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er<br />

konkreten Eigentumsgefährdung durch das Recht auf Selbsthilfe<br />

gemäß § 422 ABGB jedenfalls dann nicht ausgeschlossen,<br />

wenn die Benutzung des betroffenen Grundeigentums<br />

durch e<strong>in</strong>en das ortsübliche Maß überschreitenden Entzug von<br />

Licht <strong>oder</strong> Luft wesentlich bee<strong>in</strong>trächtigt wird und dieser Zustand<br />

unzumutbar ist, ohne dass ihm durch e<strong>in</strong>e leichte und


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

e<strong>in</strong>fache Ausübung des Selbsthilferechts abgeholfen werden<br />

kann.<br />

Es gilt daher, zunächst e<strong>in</strong>ige Grundbegriffe abzuklären.<br />

<strong>3.</strong>1 Rechtliche Grundlagen<br />

<strong>3.</strong>1.1 Immissionsverbot gegenüber Fremdgrundstücken<br />

(§ 364 ABGB)<br />

§ 364 ABGB regelt das Immissionsverbot gegenüber Fremdgrundstücken:<br />

ABGB § 364 (1) Überhaupt f<strong>in</strong>det die Ausübung<br />

des Eigentumsrechtes nur <strong>in</strong>sofern statt, als dadurch<br />

weder <strong>in</strong> die Rechte e<strong>in</strong>es Dritten e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff<br />

geschieht, noch die <strong>in</strong> den Gesetzen zur<br />

Er haltung und Beförderung des allgeme<strong>in</strong>en Wohles<br />

vorgeschriebenen E<strong>in</strong>schränkungen übertreten<br />

werden. Im Besonderen haben die Eigentümer<br />

benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer<br />

Rechte aufe<strong>in</strong>ander Rücksicht zu nehmen.<br />

(2) Der Eigentümer e<strong>in</strong>es Grundstückes kann<br />

dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden<br />

E<strong>in</strong>wirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase,<br />

Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und<br />

ähnliche <strong>in</strong>soweit untersagen, als sie das nach<br />

den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß<br />

überschreiten und die ortsübliche Benutzung des<br />

Grundstückes wesentlich bee<strong>in</strong>trächtigen. Unmittelbare<br />

Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel<br />

unter allen Umständen unzulässig.<br />

(3) Ebenso kann der Grundstückseigentümer<br />

e<strong>in</strong>em Nachbarn die von dessen Bäumen <strong>oder</strong><br />

anderen Pflanzen ausgehenden E<strong>in</strong>wirkungen<br />

65


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

66<br />

durch den Entzug von Licht <strong>oder</strong> Luft <strong>in</strong>soweit untersagen,<br />

als diese das Maß des Abs. 2 überschreiten<br />

und zu e<strong>in</strong>er unzumutbaren Be e<strong>in</strong>trächtigung<br />

der Benutzung des Grundstücks führen.<br />

Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über<br />

den Schutz von <strong>oder</strong> vor Bäumen und anderen<br />

Pflanzen, <strong>in</strong>sbesondere über den Wald-, Flur-,<br />

Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben<br />

unberührt.<br />

<strong>3.</strong>1.2 Bäume an der Grundstücksgrenze (§ 422 ABGB)<br />

§ 422 ABGB gibt e<strong>in</strong>em von e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>genden Wurzeln e<strong>in</strong>es<br />

fremden Baumes <strong>oder</strong> e<strong>in</strong>er anderen fremden Pflanze überhängenden<br />

Äste betroffenen Grundeigentümer e<strong>in</strong> Selbsthilferecht:<br />

ABGB § 422 (1) Jeder Eigentümer kann die <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en Grund e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>genden Wurzeln e<strong>in</strong>es fremden<br />

Baumes <strong>oder</strong> e<strong>in</strong>er anderen fremden Pflanze<br />

aus se<strong>in</strong>em Boden entfernen und die über se<strong>in</strong>em<br />

Luftraum hängenden Äste abschneiden <strong>oder</strong><br />

sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht<br />

vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen.<br />

Bundes- und landesgesetzliche Regelungen<br />

über den Schutz von <strong>oder</strong> vor Bäumen und anderen<br />

Pflanzen, <strong>in</strong>sbesondere über den Wald-, Flur-,<br />

Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben<br />

unberührt.<br />

(2) Die für die Entfernung der Wurzeln <strong>oder</strong> das<br />

Abschneiden der Äste notwendigen Kosten hat<br />

der bee<strong>in</strong>trächtigte Grundeigentümer zu tragen.


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

Sofern diesem aber durch die Wurzeln <strong>oder</strong> Äste<br />

e<strong>in</strong> Schaden entstanden ist <strong>oder</strong> offenbar droht,<br />

hat der Eigentümer des Baumes <strong>oder</strong> der Pflanze<br />

die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen.<br />

§ 422 ABGB ist e<strong>in</strong>e gesetzliche Eigentumsbeschränkung des<br />

vom Überhang betroffenen Grundeigentümers, dem das Gesetz<br />

nur e<strong>in</strong> Selbsthilferecht gibt, aber (sonstige) Abwehr -<br />

ansprüche und auch Beseitigungsansprüche versagt (OGH<br />

20.01.2000, 7 Ob 267/99m).<br />

<strong>3.</strong>2 Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004<br />

<strong>3.</strong>2.1 Weg zur und Ziele der Neuregelung<br />

Die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB waren<br />

grundsätzlich seit dem Jahr 1916 unverändert und den Veränderungen<br />

im Tatsächlichen nicht angepasst worden. Dies stieß<br />

<strong>in</strong> der Lehre wie auch Praxis immer stärker auf Kritik – <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei Amtstagen an Gerichten und bei der Volksan -<br />

waltschaft wurde e<strong>in</strong> immer stärker werdender allgeme<strong>in</strong>er<br />

Wunsch nach Abwehr negativer Immissionen erkennbar. Im<br />

Zentrum der Diskussion standen dabei Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

von Grundstücken, welche durch Pflanzen am Nachbargrund<br />

nahe der Grundstücksgrenze hervorgerufen wurden. Die Ergebnisse<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der Folge beauftragten Studie wurden <strong>in</strong> der<br />

Schriftenreihe des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Justiz veröffentlicht<br />

(GRÜNDLER/HAMMERSCHALL/KISSICH/NEUBAUER/STEFULA „Der Schutz<br />

vor negativen Immissionen durch das Zivilrecht“, Schriftenreihe<br />

des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Justiz 102, 2000) und flossen<br />

<strong>in</strong> das Gesetzgebungsverfahren e<strong>in</strong>. Der Nationalrat<br />

beschloss schließlich am 24.09.2003 das Zivilrechts-Änderungsgesetz<br />

2004 (ZivRÄG 2004 – BGBl. I 2003/91), das mit<br />

01.07.2004 <strong>in</strong> Kraft trat.<br />

67


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

<strong>3.</strong>2.2 Die wesentlichen Neuerungen durch das Zivilrechts-<br />

Änderungsgesetz 2004 im Überblick<br />

1) Rücksichtnahmegebot des § 364 (1) ABGB: „Im Be -<br />

sonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke<br />

bei der Ausübung ihrer Rechte aufe<strong>in</strong>ander Rücksicht<br />

zu nehmen.“<br />

2) Klarstellung des Vorrangs öffentlicher Interessen <strong>in</strong><br />

den §§ 364 (3) und 422 jeweils letzter Satz ABGB: „Bundes-<br />

und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz<br />

von <strong>oder</strong> vor Bäumen und anderen Pflanzen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz,<br />

bleiben unberührt.“<br />

3) Schutz vor Entzug von Licht und Luft <strong>in</strong> § 364 (3)<br />

ABGB: „Ebenso kann der Grundstückseigentümer e<strong>in</strong>em<br />

Nachbarn die von dessen Bäumen <strong>oder</strong> anderen Pflanzen<br />

ausgehenden E<strong>in</strong>wirkungen durch den Entzug von Licht<br />

<strong>oder</strong> Luft <strong>in</strong>soweit untersagen, als diese das Maß des<br />

Abs. 2 überschreiten und zu e<strong>in</strong>er unzumutbaren Be e<strong>in</strong> -<br />

trächtigung der Benutzung des Grundstücks führen.“<br />

4) Neuformulierung des Selbsthilferechts nach § 422<br />

ABGB:<br />

a) Gebot der möglichsten Schonung <strong>in</strong> § 422 (1) ABGB: es<br />

ist „fachgerecht vorzugehen und die Pflanzen [s<strong>in</strong>d]<br />

möglichst zu schonen<br />

b) Kostentragung <strong>in</strong> § 422 (2) ABGB: „Die für die Ent -<br />

fernung der Wurzeln <strong>oder</strong> das Abschneiden der Äste<br />

notwendigen Kosten hat der bee<strong>in</strong>trächtigte Grund -<br />

eigentümer zu tragen. Sofern diesem aber durch die<br />

Wurzeln <strong>oder</strong> Äste e<strong>in</strong> Schaden entstanden ist <strong>oder</strong><br />

offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes <strong>oder</strong><br />

der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu er -<br />

setzen.“<br />

68


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

<strong>3.</strong>2.3 Gegenüberstellung der nachbarrechtlichen Bestimmungen<br />

vor und nach dem 1. Juli 2004<br />

Situation<br />

Baumteile<br />

ragen über<br />

e<strong>in</strong>e Grundgrenze<br />

stellen ke<strong>in</strong>e<br />

objektive<br />

Bee<strong>in</strong>träch -<br />

tigung dar.<br />

Baumteile<br />

ragen über<br />

e<strong>in</strong>e Grundgrenze<br />

stellen<br />

e<strong>in</strong>e objektive<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

dar.<br />

Grundstück<br />

grenzt an<br />

Wald<br />

ABGB bis<br />

30.06.2004<br />

ABGB seit<br />

1.07.2004<br />

an der Grundgrenze dürfen alle<br />

Baumteile abgeschnitten<br />

werden, auch wenn der Baum<br />

daran stirbt.<br />

An der Grund- Störende<br />

grenze dürfen Baumteile s<strong>in</strong>d<br />

alle Baumteile vom Baumeig-<br />

abgeschnitten ner zu entfer-<br />

werden, auch nen – notfalls<br />

wenn der Baum der Baum zu<br />

daran stirbt. entfernen, falls<br />

der „Nachbar<br />

zuerst hier<br />

war“.<br />

Hat Baum ältere<br />

„Rechte“<br />

als Nachbar<br />

dürfen nur jene<br />

„überragenden“<br />

Teile entfernt<br />

werden, welche<br />

dem Baum<br />

nicht fehlen.<br />

Überhang der Waldbäume ist zu<br />

dulden, wenn deren Entfernung<br />

den Wald e<strong>in</strong>er offensichtlichen<br />

Gefährdung (Sonnenbrand,<br />

W<strong>in</strong>d) aussetzen würde<br />

ÖNORM Anmerkung<br />

L1120,<br />

4.4.1<br />

L1122, 7<br />

L1122,<br />

5.3<br />

E<strong>in</strong>vernehmen mit<br />

dem Nachbarn ist<br />

herzustellen.<br />

Schonende Entfernung<br />

durch den<br />

bee<strong>in</strong>trächtigten<br />

Nachbarn.RechtlicheSonderbestimmungen<br />

beachten (Baumschutzgesetze,<br />

Naturschutzrecht)<br />

Dokumentation<br />

(schlüssig, kont<strong>in</strong>uierlich<br />

erstellt).<br />

Rechtliche Sonderbestimmungen<br />

beachten (Baumschutzgesetze,<br />

Naturschutzrecht)<br />

§ 14 ForstG 1975<br />

Bei ortsunüblichem<br />

Ausmaß<br />

der Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

besteht<br />

Entschädigungsanspruch<br />

69


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

Situation<br />

Grabarbeiten<br />

im Wurzel -<br />

bereich e<strong>in</strong>es<br />

Nachbar -<br />

<strong>baum</strong>es<br />

Laubfall (Blüten,<br />

Früchte)<br />

zum jahreszeitlich/pflanzenphysiologis<br />

ch typischen<br />

Zeitpunkt.<br />

Laubfall (Blüten,<br />

Früchte)<br />

auf Grund von<br />

Schade<strong>in</strong>flüssen.<br />

Außerhalb<br />

des jahreszeitlich/pflanzenphysiologisch<br />

typischen<br />

Zeitpunktes<br />

Pflanzungen<br />

an der Grundgrenze.<br />

Baumexsudate<br />

auf e<strong>in</strong>en<br />

Parkplatz.<br />

Baumschaden<br />

durch unsachgemäßeÜberhangentfernung.<br />

70<br />

ABGB bis<br />

30.06.2004<br />

ABGB seit<br />

1.07.2004<br />

An der Grund- grundstücks -<br />

grenze dürfen grenzüber ra-<br />

alle Baumteile gende Baumteile<br />

abgeschnitten dürfen unter<br />

werden, auch möglichster<br />

wenn der Baum Schonung des<br />

daran stirbt. Baumes entfernt<br />

werden<br />

ÖNORM Anmerkung<br />

L1121<br />

ist vom Nachbarn h<strong>in</strong>zunehmen. L1122,<br />

<strong>3.</strong>5;<br />

<strong>3.</strong>6<br />

ist vom Nachbarnh<strong>in</strong>zunehmen.<br />

Situation ist<br />

unklar.<br />

L1120,<br />

5.2.5<br />

L1120,<br />

4.<strong>3.</strong>4<br />

ist vom Nachbarn h<strong>in</strong>zunehmen. L1111,<br />

7.3<br />

(L1106)<br />

ist vom Nachbarnh<strong>in</strong>zunehmen.<br />

muss der<br />

Baumeigner<br />

tragen.<br />

Baumeigner<br />

muss Maßnahmen<br />

treffen um<br />

die Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

zu verh<strong>in</strong>dern.<br />

Nachbar haftet<br />

für Schaden<br />

L1120, 4.4<br />

L1121<br />

L1122<br />

nachbarrechtliche<br />

Ansprüche s<strong>in</strong>d<br />

ausgeschlossen<br />

„Zuleitung“ gründet<br />

auf Elementarereignisse<br />

ohne<br />

menschliches<br />

Zutun<br />

Roßkastanien -<br />

m<strong>in</strong>iermotte,<br />

Pappelblattrost,<br />

etc.<br />

Es gilt der § 421<br />

ABGB.<br />

Vermieter von<br />

Parkplätzen haftet,<br />

unabhängig ob<br />

Baum auf eigenem<br />

Grund stockt <strong>oder</strong><br />

beim Nachbarn.<br />

§ 1096 ABGB<br />

GewO § 94


Situation<br />

Schaden durch<br />

e<strong>in</strong>en schadhaften<br />

Baum<br />

den jemand<br />

Fremder<br />

gepflanzt hat.<br />

Schaden durch<br />

e<strong>in</strong>en gesunden<br />

Baum,<br />

bzw. erst<br />

drohender<br />

Schaden.<br />

Schaden durch<br />

e<strong>in</strong>en schadhaften<br />

Baum.<br />

Umfang der<br />

seitlichen<br />

Kronene<strong>in</strong> -<br />

kürzung<br />

Umfang e<strong>in</strong>er<br />

gesamtheit -<br />

lichen Kronene<strong>in</strong>kürzung<br />

Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

ABGB bis<br />

30.06.2004<br />

ABGB seit<br />

1.07.2004<br />

Baumeigentümer haftet L1122,<br />

5.1.4<br />

ist vom Nachbarn<br />

zu tragen<br />

Kostenteilung L1122.<br />

5.1.4<br />

Baumeigentümer haftet. L 1122,<br />

5.1.4<br />

<strong>3.</strong>3 E<strong>in</strong>ige wesentliche Grundbegriffe<br />

ÖNORM Anmerkung<br />

§ 420 ABGB;<br />

§ 1319 ABGB<br />

§ 1311 ABGB<br />

§ 1319 ABGB.<br />

Da Kronenkappung<br />

gegen Stand<br />

der Wissenschaft<br />

verstößt (vgl. auch<br />

ÖNORM L 1122<br />

Pkt. 7.1.1) =<br />

Fällung anzuraten<br />

Um nun auch wirklich von diesen doch recht weit reichenden<br />

Nachbarschutzbestimmungen profitieren <strong>oder</strong> aber ungerechtfertigte<br />

Angriffe abwehren zu können, sollten h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

wesentlichsten Grundbegriffe ke<strong>in</strong>e Unklarheiten bestehen.<br />

71


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1 Immissionen<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.1 Immission – was ist das?<br />

Immissionen s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>wirkungen, die von e<strong>in</strong>em Nachbargrundstück<br />

auf das Grundstück e<strong>in</strong>es anderen ausgehen.<br />

Dazu zählen<br />

l mittelbar e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gende nicht körperliche E<strong>in</strong>wirkungen (wie<br />

z.B. Geräusche <strong>oder</strong> Wärme, nicht jedoch e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

des Luft- und Lichte<strong>in</strong>falls – RZ 1966, 53), wie auch<br />

l unwägbare <strong>oder</strong> zum<strong>in</strong>dest nicht grobkörperliche Stoffe, für<br />

die e<strong>in</strong>e Gewöhnung an „ortsübliche“ Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

<strong>in</strong> Betracht kommt. Das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ragen e<strong>in</strong>es Turmkrans <strong>in</strong><br />

den Luftraum des Nachbargrundstückes (4 m weit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Höhe von 35 m) ist als E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es grobkörperlichen<br />

Stoffes und nicht als Immission im S<strong>in</strong>ne des § 364 (2)<br />

ABGB zu werten. Der Luftraum ist ja gemäß § 297 ABGB<br />

Zubehör der darunterliegenden Liegenschaft. In solchen<br />

Fällen steht den Klägern e<strong>in</strong> – weitergehendes – Abwehrrecht<br />

nach § 523 ABGB zu (LG St. Pölten vom 07.11.2007,<br />

21 R 266/07m).<br />

Die E<strong>in</strong>wirkung muss üblicherweise von e<strong>in</strong>er gewissen Dauer<br />

se<strong>in</strong>, <strong>oder</strong> mit e<strong>in</strong>er gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren;<br />

es kann jedoch auch e<strong>in</strong>e nur e<strong>in</strong>malige E<strong>in</strong>wirkung genügen,<br />

nämlich immer dann, wenn sie Dauerfolgen hat (z.B. Laubverfärbung<br />

und Ertragsm<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em We<strong>in</strong>garten <strong>in</strong>folge<br />

e<strong>in</strong>maliger Unkrautspritzung auf dem benachbarten Acker –<br />

SZ 32/88).<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.2 Unmittelbare Zuleitung<br />

Wenn Regenwasser durch e<strong>in</strong> Abflussrohr direkt auf das<br />

Nachbargrundstück geleitet wird, e<strong>in</strong> an der Grenze aufgeschütteter<br />

Erdhaufen <strong>oder</strong> der durch die Straßenräumung zur<br />

72


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

Seite geschaffte Schnee auf die Grenzmauer zu drücken beg<strong>in</strong>nt,<br />

die oberflächlichen Abflüsse durch Bodenversiegelung<br />

gesteigert und überhaupt die Abflussverhältnisse durch Nutzungsänderung<br />

(Wegebau, befestigter Abstellplatz, etc.) des<br />

Oberliegers verschlechtert werden, wenn Blitze über Materialseilbahnen<br />

weitergeleitet werden, Law<strong>in</strong>en auf das benachbarte<br />

Grundstück gesprengt werden, Hobelspäne <strong>oder</strong><br />

elektrische Wellen <strong>in</strong> fremde Grundstücke dr<strong>in</strong>gen, die nachbarliche<br />

Unkrautspritzung Pflanzen vertrocknen <strong>oder</strong> aber der<br />

„grüne Daumen“ der Nachbar<strong>in</strong> deren Kletterpflanzen <strong>in</strong> benachbarte<br />

Fenster wachsen lässt – all das ist „unmittelbare<br />

Zuleitung“.<br />

Auch wenn e<strong>in</strong> laufender Rasenmäher an die Grenze zu e<strong>in</strong>er<br />

Entlüftungsanlage des Nachbarn gestellt wird, damit die Abgase<br />

direkt auf das Nachbargrundstück gelangen, liegt e<strong>in</strong>e unmittelbare<br />

Zuleitung vor (LG Eisenstadt vom 20.12.2006, 37 R 18/06f).<br />

Juristisch betrachtet liegt e<strong>in</strong>e unmittelbare Zuleitung also<br />

immer dann vor, wenn der Nachbar Handlungen setzt, die für<br />

E<strong>in</strong>wirkungen gerade auf das Nachbargrundstück ursächlich<br />

s<strong>in</strong>d (SPIELBÜCHLER <strong>in</strong> RUMMEL², Rz 2 zu § 364 ABGB).<br />

Ohne besonderen Rechtstitel – ohne ausdrückliche Erlaubnis<br />

– ist e<strong>in</strong>e unmittelbare Zuleitung jedenfalls unzulässig.<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.3 Grob körperliche Immissionen<br />

Dr<strong>in</strong>gen abrutschende Baumstämme, Erdreich und Äste, Geste<strong>in</strong>,<br />

Dachlaw<strong>in</strong>en, Bälle aller Art (auch Golf- und Tennisbälle),<br />

Ste<strong>in</strong>e, (Gewehr-)Kugeln, Glasscherben und Betonstücke,<br />

aber auch e<strong>in</strong> here<strong>in</strong>ragender Baukran, das heißt also feste<br />

Körper ab e<strong>in</strong>er gewissen Größe, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Grundstück e<strong>in</strong>,<br />

spricht man von grob körperlichen Immissionen, die grundsätzlich<br />

unzulässig s<strong>in</strong>d und nicht ohne Weiteres geduldet<br />

werden müssen.<br />

73


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

74<br />

Tiere – grob körperliche Immissionen?<br />

Ausschwärmende Hühner s<strong>in</strong>d grob körperlichen<br />

Immissionen gleichzuhalten, ebenso Katzen.<br />

Nicht jedoch Schafe und Ziegen: In 4 Ob 250/06b<br />

hat der Oberste Gerichtshof nach e<strong>in</strong>gehender<br />

Befassung mit der e<strong>in</strong>schlägigen Rechtsprechung<br />

und Lehre klargestellt, dass § 364 (2) ABGB nicht<br />

auf das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen „größerer Tiere“ anwendbar<br />

ist, weil der Grundeigentümer <strong>in</strong> solchen Fällen<br />

die von se<strong>in</strong>em Grundstück ausgehende Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

e<strong>in</strong>es anderen mit zumutbaren Maßnahmen<br />

verh<strong>in</strong>dern kann. Solchen Eigentums -<br />

e<strong>in</strong>griffen kann daher nur mit Eigentumsfreiheitsklage<br />

gemäß § 523 ABGB entgegengetreten werden.<br />

Es entfällt dadurch die Ortsüblichkeit als<br />

Maßstab für die Zulässigkeit e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>trächtigung,<br />

dem bee<strong>in</strong>trächtigten Eigentümer bietet<br />

sich damit umfassenderer Rechtschutz: Jedes<br />

E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es größeren Tieres <strong>in</strong> das benachbarte<br />

Grundstück erfüllt danach bereits den gesetzlichen<br />

Tatbestand, ohne dass es dabei auf die<br />

Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit<br />

des E<strong>in</strong>griffs (siehe unten) ankäme.<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.4 Natürlich vorhandene Immissionen<br />

Felssturz, Erdrutsch, Ste<strong>in</strong>schlag, Wasserablauf als Auswirkungen<br />

der natürlichen Bodenbeschaffenheit <strong>oder</strong> des natürlichen<br />

Pflanzenbewuchses, E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen von Ästen, Laub und<br />

Wurzeln, Folgen von Naturereignissen und Kriegen – E<strong>in</strong>wirkungen<br />

also, die auf Grund natürlicher Verhältnisse auf das<br />

Nachbargrundstück gelangen, schließen nachbarrechtliche<br />

Ansprüche aus, wenn es sich um Elementarereignisse handelt,<br />

die ohne menschliches Zutun e<strong>in</strong>treten (ZVR 1998/47).


Hat der Nachbar, von dessen Liegenschaft die E<strong>in</strong>wirkung ausgeht,<br />

allerd<strong>in</strong>gs durch se<strong>in</strong> Handeln erst den Übertritt der Immission<br />

ermöglicht, kann er auch für Elementarereignisse haftbar<br />

gemacht werden. Darunter fallen e<strong>in</strong>e besonders gefährliche<br />

Nutzungsart, e<strong>in</strong>e Gefahrerhöhung <strong>oder</strong> auch die Beseitigung<br />

des W<strong>in</strong>ddeckungsschutzes durch Waldrodung (§ 14 ForstG).<br />

Exkurs: § 39 WRG (Wasserrechtsgesetz) verbietet<br />

die willkürliche Änderung des natürlichen Abflusses<br />

zum Nachteil des Unterliegers und die<br />

H<strong>in</strong>derung des natürlichen Ablaufs zum Nachteil<br />

des Oberliegers; beides gilt aber nicht für notwendige<br />

Folgen e<strong>in</strong>er ordnungsgemäßen landund<br />

forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung.<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.5 Negative Immissionen<br />

Kommt es zu ke<strong>in</strong>er körperlichen E<strong>in</strong>wirkung, sondern wird<br />

vielmehr Luft, Licht <strong>oder</strong> Aussicht entzogen, dann spricht man<br />

von negativen Immissionen.<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1.6 Ideelle Immissionen<br />

Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

Ansammlung von Gerümpel, e<strong>in</strong> Hochhaus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Villengegend,<br />

hässliche Stützmauern, e<strong>in</strong> Bordellbetrieb <strong>in</strong> der Nachbarschaft<br />

– all das ist geeignet, das Empf<strong>in</strong>den der Nachbarn<br />

<strong>in</strong> ästhetischer <strong>oder</strong> sittlicher H<strong>in</strong>sicht zu bee<strong>in</strong>trächtigen, begründet<br />

an sich jedoch ke<strong>in</strong>en zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch<br />

des bee<strong>in</strong>trächtigten Nachbarn.<br />

Auch der Umstand, dass e<strong>in</strong> sechsstöckiges Gebäude<br />

nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Villengegend passt, kann nicht<br />

75


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

76<br />

als unzulässige Immission nach § 364 (2) ABGB<br />

geltend gemacht werden (SZ 40/116).<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>2 Nachbar<br />

„Erst nach dem Nachbarn schaue,<br />

Sodann das Haus dir baue!<br />

Wenn der Nachbar ist e<strong>in</strong> Schuft,<br />

So baust du dir de<strong>in</strong>e Totengruft.“<br />

Friedrich Rückert, „Erbauliches und Beschauliches aus<br />

dem Morgenland“, Zweites Bändchen, Vierzeilen-Sprüche<br />

21. (Berl<strong>in</strong> 1838)<br />

Wer s<strong>in</strong>d nun eigentlich die „Nachbarn“, die sich der e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Nachbarschutzbestimmungen des ABGB bedienen können?<br />

Nicht nur die unmittelbaren Anra<strong>in</strong>er, sondern auch<br />

diejenigen, <strong>in</strong> deren Umkreis sich die E<strong>in</strong>wirkungen äußern,<br />

ohne Unterschied der Entfernung und ob (Fremd-)Grund -<br />

stücke dazwischen liegen (EvBl 1970/226). Es reicht also aus,<br />

dass die Immission des störenden Grundstücks e<strong>in</strong> anderes,<br />

<strong>in</strong> der weiteren Umgebung liegendesGrundstück, erreicht<br />

(MietSlg. 37.018).<br />

Unter dem Begriff „Nachbar“ versteht man nicht<br />

nur die Eigentümer von unmittelbar ane<strong>in</strong>andergrenzenden<br />

Grundstücken, sondern alle, die im<br />

E<strong>in</strong>flussbereich der Liegenschaft selbst Grund -<br />

stücke haben (OGH 28.04.2000, 1 Ob 6/00i).<br />

Nachbarrechtliche Ansprüche können auch gegen e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de<br />

als Verwalter<strong>in</strong> des öffentlichen Gutes gestellt werden


Baumnachbar, <strong>oder</strong> „Der Baum <strong>in</strong> Nachbars Garten“<br />

(SZ 57/134), und s<strong>in</strong>d auch im Verhältnis zwischen e<strong>in</strong>em<br />

Privatgrundstück und e<strong>in</strong>er öffentlichen Straße anwendbar<br />

(MietSlg. 26.032).<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>3 Öffentlich-rechtlicher Baumschutz<br />

Weitergehende öffentliche Interessen, die sich aus bundesund<br />

landesgesetzlichen Regelungen über den Schutz von<br />

<strong>oder</strong> vor Bäumen und anderen Pflanzen, <strong>in</strong>sbesondere über<br />

den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz ergeben,<br />

sollen durch die nachbarrechtlichen Bestimmungen<br />

des ABGB weder verfolgt noch bee<strong>in</strong>trächtigt werden; dies ergibt<br />

sich sowohl aus §§ 364 (3) wie auch 422 (1) ABGB. Der<br />

bee<strong>in</strong>trächtigte Grundeigentümer hat Unterlassungsansprüche<br />

nur soweit diese die im öffentlichen Interesse liegenden<br />

Schranken nicht überschreiten.<br />

Beachte:<br />

Ke<strong>in</strong>esfalls sollen dem bee<strong>in</strong>trächtigten Nachbarn<br />

zivilrechtlich mehr Rechte e<strong>in</strong>geräumt werden, als<br />

sie der Eigentümer des Gewächses selbst auf<br />

Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften hat. E<strong>in</strong><br />

beispielsweise landesgesetzlich unter Naturschutz<br />

stehender Baum soll nicht über den Umweg<br />

zivilrechtlicher Regelungen verändert werden<br />

können.<br />

<strong>3.</strong>4 Nachbarrechtliches Rücksichtnahmegebot –<br />

§ 364 (1) ABGB<br />

Das nachbarrechtliches Rücksichtnahmegebot wurde mit dem<br />

Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 für das gesamte nachbarrechtliche<br />

ABGB statuiert, <strong>in</strong>dem dem § 364 (1) folgender Satz<br />

angehängt wurde:<br />

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