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Privatisierung im Bildungsbereich - des Deutschen Lehrerverbandes

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Statement aus internationaler Sicht<br />

Prof. Dr. Manfred Weiß<br />

Deutsches Institut für Pädagogische Forschung (DIPF)<br />

In der öffentlichen Diskussion wird <strong>im</strong>mer wieder kritisch darauf hingewiesen, dass<br />

Deutschland be<strong>im</strong> <strong>Privatisierung</strong>sgrad seines Bildungswesens gegenüber anderen<br />

Ländern rückständig sei. Im Schulbereich wird daraus schnell ein Zusammenhang<br />

mit dem schlechten Abschneiden in internationalen Leistungsvergleichsstudien hergestellt.<br />

Seit Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse <strong>im</strong> Dezember 2001 finden<br />

Privatschulen in den Medien wachsen<strong>des</strong> Interesse. Da ist vielfach von einem durch<br />

PISA ausgelösten Boom der Privatschulen die Rede, und nicht selten wird darin ein<br />

Ausweg aus der vermeintlichen Misere <strong>des</strong> staatlichen Schulwesens gesehen.<br />

Wie stellt sich die Situation international dar?<br />

Der weitaus größte Teil der Schülerinnen und Schüler besucht staatliche Schulen: Im<br />

Durchschnitt der OECD-Länder beläuft sich der Anteil <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>arbereich auf 90 %, <strong>im</strong><br />

Sekundarbereich I auf 86 % und auf 80 % <strong>im</strong> Sekundarbereich II (OECD 2005). Allerdings<br />

zeigen sich erhebliche Länderunterschiede <strong>im</strong> Privatschüleranteil. Hohe Anteile<br />

weisen in Europa die Niederlande, Belgien und Spanien auf. Traditionell gering<br />

sind dagegen die Anteile in den nordeuropäischen Staaten (Ausnahme Dänemark)<br />

und in den deutschsprachigen Ländern.<br />

In den meisten Ländern dominieren staatsabhängige Privatschulen, d.h. Privatschulen,<br />

deren Kernfinanzierung zu mehr als 50 Prozent aus öffentlichen Haushalten erfolgt.<br />

Unabhängige Privatschulen mit weniger als 50 Prozent öffentlichem Finanzierungsanteil<br />

sind nur in einigen wenigen Ländern in nennenswertem Umfang anzutreffen:<br />

in Japan, Portugal und Mexiko.<br />

Deutschland liegt <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>arbereich mit einem Privatschüleranteil von 2,7 % um 5,5<br />

Prozentpunkte unter dem OECD-Durchschnitt, <strong>im</strong> Sekundarbereich I liegt der Anteil<br />

mit 7,1 % um 4,3 Prozentpunkte darunter.<br />

Diejenigen, die <strong>im</strong> Ausbau <strong>des</strong> Privatschulsektors eine besonders aussichtsreiche<br />

Strategie sehen, um die Qualität <strong>des</strong> Schulsystems nachhaltig anzuheben, begründen<br />

dies vielfach mit dem besonders guten Abschneiden der Privatschulen in den<br />

PISA-Studien. Die Befunde sind scheinbar eindeutig. In PISA 2000 zeigt sich, dass in<br />

14 von 17 Ländern der Leistungsvergleich zugunsten der Privatschulen ausfällt; in<br />

PISA 2003 sind es 15 von 21 Staaten. Im Durchschnitt beträgt hier der Vorsprung<br />

der Privatschulen in Mathematik 33 Punkte; das entspricht in etwa einem Schuljahr<br />

(vgl. Übersicht 1).<br />

Ins Auge fällt der extreme Vorsprung der Privatschulen in Deutschland, ein Ergebnis,<br />

das sich auch schon in der ersten PISA-Studie zeigte und das vom Institut der <strong>Deutschen</strong><br />

Wirtschaft seinerzeit der Öffentlichkeit mit den Worten präsentiert wurde: „Privatschulen<br />

sind kaum zu toppen“.<br />

Was die Autoren in<strong>des</strong> nicht berichten, sind adjustierte Leistungswerte, d.h. Leistungswerte,<br />

die der Tatsache Rechnung tragen, dass sich die Schülerpopulation<br />

staatlicher und privater Schulen in der Regel systematisch unterscheidet, insbesondere<br />

was den sozioökonomischen Hintergrund betrifft. Im Falle Deutschlands kommt<br />

hinzu, dass in der Privatschulstichprobe in PISA die leistungsstärkeren Schulformen<br />

deutlich überrepräsentiert sind. Das hat zur Folge, dass die über alle Schulformen<br />

berechneten Leistungsmittelwerte den privaten Sektor begünstigen. Die dem interna-<br />

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