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ökumenischen Gedenkfeier für verstorbene Kinder - Spes Viva

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Maria konnte die Stimmen nicht<br />

zuordnen. Alles verschallte in ihrem Kopf.<br />

Außerdem war es ihr zu hell, ja schon grell.<br />

Lichter über ihr huschten vorbei. Sie wusste<br />

nicht, dass sie sich auf einer Notfalltrage befand.<br />

Direkt auf dem Weg auf die Intensiv-<br />

Station. Verschwommen bemerkte sie den Infusionsbeutel<br />

aus ihren Augenwinkeln. In ihrem<br />

Mund hatte sich ein unangenehmes Gefühl breit<br />

gemacht. Ein Brennen und Stechen fühlte sie,<br />

konnte kaum die Zunge bewegen. Die Lichter<br />

hatten jetzt andere Farben, alles wirkte kühler.<br />

Eine Schwester beugte sich über sie und versuchte<br />

Maria zu trösten, zu beruhigen. Dann<br />

wurde es still. Maria hörte ihren Herzschlag<br />

und gut wahrnehmbare Pieptöne. Wenig später<br />

waren da wieder Stimmen, aber Maria hatte nicht die<br />

Kraft, sie zu verstehen. Vor ihrem inneren Auge tanzten bunte<br />

Punkte, meinte sie schlangenähnliche Gebilde zu erkennen...<br />

Knapp drei Wochen später wurde Maria nach Hause entlassen.<br />

Ihre Tochter holte sie ab und erhielt vom Arzt die Aufforderung,<br />

sich mit dem Krankenhaussozialdienst in Verbindung<br />

zu setzen, um erforderliche Pflegemaßnahmen abzustimmen.<br />

,,Ihre Mutter ist dement, es wird <strong>für</strong> sie jetzt alles<br />

anders. Aber auch <strong>für</strong> Sie, wenn Sie sich an der Pflege beteiligen<br />

wollen," hörte Marias Tochter vom Arzt. ,,Dies wird ein<br />

völlig neuer Lebensabschnitt im Verhältnis Mutter-Tochter.<br />

Diese erneute Dehydration hat Ihrer Mutter wohl den entscheidenden<br />

Schritt in die Demenz gebracht." Der Arzt nahm<br />

seine Brille in die Hand und beschrieb damit einen erweiterten<br />

Kreis. ,,Der Zenit Ihrer Mutter ist jetzt nicht mehr der Gleiche,<br />

wie Sie ihn haben. Es ist jetzt ihre eigene Welt. Eine Welt<br />

des Vergessens."<br />

Marias Tochter hatte alles soweit vorbereitet, wie es ihr möglich<br />

war. Ein Krankenbett stand am Fenster des ehemaligen<br />

Gästezimmers, Toilettenstuhl am Fußende, Stützstrumpfanziehhilfe<br />

unter dem kleinen Ecktisch am Kopfende. Eine helle<br />

Kommode <strong>für</strong> die Sachen der Mutter und ein Ruhesessel mit<br />

diversen kleinen Kissen. Vor dem zweiten Fenster steht eine<br />

Blumenvase mit einem dekorativen Trockengesteck.<br />

,,Verlust-Reich"<br />

Die eigene Welt des Vergessens<br />

Als Maria von Ihrer Tochter in ihr neues Domizil<br />

geleitet wurde, strahlte Sonnenlicht durch<br />

das Fenster. Die warmen Töne der Wände und<br />

die Farbe des Bodens unterstützten das erhoffte<br />

Wohlgefühl. Maria setzte sich, von ihrer<br />

Tochter behutsam gestützt, auf die Bettkante.<br />

Ihre Augen waren auf den Fußboden gerichtet.<br />

,,Hier hast Du es jetzt schön, schau mal, alles<br />

neu hergerichtet...." sprach ihre Tochter auf<br />

sie ein. ,,Es fehlt Dir hier an nichts, ich schaue<br />

nach Dir und wenn immer es möglich ist, kannst<br />

Du an unserem Leben im Haus teilnehmen.<br />

Aber eben auch mal <strong>für</strong> Dich sein, wenn Du<br />

es willst," schob sie nach, während sie ihrer<br />

Mutter die Schuhe auszog.<br />

Marias Blick war immer noch auf den Boden gerichtet. Sie<br />

hatte noch keinen Ton gesagt, seit sie im Haus ihrer Tochter<br />

angekommen war. Ein eher sanftes Stöhnen untermalte<br />

einzig und allein ihre Bewegungen. ,,Wer ist der olle Mann<br />

da auf dem Bild?" Mit plötzlicher Handbewegung wollte<br />

Maria den kleinen Messingrahmen vom Nachtschrank<br />

wischen. ,,Mama, das ist Dein Mann Werner. Ihr wart fast<br />

60 Jahre verheiratet, Du erkennst Deinen Mann nicht mehr?<br />

Das Bild stand die vergangenen 5 Jahre auch auf Deinem<br />

Nachtschrank..." Marias Tochter versuchte den Oberkörper<br />

ihrer Mutter etwas aufzurichten und gleichzeitig das Bild<br />

wieder gerade zu rücken. ,,Kenn´ ich nicht, nimm das weg!"<br />

herrschte Maria Ihre Tochter an. ,,Weg damit sage ich," Maria<br />

bäumte sich ein wenig auf, um ihrer Aussage Nachdruck<br />

zu verleihen. Ihre Tochter nahm schnell das Bild und wich<br />

zurück. ,,Es erschreckt mich schon, Mutter, wie es jetzt um<br />

Dich steht," rief sie ihrer Mutter zu und verweilte noch einen<br />

Moment in der Zimmertür. Dann ging sie in ihre Küche,<br />

nachdenklich und mit Tränen in ihren Augen. Es gingen ihr<br />

viele Bilder aus ihrer <strong>Kinder</strong>- und Jugendzeit durch den Kopf -<br />

und nun dieser neue Lebensabschnitt. Sie und ihr Mann<br />

hatten sich vor drei Jahren getrennt und es ist <strong>für</strong> sie alles<br />

nicht leichter geworden. Ein Teilzeitjob in einem großen<br />

Kaufhaus, etwas Heimarbeit bei sich und nun die Mutter<br />

in ihrem häuslichen Umfeld - als Pflegefall. "Es geht jetzt<br />

nur noch um Verluste, und täglich einige mehr", sinniert<br />

Marias Tochter gegenüber einer Freundin. ,,Bis zum Schluss..."

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