Jugendsprache in Berlin-Neukölln: Wir sagen "Du ... - Theater Strahl
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Spaaaß! Materialien THEATER STRAHL BERLIN<br />
Anlage 1<br />
<strong>Du</strong> bist schlimm!<br />
Gewalt und Mobb<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Schule<br />
Handreichung zum E<strong>in</strong>satz des gleichnamigen<br />
Videofilms <strong>in</strong> Schule und Unterricht, Medienprojekt<br />
Wuppertal, Arne Brassat und Maternus<br />
Honnen<br />
Wie wird e<strong>in</strong> Schüler zum Außenseiter?<br />
Kommen Schüler <strong>in</strong> Klassen neu zusammen, so<br />
ist für sie zunächst weit wichtiger als der Unterricht,<br />
wer <strong>in</strong> der Klasse welche Position e<strong>in</strong>nehmen<br />
wird. Sie beobachten sich, schirmen<br />
sich ab, bemühen sich um <strong>Wir</strong>kung, lauern,<br />
kämpfen. Bei diesem für den Lehrer nicht sichtbaren<br />
R<strong>in</strong>gen um Positionen spielen die (nicht<br />
bewussten) Vorerfahrungen der E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>e<br />
große Rolle. Wer <strong>in</strong> der vorhergehenden Gruppe<br />
etwas galt, etwas zu <strong>sagen</strong> hatte, geht weniger<br />
ängstlich und verspannt an die neue Gruppe<br />
heran. Wer sich vorher schon als gemobbten<br />
Außenseiter gesehen hat, will diesmal ke<strong>in</strong>e<br />
Zielscheibe abgeben und bemüht sich deshalb,<br />
unter ke<strong>in</strong>en Umständen <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung zu treten,<br />
und will die angenehmere Rolle des Mitläufers<br />
e<strong>in</strong>nehmen. Wesentliche Signale der<br />
Schwäche kommen aus der weniger leicht zu<br />
verbergenden Körpersprache: Wer wirkt souverän<br />
und gelassen, wer aufgeregt und unsicher?<br />
Wer spielt sich auf und drängt sich ständig <strong>in</strong><br />
den Mittelpunkt? Wer ist verkrampft, weicht<br />
den Blicken der anderen aus, setzt sich abseits?<br />
Schon auf dieser Ebene werden wesentliche<br />
Signale ausgesandt, die e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Platz <strong>in</strong> der sozialen Rangfolge der Klasse bestimmen.<br />
Überdurchschnittlich <strong>in</strong> Gefahr, Außenseiter zu<br />
werden, s<strong>in</strong>d diejenigen, die von der jeweiligen<br />
Norm abweichen: Sie kommen aus e<strong>in</strong>er anderen<br />
Gegend, e<strong>in</strong>em anderen Land, sprechen<br />
e<strong>in</strong>en hier nicht üblichen Dialekt, weisen e<strong>in</strong>e<br />
körperliche Besonderheit auf, benehmen sich<br />
anders, vertreten andere politische oder religiöse<br />
Ansichten, s<strong>in</strong>d Fan e<strong>in</strong>es Fußballvere<strong>in</strong>s<br />
e<strong>in</strong>er anderen Stadt usw. Diese Besonderheiten<br />
können e<strong>in</strong>e Rolle spielen, müssen es aber<br />
nicht. E<strong>in</strong> Verhalten, das <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en Gruppe<br />
großes Ansehen gewähren mag (z.B. das Auflehnen<br />
gegen den Lehrer), kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen<br />
zu vollständiger Ablehnung führen (wenn<br />
der Lehrer <strong>in</strong> der Klasse z.B. großes Ansehen<br />
genießt). Denn von weitaus größerer Bedeutung<br />
als das Verhalten des E<strong>in</strong>zelnen ist das jeweilige<br />
Wertsystem und Sozialverhalten der Gruppe.<br />
Die eigene Norm wird als die e<strong>in</strong>zig akzeptable<br />
betrachtet. Es ist offensichtlich, und doch wird<br />
es selten zur Kenntnis genommen: In erster<br />
L<strong>in</strong>ie ist es die Gruppe, die zum Außenseiter<br />
stempelt, weniger der E<strong>in</strong>zelne selbst. Se<strong>in</strong> abweichendes<br />
Verhalten ist <strong>in</strong> der Regel vielmehr<br />
die Folge se<strong>in</strong>er Ausgrenzung.<br />
Typische Verhaltensmuster von Außenseitern.<br />
Trotz aller <strong>in</strong>dividueller Unterschiede, die es bei<br />
Menschen gibt, lassen sich dennoch Stereotypen<br />
von Verhaltensweisen aufzeigen, nichtbewusste<br />
Mechanismen, die dann e<strong>in</strong>setzen,<br />
wenn e<strong>in</strong>er „ausgeguckt“ ist, Außenseiter zu<br />
se<strong>in</strong>. Außenseiter ist also nicht als Charakter zu<br />
verstehen (misszuverstehen), sondern als Verhaltensmuster<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er besonderen Situation,<br />
die jedem widerfahren kann. Es sei betont, dass<br />
wirklich jeder zum Mobb<strong>in</strong>g-opfer werden kann.<br />
Die im Folgenden zusammengestellten Verhaltensweisen<br />
kommen so re<strong>in</strong> und ausschließlich<br />
nicht immer vor. <strong>Wir</strong> stellen sie aber so absolut<br />
(und fast als Karikatur) dar, damit sie leichter<br />
erkannt und <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>neren Logik erfasst werden<br />
können. Wenn jemand <strong>in</strong> die unerträgliche<br />
Situation des Gemobbten gerät, versucht er sich<br />
durch unterschiedliche Strategien zu retten:<br />
Strategie 1: Kampf gegen die Rollenzuweisung<br />
„Außenseiter“<br />
Körperlich starke Schüler können sich mit körperlicher<br />
Gewalt wehren. Das macht sie zwar<br />
nicht beliebt, verh<strong>in</strong>dert im Allgeme<strong>in</strong>en aber,<br />
dass sie dauerhaft zu Mobb<strong>in</strong>gopfern werden.<br />
Geistig überlegene, rhetorisch starke Schüler<br />
können sich (theoretisch) ebenfalls wehren.<br />
Doch auch die überzeugendsten Argumente<br />
fruchten <strong>in</strong> der Klasse meist nichts, weil nicht<br />
die Logik, sondern die Mehrheit zählt - und die<br />
kann e<strong>in</strong>en brillianten Intellektuellen als<br />
„<strong>Du</strong>mmschwätzer“ def<strong>in</strong>ieren. Dagegen können<br />
gewandte Redner, die die Technik des Herabsetzens<br />
und der Häme besitzen, durchaus erfolgreiche<br />
Demagogen se<strong>in</strong>. Am verbreitetsten<br />
ist aber e<strong>in</strong>e andere Art, sich aus der ger<strong>in</strong>ggeschätzten<br />
Position zu befreien. <strong>Du</strong>rch besonderen<br />
Besitz oder ungewöhnliche Leistungen<br />
Was ist Mobb<strong>in</strong>g? | 21