Jugendsprache in Berlin-Neukölln: Wir sagen "Du ... - Theater Strahl
Jugendsprache in Berlin-Neukölln: Wir sagen "Du ... - Theater Strahl
Jugendsprache in Berlin-Neukölln: Wir sagen "Du ... - Theater Strahl
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Spaaaß! Materialien THEATER STRAHL BERLIN<br />
(wahr oder erdichtet) versuchen sich manche <strong>in</strong><br />
den Augen der Mitschüler besser darzustellen:<br />
Markenkleidung, MP3-Player, neuste Handymodelle,<br />
alles mit Betonung herausgestellt.<br />
Verbreitet ist auch der Bericht von „Heldentaten“:<br />
Wie z.B. e<strong>in</strong> teurer Videorecorder aus<br />
e<strong>in</strong>em bewachten Kaufhaus geschmuggelt worden<br />
sei, oder wie viele Mädchen sie am Wochenende<br />
wieder abgeschossen hätten oder mit<br />
welcher Geschw<strong>in</strong>digkeit sie mit ihrem selbst<br />
getunten Auto durch die Innenstadt gefegt seien.<br />
Wahr oder erfunden: <strong>Du</strong>rch ihre Prahlerei<br />
verstärken sie nur ihre Außenseiterposition<br />
(„Unerträglicher Angeber“). 1<br />
Strategie 2: Sich mit der Rolle arrangieren<br />
Die Klassenclowns sche<strong>in</strong>en ihre Rolle frei gewählt<br />
zu haben. Würden sie sich sonst so erf<strong>in</strong>dungsreich<br />
ständig neuen Uns<strong>in</strong>n ausdenken?<br />
Sie wissen doch, wie die Klasse reagiert (und<br />
der Lehrer!). In <strong>Wir</strong>klichkeit haben sie aber die -<br />
manchmal nur verme<strong>in</strong>tliche - Erfahrung gemacht,<br />
dass sie bei Annahme ihrer Rolle weniger<br />
drangsaliert werden. Somit haben sie ihre<br />
Rolle nicht frei gewählt, sondern hoffen vielmehr,<br />
dass die anderen dieses denken mögen.<br />
Die e<strong>in</strong>genommene Rolle wirkt wie e<strong>in</strong>e<br />
Schutzmauer vor der eigentlichen Persönlichkeit.<br />
E<strong>in</strong> weiterer - meist nicht erkannter - Aspekt ist,<br />
dass der Lehrer sich dem Klassenclown (wenngleich<br />
diszipl<strong>in</strong>ierend) zuwendet wie kaum e<strong>in</strong>em<br />
anderen. In der Term<strong>in</strong>ologie der Lernpsychologie<br />
gesprochen erhält der Schüler (vom<br />
Lehrer unbeabsichtigte) Verstärkung.<br />
Je nach Ausprägung der Rolle „Klassenclown“<br />
(z.B. eher witzig als doof) und je nach Reaktion<br />
der Mitschüler kann es zudem vorkommen,<br />
dass der Lehrer den E<strong>in</strong>druck erhält, es handele<br />
sich bei dem Gemobbten um e<strong>in</strong>en angesehenen<br />
Wortführer und es besteht die Gefahr, dass<br />
der Lehrer (vor allem, wenn ihn der ständige<br />
Uns<strong>in</strong>n des Schülers nervt) durch se<strong>in</strong>e Reaktionen<br />
das Mobb<strong>in</strong>g der Mitschüler unterstützt.<br />
1 E<strong>in</strong> Gruppenführer könnte u.U. das gleiche bieten<br />
und würde dafür noch bewundert. Meist prahlen<br />
diese aber raff<strong>in</strong>ierter: Sie zeigen ihr Handy nicht<br />
vor, sondern lassen es andere entdecken und geben<br />
sich dann ganz cool - „nichts Besonderes“.<br />
Strategie 3: Den Lehrer als Bündnispartner<br />
gew<strong>in</strong>nen<br />
Außenseiter versuchen manchmal <strong>in</strong> die Gruppe<br />
aufgenommen zu werden, <strong>in</strong>dem sie auf e<strong>in</strong>zelne<br />
Mitläufer zugehen, um sie für sich zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Da diese jedoch häufig große Angst haben,<br />
selber out-group zu werden, scheitert dieser<br />
Versuch meist.<br />
So bieten sich nur noch die Erwachsenen als<br />
Bündnispartner an: Wenn sich e<strong>in</strong> Schüler im<br />
Unterricht <strong>in</strong>teressiert und leistungswillig zeigt<br />
und eilfertig allen Anforderungen nachzukommen<br />
sucht, wird er zwar von den Mitschülern<br />
als Streber abqualifiziert, von Lehrern aber<br />
meist geschätzt. Se<strong>in</strong>e Außenseiterrolle wird<br />
damit natürlich noch verstärkt.<br />
Strategie 4: Flucht aus der Gruppe<br />
Ertragen Mobb<strong>in</strong>gopfer ihre Behandlung nicht<br />
mehr, laufen manche buchstäblich davon.<br />
Schuleschwänzen ist jedoch mit zahlreichen<br />
Strafen bedroht. Und so kommen sie immer<br />
wieder, bis sie es erneut nicht mehr aushalten.<br />
Schließlich ist e<strong>in</strong>e wirklich echte, ke<strong>in</strong>e vorgeschobene,<br />
Erkrankung dann nur noch e<strong>in</strong>e Frage<br />
der Zeit. Migräne, Gastritis, Darmerkrankungen,<br />
neurotische Störungen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Ausnahmen<br />
(vgl. dazu die Aus<strong>sagen</strong> e<strong>in</strong>es Mobb<strong>in</strong>gopfers im<br />
Film). Kommt e<strong>in</strong> solcher Schüler nach e<strong>in</strong>er<br />
längeren Fehlzeit wieder <strong>in</strong> die Schule, wird er<br />
als Drückeberger und oft auch als Sonderl<strong>in</strong>g<br />
begrüßt.<br />
Im Teufelskreis des Mobb<strong>in</strong>g – Stabilisierung<br />
der Außenseiterrolle<br />
Es ist wichtig zu erkennen, dass bei all diesen<br />
Mustern im Verhältnis zwischen dem E<strong>in</strong>zelnen<br />
und der Gruppe e<strong>in</strong> Kreisprozeß abläuft:<br />
1. Die Gruppe weist E<strong>in</strong>em oder Mehreren<br />
e<strong>in</strong>e Außenseiterrolle zu.<br />
2. Der- oder diejenigen reagieren mit den<br />
oben genannten Mustern.<br />
3. Die Gruppe begründet ihre Ausgrenzung mit<br />
dem Verhalten des Außenseiters (das nicht<br />
als Abwehrverhalten erkannt wird).<br />
4. Die Ausgrenzung wiederum bewirkt e<strong>in</strong>e<br />
Verstärkung des Abwehrverhaltens des Betroffenen<br />
usw.<br />
Was ist Mobb<strong>in</strong>g? | 22