Jugendsprache in Berlin-Neukölln: Wir sagen "Du ... - Theater Strahl
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Spaaaß! Materialien THEATER STRAHL BERLIN<br />
hat ihn »verwöhntes Früchtchen« genannt.<br />
Maximilian antwortet auf die Frage, wie es ihm<br />
geht: »Nicht so prickelnd.« Er ist e<strong>in</strong> Zyniker –<br />
mit elf Jahren. Er hält die K<strong>in</strong>der, die ihn plagen,<br />
mittlerweile für m<strong>in</strong>derbemittelt. »Reden br<strong>in</strong>gt<br />
bei denen nichts.« Wenn se<strong>in</strong>e Mutter ihn morgens<br />
wecken will, öffnet sie e<strong>in</strong>e Tür, auf die<br />
Totenköpfe gemalt s<strong>in</strong>d, daneben steht: »Weckt<br />
mich nicht!« Wenn man se<strong>in</strong> Zimmer betritt,<br />
muss man Angst haben, dass se<strong>in</strong>e aus Legoste<strong>in</strong>en<br />
gebaute Selbstschussanlage losgeht.<br />
»Ich gehe dem Mobb<strong>in</strong>g aus dem Weg, <strong>in</strong>dem<br />
ich oft nicht <strong>in</strong> die Schule gehe«, sagt Maximilian.<br />
Die Schule stellt fest: »Maximilian ist seit<br />
Beg<strong>in</strong>n des Schuljahres Schüler unserer Schule.<br />
<strong>Wir</strong> wurden gleich <strong>in</strong> den ersten Wochen von<br />
den Eltern über Maximilians ›Andersse<strong>in</strong>‹ <strong>in</strong>formiert.<br />
Sehr bald wurden Fehlzeiten, Konflikte<br />
und se<strong>in</strong> Verhalten anderen gegenüber auffällig.«<br />
Die Schule verfuhr nach Vorschrift: Sie forderte<br />
Maximilian auf, e<strong>in</strong> Mobb<strong>in</strong>gtagebuch zu<br />
führen. »Se<strong>in</strong>e Aufzeichnungen waren aber<br />
wenig konkret. Die Vielzahl der Vorwürfe machte<br />
e<strong>in</strong>e detaillierte Aufarbeitung unmöglich.«<br />
Weil Maximilian die Beratungslehrer<strong>in</strong> nur<br />
zweimal aufgesucht hat, weil er immer wieder<br />
fehlt und die Schule me<strong>in</strong>t, die Eltern würden es<br />
ihm zu leicht machen; weil er konfliktfreie Beziehungen<br />
zu fünf bis sechs Jungen aus der Klasse<br />
hat und »höchst sensibel und unvorhersehbar<br />
reagiert, wobei er auch andere ärgert und<br />
provoziert«, kann die Schule e<strong>in</strong> »systematisches<br />
Mobb<strong>in</strong>g nicht verifizieren«. Maximilian<br />
bezeichnet sich als »dauerpessimistisch«. Es ist<br />
also davon auszugehen, dass er leidet und dass<br />
se<strong>in</strong> Leid nur von ihm alle<strong>in</strong> zu ermessen ist.<br />
Außerdem ist davon auszugehen, dass Eltern<br />
sehr hilflos s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation. »Im<br />
letzten Monat haben wir ihn jeden Morgen zur<br />
Schule gebracht, weil wir Angst hatten, dass er<br />
sich etwas antut, wenn wir ihn alle<strong>in</strong> losschicken«,<br />
sagt se<strong>in</strong>e Mutter. Längst wirken sich<br />
Maximilians Schulprobleme auf die ganze Familie<br />
aus. Se<strong>in</strong> Vater will ihn morgens zw<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong><br />
die Schule zu gehen. Maximilian flippt aus, wird<br />
aggressiv, auch gegen die beiden älteren<br />
Schwestern. Oder er verzweifelt und wendet<br />
sich Hilfe suchend an se<strong>in</strong>e Mutter. Aber die<br />
verstummt nur. Was soll sie tun? Sie spürt die<br />
Nöte ihres Sohnes und ist trotzdem machtlos.<br />
Ob er sich wünscht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Klasse zu gehen, <strong>in</strong><br />
der er gemocht wird? Maximilian überlegt: »Ich<br />
glaub schon. Aber ich glaub, das geht nicht<br />
mehr.« Was würde er sich denn überhaupt<br />
wünschen? Maximilian überlegt wieder. Soll er<br />
cool se<strong>in</strong>, den Zyniker geben? Das kann er doch<br />
so gut. Aber dann sagt er: »Dass es e<strong>in</strong>fach aufhört.«<br />
Pause. Und ergänzt, ganz leise: »Es wäre<br />
besser, wenn ich nicht existieren würde.«<br />
Was ist Mobb<strong>in</strong>g? | 27