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20Jahre Mauerfall - Katholische Akademie

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Tagungsdokumentation<br />

Auch das war in einem gewissen Sinne politisches Handeln, nämlich das des sich<br />

Versagens und gelegentlich auch der Renitenz. Was ihm fehlte, war das Moment des<br />

politischen Gestaltens und Gestaltenwollens. Das unterscheidet diese Haltung von<br />

der Zustimmung und Unterstützung einerseits, aber eben auch von dem artikulierten<br />

Dissens und der Opposition andererseits. In ihrer Haltung konnten sich die<br />

Katholiken im Einklang fühlen mit ihrer Kirche und mit ihren Bischöfen, die relativ<br />

früh eine Position der unmissverständlich schweigenden Distanz zur SED-Diktatur<br />

eingenommen hatten und diese dann über Jahrzehnte konsequent durchhielten.<br />

Die Bischöfe nahmen nur dann öffentlich Stellung, wenn dies unabweislich war, weil<br />

kirchliche Grundsätze durch das Handeln der SED unmittelbar berührt oder gar angegriffen<br />

wurden. Dagegen äußerten sie sich in der Regel nicht zu den zahlreichen<br />

Krisen des Systems oder zu angeblich neuen politischen Strategien der bestehenden<br />

Macht. Zugleich ließen sie auch scheinbar unverfängliche Gelegenheiten zum<br />

öffentlichen Auftritt ungenutzt, um nicht in die Nähe der Macht zu geraten und von<br />

dieser benutzt werden zu können.<br />

Die durchgehende Konstante in der Haltung der katholischen Bischöfe und der<br />

meisten Katholiken war es, nicht auf Veränderungen im bestehenden Herrschaftssystem<br />

zu setzen, eine solche Hoffnung eher für illusionär zu halten, darum an<br />

Anzeichen in einer solchen Richtung auch nicht sonderlich interessiert zu sein, ja,<br />

ihnen eher zu misstrauen und darum sie auch nicht unbedingt zur Kenntnis nehmen<br />

zu wollen. Man hätte gern unter ganz anderen Umständen gelebt, ohne diese<br />

in überschaubarer Zeit für eine realistische Option zu halten. Nur wenige Katholiken<br />

sahen das anders und wurden darum meist – staatlich wie kirchlich – argwöhnisch<br />

betrachtet und gelegentlich auch handfest ausgegrenzt. Welche Haltung orientierte<br />

sich nun an der Realität und welche an Illusionen? Die Antwort ist, wie häufig beim<br />

geschichtlichen Urteil, eine doppelte: Lange Zeit war das Beharren auf Distanz nicht<br />

nur realistisch, sondern selbst auch ein Stück DDR-Realität, das die Herrschenden<br />

vergeblich zu ändern suchten. Aber als das Bestehende und so lange Unveränderliche<br />

nun doch in Bewegung geriet, da sah man die Chance zum realen Wandel nicht oder<br />

doch jedenfalls zu spät. Man wurde also in seiner Sicht und in der davon bestimmten<br />

Haltung zunehmend unrealistisch und hatte damit wiederum auch zu wenig wirksamen<br />

Anteil am Wandel der Realität.<br />

Für unser Thema ist dieser Unterschied in doppelter Weise von Bedeutung. Erstens<br />

in der Unterscheidung von der evangelischen Kirche, die, aus theologischen, geschichtlichen<br />

wie aus strukturellen Gründen, und nicht zuletzt deshalb, weil sie fast<br />

überall in der DDR die traditionelle Mehrheitskirche war, den Anfragen und Anforderungen<br />

aus dem zunehmend sozialistisch geprägten Umfeld viel stärker ausgesetzt<br />

war und sich diesen wohl auch gar nicht entziehen konnte. Das galt nicht zuletzt<br />

für die aus diesem Umfeld kommenden Hoffnungen auf einen Wandel der gesell-<br />

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