20Jahre Mauerfall - Katholische Akademie
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56 Das Bonifatiuswerk und der Weg zur deutschen Einheit<br />
Unterstützung der Glaubensweitergabe<br />
„Für so manche Stunde Religionsunterricht war ich zwei, drei Stunden vorher<br />
unterwegs, um alle Kinder zusammenzuholen.“ Dorothea Dubiel arbeitete während<br />
der deutschen Teilung als Seelsorgehelferin in der Diaspora Mecklenburgs und lernte<br />
die Verkehrshilfe des Bonifatiuswerkes schätzen. Religionsunterricht an Schulen<br />
untersagte die Staatsführung und so fand er in den Gemeinden statt, einmal in der<br />
Woche für eine Stunde.<br />
„Diese eine Stunde reichte nicht aus, deshalb waren die Religiösen Kinderwochen<br />
ein wichtiger Bestandteil unserer katechetischen Arbeit“, bekennt Dubiel.<br />
Die Religiösen Kinderwochen, kurz RKW, wollten Kindern für ein paar Tage, in der<br />
Regel eine Woche bei Glaubensunterricht und Gottesdienst, gemeinsamem Essen<br />
und Ausflügen, Tanzen und Singen gemeinschaftliches kirchliches Leben erfahren<br />
lassen, was sie sonst in ihrer Vereinzelung in der Diaspora und dem kirchenfeindlichen<br />
Umfeld der SED-Ideologie in ihrem Alltag nicht erleben konnten. Sie galten<br />
als Gegenpol zu den staatlichen Ferienfreizeiten. Diese besondere Chance der<br />
Glaubensweitergabe unterstützte das „Bonifatiuswerk der Kinder“ jedes Jahr allein<br />
von 1966 bis 1989 mit über 11 Millionen DM. „Wenn ich heute Eltern auf die RKW<br />
anspreche, leuchten die Augen. Viele verbinden positive Erinnerungen mit dieser<br />
Zeit“, erzählt Dubiel.<br />
Als Seelsorgehelferin verdiente Dorothea Dubiel nur das in der DDR vorgeschriebene<br />
Mindestgehalt. Ein karger Lohn für eine wichtige Arbeit, der kaum für das Notwendigste<br />
ausreichte, geschweige denn für theologische Fachliteratur oder Arbeitsmaterialien.<br />
„Zweimal im Jahr erhielten wir deshalb vom Bonifatiuswerk einen finanziellen<br />
Ausgleich sowie pro Monat Kleidungs- und Nahrungsmittelbeihilfe“ berichtet Dubiel.<br />
Das Geld bekamen die Seelsorgehelferinnen nicht direkt auf ihr Gehaltskonto<br />
in der DDR. Das war nicht möglich. Vielmehr zahlte das „Bonifatiuswerk der Kinder“<br />
die Unterstützung auf ein westdeutsches Konto, das von einem Paten, einer Patin<br />
verwaltet wurde. „In Briefen hieß das Bonifatiuswerk bei mir nur Tante Paula und den<br />
Kontostand verschlüsselten wir als Datumsangabe.“ Dubiels Patin schickte für das<br />
Geld über GENEX Pakete mit Kleidung und Dingen des täglichen Bedarfs. „Spiele ließ<br />
man sich privat zusenden, katechetische Bücher durch Boten mitbringen“, erinnert<br />
sich die heutige Leiterin der pastoralen Dienststelle Mecklenburg.<br />
Zum Abschluss ihrer Ausbildung 1972 erhielt Dubiel vom Bonifatiuswerk ein besonderes<br />
Geschenk: „Wir wurden für unsere Sendungsfeier mit Kostüm, Bluse und<br />
Schuhen ausstaffiert. Ich bekam Schuhe mit Absätzen, obwohl ich solche nie trage,<br />
und musste mich damit dann vor dem Bischof niederknien“, erinnert sie sich noch<br />
heute schmunzelnd an die kleine akrobatische Übung an ihrem großen Tag.