20Jahre Mauerfall - Katholische Akademie
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Das Bonifatiuswerk und der Weg zur deutschen Einheit<br />
war alles andere als eine Selbstverständlichkeit. „Pakete durften nur von Privatperson zu<br />
Privatperson versendet werden“, erklärt Koch. Die Pakete habe man deshalb nie an einen<br />
Kindergarten oder eine Kirchengemeinde direkt adressieren können, sondern nur an<br />
Privatleute. „Und jedes Paket, das wir im Bonifatiushaus gepackt haben, brauchte einen<br />
privaten Absender“, gibt Koch zu bedenken. Das hatte über lange Jahre zur Folge, dass<br />
jedes Paket vom Bonifatiuswerk zunächst an eine Privatperson in der Bundesrepublik<br />
verschickt wurde. Diese Privatperson gab das Paket erneut bei der Post auf, diesmal mit<br />
seiner Privatadresse als Absender. Ein System, das zahlreiche West-Katholiken direkt in<br />
die solidarische Hilfe für die Katholiken in der Diaspora der DDR mit einband.<br />
Neue Kirchen gegen Devisen<br />
Das meiste Geld der Hilfe des Bonifatiuswerkes für die Kirche in der DDR floss aber in<br />
den Bau und die Instandhaltung von Kirchen und Gemeindehäusern. Doch besonders in<br />
Erscheinung trat das Diasporahilfswerk aus dem Westen mit dieser Unterstützung nicht.<br />
„Nach der Wende war es mir, als wenn sie einem Blinden die Augenklappe weggenommen<br />
hätten. Plötzlich sah ich überall die kleinen Bronzetafeln, die das Bonifatiuswerk nachträglich<br />
an die von ihm unterstützten Bauten anbringen ließ.“ Heinrich Kuhlage, einst<br />
Pfarrer der Thomas-Morus-Gemeinde in Rostock, die als neugegründete Gemeinde 1983<br />
eine Kirche erhielt, spricht aus, was viele andere bestätigen: das Bonifatiuswerk trat in<br />
der Bauhilfe nicht offensiv als Förderer auf. Das war so gewollt. „Das größte deutsche<br />
Diaspora-Schiff aber – mitteldeutsche Diaspora-Kirche ist sein Name – ist ständig von<br />
dichtem Nebel, künstlichem Nebel allerdings, eingehüllt. Denn es darf aus Klugheit sich<br />
nur selten und auch nur in Umrissen zeigen“, hieß es im Grundsatzreferat von Generalsekretär<br />
Anton Kötter auf der Generalversammlung 1971 in Freiburg. „Wir sind verschwiegen<br />
und werden verschwiegen, weil wir verschwiegen sind“, zitiert Prälat Gerhard Lange, der<br />
frühere kirchenpolitische Beauftragte der Bischöfe in der DDR, ein geflügeltes Wort.<br />
„Es funktionierte für uns“, berichtet Pfarrer Klaus-Peter Kaschubowski, „so bohrte<br />
man nicht nach.“ In seiner Zeit als Pfarrer der Gemeinde „Von der Verklärung des<br />
Herrn“ in Berlin-Marzahn entstanden 1984 Kirche und Gemeindezentrum in dem Plattenbaubezirk.<br />
Die Organisation und die Finanzierung des Baus, so Kaschubowski, sei<br />
komplett über das Ordinariat abgewickelt worden. Der Komplex entstand im Rahmen<br />
des so genannten Sonderbauprogramms, das erstmals 1974 aufgelegt wurde. Danach<br />
wurden staatlicherseits den christlichen Kirchen die Möglichkeit eröffnet, Kirchen und<br />
kirchliche Gebäude auch in Neubaugebieten zu errichten und darüber hinaus auch für<br />
kirchliche Einrichtungen Baumaßnahmen durchzuführen. Bis 1981 waren laut Priesterjahrheft<br />
16 Kirchenneubauten und Kirchenrekonstruktionen, 32 Gemeinde- und Pfarrhäuser,<br />
23 kirchliche Sozial- und Verwaltungsbauten im Bau oder schon fertig gestellt.<br />
„Dem Staat ging es beim Sonderbauprogramm um Devisen“, erklärt Prälat Roland<br />
Steinke. Als Leiter der Zentralstelle Berlin-Ost des Deutschen Caritasverbandes war er<br />
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