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Ritter 200 Bände KSG

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Gerhard R. <strong>Ritter</strong><br />

westlichen Auslandes, vor allem der Vereinigten Staaten, Frankreichs<br />

und Großbritanniens.<br />

Wenn eine neue Reihe begründet wird, so fragt man zunächst<br />

nach dem Programm. Es gibt kein programmatisches Vorwort im<br />

ersten Band der neuen Reihe. Es ist aber nach intensiver Suche<br />

in den Akten des Verlages gelungen, das erste von Jürgen Kocka<br />

entworfene, mit den anderen Herausgebern abgesprochene, programmatische<br />

Prospekt der Reihe 2 , gewissermaßen die Regierungserklärung,<br />

wieder aufzufinden. Dabei handelte es sich um<br />

einen ausgesprochen politischen Text mit scharfer Abgrenzung<br />

von den damals dominierenden Traditionen der deutschen Geschichtswissenschaft.<br />

Zur Begründung des im Titel einer Buchreihe<br />

doch ungewöhnlichen Begriffs »Kritik« wurde zwar zunächst<br />

auf die seit Ranke und Niebuhr durchgesetzte Methode<br />

der Quellenkritik, die Einsicht in die Veränderbarkeit von Verhältnissen<br />

und die Relativität von Perspektiven verwiesen. Daneben<br />

wurde aber mit Nachdruck, die Aufgabe der Geschichte,<br />

durch kritische Durchleuchtung der Vergangenheit Voraussetzungen<br />

und Anstöße zur Verbesserung der Gegenwart zu schaffen,<br />

betont. Statt einer eher affirmativen und stabilisierenden<br />

Funktion für bestehende Herrschafts- und Gesellschaftssysteme<br />

sollte die Geschichtswissenschaft eine aufklärerische und emanzipatorische<br />

Aufgabe erfüllen. Man wollte also bewusst Lehren<br />

aus der Geschichte ziehen. Dazu müsse sie sich in großen Teilen<br />

von ihrer eigenen Tradition distanzieren: von der lange dominierenden<br />

ideologischen Staatsfrömmigkeit; von der einseitigen<br />

Konzentration auf die Geschichte des Staates und die politische<br />

Geschichte; von einer isolierten, ohne Bezug zu Sozialgeschichte<br />

und kollektive Mentalitäten und Ideologien betriebenen Ideengeschichte.<br />

Auch sollte der historisch geprägte Verstehensbegriff,<br />

der sich auf individuelle Haltungen und Handlungen konzentriert,<br />

durch die Analysen überindividueller gesellschaftlicher<br />

Strukturen und Prozesse ergänzt werden; es gehe um die Verknüpfung<br />

hermeneutischer und strukturgeschichtlicher Methoden.<br />

—————<br />

2 Prospekt »Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft«. Ordner Kritische<br />

Studien des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht.

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