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Trennung von Infrastruktur und Betrieb - Bundesverband Öffentliche ...

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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft 28<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />

Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />

des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen –<br />

Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unter-<br />

nehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong><br />

des Deutschen Städtetages<br />

mit Beiträgen <strong>von</strong><br />

Gerd Aberle / Frieder Haak / Justus Haucap / Robert Holländer<br />

Reinhold Hüls / Christian Jänig / Hubert Jung / Holger Krawinkel<br />

Rainer Plaßmann / Raim<strong>und</strong> Stüer / Bernard Thiry<br />

Joachim Wieland<br />

Herausgegeben <strong>von</strong> der<br />

Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />

Berlin 2008


Herausgeber:<br />

Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />

Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirt-<br />

schaft, des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche<br />

Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des<br />

Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages<br />

am 6./7. Dezember 2007 in Berlin<br />

Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />

Heft 28


ISBN 3-928615-23-8<br />

Die „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ wurden bisher herausgegeben <strong>von</strong> der Gesellschaft<br />

für öffentliche Wirtschaft e.V. (jetzt i.L.), Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Telefon (030)<br />

852 10 45, Telefax (030) 852 51 11, E-Mail info@bvoed.de, Internet www.bvoed.de<br />

Sie werden künftig herausgegeben vom B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen –<br />

Deutsche Sektion des CEEP e.V. (Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail wie oben).<br />

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks <strong>von</strong> Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe<br />

<strong>und</strong> der Übersetzung, vorbehalten.<br />

Printed in Germany.<br />

Gesamtherstellung: Druckerei H. Schlesener KG, Berlin<br />

Berlin 2008


<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />

Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />

des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche Sektion<br />

des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes<br />

Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages am<br />

6./7. Dezember 2007 in Berlin<br />

Inhalt Seite<br />

Referate im Plenum des Symposiums<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei kommunalen Versorgungsunternehmen?<br />

Justus Haucap 5<br />

Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> als Problem der<br />

Eigentumsgarantie<br />

Joachim Wieland 42<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> unter dem Aspekt<br />

Regulierung/Kontrolle der <strong>Infrastruktur</strong><br />

Bernard Thiry 53<br />

Die Entflechtungspolitik der Europäischen Kommission<br />

<strong>und</strong> deren mögliche Folgen<br />

Rainer Plaßmann 58<br />

Referate in den Workshops des Symposiums<br />

Workshop 1: Verkehrssektor<br />

Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man trennen,<br />

was technisch zusammengehört?<br />

Hubert Jung 75<br />

Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzausgliederung?<br />

Das Spannungsverhältnis zwischen innovativer Effizienz <strong>und</strong><br />

Wettbewerbssicherung<br />

Gerd Aberle 81<br />

3


Workshop 2: Energiesektor<br />

Stadtwerke als „kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>leister“<br />

Christian Jänig 91<br />

Workshop 3: Wassersektor<br />

Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />

Wasserversorgung?<br />

Frieder Haakh 105<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Bereich Wasserver-<br />

<strong>und</strong> Abwasserentsorgung – Entscheidungsrelevante Aspekte<br />

aus wissenschaftlicher Sicht<br />

Robert Holländer 112<br />

Anhang<br />

Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus Sicht des privaten<br />

Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />

Raim<strong>und</strong> Stüer 138<br />

Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />

Gerhard König 146<br />

Geschäftsmodell „Integriertes Unternehmen“ vor dem Aus?<br />

Holger Krawinkel 147<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen<br />

Wasserwirtschaft - im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong><br />

privaten Betreibern<br />

Reinhold Hüls 152<br />

Die Teilnehmer des Symposiums 162<br />

4


Justus Haucap */<br />

Vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien als Königsweg zu<br />

mehr Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft? **<br />

I. Einleitung<br />

Die mögliche eigentumsrechtliche vertikale <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netzeigentum<br />

einerseits <strong>und</strong> Diensteanbietern (welche diese Netze nutzen) andererseits<br />

wird momentan kontrovers in zahlreichen Netzindustrien diskutiert,<br />

sowohl auf politischer Ebene als auch in akademischen Zirkeln. Für die<br />

leitungsgeb<strong>und</strong>ene Energiewirtschaft hat die EU-Kommission im September<br />

2007 die strikte eigentumsrechtliche <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Stromtransportnetzen<br />

<strong>und</strong> im Gastransport <strong>von</strong> den anderen Stufen der Wertschöpfungskette<br />

vorgeschlagen. Im Bahnsektor wurde im Zuge der Teilprivatisierung<br />

der Deutschen Bahn AG, bis zu dem mittlerweile nach<br />

zähem Ringen gef<strong>und</strong>enen Kompromiss, darüber gestritten, ob die<br />

Deutsche Bahn AG als integrierter Konzern teilprivatisiert werden sollte<br />

oder aber das Schienennetz <strong>und</strong> andere <strong>Infrastruktur</strong>einrichtungen (wie<br />

Bahnhöfe) nicht besser vom Rest des Konzerns getrennt werden sollten.<br />

Diese Diskussion wird sicherlich in der Zukunft bei weiteren Privatisierungsschritten<br />

wieder aufleben. Selbst im mittlerweile seit über<br />

10 Jahren liberalisierten Telekommunikationsmarkt hat die EU-Kommission<br />

Vorschläge für eine strikte funktionelle Abtrennung <strong>und</strong> Herauslösung<br />

des Ortsnetzes aus den vertikal integrierten ehemaligen Monopolunternehmen<br />

unterbreitet. Und auch in der Wasserversorgung <strong>und</strong><br />

Abwasserentsorgung zeichnet sich eine ähnliche Diskussion ab.<br />

Diese Diskussion um die vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />

ist oftmals ideologisch aufgeladen. Die Analysen sind zumeist interessengeleitet<br />

<strong>und</strong> wenig systematisch. Auch die <strong>von</strong> der EU-Kommission<br />

selbst beauftragten Studien <strong>von</strong> London Economics 1 erwecken nicht den<br />

Eindruck einer ergebnisoffenen Analyse. Dies ist zwar aus politökonomischer<br />

Sicht interessant, aus wirtschaftspolitischer Perspektive jedoch<br />

bedauerlich.<br />

*<br />

Prof. Dr. Justus Haucap ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

/<br />

Unter Mitwirkung <strong>von</strong> Ulrich Heimeshoff (Universität Erlangen-Nürnberg) <strong>und</strong> Andre Uhde (Ruhr-<br />

Universität Bochum).<br />

**<br />

Dank gilt den Teilnehmern des Symposiums „<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>: Königsweg<br />

öffentlicher Aufgabenerledigung?“ in Berlin für wertvolle Kommentare <strong>und</strong> Diskussionen.<br />

1<br />

London Economics/PricewaterhouseCoopers (2006); London Economics (2007).<br />

5


Es ist daher sinnvoll, ein ökonomisches Prüfschema zu entwickeln, anhand<br />

dessen die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen Entflechtung systematisch<br />

beurteilt werden können. Genau dies leistet der vorliegende<br />

Beitrag.<br />

Zu diesem Zweck werden im folgenden Abschnitt zunächst die theoretischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Liberalisierung netzbasierter Industrien erörtert,<br />

bevor im dritten Abschnitt dann die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen<br />

Entflechtung der natürlichen Monopolbereiche aus ökonomischer Perspektive<br />

analysiert werden. Darauf aufbauend wird in Abschnitt 4 das angesprochene<br />

ökonomische Prüfschema entwickelt. In Abschnitt 5 wird<br />

dieses dann auf die Bereiche Eisenbahn, Elektrizität <strong>und</strong> Wasser exemplarisch<br />

angewendet, bevor in Abschnitt 6 die Ergebnisse noch einmal<br />

zusammengefasst werden.<br />

II. Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen der Liberalisierung netzbasierter<br />

Industrien<br />

1. Einführende Aspekte<br />

Die Reformen netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien sind regelmäßig durch drei zusammenhängende<br />

<strong>und</strong> wiederkehrend auftretende Aspekte: 2 , 3<br />

1. Privatisierung ehemals staatlicher Monopolunternehmen in differierenden<br />

Umfängen 4<br />

2. Liberalisierung des Marktzutritts <strong>und</strong><br />

3. Deregulierung.<br />

In diesem Kontext spielt die Unterscheidung <strong>von</strong> Liberalisierung <strong>und</strong> Deregulierung<br />

eine bedeutende Rolle. Liberalisierung steht für die Öffnung<br />

des Marktes für neue Anbieter <strong>und</strong> somit den Abbau <strong>von</strong> Markteintrittsbarrieren.<br />

Demgegenüber impliziert Deregulierung den Abbau staatlicher<br />

Vorschriften bezüglich des Verhaltens der Marktteilnehmer. 5<br />

Die Reform netzbasierter Industrien weist gegenüber herkömmlichen<br />

Branchen den entscheidenden Unterschied auf, dass Liberalisierung<br />

2<br />

Für einen allgemeinen Überblick zum Thema Erfolge ökonomischer Liberalisierung vgl. Winston<br />

(1993); Newbery (2000) sowie Geradin (2006). Eine Zusammenfassung der Reformen des Telekommunikationssektors<br />

in Deutschland findet sich in Vogelsang (2003). Dewenter/Haucap (2004a)<br />

u. (2004b) bewerten Erfolge <strong>und</strong> Verbesserungspotenziale der Telekommunikationsliberalisierung<br />

in Deutschland.<br />

3<br />

Vgl. Haucap/Heimeshoff (2005); Haucap u.a. (2006).<br />

4<br />

Martin u.a. (2005); Brunekreeft/Knieps (2003).<br />

5<br />

Vogelsang (2003).<br />

6


nicht mit Deregulierung gleichgesetzt werden kann. Stattdessen kann in<br />

netzbasierten Industrien treffender <strong>von</strong> einer Re-Regulierung gesprochen<br />

werden. Liberalisierung umfasst zwar auch hier Deregulierung im<br />

Sinne der Privatisierung des ehemaligen staatlichen Monopolisten. Dem<br />

privatisierten Unternehmen wird folglich weitestgehende Handlungsfreiheit<br />

im Rahmen seiner Unternehmenspolitik gewährt <strong>und</strong> dementsprechend<br />

erfolgt eine Entlassung aus der Regulierung durch öffentliches<br />

Eigentum. 6 Diese deregulierenden Maßnahmen sind allerdings keineswegs<br />

ausreichend um Wettbewerb in netzbasierten Industrien zu stimulieren,<br />

da das ehemalige Staatsunternehmen nach wie vor über ein<br />

Monopol bzw. zumindest beträchtliche Marktmacht verfügt <strong>und</strong> die Kontrolle<br />

über die wesentlichen Einrichtungen der jeweiligen Branche besitzt.<br />

Genau diese monopolistischen Engpassbereiche, wie z.B. die Stromnetze<br />

im Bereich der leitungsgeb<strong>und</strong>enen Energie, bedürfen einer völligen<br />

Neuregulierung. Ohne diese Neuregulierung bzw. Re-Regulierung<br />

wird die Liberalisierung <strong>von</strong> Netzindustrien allein nicht zum Erfolg führen.<br />

Ein wesentliches Merkmal netzbasierter Industrien ist die vertikale Integration<br />

der ehemaligen Staatsmonopolisten. Beispielsweise erzeugen<br />

die großen Energieversorgungsunternehmen nicht nur Elektrizität, sondern<br />

transportieren diese auch über ihr Netz <strong>und</strong> veräußern sie entweder<br />

selbst direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften an Endk<strong>und</strong>en.<br />

Somit üben die ehemaligen Monopolisten als vertikal integrierte Eigentümer<br />

der monopolistischen Engpassbereiche mehr oder minder starken<br />

Einfluss auf ihre Nutzung aus. Beispiele für solche wesentlichen Einrichtungen<br />

sind die Teilnehmeranschlussleitung im Telekommunikationsbereich,<br />

die Leitungsnetze im Stromsektor, die Schieneninfrastruktur<br />

im Bahnbereich sowie Transport- <strong>und</strong> Verteilungseinrichtungen in der<br />

Trinkwasserversorgung. Damit Wettbewerb in netzbasierten Industrien<br />

überhaupt entstehen kann, benötigen die neuen Wettbewerber Zugang<br />

zu den wesentlichen Einrichtungen des Ex-Monopolisten. Nur so können<br />

sie Leistungen an Endk<strong>und</strong>en auf dem nachgelagerten Markt anbieten.<br />

Wie bereits zuvor angesprochen, sind die ehemaligen Staatsmonopolisten<br />

i.d.R. vertikal integrierte Unternehmen, die somit auch auf der nachgelagerten<br />

Ebene tätig sind. Für solche Unternehmen können starke Anreize<br />

bestehen, den Konkurrenten auf dem nachgelagerten Markt den<br />

Zugang zu den Bottlenecks zu verwehren <strong>und</strong> ihre Marktmacht im Netzbereich<br />

auf den nachgelagerten Markt zu übertragen. 7 (Diese vertikale<br />

Marktmachtübertragung kann zu einer vollständigen Marktabschottung<br />

6 Unter Unternehmenspolitik wird hier das gesamte Spektrum unternehmerischer Entscheidungen<br />

wie beispielsweise Preissetzung, Produktpolitik, Investitionsentscheidungen, Personalpolitik <strong>und</strong><br />

weiteren Aspekten verstanden.<br />

7 Vgl. auch Haucap/Heimeshoff (2005).<br />

7


(Foreclosure) führen. 8 Um eine solche Marktabschottung effektiv zu verhindern<br />

bzw. die vertikale Marktmachtübertragung einzudämmen, wird in<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis im Zuge der Liberalisierung netzgeb<strong>und</strong>ener<br />

Industrien gleichermaßen intensiv über eine vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener<br />

Industrien diskutiert. Dem Vorschlag zur Entflechtung wird<br />

dann regelmäßig das Argument umfassender Effizienzverluste in vertikal<br />

entflochtenen Industrien entgegengehalten. Darüber hinaus könnten reduzierte<br />

Investitionsanreize Folge vertikaler Entflechtung sein.<br />

Die klassische ökonomische Begründung zur Regulierung <strong>von</strong> Versorgungsunternehmen<br />

wird aus der Theorie natürlicher Monopole abgeleitet.<br />

9 In der ökonomischen Theorie spricht man <strong>von</strong> natürlichen Monopolen,<br />

wenn die Kostenfunktion im relevanten Bereich subadditiv ist. Der<br />

Spezialfall strikter Subadditivität liegt vor, wenn ein Unternehmen eine<br />

Leistung in bestimmtem Umfang günstiger bereitstellen kann als zwei<br />

oder mehr Unternehmen. 10 Als Ursachen subadditiver Kosten kommen<br />

unter anderem folgende Aspekte in Betracht:<br />

1. Sinkende Durchschnittskosten aufgr<strong>und</strong> steigender Skalenerträge,<br />

wobei dies eine hinreichende aber nicht notwendigerweise notwendige<br />

Bedingung für ein natürliches Monopol ist,<br />

2. Verb<strong>und</strong>- oder Dichtevorteile.<br />

Verb<strong>und</strong>- oder Dichtevorteile im lokalen Bereich sind i.d.R. die Ursache<br />

für natürliche Monopole in Netzindustrien. 11 Aus der Subadditivität der<br />

Kostenfunktion resultiert die Folge, dass die Leistungserstellung durch<br />

mehrere Unternehmen als volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung<br />

interpretiert werden muss. 12<br />

Um diese Ressourcenverschwendung zu vermeiden <strong>und</strong> die Leistungsbereitstellung<br />

durch einen einzigen Anbieter zu gewährleisten, wurden<br />

Anbietern in Netzindustrien lange Zeit Monopolrechte eingeräumt. Ein<br />

zweiter Gr<strong>und</strong> für die Einräumung <strong>von</strong> Monopolrechten bestand in der<br />

politisch gewünschten flächendeckenden Versorgung, die ohne Eingriffe<br />

aufgr<strong>und</strong> regional differierender Kosten nicht zu Einheitspreisen gewährleistet<br />

ist. Zwar konnten dadurch Skalenerträge zur Erlangung produktiver<br />

Effizienz erreicht werden, konträr dazu entstanden aber neue<br />

Ineffizienzen. Gemäß der ökonomischen Standardtheorie verknappt ein<br />

8<br />

Rey/Tirole, (2007).<br />

9<br />

Joskow/Rose (1989); Train (1991).<br />

10<br />

Panzar (1989).<br />

11<br />

Kruse (2001a) u. (2001b).<br />

12<br />

Diese Interpretation setzt voraus, dass andere Kosteneinflussgrößen nicht systematisch durch die<br />

Monopolstellung beeinflusst werden.<br />

8


gewinnorientiertes Monopolunternehmen sein Angebot künstlich, um dadurch<br />

einen gewinnmaximalen Preis erzielen zu können. Daraus entstehen<br />

jedoch allokative Ineffizienzen bzw. anders ausgedrückt wird zu<br />

wenig produziert <strong>und</strong> konsumiert. Durch diese Form der Regulierung<br />

entstehen aber nicht nur Ineffizienzen, sondern politökonomisch betrachtet<br />

auch unerwünschte Verteilungswirkungen, da im Vergleich zur<br />

Wettbewerbsituation eine Teil der Konsumentenrente zu Produzentenrente<br />

wird, was auch als Transfer <strong>von</strong> den Verbrauchern zum Monopolisten<br />

interpretiert werden kann. Prinzipiell sind solche Verteilungseffekte<br />

irrelevant für die Beurteilung der ökonomischen Effizienz, im Zeitablauf<br />

können daraus aber weitere Ineffizienzen durch Rent-seeking <strong>und</strong><br />

andere unproduktive Tätigkeiten entstehen. 13 Des Weiteren sollte die<br />

Wirkung solcher Verteilungseffekte in Bezug auf die Durchsetzung <strong>und</strong><br />

Akzeptanz <strong>von</strong> Reformen nicht unterschätzt werden. Zur Vermeidung<br />

allokativer Ineffizienzen sowie unerwünschter Verteilungseffekte wurden<br />

in den meisten Staaten die Endverbraucherpreise in Versorgungsbereichen<br />

staatlich kontrolliert (wie z.B. die Strompreise für Privatk<strong>und</strong>en in<br />

Deutschland) oder Leistungen direkt staatlich erbracht, wie z.B. im<br />

Bahnbereich oder in der Wasserwirtschaft. In diesem Kontext ist zu<br />

konstatieren, dass das Angebot <strong>und</strong> die Preise überwiegend politisch<br />

determiniert wurden.<br />

Die in den letzten Jahren zu beobachtende Liberalisierung netzbasierter<br />

Industrien in Europa ist vor allem mit den folgenden zwei Erkenntnissen<br />

zu erklären:<br />

1. Zum einen führt ein Monopol nicht nur zu allokativer Ineffizienz, sondern<br />

darüber hinaus zu ineffizienter Produktionsweise. Es kommt infolgedessen<br />

zu X-Ineffizienzen bzw. produktiver Ineffizienz. 14 Anders<br />

ausgedrückt produziert das Monopolunternehmen in einem solchen<br />

Fall zu ineffizient hohen Kosten, wodurch auch Innovationsanreize<br />

negativ beeinflusst werden können. 15<br />

2. Zum anderen betrachtet man inzwischen nicht mehr die gesamte Versorgungsbranche<br />

monolithisch als natürliches Monopol, sondern ersetzt<br />

diese traditionelle Betrachtungsweise durch einen disaggregierten<br />

Ansatz. Dabei wird die Wertschöpfungskette in ihren einzelnen<br />

Stufen betrachtet, um die Stufen zu identifizieren, die als natürliches<br />

Monopol angesehen werden müssen. 16 Im Gegensatz zum<br />

13 Tullock (1967).<br />

14 Leibenstein (1966).<br />

15 Martimort/Verdier (2004).<br />

16 Knieps (1999) u. (2002).<br />

9


10<br />

traditionellen Ansatz werden die übrigen Stufen der Wertschöpfungskette<br />

als kompetitive Bereiche angesehen.<br />

Diese beiden Aspekte sollen in den folgenden Abschnitten näher betrachtet<br />

werden.<br />

2. Effizienzprobleme<br />

Im Falle staatlicher Monopole ist insbesondere das Problem produktiver<br />

Ineffizienzen als besonders ausgeprägt anzusehen. Private Monopole<br />

arbeiten i.d.R. gewinnorientiert <strong>und</strong> haben infolgedessen ein Interesse<br />

daran, Verschwendung zu vermeiden <strong>und</strong> effizient zu produzieren. Darüber<br />

hinaus unterliegen sie zusätzlich der Kontrolle <strong>und</strong> daraus folgend<br />

der Disziplinierung der Kapitalmärkte. Demgegenüber verfolgen staatliche<br />

Monopole kein klares Gewinnmaximierungsmotiv, sondern stattdessen<br />

häufig mehrere, in Konflikt zueinander stehende, Ziele. Außerdem<br />

unterliegen sie nicht der Kontrolle sowie der disziplinierenden Wirkung<br />

<strong>von</strong> Kapitalmärkten. Verb<strong>und</strong>en mit weichen Budgetrestriktionen, laden<br />

diese Aspekte gerade zu ineffizienter Produktion ein. 17 Daraus wird deutlich,<br />

dass das Problem der produktiven Ineffizienz im Falle staatlicher<br />

Monopole besonders ausgeprägt ist. Dies wird auch nicht dadurch aufgehoben,<br />

dass die allokative Verzerrung im Vergleich zu privaten Monopolen<br />

aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Gewinnorientierung geringer sein kann. 18<br />

Wie Erfahrungen größtenteils zeigen, überwiegen die produktiven <strong>und</strong><br />

dynamischen Ineffizienzen staatlicher Monopole ihre möglichen allokativen<br />

Effizienzvorteile gegenüber gewinnorientierten privaten Anbietern<br />

bei weitem.<br />

Als Fazit bleibt, dass staatliche Monopole insgesamt weniger effizient als<br />

private Monopole sind. Aus dieser Beobachtung zu schließen, dass ein<br />

bloße Privatisierung des staatlichen Unternehmens bereits zu einer<br />

Lösung aller Effizienzprobleme führen würde, wäre hingegen zu kurz gegriffen.<br />

19 Wird ein staatliches Monopolunternehmen in Privateigentum<br />

überführt, verändert dies die Anreizstruktur des Unternehmens gr<strong>und</strong>legend.<br />

Von einer Vielzahl unter Umständen konfligierender Ziele findet<br />

ein Paradigmenwechsel hin zu einer verstärkten Gewinnorientierung<br />

17<br />

Stiglitz (1994).<br />

18<br />

Statt der Gewinnmaximierung kann z.B. <strong>von</strong> einer Umsatz- oder Budgetmaximierung ausgegangen<br />

werden, die zu einer Ausdehnung der angebotenen Menge führt <strong>und</strong> somit konträr zu der im privaten<br />

Monopol zu beobachtenden Verknappung der angebotenen Menge steht.<br />

19<br />

Dies gilt sowohl für eine Überführung in eine private Organisationsform als auch für die tatsächliche<br />

materielle Privatisierung.


statt. Die Durchsetzung derartiger Privatisierungsvorhaben setzt aber<br />

regelmäßig eine wirksame Regulierung des ehemaligen Monopolunternehmens<br />

zum Schutz der Konsumenten vor Ausbeutung voraus.<br />

Des Weiteren spielen trotz des Paradigmenwechsels, den es bei der<br />

Regulierung vieler netzbasierter Industrien mittlerweile gegeben hat,<br />

verteilungspolitische Ziele nach wie vor eine erhebliche Rolle. So hat die<br />

B<strong>und</strong>esnetzagentur in dem 2006 vorgelegten Bericht zur Anreizregulierung<br />

der Elektrizitätsnetze sehr deutlich gleich auf der ersten Seite in<br />

Textziffer (3) auf diese Verteilungsaspekte hingewiesen. Dort heißt es:<br />

„Eine Effizienzsteigerung kann dabei nicht ausschließlicher Zweck der<br />

Anreizregulierung sein. Ziel des staatlichen Eingriffs muss es auch sein,<br />

Gewinne aus natürlichen Monopolen zu begrenzen“. 20 Und in Textziffer<br />

(166) heißt es etwas ausführlicher: „Eine Effizienzsteigerung <strong>und</strong> die<br />

damit verb<strong>und</strong>ene Möglichkeit für die Unternehmen, die erzielten Gewinne<br />

einzubehalten, kann dabei nicht ausschließlicher Zweck der Anreizregulierung<br />

sein. Ziel des staatlichen Eingriffs muss es auch sein,<br />

Gewinne aus natürlichen Monopolen zu begrenzen <strong>und</strong> Effizienzgewinne<br />

an die K<strong>und</strong>en weiterzugeben. Neben ökonomischen Aspekten spielen<br />

auch Fragen der öffentlichen <strong>und</strong> politischen Akzeptanz eine Rolle. Wird<br />

ein Regulierungsregime <strong>von</strong> der Öffentlichkeit abgelehnt oder produziert<br />

es unerwünschte Ergebnisse, kann es dauerhaft nicht bestehen“. 21 In der<br />

Tat hat die empirische Arbeit <strong>von</strong> Henisz, Holburn <strong>und</strong> Zelner 22 jüngst<br />

gezeigt, dass fehlende politische Akzeptanz zu instabilen Rahmenbedingungen<br />

führt. Dies wiederum wirkt sich gerade in netzgeb<strong>und</strong>enen Industrien,<br />

welche sich durch ein hohes Maß an spezifischen Investitionen<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en irreversiblen Kosten auszeichnen, äußerst negativ<br />

auf die Investitionsanreize aus. Somit ist die politische Akzeptanz, welche<br />

durch eine faire Verteilung der Effizienzgewinne erreicht wird, nicht<br />

zwangsläufig als außerökonomisches Ziel anzusehen. Vielmehr wird<br />

durch eine faire Verteilung der Effizienzgewinne das Regulierungssystem<br />

stabilisiert <strong>und</strong> durch die dadurch abgesicherten Investitionsanreize<br />

auch die langfristige Effizienz des Marktes unterstützt. Verteilungs- <strong>und</strong><br />

Effizienzziele müssen sich somit nicht widersprechen, legt man einen<br />

institutionenökonomischen Effizienzbegriff à la Williamson 23 <strong>und</strong> Dixit 24<br />

zugr<strong>und</strong>e.<br />

20<br />

B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006), S. 13.<br />

21<br />

Ebenda, S. 46.<br />

22<br />

Henisz u.a. (2006).<br />

23<br />

Williamson (1996).<br />

24<br />

Dixit (1996).<br />

11


3. Die disaggregierte Betrachtung<br />

Neben dem Effizienzproblem ist die disaggregierte Betrachtung der<br />

Wertschöpfungskette der zweite wichtige Aspekt bei der Liberalisierung<br />

netzbasierter Industrien. Netzindustrien wie die Telekommunikationsbranche<br />

wurden lange Zeit als eine Einheit betrachtet. Eine disaggregierte<br />

Betrachtung zeigt aber, dass nicht alle Stufen der Wertschöpfungskette<br />

als natürliche Monopole zu charakterisieren sind. 25 Stattdessen<br />

wird diese Eigenschaft inzwischen nur noch den sog. Bottlenecks<br />

zugebilligt.<br />

Die theoretische Gr<strong>und</strong>lage des disaggregierten Ansatzes stellt das <strong>von</strong><br />

Baumol, Panzar <strong>und</strong> Willig 26 entwickelte Modell der bestreitbaren Märkte<br />

dar. Im Rahmen ihres Konzepts stellen sie fest, dass ein Monopol aus<br />

ordnungspolitischer Sicht unproblematisch ist, wenn das Monopol entweder<br />

temporärer Natur oder angreifbar ist. In diesem Fall würde es sich<br />

um einen bestreitbaren Markt (contestable market) handeln. Die Bestreitbarkeit<br />

eines Marktes ist dann gegeben, wenn keine Markteintrittsbarrieren<br />

existieren, die neuen Anbietern den Markteintritt erschweren<br />

bzw. ihn ausschließen <strong>und</strong> infolgedessen Ineffizienzen aufrechterhalten<br />

werden können. 27 Ist Bestreitbarkeit gegeben, können auch Monopole<br />

effizient sein <strong>und</strong> somit wäre in diesem Fall jegliche Regulierung überflüssig.<br />

Effizienz würde aufgr<strong>und</strong> des potenziellen Konkurrenzdrucks<br />

gesichert. Sind Monopole hingegen nicht temporärer Natur <strong>und</strong> auch<br />

nicht angreifbar, spricht man <strong>von</strong> resistenten natürlichen Monopolen. Bei<br />

resistenten natürlichen Monopolen sind regulatorische Eingriffe regelmäßig<br />

sinnvoll, weil der potenzielle Konkurrenzdruck fehlt. Die wesentliche<br />

Markteintrittsbarriere in Netzindustrien stellt der Aufbau <strong>von</strong> Netzinfrastrukturen<br />

dar, der erhebliche spezifische Investitionen bedingt.<br />

Diese spezifischen Investitionen verursachen versunkene Kosten, die<br />

sich auch bei einem möglichen Marktaustritt nicht vermeiden lassen.<br />

Im Rahmen des disaggregierten Ansatzes wird untersucht, welche Stufen<br />

der Wertschöpfungskette kompetitiv ausgestaltet werden können <strong>und</strong><br />

welche resistente natürliche Monopole darstellen. Dazu werden die jeweiligen<br />

Wertschöpfungsketten vertikal aufgegliedert. Im Anschluss kann<br />

dann grob zwischen der <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> den mit Hilfe dieser <strong>Infrastruktur</strong><br />

erbrachten Diensten unterschieden werden. Etwas detaillierter kann<br />

25 Knieps (1997) u. (1999).<br />

26 Baumol (1982).<br />

27 Vgl. auch <strong>von</strong> Weizsäcker (1980) u. (2005); McAfee u.a. (2004).<br />

12


Tabelle 1: Subadditivität, Irreversibilität <strong>und</strong> Monopolresistenz in<br />

ausgewählten Bereichen<br />

Branche Produktionsstufe, TeilSub-additiMarkt-IrreverMonopolbereichvität*sibilität Resistenz<br />

1 2 3 4 5<br />

Telekommunikation Teilnehmeranschlussleitung ja** hoch<br />

noch<br />

(Festnetz)<br />

Verbindungsnetz<br />

nein gering<br />

nein<br />

Endgeräte<br />

nein gering<br />

nein<br />

Strom Erzeugung<br />

nein gering<br />

nein<br />

Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />

hoch<br />

ja***<br />

Vertrieb<br />

nein gering<br />

nein<br />

Gas Produktion/Import<br />

nein gering<br />

nein<br />

Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />

hoch<br />

ja<br />

Trinkwasser Gewinnung<br />

evtl. evtl.<br />

evtl.<br />

Aufbereitung<br />

nein nein<br />

nein<br />

Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />

hoch<br />

ja<br />

Abwasser Kanalisation<br />

ja<br />

hoch<br />

ja<br />

Aufbereitung<br />

nein gering<br />

nein<br />

Briefe, Pakete Annahme, Transport nein gering<br />

Nein<br />

Zustellung<br />

evtl. gering<br />

nein<br />

Kabelfernsehen Programm<br />

nein gering<br />

nein<br />

Distribution<br />

ja<br />

hoch<br />

ja<br />

Schienenverkehr Schienennetz<br />

ja<br />

hoch<br />

Ja<br />

(Eisenbahn) Personenverkehr bei:<br />

- geringer Verkehrsdichte ja<br />

gering<br />

nein<br />

- hoher Verkehrsdichte nein gering<br />

nein<br />

Güterverkehr<br />

nein gering<br />

nein<br />

U-/Straßen-Bahn Wege <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ja hoch Ja<br />

Busverkehr bei geringer Verkehrsdichte ja<br />

gering<br />

nein<br />

bei hoher Verkehrsdichte nein gering<br />

nein<br />

Flugverkehr Flughäfen<br />

evtl. hoch<br />

evtl.<br />

gesamtes Liniennetz nein gering<br />

nein<br />

einzelne Relationen ja<br />

gering<br />

nein<br />

Schifffahrt Häfen<br />

evtl. hoch<br />

evtl.<br />

Verkehr<br />

nein gering<br />

nein<br />

Quelle: Die Übersicht stellt eine anhand eigener Recherchen überarbeitete Version <strong>von</strong> Kruse<br />

(1985), S. 66 dar.<br />

* Natürlich besteht in fast jedem Industriezweig für einen bestimmten Bereich sehr geringer Nachfragemengen<br />

eine Subadditivität der Kostenfunktion (nämlich bis die mindestoptimale <strong>Betrieb</strong>sgröße<br />

erreicht ist). Von daher beziehen sich die Angaben auf typische Nachfragegrößen außerhalb<br />

<strong>von</strong> dünn besiedelten ländlichen Bereichen in Deutschland. Auf einer kleinen entlegenen Südseeinsel<br />

ist fast jegliche Produktion ein natürliches Monopol.<br />

** Über die Subadditivität der Kostenfunktion im TK-Ortsnetz gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen<br />

(vgl. Correa (2003), Shin/Ying (1992).<br />

*** Die Monopolresistenz im Bereich des Stromtransports <strong>und</strong> der Stromverteilung kann sich jedoch<br />

auflösen, wenn die Kosten für sog. Mikro-Power-Anlagen weiter sinken, welche Transport <strong>und</strong><br />

Verteilung weitgehend überflüssig machen.<br />

zwischen Netzleistungen (Erstellung, <strong>Betrieb</strong>, Instandhaltung der Netzinfrastruktur),<br />

Steuerungsleistungen (z.B. Trassenallokation, Fahrplanmanagement),<br />

vorgelagerten Leistungen (z.B. Energieerzeugung, Trinkwasseraufbereitung,<br />

Posteinsammeln) <strong>und</strong> nachgelagerten Leistungen<br />

13


(z.B. Vertrieb, Verteilung, Entsorgung) differenziert werden. Dabei stellen<br />

Netz- <strong>und</strong> Steuerungsleistungen oftmals resistente natürliche Monopolbereiche<br />

dar, zu denen Wettbewerber auf vor- oder nachgelagerten<br />

Märkten Zugang benötigen. Ohne Zugriff auf die entsprechenden<br />

wesentlichen Einrichtungen wie z.B. die Stromnetze im Elektrizitätsbereich<br />

oder dem Schienennetz der Bahn zu bekommen können potenzielle<br />

Wettbewerber nicht auf den jeweiligen vor- oder nachgelagerten<br />

Märkten ihre Dienste anbieten. In Anlehnung an Kruse 28 lässt sich eine<br />

disaggregierten Betrachtung netzbasierter Industrien, wie in vorangehender<br />

Tabelle 1, dargestellt vornehmen.<br />

4. Vertikale Marktabschottung<br />

Wird der Zugang zu wesentlichen Einrichtungen nicht durch eine Regulierungsbehörde<br />

durch adäquate Maßnahmen sichergestellt, besteht für<br />

den etablierten Anbieter die Möglichkeit <strong>und</strong> darüber hinaus der Anreiz,<br />

Wettbewerber durch überhöhte Netzzugangsentgelte vom nachgelagerten<br />

Markt fernzuhalten. 29 Um eine solche vertikale Marktabschottung auf<br />

nachgelagerten Dienstemärkten zu vermeiden, enthält der regulatorische<br />

Rahmen vieler netzbasierter Industrien Vorschriften, die den Zugang zu<br />

wesentlichen Einrichtungen ermöglichen sollen. 30<br />

Die Diskussion der spezifischen Charakteristika netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />

zeigt, dass im Hinblick auf Diskriminierungspotenziale die vertikale<br />

Industriestruktur ein wesentlicher Einflussfaktor ist. Bei der Analyse der<br />

Vor- <strong>und</strong> Nachteile vertikaler Entflechtung in Netzindustrien, sollten<br />

neben der Betrachtung <strong>von</strong> Diskriminierungspotenzialen vor allem aber<br />

auch Anreize für eine effiziente Investitionstätigkeit des <strong>Infrastruktur</strong>anbieters<br />

im Mittelpunkt der Analyse stehen. Im folgenden Kapitel werden<br />

zunächst theoretische Erwägungsgründe für oder gegen die vertikale<br />

Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien diskutiert.<br />

28 Kruse (1985).<br />

29 Die Theorie der Inputpreisdiskriminierung <strong>und</strong> vertikalen Marktabschottung soll hier nicht im Detail<br />

dargestellt werden. Stattdessen sei auf Haucap/Heimeshoff (2005) sowie Rey/Tirole (2007) <strong>und</strong> die<br />

dort zitierte Literatur verwiesen.<br />

30 Für weitere Details siehe Haucap/Heimeshoff (2005).<br />

14


III. Vertikale Integration <strong>und</strong> Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />

aus ökonomischer Perspektive<br />

Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, ist ein diskriminierungsfreier<br />

Netzzugang elementar für einen Wettbewerb auf den vor-<br />

<strong>und</strong> nachgelagerten Märkten <strong>von</strong> Netzindustrien. Gleichsam werden die<br />

Missbrauchspotenziale aus einer zusätzlich vertikalen Marktabschottung<br />

des Netzbetreibers als beträchtlich <strong>und</strong> wettbewerbspolitisch nur schwer<br />

lösbar angesehen. Die vertikale Disintegration oder auch vertikale Entflechtung<br />

(vertical unb<strong>und</strong>ling) stellt eine Marktstrukturregulierung dar,<br />

die sich gegen diese in Netzindustrien oftmals historisch gewachsene<br />

vertikale Konzentration auf zwei oder mehreren verb<strong>und</strong>enen Märkten<br />

richtet. Im Sinne des disaggregierten Ansatzes 31 ist es das Ziel dieser<br />

wettbewerbspolitischen Maßnahme, die wettbewerbsfähigen <strong>von</strong> den<br />

monopolistischen Bereichen einer netzgeb<strong>und</strong>enen Industrie zu trennen.<br />

In diesem Zuge gilt es, die industrielle Wertschöpfungskette funktional in<br />

die Bereiche der Netzinfrastruktur (Transport, Verteilung), der vorgelagerten<br />

Produktionsstufen (Upstream-Aktivitäten, Erzeugung) <strong>und</strong> der<br />

nachgelagerten Produktionsstufen (Downstream-Aktivitäten, Versorgung,<br />

Dienstleistungen) aufzugliedern. Im Hinblick auf den Intensitätsgrad der<br />

Entflechtung sowie ihre wettbewerbsökonomische Wirkung lassen sich<br />

die folgenden vier Desintegrationsansätze differenzieren 32 .<br />

Unb<strong>und</strong>ling of Accounts. Die buchhalterische Aufspaltung des zu regulierenden<br />

Unternehmens in die idealtypischen Einzelkonten der Erzeugung,<br />

des Netzbetriebs <strong>und</strong> der Versorgung beschreibt die schwächste der<br />

möglichen Desintegrationsmaßnahmen, da lediglich eine nach zuvor definierten<br />

Funktionsbereichen des Unternehmens getrennte Rechnungslegung<br />

vorgeschrieben wird ohne tiefer in die Unternehmensorganisation<br />

<strong>und</strong> -aktivitäten einzugreifen. Das wesentliche Ziel einer solchen bilanziellen<br />

Entflechtung ist es, die Kosten für den Netzbetrieb <strong>von</strong> den Kosten<br />

für Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung zu trennen <strong>und</strong> auf diese Weise für<br />

ein höheres Maß an Transparenz für die Berechnung des Netzzugangsentgelts<br />

zu sorgen. Obwohl die Bilanzierung der zukünftigen Unternehmensaktivitäten<br />

in der Art <strong>und</strong> Weise zu erfolgen hat, als ob es sich bei<br />

den bilanziell getrennten Funktionsbereichen um selbstständig wirtschaftende<br />

Segmente des Unternehmens handelt, bleiben die internen<br />

Organisationsabläufe, die rechtlichen Beziehungen nach innen <strong>und</strong><br />

außen sowie die Eigentumsverhältnisse de facto <strong>von</strong> der Entflechtung<br />

unberührt. Zudem kann eine <strong>Trennung</strong> der Rechnungslegung nur dann<br />

31 Vgl. Knieps (1999).<br />

32 Vgl. zu den weiteren Ausführungen auch Monopolkommission (2003), Tz. 811.<br />

15


eine erhöhte Transparenz der Kostenstruktur sowie die Offenlegung<br />

wettbewerbsverzerrender Quersubventionen (interne Verrechnungspreise)<br />

zwischen den Funktionsbereichen bewirken, wenn einem solchen<br />

Verfahren ein übermäßiger Grad an bilanziellen Ansatz- <strong>und</strong> Bewertungswahlrechten<br />

nicht entgegensteht. Aus wettbewerbsökonomischer<br />

Sicht darf die buchhalterische <strong>Trennung</strong> demzufolge als eine notwendige,<br />

jedoch keinesfalls als eine hinreichende Bedingung für die Sicherstellung<br />

eines diskriminierungsfreien Netzzugangs beschrieben werden.<br />

Management Unb<strong>und</strong>ling. Eine im Vergleich zum Unb<strong>und</strong>ling of<br />

Accounts weitergehende Entflechtungsmaßnahme stellt die zusätzliche<br />

Verpflichtung des betroffenen Unternehmens zur eigenständigen Organisation<br />

der Netzinfrastruktur als eine separate Unternehmenssparte dar.<br />

Aus wettbewerbsökonomischer Perspektive besteht das Ziel dieser<br />

Maßnahme darin, die Unabhängigkeit der Netzinfrastruktur <strong>von</strong> den anderen<br />

Unternehmenssegmenten (Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung) noch<br />

weiter zu erhöhen <strong>und</strong> mithin das Diskriminierungspotenzial gegenüber<br />

Newcomern bei der Überlassung des Netzzugangs zu verringern. Dieses<br />

Potenzial lässt sich durch eine organisatorische Abspaltung der Netzinfrastruktur<br />

jedoch nicht vollständig einschränken, da die einzelnen<br />

separierten Sparten noch immer dem Weisungsrecht der hierarchisch<br />

übergeordneten Unternehmensführung unterworfen sind.<br />

Legal Unb<strong>und</strong>ling. Im Zuge der (gesellschafts-) rechtlichen Entflechtung<br />

sind die verschiedenen Bereiche des zu regulierenden Unternehmens zu<br />

separieren, wobei nun jedoch die Organisation der Segmente in eigenständige<br />

Rechtsformen erfolgt, deren Aktien (Stimmrechte) <strong>von</strong> einer<br />

Holding vorgehalten werden, die typischerweise durch die Muttergesellschaft<br />

verkörpert wird. Die Unabhängigkeit des auf diese Weise neu<br />

geschaffenen Netzbetreiberunternehmens soll dadurch sicher gestellt<br />

werden, dass eine gemeinsame Führung mit anderen Unternehmenssegmenten<br />

(Erzeugung, Versorgung) durch Personalunion ausgeschlossen<br />

<strong>und</strong> der Informationsaustausch zwischen diesen Bereichen mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> so genannten Chinese Walls erschwert wird. Eine vollkommene<br />

Unabhängigkeit lässt sich jedoch auch durch eine rechtliche Entflechtung<br />

nicht erreichen, da die Netzinfrastrukturgesellschaft noch immer der uneingeschränkten<br />

Entscheidungsgewalt des hierarchisch übergeordneten<br />

Vorstands der Holding unterliegt.<br />

Ownership Unb<strong>und</strong>ling. Den tiefsten wirtschaftspolitischen Eingriff verkörpert<br />

die eigentumsrechtliche Entflechtung des betroffenen Unternehmens.<br />

Wie im Zuge des Legal Unb<strong>und</strong>ling wird die Netzinfrastruktur<br />

institutionell separiert, wobei sie jedoch zusätzlich aus dem bisherigen<br />

16


Unternehmensverb<strong>und</strong> ausgegliedert wird <strong>und</strong> das Eigentum anschließend<br />

in die Hände außenstehender Dritter als neue Anteilseigner übergeht.<br />

Unter Vernachlässigung allgemeiner Effizienzüberlegungen ist<br />

diese Art <strong>von</strong> Entflechtung aus einer rein wettbewerbsorientiertenSicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich zu begrüßen, da die Anreize der Netzbetreiber, potenzielle<br />

Wettbewerber zu diskriminieren, aufgr<strong>und</strong> der nun geschaffenen vollständigen<br />

Unabhängigkeit der Netzinfrastruktur entfallen.<br />

Es ist also festzuhalten, dass eine vertikale Entflechtung am besten<br />

geeignet ist, das Diskriminierungspotenzial zu bändigen <strong>und</strong> eine vertikale<br />

Marktabschottung zu verhindern. Was also spricht dann gegen eine<br />

solche Entflechtung? Neben juristischen Argumenten gibt es auch eine<br />

Reihe <strong>von</strong> ökonomischen Aspekten, welche gegen eine vertikale Entflechtung<br />

netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien sprechen können: 33<br />

a) Zunächst gilt es zu betonen, dass die vertikale Entflechtung zwar das<br />

Problem der vertikalen Marktabschottung zu lösen vermag, doch<br />

unabhängig da<strong>von</strong> dürfte das Problem monopolistischer Netzzugangsentgelte<br />

auch im Falle nicht integrierter Monopolanbieter bestehen<br />

bleiben. Dies liegt daran, dass sich ein gewinnmaximierendes<br />

Unternehmen selbst bei einer verpflichtenden Offenlegung <strong>von</strong> Informationen<br />

aus der internen <strong>und</strong> externen Rechungslegung im Zuge<br />

des Management oder Legal Unb<strong>und</strong>ling weiterhin opportunistisch<br />

verhalten wird <strong>und</strong> bewusst Informationen verzerrt. 34 Begünstigt durch<br />

eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Regulierungsbehörden<br />

<strong>und</strong> betroffenen Unternehmen bleibt die Preisdiskriminierung<br />

des Netzbetreibers aus Sicht der Behörde somit weiterhin intransparent.<br />

Zwar kann die Behörde nun die Festsetzung der Netzzugangsentgelte<br />

beobachten, ob diese die tatsächliche Kostenstruktur<br />

des Unternehmens widerspiegeln <strong>und</strong> ob ggf. Rabatte an integrierte<br />

Diensteanbieter vergeben werden, ist für sie jedoch weiterhin nur sehr<br />

schwer zu erkennen. 35<br />

b) Ein zweites Argument gegen eine vertikale Entflechtung des integrierten<br />

Betreibers einer wesentlichen Einrichtung ist der etwaige Verlust<br />

<strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen (economies of scope). Solche Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

lassen sich in vertikalen Netzindustrien oftmals dadurch erzielen, dass<br />

vor- <strong>und</strong> nachgelagerte Stufen der Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung, zwischen<br />

denen sonst Marktbeziehungen bestehen würden, in einer<br />

Wertschöpfungskette stehen <strong>und</strong> somit eine gemeinsame Produktion<br />

33 Vgl. z.B. Bühler (2004) u. (2005).<br />

34 Vgl. Phlips (1983).<br />

35 Vgl. auch Haucap/Heimeshoff (2005), S. 8.<br />

17


18<br />

<strong>von</strong> Netzinfrastruktur <strong>und</strong> netzgeb<strong>und</strong>enen Dienstleistungen erfolgt. 36<br />

Zudem lassen sich je nach Grad der Unsicherheit, Häufigkeit <strong>und</strong><br />

Faktorspezifität <strong>von</strong> Transaktionen zwischen den Wertschöpfungsstufen<br />

die hierdurch entstehenden Transaktionskosten durch eine<br />

vertikale Integration reduzieren. 37 Im Sinne eines efficiency tradeoff<br />

38 s sind demzufolge die allokativ-statischen Effizienzverluste aus<br />

verlorenen Verb<strong>und</strong>vorteilen <strong>und</strong> Transaktionskostenersparnissen<br />

gegenüber den möglichen dynamischen Effizienzgewinnen aus einem<br />

potenziellen Wettbewerb bei vertikaler Entflechtung abzuwägen.<br />

c) Ein drittes Argument gegen die vertikale Entflechtung ergibt sich aus<br />

der Möglichkeit steigender Preise infolge des Problems der doppelten<br />

Marginalisierung, wobei das Ausmaß der Preissteigerung <strong>von</strong> der<br />

Regulierung der Netzzugangsentgelte, <strong>von</strong> der jeweiligen Ausgestaltung<br />

der Verträge zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong> Diensteanbietern <strong>und</strong><br />

vom Grad der Imperfektion des Wettbewerbs im Endk<strong>und</strong>enmarkt abhängt.<br />

So könnte der Netzbetreiber nach erfolgter Entflechtung <strong>und</strong> je<br />

nach Ausgestaltung der Netzzugangsregulierung einen über den<br />

Grenzkosten liegenden Preis (mark-up pricing) für sein Produkt, also<br />

den Zugang zu seiner Netzinfrastruktur <strong>und</strong> deren Nutzung, <strong>von</strong> den<br />

Diensteanbietern verlangen. Das wird typischerweise auch der Fall<br />

sein, da ein Grenzkostenpreis in einer so fixkostenintensiven Bereich<br />

wie der Netzinfrastruktur nicht kostendeckend im Regelfall ist. Daher<br />

beinhalten die typischen auf Kostenbasis regulierten Zugangspreise<br />

wie z.B. die Kosten der effizienten Leistungserstellung (KEL) nach<br />

dem Telekommunikationsgesetz (TKG) Gemeinkostenzuschläge auf<br />

die langfristigen Zusatzkosten. De facto dürften die Zugangspreise<br />

aufgr<strong>und</strong> der bekannten Fix- <strong>und</strong> Gemeinkostenproblematik fast<br />

immer über den Grenz- oder Inkrementalkosten liegen. Je nach Ausmaß<br />

des Wettbewerbs im Endk<strong>und</strong>enmarkt werden die Diensteanbieter<br />

dann wieder einen über Grenzkosten liegenden Preisaufschlag<br />

kalkulieren, der den Endverbraucherpreis sukzessive erhöht. Insgesamt<br />

wird somit ein zweistufiger Preisaufschlag realisiert werden, der<br />

im Fall vertikaler Integration nur einstufig erfolgen würde.<br />

d) Ein letztes, jedoch innerhalb der ökonomischen Fachliteratur zentrales<br />

Argument gegen die vertikale Entflechtung, wird in einem aus der<br />

Separation resultierenden Unterinvestitionsrisiko gesehen. 39 Der mög-<br />

36<br />

Vgl. Knieps (2001), S. 25; Rottenbiller (2002), S. 52.<br />

37<br />

Ebenso werden die aus einer vertikalen Entflechtung resultierenden Reorganisationskosten für das<br />

betreffende Unternehmens vermieden.<br />

38<br />

Vgl. Brunekreeft/Keller (2001), S. 8.<br />

39<br />

Vgl. bspw. Bühler u.a. (2004), S. 253 ff.


liche Rückgang <strong>von</strong> Investitionen sowohl auf Seiten des Netzinfrastrukturbetreibers<br />

als auch in vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten lässt<br />

sich auf folgende drei theoretische Ursachen zurückführen:<br />

1. Investitionen des Netzbetreibers in die Netzinfrastruktur sind als<br />

spezifische Investitionen zu kennzeichnen, die sich dadurch auszeichnen,<br />

dass sie zu einem großen Teil marktirreversibel, also<br />

sunk costs, sind. Im Zuge einer vertikalen Entflechtung besteht nun<br />

die Gefahr, dass sich der investierende Netzbetreiber zukünftig nur<br />

noch einen Teil seiner Investitionsrente aneignen kann. Antizipieren<br />

rationale Investoren dieses Risiko, werden sie in der Folge zu<br />

wenig oder überhaupt nicht in den Aufbau oder Ausbau bzw. die<br />

Erhaltung der Netzinfrastruktur investieren.<br />

2. Der Betreiber einer wesentlichen Einrichtung verfügt im Anschluss<br />

an eine vertikale Entflechtung nur mehr über einen begrenzten<br />

Einfluss auf die Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise, wobei die Nutzung<br />

seiner <strong>Infrastruktur</strong>leistungen <strong>und</strong> somit typischerweise seine<br />

Erlöse jedoch <strong>von</strong> der Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise <strong>und</strong> der<br />

Dienstevermarktung im Endk<strong>und</strong>enmarkt abhängen. Unter diesen<br />

Umständen dürfte die Investitionsbereitschaft ebenfalls sinken.<br />

3. Eine vertikale Separation der Netzinfrastruktur erhöht sukzessive<br />

die Koordinations- <strong>und</strong> Verhandlungskosten zwischen dem Netzbetreiber<br />

<strong>und</strong> den Diensteanbietern auf der nachgelagerten Stufe.<br />

Diese Transaktionskosten können ebenso die Investitionsanreize<br />

des Netzbetreibers schmälern.<br />

Bei einer regulatorischen oder wirtschaftspolitischen Entscheidung für<br />

oder gegen eine vertikale Entflechtung kommt es also darauf an zu prüfen,<br />

inwiefern die oben angeführten Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen<br />

Entflechtung im Einzelfall tragen. Es muss betont werden, dass die einzelnen<br />

Argumente für <strong>und</strong> gegen eine vertikale Entflechtung nicht für alle<br />

netzgeb<strong>und</strong>enen Industrien gleichermaßen gelten. Pauschale Urteile für<br />

oder gegen eine vertikale Entflechtung sind somit in jedem Fall fehl am<br />

Platz.<br />

Zu prüfen ist vielmehr, inwiefern (a) überhaupt ein dauerhaft resistentes,<br />

natürliches Monopol vorliegt, (b) Wettbewerb auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />

Märkten überhaupt möglich ist, (c) welches Diskriminierungspotenzial<br />

die Betreiber wesentlicher Einrichtungen haben <strong>und</strong> wie einfach oder<br />

schwierig dieses durch Regulierungsbehörden kontrolliert werden kann,<br />

(d) welche Verb<strong>und</strong>vorteile bei einer Entflechtung verloren gehen, (e) wie<br />

19


die Investitionsanreize beeinflusst werden, (f) welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten<br />

entstehen <strong>und</strong> (g) welche anderen Faktoren (z.B. juristischer<br />

oder politischer Natur) es zu bedenken gilt.<br />

IV. Ein Prüfschema für die Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />

Die Kernfrage in der Debatte eines Pro oder Contra vertikaler Entflechtung<br />

muss aus ökonomischer Sicht also zunächst lauten, welches<br />

Potenzial für einen Wettbewerb auf dem einem vor- oder nachgelagerten<br />

Markt in welcher netzgeb<strong>und</strong>enen Industrie zu erwarten ist. Ist das<br />

Potenzial für Wettbewerb auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten gering,<br />

gibt es aus rein ökonomischer Sicht weitaus weniger Gründe für eine<br />

vertikale Entflechtung.<br />

Selbst wenn Wettbewerb auf einem Markt sich nicht realisieren lässt,<br />

kann jedoch Wettbewerb um einen Markt in Form einer Ausschreibung<br />

sinnvoll sein, 40 d.h. wird das Potenzial für Wettbewerb auf einem vor-<br />

oder nachgelagerten Markt als eher gering eingeschätzt, kann ein Wettbewerb<br />

um einen Markt über Ausschreibungen Effizienzpotenziale<br />

heben. Hier ließen sich ggf. auch Teilleistungen ausschreiben, z.B. um<br />

den Wettbewerb um einzelne Dienste in einer Ausschreibung zu intensivieren.<br />

So könnte der Netzbetrieb als Leistung A unabhängig <strong>von</strong> der<br />

Erbringung eines Dienstes B über dieses Netz ausgeschrieben werden.<br />

Das Problem ist jedoch, dass so ggf. Verb<strong>und</strong>vorteile nicht realisiert<br />

werden.<br />

Besteht Unsicherheit bzgl. des Ausmaßes möglicher Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

zwischen A <strong>und</strong> B, so könnte die Ausschreibung den Netzbetrieb <strong>und</strong> die<br />

Dienste zusammen (A <strong>und</strong>B) oder jeweils separat als Leistung A <strong>und</strong><br />

Leistung B umfassen. Liegen signifikante Verb<strong>und</strong>vorteile vor, so werden<br />

Teilnehmer einer Ausschreibung bessere Gebote für einen gemeinsamen<br />

<strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Netzen <strong>und</strong> Diensten abgeben. Sind die Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

hingegen nicht signifikant, werden diejenigen die besten Gebote<br />

abgeben, die z.B. aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Spezialisierungsvorteilen am kostengünstigsten<br />

operieren können. Der wesentliche Vorteil eines solchen<br />

Ausschreibungsverfahrens liegt dann in der Tatsache, dass etwaige<br />

Verb<strong>und</strong>vorteile durch den Bieterwettbewerb, also quasi experimentell,<br />

ermittelt werden können.<br />

40 Vgl. schon Demsetz (1968).<br />

20


Eine differenzierte Analyse ist auch im Hinblick auf das Diskriminierungspotenzial<br />

<strong>von</strong> Nöten. Die Frage ist hier, wie einfach oder schwierig<br />

es für Regulierungsbehörden aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Informationsasymmetrien ist,<br />

eine faktische Diskriminierung zu erkennen <strong>und</strong> effektiv zu unterbinden.<br />

Auch was die mögliche Veränderung möglicher Investitionsanreize angeht,<br />

gilt es <strong>von</strong> Fall zu Fall zu prüfen, wie diese durch eine Entflechtung<br />

tangiert werden. So spielt bspw. das Unterinvestitionsproblem im Bahnbereich<br />

eine nur untergeordnete Rolle, da Investitionen in die Netzinfrastruktur<br />

zu einem überwiegenden Teil durch die öffentliche Hand<br />

subventioniert werden. 41 Zudem lässt sich die Reduktion der Investitionsanreize<br />

bei vertikaler Entflechtung durch eine adäquat ausgestaltete<br />

Regulierung mildern oder sogar beseitigen. So können z.B. Rate-of-<br />

Return- oder Return-on-Ouput-Regulierungen das Unterinvestitionsproblem<br />

reduzieren, da diese Art der Netzzugangsregulierung die Investitionsanreize<br />

des Netzbetreibers tendenziell erhöht. Die Ausgestaltung<br />

der Entgeltregulierung ist somit nicht unabhängig <strong>von</strong> der Frage, ob eine<br />

vertikale Entflechtung stattfindet order nicht.<br />

Des Weiteren sollte bedacht werden, dass nach einer vertikalen Entflechtung<br />

typischerweise eine wesentlich weniger eingriffstiefe Regulierung<br />

notwendig wird, da das besonders schwierig zu beherrschende<br />

Diskriminierungsproblem stark gemildert wird. Daher müssen reduzierte<br />

Regulierungskosten ebenfalls in eine Wohlfahrtsberechnung einfließen.<br />

Auf der anderen Seite sind jedoch auch politische Transaktionskosten zu<br />

beachten, welche durch eine Entflechtung möglicherweise entstehen<br />

können. Wie Williamson 42 <strong>und</strong> Dixit 43 verdeutlicht haben, sollte ein<br />

institutionenökonomischer Effizienzbegriff auch politische Transaktionskosten<br />

berücksichtigen <strong>und</strong> politisch umsetzbare Lösungen miteinander<br />

vergleichen, nicht jedoch idealtypische Lehrbuchlösungen, welche ggf.<br />

nicht realisiert werden können. Dies impliziert z.B. auch, dass bestehende<br />

gr<strong>und</strong>gesetzliche Bestimmungen (wie der Schutz des Privateigentums)<br />

zu beachten sind bzw. die Transaktionskosten zu bedenken<br />

sind, welche sich durch eine Änderung oder gar Missachtung solcher<br />

politisch determinierter Nebenbedingungen ergeben.<br />

Somit schlagen wir für die Beurteilung der vertikalen Entflechtung ein<br />

mehrstufiges Bewertungsschema vor, das auf den folgenden sieben<br />

Fragen aufbaut:<br />

41<br />

Vgl. Monopolkommission (2006), Tz. 17.<br />

42<br />

Williamson (1996).<br />

43<br />

Dixit (1996).<br />

21


(1) Liegt in der betrachteten Industrie dauerhaft ein resistentes natürliches<br />

Monopol (z.B. im Netzbereich) vor? Wenn nicht, sollte keine<br />

Entflechtung erfolgen.<br />

(2) Ist Wettbewerb auf vor oder nachgelagerten Märkten wahrscheinlich?<br />

Falls nicht, sollte eine zwangsweise vertikale Entflechtung nicht<br />

erfolgen.<br />

(3) Sind die Diskriminierungsmöglichkeiten vertikal integrierter Anbieter<br />

für Regulierungsbehörden relativ leicht zu kontrollieren (z.B. bei reiner<br />

Preisdiskriminierung) oder eher schwierig zu begrenzen (z.B. bei<br />

vielfältigen Möglichkeiten nicht-preislicher Diskriminierung)? Bei<br />

einer relativ einfachen Kontrolle durch Regulierungsbehörden, sollte<br />

eine vertikale Entflechtung nur erfolgen, wenn damit keine anderen<br />

Effizienzverluste verb<strong>und</strong>en sind.<br />

(4) Welche Verb<strong>und</strong>vorteile gehen verloren <strong>und</strong> sind dies auch<br />

volkswirtschaftliche Effizienzverluste (im Gegensatz zu rein<br />

betriebswirtschaftlichen Kosten)? Sind diese Verluste signifikant,<br />

müssen auch die zu erwartenden Effizienzgewinne aus dem<br />

zunehmenden Wettbewerb signifikant sein, um eine Entflechtung zu<br />

rechtfertigen.<br />

(5) Werden Anreize zu effizientem Investitions- <strong>und</strong> Innovationsverhalten<br />

durch eine vertikale Entflechtung negativ verändert? Wenn ja, ist<br />

zu weiter fragen, ob dies durch eine geeignete daran anschließende<br />

Regulierung kompensiert werden kann (z.B. relativ großzügige<br />

Netznutzungsentgelte oder Regulierungsferien). Wenn dies nicht<br />

möglich sein sollte, müssen wie schon bei (3) die zu erwartenden<br />

Effizienzgewinne aus dem zunehmenden Wettbewerb signifikant<br />

sein, um eine Entflechtung zu rechtfertigen.<br />

(6) Welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten entstehen volkswirtschaftlich?<br />

(7) Gibt es andere Argumente außerökonomischer Natur, welche Transaktionskosten<br />

bei einer Entflechtung verursachen würden?<br />

Zusammenfassend sei noch mal betont: Eine pauschale Aussage für<br />

oder gegen die Entflechtung vertikal integrierter Netzindustrien lässt sich<br />

ökonomisch nicht herleiten. Wie so oft, kommt es auf die genauen Umstände<br />

an, welche es zu würdigen gilt. Genau dies wollen wir im Folgenden<br />

anhand dreier Beispiele tun. Wie wir sehen werden, ergibt eine zusammenfassende<br />

Würdigung der Umstände anhand der eben genannten<br />

Kriterien, dass eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Schienenverkehr<br />

in Deutschland sinnvoll erscheint, während im Bereich der Wasserwirtschaft<br />

eine forcierte <strong>Trennung</strong> heute wenig effizient sein dürfte. Im<br />

Gegenteil wäre ggf. sogar eine weitere Integration zwischen den Berei-<br />

22


chen Trinkwasserversorgung <strong>und</strong> Abwasserentsorgung denkbar. Viel<br />

weniger klar ist hingegen der Fall der Elektrizitätswirtschaft, für den ja die<br />

EU-Kommission gerade die vertikale Entflechtung als eine Reformoption<br />

propagiert.<br />

V. Bewertung vertikaler Entflechtung in ausgewählten<br />

Netzindustrien<br />

1. Vertikale Entflechtung im Bahnbereich in Deutschland<br />

Um die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer möglichen Entflechtung im Bahnsektor<br />

besser beurteilen zu können, wird an dieser Stelle zunächst die Struktur<br />

bzw. die Wertschöpfungskette eines typischen Eisenbahnsektors betrachtet.<br />

Der Bahnsektor teilt sich vertikal in die folgenden drei Stufen<br />

ein:<br />

1. Netzdienstleistungen<br />

2. Verkehrsdienstleistungen<br />

3. Steuerungsleistungen<br />

Unter den Bereich der Netzdienstleistungen fasst man die Erstellung, die<br />

Instandhaltung <strong>und</strong> den <strong>Betrieb</strong> der Bahninfrastruktur. Im Bereich des<br />

Netzes liegt der monopolistische Engpassbereich im Bahnsektor, der<br />

potenziellen Konkurrenten auf dem nachgelagerten Markt zugänglich<br />

gemacht werden muss. Verkehrsdienstleistungen beinhalten den Transport<br />

<strong>von</strong> Personen <strong>und</strong> Gütern auf der vorhandenen Netzinfrastruktur.<br />

Dieser Bereich ist in jedem Fall kompetitiv bzw. soll durch eine adäquate<br />

Netzzugangsregulierung <strong>von</strong> Seiten der B<strong>und</strong>esnetzagentur (BNetzA) zu<br />

einem wettbewerblichen Markt transformiert werden. Der Bereich der<br />

Steuerung umfasst vor allem die Trassenallokation. Von Seiten des <strong>Infrastruktur</strong>betreibers<br />

muss ein reibungsloser Ablauf des Schienenverkehrs<br />

sichergestellt werden. Dies geschieht zum einen durch die Zuteilung<br />

bestimmter Trassen <strong>und</strong> zum anderen durch Aufstellung geeigneter<br />

Fahrpläne sowie entsprechender Maßnahmen zu deren Einhaltung.<br />

Festzuhalten bliebt somit, dass das Schienennetz ein resistentes natürliches<br />

Monopol ist. Wettbewerb im Bereich der Verkehrsdienstleistungen<br />

ist <strong>und</strong>enkbar ohne eine wirksame Netzzugangsregulierung für das<br />

Streckennetz. Mit einem wirksamen Zugang zu den wesentlichen <strong>Infrastruktur</strong>anlagen<br />

der Deutschen Bahn AG (vor allem Trassen <strong>und</strong> Stationen)<br />

ist jedoch in vielen Bereichen Wettbewerb auf den Schienenverkehrsmärkten<br />

prinzipiell möglich.<br />

23


Der wesentliche wettbewerbsökonomische Vorteil einer vertikalen <strong>Trennung</strong><br />

liegt somit darin begründet, dass ein integrierter Netzbetreiber<br />

wesentliche Diskriminierungspotenziale <strong>und</strong> -an-reize besitzt. Diese<br />

Diskriminierungspotenziale sind im Bahnbereich insbesondere nichtpreislicher<br />

Natur, wie z.B. Fahrplankonzeptionen, die sich ausschließlich<br />

an den Wünschen der dominierenden nationalen Bahngesellschaften<br />

orientieren. Auch das Einrichten <strong>von</strong> Langsamfahrtsellen, die verzögerte<br />

Vergabe oder gar Verweigerung <strong>von</strong> Trassen <strong>und</strong> auch strategische<br />

Investitionen (z.B. das selektive Ausbessern <strong>von</strong> selbst stark befahrenen<br />

Trassen) sind mögliche Formen der Diskriminierung. Diese nicht-preislichen<br />

Diskriminierungsformen effektiv zu unterbinden, ist für eine Regulierungsbehörde<br />

aufgr<strong>und</strong> der gravierenden Informationsasymmetrien<br />

kaum möglich. Hingegen wird eine funktionsfähige Zugangsregulierung<br />

durch eine vertikale <strong>Trennung</strong> des Netzes stark vereinfacht, da die Anreize<br />

zur nicht-preislichen Diskriminierung erheblich sinken. Dies bestätigen<br />

unter anderem positive Erfahrungen aus Schweden <strong>und</strong> Großbritannien.<br />

44<br />

Wie sieht es im Bahnbereich mit den theoretischen Argumenten gegen<br />

eine vertikale Entflechtung wie dem Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen aus?<br />

Hier ist anzumerken, dass dieser Verlust im Bahnbereich zwar vorhanden<br />

ist, aber nicht in dem Ausmaß wie z.B. vom sog. Primon-Bericht<br />

unterstellt. 45 Zum einen müssen bestimmte Koordinationsaufgaben, wie<br />

z.B. die Trassenallokation oder die Fahrplanabstimmung auch in einem<br />

integrierten Konzern zwischen den verschiedenen Konzernunternehmen<br />

der DB AG geleistet werden. Dabei ist nicht ersichtlich, warum diese<br />

Aufgaben nicht auch zwischen der DB AG <strong>und</strong> einem unabhängigen<br />

Netzbetreiber bzw. anderen Wettbewerbern relativ effizient durchgeführt<br />

werden können, wenn auch geringfügig höhere Transaktionskosten<br />

durch vertikale Entflechtung entstehen könnten. Zum anderen werden im<br />

Primon-Bericht für einen 4-Jahreszeitraum betriebswirtschaftliche <strong>Trennung</strong>skosten<br />

<strong>und</strong> Synergieverluste in Höhe <strong>von</strong> gut 2,5 Mrd. Euro ermittelt.<br />

Ein Großteil dieser Kosten stellt aber keine volkswirtschaftlichen<br />

Kosten dar, da es sich lediglich um Transfers handelt. So werden z.B. im<br />

Falle der <strong>Trennung</strong> zusätzliche Personalkosten in Höhe <strong>von</strong> kumuliert<br />

915 Mio. Euro errechnet. Dies sind jedoch größtenteils keine volkswirtschaftlichen<br />

Kosten, sondern Transfers! Auch Erlösrückgänge in Höhe<br />

<strong>von</strong> 298 Mio. Euro durch die Einstellung bestimmter Güterverkehre durch<br />

die DB AG werden in die Kosten miteinbezogen. Auch hier handelt es<br />

sich größtenteils nicht um volkswirtschaftliche Kosten, da diese Verkehre<br />

44 Monopolkommission (2006) u. (2007a).<br />

45 Vgl. Booz u.a. (2006).<br />

24


lediglich umgelenkt werden. Insgesamt dürften die volkswirtschaftlichen<br />

Kosten, welche aufgr<strong>und</strong> des Verlusts an Verb<strong>und</strong>vorteilen entstehen,<br />

wesentlich geringer sein als im Primon-Bericht vermutet.<br />

Das Hauptargument gegen die vertikale Entflechtung <strong>von</strong> Netzindustrien<br />

im Allgemeinen ist jedoch nicht der Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen, sondern<br />

die aus einer Separierung resultierende Reduktion der Investitionsanreize.<br />

46 Dafür werden i.d.R. drei Gründe angeführt:<br />

1. Existenz spezifischer Investitionen <strong>von</strong> Netzbetreibern <strong>und</strong> Transportunternehmen<br />

(irreversible Kosten).<br />

2. Begrenzter Einfluss des Netzbetreibers auf die Preisgestaltung <strong>und</strong><br />

Vermarktung <strong>von</strong> Bahnfahrten.<br />

3. Investitionen erfordern Abstimmung zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong><br />

Transportunternehmen.<br />

Daraus resultierend besteht, ceteris paribus, ein Unterinvestitionsproblem<br />

bei vertikaler <strong>Trennung</strong>. Spezifische Investitionen <strong>von</strong> Netzbetreibern<br />

<strong>und</strong> Transportunternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />

irreversible Kosten entstehen. Anders ausgedrückt können Investitionen,<br />

wenn sie erst einmal getätigt sind, nur mit unter Umständen erheblichen<br />

Verlusten anderen als der ursprünglich geplanten Verwendung zugeführt<br />

werden. Man geht da<strong>von</strong> aus, dass neue Züge <strong>und</strong> insbesondere die<br />

Schienennetzinfrastruktur einen hohen Grad an Spezifität aufweisen <strong>und</strong><br />

sich investierende Unternehmen bei vertikaler Entflechtung nur einen<br />

Teil der durch die Investition entstehenden Rente aneignen können. Somit<br />

würde tendenziell zu wenig investiert. 47<br />

Darüber hinaus nimmt bei vertikaler <strong>Trennung</strong> der Einfluss des <strong>Infrastruktur</strong>betreibers<br />

auf die Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise stark ab. Es<br />

ist aber offensichtlich, dass die Nutzung seiner <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> somit<br />

auch seine Erlöse insbesondere <strong>von</strong> den Endk<strong>und</strong>enpreisen <strong>und</strong> der korrespondierenden<br />

Vermarktung abhängen. Infolgedessen nimmt die Investitionsneigung<br />

aufgr<strong>und</strong> der mangelnden Einflussmöglichkeiten auf<br />

die Endk<strong>und</strong>enpreisgestaltung weiter ab. Eine weitere Folge vertikaler<br />

Separation ist die erschwerte Abstimmung zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong><br />

Transportunternehmen. Beispielsweise bedingt die Verwendung bestimmter<br />

Zugarten möglicherweise eine Aufrüstung des Schienennetzes.<br />

Ebenso gibt es Koordinationsbedarf bei der Einführung neuer Signaltechniken,<br />

für die typischerweise sowohl das rollende Material als auch<br />

46 Vgl. auch Monopolkommission (2006).<br />

47 Ebenda.<br />

25


die Netzinfrastruktur umgerüstet werden muss. Daraus entstehen Koordinations-<br />

<strong>und</strong> Verhandlungskosten, die ebenfalls zu einer Reduktion der<br />

Investitionsanreize beitragen könnten.<br />

Die Unterinvestitionsproblematik im Bereich der DB AG wird allerdings<br />

durch staatliche Subventionen stark eingeschränkt. Im Verlauf der Jahre<br />

1994 bis 2003 sind 38 Mrd. Euro Investitionsmittel des B<strong>und</strong>es an die DB<br />

AG geflossen, wogegen lediglich 11 Mrd. an Eigenmitteln der DB AG für<br />

Investitionen verwendet wurden. Tabelle 2 gibt einen Überblick bezüglich<br />

der Hauptfinanzierungsquellen der Bahninfrastruktur in Deutschland.<br />

Hierbei wird deutlich, dass der B<strong>und</strong> insbesondere im Bereich der Neu-<br />

<strong>und</strong> Ausbauinvestitionen sowie der Bestandsnetzinvestitionen Finanzierungsverantwortung<br />

trägt. 48 Somit kann gerade im deutschen Bahnsektor<br />

die durch eine vertikale Entflechtung hypothetisch induzierte Reduktion<br />

der Investitionsanreize aufgr<strong>und</strong> der massiven staatliche Subventionierung<br />

nur sehr begrenzt als Problem angeführt werden. 49<br />

Tabelle 2: Finanzierungsquellen der Bahninfrastruktur<br />

Finanzierungsverantwortung für Finanzmittelquellen Finanzierungsart<br />

B<strong>und</strong> � Neu- <strong>und</strong> Ausbauinvestitio- � Finanzmittel des � Baukostenzuschüsse<br />

�<br />

nen<br />

Bestandsnetzinvestitionen<br />

B<strong>und</strong>es<br />

� Zinslose Darlehen<br />

DB Netz<br />

AG<br />

26<br />

� Neu-/Ausbauinvestitionen<br />

� Bestandsnetzinvestitionen<br />

� Instandhaltung<br />

� <strong>Betrieb</strong>sführung<br />

Quelle: BOOZ/ALLEN/HAMILTON (2006), S 137.<br />

� Erlöse aus Trassenentgelten<br />

� Eigenmittel<br />

� Cashflow<br />

� Fremdkapital<br />

Schließlich würde eine vertikale <strong>Trennung</strong> auch die Gewährleistungspflicht<br />

des B<strong>und</strong>es nach Artikel 87e Gr<strong>und</strong>gesetz nicht antasten, d.h. der<br />

B<strong>und</strong> würde auch bei einer Entflechtung an den Investitionen in Netzinfrastruktur<br />

beteiligt sein. Daneben könnte die B<strong>und</strong>esnetzagentur durch<br />

eine angemessene Ausgestaltung der Regulierung, beispielsweise in<br />

Form einer Return-on-Output-Regulierung, für ausreichende Investitionsanreize<br />

sorgen.<br />

Betrachtet man die im Falle der Deutschen Bahn AG durch Subventionen<br />

abgemilderte Unterinvestitionsproblematik sowie die erheblichen<br />

Vorteile in Bezug auf die einfachere Verhinderung insbesondere nicht-<br />

48 Vgl. dazu auch Hellwig (2006).<br />

49 Vgl. auch Monopolkommission (2006).


preislicher Diskriminierung, so wird deutlich, dass im vorliegenden Fall<br />

die Vorteile einer vertikalen <strong>Trennung</strong> des Netzes klar überwiegen. Darüber<br />

hinaus würde eine Privatisierung des integrierten Konzerns den<br />

Verlust diverser wettbewerbspolitischer Optionen für künftige Politikgestaltung<br />

bedeuten. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine horizontale<br />

Entflechtung gewünscht werden oder eine Ausschreibung gemeinsamer<br />

Aufträge für Transportleistungen <strong>und</strong> Netzbetrieb im Regionalverkehr<br />

sinnvoll erscheinen, wäre dies im Falle der vorherigen Privatisierung des<br />

integrierten Konzerns wohl kaum möglich. Eine solche Ausschreibung,<br />

die vorrangig im Bereich des Regionalverkehrs sinnvoll erscheint, könnte<br />

sogar quasi-experimentell Verb<strong>und</strong>vorteile ermitteln, indem zwei Alternativen<br />

ausgeschrieben werden:<br />

1. Gemeinsames Angebot <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> Verkehrsdienstleistung.<br />

2. Getrennte Ausschreibung beider Bereiche.<br />

Anhand der jeweiligen Gebote kann eingeschätzt werden, ob die Bieter<br />

signifikante Verb<strong>und</strong>vorteile sehen. Wenn dies der Fall ist, werden sie für<br />

die integrierte Ausschreibung höhere Gebote als für den separierten Fall<br />

abgeben. Somit könnte eine vertikal integrierte Vergabe im Regionalbereich<br />

vorgenommen werden, d.h. in den Gebieten, in denen nicht mit<br />

Wettbewerb auf der Schiene zu rechnen ist.<br />

Folglich würde die (Teil-)Privatisierung der DB AG als vertikal integriertes<br />

Unternehmen inklusive des Schienenetzes einen nur schwer korrigierbaren<br />

wettbewerbspolitischen Fehler darstellen. Auch durch massive<br />

Regulierung könnten die insbesondere nicht preislichen Diskriminierungspotenziale<br />

kaum unter Kontrolle gebracht werden. Daher sollt eine<br />

neutrale, vertikal separierte Gesellschaft mit der Vergabe der Trassen<br />

beauftragt werden. Mit dieser regulatorischen Strategie wären die nicht<br />

zu negierenden Diskriminierungsanreize eines vertikal integrierten<br />

Bahnunternehmens wesentlich besser einzudämmen als durch vertikale<br />

Integration <strong>und</strong> dadurch erforderte schärfere Regulierung. Bei einer vertikalen<br />

Entflechtung <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> Schienenverkehr könnte im Rahmen<br />

einer relativ leichthändigen Regulierung die Trassenentgelte überprüft<br />

werden, wobei durch eine großzügige Entgeltregulierung auch Investitionsanreize<br />

gestärkt werden können.<br />

27


Hinzu kommen weitere Aspekte, welche für eine vertikale <strong>Trennung</strong><br />

sprechen: Wenn der B<strong>und</strong> Mehrheitsaktionär eines vertikal integrierten<br />

Unternehmens bleiben würde, bestünde zusätzlich das massive Problem,<br />

dass die Steuerzahler die Geschäftsrisiken eines globalen Logistikkonzerns<br />

<strong>und</strong> seiner internationalen Expansion tragen würden. Eine<br />

Vollprivatisierung ist jedoch aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> gr<strong>und</strong>gesetzlichen Bestimmungen<br />

nicht möglich.<br />

2. Vertikale Entflechtung in der Strombranche<br />

Nicht ganz so einfach ist die Analyse für den Elektrizitätsbereich: Für<br />

eine Beurteilung der vertikalen Entflechtung im Energiesektor, wie sie die<br />

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes in jüngerer Zeit wiederholt<br />

gefordert hat, empfiehlt es sich, die deutsche Elektrizitätswirtschaft zunächst<br />

vertikal disaggregiert zu betrachten. Vereinfacht lassen sich die<br />

vorgelagerte Produktion (Stromerzeugung), die Netzinfrastruktur (Übertragung)<br />

sowie die Dienstleistungen aus dem Netz (Verteilung <strong>und</strong> Versorgung)<br />

differenzieren. Diese Wertschöpfungsstufen stellt Abbildung 1<br />

schematisch dar. Während sich die Bereiche der Stromerzeugung <strong>und</strong> -<br />

versorgung gr<strong>und</strong>sätzlich als wettbewerbsfähige Bereiche charakterisieren<br />

lassen, sind die Bereiche der Übertragung sowie Verteilung über das<br />

Netz als monopolistische Bottlenecks des Marktes zu identifizieren,<br />

deren Zugang die Zahlung eines Netznutzungsentgelts an die Eigentümer<br />

dieser wesentlichen Einrichtungen erforderlich macht 50 , sowie aus<br />

neuerer Zeit. 51<br />

Der Markt für Stromerzeugung ist aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> technologischen Fortschritten<br />

hinsichtlich der Leistungsfähigkeit <strong>von</strong> Turbinen, welche es ermöglichen,<br />

dass nun auch kleinere Kraftwerke rentabel auf dem Markt<br />

agieren können, gr<strong>und</strong>sätzlich als ein konkurrenzfähiger Teilsektor anzusehen.<br />

Zudem ist durch die Etablierung der Strombörse die Handelbarkeit<br />

<strong>von</strong> Strom weiter erhöht worden, sodass auch hier ein zusätzlicher<br />

Wettbewerbsdruck entsteht. Schließlich ließe sich die Wettbewerbsintensität<br />

auf dem Markt für Stromerzeugung weiter durch eine konsequente,<br />

wettbewerbsfre<strong>und</strong>liche Regulierung der grenzüberschreitenden<br />

Durchleitung mittels transeuropäischer Verb<strong>und</strong>netze erhöhen. Die geplante<br />

Netzanschlussverordnung erleichtert zudem den Marktzutritt für<br />

neue Kraftwerke erheblich.<br />

50 Vgl. bereits Joskow/Schmalensee (1983).<br />

51 Bier (2002); Brunekreeft (2003); B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006).<br />

28


Abbildung 1: Disaggregation der Elektrizitätswirtschaft<br />

Quelle: Brunekreeft/ Keller (2000).<br />

Sowohl das Übertragungs- als auch das Verteilnetz sind aus einer<br />

industrieökonomischen Perspektive hingegen als resistente Monopole zu<br />

beschreiben. Neben der Subadditivität der Kosten, welche sich aus den<br />

Verb<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Dichtevorteilen gerade im regionalen Bereich erklären lassen,<br />

existiert zudem ein erhebliches Maß an versunkenen Kosten im<br />

Zuge der Errichtung solcher Netze. 52 Auch wenn in Deutschland gleich<br />

vier Verb<strong>und</strong>unternehmen (VU) 53 als Netzbetreiber auf dem Markt agieren,<br />

handelt es sich dennoch um resistente Monopolbereiche. Denn aufgr<strong>und</strong><br />

einer geografisch eindeutigen Abgrenzung, stellt jedes Teilnetz für<br />

sich ein regionales Monopol dar.<br />

Während die Netzbetreiber auf der Ebene der Stromversorgung für den<br />

physikalischen Anschluss des Verteilnetzes an die Endk<strong>und</strong>en zuständig<br />

sind, besteht zwischen den Versorgungsunternehmen <strong>und</strong> den Endk<strong>und</strong>en<br />

nahezu eine rein wirtschaftliche Beziehung. Indem die Versorger im<br />

Rahmen <strong>von</strong> Lieferungsverträgen zunächst Strom ein- <strong>und</strong> anschließend<br />

an die Endk<strong>und</strong>en weiterverkaufen, nehmen sie eine klassische Intermediationsposition<br />

ein. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass im Rahmen dieser<br />

Funktion kaum versunkene Kosten auftreten <strong>und</strong> auch Skaleneffekte<br />

vernachlässigbar gering sind, gilt der Bereich der Stromversorgung in<br />

einem sehr starken Maße als wettbewerbsfähig 54 .<br />

Die soeben skizzierte disaggregierte Betrachtung des deutschen Elektrizitätsmarktes<br />

führt zu der Schlussfolgerung, dass ein funktionsfähiger<br />

Wettbewerb auf der Erzeugungs- <strong>und</strong> Versorgungsstufe den Zugang<br />

potenzieller Wettbewerber zu den Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetzen<br />

52<br />

Vgl. Kumkar (2000); Brunekreeft (2003); B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006).<br />

53<br />

Nach horizontalen Zusammenschlüssen auf der Verb<strong>und</strong>ebene sind dies RWE, E.ON, EnBW,<br />

Vattenfall.<br />

54<br />

Vgl. auch Brunekreeft/Keller (2003).<br />

29


erfordert. Die Besonderheit des deutschen Elektrizitätsmarktes liegt nun<br />

darin, dass der deutsche Markt durch ein nicht unerhebliches Maß an<br />

vertikaler Integration zwischen den wettbewerbsfähigen <strong>und</strong> monopolistischen<br />

Bereichen gekennzeichnet ist. So sind die VU zunächst sowohl<br />

in den Bereichen der Erzeugung als auch der Übertragung integriert.<br />

Zudem entfällt die Dienstleistung aus dem Netz (Verteilung <strong>und</strong> Versorgung)<br />

auf r<strong>und</strong> 930 regionale <strong>und</strong> kommunale Versorgungsunternehmen,<br />

an denen die VU allerdings nahezu flächendeckend ebenfalls vertikale<br />

Haupt- <strong>und</strong> Minderheitsbeteiligungen auf der regionalen Ebene halten,<br />

sodass nur wenige Versorger als tatsächlich unabhängig bezeichnet<br />

werden können. 55<br />

Aus einer rein wettbewerbsorientierten Perspektive sind solche vertikalen<br />

Verflechtung des deutschen Elektrizitätsmarktes zunächst einmal als<br />

negativ zu beurteilen, denn eine erfolgreiche Regulierung setzt – wie gezeigt<br />

wurde – eine eindeutig abgegrenzte Disaggregation der netzgeb<strong>und</strong>enen<br />

Industrie in wettbewerbsfähige <strong>und</strong> monopolistische Bereiche<br />

voraus. Aus einer an gesamtwirtschaftlicher Effizienz orientierten<br />

Sicht ist die Beurteilung der vertikalen Verflechtung hingegen ungleich<br />

schwieriger. Die möglichen Verb<strong>und</strong>vorteile <strong>und</strong> auch die potenziellen<br />

Effizienzgewinne aus einer vertikalen Integration verschiedener Wertschöpfungsstufen<br />

wurden bereits oben ausführlich erläutert, sodass eine<br />

strikte vertikale Entflechtung aus ökonomischer Sicht nicht zwangsläufig<br />

geboten ist. Allerdings gilt es zu beachten, dass potenziellen Wettbewerbern<br />

auch bei einer fortbestehenden vertikalen Integration der Zugang<br />

zum Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetz als einer wesentlichen Einrichtung<br />

unbedingt ermöglicht wird.<br />

Das aus der Zweiten Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Juli<br />

2005 hervorgegangene neue EnWG 56 fokussiert neben einem<br />

verbesserten Zugang zu den Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetzen sowie<br />

günstigeren Netzzugangsentgelten für die Nutzung dieser <strong>Infrastruktur</strong>en<br />

durch potenzielle Wettbewerber vor allem auf eine striktere <strong>Trennung</strong><br />

dieser monopolistischen Bereiche <strong>von</strong> den wettbewerbsfähigen Bereichen<br />

bislang vertikal integrierter VU. So verpflichtet § 7 EnWG die vertikal<br />

integrierten VU im Sinne eines Legal Unb<strong>und</strong>ling, den Netzbetrieb<br />

hinsichtlich seiner Rechtsform <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen der<br />

Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung zu trennen. 57 Die in § 8 EnWG festgelegte<br />

operative Entflechtung schreibt zudem eine Separierung des Leitungs-<br />

55<br />

Für weitere Details siehe Monopolkommission (2007b).<br />

56<br />

EnWG (2005).<br />

57<br />

Hinsichtlich der Verteilernetze wurde den deutschen VU eine Übergangsfrist bis Juli 2007 zugestanden.<br />

30


personals des Netzbetriebs <strong>von</strong> den übrigen Wertschöpfungsstufen vor<br />

(Management Unb<strong>und</strong>ling). §§ 9 <strong>und</strong> 10 EnWG legen zusätzlich eine informatorische<br />

<strong>und</strong> bilanzielle Entflechtung des Netzbetriebs fest.<br />

Der deutsche Gesetzgeber (<strong>und</strong> mithin die EU) reagierte damit auf den<br />

geringen Grad funktionsfähiger Wettbewerbsprozesse auf der nachgelagerten<br />

Vertriebs- oder Versorgungsebene sowie auf die Steigerung der<br />

Netzzugangsentgelte seit der Liberalisierung der deutschen Energiewirtschaft<br />

im Jahre 1998. Die vollständige Öffnung des deutschen Elektrizitätsmarktes<br />

im April 1998 <strong>und</strong> die Umsetzung des verhandelten Netzzugangs<br />

führten zunächst zwar zu einem unmittelbaren <strong>und</strong> intensiven<br />

Wettbewerb auf der Vertriebs- oder Versorgungsebene insbesondere für<br />

Industriek<strong>und</strong>en, während der Wettbewerb durch unabhängige Erzeuger<br />

auf der vorgelagerten Ebene bis heute nicht hinreichend ausgeprägt ist<br />

<strong>und</strong> allenfalls im Bereich regenerierbarer Energien zu beobachten ist. 58<br />

Auf der Vertriebs- oder Versorgungsebene etablierte sich somit eine<br />

gewisse Konkurrenz vor allem um industrielle Großk<strong>und</strong>en. Etwas verzögert<br />

begann dann auch der Wettbewerb um Haushaltsk<strong>und</strong>en, welcher<br />

durch eine große Zahl <strong>von</strong> neu auf den Markt getretenen, unabhängigen<br />

Versorgungsunternehmen sowie durch nachhaltig angelegte Marketinginitiativen<br />

der etablierten Verb<strong>und</strong>unternehmen forciert wurde. 59 Diese<br />

anfängliche Wettbewerbsdynamik ist jedoch nach 2000 relativ schnell<br />

wieder zum Erliegen gekommen, sodass heute nicht <strong>von</strong> funktionsfähigem<br />

Wettbewerb im Elektrizitätsmarkt gesprochen werden kann, wie<br />

auch die Monopolkommission 60 in ihrem diesbezüglichen Sondergutachten<br />

klar festgestellt hat.<br />

Die bisherige Wettbewerbsentwicklung auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt<br />

muss daher sowohl aus wettbewerbsökonomischer als auch aus<br />

effizienzorientierter Sicht als unbefriedigend bezeichnet werden. 61<br />

Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für den fehlenden Wettbewerb war sicherlich zunächst<br />

die bis zur EnWG-Novelle 2005 unzureichende Kontrolle der<br />

Netznutzungsentgelte. Durch überhöhte Netznutzungsentgelte können<br />

integrierte Versorgungsunternehmen potenzielle Konkurrenten sowohl<br />

auf der Erzeugerstufe als auch im vertrieb effektiv vom Markt fernhalten,<br />

es kommt zur vertikalen Marktabschottung. Schon seit 2006 findet daher<br />

eine verschärfte Preiskontrolle auf Kostenbasis durch die B<strong>und</strong>esnetzagentur<br />

statt. Nach der Verordnung über die Anreizregulierung soll ab<br />

58<br />

Vgl. BMWA (2003); Monopolkommission (2007b).<br />

59<br />

Vgl. Brunekreeft/Keller (2003).<br />

60<br />

Monopolkommission (2007b).<br />

61<br />

Vgl. Ebenda.<br />

31


dem 1. Januar 2009 eine Festlegung <strong>von</strong> Erlösobergrenzen (Revenue<br />

Cap) in Form einer Anreizregulierung Anwendung finden, sodass dann<br />

eine schärfere Aufsicht über die Netznutzungsentgelte greift. Die BNetzA<br />

hat sich in ihrem Bericht zur Anreizregulierung für eine Regulierung der<br />

Erlösobergrenzen ausgesprochen, 62 da die Vorgabe einer Erlösobergrenze<br />

weniger tiefe Einblicke in die Preisstruktur eines Unternehmens<br />

verlangt als ein System, das auf Preisobergrenzen beruht. So wird nach<br />

Ansicht der BNetzA die größtmögliche unternehmerische Freiheit zugelassen.<br />

63 Diese Auffassung der BNetzA basiert auf dem Bef<strong>und</strong>, dass ein<br />

Marktauschluss vor allem durch einen Preishöhenmissbrauch gegenüber<br />

potenziellen Wettbewerbern erfolgt <strong>und</strong> weniger durch Preisdiskriminierung.<br />

Nicht-preisliche Diskriminierung spielt im Vergleich zur Höhe der Netznutzungsentgelte<br />

eine untergeordnete Rolle in der Elektrizitätswirtschaft.<br />

Hierin liegt ein signifikanter Unterschied zum Bahnbereich. Diskriminierung<br />

<strong>und</strong> Marktabschottungsversuche sind für die Regulierungsbehörden<br />

im Elektrizitätsbereich daher wesentlich einfacher festzustellen <strong>und</strong> zu<br />

unterbinden als bei der Bahn. Anders ausgedrückt, kann beim Strom<br />

keine diskriminierende Trassenvergabe erfolgen oder strategisch eine<br />

Langsamfahrstelle eingerichtet werden. Durch die 2007 verabschiedete<br />

Kraftwerksnetzanschlussverordnung ist zudem nun geregelt, dass neue<br />

Kraftwerke prioritär an ein Netz anzuschließen sind – damit sind die<br />

Diskriminierungsmöglichkeiten gegenüber neuen Anbietern im Erzeugungsmarkt<br />

weiter eingeschränkt.<br />

Ein weiterer Unterschied zum Bahnbereich liegt darin, dass im Energiebereich<br />

Investitionen nicht oder kaum staatlich subventioniert werden.<br />

Die Auswirkungen einer Entflechtung auf das Investitionsverhalten sind<br />

daher im Energie bereich besonders zu berücksichtigen, gerade auch,<br />

weil die Versorgungssicherheit <strong>und</strong> -qualität den Nachfragern <strong>von</strong> Strom<br />

besonders wichtig zu sein scheint (d.h. plastisch ausgedrückt möglichst<br />

geringe Schwankungen bei der Netzspannung <strong>und</strong> möglichst seltene<br />

<strong>und</strong> nicht längere Stromausfälle). 64 Sollten niedrigere Preise mit zunehmenden<br />

Stromausfällen oder Schwankungen bei der Energieversorgung<br />

verb<strong>und</strong>en sein, ist nicht klar, dass hierdurch die Konsumentenwohlfahrt<br />

gesteigert wird.<br />

Wie eine eigentumsrechtliche Entflechtung die Investitionsanreize beeinflusst,<br />

ist nicht einfach zu beantworten. Zum einen dürften die Investi-<br />

62<br />

Vgl. B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006), S. 61.<br />

63<br />

Ebenda, S. 61 f.<br />

64<br />

Vgl. zu den daraus resultierenden Regulierungsproblemen auch Haucap/Rötzel (2007).<br />

32


tionsanreize in die Qualität des Netzes, also die Verlässlichkeit bzw.<br />

Versorgungssicherheit, abnehmen. Dies hat mehrere Gründe: 65 Erstens<br />

steigt der Koordinationsaufwand <strong>und</strong> zweitens ist für einen reinen Netzbetreiber<br />

ein temporärer Netzausfall weniger tragisch, da er – im Gegensatz<br />

zu einem integrierten Betreiber – in einem solchen Fall nicht auch<br />

noch die Erlöse aus der Stromerzeugung verliert. Zum anderen steigen<br />

für einen reinen Netzbetreiber jedoch die Anreize, Investitionen in den<br />

länderübergreifenden Netzausbau vorzunehmen, da er sich – im Gegensatz<br />

zu einem integrierten Netzbetreiber – nicht gegen die ausländische<br />

Konkurrenz auf der Erzeugerebene abschotte muss oder will. 66 Der Ausbau<br />

der Grenzkuppelstellen würde also durch unabhängige Netzbetreiber<br />

vermutlich forciert werden. Diese Argumentation gilt jedoch wohl<br />

gemerkt nur für die Übertragungsnetzbetreiber, nicht für die Verteilnetze.<br />

Insgesamt betrachtet sind die Effekte einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

somit unklar: Während die Anreize zum Netzausbau an den<br />

Marktgrenzen (Grenzkuppelstellen) zunehmen, sinken die Anreize in die<br />

Netzqualität bzw. Versorgungssicherheit zu investieren.<br />

Anzumerken ist in diesem Kontext auch, dass zumindest für Deutschland<br />

die Vorteile einer zwangsweisen eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

dramatisch dadurch gesunken sind, dass E.ON sein Übertragungsnetz<br />

mehr oder minder freiwillig verkaufen wird. Durch den Verkauf des E.ON-<br />

Netzes an einen unabhängigen Netzbetreiber sinken nämlich auch die<br />

Diskriminierungsmöglichkeiten für die anderen drei Übertragungsnetzbetreiber.<br />

Warum? Sollte sich einer der drei vertikal integrierten Unternehmen<br />

weigern, ein neues Kraftwerk anzuschließen bzw. dieses diskriminieren,<br />

so können nichtsdestotrotz Kraftwerke im E.ON-Netzgebiet<br />

angeschlossen werden. Da das Übertragungsnetz insgesamt wie eine<br />

Kupferplatte funktioniert <strong>und</strong> Deutschland als ein Marktgebiet an der<br />

EEX behandelt wird, bedeutet dies, dass der Strom alternativer Kraftwerksbetreiber<br />

nicht aus dem EnBW-, RWE- oder Vattenfall-Versorgungsgebiet<br />

ferngehalten werden kann, selbst wenn er nicht dort originär<br />

eingespeist wird. Somit macht auch für diese drei Anbieter eine Diskriminierung<br />

alternativer Anbieter relativ wenig Sinn, wenn diese dann alternativ<br />

<strong>und</strong> problemlos in das E.ON-Netz <strong>und</strong> damit auch in das deutsche<br />

Gesamtnetz einspeisen können. Dies gilt zwar zunächst nur für den zukünftigen<br />

Kraftwerksbau innerhalb Deutschlands <strong>und</strong> nicht für den Ausbau<br />

der Grenzkuppelstellen, nichtsdestotrotz reduziert sich jedoch so die<br />

Diskriminierungs-Problematik, welche durch die Kraftwerksnetzanschlussverordnung<br />

sowie die Anreizregulierungsverordnung ohnehin<br />

schon gemildert ist, noch weiter.<br />

65 Vgl. Haucap (2007).<br />

66 Vgl. Ebenda.<br />

33


Für den Strombereich ist daher insgesamt festzuhalten, dass die Vor-<br />

<strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen Entflechtung viel schwieriger zu beurteilen<br />

sind als z.B. im Bahnbereich. Wie auch im Bahnbereich haben vertikal<br />

integrierte Anbieter Anreize <strong>und</strong> Möglichkeiten, potenziellen Wettbewerbern<br />

auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten den Zugang zur wesentlichen<br />

Netzinfrastruktur zu erschweren <strong>und</strong> so die Märkte effektiv zu verschließen.<br />

Im Energiebereich findet diese vertikale Marktabschottung jedoch<br />

primär durch die Gestaltung der Netznutzungsentgelte, d.h. durch preisliche<br />

Maßnahmen, statt, welche <strong>von</strong> der B<strong>und</strong>esnetzagentur im Zuge der<br />

Entgeltregulierung wesentlich einfacher kontrolliert werden können als<br />

die nicht-preislichen Diskriminierungsmöglichkeiten, welcher der Bahn<br />

offen stehen. Des Weiteren sind auch die Auswirkungen auf die Investitionsanreize<br />

im Energiebereich genauer zu betrachten, da Investitionen in<br />

Netze <strong>und</strong> Kraftwerke hier, anders als im Bahnbereich, nicht in nennenswertem<br />

Umfang staatlich subventioniert werden. Und schließlich ist<br />

zu bedenken, dass sinkende Preise politisch nicht gewollt zu sein scheinen,<br />

wenn dies eine Zunahme des Stromverbrauchs induziert (was typischerweise<br />

bei einer fallenden Nachfragefunktion zumindest mittelfristig<br />

der Fall wäre).<br />

Kritisch zu beurteilen ist gleichwohl die momentan zu beobachtende zunehmende<br />

Vorwärtsintegration der vier großen Verb<strong>und</strong>netzbetreiber auf<br />

der Stadtwerksebene. Aufgr<strong>und</strong> des trägen Wechselverhaltens vieler<br />

Nachfrager könnte hier eine Marktabschottung auf der Erzeugungsseite<br />

(durch den Verschluss der Absatzwege) erreicht werden. 67 Eine vertikale<br />

Entflechtung bestehender Unternehmen sollte allerdings aufgr<strong>und</strong> der<br />

Schärfe des Eingriffs, wenn überhaupt, nur als allerletztes Mittel gewählt<br />

werden.<br />

3. Vertikale Entflechtung in der Wasserwirtschaft<br />

Einfacher liegt der Fall wiederum in der Wasserwirtschaft: Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

werden der Wasserwirtschaft vier Aufgaben zugeordnet, die gleichzeitig<br />

die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette darstellen (OELMANN,<br />

2005). Diese sind:<br />

1. Wassergewinnung<br />

2. Wasseraufbereitung<br />

3. Wassertransport<br />

4. Wasserverteilung.<br />

67 Vgl. Monopolkommission, 2007b.<br />

34


Die Wassergewinnung erfolgt regelmäßig durch Förderung <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>-<br />

<strong>und</strong> Quellwasser, welches im Jahre 2001 75% der Wasserversorgung in<br />

Deutschland ausmachte. Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Quellwasser wird vor allem wegen<br />

der verhältnismäßig geringen Verschmutzung bevorzugt, weil es nur in<br />

geringem Maße oder teilweise gar nicht vor der Weiterleitung an die<br />

Verbraucher gereinigt werden muss (OELMANN, 2005). In Abhängigkeit<br />

der Qualität des gewonnenen Wassers wird in der Produktionsstufe der<br />

Wasseraufbereitung die Reinigung des Wassers vorgenommen. An dieser<br />

Stelle sei darauf verwiesen, dass die zur Aufbereitung des Frischwassers<br />

verwendeten Verfahren in sehr ähnlicher Form auch in der Aufbereitung<br />

<strong>von</strong> Abwasser Verwendung finden. Im Rahmen des Wassertransports<br />

wird Frischwasser <strong>von</strong> den Produzenten zu den jeweiligen<br />

Versorgungsgebieten transportiert. Innerhalb dieser Gebiete erfolgt die<br />

eigentliche Wasserverteilung. Hier handelt es sich im Gegensatz zu den<br />

Transportleitungen um regional begrenzte Leitungen, die dem Transport<br />

über kurze Strecken dienen <strong>und</strong> bei denen mit Hilfe zusätzlicher Pumpen,<br />

der in den Haushalten benötigte Wasserdruck aufgebaut wird. Führt<br />

man für diese Wertschöpfungskette eine disaggregierte Analyse zur<br />

Identifizierung potenzieller resistenter natürlicher Monopole durch,<br />

gelangt man zu dem Ergebnis, dass zumindest im Bereich des Wassertransports<br />

sowie der Wasserverteilung resistente natürliche Monopole<br />

vorliegen.<br />

Mögliche Entflechtungspotenziale scheinen im Bereich der Wasserversorgung<br />

kaum gegeben zu sein, da Wettbewerb auf den vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />

Ebenen in den allermeisten Bereichen keine Rolle spielen<br />

dürfte. Darüber hinaus dürften bei integriertem Angebot aller Wertschöpfungsstufen<br />

in einem Unternehmen beträchtliche Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

anfallen. Man kann sicherlich da<strong>von</strong> ausgehen, dass aufgr<strong>und</strong> bestehender<br />

Hygienevorschriften die integrierte Erbringung <strong>von</strong> Wassergewinnung,<br />

Wasseraufbereitung <strong>und</strong> Wassertransport bzw. –verteilung<br />

wesentliche Effizienzvorteile bieten wird. Damit Wasser wirklich in der<br />

notwendigen Qualität zum Endverbraucher geliefert werden kann, sind<br />

erhebliche Koordinationsprozesse zwischen den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen<br />

notwendig, die im Rahmen einer vertikalen Separierung<br />

kaum effizient erbracht werden können. Aus diesen Überlegungen<br />

kann darüber hinaus geschlossen werden, dass eine vertikale Separierung<br />

die erforderlichen Investitionsanreize in erheblichem Maße einschränken<br />

würde. Aufgr<strong>und</strong> des kaum möglichen Wettbewerbs auf den<br />

vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten erübrigt sich eine Analyse potenzieller<br />

Diskriminierungsanreize.<br />

35


Innovative dezentrale Wassergewinnungsformen, wie z.B. die Gewinnung<br />

<strong>und</strong> Aufbereitung <strong>von</strong> Frischwasser durch das Sammeln <strong>von</strong><br />

Regenwasser, dürfte eher in gering besiedelten Gebieten eine Rolle<br />

spielen <strong>und</strong> wird in Deutschland schon aufgr<strong>und</strong> der existierenden<br />

gesetzlichen Hygienestandards kaum auf breiter Front anwendbar sein. 68<br />

Wasser, welches auf diese Art gewonnen wird ist i.d.R. nicht als Trinkwasser,<br />

sondern nur für Bereiche mit geringeren Anforderungen verwendbar.<br />

Zusammengefasst erscheint eine vertikale Separierung des Transport-<br />

bzw. Verteilungsnetzes in der Wasserwirtschaft nicht sinnvoll, da der<br />

immense Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen sowie der korrespondierenden<br />

Investitionsanreize gegen eine solche Vorgehensweise sprechen. Anders<br />

ausgedrückt, erscheint Wettbewerb auf den vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />

Märkten der Wasserwirtschaft kaum möglich, so dass derartige Entflechtungsüberlegungen<br />

sich erübrigen. Mangels vorhandener Potenziale<br />

für Wettbewerb auf dem Markt wäre zumindest Wettbewerb um den<br />

Markt in der Wasserwirtschaft eine unter Umständen viel versprechende<br />

Alternative. Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten diskutiert,<br />

wäre dadurch eine experimentelle Ermittlung potenzieller Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

möglich, die in eine effizientere Struktur der Wasserindustrie führt.<br />

Einschränkend sollte aber eingeräumt werden, dass aufgr<strong>und</strong> der existierenden<br />

Bedingungen auch in Bezug auf den Wettbewerb um den<br />

Markt keine überzogenen Erwartungen aufgebaut werden sollten.<br />

An dieser Stelle sei noch kurz auf die Problematik der Abwasserentsorgung<br />

eingegangen, die in Deutschland vielfach separat <strong>von</strong> der Frischwasserversorgung<br />

betrieben wird. 69 Hier könnten unter Umständen Verb<strong>und</strong>vorteile<br />

mit der Wasserversorgung gegeben sein, da in Bezug auf<br />

die Aufbereitung <strong>von</strong> Frisch- <strong>und</strong> Abwasser wesentliche technische<br />

Parallelen bestehen, die Effizienzgewinne für ein vertikal integriertes<br />

Unternehmen verursachen könnten. Hier wäre eine Ermittlung potenzieller<br />

Verb<strong>und</strong>vorteile unter Zuhilfenahme der Ausschreibung unterschiedlicher<br />

Angebotspakete durchaus sinnvoll <strong>und</strong> viel versprechend.<br />

VI. Fazit<br />

Eine aus ökonomischer Sicht adäquate vertikale Struktur <strong>von</strong> Netzindustrien<br />

hängt, wie die Betrachtung der Sektoren Bahn, Strom <strong>und</strong> Wasser<br />

68<br />

Vgl. dazu auch OECD (2006).<br />

69<br />

Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass auch ein integriertes Angebot <strong>von</strong> Frischwasserversorgung<br />

<strong>und</strong> Abwasserversorgung möglich ist.<br />

36


gezeigt hat, in erheblichem Maße da<strong>von</strong> ab, in welcher Höhe mögliche<br />

Effizienzgewinne aus der vertikalen Entflechtung monopolistischer Engpassbereiche<br />

potenziellen Effizienzverlusten aus gesunkenen Investitionsanreizen<br />

<strong>und</strong> einem Verlust an Verb<strong>und</strong>vorteilen gegenüberstehen.<br />

Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass es aus theoretischer<br />

Sicht gute Gründe für <strong>und</strong> gegen eine vertikale Entflechtung gibt.<br />

Pauschale Urteile bezüglich einer angemessenen Vorgehensweise sind<br />

hier strikt abzulehnen, da in jedem Einzelfall oder jeder Netzindustrie<br />

eine sorgfältige Einzelfallprüfung notwendig ist.<br />

Die Kernfrage einer solchen Analyse muss zunächst sein: (1) Liegt in der<br />

betrachteten Branche dauerhaft ein resistentes natürliches Monopol in<br />

einem Teilbereich (z.B. im Netz) vor? Anschließend (2) ist zu fragen, wie<br />

viel Wettbewerb auf einem vor- oder nachgelagerten Markt möglich ist.<br />

Sind hier hohe Wettbewerbspotenziale ersichtlich, bedarf es einer eingehenden<br />

detaillierten Betrachtung möglicher Effizienzgewinne (z.B. aus<br />

der Eindämmung <strong>von</strong> Diskriminierungspotenzialen) <strong>und</strong> Effizienzverlusten<br />

(aus der Senkung <strong>von</strong> Investitionsanreizen). Ist Wettbewerb auf vor-<br />

oder nachgelagerten Märkten möglich, so stellt sich als nächstes die<br />

Frage (3) nach dem Diskriminierungspotenzial, welches die Betreiber<br />

wesentlicher Einrichtungen haben <strong>und</strong> wie einfach oder schwierig dieses<br />

durch Regulierungsbehörden kontrolliert werden kann. Letzteres wiederum<br />

hängt stark da<strong>von</strong> ab, ob eine vertikale Marktabschottung eher aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> preislichen Maßnahmen (prohibitiven Netznutzungsentgelten)<br />

wie im Energiebereich oder aufgr<strong>und</strong> nicht-preislicher Diskriminierung<br />

(wie im Fall der Bahn) entsteht. Dabei ist nicht-preisliche Diskriminierung<br />

typischerweise viel schwieriger für Regulierungsbehörden zu kontrollieren.<br />

Weiter ist zu fragen (4), welche Verb<strong>und</strong>vorteile bei einer Entflechtung<br />

verloren gehen, (5) wie die Investitionsanreize beeinflusst werden,<br />

(6) welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten entstehen <strong>und</strong> (7) welche anderen<br />

Faktoren (z.B. juristischer oder politischer Natur) es zu bedenken gilt.<br />

Die Analyse verschiedener Netzindustrien wird in diesem Kontext zu<br />

differierenden Ergebnissen führen. Während im Bereich der Bahn eine<br />

vertikale Separierung des Schienennetzes sehr deutlich als vorteilhaft zu<br />

identifizieren ist, erscheinen die Vorteile einer vertikalen <strong>Trennung</strong> im<br />

Energiebereich nicht so klar. Eine vertikale Separierung des Wassertransport-<br />

<strong>und</strong> Wasserverteilungsnetzes in der Wasserwirtschaft erscheint<br />

aus ökonomischer Sicht in absehbarer Zeit fast gar nicht vertretbar<br />

zu sein. Diese stark unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen die<br />

Notwendigkeit einer sorgfältigen Einzelfallanalyse.<br />

37


Gelangt man zu dem Ergebnis, dass in einer bestimmten Netzindustrie<br />

kein Wettbewerb auf einem Markt möglich ist, so könnte dennoch Wettbewerb<br />

um einen Markt sinnvoll sein. Ein wesentlicher Vorteil eines<br />

Wettbewerbs um den Markt ist die unter Umständen mögliche Ermittlung<br />

<strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen durch adäquate Ausschreibungsverfahren. Wird<br />

sowohl eine Ausschreibung für ein integriertes Angebot (z.B. gleichzeitiger<br />

<strong>Betrieb</strong> des Schienennetzes sowie Angebot der Verkehrsdienstleistung<br />

im Regionalverkehr) als auch eine separate Ausschreibungen beider<br />

Wertschöpfungsstufen vorgenommen, können anhand der eingegangenen<br />

Gebote vorhandene Verb<strong>und</strong>vorteile abgeschätzt <strong>und</strong> durch<br />

die Vergabe berücksichtigt werden.<br />

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41


Prof. Dr. Joachim Wieland *<br />

Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> als Problem der<br />

Eigentumsgarantie<br />

I. Problemaufriss<br />

Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Netzwirtschaft ist bislang<br />

vor allem aus wirtschaftspolitischer <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlicher<br />

Sicht erörtert worden. Sie wirft aber auch gr<strong>und</strong>rechtsdogmatische<br />

Fragen auf, die ihren Ort vor allem in der Eigentumsgarantie des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

haben. Mit diesen Fragen werde ich mich im Folgenden<br />

beschäftigen. Dabei werde ich in fünf Schritten vorgehen. Ich stelle die<br />

Eigentumsgarantie des Gr<strong>und</strong>gesetzes in den Mittelpunkt meiner Überlegungen<br />

<strong>und</strong> konzentriere mich auf die eigentumsrechtliche Entflechtung,<br />

also auf einen Spezialfall der Entflechtung. In einem ersten Schritt<br />

analysiere ich die in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur bislang entwickelten<br />

Lösungsansätze. Dann untersuche ich in gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischer Sicht<br />

den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Was schützt Eigentum im<br />

verfassungsrechtlichen Sinne? Liegt drittens bei einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung ein Eingriff in die Eigentumsgarantie vor? In meinem<br />

vierten Schritt gehe ich der Frage nach, ob ein solcher Eingriff zu rechtfertigen<br />

wäre. Ich schließe mit einer kurzen Zusammenfassung meiner<br />

Ergebnisse.<br />

Beginnen wir mit der Klärung des Begriffs der eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />

Eigentumsrechtliche Entflechtung ist ganz offensichtlich eine<br />

Übersetzung des englischen Fachausdrucks ownership unb<strong>und</strong>ling.<br />

Gemeint ist die vertikale Separierung <strong>von</strong> (Versorgungs-)Unternehmen<br />

durch eine vollständige Herauslösung des Netzbetriebs aus der Wertschöpfungskette<br />

eines zuvor vertikal integrierten Unternehmens. Begriffs<br />

prägend ist also die vertikale Separierung eines bis dahin vertikal integrierten<br />

Unternehmens. Der neue Netzbetreiber wird Eigentümer der<br />

Netzinfrastruktur. Der Bezug zur Eigentumsgarantie ergibt sich aus dem<br />

Übergang <strong>von</strong> Eigentum. Der neue Netzbetreiber ist nach dem Eigentumserwerb<br />

allein verantwortlich für die <strong>Infrastruktur</strong> inklusive der Wartung<br />

des Netzes <strong>und</strong> der Vornahme der notwendigen Investitionen. Der<br />

<strong>Betrieb</strong>, genauer der Netzbetrieb – also etwa die Erzeugung, der Import<br />

*<br />

Prof. Dr. Joachim Wieland LL.M., ist Lehrstuhlinhaber an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />

Speyer.<br />

42


<strong>und</strong> der Vertrieb <strong>von</strong> Energie oder Wasser – verbleiben beim Ursprungsunternehmen.<br />

Nach der Separierung oder eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

sind folglich zwei Unternehmen in die Wertschöpfungskette<br />

eingeschaltet. Die vorliegenden Modelle gehen insoweit da<strong>von</strong> aus, dass<br />

beide Unternehmen sich nicht auf der jeweils anderen Wirtschaftsstufe<br />

betätigen. Deshalb ist <strong>von</strong> <strong>Trennung</strong> <strong>und</strong> Entflechtung die Rede. Dazu<br />

gehört auch, dass es keine relevante Kapitalbeteiligung gibt, dass nicht<br />

etwa beide Unternehmen wechselseitig am Kapital des jeweils anderen<br />

Unternehmens beteiligt sind, sondern dass die beiden Unternehmen<br />

auch gesellschaftsrechtlich zwei völlig getrennte Akteure sind. Erörtert<br />

werden die Modelle der eigentumsrechtlichen Entflechtung für die Bereiche<br />

Verkehr, Energie <strong>und</strong> Wasser.<br />

Den folgenden Überlegungen liegt ganz wesentlich das Konzept der<br />

Kommission der Europäischen Union zur <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong> zu Gr<strong>und</strong>e, so wie es in der Mitteilung vom 10. Januar 2007 niedergelegt<br />

worden ist. Nach Auffassung der Kommission ist die eigentumsrechtliche<br />

Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen <strong>von</strong><br />

ihren Netzen gegenüber dem Modell des unabhängigen Netzbetreibers<br />

vorzugswürdig. Das Alternativmodell des unabhängigen Netzbetreibers<br />

hält die EU-Kommission aus einer Begründung heraus für nachrangig,<br />

die später auch für die verfassungsrechtlichen Überlegungen bei der<br />

Suche nach einer Rechtfertigung für den in der Entflechtung liegenden<br />

Eingriff in die Eigentumsgarantie <strong>von</strong> Bedeutung sein werden. Nach<br />

Auffassung der Kommission ist eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

das wirksamste Mittel zur Gewährleistung <strong>von</strong> Wahlfreiheit für den Energieverbraucher.<br />

Die Kommission richtet also ihren Blickpunkt nicht auf<br />

die Unternehmen, sondern auf die Verbraucher <strong>und</strong> damit nicht auf den<br />

Wettbewerb zwischen den Unternehmen, sondern auf den Nutzen für<br />

den Verbraucher. Die Gründe für diese Fokussierung sind politisch<br />

nachvollziehbar. Man kann in der Öffentlichkeit mehr Akzeptanz für<br />

eigene Vorschläge erwarten, wenn man Projekte für den Verbraucherschutz<br />

präsentiert, als wenn man Probleme einzelner Wirtschaftszweige<br />

zu lösen sucht. Ein wesentlicher weiterer Vorteil des Modells der eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung liegt nach Auffassung der Kommission<br />

darin, dass ein fairer Netzzugang ohne Diskriminierung ermöglicht wird.<br />

Dagegen kann eine Diskriminierung bei einer Verflechtung tatsächlich<br />

nicht ausgeschlossen werden, zumal es gewisse wirtschaftliche Anreize<br />

dafür gibt.<br />

Die Investitionsentscheidungen in das Netz erfolgen nach einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung getrennt <strong>von</strong> den Erzeugerinteressen. Zwei<br />

Unternehmen betätigen sich wirtschaftlich, <strong>und</strong> beide treffen ihre Ge-<br />

43


schäftsentscheidungen getrennt <strong>und</strong> unabhängig <strong>von</strong> einander. Welche<br />

Entscheidungen sie tatsächlich treffen würden <strong>und</strong> insbesondere, ob der<br />

Netzbetreiber ausreichende ökonomische Anreize hätte, in sein Netz zu<br />

investieren, bleibt abzuwarten. Denkbar ist immerhin auch, dass er<br />

versuchen würde, seine Kosten so niedrig wie möglich zu halten, um<br />

seine Erträge zu optimieren. Der Niedergang des britischen Eisenbahnnetzes<br />

nach dessen Privatisierung bietet ein wenig ermutigendes Beispiel<br />

für die Folgen einer <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Rahmen<br />

einer Privatisierung.<br />

Die Europäische Kommission sieht einen ganz wesentlichen Vorteil einer<br />

eigentumsrechtlichen Entflechtung in der <strong>von</strong> ihr erwarteten Möglichkeit,<br />

die Intensität der Regulierung zu verringern, also zu deregulieren. Der<br />

Verwaltungsaufwand würde sinken, weil eine Struktur geschaffen würde,<br />

die aus sich heraus Vorteile für den Wettbewerb mit sich brächte, während<br />

bei einer Integration <strong>von</strong> Energieerzeugung <strong>und</strong> Netzbetrieb in<br />

einem Unternehmen eine Regulierungsbehörde <strong>von</strong> außen die Rahmenbedingungen<br />

für einen funktionierenden Wettbewerb durchsetzen<br />

müsste.<br />

Weiterhin erhofft sich die Kommission <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung eine stärkere Nutzung des Netzes, die wiederum Investitionen<br />

in die Netzinfrastruktur fördern soll. Grenzüberschreitende Netzverbindungen<br />

<strong>und</strong> damit die Bildung internationaler Netze würden nach<br />

Meinung der Kommission erleichtert. Es leuchtet jedenfalls ein, dass<br />

gegenwärtig der Anreiz für integrierte Unternehmen, durch grenzüberschreitende<br />

Netze für mehr Wettbewerb zu sorgen, begrenzt ist. Jedes<br />

integrierte Unternehmen hat ein natürliches Eigeninteresse, sich seinen<br />

abgegrenzten Markt möglichst ohne das Hinzutreten <strong>von</strong> Wettbewerbern<br />

zu erhalten.<br />

Schließlich hält die Europäische Kommission als Folge einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung auch Effektivitätssteigerungen im Netzbetrieb<br />

für möglich, weil nach einer Entflechtung der Informationsaustausch einfacher<br />

werde. Damit sind die wesentlichen Punkte der Position geschildert,<br />

welche die Europäische Kommission zu Beginn des Jahres<br />

2007 vertreten hat. Dieses Modell werde ich im Folgenden unter verfassungsrechtlichen<br />

Gesichtspunkten näher untersuchen.<br />

Rechtliche Regelungen über eine eigentumsrechtliche Entflechtung sind<br />

nicht völlig neu. § 7 Abs. 1 einer Verordnung der Europäischen Union im<br />

Wettbewerbsrecht kann als Vorbild für die jetzt geplante Normierung<br />

dienen. Bei einem Verstoß gegen Art. 81, 82 EG – das sind die Wett-<br />

44


ewerbsvorschriften des EG-Vertrages – darf die Kommission danach<br />

„alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller<br />

Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung<br />

verhältnismäßig <strong>und</strong> für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung<br />

erforderlich sind“. Aus juristischer Sicht fällt bei der Analyse<br />

dieser europarechtlichen Norm auf, dass als Reaktion auf Wettbewerbsverstöße<br />

– also auf ein Fehlverhalten – als Sanktion strukturelle – nicht<br />

nur verhaltensorientierte – Abhilfemaßnahmen getroffen werden dürfen,<br />

sofern sie verhältnismäßig sind. § 7 der Verordnung enthält damit eine<br />

Regelung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene, die eine eigentumsrechtliche<br />

Entflechtung erlauben würde.<br />

Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist insoweit<br />

deutlich vorsichtiger: Die Kartellbehörde kann Unternehmen alle Maßnahmen<br />

aufgeben, die für ein wirksames Abstellen einer Zuwiderhandlung<br />

gegen das Wettbewerbsrecht erforderlich <strong>und</strong> in Bezug zu dem<br />

festgestellten Verstoß verhältnismäßig sind. Wenn man die europäische<br />

<strong>und</strong> die deutsche Rechtsnorm vergleicht, fällt sofort der wesentlich konkretere<br />

Wortlaut der europarechtlichen Verordnung auf: Während im<br />

Gemeinschaftsrecht zu allen erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter<br />

oder struktureller Art ermächtigt wird, spricht das deutsche<br />

Recht nur <strong>von</strong> allen Maßnahmen. Von strukturellen Maßnahmen ist<br />

dagegen nicht die Rede. Die Frage drängt sich auf, was das Schweigen<br />

des deutschen Gesetzes bedeutet. Jedenfalls wollte der Gesetzgeber<br />

eine Ermächtigung zu strukturellen Maßnahmen nicht ausdrücklich in<br />

das Gesetz schreiben. In der Gesetzesbegründung heißt es dementsprechend,<br />

§ 32 treffe keine ausdrückliche Regelung über strukturelle<br />

Maßnahmen, schließe Eingriffe in die Unternehmenssubstanz aber nicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich aus – wer Juristen kennt, weiß was diese Formulierung<br />

bedeutet. Juristen sagen immer dann, gr<strong>und</strong>sätzlich sei etwas möglich<br />

oder nicht ausgeschlossen, wenn sie sich (noch) nicht festlegen wollen,<br />

sondern sich die weitere Argumentation vorbehalten. In der Gesetzesbegründung<br />

folgt der Satz, es seien Befugnisse erfasst, die bei Missbrauch<br />

einer marktbeherrschenden Stellung strukturelle Elemente einschlössen.<br />

Damit wird die Aussage schon eindeutiger. Man sieht, wie<br />

sich der Gesetzgeber vorsichtig dem Problem struktureller Eingriffe<br />

angenähert hat. Er hat es im Gesetzestext nicht angesprochen, sondern<br />

ganz allgemein nur zu allen Maßnahmen ermächtigt. Die Gesetzesbegründung<br />

ist dann schon ein wenig mutiger, ohne sich völlig eindeutig<br />

festzulegen.<br />

Den nächsten Schritt auf dem Weg zur Regelung einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung bildet der hessische Entwurf eines Gesetzes zur<br />

45


Verbesserung der Marktstruktur bei Wettbewerbsversagen vom Herbst<br />

2007. In diesem Entwurf sieht der hessische Wirtschaftsminister eine<br />

Entflechtung auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung vor,<br />

wenn die Aufgreifschwellen der Funktionskontrolle erfasst sind, wenn<br />

also der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bekämpft werden<br />

soll. Die Entflechtung stellt eine Reaktion auf den Missbrauch wirtschaftlicher<br />

Macht mit Sanktionscharakter dar. Wer seine wirtschaftliche<br />

Machtstellung missbraucht, muss eine strukturelle Entflechtung hinnehmen,<br />

wenn sonst wettbewerbliche Strukturen nicht erreicht werden können.<br />

Das B<strong>und</strong>eskartellamt hat in seinem letzten Jahresbericht betont, keine<br />

Möglichkeit zur Stärkung des Wettbewerbs dürfe <strong>von</strong> vornherein ausgeschlossen<br />

werden. Ob das bedeutet, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

nach Auffassung des B<strong>und</strong>eskartellamts zu den Instrumenten<br />

gehört, die Teil des Wettbewerbsrechts sein sollen, ist damit nicht<br />

gesagt. Auch die B<strong>und</strong>esregierung hält sich alle Optionen offen. Sie will<br />

die eigentumsrechtliche Entflechtung gründlich prüfen. Über das Ergebnis<br />

der Prüfung kann dementsprechend noch nichts gesagt werden.<br />

Jedenfalls wird die B<strong>und</strong>esregierung eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

zunächst einmal nicht umzusetzen versuchen.<br />

II. Schutzbereich der Eigentumsgarantie<br />

Nach dieser Bestandsaufnahme der tatsächlichen Gegebenheiten, Pläne<br />

<strong>und</strong> Absichten ebenso wie der bereits vorhandenen Regelungen folgt im<br />

zweiten Schritt eine Analyse der verfassungsrechtlichen Dogmatik. Sie<br />

beginnt traditionell mit der Frage, ob eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

überhaupt in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt. Was<br />

den persönlichen Schutzbereich angeht, muss geklärt werden, ob sich<br />

die <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen Entflechtung betroffenen Unternehmen<br />

überhaupt auf die Eigentumsgarantie berufen können, auch<br />

wenn sie dem Staat, Kommunen oder der öffentlichen Hand im weitesten<br />

Sinne gehören. Eigengesellschaften <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong> gemischtwirtschaftliche<br />

Unternehmen wie Stadtwerke waren bis vor kurzem nach der<br />

Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts <strong>und</strong> der ihr folgenden<br />

herrschenden Meinung in der Literatur nicht gr<strong>und</strong>rechtsfähig, weil sie<br />

als Teil der gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten öffentlichen Verwaltung angesehen<br />

wurden. Folgte man dieser Auffassung, konnten sie sich auf die Eigentumsgarantie<br />

nicht berufen. Der Staat sollte nicht die Möglichkeit erhalten,<br />

sich durch die Wahl einer privatrechtlichen Gesellschaftsform<br />

<strong>und</strong>/oder das Zusammenwirken mit privaten Unternehmen vom Gr<strong>und</strong>rechtsadressaten<br />

zum Gr<strong>und</strong>rechtsträger zu wandeln.<br />

46


Diese Rechtsprechung hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht 2006 wesentlich<br />

modifiziert. In einem Beschluss des Ersten Senats zum gr<strong>und</strong>rechtlichen<br />

Schutz <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen der Deutschen Telekom AG<br />

musste entschieden werden, ob sich die Deutsche Telekom auf Gr<strong>und</strong>rechte<br />

berufen <strong>und</strong> Verfassungsbeschwerde erheben kann, obwohl der<br />

Staat an der Deutschen Telekom AG noch zu etwa einem Drittel beteiligt<br />

war. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat 2006 entschieden, dass auch<br />

die Deutsche Telekom AG in den persönlichen Schutzbereich der Gr<strong>und</strong>rechte<br />

fällt, weil der Staat keinen beherrschenden Einfluss auf die Führung<br />

des Unternehmens ausübe. Nur wenn der Staat das Unternehmen<br />

direkt selber steuere, die Führung des Unternehmens also nicht dessen<br />

Vorstand überlasse, sei es kein Gr<strong>und</strong>rechtsträger, sondern falle in die<br />

Sphäre des gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten Staates.<br />

Diese Voraussetzung erfüllen die <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen Verflechtung<br />

betroffenen Unternehmen regelmäßig nicht. Sie werden nicht<br />

hoheitlich gelenkt, sondern nach privatwirtschaftlichen Maximen im täglichen<br />

Geschäft unabhängig <strong>von</strong> der Willensbildung der öffentlichen Verwaltung<br />

geführt. Auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen oder Eigengesellschaften,<br />

deren Träger allein die öffentliche Hand ist, können sich<br />

also jetzt auf die Eigentumsgarantie berufen, solange der gr<strong>und</strong>rechtsverpflichtete<br />

Staat oder die gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten Kommunen sie<br />

nicht ausnahmsweise unmittelbar steuern. Sie fallen also in den persönlichen<br />

Schutzbereich der Eigentumsgarantie.<br />

Auch der sachliche Schutzbereich der Eigentumsgarantie ist berührt.<br />

Das Anteilseigentum an integrierten Unternehmen <strong>und</strong> das Eigentum<br />

dieser Unternehmen an den einzelnen Netzbestandteilen gehört sachlich<br />

zu dem, was die Verfassung als Eigentum schützt. Prägend für Eigentum<br />

im verfassungsrechtlichen Sinne sind Privatnützigkeit <strong>und</strong> Verfügungsbefugnis.<br />

Anteilseigentum dient ebenso wie Netzeigentum dem privaten<br />

Nutzen, der Rechtsinhaber kann über sie verfügen, in dem er sie etwa<br />

veräußert. Anteilseigentum <strong>und</strong> Netzeigentum gehören also zum Eigentum<br />

im verfassungsrechtlichen Sinne. Als Unternehmenseigentum haben<br />

sie einen sozialen Bezug <strong>und</strong> eine soziale Funktion. Das hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

1979 in der Mitbestimmungsentscheidung zu<br />

Recht herausgearbeitet.<br />

III. Eigentumseingriff<br />

Nicht weniger spannend als die Reichweite des Schutzbereichs der verfassungsrechtlichen<br />

Eigentumsgarantie ist aus verfassungsrechtlicher<br />

47


Sicht die Frage, wie eine eigentumsrechtliche Entflechtung in das Eigentum<br />

im verfassungsrechtlichen Sinne eingreifen würde. Unter einem Eingriff<br />

in ein Gr<strong>und</strong>recht versteht man jedes staatliche Handeln, das dem<br />

Einzelnen ein Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, das in<br />

den Schutzbereich des Gr<strong>und</strong>rechts fällt. Da eine eigentumsrechtliche<br />

Entflechtung für das betroffene Unternehmen die Beibehaltung der<br />

gr<strong>und</strong>rechtlichen geschützten Stellung als Unternehmensträger unmöglich<br />

macht, beschränkt sie dessen Verfügungsbefugnis <strong>und</strong> greift damit<br />

in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ein.<br />

Nicht so eindeutig ist die Antwort auf die Frage, wie der Eingriff rechtlich<br />

zu qualifizieren ist. Die Gr<strong>und</strong>rechtsdogmatik kennt zwei Eingriffe in das<br />

Eigentum: zum einen die Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong> Schranken des<br />

Eigentums <strong>und</strong> zum anderen die Enteignung. Unter einer Inhaltsbestimmung<br />

versteht man eine in die Zukunft gerichtete generelle <strong>und</strong> abstrakte<br />

Festlegung <strong>von</strong> Rechten <strong>und</strong> Pflichten hinsichtlich der Rechtsgüter,<br />

die der Eigentumsgarantie unterfallen. Ein Beispiel für eine<br />

Inhalts- <strong>und</strong> Schrankenbestimmung findet sich etwa in den Landesbauordnungen,<br />

die regeln, wie ein Gr<strong>und</strong>stück bebaut werden darf, wie nah<br />

an der Gr<strong>und</strong>stücksgrenze ein Bauwerk errichtet werden darf <strong>und</strong> welche<br />

Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden müssen.<br />

Eine Enteignung setzt demgegenüber den vollständigen oder teilweisen<br />

Entzug <strong>von</strong> Eigentum voraus. Bei der Enteignung wird dem Eigentümer<br />

im Interesse der Allgemeinheit etwas weggenommen, <strong>und</strong> zwar regelmäßig<br />

zur Güterbeschaffung. Das Tatbestandsmerkmal der Güterbeschaffung<br />

geht auf die Ursprünge der Eigentumsdogmatik in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zurück, die in der Landbeschaffung für<br />

den Eisenbahnbau liegen. Seit dieser Zeit wird unter einer Enteignung<br />

ein Entzug <strong>von</strong> vermögenswerten Rechten zur Beschaffung <strong>von</strong> Gütern<br />

im Interesse der Allgemeinheit verstanden.<br />

Wie ist nun die eigentumsrechtliche Entflechtung in die eigentumsrechtliche<br />

Eingriffsdogmatik einzuordnen? Handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung<br />

oder um eine Enteignung? Für die Annahme einer Inhaltsbestimmung<br />

spricht, dass eine Pflicht zum Verkauf für die Zukunft generell<br />

<strong>und</strong> abstrakt festgelegt wird. Es wird normiert, unter welchen Voraussetzungen<br />

die Netze verkauft werden müssen. Gegen eine Inhaltsbestimmung<br />

spricht aber, dass das Verhalten, das vorgeschrieben wird,<br />

gerade dazu führt, dass der Netzeigentümer in Zukunft nicht mehr über<br />

ein Netz verfügt. Das könnte darauf hindeuten, dass eine Enteignung<br />

vorliegt. Aber es ist auch keine klassische Enteignung, weil der Staat<br />

dem Eigentümer das Netz nicht wegnimmt. Er verpflichtet ihn nur dazu,<br />

48


es zu veräußern. Außerdem findet keine hoheitliche Güterbeschaffung<br />

statt, jedenfalls werden keine Güter für den Staat beschafft.<br />

In der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik ist eine vergleichbare<br />

Konstellation in der sogenannten Boxberg-Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

erörtert worden. Das Unternehmen Daimler-Benz<br />

wollte eine Teststrecke am Boxberg errichten, war aber wegen des<br />

Widerstands einiger Gr<strong>und</strong>eigentümer nicht in der Lage, alle benötigten<br />

Gr<strong>und</strong>stücke zu kaufen. Damit stellte sich die Frage, ob der Staat die<br />

privaten Gr<strong>und</strong>eigentümer zugunsten eines privaten Dritten enteignen<br />

durfte, damit dieser auf den enteigneten Gr<strong>und</strong>stücken seine Teststrecke<br />

bauen konnte. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat eine Enteignung<br />

zugunsten eines privaten Dritten gr<strong>und</strong>sätzlich für zulässig erklärt <strong>und</strong><br />

sich in diesem Zusammenhang erneut auf die Ursprünge der Eigentumsdogmatik<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert berufen. Seinerzeit wurden die Eisenbahnen<br />

häufig <strong>von</strong> Privaten gebaut, weil der Staat nicht über das notwendige<br />

Kapital verfügte. Eisenbahnrechtliche Enteignungen erfolgten<br />

dementsprechend häufig zugunsten eines privaten Dritten.<br />

Unter Geltung des Gr<strong>und</strong>gesetzes wirft eine Enteignung zu Gunsten<br />

eines privaten Unternehmens die Frage auf, ob sie im Interesse der Allgemeinheit<br />

erfolgt. Sie begünstigt schließlich ein privatwirtschaftliches<br />

Unternehmen, nicht den Staat als Agenten der Allgemeinheit. Und wie<br />

kann gegebenenfalls die Verfolgung <strong>von</strong> Interessen der Allgemeinheit<br />

dauerhaft gesichert werden? Die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

ist insoweit nicht eindeutig. Im Boxbergurteil wird darauf<br />

abgehoben, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG den konkreten<br />

Bestand in der Hand des Eigentümers schütze. Danach wäre eine<br />

eigentumsrechtliche Entflechtung wohl als Enteignung zu qualifizieren. In<br />

einer neueren Entscheidung zur Baulandumlegung hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

aber entschieden, dass nicht jeder Entzug <strong>von</strong><br />

Eigentum eine Enteignung darstelle. Erforderlich sei vielmehr eine<br />

hoheitliche Güterbeschaffung. Bei der Baulandumlegung geht es aber<br />

nicht um eine hoheitliche Güterbeschaffung, sondern um den Ausgleich<br />

privater Interessen.<br />

Die eigentumsrechtliche Entflechtung ist strukturell einer privatnützigen<br />

Enteignung vergleichbar wie sie Gegenstand der Boxberg-Entscheidung<br />

des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts war. Der Staat würde den Netzeigentümer<br />

verpflichten, sein Netz an einen privaten Dritten zu veräußern.<br />

Diese strukturelle Vergleichbarkeit deutet auf eine Enteignung hin. Aber<br />

es handelt sich nicht um eine unmittelbare Güterbeschaffung, wie sie in<br />

der neueren Entscheidung als Merkmal der Enteignung betont wurde.<br />

49


Das Netz soll an private Dritte übergehen. Anders als bei der Baulandentscheidung<br />

steht aber bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung nicht<br />

der Ausgleich privater Interessen in Rede. Von einer Baulandumlegung<br />

haben alle Beteiligten einen Vorteil, weil sie in den Genuss eines bebaubaren<br />

Gr<strong>und</strong>stücks kommen. Demgegenüber ist der Vorteil einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung für das zu entflechtende Unternehmen<br />

nicht ersichtlich. Wenn man eine Pflicht zur Veräußerung eines durch die<br />

Eigentumsgarantie geschützten Gegenstands nicht als Enteignung qualifiziert,<br />

droht zudem die Gefahr der Umgehung des verfassungsrechtlichen<br />

Schutzes vor Enteignung. Denn bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

entzieht der Staat zwar selbst kein Eigentum, zwingt aber das<br />

betroffene Unternehmen bzw. seinen Träger zur Veräußerung <strong>und</strong> führt<br />

auf diesem Wege den Zustand herbei, der sich auch als Ergebnis einer<br />

Enteignung ergeben würde. Wirtschaftlich kann der innerhalb der vorgegebenen<br />

Entflechtungsfrist erzielbare Veräußerungserlös im Übrigen<br />

durchaus hinter der Höhe einer Enteignungsentschädigung zurückbleiben<br />

IV. Eingriffsrechtfertigung<br />

Letztlich kann die Frage, ob in einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

eine Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong> Schranken des Eigentums oder eine<br />

Enteignung zu sehen ist, aber offen bleiben. Jedenfalls liegt die Schwere<br />

des Eingriffs, der mit einer eigentumsrechtlichen Entflechtung verb<strong>und</strong>en<br />

ist, in der Nähe derjenigen einer Enteignung. Die Veräußerungspflicht ist<br />

in ihrer Wirkung dem hoheitlichen Entzug <strong>von</strong> Eigentum durchaus vergleichbar.<br />

Deshalb gibt es einen erheblichen Rechtfertigungsbedarf für<br />

eine eigentumsrechtliche Entflechtung. Denn die Enteignung selbst ist<br />

als der härteste Eingriff in das Eigentum nur als ultima ratio zulässig. Die<br />

Rechtfertigung des in einer eigentumsrechtlichen Entflechtung liegenden<br />

Gr<strong>und</strong>rechtseingriffs setzt zunächst ein Parlamentsgesetz voraus. In der<br />

Staatspraxis dürfte dieses Erfordernis keine hohe Hürde bieten. Weiter<br />

ist ein legitimes Regelungsziel erforderlich. Das wird im Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

näher qualifiziert. Eine Inhalts- <strong>und</strong> Schrankenbestimmung muss der<br />

Vorgabe genügen, dass Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll<br />

zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Insoweit stellt sich die<br />

Frage, ob ein Zwangsverkauf eigentlich als Gebrauch des Eigentums<br />

anzusehen ist. Es wäre jedenfalls der letzte Gebrauch, den der Betroffene<br />

<strong>von</strong> seinem Eigentum machen kann, weil es nach dem Verkauf<br />

nicht mehr sein Eigentum ist.<br />

50


Die Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Darunter<br />

könnten die Stärkung des Wettbewerbs, ein diskriminierungsfreier Netzzugang,<br />

Investitionsanreize sowie die Verhütung des Missbrauchs einer<br />

wirtschaftlichen Machtstellung fallen. Damit dürften hinreichende Gründe<br />

des Wohls der Allgemeinheit genannt sein.<br />

Ist aber eine eigentumsrechtliche Entflechtung geeignet, um dieses<br />

Gemeinwohl zu verwirklichen? Dazu muss die eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

als Mittel die genannten Zwecke fördern. Nach der Verfassungsrechtsprechung<br />

verfügt der Gesetzgeber insoweit über einen<br />

Prognosespielraum, dessen Grenzen vorliegend wohl nicht überschritten<br />

wären. Dafür spricht insbesondere, dass der Netzzugang wahrscheinlich<br />

tendenziell einfacher wird. Ob eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

einen Investitionsanreiz bietet, dürfte umstritten sein.<br />

Verhältnismäßigkeit setzt aber weiter voraus, dass der Eingriff auch<br />

erforderlich ist. Das heißt, es darf kein gleich wirksames, aber für den<br />

Eigentümer weniger belastendes Mittel geben. Insoweit stellt sich die<br />

Frage, ob nicht die Regulierung der Netzwirtschaft weniger belastend<br />

wäre. Die Kosten der Regulierung, die sich aus dem notwendigen Verwaltungsaufwand<br />

ergeben, spielen für die Antwort auf die Frage nach<br />

der Erforderlichkeit des Eigentumseingriffs keine Rolle. Es handelt sich<br />

um Kosten des Rechtsstaates, die der Staat tragen muss, um den <strong>von</strong><br />

der Verfassung gebotenen Gr<strong>und</strong>rechtsschutz zu gewährleisten.<br />

Schließlich ist die Zumutbarkeit einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

zu prüfen. Jeder Eigentumseingriff muss proportional zum verfolgten<br />

Zweck sein. Es handelt sich bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />

um einen einschneidenden Eingriff in das Eigentum. Dessen Nutzen ist<br />

nicht unumstritten. Insoweit besteht Klärungsbedarf. Möglicherweise ist<br />

eine eigentumsrechtliche Entflechtung dem betroffenen Unternehmen<br />

nur bei nachgewiesenem Missbrauch seiner wirtschaftlichen Machtstellung<br />

zumutbar. Solange kein Missbrauch nachweisbar wäre, käme dann<br />

eine eigentumsrechtliche Entflechtung nicht in Betracht.<br />

V. Ergebnis<br />

Zusammenfassend lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht feststellen,<br />

dass die eigentumsrechtliche Entflechtung in die Eigentumsgewährleistung<br />

eingriffe. Ob es sich um eine Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong><br />

Schranken des Eigentums oder um eine Enteignung handelt, ist nicht<br />

leicht zu entscheiden. Jedenfalls wiegt der in einer eigentumsrechtlichen<br />

51


Entflechtung liegende Eingriff in die Eigentumsgarantie so schwer, dass<br />

er nur mit gewichtigen Argumenten gerechtfertigt werden kann. Ob der<br />

Eingriff den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen<br />

würde, ist fraglich. Möglicherweise wäre eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />

für das betroffene Unternehmen nur zumutbar, wenn ihm ein<br />

Missbrauch seiner wirtschaftlichen Machtstellung nachgewiesen werden<br />

könnte.<br />

52


Bernard Thiry *<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> unter dem Aspekt<br />

Regulierung/Kontrolle der <strong>Infrastruktur</strong><br />

Abstrakt:<br />

Bernard Thiry kommentiert aus dem Blickwinkel seiner Erfahrung als<br />

Vorstandsmitglied der belgischen Regulierungsbehörde die Regulierung<br />

<strong>von</strong> Energienetzen. Die belgische Regierung gründete für die Energienetze<br />

ein neues privates Unternehmen, ELIA. Nicht nur das System an<br />

sich war ein Kulturschock. Auch die Herausforderungen eines neuen regulatorischen<br />

Rahmens sind immer noch immens.<br />

Thiry nennt einige Gründe hierfür. Seiner Meinung nach muss die Legitimität<br />

der Regulierungsbehörden durch die Regulatoren selbst aufgebaut<br />

werden. Der Artikel nennt Kontrollschwierigkeiten, mahnt zu Transparenz,<br />

<strong>und</strong> zur Aufrechterhaltung der <strong>Infrastruktur</strong> allgemeinen Interesses.<br />

Er schließt mit einem Ausblick auf die nahe Zukunft, in der ein europäisches<br />

Regulatorensystem aufgr<strong>und</strong> des Drucks der großen Player<br />

entstehen könnte.<br />

SPEACH:<br />

First of all I want to thank you for your invitation. I want also to apologize<br />

for not being able to speak German. I will speak in English – more exactly<br />

in “Globish” with a strong French-speaking accent.<br />

I was asked to give you some personal comments on the regulation of a<br />

network industry taking advantage of my short experience of member of<br />

the board of the Belgian Commission of Regulation for Electricity and<br />

Gas (CREG).<br />

Before doing so I want to tell you how happy I am to be here with you.<br />

* Professor Bernard Thiry ist Generaldirektor des Internationalen Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrums<br />

für öffentliche Wirtschaft, Sozialwirtschaft <strong>und</strong> Genossenschaftswesen – IFIG –<br />

(frz. CIRIEC) <strong>und</strong> Professor an der Universität Lüttich, Belgien. Er war Gründungsmitglied <strong>und</strong> im<br />

Vorstand der belgischen Regulierungsbehörde für Elektrizität <strong>und</strong> Gas (CREG).<br />

53


The GÖW (Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft), as German Section of<br />

CIRIEC, is since about 50 years a basic component of CIRIEC. When I<br />

arrived as director of CIRIEC in 1990, Theo Thiemeyer was President of<br />

the Scientific Commission of CIRIEC. He was a very good president of<br />

this scientific body. I may also mention Helmut Cox who was President of<br />

the Scientific Commission on Public Enterprises. Now Frank Schulz-<br />

Nieswandt with other German members of the scientific network of CI-<br />

RIEC and also the many German members of the international Board of<br />

CIRIEC are strongly involved in CIRIEC activities. I would also wish to<br />

address a special thank to your very efficient and very friendly General<br />

Secretary Wolf Leetz.<br />

CIRIEC was chaired some years ago by a chief executive of a large<br />

German municipal enterprise and CIRIEC held its 22nd International<br />

Congress in Köln – 10 years ago. It may happen that in a near future CI-<br />

RIEC will be chaired again by a member of the German Section and that<br />

an international congress could take place in another German city. I feel<br />

very happy with these prospects. I am sure that you will maintain your<br />

important involvement in CIRIEC. Thanks in advance.<br />

You asked me to give some comments on the regulation of a network<br />

industry. I will base my speech on several articles I have written on this<br />

topic, on the content of my lectures on the economics of the regulation at<br />

the University of Paris-Nanterre and on my short experience as a fo<strong>und</strong>ing<br />

member of the Belgian CREG.<br />

The Belgian CREG was set up in December 1999. I was appointed by<br />

the Belgian Government as one of the six fo<strong>und</strong>ing members of the<br />

board and I was in charge of the finance, of the study department and of<br />

the overall administrative tasks.<br />

I resigned after 2 years for personal reasons. I did not find this job very<br />

exciting.<br />

Being a regulator is a very nice job but also a real challenge. The main<br />

point I want to develop this afternoon is that regulating a network industry<br />

is a difficult task – a kind of ART. The difficulties are of course greater<br />

when there is a shift in the way the industry is regulated and organized.<br />

This was the case in Belgium at that time.<br />

� Electrabel (for electricity) and Distrigaz (for gas) were two completely<br />

integrated private companies. These companies managed the electricity<br />

and gas sectors together with numerous municipal distribution<br />

54


companies (mostly in partnership with Electrabel). Most of the operational<br />

tasks were de facto taken in charge by the private companies.<br />

� In the electricity sector, the Belgian Government set up a new private<br />

enterprise, ELIA, in charge of the network. ELIA is a mixed enterprise<br />

with as shareholders: Electrabel (30%), municipalities (30%) and<br />

stock exchange (40%).<br />

� Since Electrabel held capital shares in Elia, a very strong separation<br />

was installed between the ownership and the management, the latter<br />

remaining largely out of control of the Board composed half of people<br />

linked to shareholders and half of directors independent from the<br />

shareholders.<br />

This organization looks a little like the banking sector where the operational<br />

responsibilities rest on the executive board of management<br />

and not on the board of directors.<br />

� Before 2000, a so-called Control Committee, the CCGE, composed<br />

mainly of delegates from the public authorities, from trade unions and<br />

from customers, was in charge of price fixing and investment programming.<br />

The new system put in place was a cultural shock.<br />

A new mode of regulation had to be implemented and accepted. But implementing<br />

this new regulatory framework appears to be quite difficult for<br />

several reasons:<br />

1. A regulator is suffering from a very strong asymmetry of information.<br />

To a very large extent, the regulated enterprise knows the situation<br />

much better than the regulator and it tends to give only the elements<br />

of information it wants or it is forced to give.<br />

To be in a better position, the regulator may use several<br />

means/instruments:<br />

� benchmarking studies, which can however be quite expensive;<br />

� build up an internal (costly) expertise with a team of lawyers, technical<br />

experts and economists; hiring this expertise is quite easy<br />

especially if you can offer an attractive wage and employee benefit<br />

package but keeping the people after a few years of experience is<br />

much harder because they may receive very attractive job propositions<br />

from the regulated industry to cope with the regulator;<br />

� count on external expertise: this is of course feasible, but not a<br />

real solution since it is often more expensive; the consultancy<br />

company often uses information and results from expertise already<br />

55


56<br />

provided in other countries; the know-how does not belong to the<br />

regulator.<br />

2. Regulators must be independent from the regulated enterprises:<br />

“Easy to say, not so easy to be”.<br />

You must talk: you must meet people, ask for advice, realize impact<br />

assessments. All the people in charge of the regulated industries are<br />

not “thieves”. Some of them have a very strong sense of the general<br />

interest. You are always in close connection with the regulated<br />

people. Of course you cannot accept any gift but the risk of capture of<br />

the regulator by the regulated industry is a real danger. It is thus not<br />

wise to keep the same people in charge of the regulatory body for a<br />

very long time.<br />

3. Regulators must also be very cautious in terms of relations with the<br />

ministers, ministries, political parties etc.<br />

I think that the legitimacy of the regulation is in the hands of the public<br />

authorities but the regulators must be free to act as they want in the<br />

framework defined by the public authorities without receiving any order<br />

from them or without being in a very weak position in relation with<br />

the public authorities. They will be in a weak position for example if<br />

their budget is annually approved by the public authorities. It might<br />

thus be wise to have clear financing framework securing a pluriannual<br />

structural budget.<br />

Further, it is important to pay attention to what the former regulators<br />

are allowed to do when they are not member of the regulatory body<br />

anymore. And I want to stress again the fact that the public authorities<br />

must have and keep the responsibility to determine the objectives of<br />

the regulator.<br />

4. Other difficulties<br />

In Belgium the Commission of Regulation for Electricity and Gas<br />

(CREG) is composed of two bodies:<br />

� the Board<br />

� and a general council composed of people representing the trade<br />

unions, the consumers’ lobbying organizations, the industrial customers<br />

as well as the enterprises that are active in the regulated<br />

industry sectors.<br />

This general council is only a “consultative” committee but the relations<br />

between the board and the general council are not easy.<br />

Before enacting a rule it is important to discuss with people, to do<br />

a kind of assessment.


5. Finally, I think that to a large extent the legitimacy of the regulatory<br />

body is something that must be built by the regulators themselves.<br />

This implies several elements for the regulators:<br />

� they must dialogue with the regulated;<br />

� they must pay attention to the transparency of the rules (with respect<br />

to the European market), to the stability of these rules, the<br />

rules must be easily <strong>und</strong>erstandable;<br />

� they must see to achieve a good balance between the different objectives<br />

that the regulation may pursue (general interest versus<br />

competition);<br />

� they must pay attention to the overall costs of the regulation including:<br />

� studies, benchmarking, internal and external expertise<br />

� personnel costs<br />

� direct costs of compliance since all enterprises are obliged to<br />

apply strict rules that very often vary from one country to the<br />

other<br />

� overall efficiency cost of the implementation of the rules.<br />

In a very near future, my opinion is that the big European players will exert<br />

pressure and force the harmonization of the regulatory systems in Europe.<br />

National regulators will then be part of a European Regulation System,<br />

like the European Central Bank.<br />

However, exerting the necessary control of the edicted rules – especially<br />

the non-discrimination and the access to the network – will remain particularly<br />

difficult. The networks are becoming more and more integrated<br />

and activities outside the energy sector are stepping into the networks<br />

(telecommunications, data transfer). From a technical point of view, the<br />

regulation of the network management and access will be more complex.<br />

For the regulator, having only one network to control per country might<br />

be easier, but seen from the point of view of transparency and for the<br />

sake of the general interest, this might not necessarily be the good solution.<br />

Investing in the networks will always remain an obligation to secure the<br />

long term developments and prevent shortage risks.<br />

57


Rainer Plassmann *<br />

Die Entflechtungspolitik der Europäischen Kommission<br />

<strong>und</strong> deren mögliche Folgen<br />

Kurze Einführung<br />

In den meisten Sektoren der Wirtschaft setzen sich die Produkte, Erzeugnisse<br />

oder Dienstleistungen aus mehreren <strong>von</strong> einander getrennten<br />

wirtschaftlichen Aktivitäten zusammen, die ihrerseits „Zwischen-Erzeugnisse”<br />

oder „Zwischen-Dienstleistungen” produzieren. Sind diese Zwischen-Erzeugnisse<br />

oder -Dienstleistungen komplementär zur Herstellung<br />

des Endproduktes, spricht man <strong>von</strong> einer vertikalen Beziehung. Im<br />

Bereich der Netzwirtschaften finden sich darüber hinaus üblicherweise<br />

Elemente oder Komponenten zur Herstellung des Endprodukts, die nicht<br />

unter herkömmlichen Wettbewerbsbedingungen erbracht werden<br />

können. In diesen Wirtschaftsbereichen, die sowohl wettbewerbliche wie<br />

nicht-wettbewerbliche Elemente enthalten <strong>und</strong> die komplementär sind,<br />

können dann Probleme entstehen, wenn der Eigentümer der nicht-wettbewerblichen<br />

Aktivitäten zur gleichen Zeit in Wettbewerbsmärkten aktiv<br />

ist. Eine solche Bündelung <strong>von</strong> wettbewerblichen <strong>und</strong> nicht-wettbewerblichen<br />

Komponenten findet sich z.B. in den Sektoren Eisenbahn, Elektrizität,<br />

Gas, Wasser, Abwasser, Postdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen,<br />

Flughäfen <strong>und</strong> Seehäfen. Für all diese Sektoren<br />

gilt, dass über eine Entbündelung der nicht-wettbewerblichen <strong>von</strong> den<br />

möglicherweise wettbewerblichen Aktivitäten der Wettbewerb in letzteren<br />

gefördert werden kann. Da alle genannten Sektoren spezifische Besonderheiten<br />

aufweisen, welche jeweils unterschiedliche Entbündelungsma�nahmen<br />

erfordern würde, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen<br />

auf den Sektor der Elektrizität, an dem exemplarisch die Entflechtungspolitik<br />

der Europäischen Kommission <strong>und</strong> deren möglichen<br />

Folgen dargestellt werden sollen.<br />

I. Warum entflechten?<br />

In der Wertschöpfungskette des Elektrizitätsmarktes, die sich aus den<br />

Komponenten Erzeugung, Handel, Übertragung, Verteilung <strong>und</strong> Vertrieb<br />

*<br />

Rainer Plaßmann ist Generalsekretär des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft<br />

(CEEP), Brüssel.<br />

58


zusammensetzt, können die Erzeugung, der Handel <strong>und</strong> der Vertrieb im<br />

Wettbewerb erbracht werden, während die Übertragung <strong>und</strong> Verteilung<br />

<strong>von</strong> Elektrizität so genannte natürliche Monopole darstellen.<br />

Die idealtheoretische Vorstellung der Europäischen Kommission ist wie<br />

folgt: Die elektrische Energie wird über europaweit durchlässige <strong>und</strong> zugängliche<br />

Netze zum Verbraucher transportiert, die Netze werden reguliert<br />

<strong>und</strong> in allen Wettbewerbsbereichen herrscht höchste Transparenz.<br />

Dieses Modell setzt eine Entflechtung voraus. Die Europäische Kommission<br />

hat seit ihrer Mitteilung “Aussichten für den Erdgas- <strong>und</strong> den Elektrizitätsbinnenmarkt”<br />

1 eine sehr konsistente Begründung zur Entflechtungsproblematik<br />

entwickelt, die schlie�lich in einen Vorschlag für eine Richtlinie<br />

“zur Änderung der Richtlinie 2003/54 EG über gemeinsame Vorschriften<br />

für den Elektrizitätsbinnenmarkt” 2 führte. Die dort verwandten<br />

Argumente lassen sich in drei Kategorien gliedern. In solche, die die Vorteilhaftigkeit<br />

der Entflechtung hervorheben (I.1.), in solche, die die Wettbewerbshemmnisse<br />

durch unzureichende Entflechtung in den Vordergr<strong>und</strong><br />

stellen (I.2.), <strong>und</strong> in solche, die die Unvollkommenheit der bestehenden<br />

Entflechtungsregelungen betonen (I.3.).<br />

1. Vorteile der Entflechtung<br />

Die Europäische Kommission führt folgende Vorteile der Entflechtung an:<br />

� Durch Wettbewerb in den Wertschöpfungsbereichen Erzeugung,<br />

Handel <strong>und</strong> Vertrieb entsteht mehr Effizienz im Energiemarkt <strong>und</strong> die<br />

Allokation wird verbessert.<br />

� Die Netzbetreiber können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren,<br />

was die Qualität der Netzdienstleistungen erhöht.<br />

� Die Versorgungssicherheit steigt durch das Setzen richtiger Investitionssignale.<br />

� Die Entflechtung ist eine Bedingung für die Schaffung eines funktionierenden<br />

Emissionshandels.<br />

� Entflechtung schafft erst einen fairen Netzzugang für alle potentiellen<br />

Investoren.<br />

� Liberalisierte Märkte mit entflochtenen vertikal integrierten Unternehmen<br />

begünstigen die Diversifizierung, was das flexible Reagieren<br />

auf Marktbedingungen befördert.<br />

1 KOM (2006) 841 endgültig vom 10.01.2007.<br />

2 KOM (2007) 528 endgültig vom 19.09.2007.<br />

59


� Entflochtene Energiemärkte, in denen Wettbewerb herrscht, sorgen<br />

für grö�tmögliche Effizienz bei der Energieversorgung <strong>und</strong> unterbinden<br />

Monopolgewinne.<br />

2. Wettbewerbshemmnisse<br />

In ihrem Abschlussbericht über die „Untersuchung der Europäischen<br />

Gas- <strong>und</strong> Elektrizitätssektoren gemä� Artikel 17 der Verordnung (EG)<br />

1/2003“ 3 kommt die Europäische Kommission u.a. zu folgenden Schlussfolgerungen:<br />

� Es besteht eine Marktaufteilung entlang nationaler Grenzen.<br />

� Die Europäische Kommission will Marktaufteilungsabsprachen zwischen<br />

den etablierten Marktteilnehmern festgestellt haben.<br />

� Es besteht eine zu hohe Marktkonzentration.<br />

Aus diesen Feststellungen folgert die Europäische Kommission 4 :<br />

� Übertragungsnetzbetreiber behandeln verb<strong>und</strong>ene Unternehmen<br />

besser als die Wettbewerber.<br />

� Unterschiedlich starke Entflechtung in verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

führt zu Asymmetrien, die auf Unionsebene den Wettbewerb<br />

zwischen Marktakteuren verzerren <strong>und</strong> mit dem gemeinschaftsrechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>satz des freien Kapitalverkehrs kaum zu vereinbaren<br />

sind. Die Mitgliedstaaten, in denen die Entflechtung weiter<br />

vorangetrieben wurde, werden dadurch benachteiligt.<br />

� Nicht alle Marktteilnehmer haben einen gleichen Zugang zu Marktinformationen,<br />

die den etablierten Unternehmen vorliegen, weshalb<br />

diese sich strategisch verhalten können, was wiederum den Wettbewerb<br />

verzerrt.<br />

� Bei vertikaler Integration besteht die Gefahr, dass die Netze als<br />

strategische Güter betrachtet werden, die den wirtschaftlichen<br />

Interessen des integrierten Unternehmens dienen, nicht dem allgemeinen<br />

Interesse der Netzk<strong>und</strong>en.<br />

� Neue Marktteilnehmer müssen in neue Stromerzeugungskapazitäten<br />

investieren können, sonst könnten etablierte Unternehmen vor einer<br />

künstlichen Knappheit profitieren.<br />

3 KOM (2006) 851 endgültig vom 10.01.2007.<br />

4 In KOM (2006) 841 endgültig <strong>und</strong> in KOM (2007) 528 endgültig.<br />

60


3. Unvollkommenheit der bestehenden Entflechtungsregelungen 5<br />

In kritischer Auseinandersetzung mit der bisher verfolgten Entflechtungspolitik<br />

stellt die Europäische Kommission fest:<br />

� Die rechtliche <strong>und</strong> funktionale Entflechtung löst nicht den f<strong>und</strong>amentalen<br />

Konflikt in integrierten Unternehmen, innerhalb derer Vertrieb<br />

<strong>und</strong> Erzeugung ihre Umsätze oder Marktanteile steigern wollen <strong>und</strong><br />

der Netzbetreiber diskriminierungsfreien Zugang für alle Wettbewerber<br />

garantieren soll.<br />

� Unter Geltung der gegenwärtigen Entflechtungsregelungen ist ein<br />

diskriminierungsfreier Umgang mit Informationen nicht gewährleistet.<br />

Es gibt kein wirksames Mittel, um zu verhindern, dass Übertragungsnetzbetreiber<br />

sensible Marktinformationen an die für Erzeugung oder<br />

Versorgung zuständigen Bereiche des integrierten Unternehmens<br />

weitergeben<br />

� Vertikal integrierte Netzbetreiber haben keinen Anreiz, neuen Marktteilnehmern<br />

Zugang für Vertrieb oder Erzeugung zu verschaffen.<br />

� Der Übertragungsnetzbetreiber kann seine verb<strong>und</strong>enen Unternehmen<br />

gegenüber Dritten, die als Mitbewerber auftreten, begünstigen.<br />

� Integrierte Unternehmen können die Netzvermögenswerte nutzen, um<br />

Wettbewerbern den Markteinstieg zu erschweren<br />

� Die unzureichende Entflechtung <strong>von</strong> Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilernetzbetreibern<br />

gewährleistet nicht deren Unabhängigkeit.<br />

� Beim Netzzugang für Dritte ist diskriminierendes Verhalten zu beobachten;<br />

namentlich erhalten etablierte Betreiber mit bestehenden<br />

langfristigen Verträgen Vorzugsbedingungen beim Netzzugang.<br />

� Die Befugnisse der Regulierungsbehörden sind unzureichend.<br />

� Vertikal integrierte Unternehmen haben weniger <strong>von</strong> ihren Einnahmen<br />

aus grenzüberschreitenden Engpasserlösen in neue Verbindungsleitungen<br />

reinvestiert als vollständig entflochtene.<br />

� Effektive Entflechtung beseitigt diese gestörten Investitionsanreize,<br />

die typisch für vertikal integrierte Unternehmen sind <strong>und</strong> fördert dadurch<br />

die Versorgungssicherheit.<br />

� In den letzten 10 Jahren haben vertikal integrierte Unternehmen ihre<br />

Preise mehr als entflochtene erhöht.<br />

5 KOM (2006) 841 endgültig <strong>und</strong> in KOM (2007) 528 endgültig.<br />

61


� Für vertikal integrierte Netzbetreiber besteht kein Anreiz, im allgemeinen<br />

Marktinteresse das Netz auszubauen <strong>und</strong> auf diese Weise<br />

anderen einen Markteinsteig in die Bereiche Erzeugung oder<br />

Versorgung zu erleichtern.<br />

� Die Kommission hat beobachtet, dass sich eine wirksame Entflechtung<br />

der Übertragungsnetzbetreiber förderlich auf deren Investitionstätigkeit<br />

ausgewirkt hat. Betreffende Mitgliedstaaten haben in der<br />

Folge neue <strong>Infrastruktur</strong>investoren angezogen.<br />

Die sektorspezifischen Untersuchungen <strong>und</strong> Länderüberprüfungen, die<br />

die Europäische Kommission im Jahre 2006 durchgeführt hat 6 , haben<br />

nach Auffassung der Europäischen Kommission konkrete Beispiele für<br />

folgende Mängel des derzeitigen Regulierungsrahmens zu Tage gefördert:<br />

� Gro�e <strong>und</strong>/oder vertikal integrierte Unternehmen sind hinsichtlich der<br />

Informationen für ihre Handelsstrategie deutlich im Vorteil (z.B. mit<br />

ihren Informationen über Erzeugungsausfälle).<br />

� In einigen Fällen herrscht innerhalb vertikal integrierter Gruppen Unklarheit<br />

über die Zuständigkeit für gr<strong>und</strong>legende Aufgaben des Übertragungsnetzbetreibers,<br />

z.B. was Dispatching- <strong>und</strong> Ausgleichsdienste<br />

angeht.<br />

� Die Übertragungsnetzbetreiber, vor allem vertikal integrierte, haben<br />

es versäumt, Bedingungen zu schaffen, die zu liquiden Wettbewerbsmärkten<br />

führen, z.B. dadurch, dass sie örtlich begrenzte, getrennte<br />

Ausgleichszonen beibehalten haben, anstatt deren Integration auf<br />

nationaler <strong>und</strong> grenzüberschreitender Ebene zu erleichtern. Dies<br />

kann auf mangelndes Vertrauen zwischen den vollständig entflochtenen<br />

<strong>und</strong> den nicht vollständig entflochtenen Übertragungsnetzbetreibern<br />

zurückzuführen sein.<br />

� Die Übertragungsnetzbetreiber scheinen den Ausbau der grenzüberschreitenden<br />

Kapazitäten, sei es durch Investitionen oder durch<br />

andere Mittel, recht langsam betrieben zu haben. In vielen Fällen ist<br />

dies die Folge des Umstandes, dass der Regulierungsrahmen keinen<br />

ausreichenden Anreiz erbietet.<br />

� Es gibt Anzeichen dafür, dass sowohl die Übertragungsnetzbetreiber<br />

als auch die Regulierungsbehörden zu sehr an kurzfristigen nationalen<br />

Anliegen orientiert sind, statt pro-aktiv zu versuchen, zu integrierten<br />

Märkten zu gelangen.<br />

6 Siehe KOM (2006) 851 endgültig <strong>und</strong> SEC (2006) 1724.<br />

62


Die bestehenden Entflechtungsregeln schaffen also nach Meinung der<br />

Europäischen Kommission Anreize zur Diskriminierung des Netzzugangs<br />

Dritter, sie erschweren den Markteintritt <strong>von</strong> Wettbewerbern wie auch<br />

den Anschluss neuer Kraftwerke Dritter, sie perpetuieren einen ungleichen<br />

Zugang zu Netzkapazitäten <strong>und</strong> sie beseitigen nicht Probleme<br />

der künstlich klein gehaltenen Ausgleichszonen <strong>und</strong> das Vorenthalten<br />

ungenutzter Kapazitäten.<br />

4. Exkurs: Entflechtung in den Niederlanden<br />

Seit März 2004 findet in den Niederlanden eine intensive Diskussion um<br />

das Entbündeln <strong>von</strong> Verteilerunternehmen statt. Einer der Hauptgründe<br />

für diese Debatte liegt im Interesse einiger Kommunen begründet, ihre<br />

Anteile an Verteilerunternehmen zu verkaufen. Sie erwarten kurzfristige<br />

Cash-flows durch diese Verkäufe. In dieser Debatte spielen u.a. die<br />

folgenden Argumente eine Rolle. 7<br />

� Die öffentliche Hand soll sich nicht in Sektoren engagieren, die <strong>von</strong><br />

Privatunternehmen bedient werden können.<br />

� Unternehmen in öffentlicher Hand sollen keine gro�en wirtschaftlichen<br />

Risiken eingehen, die durch die Deregulierung des Energiesektors<br />

gestiegen sind.<br />

� Diskriminierungen beim Netzzugang auf Verteilernetzebene sollen<br />

beseitigt werden.<br />

� Reine Verteilernetzgesellschaften arbeiten unabhängiger <strong>und</strong> konzentrierter<br />

auf das Kerngeschäft.<br />

� Die niederländischen Verteilergesellschaften sind zu klein zum Überleben<br />

– dennoch sollen die Netze in öffentlicher Hand bleiben.<br />

� Verteilernetze dürfen nur an solche Unternehmen verkauft werden,<br />

die bereits Eigentümer <strong>von</strong> Energie-Netzwerken in den Niederlanden<br />

sind.<br />

� Die Subventionierung wirtschaftlicher Unternehmenseinheiten aus<br />

den Netzen soll verhindert werden.<br />

Die Diskussion in den Niederlanden zeigt daher deutlich, dass die Debatte<br />

um das Unb<strong>und</strong>ling nicht nur <strong>von</strong> sektorspezifischen Überlegungen<br />

7 Ownership unb<strong>und</strong>ling of energy distribution companies in The Netherlands, Chistoph Tönjes,<br />

August 2005, Clingendael international energy programme.<br />

63


estimmt ist, sondern dass auch wirtschaftsideologische <strong>und</strong> finanzielle<br />

Erwägungen eine gro�e Rolle spielen. 8<br />

II. Wie entflechten?<br />

Teil des dritten Legislativpakets zu den europäischen Elektrizitäts- <strong>und</strong><br />

Gasmärkten der Europäischen Kommission vom 19.09.2007 ist ein<br />

Vorschlag für eine Richtlinie „zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG<br />

über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt“ deren<br />

Artikel 8 ff. eine <strong>Trennung</strong> der Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung <strong>von</strong> den<br />

Übertragungsnetzen vorsehen. Die Europäische Kommission favorisiert<br />

dabei die Option der eigentumsrechtlichen Entflechtung, bei der ein <strong>und</strong><br />

dasselbe Unternehmen nicht mehr gleichzeitig sowohl Eigentümer der<br />

Übertragungsnetze als auch Energieerzeuger oder Energieversorger<br />

sein darf. Darüber hinaus schlägt die Europäische Kommission als<br />

zweite Möglichkeit die Option des unabhängigen Netzbetreibers vor, bei<br />

der bestehende vertikal integrierte Unternehmen Eigentümer ihrer Netze<br />

bleiben können, sofern sie den tatsächlichen <strong>Betrieb</strong> anderen<br />

Unternehmen oder Stellen anvertrauen, die <strong>von</strong> ihnen völlig unabhängig<br />

sind.<br />

Diese Optionen lesen sich im Kommissionsvorschlag wie folgt:<br />

1. Option „ eigentumsrechtliche Entflechtung“<br />

� Es darf nicht dieselbe Person direkt oder indirekt (auch nicht durch<br />

Sperrminoritäten) eine Kontrolle über ein Erzeugungs- oder Versorgungsunternehmen<br />

ausüben <strong>und</strong> gleichzeitig eine Beteiligung an<br />

einem Übertragungsnetz halten oder dort Rechte haben.<br />

� Umgekehrt sollte die Kontrolle über einen Übertragungsnetzbetreiber<br />

die Möglichkeit ausschlie�en, eine Beteiligung an einem Versorgungsnetzbetreiber<br />

zu halten oder dort Rechte auszuüben. Diese<br />

Rechte schlie�en ein:<br />

� das Halten <strong>von</strong> Kapital,<br />

� die Befugnis zur Ausübung <strong>von</strong> Stimmrechten,<br />

� die Befugnis, Leitungs- oder Aufsichtsorgane zu bestellen,<br />

� den Anspruch auf Auszahlung <strong>von</strong> Dividenden/Gewinnen.<br />

8 Weitere Informationen zur Situation des Elektrizitätssektors in den Niederlanden in« An ex-ante<br />

welfare analysis of the unb<strong>und</strong>ling of the distribution and supply companies in the Dutch electricity<br />

sector. », Michiel de Nooij and Barbara Baarsma, Amsterdam, April 2007.<br />

64


� Die Personengleichheit in Vorständen, Aufsichtsräten etc. <strong>von</strong> Erzeugungs-<br />

<strong>und</strong>/oder Versorgungsunternehmen einerseits <strong>und</strong><br />

Übertragungsnetzunternehmen andererseits ist ausgeschlossen.<br />

� Es darf keine Weitergabe sensibler Informationen aus Übertragungsnetzbereichen<br />

an Unternehmen mit den Funktionen Erzeugung<br />

oder Versorgung geben.<br />

Zusammengefasst: Die Betreiber <strong>von</strong> Übertragungsnetzen dürfen nicht<br />

mehr zu Konzernen gehören, die auch in der Energieversorgung oder<br />

-erzeugung tätig sind.<br />

2. Alternativvorschlag „unabhängiger Netzbetreiber“ 9 :<br />

� Auf Vorschlag des Netz-Eigentümers kann der Mitgliedstaat einen unabhängigen<br />

Netzbetreiber benennen, den die Kommission genehmigen<br />

muss.<br />

� Das Versorgungsunternehmen kann auf diese Weise Eigentümer<br />

bleiben, muss aber den technischen <strong>und</strong> kommerziellen <strong>Betrieb</strong><br />

einem eigenständigen Unternehmen übertragen.<br />

� Der unabhängige Netzbetreiber muss dieselben Entflechtungsvorgaben<br />

einhalten wie bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />

� Der Netzeigentümer muss den Teil seines Unternehmens, dem das<br />

Netz gehört, rechtlich <strong>und</strong> funktional abtrennen.<br />

� Der Netzeigentümer muss die vom unabhängigen Netzbetreiber beschlossenen<br />

Investitionen finanzieren.<br />

� Der unabhängige Netzbetreiber muss einen <strong>von</strong> der Regulierungsbehörde<br />

vorgegebenen 10-jährigen Investitionsplan erfüllen.<br />

3. „Dritte Option“<br />

� Einige Mitgliedstaaten, u.a. Deutschland <strong>und</strong> Frankreich haben <strong>von</strong><br />

der in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 verantwortlichen portugiesischen<br />

Ratspräsidentschaft verlangt, eine dritte Option hinsichtlich<br />

der Entflechtung vorzuschlagen. Diesbezüglich nennt der Vorbereitungstext<br />

der Portugiesischen Präsidentschaft vom 16.11.07 als<br />

Bedingungen für eine dritte Option 10 :<br />

9 Artikel 10 im Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame<br />

Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt.<br />

10 ENER277<br />

65


66<br />

� Der Gr<strong>und</strong>satz der Nicht-Diskriminierung zwischen den Entflechtungsalternativen<br />

muss eingehalten werden;<br />

� Die in Bezug auf Übertragung <strong>und</strong> Investitionen auferlegten Verpflichtungen<br />

müssen bei den Entflechtungsalternativen ähnlich<br />

sein;<br />

� Jede Entflechtung muss auf Gr<strong>und</strong>lage unabhängig organisierter<br />

<strong>und</strong> angemessen regulierter Strukturen für den Netzbetrieb erfolgen;<br />

� Die Unabhängigkeit <strong>von</strong> Entscheidungen über <strong>Infrastruktur</strong>investitionen<br />

muss gewährleistet sein.<br />

Am 28. Februar 2008 wird der Energieministerrat die weiteren Entscheidungen<br />

vorbereiten, bevor der Rat auf dem Frühjahrsgipfel 2008<br />

letztendlich entscheiden wird.<br />

III. Mögliche Auswirkungen der Entflechtung<br />

Die erwarteten positiven Auswirkungen der Entflechtung aus Sicht der<br />

Europäischen Kommission wurden bereits oben unter Abschnitt I.<br />

geschildert. Die Entflechtungspolitik der Kommission könnte aber auch<br />

einige kritisch zu bewertende Folgen haben, <strong>von</strong> denen einige im<br />

Folgenden etwas näher beleuchtet werden sollen.<br />

1. Entflechtung <strong>und</strong> Klimapolitik<br />

Der Europäische Rat hat in seiner Tagung am 8. <strong>und</strong> 9. März 2007 einen<br />

umfassenden energiepolitischen Aktionsplan für die Jahre 2007-2009 11<br />

angenommen, der sich auf die Mitteilung der Kommission „Eine Energiepolitik<br />

für Europa“ 12 gründet <strong>und</strong> mit dem sehr ehrgeizige Ziele für die<br />

Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien <strong>und</strong> die Verwendung <strong>von</strong><br />

Biokraftstoffen festgelegt wurden. Die Europäische Kommission erklärt in<br />

ihrer zitierten Mitteilung, das strategische energiepolitische Ziel zu realisieren<br />

bedeute, „Europa in eine in hohem Ma�e energieeffiziente <strong>und</strong><br />

CO2-arme Energiewirtschaft umzuwandeln, eine neue industrielle Revolution<br />

in Gang zu setzen, den Wandel hin zu einem kohlenstoffarmen<br />

Wachstum beschleunigt voranzutreiben <strong>und</strong> über mehrere Jahre hinweg<br />

den Anteil der <strong>von</strong> uns erzeugten <strong>und</strong> verwendeten heimischen, emis-<br />

11 Siehe die Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 2. Mai 2007 (7224/1/07 REW 1).<br />

12 KOM (2007) 1 endgültig vom 10.01.2007.


sionsarmen Energie drastisch zu erhöhen“. Die Herausforderung bestehe<br />

darin, dieses auf eine Weise zu bewerkstelligen, die das Potential<br />

für eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas maximiere <strong>und</strong><br />

die Kosten begrenze.<br />

Die Europäische Kommission hält das Bestehen eines echtes Energiebinnenmarktes<br />

für eine wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung<br />

der drei energiepolitischen Herausforderungen, vor denen Europa stehe,<br />

nämlich durch verstärkte Wettbewerbsfähigkeit die Kosten für die Bürger<br />

<strong>und</strong> Unternehmen zu senken <strong>und</strong> gleichzeitig die Energieeffizienz <strong>und</strong><br />

Investitionstätigkeit zu steigern, nachhaltig zu wirtschaften <strong>und</strong> höchste<br />

Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Europäische Kommission ist<br />

der Meinung, dass vertikal integrierte Unternehmen diesen Herausforderungen<br />

nicht gewachsen sind, weshalb sie die Entflechtung der<br />

Unternehmen, bevorzugt über eine eigentumsrechtliche Entflechtung,<br />

auch für die Verwirklichung der Klimaziele für unabdingbar hält.<br />

Die <strong>von</strong> der Europäischen Kommission betriebene Koppelung <strong>von</strong> Ma�nahmen<br />

zur Schaffung eines Energiebinnenmarkts einerseits <strong>und</strong> der<br />

Verwirklichung <strong>von</strong> ehrgeizigen Klimazielen andererseits wird eine immer<br />

stärkere nationale <strong>und</strong> auch europäische Regulierung erfordern, um die<br />

politischen Ziele z.B. über Investitionsanreize im Markt umzusetzen.<br />

Erzeugungs- oder Vertriebsunternehmen sind zunächst einmal daran<br />

interessiert, ihre Umsätze zu steigern. Marktanreize, die dieses „natürliche<br />

Verhalten“ der Erzeugungs- <strong>und</strong> Vertriebsunternehmen ändern <strong>und</strong><br />

diese zu veranlassen suchen, die Erzeugung <strong>und</strong> den Verkauf <strong>von</strong><br />

Elektrizität zurückzufahren, somit auch Umsatzrückgänge in Kauf zu<br />

nehmen, müssen schon überzeugend <strong>und</strong> stark sein.<br />

Die Koppelung <strong>von</strong> Klima- <strong>und</strong> Wettbewerbszielen im Energiebereich<br />

schafft darüber hinaus auch Probleme insofern, als die durch die Europäische<br />

Binnenmarktpolitik erforderlich gewordene Markt- <strong>und</strong> Unternehmensreorganisation<br />

<strong>von</strong> den umweltpolitischen Zielen überlagert<br />

wird. Dies erschwert es den Leitungsorganen der Energieunternehmen,<br />

sich voll auf eine optimale organisatorische Ausrichtung ihrer Unternehmen,<br />

die einerseits den gesetzlichen Vorgaben entspricht, andererseits<br />

die Position der Unternehmen im Wettbewerb erhöht, zu konzentrieren.<br />

67


2. Entflechtung <strong>und</strong> De-Minimis<br />

In der bereits zitierten Mitteilung der Europäischen Kommission „Eine<br />

Energiepolitik für Europa“ 13 erklärt die Kommission, dass die Vorschriften<br />

zur Entflechtung der Verteilungstätigkeiten einer Überprüfung bedürfe,<br />

denn derzeit seien Verteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000<br />

K<strong>und</strong>en <strong>von</strong> den meisten Entflechtungsanforderungen ausgenommen.<br />

Es würde der unter Abschnitt I. dargestellten Marktlogik entsprechen,<br />

dass sich zumindest grö�ere Verteilerunternehmen organisatorisch<br />

ebenso aufstellen wie ihre grö�eren Wettbewerber. Insbesondere ist das<br />

<strong>von</strong> der Europäischen Kommission angestrebte durchgehende Europäische<br />

Netz auch aus Sicht einiger Mitgliedstaaten (z.B. der Niederlande<br />

oder Großbritanniens) nur herstellbar, wenn Verteilerunternehmen<br />

keine Inseln im ansonsten diskriminierungsfrei <strong>und</strong> transparent betriebenen<br />

Energienetz bilden. Auch die oben unter I.4. dargestellte<br />

Diskussion in den Niederlanden zur Entflechtung der Verteilernetze weist<br />

in diese Richtung. Es spricht daher viel dafür, dass der derzeitige<br />

Schwellenwert reduziert werden könnte <strong>und</strong> die De-minimis-Regeln<br />

somit allenfalls für kleinere Verteilerunternehmen gelten würden.<br />

Unabhängig da<strong>von</strong>, welche Form der Entflechtung für die Übertragungs-<br />

oder auch die Verteilerebene zugelassen werden, wird man da<strong>von</strong> ausgehen<br />

müssen, dass sich europaweit agierende Netzgesellschaften oder<br />

Netzbetreiber-Gesellschaften herausbilden werden, die den Eigentümern<br />

der Netze entweder deren Verkauf oder aber zumindest deren<br />

„operating“ anbieten werden.<br />

3. Entflechtung <strong>und</strong> Selektion des Betreibers<br />

Für die Variante des unabhängigen Netzbetreibers ergibt sich in diesem<br />

Zusammenhang die Frage nach der Selektion dieses Netzbetreibers.<br />

Nahezu alle Verteilerunternehmen in Europa befinden sich in öffentlicher<br />

Hand. Für diese gelten aber gr<strong>und</strong>sätzlich die Binnenmarktregeln, insbesondere<br />

die Regeln zum öffentlichen Auftragswesen <strong>und</strong> wohl auch<br />

eventuelle künftige Rechtsvorschriften zur Vergabe <strong>von</strong> Dienstleistungskonzessionen.<br />

In ihrer Mitteilung „Zu öffentlich-privaten Partnerschaften<br />

<strong>und</strong> den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen<br />

<strong>und</strong> Konzessionen“ 14 hat die Europäische Kommission<br />

dargelegt, dass letztere den Gr<strong>und</strong>sätzen der Artikel 43 <strong>und</strong> 49 des EG-<br />

13 KOM (2007) 1 vom 10.01.2007.<br />

14 KOM (2005) 569 endgültig vom 15.11.2005.<br />

68


Vertrages unterliegen, vornehmlich den Gr<strong>und</strong>sätzen der Transparenz,<br />

der Gleichbehandlung, der Verhältnismä�igkeit <strong>und</strong> der gegenseitigen<br />

Anerkennung. Künftige Regeln könnten eine angemessene Bekanntmachung<br />

der Absicht der Konzessionserteilung vorschreiben <strong>und</strong> Vorschriften<br />

für die Auswahl der Konzessionäre auf Gr<strong>und</strong>lage objektiver,<br />

nicht-diskriminierender Kriterien festlegen. Ganz allgemein ist in diesen<br />

Regeln auf die Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes der gleichen Behandlung<br />

aller Teilnehmer am Konzessionsvergabeverfahren abgezielt. Das würde<br />

bedeuten, dass die Eigentümer der Netze bei der Selektion des Netzbetreibers<br />

nicht frei wären, sondern ein ausschreibungsähnliches Verfahren<br />

anzuwenden hätten. Wenn die Überlagerung des sektoralen<br />

Energierechts durch horizontales Binnenmarktrecht nicht erwünscht sein<br />

sollte, müsste dies im Rahmen der weiteren legislativen Behandlung des<br />

Entflechtungsthemas klargestellt werden.<br />

Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit möglichen Ausschreibungsverpflichtungen<br />

stellt, ist die nach Abwehrmöglichkeiten gegen unerwünschte<br />

Investoren oder Betreiber. Internationale Abkommen wie z.B.<br />

das General Agreement on Trade in Services (GATS) <strong>und</strong> das immer zu<br />

beachtende Prinzip der Nicht-Diskriminierung würden es öffentlichen<br />

Stellen erheblich erschweren, Bewerber um den Netzbetrieb etwa wegen<br />

einer wettbewerbsschädlichen Politik des Staates, in dem der Bewerber<br />

ansässig ist, zurückzuweisen.<br />

4. Entflechtung <strong>und</strong> Synergien<br />

Die Entflechtungsvorgaben werden es Unternehmen mit mehreren Netzsparten<br />

nicht einfacher machen, Synergien aus dem <strong>Betrieb</strong> dieser<br />

verschiedenen Netze zu heben.<br />

Auch das in den integrierten Unternehmen selbstverständliche Zusammenspiel<br />

der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette unter<br />

einheitlicher Leitung muss nun unter wesentlich komplizierteren Bedingungen<br />

bewältigt werden. So ist es z.B. schwierig für die Netzbetreiber,<br />

ihre Rolle mit den anderen Akteuren (Erzeugung, Handel, Vertrieb)<br />

in einem Marktsystem zu finden, in dem man kaum auf die Preise,<br />

die Dienstleistungsbreite oder die Dienstleistungsqualitäten Einfluss <strong>und</strong><br />

zudem noch politisch motivierte <strong>und</strong> regulierte Zielvorgaben zu beachten<br />

hat. Hinzu kommt die Unklarheit, welche Glieder der Wertschöpfungskette<br />

die politischen Zielvorgaben, wie z.B. den Klimaschutz, umzusetzen<br />

haben.<br />

69


5. Entflechtung <strong>und</strong> Kapitalmarkt<br />

Viele integrierte Versorgungsunternehmen befürchten schlechtere<br />

Kreditbedingungen für die jeweiligen entflochtenen Unternehmensteile<br />

bei der Kapitalbeschaffung nach einer eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />

Auch hier ist Handlungsbedarf für die europäischen <strong>und</strong> nationalen<br />

Gesetzgeber.<br />

Ein anderes Problem mit dem Kapitalmarkt könnte dadurch entstehen,<br />

dass regional oder lokal geb<strong>und</strong>ene öffentliche Verteilernetzgesellschaften<br />

nicht wachsen können. Diese fehlende unternehmerische<br />

Perspektive könnte Kapitalgeber weniger aufgeschlossen sein lassen.<br />

Ein in der öffentlichen Diskussion wenig beachtetes Thema sind die <strong>von</strong><br />

zahlreichen Kommunen abgeschlossenen cross-border-leasing-Verträge<br />

über öffentliche <strong>Infrastruktur</strong>en (z.B. auch über Stromnetze) mit amerikanischen<br />

Investoren. Hier könnten im Falle einer eigentumsrechtlichen<br />

Entflechtung Schadenersatzforderungen drohen.<br />

6. Entflechtung <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en / Kosten<br />

Die Schaffung eines Energiebinnenmarktes wird nicht nur mehr Wahlmöglichkeiten<br />

für die Verbraucher, Privatpersonen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

kreieren, sie wird auch zu zunehmender Verwirrung insbesondere bei<br />

privaten Verbrauchern oder kleineren Unternehmen führen. Es ist z.B.<br />

für viele, besonders ältere Verbraucher nur schwer einsichtig <strong>und</strong> überschaubar,<br />

warum Ihnen plötzlich verschiedene Anbieter für Netzdienstleistungen<br />

<strong>und</strong> Verkauf <strong>von</strong> Elektrizität entgegentreten, während dies<br />

bisher ein einziges Unternehmen mit einem Ansprechpartner war. Hinzu<br />

kommt, dass die unterschiedlich ausgestalteten Angebote an die Verbraucher<br />

eine vergleichende Kalkulation erschweren. Besonders bei Umzügen<br />

oder grö�eren Bauma�nahmen dürfte dies für Komplikationen<br />

sorgen, zumal die Abstimmung zwischen den Vertriebs- <strong>und</strong> den <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaften<br />

nicht immer optimal gestaltet sein dürfte.<br />

Nicht unterschätzt werden sollten die Kosten der Entflechtung, die z.B.<br />

durch neue IT-Systeme oder erforderlich werdende Personalma�nahmen<br />

auftreten werden.<br />

70


IV. Fazit<br />

Die Entflechtungspolitik im Elektrizitätsmarkt wird voranschreiten <strong>und</strong><br />

könnte auch zumindest grö�ere Verteilerunternehmen – <strong>und</strong> nicht nur,<br />

wie derzeit vorgesehen, nur die Übertragungsnetzbetreiber – erfassen.<br />

Aus den oben unter III. dargestellten Gründen will die übergroße Mehrzahl<br />

der deutschen Kommunen <strong>und</strong> ihrer kommunalen Energieversorgungsunternehmen<br />

an vertikal integrierten Unternehmen auf der Verteilerstufe<br />

festhalten. Dieser Wunsch sollte auch im Interesse eines<br />

funktionierenden Marktes bei der künftigen Energiepolitik der Europäischen<br />

Union berücksichtigt werden.<br />

Die Entflechtung wird auch in anderen Industrien, die wettbewerbliche<br />

<strong>und</strong> nicht-wettbewerbliche Komponenten aufweisen, weiterhin eine<br />

Option sein. So hat z.B. kürzlich die Europäische Kommission ein verstärktes<br />

funktionales Unb<strong>und</strong>ling für den Telekom-Markt vorgeschlagen,<br />

das sich an dem Beispiel Gro�britanniens ausrichtet, wo sich die British<br />

Telecom in BT <strong>und</strong> Open Reach aufgeteilt 15 hat.<br />

Es wird ein Mehr an Marktkonzentration <strong>und</strong> Regulierung geben.<br />

Die zum Teil politisch motivierten Aufgabenbestimmungen für Netzbetreiber<br />

(s. Abschnitt III.1. Entflechtung <strong>und</strong> Klimapolitik) <strong>und</strong> andere Marktakteure<br />

müssen mit Marktbedingungen kompatibel gemacht werden.<br />

Investitionsanreize für die Netzinfrastrukturen müssen erheblich verbessert<br />

werden, um einen hohen Qualitätsstandard zu halten <strong>und</strong> Innovation<br />

anzuregen.<br />

15 KOM (2007) 697 endg.<br />

71


Workshop 1: Verkehrssektor<br />

Referenten:<br />

Hubert Jung<br />

Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man<br />

trennen, was technisch zusammengehört?<br />

Professor Dr. Gerd Aberle<br />

Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzaus-<br />

gliederung? Das Spannungsverhältnis zwischen<br />

innovativer Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbssicherung<br />

Raim<strong>und</strong> Stüer *<br />

Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus Sicht des<br />

privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />

* Siehe Anhang.


Hubert Jung *<br />

Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man trennen,<br />

was technisch zusammengehört?<br />

Die Veranstaltung heute steht unter der Frage, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />

Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> einen Königsweg darstellt. Aus der Sicht des <strong>Betrieb</strong>sführers<br />

eines lokalen Stadtbahn- <strong>und</strong> Straßenbahnbetriebs lautet vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der deutschen Rechtsordnung meine Antwort schlicht:<br />

Nein. Nicht die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>, sondern deren<br />

Systemeinheit sieht für den Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahnbetrieb in Deutschland<br />

§ 9 des Personenbeförderungsgesetzes <strong>und</strong> daran anknüpfend die<br />

<strong>Betrieb</strong>sordnung für Straßenbahnen, genannt BOStrab, vor. Die <strong>Trennung</strong><br />

hätte somit revolutionären, nicht royalen Charakter.<br />

Nun wissen wir, Rechtsvorschriften, auch <strong>Betrieb</strong>sordnungen, kann man<br />

ändern. Eine Rechtsordnung ist gerade in Brüssel geändert worden. Das<br />

Europäische Parlament hat im Konzert mit dem Ministerrat <strong>und</strong> der<br />

Kommission für den Personennahverkehr die VO Nr. 1370/2007 1 erlassen,<br />

die in zwei Jahren in Kraft treten wird. Im Zuge der Diskussion um<br />

diese Verordnung wurde natürlich auch erörtert, ob auch bei den lokalen<br />

Schienennahverkehrsnetzen <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> zukünftig getrennt<br />

werden sollten.<br />

Die Befürworter einer solchen <strong>Trennung</strong> verweisen auf die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei den europäischen Schienennetzen. Hier<br />

kann der Nachfrager nach Verkehrsleistungen den Anbieter wählen, der<br />

seine Waren beispielsweise <strong>von</strong> Dortm<strong>und</strong> nach Berlin transportieren<br />

soll. Die Befürworter einer <strong>Trennung</strong> wollen, dass das Netz diskriminierungsfrei<br />

konkurrierenden Anbietern geöffnet wird. Jeder Nutzer soll<br />

wissen können, welche Kosten mit der Nutzung des Netzes verb<strong>und</strong>en<br />

sind. Natürlich bauen alle darauf, dass diese Transparenz zum sparsamen<br />

Umgang mit den Ressourcen zwingt <strong>und</strong> die Benutzung des<br />

Netzes billiger wird. Jeder weiß, zahlreiche Mitarbeiter des öffentlichen<br />

Nahverkehrs haben zu lange die Vokabel "Wettbewerbsfähigkeit" nicht<br />

mit dem eigenen <strong>Betrieb</strong> in Verbindung gebracht. Seit Anfang der 1990er<br />

Jahre hat sich der Wind gedreht. Viele meinen, das Lüftchen sei noch zu<br />

* Hubert Jung ist Mitglied des Vorstandes der Dortm<strong>und</strong>er Stadtwerke AG.<br />

1 Verordnung des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche<br />

Personenverkehrsdienste auf Schiene <strong>und</strong> Straße <strong>und</strong> zur Aufhebung der Verordnungen (EWG)<br />

Nr. 1191/69 <strong>und</strong> (EWG) Nr. 1107/70 des Rates.<br />

75


lau, <strong>und</strong> sagen, eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> wäre ein gutes<br />

Mittel, alle Bereiche der Verkehrsbetriebe zur Wettbewerbsfähigkeit zu<br />

zwingen.<br />

Wir wissen, gerade die <strong>Infrastruktur</strong> für den Nahverkehr auf Schienen ist<br />

teuer <strong>und</strong> funktioniert in der Regel nicht ohne öffentliche Zuschüsse.<br />

Warum soll es Schienenverkehrswegen anders gehen als Straßen, die<br />

ebenfalls durch Abnutzung reparaturbedürftig werden <strong>und</strong> auf Kosten<br />

des Staates repariert werden? Und wenn man weiß, dass öffentliche<br />

Zuschüsse fließen müssen, soll dies allen Anbietern <strong>von</strong> Zugleistungen<br />

in gleicher Weise zu Gute kommen. Derjenige, der die <strong>Infrastruktur</strong> zu<br />

unterhalten hat, soll beim Fahren auf den Schienen im Vergleich zu<br />

anderen Anbietern keinen Vorteil haben.<br />

Verkehrsunternehmen sind chronisch klamm. Ein Kostendeckungsgrad<br />

aus Fahrgeldeinnahmen <strong>von</strong> 65 – 75 % lädt nicht zu großen Sprüngen<br />

ein. Hinzu kommt, auch die Eigentümer der Verkehrsbetriebe sind in der<br />

Regel nicht auf Rosen gebettet. Da will man natürlich keinen Euro zu viel<br />

aus Steuermitteln zahlen. Man schaut auch über den Tellerrand <strong>und</strong><br />

sucht nach Unternehmen, die über flüssige Mittel verfügen <strong>und</strong> an die<br />

Zukunft der Verkehrsbranche glauben.<br />

So ist die Welt heute. Wenn es anders wäre, hätten wir in unserem<br />

Hause in den letzten Jahren keine Ergebniscenterrechnung eingeführt,<br />

kein Benchmarking mit anderen Unternehmen betrieben <strong>und</strong> sicher auch<br />

auf einen US-Lease für Fahrzeuge <strong>und</strong> Anlagen großzügig verzichtet.<br />

Wir taten dies, um unsere Wettbewerbsfähigkeit herzustellen im Interesse<br />

unserer Fahrgäste, im Interesse unseres Eigentümers <strong>und</strong> aus der<br />

blanken Not heraus, dass man die Mark <strong>und</strong> jetzt den Euro nur einmal<br />

ausgeben kann. Wir taten dies innerhalb unserer deutschen Rechtsordnung,<br />

die in der BOStrab ganz eindeutig das Leitbild einer Systemeinheit<br />

<strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei Straßenbahnen, Stadtbahnen <strong>und</strong> U-<br />

Bahnen verfolgt. Dieses Leitbild muss auch nicht abgeändert werden,<br />

wenn demnächst die neue EU-Verordnung zum ÖPNV in Kraft tritt. 2 Für<br />

die Durchführung wettbewerblicher Verfahren, wie sie diese EU-Verordnung<br />

vorsieht, ist eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ebenso<br />

wenig erforderlich wie bei einer Direktvergabe an einen internen Betreiber,<br />

die der lokale Aufgabenträger alternativ verfügen kann.<br />

2 Siehe Fußnote 1.<br />

76


Sicher ist richtig: Wenn die Rechtsordnung uns nicht zur <strong>Trennung</strong><br />

zwingt, können doch ökonomische Gründe dafür streiten.<br />

Aber wenn wir dieser Frage nachgehen, müssen wir uns erst ein wenig<br />

damit befassen, wie die Realität heute vor Ort aussieht. Im nationalen<br />

Eisenbahnnetz gibt es eine <strong>von</strong> Reichsbahn <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esbahn entwickelte<br />

strikte Normierung zur Beschaffenheit der Schienenstrecken, der<br />

Signaltechnik, der Lokomotiven <strong>und</strong> der übrigen Fahrzeuge. Nach diesen<br />

Vorschriften kann jeder potenzielle Nutzer des Schienennetzes seine<br />

Fahrzeuge für das nationale Netz ausstatten. Unterschiedliche Vorgaben<br />

einzelner Länder, etwa zur richtigen Bahnsteighöhe, führen allerdings<br />

dazu, dass Nahverkehrsfahrzeuge oft nicht länderübergreifend eingesetzt<br />

werden können.<br />

Diese einheitliche Vorschriftenwelt des nationalen Eisenbahnwesens gibt<br />

es im Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahnverkehr nicht. Zumeist ist es schon nicht<br />

möglich, auf Schienen <strong>von</strong> außen mit einem Fahrzeug in ein lokales<br />

Schienennetz zu fahren. Anders als in der Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

sind heute die Straßenbahnnetze meist nur noch in den Innenstädten<br />

<strong>und</strong> auf den großen Magistralen <strong>von</strong> den Vororten in die Innenstädte zu<br />

finden. Städteübergreifende Gleisnetze gibt es in Deutschland heute<br />

noch im Rhein-Neckar-Raum, zwischen Düsseldorf, Duisburg, Essen<br />

<strong>und</strong> Bochum, im Bereich Köln/Bonn. In den Räumen Karlsruhe <strong>und</strong><br />

Kassel fahren Stadtbahnen auch in das Eisenbahnnetz des Umlands ein.<br />

Nur dort ist es möglich, mit dem gleichen Fahrzeug ohne Umbauten <strong>von</strong><br />

einer Stadt in eine andere zu kommen. Nur in diesen wenigen Bereichen<br />

wäre es theoretisch denkbar, dass der K<strong>und</strong>e Fahrgast nicht nur beim<br />

Kauf <strong>von</strong> Brötchen <strong>und</strong> Zeitungen, sondern auch bei seiner Straßenbahnfahrt<br />

zwischen konkurrierenden Anbietern wählen kann. In den<br />

übrigen Fällen kann der K<strong>und</strong>e nur zwischen dem lokalen Straßenbahnunternehmen<br />

<strong>und</strong> den Möglichkeiten des motorisierten Individualverkehrs<br />

wählen. Denkbar ist in diesen Fällen allein ein Wettbewerbsverfahren,<br />

bei dem die Behörde aussucht, wer zukünftig als Monopolist auf<br />

Zeit seine Leistung auf der Schiene zur Verfügung stellen darf. Ob der<br />

K<strong>und</strong>e Fahrgast da<strong>von</strong> einen Vorteil hat, ist umstritten. Eine Wahlmöglichkeit<br />

zwischen vergleichbaren Nahverkehrsleistungen auf der Schiene<br />

hat er jedenfalls nicht.<br />

Die vielen kleinen lokalen Netzinseln sind in den letzten 50 Jahren natürlich<br />

technisch aufgerüstet worden. Jeder Schienenverkehrsbetreiber hat<br />

nach bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen seine Anlagen optimiert <strong>und</strong> dabei in<br />

der Regel ohne Änderung der Spurbreite, die er vor vielen Jahrzehnten<br />

festgesetzt hatte, sein Gleisnetz <strong>und</strong> seine Fahrzeuge aufeinander ab-<br />

77


gestimmt. Das führte dazu, dass wir heute nicht nur bei den Gleisnetzen<br />

<strong>von</strong> alters her unterschiedliche Spurweiten haben. Weitere Unterschiede<br />

gibt es bei der maximalen Wagenbreite, bei den möglichen Wagenlängen<br />

<strong>und</strong> etwa bei den Hüllkurven der Fahrzeuge. Während in der<br />

einen Stadt bereits mit 2,65 m breiten Straßenbahnen überall gefahren<br />

werden kann, geht es andernorts etwas enger zu. Dies hat zur Folge,<br />

dass Sie nur 2,3 oder 2,4 m breite Wagen einsetzen können. Und<br />

während man beispielsweise in Dresden nur Ein-Richtungs-Fahrzeuge<br />

mit einer Fahrerkabine <strong>und</strong> Türen nur auf der rechten Wagenseite<br />

braucht, weil an jeder Linienendhaltestelle eine Schleife das Wenden<br />

ermöglicht, braucht man etwa in Dortm<strong>und</strong> stets an beiden Fahrzeugenden<br />

einen Fahrerarbeitsplatz. Hier gibt es seit langem nur noch im<br />

Ausnahmefall Wendeschleifen <strong>und</strong> der Einstieg in das Fahrzeug findet<br />

mal links am Mittelbahnsteig <strong>und</strong> mal an den Türen in Fahrtrichtung<br />

rechts statt. Es wird Sie bei dieser Ausgangslage auch nicht überraschen,<br />

wenn die Beschaffenheit der Räder, insbesondere die Form der<br />

Spurkränze in Abhängigkeit zur ortsüblichen Schiene, <strong>von</strong> Ort zu Ort<br />

unterschiedlich ist.<br />

Nicht anders sieht es indes bei der Zugsicherung aus. Hier hat jeder <strong>Betrieb</strong><br />

seine eigene Philosophie <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en seine eigene Ausrüstung.<br />

Wir verwenden bei unseren Stadtbahnen <strong>und</strong> Straßenbahnen<br />

das punktförmige Sicherungssystem „ZUB100“. Dabei kommt der Name<br />

nicht daher, dass die Zugsicherungseinrichtung am Fahrzeug selbst<br />

jeweils etwa 100.000 € kostet. Das ist noch verhältnismäßig preisgünstig<br />

im Vergleich zu anderen Systemen, in denen die Zugsicherung mit<br />

Linienleitern bewerkstelligt wird.<br />

Dass Bahnsteige unterschiedlich hoch sind, ist nichts Neues. Von der<br />

höchsten Höhe des jeweils auf einer Linie befindlichen Bahnsteigs hängt<br />

aber ab, wie hoch mindestens die Einstiegshöhe an der Fahrzeugtür der<br />

Straßenbahn sein muss. Nach der BOStrab ist – aus guten Gründen –<br />

ein Einstieg <strong>von</strong> einem Bahnsteig in einen tiefer liegenden Fahrzeuginnenraum<br />

nicht zulässig. Das heißt, der Bahnsteig mit der höchsten<br />

Oberkante über der Schiene gibt das Mindestmaß für die Höhe des<br />

Innenraums eines Fahrzeugs vor. Wir hätten gerne beispielsweise bei<br />

der Beschaffung der neuen Wagen für unsere Ost-West-Strecke das in<br />

Frankfurt eingesetzte Fahrzeug bestellt. Da wir jedoch an einem Turmbahnhof,<br />

der bereits vor mehr als einem Jahrzehnt gebaut <strong>und</strong> für<br />

andere Linien in <strong>Betrieb</strong> genommen wurde, bei der Bahnsteighöhe ein<br />

Maß <strong>von</strong> 38 cm nicht mehr unterschreiten konnten, mussten wir bei der<br />

Ausschreibung der Fahrzeuge eine Fußbodenhöhe im Wagen vorgeben,<br />

die 5 cm über dem Frankfurter Maß lag. Allein dieser Umstand führte<br />

78


dazu, dass die Konstruktion mit großem Aufwand überarbeitet werden<br />

musste. Wir hätten gerne dem Hersteller <strong>und</strong> uns diesen Aufwand erspart.<br />

Sie sehen hieran, anders als im Verkehr auf dem DB-Netz müssen<br />

Sie die Fahrzeuge detailliert auf die örtlichen Bedingungen ausrichten.<br />

Dies führt dazu, dass ein Wechsel zwischen den Netzen nicht möglich<br />

ist. Im Wettbewerbsfall müsste also ein Anbieter Fahrzeuge aus einem<br />

Fahrzeugpool mieten können oder Gelegenheit haben, mit genügendem<br />

Vorlauf neue Fahrzeuge zu kaufen <strong>und</strong> sie dann über den gesamten<br />

Zeitraum der Abschreibung zu nutzen.<br />

Noch weniger ist eine <strong>Trennung</strong> bei fahrerlosen U-Bahnstrecken möglich.<br />

Hier ist jeweils ein umfassendes technisches Gesamtsystem in<br />

Benutzung, das zwingend aus einer Hand zu bewirtschaften ist.<br />

Wir wollen die Verkehrsunternehmen zu effizientem Handeln zwingen.<br />

Das Geld liegt für uns nicht auf der Straße. Dazu braucht man jedoch<br />

keine gesellschaftsrechtliche <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>. Nach<br />

unseren Erfahrungen reicht es aus, eine konsequente <strong>Trennung</strong>srechnung<br />

durchzuführen <strong>und</strong> für die operativ zu erbringenden Leistungen<br />

Kostenvergleiche mit anderen Verkehrsunternehmen anzustellen. Wir<br />

haben dies etwa für eine Reihe <strong>von</strong> Leistungen im Gleisbau in den vergangenen<br />

Jahren gemacht. Dabei haben wir im Vergleich mit anderen<br />

Verkehrsunternehmen aber auch sorgsam darauf geachtet, dass nicht<br />

Äpfel mit Birnen <strong>und</strong> Kirschen mit Pflaumen, sondern nur definierte<br />

Leistungen miteinander verglichen wurden. Erst in den letzten Tagen<br />

haben wir im Kreis der stadtbahnbetreibenden Städte Nordrhein-Westfalens<br />

einen Vergleich über die Energiekosten je Zugkilometer durchgeführt.<br />

Die Erkenntnisse über den Energieverbrauch <strong>und</strong> über die<br />

Kosten für die bezogene Kilowattst<strong>und</strong>e waren sehr aussagekräftig. Sie<br />

zeigten uns auf, wo wir mit unserem Unternehmen stehen. Es ist dann<br />

keine Kunst, realistische Handlungsziele zu formulieren <strong>und</strong> durchzusetzen.<br />

Diese Ziele müssen Sie auch verfolgen, weil Sie sonst bei einer<br />

Abrechnung etwa für die Leistungen zur Unterhaltung der Trasse nicht<br />

überzeugend belegen könnten, dass Sie nur den Aufwand eines gut<br />

geführten, durchschnittlichen Verkehrsunternehmens haben.<br />

Wenn Sie in den einzelnen Leistungsbereichen eine konsequente <strong>Trennung</strong>srechnung<br />

durchführen, können Sie auch durch das Hereinnehmen<br />

<strong>von</strong> Partnern etwa in Werkstätten oder in eine Fahrergesellschaft das<br />

Know-how oder die Kapitalkraft Dritter fruchtbar machen. Eines darf<br />

dabei aber nicht in Frage stehen: Die Leitung eines <strong>Betrieb</strong>es auf einem<br />

Netz kann – anders als im Eisenbahnverkehr – nicht aufgeteilt werden.<br />

Der <strong>Betrieb</strong>sführer ist allein für die Funktionsfähigkeit des <strong>Betrieb</strong>es <strong>und</strong><br />

79


des Netzes umfassend verantwortlich. Er ist der Chef, der bei Schadensfällen<br />

auch den Kopf alleine hinhalten muss. Als Chef im Ring ist er<br />

gleichzeitig dafür verantwortlich, dass die eigenständig agierenden Bereiche<br />

sich nicht gegenseitig in ihrem Bestreben, den eigenen Sektor zu<br />

optimieren, das Leben schwer machen. Er trägt die Verantwortung zum<br />

Beispiel dafür, dass Reparaturarbeiten am Gleis so vorgenommen<br />

werden, dass der <strong>Betrieb</strong> nicht über Gebühr zum Erliegen kommt. Natürlich<br />

wäre es billig für den Gleisbauer, die Reparaturarbeiten tagsüber<br />

durchzuführen. Dann ist die Sicht besser. Dann sind die Personalaufwendungen<br />

niedriger als bei einem Einsatz in der Nacht zu Nachttarifen.<br />

Und dem Gleisbauer, der nur auf sein Ergebnis schaut, ist es herzlich<br />

egal, ob der Fahrbetrieb einen teuren Schienenersatzverkehr durchführen<br />

muss, der so unattraktiv ist, dass die Fahrgäste flüchten. Ökonomischer<br />

ist es dagegen, in diesen Fällen weitestgehend die <strong>Betrieb</strong>sruhezeiten<br />

zu nutzen <strong>und</strong> zügiges Handeln einzufordern. Entscheidend<br />

ist die Gesamtsicht über alle beteiligten Bereiche für die Beurteilung,<br />

welches Vorgehen am ökonomisch sinnvollsten ist. Ein Königsweg ist es<br />

in diesem Zusammenhang gerade nicht, zwischen Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

Brandwände zu errichten.<br />

Und dies gilt unabhängig da<strong>von</strong>, ob wir je zu vertretbarem Aufwand die<br />

technischen Rahmendaten für den Straßenbahn-, Stadtbahn- <strong>und</strong> U-<br />

Bahnbetrieb in Deutschland so vereinheitlichen könnten, dass Fahrzeuge<br />

aus Frankfurt auch in Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> umgekehrt eingesetzt werden<br />

könnten. Denn dieses Maß an technischer Einheitlichkeit ist notwendig,<br />

um mehr als einmal innerhalb <strong>von</strong> 15 Jahren Wettbewerb um ein<br />

befristetes Monopol über Fahrbetrieb <strong>und</strong> Netz zu veranstalten.<br />

Wer ökonomisch über eine Wettbewerbsordnung für Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im<br />

Straßenbahn-, Stadtbahn- <strong>und</strong> U-Bahnbereich nachdenkt, kommt an den<br />

technischen Unterschieden zwischen den örtlichen <strong>Betrieb</strong>ssystemen<br />

nicht vorbei. Stadtbahnbetrieb funktioniert erheblich anders als der <strong>Betrieb</strong><br />

mit Eisenbahnen, weshalb die guten Argumente, die dort für eine<br />

<strong>Trennung</strong>, auch für eine gesellschaftsrechtliche <strong>Trennung</strong> zwischen<br />

<strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> sprechen, hier in dem <strong>von</strong> mir vertretenen<br />

Branchensektor ins Leere gehen. Auch wenn sich die Erde beim Stadtbahnbetrieb<br />

in die gleiche Richtung dreht wie beim Eisenbahnbetrieb,<br />

<strong>und</strong> auch wenn Stadtbahnen genauso wie Eisenbahnen auf Schienen<br />

fahren, können die gravierenden Unterschiede zwischen den lokalen<br />

Netzen nicht mal eben so beseitigt werden. Diese Unterschiede führen<br />

aber dazu, dass bei dem <strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Straßen-, Stadt- <strong>und</strong> U-Bahnen der<br />

Weg, Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> zu trennen, kein Königsweg, sondern ein Irrweg<br />

ist.<br />

80


Gerd Aberle *<br />

Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzausgliederung?<br />

Das Spannungsverhältnis zwischen<br />

innovativer Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbssicherung **<br />

Das Thema, das ich hier gewählt habe, verdeutlicht bereits das Gr<strong>und</strong>problem,<br />

mit dem ich mich auseinandersetzen möchte. Eisenbahnen als<br />

innovative Unternehmen, die unter Effizienzüberlegungen zu führen sind<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig aber eine Wettbewerbsproblematik, die in erheblichem<br />

Umfang existiert.<br />

Zunächst einmal natürlich Eisenbahnnetze – <strong>und</strong> ich spreche nicht über<br />

Strecken, über einzelne Strecken. Ich denke hier an Netze <strong>und</strong> vor allen<br />

Dingen an sehr komplexe Netzstrukturen, wie wir sie hier beispielsweise<br />

in Deutschland in einem ganz besonderen Maße haben – nicht vergleichbar<br />

mit skandinavischen Netzen, die ein völlig anderes Bild abgeben.<br />

Zunächst einmal die Kostenstrukturen. Sie sind natürlich ein ganz<br />

wesentlicher Punkt für die Gesamtbetrachtung. Wir haben einen extrem<br />

hohen Fixkostenanteil, der liegt zwischen 60 <strong>und</strong> 70 % bei den Netzen.<br />

Die Grenzkosten der Benutzung des Netzes sind extrem niedrig. Da<br />

kann man, je nachdem, welchen Grenzkostenbegriff man zugr<strong>und</strong>e legt,<br />

auf Werte kommen – ich will jetzt nicht in das Detail hineingehen –<br />

zwischen 2 <strong>und</strong> maximal 8 %. Das sind die Grenzkosten der Benutzung<br />

des Netzes. Welche Kosten spielen hier eine besondere Rolle? Das sind<br />

eben die Kapitalkosten. Die Kapitalintensität <strong>von</strong> Netzen ist überragend<br />

wie bei den meisten <strong>Infrastruktur</strong>einrichtungen <strong>und</strong> das heißt natürlich<br />

auch, dass hier die Frage der Auslastung eine ganz entscheidende Rolle<br />

spielt, um eine ökonomische Tragfähigkeit überhaupt irgendwann einmal<br />

realisieren zu können.<br />

Wir haben es weiterhin zu tun mit einer sehr hohen Spezifität, das heißt<br />

alternative Verwendung- <strong>und</strong> Nutzungsmöglichkeiten eines Netzes bestehen<br />

nicht. Das heißt, wenn man zu der Entscheidung kommen muss,<br />

dass eine Netzinvestition möglicherweise ein ökonomischer Fehlschlag<br />

ist, dann kann man mit dem Netz im Gr<strong>und</strong>e nichts mehr anfangen,<br />

*<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle ist Professor für Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik <strong>und</strong> Transportwirtschaft<br />

an der Universität Gießen.<br />

**<br />

Vortragsmitschrift.<br />

81


sondern das sind dann die berühmten „sunk costs“. Die gehen natürlich<br />

in die Überlegungen eines jeden Investors ein – das ist natürlich auch<br />

ein wichtiger Punkt.<br />

Nun, wenn wir uns dann, daraus abgeleitet, die Finanzierungserfordernisse<br />

vorstellen, dann bedeutet es natürlich, Netze haben ganz unterschiedliche<br />

Auslastungssituationen. Das bedeutet aber auch, dass eine<br />

Finanzierung durch die Nutzer des Netzes bei solchen komplexen Netzstrukturen<br />

mit sehr unterschiedlichen Auslastungsgraden regelmäßig<br />

nicht möglich ist. Bei einzelnen Strecken natürlich. Jeder kann Strecken<br />

definieren, die aufgr<strong>und</strong> einer sehr hohen Auslastung <strong>und</strong> sehr hoher<br />

Nutzervorteile einen wesentlich höheren Kostendeckungsgrad, vielleicht<br />

eben eine Gesamtkostendeckung einschließlich eines Gewinnzuschlags<br />

noch ermöglichen würden. Das geht aber nicht, wenn man komplexe<br />

Netze betrachtet. Daraus folgt auch, dass die Finanzierung über den<br />

Nutzer nicht voll möglich ist, was natürlich immer die Hauptaufgabe ist.<br />

Das bitte ich niemals aus den Augen zu verlieren.<br />

Wir in Deutschland haben auch eine gewisse Mentalität zu sagen, dass<br />

muss die öffentliche Hand eben finanzieren. Das ist immer nur eine<br />

subsidiäre, ergänzende Finanzierung, aber keinesfalls etwas, was man<br />

nach vorne rücken sollte. Auch wenn das bei uns manchmal, gerade<br />

auch im öffentlichen Verkehrsbereich sehr stark durchschlägt, dass man<br />

sagt, das muss dann die Allgemeinheit finanzieren. Das geht nur unter<br />

sehr strengen Überlegungen. Und solche strengen Überlegungen finden<br />

hier auch beim Netz der Eisenbahn Einzug.<br />

Natürlich, <strong>und</strong> da ist das Zentralproblem, wenn man ein integriertes<br />

Unternehmen hat, ein Eisenbahnunternehmen, was sowohl die <strong>Infrastruktur</strong><br />

besitzt wie auch den Transport durchführt: das Problem der<br />

Monopolmacht in einem Hause, das Netz als unabdingbarer Produktionsfaktor,<br />

als „monopolistic bottleneck“, zur Erstellung der Eisenbahnverkehrsleistungen.<br />

Das bedeutet natürlich auch, dass hier bestimmte<br />

ergänzende Regelungen dargestellt werden müssen. Das heißt, es<br />

besteht ein natürliches Monopol, was bedeutet, dass es ineffizient ist,<br />

hier eine Duplizierung des Angebotes bei solchen Netzleistungen vorzunehmen.<br />

Insofern ist ein natürliches Monopol unter bestimmten Bedingungen,<br />

auf die ich jetzt hier nicht weiter eingehen möchte, auch<br />

immer ein sogenanntes Effizienzmonopol, weil eine Parallelinvestition,<br />

also eine Duplizierung ökonomisch zu ineffizienten Ergebnissen führt.<br />

Das bedeutet natürlich auch, dass, wenn eine solche Netzintegration<br />

vorliegt, eine sehr umfängliche, ja sehr komplexe Regulierungsaufgabe<br />

besteht, um die nicht wegzudiskutierenden Diskriminierungspotenziale<br />

82


auf ein Minimum zu reduzieren. Ich werde darauf dann noch im Einzelnen<br />

eingehen.<br />

Wenn wir uns heute Eisenbahnsysteme anschauen, <strong>und</strong> zwar moderne<br />

Eisenbahnsysteme, die sehr komplex strukturiert sind, dann kann man<br />

einfach nicht die Augen davor verschließen, dass es einen sehr engen<br />

produktionstechnischen, einen sehr engen steuerungstechnischen Zusammenhang<br />

gibt. Nämlich einen Systemverb<strong>und</strong> <strong>von</strong> Schienenweg,<br />

<strong>von</strong> Fahrzeugkonfigurationen <strong>und</strong> der Fahrzeugsteuerung.<br />

Es wird häufig der Vergleich mit dem Luftverkehr gezogen, <strong>und</strong> gesagt,<br />

im Luftverkehr geht die vollständige Separierung auch. Dies ist aber hier<br />

absolut nicht zutreffend. Im Luftverkehr können Sie heutzutage, wenn<br />

Sie mit der Flugsicherung in irgendeiner Weise kommunizieren können –<br />

das geht sehr weit, das geht vom Sprechfunk bis hin zu sehr komplexen<br />

anderen Systemen – können Sie heute mit jeder Maschine, weltweit, auf<br />

jedem Flughafen landen. Das ist überhaupt kein Problem. Bei der Bahn<br />

sieht das aber wesentlich anders aus. Es besteht eine außerordentlich<br />

wachsende Komplexität bei den Steuerungs- <strong>und</strong> Sicherungssystemen.<br />

Man kann einfache Beispiele bilden, die natürlich aus besonders<br />

komplexen Situationen heraus gewählt werden, die aber durchaus<br />

eindeutig sind. Man könnte fragen, warum konnte der ICE nicht in Frankreich<br />

fahren? Die Schienenbreite ist gleich. Damit ist aber auch fast alles<br />

an Kompatibilität zu Ende. Die Umrüstung des ICEs kostete 7 Mio. pro<br />

Einheit, 7 Mio. €, um sie so <strong>von</strong> den Zugsicherungs- <strong>und</strong> Steuerungssystemen<br />

kompatibel zu gestalten, dass sie auf dem französischen Netz<br />

fahren kann; auch die französischen TGV-Züge mussten dementsprechend<br />

umgebaut werden. Die Umbauzeit hat zwei Jahre gedauert.<br />

Jetzt neuerdings, ab 9. Dezember 2007, das ist ab Sonntag, fahren ICE<br />

nach Dänemark. Die Umrüstung pro Einheit <strong>von</strong> ICE, das ist ICE-T, ist<br />

mit 1 Mio. € pro Zugeinheit veranschlagt, da die Sicherungssysteme <strong>und</strong><br />

Steuerungssysteme umgebaut werden müssen.<br />

Wenn man nach Minden ins Innovationszentrum der DB AG fährt, um<br />

sich dort einmal über die Technik <strong>und</strong> den Systemverb<strong>und</strong> zu informieren,<br />

was an produktionstechnischen, steuerungstechnischen Systemen<br />

dort so eng zusammenhängt zwischen der Konfiguration einer<br />

Strecke <strong>und</strong> der Konfiguration der Fahrzeuge, die auf dieser Strecke<br />

fahren, dann sieht man, dass das sehr eng ist. Vor allen Dingen, <strong>und</strong> das<br />

ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, den ich nicht hinten anstellen<br />

möchte, dass nämlich Innovationen <strong>und</strong> darüber sprechen wir natürlich<br />

im Verkehrsbereich <strong>und</strong> im Eisenbahnbereich ganz besonders, dass<br />

83


Innovationen sehr stark diesen Systemsystemverb<strong>und</strong> zum Inhalt haben.<br />

Das heißt, man kann nicht einfach nur ein neues Fahrzeug konfigurieren<br />

<strong>und</strong> sagen, dann setze ich dieses auf <strong>und</strong> lasse es fahren, sondern man<br />

muss dieses eben parallel gestalten, sowohl <strong>von</strong> der Seite der <strong>Infrastruktur</strong>,<br />

wie auch <strong>von</strong> der Seite der Fahrzeuge.<br />

Innovationen kommen zustande durch eine parallele Entwicklung, durch<br />

eine wechselseitige Beziehung zwischen dem, was im Netz etwa mit den<br />

Sicherungssystemen <strong>und</strong> mit den Steuerungssystemen passiert, <strong>und</strong><br />

dem was jetzt an Fahrzeugen konfiguriert wird. Dann muss natürlich<br />

auch gefragt werden: Wer soll das den eigentlich machen? Da kann man<br />

durchaus die Auffassung vertreten – <strong>und</strong> dieser Auffassung hänge ich<br />

an – dass man sagt, dass derjenige, der als „main user“, <strong>und</strong> den wird es<br />

immer auf Netzen geben, aktiv ist, natürlich ein besonders starker Innovationstreiber<br />

in einem solchen Systemverb<strong>und</strong> ist. Ich kann es mir nicht<br />

vorstellen, dass andere, die nur kleine Streckenteile bedienen, das heißt<br />

mit sehr kleinen Marktanteilen, dass die als besondere Innovationstreiber<br />

des Systemverb<strong>und</strong>es auftreten. Was nicht heißt, dass sie nicht exzellente<br />

Fahrzeuge einsetzen, aber in der Entwicklung, braucht man einen<br />

Akteur, der ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung <strong>von</strong> Fahrzeugen<br />

<strong>und</strong> an der Entwicklung der <strong>Infrastruktur</strong> hat, um diese Fahrzeuge<br />

entsprechend zu nutzen.<br />

Das ist meines Erachtens eine wichtige Größe im Hinblick auf die<br />

Weiterentwicklung des Systems Schienenverkehr. Es geht hier um das<br />

System Schienenverkehr <strong>und</strong> nicht um den einzelnen Betreiber, der am<br />

Markt als <strong>Infrastruktur</strong>betreiber <strong>und</strong> als Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

auftritt.<br />

Ich hatte es vorhin schon angesprochen: Es gibt da ganz erhebliche<br />

Konfliktpotenziale. Das ist nicht wegzudiskutieren. Das ist bei jedem<br />

natürlichen Monopol gegeben. Es stellt sich die Frage, wie werden die<br />

intramodalen Wettbewerber behandelt? Werden sie möglicherweise<br />

diskriminiert? Ich hatte vorhin schon gesagt, es gibt eine ganze Reihe<br />

<strong>von</strong> Diskriminierungsmöglichkeiten. Ich habe in einer Anhörung des Verkehrsausschusses<br />

des Deutschen B<strong>und</strong>estages gesagt, die Kreativität<br />

der Entwicklung <strong>von</strong> Diskriminierung ist unbegrenzt, genau wie die<br />

Unternehmenskreativität. Also benötigt man ein Regulierungssystem.<br />

Wir haben in Deutschland eine immer noch laufende – <strong>und</strong> auf Parteitagen<br />

auch besonders gepflegte – Diskussion einer Netzausgliederung<br />

an den Staat. Meine Herren, der Staat als Netzbetreiber? Das ist wirklich<br />

die Katastrophe per Excellence. Dann sind wir nämlich genau dort, wo<br />

84


wir vor der Bahnreform 1994 waren. Warum wurde die Bahnreform<br />

gemacht? Ich war in der Regierungskommission Bahn. Wir haben gesagt,<br />

die Bahn muss weit weg vom Staat. Das Eisenbahnsystem muss<br />

innovativ werden, es muss unter Wettbewerbsgesichtspunkten arbeiten.<br />

Wir brauchen eine Marktöffnung. Das alles ist auch durchgesetzt<br />

worden. Aber: möglichst weit weg vom Staat. Deswegen haben wir eine<br />

Aktiengesellschaft vorgeschlagen. Jetzt gibt es einige Interessierte, die<br />

versuchen, das wieder zurückzudrehen. Sie möchten am liebsten das<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz wieder ändern. Die Bahn, die Deutsche Bahn hat keine Gemeinwohlverpflichtung<br />

mehr, die liegt beim Staat. Das ist ganz eindeutig<br />

in § 87 e geregelt <strong>und</strong> auch im Regionalisierungsgesetz verankert usw.<br />

Das ist alles an sich ganz gut gelaufen. Aber es gefällt einigen heutzutage<br />

nicht. Staatsgläubigen. Wie soll der Staat das Netz managen? Das<br />

frage ich mich ganz konkret. Das ist ein Widerspruch zu dem Gr<strong>und</strong>gedanken<br />

der Bahnreform <strong>von</strong> 1994. Der Staat kann ein Netz nur verwalten.<br />

Er darf gar nicht handeln. Eine Netzverwaltung hatte die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

bis 1994 mit allen Negativfolgen.<br />

Eine weitere größere Gefahr besteht darin, dass dann alle Fehler wieder<br />

auftauchen, die vor der Bahnreform existierten. Ich habe damals den<br />

Satz geprägt – bezogen auf die Deutsche B<strong>und</strong>esbahn –, die B<strong>und</strong>esbahn<br />

ist ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse. Diese Aussage ist viel<br />

kolportiert worden. Das würde beim Netz genau so wieder kommen, weil<br />

jeder dann politischen Zugriff auf eine staatliche Netzverwaltung hat. Das<br />

fängt an bei den Ländern. Das geht hinunter bis auf die kommunale<br />

Ebene. Wie wollen Sie dann noch eine innovative Netzpolitik betreiben,<br />

die insgesamt die Leistungsfähigkeit des Systems Schienenverkehr<br />

steigern muss? Dann haben Sie auch die Abhängigkeit in der Finanzierung<br />

in einer Verwaltungsorganisation gibt es natürlich viel größere<br />

Chancen, die Finanzierung des Netzes auch wieder zurückzufahren.<br />

Finanzielle Knappheiten des Staates wird es in absehbarer Zeit wieder in<br />

erheblichem Umfang geben. Insofern erscheint mir die Aussage, das<br />

Netz muss an den Staat gehen, entweder <strong>von</strong> einer Sozialromantik<br />

verklärt, oder es entbehrt jeder fachlichen Kenntnis.<br />

Wenn man also die Hypothese vertritt – <strong>und</strong> darüber kann man streiten –,<br />

dass ein innovatives Schienenverkehrssystem aufgr<strong>und</strong> dieses doch erheblichen,<br />

<strong>und</strong> zwar wachsenden produktionstechnischen Systemverb<strong>und</strong>es<br />

zwischen dem Netz <strong>und</strong> den Fahrzeugen – <strong>und</strong> damit auch<br />

dem Einsatzbetrieb der Fahrzeugen – besteht, dann müssen das natürliche<br />

Monopol Schienennetz <strong>und</strong> darüber hinaus auch Stationen usw.<br />

reguliert werden. Das ist ganz eindeutig. Es muss vieles reguliert werden:<br />

Trassenpreise, Netzzugang, Netzinvestitions- <strong>und</strong> Desinvestitionsmaß-<br />

85


nahmen, Netzzustand, Anreize zur Kostensenkung <strong>und</strong> Instrumente, die<br />

Effizienzsteigerungen bei der Erstellung der Netzleistungen beinhalten.<br />

Diese Regulierungserfordernisse bestehen immer. Das hat nichts zu tun<br />

mit der entsprechenden Eingliederung oder Ausgliederung des Netzes.<br />

Im Prinzip muss jedes natürliche Monopol entsprechend reguliert<br />

werden, auch wenn es beim Staat liegt.<br />

Es gibt eine durch Vergangenheitserfahrungen an sich sehr gut abgestützte<br />

Erkenntnis, dass die Regulierung <strong>von</strong> staatlichen Institutionen<br />

wesentlicher komplexer ist als <strong>von</strong> Institutionen, die etwas vom Staat abgerückt<br />

sind. Ich glaube, da brauchen wir auch nicht lange darüber zu<br />

diskutieren. Aber wichtig bleibt, die Regulierungserfordernisse sind aufgr<strong>und</strong><br />

des Aspektes des natürlichen Monopols gegeben.<br />

Wenn man sich hier noch einmal die Situation in Deutschland anschaut:<br />

Wir haben damals in der Regierungskommission Bahn die Frage nicht<br />

abschließend beantwortet, wo das Netz bleibt. Da ist wörtlich im Bericht<br />

der Regierungskommission Bahn zu finden, die ja die Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Bahnreform 1994 darstellte. Also für die f<strong>und</strong>amentale Bahnreform: Es<br />

seien die Erfahrungen abzuwarten, die dann sich ergeben, wenn die<br />

organisatorische <strong>und</strong> rechnerische <strong>Trennung</strong>, also die Marktöffnung realisiert<br />

ist. Die Regierungskommission Bahn hat sich nicht definitiv für eine<br />

Netzausgliederung ausgesprochen, sondern hat dieses Problem zunächst<br />

noch mal offen gelassen, um die Erfahrungen abzuwarten.<br />

Ich selbst habe zunächst sehr stark dafür plädiert, auch eine institutionelle<br />

<strong>Trennung</strong> vorzunehmen. Das war in der Phase, als der empirische<br />

Bef<strong>und</strong> noch ein anderer war. Die Marktöffnung hatte zunächst – <strong>und</strong><br />

das ist in der Retrospektive auch nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich – noch nicht<br />

die Erfolge, die man vielleicht relativ kurzfristig erwartet hatte. Aber wir<br />

haben seit dem Jahre 2000 eine andere Situation, was die Marktentwicklungen<br />

des intramodalen Wettbewerbs angeht. Wir haben mittlerweile<br />

auch ein Regulierungssystem, was sehr umfänglich ist. Wir praktizieren<br />

in Deutschland eine Netzöffnung, die sicherlich beispielhaft ist für<br />

die meisten Länder Europas. Wenn man den empirischen Bef<strong>und</strong> berücksichtigt,<br />

etwa im Schienenpersonennahverkehr wie auch im Güterverkehr<br />

– den Personenfernverkehr lasse ich aus - kann man relativ<br />

schnell ökonomisch darlegen, warum er nicht relevant ist für dritte Wettbewerber<br />

– aufgr<strong>und</strong> natürlicher Marktzugangsbeschränkungen, die<br />

nicht irgendwie gewillkürt, jedoch sehr hoch sind.<br />

86


Die Marktöffnungen im Schienengüterverkehr wurden forciert durch<br />

Druck <strong>von</strong> Brüssel. Diesen Druck möchte ich ausdrücklich positiv unterstreichen.<br />

Ohne den Druck <strong>von</strong> Brüssel wäre vieles nicht gelaufen. Man<br />

kann viel über Brüssel schimpfen – auch mit gutem Recht – aber im Verkehrsbereich<br />

haben die Weichenstellungen erst so stattgef<strong>und</strong>en, nachdem<br />

<strong>von</strong> der EU der Druck kam. In Deutschland waren wir weiter. Die<br />

Bahnreform ist nicht gemacht worden, weil die RL 440/91 1 kam, sondern<br />

völlig unabhängig <strong>von</strong> der 440/91. Wir sind vorausgeeilt. Europa ist viel<br />

langsamer vorgegangen. Aber insgesamt haben später die entsprechenden<br />

Richtlinien 2001/12 bis 14 <strong>und</strong> folgende einen ordentlichen Schub<br />

gegeben.<br />

Der deutsche Regulierungsrahmen ist sehr stark ausdifferenziert. Es gibt<br />

die B<strong>und</strong>esnetzagentur, die sich noch immer im Aufbau befindet, die<br />

aber erhebliche Regulierungsaktivitäten entfaltet – was man nicht<br />

unterschätzen sollte – die auch dabei ist, eine Anreizregulierung einzuführen,<br />

die möglicherweise sehr komplex ist, aber auch neue Anreize für<br />

innovative Lösungen schaffen <strong>und</strong> Kostenminimierung sichern soll. Es<br />

gibt das Eisenbahnb<strong>und</strong>esamt, die Monopolkommission, die sehr aktiv<br />

beteiligt ist an diesen Prozessen <strong>und</strong> mittlerweile zwei Gutachten vorgelegt<br />

hat. Es ist das B<strong>und</strong>eskartellamt, was ex post im Diskriminierungsbereich<br />

gewisse Dinge zu korrigieren versucht. Es gibt den Nutzerbeirat<br />

bei der Netz AG. Er kann verschiedene Dinge in der Öffentlichkeit<br />

transparent machen <strong>und</strong> damit auch gewissen Druck beim Netz ausüben.<br />

Es gibt weiterhin einen <strong>Infrastruktur</strong>beirat, in dem die Länder vertreten<br />

sind. Es gibt die Aktivitäten der EU-Kommission <strong>von</strong> zwei Generaldirektionen,<br />

sowohl <strong>von</strong> Verkehr wie auch <strong>von</strong> Wettbewerb.<br />

Wenn man dieses Regulierungsbündel zusammenfasst, kann man schon<br />

<strong>von</strong> komplexer Regulierungsbürokratie sprechen. Es gibt mittlerweile<br />

auch noch eine europäische Rail Agency, über deren Bedeutung ich mir<br />

nicht im Klaren bin.<br />

Ich will damit auch abschließen. Es gibt eine Vielzahl <strong>von</strong> Regulierungsaktivitäten<br />

hier in Deutschland, <strong>und</strong> ich glaube, dass man die negativen<br />

Möglichkeiten eines natürlichen Monopols im Rahmen einer integrierten<br />

Eisenbahn, die der „main user“ besitzt, durch eine entsprechende Regulierung<br />

<strong>und</strong> Aufrechterhaltung des offenen Netzzuganges durchaus beherrschen<br />

kann. Insofern muss die Frage, ist die Wettbewerbsproblematik<br />

so dominierend, dass man eine Netzausgliederung durchführen<br />

muss, wesentlich differenzierter behandelt werden.<br />

1 Richtlinie des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.<br />

87


Der Forderung einer institutionellen Netzabtrennung kann ich also nicht<br />

entsprechen. Ich glaube, dass man unter Innovationsgesichtspunkten<br />

<strong>und</strong> mit einer straffen Regulierung das erreichen kann, was wir vorfinden:<br />

Nämlich einen enorm aktiven Wettbewerb auf dem Netz sowohl<br />

im Schienenpersonennahverkehr wie auch beim Güterverkehr. Die<br />

große Bahn verliert einen Großteil – über 50 % - der Ausschreibungen.<br />

Man kann es auch umgekehrt formulieren: nur über 40 % gewinnen sie.<br />

Das ist ein Ergebnis, was starken Druck ausübt. Wir haben große mittelstarke<br />

Player sowohl im Schienenpersonennahverkehr wie auch im<br />

Güterverkehr. Man sollte nicht übersehen, dass da auch ganz große<br />

dritte Player als Ableger <strong>von</strong> Staatsbahnen aktiv sind, die mit großen<br />

Ressourcen in den Markt hineingehen. Ich erinnere nur an die SBB, die<br />

eine starke Marktposition hat, allerdings mit ökonomisch schlechten Ergebnissen,<br />

an die FS <strong>und</strong> die SNCF mit Tochterunternehmen. Aber das<br />

ist eben der intramodale Wettbewerb. Er läuft bei uns in einer hohen<br />

Intensität. Wir können uns nicht beklagen. Regulierung muss sein, auch<br />

wenn sie die deutsche große Bahn häufig stark einengt.<br />

88


Workshop 2: Energiesektor<br />

Referenten:<br />

Dr. Gerhard König *<br />

Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />

Professor Dr. Christian Jänig<br />

Stadtwerke als „kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>leister“<br />

Dr. Holger Krawinkel *<br />

Geschäftsmodell „Integriertes Unternehmen“<br />

vor dem Aus?<br />

* Siehe Anhang.


Prof. Dr. Christian Jänig *<br />

Stadtwerke als „kommunaler Infrastruktudienstleister“<br />

I. Ausgangssituation<br />

Die Globalisierung wird primär sowohl durch gr<strong>und</strong>sätzlich neue, teilweise<br />

diametral gegenüber den bisherigen Bedingungen wirkende wirtschaftspolitische<br />

Ordnungsrahmen als auch durch eine (r)evolutionäre<br />

Veränderung <strong>von</strong> Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsstrukturen charakterisiert.<br />

1 So haben die globalen Bestrebungen einer marktdogmatischen<br />

Liberalisierung <strong>und</strong> nationale bzw. transnationale Re-Regulierungsmaßnahmen<br />

2 die ordnungs- <strong>und</strong> wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />

wesentlich verändert <strong>und</strong> nationale Veränderungsprozesse in bisher<br />

nicht gekanntem Umfang initiiert. Wettbewerb in Form des marktdogmatischen<br />

Liberalismus bzw. Kapitalismus einerseits <strong>und</strong> Gemeinwohl<br />

andererseits sind jedoch dichotome Elemente. 3 Beispielhaft hierfür seien<br />

einige Konsequenzen dieser Dichotomie angeführt:<br />

� Überwälzung der sozialen Folgen der Globalisierung auf die nationalstaatliche<br />

Sozialpolitik bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen<br />

aus Unternehmenssteuern <strong>und</strong> somit Reduzierung der finanziellen<br />

Ressourcen für diese Sozialpolitik,<br />

� Reduzierung der unternehmensbezogenen Beiträge zur Finanzierung<br />

der <strong>Infrastruktur</strong>leistungen durch eine global optimierte (Aus-)Nutzung<br />

der Steuersysteme bei gleichzeitiger Forderung nach nationalstaatlichen<br />

Anstrengungen zur Verbesserung dieser <strong>Infrastruktur</strong> als<br />

Standortkriterium,<br />

� Marginalisierung der traditionellen Rolle des Staates als Sicherheitsgarant<br />

<strong>von</strong> der Ausbildung über die Berufstätigkeit bis zur Altersvorsorge,<br />

weil die gesellschaftspolitischen Sozialsysteme „individualisiert“<br />

bzw. „atomisiert“ werden,<br />

� Transnationale Unternehmen als Resultante des marktdogmatischen<br />

Liberalismus üben indirekt eine politische Macht durch ihr wirtschaft-<br />

*<br />

Prof. Dr. Christian Jänig ist Geschäftsführer der Stadtwerke Unna GmbH.<br />

1<br />

Vgl. Jänig (2004), S. 23 ff.<br />

2<br />

So ist z. B. die sog. „Weltformel“, d. h. die Aggregation der Einstein’schen Relativitätstheorie sowie<br />

der Heisenberg’schen Unschärferelation kürzer als die mathematische Formel zur Anreizregulierung.<br />

3<br />

Vgl. Stiglitz (2002).<br />

91


92<br />

liches (Droh-)Potenzial aus <strong>und</strong> zwingen sowohl den Nationalstaat als<br />

auch Regionen zu einem Standort- <strong>und</strong> Steuerwettbewerb. 4<br />

Diese skizzierten Auswirkungen der Globalisierung bleiben jedoch nicht<br />

nur auf den Nationalstaat begrenzt, sondern wirken sich zwangsläufig<br />

auch auf die sozialen, ökologischen, kulturellen etc. Strukturen der<br />

Kommunen aus: Die Überwindung der Raum-Zeit-Grenzen implizieren<br />

eine Wettbewerbssituation zwischen Kommunen bzw. Regionen um<br />

Investoren <strong>und</strong> Kapitalgeber, Bevölkerungspotenziale, Dienstleistungsangebote,<br />

<strong>Infrastruktur</strong>en usw. Dieses auch als „Glokalisierung“<br />

bezeichnete Phänomen 5 intendiert sowohl den Wettbewerb als auch ein<br />

Benchmarking zwischen Kommunen <strong>und</strong> Regionen um (richtig) qualifizierte<br />

Arbeitskräfte, (Aus-)Bildung <strong>und</strong> Kultur, effiziente <strong>Infrastruktur</strong>en,<br />

kommunale Wirtschaftsförderung, flexible <strong>und</strong> leistungsfähige Verwaltungsorganisationen<br />

etc. – es impliziert letztendlich auch ein ganzheitliches<br />

„Marketing“ des „Konzerns Stadt“.<br />

Der marktdogmatische Liberalismus als Phänotyp der Globalisierung in<br />

Verbindung mit der (teilweise desolaten) Finanzsituation führen somit zu<br />

einer radikalen Veränderung der tradierten kommunalen Geschäftsgr<strong>und</strong>lagen.<br />

Verschärft wird dies noch sowohl durch die Aushöhlung des<br />

Subsidiaritätsbegriffes als auch durch die Debatte über das zulässige<br />

bzw. notwendige Aufgabenspektrum kommunaler Wirtschaftstätigkeit in<br />

Abgrenzung zur privaten Leistungserbringung. Überpointiert sollen jene<br />

Leistungsbereiche „privatisiert“ werden, die Gewinn bzw. Deckungsbeiträge<br />

generieren; „sozialisiert“ bzw. kommunalisiert bleiben dagegen<br />

jene Aufgabenbereiche, die keine Renditen erbringen <strong>und</strong> daher aus der<br />

(verständlichen) Perspektive privater Investoren uninteressant sind –<br />

dies verschärft zwangsläufig noch zusätzlich die finanzielle Situation der<br />

kommunalen Haushalte.<br />

Andererseits sind aus moralisch-ethischen Gründen heraus an <strong>und</strong> für<br />

sich weitere Haushaltsdefizite als Konsequenz tradierter Handlungs- <strong>und</strong><br />

Aufgabenfelder sowie einer gedanken-, ideen- <strong>und</strong> ziellosen Verschuldungspolitik<br />

den derzeitigen Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern als auch zukünftigen<br />

Generationen nicht mehr verantwort- noch zumutbar. Zwingend<br />

erforderlich ist es demnach, „klassische“ Vorstellungen, Aufgabenstellungen<br />

<strong>und</strong> Denkweisen sowie Mentalitäten im Hinblick auf den Begriff<br />

„Daseinsvorsorge“ über Bord zu werfen. Dies impliziert auch den Paradigmenwechsel<br />

<strong>von</strong> der hoheitlichen Vollzugsverwaltung zur proaktiven,<br />

unternehmerisch denkenden <strong>und</strong> handelnden Verwaltung, die in der<br />

4 Vgl. Beck (1998), S. 24 ff.<br />

5 Vgl. Hennig (2003).


Lage ist, (fast) alles Bisherige prinzipiell in Frage zu stellen. Hierzu gehört<br />

auch, dass das derzeitige System <strong>von</strong> Subventionen, Beihilfen <strong>und</strong><br />

Zuwendungen sowohl unter marktwirtschaftlichen als auch Globalisierungsgründen<br />

nicht mehr zeitgemäß ist.<br />

Der mittlerweile inhaltlich ausgehöhlte Begriff der „Daseinsvorsorge“ bedarf<br />

daher einer neuen Definition bzw. Präzisierung resp. Konkretisierung<br />

unter den Rahmenbedingungen der Liberalisierung – Daseinsvorsorge<br />

wandelt sich zur <strong>Infrastruktur</strong>verantwortung <strong>und</strong> zur Gewährleistungsverantwortung<br />

anstelle der Erfüllungsverantwortung. Dies erfordert<br />

notwendigerweise neue Konzeptionen <strong>und</strong> Strukturen kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />

mit dem Fokus auf eine nachhaltige Entwicklung<br />

in Verbindung mit der Erreichung gemeinwirtschaftlicher Ziele in einem<br />

sozialen, kulturellen <strong>und</strong> gesellschaftspolitischen Kontext. Verb<strong>und</strong>en<br />

damit sind qualitativ höherwertige Anforderungen an die kommunale<br />

Leistungserbringung, an Organisation <strong>und</strong> Controlling im Sinne einer<br />

nachhaltigen <strong>und</strong> effizienten Steuerung. Gleichzeitig ergeben sich hierdurch<br />

jedoch auch neue Gestaltungsoptionen, Handlungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> -spielräume, um den Einfluss <strong>von</strong> Kommunalpolitik <strong>und</strong> -verwaltung<br />

auch weiterhin mindestens zu gewährleisten, wenn nicht gar zu vergrößern.<br />

Zum einen ist der unter marktwirtschaftlichen Bedingungen notwendige<br />

Wettbewerb kein Selbstzweck bzw. eine „ideologische Waffe“: Zielsetzung<br />

darf gr<strong>und</strong>sätzlich nur die Verbesserung der Qualität der kommunalen<br />

<strong>Infrastruktur</strong> sein. Zum anderen steht im Fokus der Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger sicher nicht die Erhöhung <strong>von</strong> Vielfalt, Komplexität <strong>und</strong> Undurchsichtigkeit<br />

der Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen durch eine Erhöhung<br />

der Anbieterwahl: Entscheidend sind vielmehr deren Zuverlässigkeit,<br />

Sicherheit, Qualität <strong>und</strong> Preiswürdigkeit sowie kommunalpolitische Beeinflussbarkeit.<br />

Kommunal beherrschte Stadtwerke bieten sich zwangsläufig zur Übernahme<br />

bzw. Wahrnehmung dieser <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />

an. Zum einen haben sie sich auf den liberalisierten<br />

Energiemärkten durch die Übernahme neuer Geschäftsfelder, Aufgaben<br />

etc. wirtschaftlich erfolgreich durchgesetzt. Zum anderen sind sie es auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Dynamik ihres Umfeldes gewohnt, (fast permanent) neue<br />

Strukturen, Prozesse zu generieren <strong>und</strong> effizient einzusetzen. Schließlich<br />

verfügen sie auch über die erforderlichen Managementinstrumentarien<br />

<strong>und</strong> -strukturen, um Planungs-, Controlling- <strong>und</strong> Steuerungsprozesse<br />

sowie das notwendige Risikomanagement handhaben zu können.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur<br />

93


Altmark-Trans GmbH sowie zur Stadt Halle 6 muss allerdings der Begriff<br />

„kommunal beherrscht“ sehr eng bzw. eindeutig ausgelegt werden: Die<br />

Kommune muss die einzige Gesellschafterin sein. Gesellschaftsanteile<br />

dürfen nicht <strong>von</strong> Dritten, unabhängig <strong>von</strong> ihrer Höhe, gehalten werden.<br />

II. Die Konzeption einer Kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />

(KIG)<br />

Nachfolgend soll daher der Versuch unternommen werden, das Modell<br />

bzw. die Konzeption einer „Kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft“ zu<br />

skizzieren. Im Fokus der Überlegungen steht hierbei, die kommunale<br />

Daseinsvorsorge als <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />

anstelle der „hoheitlichen“ Erfüllungsverantwortung zu definieren. Auf<br />

Gr<strong>und</strong> des „Modellcharakters“ im Verständnis einer abstrahierten, vereinfachenden<br />

Darstellung eines komplexen Systems sind die nachfolgenden<br />

Ausführungen teilweise plakativ, „holzschnittartig“ <strong>und</strong> zwangsläufig<br />

unvollständig. Sie repräsentieren keine „Blaupause“, sondern Denkanstösse,<br />

die situativ <strong>und</strong> lokal auf Gr<strong>und</strong> der jeweiligen Gegebenheiten<br />

angepasst werden müssen. Zielsetzung ist auf jeden Fall der Paradigmenwechsel<br />

vom Shareholder-Value-Ansatz zum Citizen-Value-Denken.<br />

1. Die Zielsetzungen der KIG<br />

Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich die wesentlichen Zielsetzungen<br />

„holzschnittartig“ ableiten:<br />

� Verbesserung der kommunalen Position im interkommunalen Wettbewerb,<br />

� Strategisch nachhaltige Ausrichtung des „Konzerns Stadt“, um die<br />

Kommune im Bestand zu schützen <strong>und</strong> ihre Funktions- <strong>und</strong> Aufgabenbereiche<br />

zu gewährleisten,<br />

� Bereitstellung spezifischer Güter <strong>und</strong> (<strong>Infrastruktur</strong>-)Dienstleistungen,<br />

auf die jeder Bürger angewiesen ist (Gr<strong>und</strong>versorgung bzw. Dienstleistungen<br />

im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse),<br />

� Sicherstellung der kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung,<br />

6<br />

Urteil v. 24.07.2003 (Altmark-Trans GmbH – Rs. C-280/00); Urteil v. 11.01.2005 (Stadt Halle – Rs.<br />

C-26/03).<br />

94


� Generierung <strong>von</strong> Effizienz- <strong>und</strong> Synergiepotenzialen (auch durch die<br />

Sicherstellung eines chancenreichen Wettbewerbes für Leistungen,<br />

die am Markt vergeben werden können),<br />

� Optimierung <strong>von</strong> Investitions- <strong>und</strong> Instandhaltungsstrategien unter<br />

Berücksichtigung eines definierten Anlagenzustandes, der Ver- <strong>und</strong><br />

Entsorgungssicherheit sowie die Reduzierung der Transaktionskosten<br />

im Rahmen einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Kosteneffizienz <strong>und</strong> -effektivität<br />

gewährleistet,<br />

� Etablierung <strong>und</strong> Institutionalisierung „moderner“ Management-, Controlling-<br />

<strong>und</strong> Risikomanagementsysteme.<br />

2. Das Geschäftsmodell der KIG<br />

Im Fokus steht hierbei die Überlegung resp. Überzeugung, dass die<br />

„Straße“ als dreidimensionaler Raum das wichtigste Anlagevermögen<br />

einer Kommune repräsentiert. Dieser wesentliche kommunale (Anlage-)<br />

Vermögenswert muss daher mindestens erhalten, wenn nicht gar gesteigert<br />

werden, um – analog zum privatwirtschaftlichen Bereich – eine<br />

Kommune nicht zum Insolvenzfall werden zu lassen 7 : Unterlassene Instandhaltung<br />

kann den Vermögenswert gegen Null tendieren lassen, so<br />

dass die Kommune unter Berücksichtigung der „Basel II-Kriterien“ kreditunwürdig<br />

werden kann.<br />

Diese gr<strong>und</strong>sätzlichen Festlegungen als auch die o. a. Zielsetzungen<br />

bzw. -vorgaben definieren zwangsläufig das Geschäftsmodell: Die KIG<br />

erbringt als Dienstleister alle (kommunalen) <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen,<br />

in dem sie prozessorientiert die zugr<strong>und</strong>e liegenden <strong>Infrastruktur</strong>en<br />

(Straßen-, Leitungs- <strong>und</strong> Verkehrsinfrastruktur) mit ausgewiesener <strong>und</strong><br />

ausgestalteter Kompetenz managt. Gr<strong>und</strong>sätzlich können sämtliche<br />

„Netz-Dienstleistungen“ (Energie, Wasser, Telekommunikation/Informations-<br />

resp. Datenverarbeitung, ÖPNV, Verkehrswege <strong>und</strong> deren <strong>Infrastruktur</strong><br />

(z. B. auch Haltestellen etc.), Abwasser/Entwässerung, Entsorgung,<br />

Gleis- <strong>und</strong> Hafenanlagen, Straßenbeleuchtung etc.) in die KIG<br />

integriert werden. Da alle Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsnetze etc. gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

im Kontext mit dem jeweiligen Straßen- <strong>und</strong> Wegebau/-unterhaltung<br />

stehen, erscheint es als sinnvoll, den „klassischen“ Tiefbauamtsbereich<br />

ebenfalls einzubeziehen.<br />

7 Eine Kommune kann auf Gr<strong>und</strong> ihres öffentlich-rechtlichen Status nicht insolvent werden – sie kann<br />

jedoch den interkommunalen Wettbewerb verlieren <strong>und</strong> dadurch „notleidend“ werden.<br />

95


Situativ <strong>und</strong> einzelfallbezogen können dann weitere „periphere“ Leistungssegmente<br />

in der KIG aggregiert werden - Parkhäuser, Bäder <strong>und</strong><br />

Sportstätten, Grünflächen, Stadtmöblierung, Immobilienmanagement etc.<br />

Hierbei wäre es auch vorstellbar, unterhalb der KIG einen „<strong>Infrastruktur</strong>-<br />

Eigenbetrieb“ zu initiieren <strong>und</strong> zu institutionalisieren. Zu dessen Aufgabenbereich<br />

gehörten dann all jene Dienstleistungen, die originär keine<br />

Netz-Dienstleistung, jedoch Dienstleistungen im allgemeinen Interesse<br />

sind. Das gesamte integrierte Management sollte für sämtliche <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />

in der KIG angesiedelt sein, um Effizienz- <strong>und</strong><br />

Synergiepotenziale zu erschließen - ihre diesbezüglichen (Management-)<br />

Leistungen muss die KIG dann zu Marktpreisen bzw. auf Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Verordnung Pr. 30/53 8 mit Anlage LsP gegenüber der Kommune abrechnen,<br />

so dass die Kostenvorteile direkt der Stadt <strong>und</strong> somit indirekt den<br />

Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern zu Gute kommen würden (vgl. zur organisations-rechtlichen<br />

Struktur Abbildung 1).<br />

Abbildung 1: Kommunale <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />

96<br />

Asset<br />

Owner<br />

Geschäftsführung<br />

Asset<br />

Manager<br />

Asset<br />

Service<br />

-technische<br />

Planung<br />

Kommune<br />

Kommunale <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />

Prozesssteuerung<br />

Unternehmensplanung<br />

Controlling<br />

Asset<br />

Service<br />

-technischer<br />

Service<br />

Shared<br />

Service<br />

Eigengesellschaften<br />

<strong>Infrastruktur</strong>-<br />

Eigenbetrieb<br />

Die KIG als wirtschaftlich tätiger Akteur der Kommune wird somit <strong>von</strong><br />

letzterer mit der Wahrnehmung der <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />

„betraut“. 9 Dies erfordert, dass Kommunalpolitik <strong>und</strong> Verwaltung<br />

qualitative <strong>und</strong> quantifizierte Leistungs- <strong>und</strong> Gegenleistungskriterien<br />

definieren <strong>und</strong> vorgeben. Diese sind quasi die wirtschaftlichen<br />

Zielvereinbarungen bzw. -vorgaben. Da Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsleitungen<br />

8<br />

Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen v. 21.11.1953, http://www.bmwi.de/BMWi/<br />

Navigation/Service/gesetze,did=191388.html (02.09.2008).<br />

9<br />

Dieser Begriff ist zugegebenermaßen derzeit noch semantisch unscharf <strong>und</strong> bedarf der Präzisierung.


häufig (nicht mehr) im Eigentum der Kommune sind, sondern Dritten<br />

gehören, muss die KIG mit diesen Eigentümern anstelle der „klassischen<br />

Konzessionsverträge“ (Energie, Wasser, Verkehr) <strong>Infrastruktur</strong>-Leistungsverträge<br />

mit exakt definierten Leistungskriterien abschließen, die<br />

eine „Überkompensation“ im Rahmen des Altmark Trans-Urteils ausschließen<br />

<strong>und</strong> somit den beihilferechtlichen Kompensationsmaßstäben<br />

gerecht werden. Analog zu diesen Beispielen können auch für die anderen<br />

<strong>Infrastruktur</strong>bereiche Leistungen definiert <strong>und</strong> quantifiziert werden.<br />

Im Entscheidungsbereich des Auftraggebers liegt es dann, ob spezifische<br />

Leistungskriterien trotz ihrer objektiven Unwirtschaftlichkeit dennoch<br />

vereinbart <strong>und</strong> dementsprechend als „Gegenleistung“ auch bezuschusst<br />

werden.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich unterliegt die KIG bei der Vergabe <strong>von</strong> Subaufträgen dem<br />

öffentlichen Vergaberecht. Da gemäß Abbildung 1 alle „Untergruppierungen“<br />

ebenfalls zu 100 Prozent dem „Konzern Stadt“ angehören, können<br />

mit diesen (Teil-)Einheiten auf der Basis „marktorientierter Dienstleistungen“<br />

Aufträge kontrahiert werden. Um dem Anspruch der „Marktnähe“<br />

gerecht zu werden, muss auf der Basis <strong>von</strong> Kennzahlen bzw.<br />

einem Benchmarking der gemäß des Altmark Trans-Urteils geforderte<br />

Nachweis einer „durchschnittlich guten Wirtschafts- bzw. Geschäftsführung“<br />

erbracht werden, so dass auch eine Ausschreibung keine anderen<br />

„marktorientierten Preise“ erbringen würden (sog. „marktorientierte<br />

Direktvergabe“).<br />

Durch diese „holzschnittartige“ Konzeption sollen neben der wirtschaftlichen<br />

Effizienz <strong>und</strong> Effektivität der <strong>Infrastruktur</strong>(-dienstleistungen) sowie<br />

der Gewährleistungserfüllung auch Qualität <strong>und</strong> Effizienz sowie Nachhaltigkeit<br />

der kommunal(-politischen) Planungsprozesse verbessert werden,<br />

um<br />

� die strategische <strong>und</strong> operative Planung ganzheitlich zu integrieren,<br />

� die strategischen Planungsprozesse im Sinne der „Balanced Scorecard“<br />

zu personalisieren <strong>und</strong> ständig einem Monitoring zu unterwerfen,<br />

um Umfeldveränderungen proaktiv in Strategieanpassungen einfließen<br />

lassen zu können 10 ,<br />

� die Planungsprozesse zu flexibilisieren <strong>und</strong> zu dynamisieren, um der<br />

Dynamik des liberalisierten (Markt-)Umfeldes gerecht werden zu können,<br />

10 Vgl. Jänig, a.a.O., S. 298 ff.<br />

97


� die starre Budgetierung durch eine leistungsbezogene, proaktive<br />

Planung zu ersetzen, um die im Wettbewerb auftretenden Schwankungen<br />

zeitnah erfassen <strong>und</strong> steuern zu können,<br />

� die Planungs- <strong>und</strong> Zielvereinbarungsprozesse eng miteinander zu<br />

verzahnen,<br />

� die (fast) ausschließlich an der Finanzplanung orientierten Prozesse<br />

um nicht-finanzielle Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Steuerungsgrößen zu<br />

erweitern.<br />

Die KIG muss demnach die <strong>von</strong> der Kommune beauftragten <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />

erwerbswirtschaftlich <strong>und</strong> marktkonform erbringen.<br />

Dies impliziert zwangsläufig „neue“ Managementmodelle <strong>und</strong> -strukturen<br />

unter Einbeziehung <strong>von</strong> Informations- <strong>und</strong> Wissensmanagement, um im<br />

Rahmen einer „selbstlernenden Organisation“ 11<br />

� budgetunabhängige, auf Zielvereinbarungen beruhende Steuerungsprozesse<br />

zu generieren,<br />

� ein prozessorientiertes „Performance Measurement“ zu realisieren,<br />

� zeitgemäße Managementmethoden (Balanced Scorecard, Risikomanagement,<br />

Customer Relationship Management etc.) zu institutionalisieren,<br />

� das Leistungsspektrum einem ständigen Benchmarking zu unterwerfen,<br />

� statische Planungsprozesse durch eine proaktive, dynamische Und<br />

tschüß rollierende Planung zu ersetzten, um die vorhandenen<br />

Ressourcen (Finanzmittel, Personal, Anlagegüter etc.) optimal zu<br />

nutzen.<br />

Hierdurch sollen die nachfolgend plakativ angeführten Zielvorgaben der<br />

Kommune erfüllt werden:<br />

� Sicherstellung des politischen Einflusses auf die Leistungserstellung,<br />

� Positionierung der Kommune im interkommunalen Wettbewerb als<br />

effiziente <strong>und</strong> kostengünstige Leistungserbringerin für Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger sowie Unternehmen,<br />

� Identität des kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Dienstleistungsportfolios<br />

(als „Produktportfolio“ der Kommune) mit den Lebenszyklen der<br />

Kommune als Ganzem, als auch den jeweiligen Bürgerlebenszyklen<br />

(60-jährige haben zwangsläufig andere Vorstellungen über kommunale<br />

<strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen als 20-jährige usw.),<br />

� Realisierung langfristiger Haushaltsentlastungspotenziale,<br />

11 Vgl. ebenda, S. 477 ff.<br />

98


� Sicherung <strong>von</strong> Beschäftigung <strong>und</strong> Wertschöpfung in der Kommune,<br />

� Planungs- <strong>und</strong> Preissicherheit sowie Kostentransparenz,<br />

� Optimierung der Verwaltungsprozesse durch den Einsatz konsistenter,<br />

einheitlicher IT-Systeme.<br />

3. Die Organisationsstruktur der KIG<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sind verschiedene gesellschaftsrechtliche Strukturen in<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> den lokalen Gegebenheiten <strong>und</strong> Möglichkeiten denkbar.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der in Abbbildung dargestellten, beispielhaften<br />

Struktur soll die KIG im Sinne des „Konzerns Stadt“ die kommunalen<br />

Eigengesellschaften sowie den kommunalen „<strong>Infrastruktur</strong>-Eigenbetrieb“<br />

einer einheitlichen Planung <strong>und</strong> Steuerung unterwerfen, um Unternehmensplanung<br />

<strong>und</strong> Prozesssteuerung ganzheitlich <strong>und</strong> nachhaltig zu<br />

integrieren. Des Weiteren übt der „Asset Owner“ die Eigentümerfunktion<br />

über die <strong>Infrastruktur</strong>en aus, um – auch vor dem Hintergr<strong>und</strong> des wettbewerbsrechtlichen<br />

Unb<strong>und</strong>lings – eine adäquate Kapitalverzinsung des<br />

Anlagevermögens zu erreichen. Der sog. „Asset Manager“ übernimmt<br />

dann die Planung <strong>und</strong> Steuerung aller kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen.<br />

Hierzu bedient er sich des „Asset Service“, der auf der Basis<br />

einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung für den kostengünstigen<br />

<strong>und</strong> effizienten Bau <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong>en zuständig ist. Die als<br />

„Shared Service“ bezeichnete Organisationseinheit erbringt alle kaufmännischen<br />

Querschnittsfunktionen für die anderen Organisationseinheiten,<br />

Eigengesellschaften <strong>und</strong> Eigenbetriebe, um den Kriterien der<br />

„Economies of Scale“ gerecht werden zu können. Gr<strong>und</strong>lage für alle<br />

Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen sind Zielvorgaben bzw. Zielvereinbarungen.<br />

Dieses informations- <strong>und</strong> wissensbasierte „Process<br />

Chain Management“ auf der Gr<strong>und</strong>lage hierarchisch vermaschter Regelkreissysteme<br />

soll die eindeutige <strong>und</strong> einheitliche Strategie- <strong>und</strong> Zielausrichtung<br />

im Rahmen dieser komplexen Struktur gewährleisten. 12 Sowohl<br />

durch diese einheitliche Strategie- <strong>und</strong> Zielausrichtung als auch durch<br />

die koordinierte, abgestimmte Leistungserbringung im Sinne eines<br />

„Collaborative Business“ auf der Gr<strong>und</strong>lage des sog. „Enterprise<br />

Resource Managements“ 13 über alle „<strong>Infrastruktur</strong>grenzen“ hinweg wird<br />

die Generierung der notwendigen Synergie- <strong>und</strong> Effizienzpotenziale<br />

ermöglicht.<br />

12 Vgl. ebenda, S. 58 ff.<br />

13 Vgl. ebenda, S. 276 ff.<br />

99


4. Die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die KIG<br />

Die KIG erfasst die Gesamtheit der materiellen, institutionellen <strong>und</strong> personellen<br />

Einrichtungen, die ihr in Folge öffentlicher Aktivität zur Verfügung<br />

stehen müssen. 14<br />

Die Möglichkeit einer allgemeinen Definition besteht kaum. Wegen der<br />

Dynamik des <strong>Infrastruktur</strong>begriffs ist vielmehr eine Aufzählung <strong>von</strong> Einrichtungen,<br />

die zur <strong>Infrastruktur</strong> zu zählen sind, zu bevorzugen. 15<br />

Auch das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht verwendet zur Bestimmung des<br />

<strong>Infrastruktur</strong>begriffs eine weite <strong>und</strong> nicht abschließende Aufzählung <strong>von</strong><br />

Einrichtungen, wie etwa Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, Nahverkehr,<br />

Abfallentsorgung sowie Krankenhäuser, Altersheime <strong>und</strong> Kindergärten. 16<br />

Ähnlich weit „definiert“ das Europäische Parlament den Begriff der <strong>Infrastruktur</strong><br />

17 : Die Ausstattung mit materiellen Gütern, die nicht unmittelbar<br />

im Produktionsprozess verwendet werden, wobei diese Ausstattung<br />

einer Vielzahl <strong>von</strong> Benutzern zur Verfügung steht <strong>und</strong> normaler Weise<br />

vom Staat selbst oder eigens dafür vorgesehenen halbstaatlichen Stellen<br />

oder auch privaten Körperschaften errichtet <strong>und</strong> finanziert wird. 18<br />

Bei der KIG wird ein extensives Verständnis des <strong>Infrastruktur</strong>begriffes<br />

zugr<strong>und</strong>e gelegt.<br />

Inhouse-Geschäfte eröffnen die Möglichkeit einer vergaberechtsfreien<br />

Erteilung <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong>aufgaben. Die Einrichtung der KIG hat dabei<br />

die Vorgaben des EuGH zum Inhouse-Geschäft 19 zu beachten. Allerdings<br />

verhindert jede private Drittbeteiligung das Vorliegen eines Inhouse-Geschäfts,<br />

da die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches<br />

Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines<br />

freien <strong>und</strong> unverfälschten Wettbewerbs beeinträchtigt, da ein solches<br />

Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten<br />

Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinem Konkurrenten verschaffen<br />

würde.<br />

14 Hünnekens (1994), S. 16.<br />

15 Koenig/Kühling (2001), S. 821 f.<br />

16 BVerfGE 38, 258, S. 270 f.; das BVerfG hat den Begriff der <strong>Infrastruktur</strong> in Anführungszeichen ge-<br />

setzt.<br />

17 Europäisches Parlament, Entschließung v. 17.03.1989, ABl. EG 1989, C 96/243 (244).<br />

18 Vgl. auch Koenig u.a. (2004), S. VIII.<br />

19 Urteil v. 11.01.2005 (Stadt Halle – Rs. C-26/03 – VergabeR 2005, 44); Urteil v. 13.01.2005 (Königreich<br />

Spanien – Rs. C-84/03 – VergabeR 2005, 176).<br />

100


Die KIG muss daher so strukturiert sein, dass auch die Kriterien des<br />

EuGH (Altmark Trans) 20 zur Vermeidung <strong>von</strong> unzulässigen Beihilfen erfüllt<br />

werden. Dies bedingt u. a.:<br />

� Die tatsächliche Betrauung der KIG mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher<br />

Verpflichtungen, die klar zu definieren sind (vgl. beispielhaft<br />

Abbildung 2).<br />

� Die Parameter, anhand deren ein Ausgleich berechnet wird, werden<br />

zuvor objektiv <strong>und</strong> transparent aufgestellt (vgl. beispielhaft Abbildung<br />

3).<br />

Abbildung 2: Vertragsstruktur<br />

Vertragsstruktur<br />

Stadt mit umfassender Aufgaben- bzw. Gewährleistungsverantwortung<br />

<strong>Öffentliche</strong> Betrauung, Konzessionsverträge,<br />

Gewährleistungsdurchführung<br />

KIG (gewinnerzielendes IS-Unternehmen)<br />

(Sicherstellung Querverb<strong>und</strong>)<br />

Abbildung 3: Finanzierungsströme<br />

Finanzierungsströme<br />

Konzessionsabgaben<br />

Stadt Unna<br />

KIG<br />

Beherrschungs-/<br />

Ergebnisabführungsverträge<br />

Zuwendungen<br />

Beihilfen<br />

Entgelte für sonstige<br />

Dienstleistungen<br />

Entgelt für IS-<br />

Dienstleistungen<br />

Beh./EAV<br />

(IS) Nutzungsentgelte<br />

Netznutzungsentgelte <strong>von</strong> Dritten<br />

20 Urteil v. 24.07.2003 (Altmark-Trans GmbH – Rs. C 280/00).<br />

IS-DLV<br />

Stadtwerk<br />

Entgelt<br />

Konzessionsverträge, Nutzungsverträge, Pachtverträge,<br />

Beherrschungsverträge, Ergebnisabführungsverträge<br />

Land NRW<br />

Körperschaften<br />

B<strong>und</strong><br />

EU<br />

Stadtwerk<br />

101


� Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist,<br />

um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen<br />

unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen <strong>und</strong> eines<br />

angemessenen Gewinnes aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen<br />

ganz oder teilweise zu decken.<br />

� Die Höhe des erforderlichen Ausgleichs erfolgt auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

einer Analyse der Kosten, die ein durchschnittlich gut geführtes<br />

Unternehmen hat, um die gemeinwirtschaftlichen Anforderungen erfüllen<br />

zu können, wobei ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung<br />

der Verpflichtungen zu berücksichtigen ist.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Beck (1998): Ulrich Beck, Was ist Globalisierung?, 4. Aufl., Frankfurt a.M. 1998, S. 24 ff.<br />

Hennig (2003): Eike Hennig (Hrsg.), Glokalisierung, Frankfurt a.M. 2003.<br />

Hünnekens (1995): Georg Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen <strong>Infrastruktur</strong>, In:<br />

Rolf Stoiber (Hrsg.), Studien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, Köln et al. 1995, S. 16.<br />

Jänig (2004): Christian Jänig, Wissensmanagement: Die Antwort auf die Herausforderung<br />

der Globalisierung, Berlin et al. 2004.<br />

Koenig/Kühling (2001): Christian Koenig u. Jürgen Kühling, EG-beihilfenrechtliche Beurteilung<br />

mitgliedstaatlicher <strong>Infrastruktur</strong>förderung im Zeichen zunehmender Privatisierung, in:<br />

Die <strong>Öffentliche</strong> Verwaltung, H. 21, Stuttgart 2001, S. 821 f.<br />

Koenig u.a. (2004): Christian Koenig, Jürgen Kühling u. Christian Theobald (Hrsg)., Recht<br />

der <strong>Infrastruktur</strong>förderung. Ein Leitfaden für die Praxis, 2004, S. VIII.<br />

Stiglitz (2002): Joseph E. Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002.<br />

102


Workshop 3: Wassersektor<br />

Referenten:<br />

Reinhold Hüls *<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen<br />

Wasserwirtschaft – im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong><br />

privaten Betreibern<br />

Dr. Frieder Haakh<br />

Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />

Wasserversorgung?<br />

Professor Dr. Robert Holländer<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Bereich<br />

Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung – Entscheidungs-<br />

relevante Aspekte aus wissenschaftlicher Sicht<br />

* Siehe Anhang.


Frieder Haakh *<br />

Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />

Wasserversorgung?<br />

Ich danke zunächst, dass ich Ihnen heute dieses Referat zum Thema<br />

„Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die Wasserversorgung?“<br />

halten darf. Um es gleich vorweg zu nehmen, Sie werden <strong>von</strong> mir als<br />

einem Vertreter eines großen kommunalen Wasserversorgungszweckverbandes<br />

mit annähernd 100 Millionen Kubikmetern Jahreswasserabgabe<br />

<strong>und</strong> über 100 Verbandsmitgliedern nicht hören, dass eine<br />

Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für kommunale Wasserversorgungsunternehmen<br />

nicht in Frage kommen darf. Die Situation stellt<br />

sich hier vielschichtig dar, <strong>und</strong> ich möchte versuchen, Ihnen die Zusammenhänge<br />

darzulegen <strong>und</strong> eine aus unserer Sicht, aus kommunaler<br />

Sicht, differenzierte Antwort zu geben.<br />

Hier ist es zunächst wichtig, sich die Ziele der kommunalen Wasserversorgung<br />

vor Augen zu führen. Diese sind, bis auf den ersten <strong>und</strong><br />

letzten Punkt, weitgehend identisch mit den Zielen einer ambitionierten<br />

privaten Wasserversorgung. Wir wollen Trinkwasser zu günstigen<br />

Preisen, wir wollen Trinkwasser bester Qualität, wir wollen eine sichere<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Versorgung <strong>und</strong> einen guten Service im Dienstleistungsbereich.<br />

Die kommunal getragene Wasserversorgung legt besonderen<br />

Wert auf die direkte demokratische Kontrolle durch den Gemeinderat,<br />

durch die Verbandsversammlung, durch Aufsichtsgremien,<br />

die unter direkter Kontrolle der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger stehen <strong>und</strong> auf<br />

günstige Preise.<br />

Neben diesen Zielen müssen selbstverständlich auch operative Aspekte<br />

bei der Organisation der Wasserversorgung beachtet werden. Diese sind<br />

zum einen die Frage nach einer gerichtsfesten Organisation der Wasserversorgung<br />

– Stichwort DVGW-Arbeitsblatt W 1000 – <strong>und</strong> dem Regelwerk<br />

überhaupt, auch vor der Frage eines möglichen Organisationsverschuldens,<br />

wenn beispielsweise Qualitätsziele nicht erreicht wurden<br />

<strong>und</strong> Verstöße gegen die Trinkwasserverordnung festgestellt werden<br />

müssen. In den vergangenen Jahren hat auch die Frage nach der Personalqualifikation<br />

zunehmend an Bedeutung gewonnen, wiederum im<br />

*<br />

Dr.-Ing. Frieder Haakh ist technischer Geschäftsführer des Zweckverbandes Landeswasserversorgung<br />

Baden-Württemberg.<br />

105


Zusammenhang mit dem DVGW-Arbeitsblatt W 1000. Sehr viele kommunale<br />

Wasserversorgungsunternehmen stellen sich auch die Frage<br />

hinsichtlich der wirtschaftlichen Größe der <strong>Betrieb</strong>seinheit <strong>und</strong> ob diese<br />

ausreicht, um hier eigene Kernkompetenzen auch effizient vorhalten zu<br />

können. Das Ganze ist auch verquickt mit der Frage nach der Personalpolitik<br />

innerhalb der Kommune.<br />

Genügt es, die Wasserversorgung noch im eigenen Bauhof zu betreiben,<br />

oder sind hier andere Wege zu beschreiten?<br />

Insbesondere die Frage der Effizienz <strong>und</strong> der günstigen Preise hat in<br />

den vergangenen sieben/acht Jahren an Bedeutung gewonnen. Von der<br />

Politik wurde mehr Wettbewerb in der Wasserwirtschaft gefordert mit<br />

dem Ziel, effizientere Strukturen <strong>und</strong> damit auch günstigere Preise für<br />

den Trinkwasserk<strong>und</strong>en zu erlangen. Die überaus strittige Frage war<br />

allerdings, wie dieser Weg zu beschreiten ist. Es wurde hier zunächst<br />

vorgeschlagen, durch eine Liberalisierung des Marktes – in Unkenntnis<br />

der spezifischen Zusammenhänge des Lebensmittels Trinkwasser –<br />

mehr Wettbewerb, sei es auch durch staatliche Vorgaben <strong>und</strong> ein<br />

Unb<strong>und</strong>ling <strong>und</strong> Regulierung analog zu anderen netzgeb<strong>und</strong>enen <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen,<br />

herbeizuführen. Dem wurde die Modernisierungsstrategie<br />

entgegengestellt mit dem Benchmarking als Wettbewerbssurrogat,<br />

getragen durch zahlreiche Verbände der Wasserwirtschaft.<br />

Aber unten steht das gleiche Ziel, nämlich effizientere Strukturen<br />

<strong>und</strong> günstigere Preise.<br />

Deswegen darf die Frage der Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />

nicht losgelöst <strong>von</strong> der Zielvorstellung der Erwartungshaltung der Politik<br />

gesehen werden, <strong>und</strong> diese ist ganz klar. Die Politik wird eines Tages<br />

fragen, wie viele Unternehmen beteiligen sich am Benchmarking?<br />

Welche Effizienzsteigerungen ließen sich damit erzielen, <strong>und</strong> in welchem<br />

Maße haben sich dadurch die Trinkwasserpreise verbessert?<br />

Diese Erwartungshaltung wird <strong>von</strong> den B<strong>und</strong>sländern z. T. sehr konkret<br />

in entsprechenden Schriften erkennbar. Dies gesellt sich also zu den<br />

Fragen nach Organisationsverschulden, nach Trinkwasserqualität <strong>und</strong><br />

Nachhaltigkeit als Triebfeder, die für eine Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />

sprechen können, aber nicht sprechen müssen.<br />

Um Klarheit zu schaffen, sollten auch die Begriffe „Technische <strong>Betrieb</strong>sführung“<br />

bzw. „<strong>Betrieb</strong>sleitung“ differenziert werden.<br />

Die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung bedeutet die verantwortliche Wahrnehmung<br />

aller technischen Aufgaben im operativen Bereich der Wasser-<br />

106


versorgung durch qualifiziertes Personal, einschließlich der technisch<br />

verantwortlichen Leitung, des Bereitschaftsdienstes <strong>und</strong> der Qualitätsüberwachung<br />

entsprechend dem Technischen Regelwerk durch eigenes<br />

Personal des <strong>Betrieb</strong>sführers. Die <strong>Betrieb</strong>sleitung bezieht sich nur auf<br />

die technisch verantwortliche Leitung für das operative technische Geschäft<br />

in der Wasserversorgung mit Weisungsbefugnis gegenüber<br />

fremdem Personal.<br />

Die Frage nach dem „Warum Technische <strong>Betrieb</strong>sführungen?“ bzw.<br />

deren Vergabe aus kommunaler Sicht lässt sich als Zwischenfazit relativ<br />

einfach beantworten. Es gibt gestiegene gesetzliche Anforderungen<br />

durch die neue Trinkwasserverordnung. Demnach ist das Technische<br />

Regelwerk einzuhalten. Aber auch im Hinblick auf Nachfolgeregelungen<br />

für Wassermeister, die die Altersgrenze erreichen, muss jetzt Personal<br />

mit höheren Qualifikationen eingestellt werden. Die erwähnte Frage nach<br />

dem Organisationsverschulden, insbesondere bei unklar geregelten Zuständigkeiten<br />

für Bereitschaftsdienst, Urlaubs- <strong>und</strong> Krankheitsvertretung,<br />

der erwähnte Kostendruck. Aber eine weitere Frage ist auch: Ist es nicht<br />

eine Überlebensstrategie der kommunalen Wasserversorgung vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der Liberalisierungs- <strong>und</strong> Privatisierungsdiskussion? Ich<br />

stelle hier die These in den Raum: Nur effiziente Strukturen sind dauerhaft<br />

stabil.<br />

Dies kann an der Frage der Personalqualifikation verdeutlicht werden.<br />

Angenommen, Sie haben eine Wasserversorgung mit eigener Wassergewinnung<br />

<strong>und</strong> einfacher Aufbereitung bei einer Jahreswasserabgabe<br />

<strong>von</strong> 800.000 m³ – das ist die Kommune mit 13.000–14.000 Einwohnern –<br />

dann benötigen Sie hierfür nach dem Technischen Regelwerk bereits<br />

einen Ingenieur. Ich wage die Behauptung, dass nicht alle Kommunen in<br />

der Lage sind, diesen Ingenieur für die Wasserversorgung wirtschaftlich<br />

vorzuhalten, sodass sich allein schon daraus die Notwendigkeit einer<br />

<strong>Betrieb</strong>sführung oder einer Unterstützung für die kommunale Wasserversorgung<br />

ergibt.<br />

Das Thema „Organisationsverschulden“ kann manchem Bürgermeister<br />

den Angstschweiß auf die Stirn treiben, <strong>und</strong> entsprechende Urteile im<br />

Bereich der Wasserversorgung wegen der Abgabe verunreinigten Trinkwassers<br />

zeigen, dass beim Trinkwasser als unserem wichtigsten (Über)-<br />

Lebensmittel eine gerichtsfeste Organisation <strong>und</strong> eine einwandfreie Qualitätssicherung<br />

Gr<strong>und</strong>voraussetzung sind <strong>und</strong> dass mit diesem Thema<br />

auch nicht zu spaßen ist.<br />

107


Analysieren wir jetzt die Möglichkeiten:<br />

Ein Wasserversorgungsunternehmen ist zunächst ein Wassergewinnungsbetrieb<br />

<strong>und</strong> dann Netzbetreiberbetrieb, wobei insbesondere der<br />

Netzbereich in der Wasserversorgung zumeist dominiert, sodass auch<br />

hier die Möglichkeiten <strong>und</strong> Handlungsalternativen, die generell für Netzbetreiber<br />

gelten, herangezogen werden können. Für das Netz <strong>und</strong> auch<br />

die Erzeugung ergeben sich als wesentliche Handlungsalternativen<br />

einmal Effizienzsteigerungen <strong>und</strong> Kooperationen, um günstige Preise<br />

auch in Zukunft zu gewährleisten. In einem ersten Schritt sollten wir<br />

daher die Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen näher betrachten.<br />

Jeder kennt es. Effizienzsteigerungen können unterschieden werden in<br />

kurzfristige <strong>und</strong> langfristige Effizienzsteigerungen. Kurzfristige sind beispielsweise<br />

die Kostensenkung durch Insourcing, Aufgabenreduzierung<br />

<strong>und</strong> Arbeitsverdichtung oder auch durch Erlössteigerungen. Langfristige<br />

Effizienzsteigerungen erzielen Sie beispielsweise durch Steuerungsmodelle<br />

hinsichtlich Rentabilität, Produktivität <strong>und</strong> Auslastung. Ich<br />

möchte aber auf [den unteren Ast hinaus], nämlich auf das Asset-<br />

Management, <strong>und</strong> dort sind wir bei der Instandhaltungsstrategie, der<br />

Investitionsstrategie <strong>und</strong> der Risikostrategie. Genau in diesem Segment<br />

ist die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung festzumachen.<br />

Damit ist die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung ein Instrument des Asset-<br />

Managements, <strong>und</strong> hier muss man sich auch <strong>von</strong> kommunaler Seite sehr<br />

genau darüber klar werden, was eine Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />

bedeutet. Dazu ist es notwendig, dass man sich mit den<br />

Stellhebeln des Asset-Managements auseinandersetzt.<br />

Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Aufwand, den Sie für die<br />

Wasserversorgung betreiben, steigt, ja sogar überproportional steigt mit<br />

der Verfügbarkeit, die Sie an die Komponente stellen wollen. Wenn Sie<br />

100 %ige Sicherheit haben wollen, können Sie dies nicht bezahlen.<br />

Wenn Sie sagen, ich riskiere z.B. 10 oder 15 Rohrbrüche in der Kommune<br />

mit den besagten 13.000 Einwohnern – das ist ein landläufiger<br />

Durchschnittswert – dann steht dem ein bestimmter Aufwand gegenüber.<br />

Das heißt, zunächst muss der Asset-Owner, d.h. die Kommune, das<br />

Anspruchsniveau definieren hinsichtlich Versorgungsqualität <strong>und</strong> Verfügbarkeit.<br />

Es genügt nicht zu sagen, wir vergeben die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung,<br />

ohne sich über diese wesentlichen Gesichtspunkte klare<br />

Gedanken gemacht <strong>und</strong> auch quantifizierbare Vorstellungen erarbeitet<br />

zu haben. Das haben die Engländer bei Thames Water nicht beachtet<br />

<strong>und</strong> dürfen jetzt im Sommer den Englischen Rasen nicht mehr sprengen,<br />

weil 30 % Netzverluste die Wasserknappheit bescheren.<br />

108


Wenn Sie jetzt zu einer Effizienzsteigerung kommen wollen, dann ist der<br />

nächste Stellhebel beim Asset-Manager. Das kann die Kommune oder<br />

es kann auch bereits der Dienstleister sein. Wir müssen dort Spezifikationen<br />

definieren. Welche Arten <strong>von</strong> Rohrleitungen verlegen wir?<br />

Nehmen wir PE- oder duktilen Guss? Welche Schiebertypen nehmen<br />

wir? Bleiben wir beim württembergischen Schachtsystem oder nicht? Wir<br />

müssen über Komponenten <strong>und</strong> Standards des <strong>Betrieb</strong>s diskutieren <strong>und</strong><br />

auch die Instandhaltungsstrategien definieren. Fahren wir eine vorbeugende<br />

Instandhaltung für alle Anlagenteile, oder können wir bestimmte<br />

Anlagenteile auf Verschleiß fahren? Diese Frage muss vom<br />

Asset-Manager kommen. Auch hier sind Effizienzsteigerungen möglich.<br />

In der letzten Stufe sind wir beim Asset-Service. Das betrifft dann den<br />

<strong>Betrieb</strong>sführer, den Dienstleister. Er muss anhand der oben genannten<br />

Vorgaben die Ausführungsprozesse definieren <strong>und</strong> den <strong>Betrieb</strong>smitteleinsatz.<br />

Er muss sagen, wie viele Mitarbeiter er beispielsweise im Bereitschaftsdienst<br />

vorhält, wie viele Fahrzeuge, welche Werkzeuge. Er<br />

legt die spezifische Produktivität der <strong>Betrieb</strong>sorganisation fest. Beispielsweise:<br />

Wo muss der Bereitschaftsdienst sitzen, damit eine Störung<br />

innerhalb <strong>von</strong> 30 Minuten dann auch beseitigt werden kann? Wenn diese<br />

Fragen bei der Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung nicht geklärt<br />

sind, dann wird die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung ein „Blindflug“, <strong>und</strong> der<br />

Konflikt ist bereits vorprogrammiert.<br />

Halten wir also fest: Vor einer Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />

müssen die Kriterien des Asset-Managements exakt abgearbeitet<br />

werden.<br />

Der zweite Aspekt steckt im Thema „Kooperation“. Dort bin ich auch bei<br />

einem ureigenen kommunalen Thema: „Effizienzsteigerung durch Kooperation“<br />

oder vielleicht sogar „Asset-Management in Kooperation“. Die<br />

Wasserversorgung in Deutschland ist sehr klein strukturiert. Wir haben<br />

über 6.000 Wasserversorgungsunternehmen, <strong>und</strong> auf dem flachen Land<br />

wurschtelt jeder vor sich hin.<br />

Ich wage diese Aussage. Wir haben viele „Insellösungen“, jeder ist mit<br />

seinen Problemen allein <strong>und</strong> wir finden keine Synergien.<br />

Jede Gemeinde für sich schlägt sich herum mit der Frage nach dem<br />

Wassermeister <strong>und</strong> dem <strong>Betrieb</strong>spersonal, dem Fuhrpark, dem Lager,<br />

dem geeigneten Tiefbauunternehmer, dem Wasserzählereinkauf, der<br />

Planung, dem Labor, den Kontakten zu Behörden usw.<br />

109


Wenn wir uns die operativen Prozesse ansehen <strong>und</strong> anhand der<br />

Kriterien Koordinationsaufwand, wirtschaftliche oder unwirtschaftliche<br />

Größe, notwendige Auftraggeberkompetenz, Qualifikation <strong>und</strong> Verfügbarkeit<br />

abprüfen, dann ist festzustellen, dass in allen den genannten<br />

operativen Prozessen durch Kooperation ein Effizienzsteigerungspotenzial<br />

zu heben ist.<br />

Darüber hinaus lehrt uns das Benchmarking, dass größere Strukturen in<br />

der Regel effizienter werden. Aber die Wasserversorgung wird nicht nur<br />

kostengünstiger, sie wird auch sicherer, weil mit zunehmender Größe die<br />

Anzahl der beanstandeten Proben in Prozent pro Jahr nach unten abnimmt.<br />

Für die kommunale Wasserversorgung kann die Kopplung <strong>von</strong> Effizienzsteigerungen<br />

im Asset-Management durch Kooperation, das Bündeln<br />

<strong>von</strong> Kräften auf kommunaler Ebene auch bedeuten, dass Kompetenzen<br />

gebündelt werden können durch das Labor, durch die gemeinsame<br />

Wasserzählerprüfstelle, durch eine gemeinsame Planungsabteilung.<br />

Das Kosten sparen kommt dadurch <strong>von</strong> allein, weil dadurch effizientere<br />

Strukturen geschaffen werden können, beispielsweise durch gemeinsame<br />

Ingenieurbereitschaft, Elektrikerbereitschaft <strong>und</strong> Bereitschaftsdienstgruppen.<br />

Dies steigert auch die Versorgungssicherheit, weil dann<br />

beispielsweise eine Zentralwarte mit einer Fernüberwachung finanzierbar<br />

wird, weil sich qualifiziertes Personal in größeren Einheiten rechnet,<br />

weil auch entsprechende Kompetenz in „shared-services“ vorgehalten<br />

werden können. Ein ganz wichtiger Punkt: Die Einflussmöglichkeit in<br />

dieser Paarung „Asset-Management in kommunaler Hand“ bleibt erhalten,<br />

weil in so einer Kooperation zum Beispiel – <strong>und</strong> dann bin ich bei<br />

einem Zweckverband – die öffentliche Kontrolle nach wie vor gegeben<br />

ist.<br />

Das Modell, das dem zugr<strong>und</strong>e liegt: Wir haben hier beispielsweise vier<br />

Gemeinden, die zusammenarbeiten <strong>und</strong> in einem gemeinsamen <strong>Betrieb</strong>sführer<br />

die operativen Abläufe bündeln <strong>und</strong> dadurch wesentlich an<br />

Schlagkraft gewinnen. Es kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt<br />

hinzu, der gerade bei kleineren Kommunen deutlich zu spüren ist.<br />

Wasserversorgung ist eben keine X-beliebige Handelsware, <strong>und</strong> deswegen<br />

wird auf die Eigenständigkeit, die Selbständigkeit der Wasserversorgung<br />

hoher Wert gelegt.<br />

Die Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung <strong>und</strong> die Wahrung der<br />

Selbständigkeit schließen sich nicht aus, weil in dieser Konstruktion das<br />

110


Eigentum bei der Gemeinde verbleibt <strong>und</strong> der <strong>Betrieb</strong>sführer entsprechend<br />

dem Asset-Management die operativen Dinge ausführt.<br />

Gerade dieser Gesichtspunkt wird bei Technischen <strong>Betrieb</strong>sführungen,<br />

die wir wahrnehmen, in aller Regel in einer Präambel zum <strong>Betrieb</strong>sführungsvertrag<br />

festgelegt. Die Bausteine, die sich dann in einer Technischen<br />

<strong>Betrieb</strong>sführung wiederfinden, sind die Dinge des Asset-Managements.<br />

Es geht um den ordnungsgemäßen Versorgungsbetrieb, um<br />

die Wartung der Anlagen, die Überwachung der Anlagen, um den Bereitschaftsdienst,<br />

die Überwachung der Trinkwassergüte, ergänzende<br />

Dienstleistungen <strong>und</strong> die Beratung der Gemeinden, insbesondere was<br />

die Wirtschaftsplanerstellung anbelangt.<br />

Wird die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung kommunal organisiert, so lassen<br />

sich die Vorteile, [die hier gelistet sind], ohne Wenn <strong>und</strong> Aber realisieren.<br />

Nämlich eine sichere <strong>und</strong> nachhaltige Trinkwasserversorgung, alles aus<br />

einer Hand in schlagkräftigen Einheiten, das Schöpfen <strong>von</strong> Synergien<br />

auf kommunaler Ebene, kein Ausverkauf der kommunalen Wasserversorgung,<br />

Kompetenz, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Erfahrung in kommunaler<br />

Hand, <strong>und</strong> die Wasserversorgung bleibt eine kommunale Aufgabe mit<br />

direkter demokratischer Kontrolle auf Ebene der Kommunen.<br />

Bei dieser Form der kommunalen Zusammenarbeit finden sich Partner<br />

mit gleicher Philosophie. Es entsteht eine „Win-win-Situation“, die bürgernah<br />

aufgestellt ist. Die kommunale Mitbestimmung bleibt gewahrt – bei<br />

hoher Qualität, Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit der erbrachten<br />

Dienstleistungen.<br />

Damit möchte ich auch die Frage aus der Überschrift meines Referates<br />

„Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung in der Wasserversorgung?“<br />

beantworten. Ja, die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung in der Wasserversorgung<br />

kann delegiert werden – auch zum Vorteil der Kommune –<br />

aber nur, wenn der kommunale, bürgernahe Einfluss unter demokratischer<br />

Kontrolle gewährleistet ist, die Zuständigkeiten des Asset-Managements<br />

klar geregelt sind, Versorgungssicherheit, hohe Trinkwasserqualität<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit als quantifizierte Ziele des Asset-Services<br />

definiert sind, eine Reversibilität, d.h. Rückabwicklung, im Vertrag klar<br />

geregelt ist <strong>und</strong> die wirtschaftlichen Vorteile für die Kommunen auch<br />

langfristig gegeben <strong>und</strong> die Risiken gleichmäßig verteilt sind. Ich habe<br />

auch bewusst „delegiert“ gesagt. Denn wenn dies beispielsweise an<br />

einen kommunalen Zweckverband geht, dann hat sich das Vergaberecht<br />

nicht darum zu kümmern. Hier sind wir im Bereich der Organisationsfreiheit<br />

<strong>und</strong> -hoheit der Kommunen.<br />

111


Robert Holländer *<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> – Königsweg für<br />

die öffentliche Aufgabenerledigung im Bereich Wasserver-<br />

<strong>und</strong> Abwasserentsorgung ?<br />

I. Einführung<br />

Die Frage, ob <strong>Infrastruktur</strong>eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> einer Einrichtung oder<br />

einer Anlage zu trennen sei, löst erst einmal Erstaunen aus. Ist nicht<br />

jede betriebliche Organisation in höchstem Maße abhängig <strong>von</strong> den<br />

materiellen Voraussetzungen, also der <strong>Infrastruktur</strong>? Wird nicht jeder<br />

Verantwortliche für eine komplexe Aufgabe sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />

schaffen müssen, mit der er die Aufgabe am besten bewältigen kann?<br />

Und sind es nicht vor allem die lokalen Gegebenheiten, die die infrastrukturelle<br />

Aufgabe <strong>und</strong> damit die notwendige materielle Ausstattung<br />

<strong>und</strong> die betrieblichen Erfordernisse definieren?<br />

Andererseits gibt es Beispiele, in denen es sich bewährt hat, zwischen<br />

Eigentum <strong>und</strong>/oder Beschaffenheit einer Einrichtung einerseits <strong>und</strong><br />

ihrem <strong>Betrieb</strong> andererseits zu unterscheiden, um beide Bereiche jeweils<br />

eigenen technischen Regelungen oder wirtschaftlichen Optimierungsstrategien<br />

zu unterwerfen. Genannt seien hier die Pacht landwirtschaftlicher<br />

Flächen, das Mieten <strong>von</strong> Immobilien oder das Leasen <strong>von</strong><br />

Anlagen. Genannt sei in diesem Zusammenhang ferner der weite<br />

Bereich der Verwendung <strong>von</strong> Standardprodukten wie Kraftfahrzeugen,<br />

Maschinen oder Anlagen zur Erbringung <strong>von</strong> Dienstleistungen verschiedenster<br />

Art. Schließlich ist auch zu nennen der sog. „Neue Ansatz“<br />

(new approach) der EU, der Anforderungen an den <strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Anlagen,<br />

Bauten <strong>und</strong> Bauteilen nationalen, lokalen oder betrieblichen Regelungen<br />

überlässt 1 , während Anforderungen an die Beschaffenheit der dazu<br />

genutzten Bauteile <strong>und</strong> Geräte sich im Wesentlichen an gemeinschaftsweit<br />

festgelegten Anforderungen <strong>und</strong> Klassen orientieren müssen. Gemein<br />

ist allen diesen Beispielen die konzeptionelle <strong>Trennung</strong> zwischen<br />

„hardware“ <strong>und</strong> „software“. Die materielle Basis für eine Leistung, die<br />

„hardware“ also, mag zwar auf die spezifischen Anforderungen ausge-<br />

* Prof. Dr. Robert Holländer ist Professor an der Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche<br />

Fakultät, Umwelttechnik in der Wasserwirtschaft / Umweltmanagement in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />

Unternehmen.<br />

1 EU (1985).<br />

112


ichtet sein, setzt sich im Wesentlichen aber aus standardisierten<br />

Elementen zusammen, während mit der „software“, der <strong>Betrieb</strong>sweise,<br />

letztlich die Optimierung der Leistung im Hinblick auf die Anforderungen<br />

erbracht wird.<br />

Bei der kommunalen Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung liegt eine<br />

Reihe besonderer Bedingungen vor. Zum einen wird die technische<br />

Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur bestimmt durch Geologie, Hydrologie<br />

<strong>und</strong> den Einfluss der Topographie, zum anderen durch die besonderen<br />

Leistungsanforderungen, die sich aus der Nutzerstruktur ergeben. Damit<br />

ist einerseits eine hohe Spezifität gegeben, andererseits ist die <strong>Infrastruktur</strong><br />

selbst aber durch die Verwendung vieler technischer Standardprodukte<br />

gekennzeichnet. Es stellt sich die Frage, ob sich in einer<br />

solchen Konstellation durch die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

Vorteile erzielen lassen, etwa hinsichtlich der Qualität, der betrieblichen<br />

Effizienz oder aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtsicht.<br />

Der vorliegende Diskussionsbeitrag will Aspekte beleuchten, die für die<br />

Frage, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei der öffentlichen<br />

Aufgabenerledigung im Bereich Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung zu<br />

Vorteilen führt oder nicht, wichtig sind. Dabei bedarf es erst einmal der<br />

Klarstellung der Ziele dieser Aufgabenerledigung <strong>und</strong> dann möglicher<br />

Beurteilungskriterien. Die Ziele werden im zweiten <strong>und</strong> mögliche Kriterien<br />

im dritten Abschnitt erörtert. Der vierte Abschnitt widmet sich den<br />

unterschiedlichen Fallkonstellationen <strong>und</strong> diskutiert diese mithilfe der<br />

vorher abgeleiteten Kriterien <strong>und</strong> institutioneller Betrachtungen. Abschließend<br />

wird ein Fazit gezogen.<br />

II. Kennzeichen der kommunalen Wasserwirtschaft<br />

Für die Erörterung <strong>von</strong> Kriterien ist es nützlich, sich den Charakter <strong>und</strong><br />

die Ziele der öffentlichen Aufgabe in der kommunalen Wasserwirtschaft<br />

zu vergegenwärtigen. Im Falle der Wasserversorgung sind es die<br />

Lebensmittel- <strong>und</strong> Siedlungshygiene, die den Charakter der öffentlichen<br />

Aufgabe begründen. Im Falle der Abwasserentsorgung treten zur<br />

Siedlungshygiene der Umweltschutz <strong>und</strong> die Stadtentwässerung als<br />

öffentliche Güter 2 hinzu. Zur Wasserversorgung gehört die Förderung<br />

<strong>und</strong> Aufbereitung <strong>von</strong> Trinkwasser sowie dessen Verteilung. Zur Abwasserentsorgung<br />

gehört die Sammlung des kommunalen Abwassers,<br />

die Reinigung des Abwassers, die Entsorgung der dabei anfallenden<br />

2 Geyler/Holländer (2005).<br />

113


Rückstände <strong>und</strong> die Ableitung des gereinigten Abwassers in ein Gewässer.<br />

Weiterhin gehört dazu die Ableitung <strong>von</strong> Niederschlagswasser<br />

<strong>und</strong> damit der Schutz <strong>von</strong> Bauwerken <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücken vor Überflutung<br />

nach Regenfällen. Falls erforderlich, ist auch das gefasste Niederschlagswasser<br />

vor der Ableitung zu reinigen.<br />

Die Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen mit zentraler Ver- <strong>und</strong> Entsorgung<br />

verfügen als zentrales Charakeristikum über ein Netz. Das<br />

Trinkwassernetz zur Wasserverteilung <strong>und</strong> das Abwassernetz zur Abwassersammlung<br />

besitzen signifikante Größenvorteile (economies of<br />

scale), Dichteffekte (economies of density) <strong>und</strong> weisen teilweise auch<br />

Verb<strong>und</strong>effekte (economies of scope) auf. Wirtschaftlich bedeutsam sind<br />

die hohen Erstellungskosten <strong>und</strong> die langen Nutzungsdauern der Netze.<br />

Auch in diesem Bereich wird deshalb <strong>von</strong> einem Generationenvertrag<br />

gesprochen. Die Subadditivität dieser Erstellungskosten zusammen mit<br />

den hohen irreversiblen Kosten für Netze <strong>und</strong> Behandlungsanlagen, die<br />

sowohl den Markteintritt als auch den Marktaustritt erschweren, begründen<br />

die Eigenschaft des natürlichen Monopols 3 . Aus der Bereitstellung<br />

der öffentlichen Güter <strong>und</strong> dem natürlichen Monopol leitet sich<br />

die Anschlusspflicht ab, aus der sich unter anderem eine sichere<br />

K<strong>und</strong>enbasis für die Versorgungsdienstleistung ergibt.<br />

Einerseits ist die bei diesen Dienstleistungen zu erreichende Qualität<br />

EU-weit stark reguliert. So ist die Beschaffenheit des Trinkwassers als<br />

Lebensmittel mit Mindestanforderungen geregelt, die die Qualität des<br />

Wassers bis zur Zapfstelle jedes Verbrauchers beschreiben. Seit einigen<br />

Jahren sind vom Wasserversorger auch klare Regelungen zu Qualitätskontrolle<br />

<strong>und</strong> Qualitätssicherung zu beachten. 4 Den umfangreichen<br />

Regelungen zur Beschaffenheit des Trinkwassers stehen jedoch keine<br />

entsprechend detaillierten Regeln zur Konstanz der Dienstleistung<br />

gegenüber, mit denen beispielsweise maximale Unterbrechungs- oder<br />

Ausfallzeiten pro Jahr festgelegt würden, Verlustraten oder eine maximale<br />

Schwankungsbreite des <strong>Betrieb</strong>sdrucks. Solche Parameter, die unmittelbare<br />

Auswirkungen auf vorzuhaltende Reservekapazitäten, auf die<br />

Pflege des Netzes, auf notwendige Instandhaltungsaufwendungen <strong>und</strong><br />

3<br />

Größenvorteile <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>effekte führen zu subadditiven Kostenfunktionen, d.h. die<br />

Durchschnittskosten sinken bei Erweiterung der Produktionsmenge bzw. bei der parallelen<br />

Produktion <strong>von</strong> mehreren Gütern. Wenn gleichzeitig die Kostenstruktur einen hohen Anteil an<br />

irreversiblen Kosten an den Gesamtkosten aufweist, ist es volkswirtschaftlich günstiger, wenn der<br />

Markt nur durch einen Anbieter versorgt wird.<br />

4<br />

The Drinking Water Directive (DWD), Council Directive 98/83/EC, Official Journal L 330, 05/12/1998<br />

P. 0032 – 0054.<br />

114


Erneuerungsinvestitionen hätten, sind eher Gegenstand nationaler technischer<br />

Regeln 5 sowie Ziel internationaler Normungsinitiativen. 6<br />

Die Qualität des einzuleitenden Abwassers ist ebenfalls strikten allgemeinen<br />

Regelungen unterworfen 7 , die sich auf EU-Richtlinien zurückführen<br />

lassen. Qualität <strong>und</strong> Menge sind darüber hinaus mit Abgaben<br />

belegt. 8 Auch im Bereich des Abwassers gibt es aber qualitätsrelevante<br />

Größen, die nicht allgemein rechtlich geregelt sind. Dies betrifft insbesondere<br />

die Ableitung des Niederschlagswassers. So ist die maximale<br />

Überflutungshäufigkeit <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>stücken oder Bauwerken nach Niederschlägen<br />

nicht allgemein geregelt <strong>und</strong> auch nicht die maximale Anzahl<br />

des Anspringens so genannter Entlastungsbauwerke, aus denen nach<br />

Starkregenereignissen zur Entlastung der Mischwasserkanalisation ungeklärtes<br />

Abwasser in die Gewässer abgeleitet wird. Damit unterliegt die<br />

Dimensionierung der Straßen- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung keiner<br />

präzisen rechtlichen Vorgabe. Ferner gibt es wie in der Wasserversorgung<br />

keine wirksamen allgemeinen Vorschriften, die direkt oder indirekt<br />

den Zustand des Abwassernetzes eingrenzen würden. Zwar ist die<br />

direkte <strong>und</strong> indirekte Ableitung <strong>von</strong> Schadstoffen in das Gr<strong>und</strong>wasser<br />

auch über das Versickern aus defekten Abwasserkanalisationen nicht<br />

erlaubt 9 , aber es fehlt an Überwachungs- <strong>und</strong> Kontrollverpflichtungen. 10<br />

Entsprechendes gilt gr<strong>und</strong>sätzlich für das Dränen <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>wasser<br />

durch <strong>und</strong>ichte Abwasserkanäle, eigentlich ein wasserrechtlicher Genehmigungstatbestand,<br />

der überdies zur Verdünnung des Abwassers<br />

beiträgt. Jedoch wird ein gewisser Umfang so genannten Fremdwassers,<br />

nämlich das Wasser, das mit dem durch Gebrauch veränderten Wasser<br />

bei Trockenwetter mit abfließt 11 , durch den Gesetzgeber ebenfalls als<br />

Teil des Schmutzwassers definiert. Durch Abwasseranlagenbetreiber<br />

wird dieser Anteil vielfach nicht nur in Kauf genommen, sondern bei geringem<br />

Umfang sogar als vorteilhaft angesehen, da durch das Gr<strong>und</strong>wasser<br />

in der Kanalisation der Abfluss des Abwassers dort auch in<br />

5 Vgl. Regelwerke <strong>und</strong> Merkblätter der Deutschen Vereinigung des Gas <strong>und</strong> Wasserfachs e.V.<br />

(DVGW) <strong>und</strong> der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall e.V. (DWA).<br />

6 ISO 24510-24512.<br />

7 Für Direkteinleiter: Abwasserverordnung - Verordnung über Anforderungen an das Einleiten <strong>von</strong><br />

Abwasser in Gewässer vom 17. Juni 2004, BGBl. I Nr. 28 vom 22.6.2004 S. 1108; ber. 2004<br />

S. 2625, für Indirekteinleiter z.B. in Hessen: Verordnung über das Einleiten oder Einbringen <strong>von</strong><br />

Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen (Indirekteinleiterverordnung –<br />

VGS) Vom 13. Dezember 2006 GVBl. I S. 684. Verkündet am 21. Dezember 2006.<br />

8 Gesetz über Abgaben für das Einleiten <strong>von</strong> Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz-<br />

AbwAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I S. 114).<br />

9 EU-Gr<strong>und</strong>wasserrichtlinie zum Schutz des Gr<strong>und</strong>wassers vor Verschmutzung <strong>und</strong> Verschlechterung<br />

Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 12. Dezember<br />

2006.<br />

10 Die Eigenkontrollverordnungen der Länder lassen einen relativ weiten Spielraum.<br />

11 Schmutzwasserdefinition lt. Abwasserabgabengesetz § 2.<br />

115


Trockenwetterperioden gewährleistet wird. Hohe Fremdwasseranteile 12<br />

verursachen auch beim Abwasseranlagenbetreiber Zusatzkosten, jedoch<br />

wären die Sanierungskosten zur vollständigen Abdichtung des Abwassernetzes<br />

für die Begrenzung des Fremdwasserzutritts ganz erheblich.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für Trinkwasser wie<br />

für Abwasser die zu erreichenden Qualitäten stark reguliert sind <strong>und</strong><br />

damit auch der für die Aufbereitung zu treibende Aufwand. Weder für<br />

Trinkwasser noch für Abwasser sind jedoch Umfang, technische<br />

Qualität, Instandhaltungs- <strong>und</strong> Erneuerungsaufwand der Netze reguliert.<br />

Diese Größen sind ebenfalls wichtige Qualitätsparameter. Sie haben<br />

erheblichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Dienstleistung <strong>und</strong> auf<br />

die Leistungsfähigkeit der Netze in Bezug auf seltene Extrembeanspruchungen<br />

(Extremverbrauch, Extremniederschläge). Sie haben darüber<br />

hinaus erheblichen Einfluss auf die Höhe der Unterhaltungs- <strong>und</strong><br />

Investitionskosten sowie auf die Länge der Reinvestitionszyklen. Die<br />

nachfolgenden Ausführungen beziehen sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieses<br />

Qualitätsbegriffes vor allem auf die Netze.<br />

III. Kriterien<br />

Die voran gegangene Aufzählung der Charakteristika kommunaler<br />

Wasserwirtschaft lässt eine Vielzahl möglicher Einflussgrößen erkennen.<br />

In dieser Stelle sollen nun wesentliche Kriterien aufgegriffen werden, die<br />

für die Erörterung der Fallkonstellationen im darauf folgenden Abschnitt<br />

die Gr<strong>und</strong>lage bilden. Die Diskussion der Kriterien wird beschränkt auf<br />

die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung sowie auf eine Zusammenfassung<br />

weiterer Ziele in der kommunalpolitische, wirtschaftspolitische<br />

<strong>und</strong> ordnungspolitische Aspekte angesprochen werden.<br />

1. Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung<br />

Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit sind Qualitätsparameter, an deren<br />

Erfüllung die Nutzer in Deutschland in einem sehr weitgehenden Maß<br />

gewöhnt sind. Beide Größen sind auch wichtige Randbedingungen für<br />

die betriebliche Wirtschaftlichkeit. Unterhaltungs- <strong>und</strong> Investitionskosten<br />

sowie die Länge der Reinvestitionszyklen stehen miteinander in einem<br />

engen Zusammenhang. Mit einem verminderten Unterhaltungsaufwand<br />

12 Fremdwasseranteile <strong>von</strong> 100% werden in Deutschland vielfach als Stand der Technik angesehen.<br />

116


<strong>und</strong> der Verwendung weniger dauerhafter Materialien lassen sich in der<br />

Gegenwart Einsparungen erzielen, die zu einem höheren <strong>und</strong>/oder<br />

häufigeren Reinvestitionserfordernis in der Zukunft führen können. Auf<br />

der anderen Seite belastet ein überdimensionierter Ausbau durch die<br />

kalkulatorischen Abschreibungen <strong>und</strong> Zinsen die Kostenstruktur des<br />

Dienstleisters bzw. die Entgelte für die Nutzer über Jahrzehnte. Ein<br />

wesentlicher Aspekt der wirtschaftlichen Aufgabenerledigung ist deshalb<br />

der Generationenvertrag beim <strong>Betrieb</strong> <strong>und</strong> dem Erhalt der Netze, d.h. die<br />

wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Wirtschaftlicher Strukturwandel, demografischer<br />

Wandel <strong>und</strong> veränderte Verbrauchsgewohnheiten haben gezeigt,<br />

dass einfache Extrapolationen derzeitiger Bedarfe für die Zukunft fehlerbehaftet<br />

<strong>und</strong> die zukünftig erforderlichen Kapazitäten nur begrenzt abschätzbar<br />

sind. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten Unterhaltungsaufwendungen auf<br />

den Werterhalt der <strong>Infrastruktur</strong> ausgerichtet sein, dabei ist die plausibelste<br />

Bezugsgröße der Substanzwert <strong>und</strong> nicht Buchwert oder Ertragswert.<br />

Jedoch lassen die Anpassungserfordernisse an absehbare<br />

Nutzungsänderungen sowie die Erfüllung umweltrelevanter, baulicher<br />

oder hydraulischer Ziele auch dabei verschiedene Optionen zu. Ist der<br />

Finanzrahmen vorgegeben, gilt es, mit begrenzten Mitteln die bestmögliche<br />

Wirkung zu erzielen. Dafür haben Fachverbände verschiedene<br />

Strategien formuliert: Bei der so genannten Mehrspartenstrategie werden<br />

Arbeiten am Netz bevorzugt dann ausgeführt, wenn auch aus Gründen<br />

des Straßenbaus oder wegen anderer Versorgungsnetze Baustellen<br />

einzurichten sind. Mit der gebietsbezogenen Strategie wird bei Unterhaltungsmaßnahmen<br />

gebietsweise vorgegangen, bei der Zustandsstrategie<br />

wird dagegen angestrebt, einen definierten Erhaltungs- <strong>und</strong> Zuverlässigkeitsstandard<br />

im Gesamtnetz aufrecht zu erhalten, <strong>und</strong> mit der so<br />

genannten Feuerwehrstrategie werden Maßnahmen nur im Schadensfall<br />

durchgeführt. 13 Alle diese Strategievarianten haben die optimale Aufgabenerledigung<br />

bei begrenztem Budget zum Ziel, können aber gegeneinander<br />

deutlich unterschiedliche Kostenverläufe zur Folge haben. Vergleichende<br />

Aussagen zur betrieblichen Kosteneffizienz sind nur dann<br />

sinnvoll, wenn über Anforderungen zur Zuverlässigkeit <strong>und</strong> zur Leistungsfähigkeit<br />

der Dienstleistung Transparenz hergestellt ist <strong>und</strong> vergleichbare<br />

Plangrößen für die Entwicklung des Netzes zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />

2. Weitere Ziele<br />

Neben der Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> dem damit eng verb<strong>und</strong>enen Qualitätsbegriff<br />

werden in der öffentlichen Diskussion über die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />

13 DWA-M 143 -14 ggf. DIN EN 752 (-5); für den Trinkwasserbereich Arbeitsblatt DVGW W 401.<br />

117


Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> kommunaler Wasserinfrastruktur weitere Argumente<br />

gebraucht. Diese im Folgenden genannten Ziele sind mit dem Ziel<br />

der wirtschaftlichen Aufgabenerledigung nicht gleich gerichtet <strong>und</strong> befrachten<br />

die eigentliche Dienstleistung – gute <strong>und</strong> günstige Versorgung –<br />

für den Bürger potentiell mit weiteren Kosten.<br />

2.1. Kommunalpolitische Argumente<br />

Eine Gruppe <strong>von</strong> Argumenten ist kommunalpolitischer Natur. Die finanzielle<br />

Lage vieler Kommunen kann einen Anreiz bieten, <strong>von</strong> den kommunalen<br />

Wasserdienstleistungen Beiträge zur Verbesserung der Haushaltslage<br />

zu erwarten. Eine Möglichkeit besteht darin, den <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong><br />

einem privaten Betreiber zu übertragen <strong>und</strong> gleichzeitig einen<br />

Teil der <strong>Infrastruktur</strong> an dieses Unternehmen zu veräußern. Damit wird<br />

eine einmalige Einnahme erzielt, die zum Abbau <strong>von</strong> Investitionsrückständen<br />

in der Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur, zum kommunalen<br />

Schuldenabbau <strong>und</strong> für überfällige anderweitige kommunale Ausgaben<br />

verwendet wird. Da das erwerbende Unternehmen den Kaufpreis<br />

refinanzieren muss, handelt es sich bei dieser Form der Haushaltsentlastung<br />

letztlich um ein Darlehen, das <strong>von</strong> den Wassernutzern im<br />

Laufe der Zeit zurück zu zahlen ist. Sofern das neue Unternehmen<br />

deutlich effizienter wirtschaftet als die Kommune vorher, muss es durch<br />

die Veräußerung nicht zu höheren Preisen für die Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />

kommen. Der erhebliche Wert der Ver- oder<br />

Entsorgungsinfrastruktur geht dann allerdings nur noch teilweise auf der<br />

Habenseite in die kommunale Bilanz ein.<br />

Ein weiterer Anreiz könnte darin bestehen, aus den Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />

laufende Beiträge zum kommunalen Haushalt zu<br />

erwirtschaften, jedoch widerspricht das Verfolgen eines erwerbswirtschaftlichen<br />

Einnahmeziels dem Prinzip der kommunalen Dienstleistung<br />

in der Daseinsvorsorge.<br />

Gelegentlich werden auch arbeitsmarktpolitische Ziele in die Diskussion<br />

eingebracht. Dabei geht es weniger um die Effizienz der kommunalen<br />

Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen als um den Erhalt <strong>und</strong> die<br />

Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze. Mit dem Erhalt <strong>von</strong> Arbeitsplätzen<br />

wird beispielsweise die Übernahme zusätzlicher Aufgaben (in-sourcing)<br />

begründet.<br />

Dem Gr<strong>und</strong>e nach sind weder die Verbesserung der kommunalen Haushaltssituation<br />

noch die Schaffung kommunaler Arbeitsplätze gleichge-<br />

118


ichtet mit dem Ziel, den Bürger kostengünstig <strong>und</strong> zukunftssicher mit<br />

kommunalen Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen zu versorgen.<br />

2.2. Wirtschaftspolitische Argumente<br />

Auch wirtschaftspolitische Erwägungen beeinflussen die Diskussion um<br />

die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei Einrichtungen der kommunalen<br />

Wasserwirtschaft. Seit Mitte der neunziger Jahre des letzten<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts wurde ausgehend <strong>von</strong> einer neu formulierten Wasserstrategie<br />

der Weltbank 14 in der internationalen Entwicklungshilfe versucht,<br />

zum Abbau der bestehenden Defizite in der Wasserversorgung<br />

<strong>und</strong> Abwasserentsorgung in Entwicklungsländern auch privates Kapital<br />

<strong>und</strong> Know-How <strong>von</strong> privaten Unternehmen zu interessieren <strong>und</strong> einzubinden.<br />

In der Erkenntnis, dass die deutschen kommunal organisierten<br />

Wasserdienstleister dafür zu klein, nicht kapitalkräftig genug <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

ihrem Geschäftsziel her auch nicht legitimiert waren, begann eine<br />

politische Diskussion, in der sich die B<strong>und</strong>esministerien für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung, für Wirtschaft <strong>und</strong> weitere Akteure zuerst für einen Konzentrations-<br />

<strong>und</strong> dann für einen Modernisierungsprozess in der deutschen<br />

kommunalen Wasserwirtschaft aussprachen mit dem Ziel, die Exportfähigkeit<br />

des deutschen Wassersektors <strong>und</strong> seine Weltmarkposition zu<br />

stärken. Ministerien des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder fördern seither Exportinitiativen<br />

der deutschen Wasserwirtschaft. 15 Dies umfasst nicht nur<br />

Forschung <strong>und</strong> Technologie, sondern ausdrücklich auch Betreiberkompetenz.<br />

So wünschenswert aus gesamtstaatlicher Sicht die Herausbildung eines<br />

oder mehrerer starker Unternehmen („nationaler Champions“) zur<br />

Stärkung der deutschen Weltmarktposition im Wassersektor auch sein<br />

mag, in Bezug auf die Erledigung kommunaler Aufgaben in Deutschland<br />

ist dieses Bestreben ohne Belang.<br />

2.3. Ordnungspolitische Argumente<br />

Der zum Abbau eines Investitionsrückstandes oder sogar zur (Teil-)Sanierung<br />

<strong>von</strong> Kommunalfinanzen vorgenommene Teilverkauf der kommunalen<br />

Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur begegnet ordnungspolitisch<br />

Bedenken, sofern die Kommune sowohl am Eigentum der <strong>Infrastruktur</strong><br />

als auch am <strong>Betrieb</strong> beteiligt bleibt. Dies ist dann der Fall, wenn das<br />

14<br />

Vgl. Weltbank (1993), (2003) u. (2004).<br />

15<br />

BMBF (2000).<br />

119


kommunale Eigentum auf eine neue Gesellschaft übertragen wird, die<br />

auch den <strong>Betrieb</strong> übernimmt <strong>und</strong> deren Anteile gemeinsam <strong>von</strong> einem<br />

privatwirtschaftlichen Unternehmen <strong>und</strong> <strong>von</strong> der Kommune gehalten<br />

werden. Kritisch zu sehen ist hier die Doppelrolle der Kommune einerseits<br />

als Eigentümer <strong>und</strong> andererseits als Beaufsichtigender, einerseits<br />

als Erbringer <strong>und</strong> andererseits als Empfänger der Dienstleistung.<br />

Gelegentlich wird im ordnungspolitischen Zusammenhang auch ein<br />

Qualitätsargument angeführt, nach dem staatliche <strong>Infrastruktur</strong>dienstleister<br />

zusätzliche Aufgaben zur Verbesserung oder dem Erhalt der<br />

Umweltqualität übernehmen würden, private dagegen nicht. Dem ist entgegenzuhalten,<br />

dass auch privaten Anlagenbetreibern Maßnahmen zur<br />

Selbstüberwachung <strong>und</strong> zum Monitoring aufgegeben werden können.<br />

Wo solche Fälle hingegen lediglich auf mangelnder Transparenz <strong>von</strong><br />

Definition, Zuweisung oder Finanzierung staatlicher Aufgaben beruhen,<br />

ist ein bestehendes Transparenzdefizit sicher kein Argument gegen eine<br />

veränderte Aufgabenwahrnehmung.<br />

Pauschalisierend werden auch für die Frage einer <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> generelle Argumente angeführt, die auf politischen<br />

Gr<strong>und</strong>überzeugungen beruhen <strong>und</strong> sich in Slogans wie „Wasser ist kein<br />

Wirtschaftsgut“ artikulieren oder in dem Gr<strong>und</strong>satz, dass die Marktwirtschaft<br />

der Gemeinwirtschaft gr<strong>und</strong>sätzlich überlegen sei. Diese Verkürzungen<br />

werden der Problematik in der Regel nicht gerecht, einerseits<br />

wegen der oben beschriebenen starken Regulierung <strong>von</strong> Wasser als<br />

Lebensmittel, andererseits wegen des engen Zusammenhangs der<br />

Wasserinfrastruktur mit der Kommunalentwicklung, der in den bereits<br />

genannten strategischen Entscheidungsproblemen bei der Unterhaltung<br />

<strong>und</strong> dem weiteren Ausbau der Netze deutlich wird. Die Diskussion zu<br />

den Gegensatzpaaren Gemeinwirtschaft versus Privatwirtschaft, Planwirtschaft<br />

versus Marktwirtschaft hat Gr<strong>und</strong>satzcharakter <strong>und</strong> wird in der<br />

Regel unabhängig vom tangiblen Nutzen geführt, der sich für die betroffenen<br />

Bürger eher über Qualität <strong>und</strong> Kosten der Dienstleistung<br />

ausdrückt.<br />

3. Zwischenfazit<br />

Das Wirtschaftlichkeitskriterium ist nicht leicht zu präzisieren, da es <strong>von</strong><br />

der Definition einer Qualität abhängt. Es kommt daher auf das Verhalten<br />

der Kommune an 16 , ob <strong>und</strong> wie sie die gewünschten Dienstleistungen in<br />

16 Hug (2006).<br />

120


ihrer eigenen Planung für die Zukunft projektiert oder in einer Ausschreibung<br />

präzisiert. Unterbleibt dies, wird die zu vergleichende Leistung in<br />

weiten Teilen unbestimmt sein. Die Fähigkeit <strong>und</strong>/oder die Bereitschaft<br />

der Kommune, die Qualität der gewünschten Leistung näher zu bestimmen,<br />

schafft die Voraussetzung für einen rationalen Vergleich der<br />

Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vom Eigentum der <strong>Infrastruktur</strong> getrennten oder<br />

eben nicht getrennten Aufgabenwahrnehmung. Als wichtigstes Kriterium<br />

ist dann die Wirtschaftlichkeit zu nennen. Alle anderen Kriterien sind für<br />

Einzelentscheidungen schwer zu operationalisieren <strong>und</strong> führen im<br />

Zweifel zu höheren Kosten <strong>und</strong> einer schlechteren Qualität der Dienstleistung.<br />

Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage werden nachfolgend die institutionellen<br />

Konstellationen diskutiert, inwieweit sich Indizien für die Vorteilhaftigkeit<br />

der <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> oder der nicht getrennten<br />

Aufgabenerledigung betrachtet ableiten lassen.<br />

IV. Bewertung<br />

1. Fallbeispiele für unterschiedliche <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>skonstellationen<br />

Beispiele für getrennte <strong>und</strong> nicht getrennte Aufgabenwahrnehmung<br />

finden sich sowohl im Bereich öffentlicher als auch im Bereich privater<br />

Institutionen. In beiden Fällen sind auch Mischformen zu berücksichtigen<br />

(vgl. nachfolgende Tabelle).<br />

Als privat soll hier ein Unternehmen bezeichnet werden, das eine Gewinnerzielungsabsicht<br />

im Markt verfolgt <strong>und</strong> sich nicht im Eigentum<br />

öffentlich-rechtlicher Einrichtungen befindet. Als öffentlich soll demgegenüber<br />

eine Kommune gelten, ein Unternehmen oder eine sonstige<br />

Institution, die sich vollständig im Besitz <strong>von</strong> Kommunen oder anderen<br />

öffentlich-rechtlichen Einrichtungen befindet. Institutionen, die nicht unter<br />

diese Definitionen fallen, werden als Mischformen bezeichnet.<br />

In der Betrachtung der Fallkonstellationen im Hinblick auf ihre institutionellen<br />

Implikationen wird für den Fall der nicht getrennten Aufgabenwahrnehmung<br />

durch private Unternehmen das Beispiel England <strong>und</strong><br />

Wales zugr<strong>und</strong>e gelegt, während Deutschland mit seiner vielfältigen Ver-<br />

<strong>und</strong> Entsorgungsstruktur für die Aufgabenwahrnehmung durch öffentlichrechtliche<br />

Institutionen <strong>und</strong> durch gemischt öffentlich-rechtlich-private<br />

Institutionen herangezogen wird. Danach erfolgt eine Gegenüberstellung<br />

für nicht getrennte <strong>und</strong> getrennte Aufgabenwahrnehmung. Auf einen<br />

weitergehenden Vergleich der Wasser- oder Abwasserqualität im enge-<br />

121


en Sinn wird verzichtet, weil hier EU-weit enge vergleichbare Vorgaben<br />

bestehen.<br />

Tabelle: Übersicht über die gr<strong>und</strong>legenden Fallkonstellationen <strong>von</strong> getrenntem<br />

<strong>und</strong> integriertem <strong>Infrastruktur</strong>besitz <strong>und</strong> <strong>Infrastruktur</strong>betrieb<br />

<strong>Infrastruktur</strong><br />

Besitz <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong><br />

122<br />

Fall<br />

Status Beispiele<br />

Nicht getrennt 1 Privat Wassergesellschaften in England <strong>und</strong> Wales<br />

(Water only Companies, Water and Waster<br />

Water Service Providers), Beispiele auch in<br />

2 Öffentlich<br />

anderen Ländern;<br />

für Deutschland sind hier Regiebetriebe,<br />

Eigenbetriebe <strong>und</strong> Eigengesellschaften zu<br />

nennen, das Modell ist auch vorherrschend in<br />

den Niederlanden <strong>und</strong> den Vereinigten Staaten;<br />

3 Mischform für Deutschland sind die sog.<br />

Kooperationsmodelle zu nennen, d.h. die<br />

Eigentümergesellschaft betreibt <strong>und</strong> befindet sich<br />

im gemischt-privat-öffentlichem Besitz 17 ;<br />

Getrennt 4 Privat Industrielle Dienstleistungen 18<br />

5 Öffentlich Kooperationen zwischen Kommunen <strong>und</strong><br />

anderen öffentlicher Einrichtungen<br />

(Zweckverbänden, Eigen-gesellschaften <strong>und</strong><br />

/oder Gemeinschaftsunternehmen), Zunahme bei<br />

6 Mischform<br />

weiterem Unb<strong>und</strong>ling zu erwarten;<br />

Referenzfall für die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ist das Betreibermodell mit<br />

<strong>Infrastruktur</strong> im öffentlichen Besitz <strong>und</strong> privater<br />

Betreibergesellschaft, die einen zeitlich<br />

befristeten Vertrag erfüllt; vor allem in<br />

Frankreich häufig, aber auch in Deutschland 19<br />

<strong>und</strong> vielen weiteren Ländern;<br />

2. Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> Qualität bei Beispielen nicht getrennter<br />

Aufgabenwahrnehmung<br />

In England <strong>und</strong> Wales werden Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />

durch private Unternehmen erbracht, in deren Besitz sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />

befindet, sodass im Sinne dieses Beitrags <strong>von</strong> nicht getrennter<br />

Aufgabenwahrnehmung gesprochen werden kann. Ausgangspunkt der<br />

17<br />

ATT et al. (2008), In der Wasserversorgung inzwischen 25 % in der Abwasserbeseitigung ca. 4 %.<br />

18<br />

Ebenda.<br />

19<br />

Ebenda, Der Anteil der privatrechtlichen Unternehmensformen bei der Abwasserableitung beträgt<br />

10 %, bei der Abwasserbehandlung 12 % jeweils bezogen auf die erfassten Einwohner.


Privatisierung war der schlechte Zustand <strong>und</strong> die drohende weitere<br />

Erosion der <strong>Infrastruktur</strong> unter kommunaler Verantwortung. Dies führte<br />

zu Beginn der 70er Jahre zu einer Reorganisation in regionale <strong>Betrieb</strong>e<br />

<strong>und</strong> Ende der 80er Jahre zur Privatisierung dieser regionalen Strukturen.<br />

Die vollständige Privatisierung erforderte eine umfassende Regulierung.<br />

Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit unterliegen die Unternehmen heute<br />

einer zentralen Regulierung durch die Water Services Regulation<br />

Authority (OFWAT). Die OFWAT stützt ihre Auflagen einerseits auf sehr<br />

weitgehende Informationsanforderungen aus den Unternehmen, die<br />

sowohl den zurückliegenden Zeitraum als auch die Investitionsplanungen<br />

betreffen. Damit findet sowohl eine ex-post als auch eine exante<br />

Bewertung statt. Zum anderen hat die OFWAT als zentrale<br />

Regulierungsbehörde eine Übersicht über alle Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgungsdienstleister<br />

des Regulierungsbereiches. Damit verfügt<br />

die OFWAT über ein Benchmark-System, das es auch erlaubt,<br />

Größeneffekte (economies of scale) <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>vorteile (economies of<br />

scope) in die Bewertung einzubeziehen. Indem die OFWAT nicht nur die<br />

Preisgestaltung reguliert, sondern auch Investitionserfordernisse, nimmt<br />

sie sowohl Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf die Entwicklung<br />

der Dienstleistungsqualität, die entscheidend <strong>von</strong> aktuellen<br />

Unterhaltungsmaßnahmen <strong>und</strong> getätigten Investitionen abhängt.<br />

Dieser Informationspool ist die wichtigste Gr<strong>und</strong>lage der Regulierungsmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> sicher als ein Vorteil des Systems zu werten. Nachteilig<br />

ist aber nicht nur der aufwendige Apparat. Es besteht auch die Gefahr<br />

standardisierte Maßnahmen <strong>und</strong> einer unzureichenden Berücksichtigung<br />

lokaler Besonderheiten <strong>und</strong> lokaler Kenntnisse. Auch bleibt abzuwarten,<br />

ob es dem straffen Regulierungsregime gelingt, das Interesse privater<br />

Kapitalgeber zu erhalten. 20 Im Hinblick auf den Erfolg dieses Modells ist<br />

schließlich darauf hinzuweisen, dass die Qualität der Wasserversorgung<br />

gemessen an den Verlustraten, Rohrbrüchen oder Abweichungen <strong>von</strong><br />

der erwünschten Wasserqualität immer noch niedriger ist als im deutschen<br />

Mittel, <strong>und</strong> dass trotz dieser Tatsachen auch die Investitionen<br />

niedriger als in Deutschland sind. 21<br />

Öffentlich-rechtliche Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorger in Deutschland<br />

unterliegen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit allgemeinen gesetzlichen<br />

Regelungen <strong>und</strong> einer im Wesentlichen dezentralen Kontrolle.<br />

Gesetzlich geregelt sind Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Prinzipien in den Kommunalabgabengesetzen<br />

(KAG) der Länder. Trotz aller Unterschiede im Detail<br />

20 Es hat in England in jüngerer Zeit Versuche der Rekommunalisierung gegeben: vgl.<br />

http://archive.corporatewatch.org/magazine/issue12/cw12w2.html<br />

21 Metropolitain Consulting Group (2006).<br />

123


egeln sie das Prinzip der Kostendeckung, Gr<strong>und</strong>sätze zum Substanzerhalt<br />

in unterschiedlicher Konkretisierung, zur Verzinsung des Eigenkapitals<br />

<strong>und</strong> Refinanzierung der Anlagen sowie zur Kalkulation der Entgelte.<br />

Die Festlegung der Entgelthöhe erordert Beschlüsse des Stadt-<br />

oder Gemeinderats bzw. der Verbandsgremien <strong>und</strong> unterliegt der Kommunalaufsicht<br />

sowie der Aufsicht durch die Kartellämter. Darüber hinaus<br />

steht den K<strong>und</strong>en, betroffenen Bürgern also, der Rechtsweg zur Überprüfung<br />

der Höhe der <strong>von</strong> ihnen geforderten Entgelte offen. Damit ist<br />

eine mehrfache Kontrolle gegeben.<br />

Gegenüber dem englischen Modell einer zentralen Preisregulierungsbehörde<br />

handelt es sich dennoch um eine deutlich schwächere Form der<br />

Regulierung. Der Stadt- oder Gemeinderat ist ein Gremium, das dem örtlichen<br />

Versorger lokalpolitisch näher steht als eine zentrale Behörde.<br />

Auch dürfte dort weniger Sachverstand hinsichtlich der Interpretation der<br />

Bilanzen <strong>und</strong> der Bewertung der betriebswirtschaftlichen Planungen vorliegen<br />

als in einer speziellen Fachbehörde. Schließlich aber fehlen den<br />

überprüfenden Institutionen Vergleichsdaten. Dies ist ganz wesentlich<br />

<strong>und</strong> unter zwei Aspekten nachteilig. Zum einen verfügen die Institutionen<br />

über keinen Vergleich hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Kosteneffizienz<br />

der Leistungserbringung. Dies ist nachteilig, weil der öffentlichrechtliche<br />

Versorger keinem direkten Wettbewerbsdruck unterliegt. Ein<br />

Druck, der bestehen könnte, ist kein wirtschaftlicher, sondern eher ein<br />

politischer. Er kann sich aufbauen durch direkten Vergleich der Entgelthöhen<br />

in Nachbargemeinden oder durch Medienberichte über stark<br />

unterschiedliche Preise für Versorgungsdienstleistungen. 22 Zum anderen<br />

verfügen die überprüfenden Institutionen in der Regel nicht über den<br />

technischen Vergleich hinsichtlich Unterhaltungsaufwendungen <strong>und</strong><br />

Investitionen. Dies ist nachteilig, weil Zustand <strong>und</strong> Entwicklung der technische<br />

<strong>Infrastruktur</strong> wesentlich für die künftige Qualität der Leistung <strong>und</strong><br />

für die künftigen Kosten sind. Im ungünstigsten Fall könnte also ein<br />

öffentlich-rechtlicher Versorger, der ineffizient wirtschaftet <strong>und</strong> wegen<br />

des lokal- oder regionalpolitischen Drucks sein Entgelt nicht erhöhen<br />

kann – oder sogar zu einer Ermäßigung gezwungen ist –, statt mit einer<br />

Erhöhung seiner Kosteneffizienz mit einer Reduzierung seiner Unterhaltungsaufwendungen<br />

<strong>und</strong> Investitionen reagieren. Damit wäre zwar<br />

dem lokal- oder regionalpolitischem Druck nachgegeben, aber es wären<br />

Qualitätseinbußen vorprogrammiert, <strong>und</strong> es würden höhere Kosten für<br />

das Netz in die Zukunft verschoben, weil eigentlich notwendige Ausgaben<br />

unterblieben. Möglicherweise sind es in manchen Fällen sogar die<br />

lokalpolitischen Gremien selbst, die bewusst andere Prioritäten hinsicht-<br />

22 Dieser Druck kann sich aufbauen unter Außerachtlassung aller unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

in Hydrologie, Topographie <strong>und</strong> weiterer lokaler Bedingungen, vgl. Holländer et al. (2008).<br />

124


lich der Vordringlichkeit <strong>und</strong> Notwendigkeit <strong>von</strong> Unterhaltungsaufwendungen<br />

<strong>und</strong> Netzinvestitionen setzen als es die betrieblich Verantwortlichen<br />

beim Versorger tun würden. Allerdings ist aber auf der anderen<br />

Seite auch nicht auszuschließen, dass <strong>von</strong> den technisch Verantwortlichen<br />

eine Versorgungsqualität angestrebt wird, die das benötigte<br />

Maß deutlich übersteigt.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Nähe zur <strong>und</strong> die Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />

Lokalpolitik ambivalent. Einerseits ermöglicht sie eine enge Abstimmung<br />

mit der lokalen Entwicklungsplanung <strong>und</strong> das flexible Eingehen auf<br />

aktuelle Entwicklungen. Unter der Voraussetzung eines ausgewogenen<br />

Verhältnisses zwischen technisch Verantwortlichen <strong>und</strong> politischen Entscheidungsträgern<br />

kann dies zu einer kostengünstige Versorgung <strong>von</strong><br />

hoher Qualität führen. Andrerseits besteht die Gefahr, dass entweder<br />

aufgr<strong>und</strong> technischen Perfektionsstrebens bei garantierter Kostendeckung<br />

ein sinnvoller technischer Standard überschritten oder aufgr<strong>und</strong><br />

kurzfristiger lokalpolitischer anderer Zielsetzungen der Netzerhalt vernachlässigt<br />

wird. Letzteres war der Gr<strong>und</strong> für die englischen Reformen.<br />

Auch wenn in Deutschland nach den verfügbaren Vergleichsparametern<br />

über den Zustand der Versorgungsnetze <strong>und</strong> den Grad der Abwasserreinigung<br />

eine höhere Versorgungsqualität erreicht wird als in den europäischen<br />

Nachbarstaaten England <strong>und</strong> Frankreich, ist doch festzustellen,<br />

dass Investitionen zurückgehen <strong>und</strong> der Substanzverzehr zunimmt. 23<br />

Wünschenswert wäre eine allgemeine Informationsbasis, die unter Berücksichtigung<br />

des heterogenen <strong>und</strong> föderalen Charakters der deutschen<br />

kommunalen Wasserwirtschaft Vergleichsdaten bereitstellt. Eine größere<br />

Zahl Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorger in Deutschland haben sich<br />

deshalb zu Benchmarking-Initiativen zusammengef<strong>und</strong>en. Diese Aktivität<br />

wird teilweise <strong>von</strong> Verbänden koordiniert <strong>und</strong> <strong>von</strong> Landesregierungen<br />

gefördert. 24 Wesentliche Charakteristika dieser Initiativen sind Anonymität,<br />

Freiwilligkeit <strong>und</strong> Vertraulichkeit für die Unternehmen, sodass<br />

Rückschlüsse für das teilnehmende Unternehmen selbst möglich sind,<br />

ohne dass dessen Leistungskennzahlen direkt öffentlich werden. Anonymität<br />

<strong>und</strong> Vertraulichkeit sind sehr förderlich für ehrliche <strong>und</strong> ungeschönte<br />

Auskünfte schränken jedoch die Vergleichbarkeit im Hinblick auf<br />

Größeneffekte, Verb<strong>und</strong>vorteile <strong>und</strong> unterschiedliche regionale Voraussetzungen<br />

ein. 25<br />

23<br />

Haakh u.a. (2008).<br />

24<br />

Eine aktuelle Übersicht bietet das Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft, ATT et al (2008).<br />

25<br />

Vgl. auch Haakh et al. A.a.O., S. 491.<br />

125


Als Fazit bleibt festzuhalten, dass bei öffentlich-rechtlichen Versorgern<br />

zwar die Entgelte einer politischen Kontrolle durch die zuständigen lokalen<br />

oder Verbandsgremien <strong>und</strong> darüber hinaus durch eine weitere, administrative<br />

Instanz (Kommunalaufsicht, Kartellbehörden) unterliegen, dass<br />

daraus aber nur begrenzt ein Anreiz für kosteneffiziente Aufgabenwahrnehmung<br />

erwächst. Einerseits besteht wegen fehlender technischer<br />

Kompetenz in den Kontrollinstitutionen die Möglichkeit einer übertriebenen<br />

technischen Perfektionierung bei der Versorgung, andererseits besteht<br />

jedoch die Gefahr einer Unterfinanzierung bei zukunftsrelevanten<br />

Investitionen, die durch die enge lokalpolitische Anbindung nicht vermindert<br />

wird.<br />

Als eine Alternative gilt das Privat-<strong>Öffentliche</strong> Kooperationsmodell, bei<br />

dem kommunale Einrichtungen <strong>und</strong> private Unternehmen gemeinsam<br />

Besitzer <strong>und</strong> Betreiber der Wasserver- <strong>und</strong> /oder der Abwasserentsorgungsanlagen<br />

sind. Gegenüber der Aufgabenwahrnehmung durch<br />

öffentlich-rechtliche Einrichtungen lassen sich einige Gemeinsamkeiten<br />

<strong>und</strong> einige Unterschiede erkennen. Unverändert ist die gegenüber den<br />

englischen Verhältnissen schwache Form der Regulierung auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

der schwachen Informationsposition der zuständigen Regulierungsinstitutionen.<br />

Unverändert ist ebenfalls der mangelnde Wettbewerbsdruck,<br />

an dessen Stelle sich aber wie oben ausgeführt politischer Druck<br />

durch reine Entgeltvergleiche aufbauen kann. Deutlich verändert zeigt<br />

sich jedoch ein höherer Kostendruck, da der private Partner im gemeinsamen<br />

Unternehmen gezwungen ist, eine Rendite auf das eingesetzte<br />

Kapital zu erwirtschaften. Verändern kann sich ebenfalls der Technologie-<br />

<strong>und</strong> Informationszugang, sofern der private Partner ein größeres<br />

Unternehmen ist <strong>und</strong> diesen Informationsfluss aus anderen Unternehmensteilen<br />

aktiv betreibt. Gelegentlich werden auch Größenvorteile<br />

angeführt, die der private Partner im Interesse des gemeinsamen Unternehmens<br />

zu realisieren in der Lage sei. Das Einlösen eines solchen Anspruchs<br />

erscheint nur begrenzt wahrscheinlich, solange es sich bei der<br />

privaten Unternehmensmutter <strong>und</strong> dem lokalen Unternehmen um rechtlich<br />

unabhängige Einheiten handelt <strong>und</strong> zwischen ihnen nicht zusätzliche<br />

Dienstleistungsverflechtungen (etwa für Einkauf, Abrechnung o.ä.) eingegangen<br />

worden sind.<br />

Im Gr<strong>und</strong>satz besteht bei dieser Konstellation für keinen der beiden<br />

Partner ein wirtschaftlicher Anreiz, auf die Realisierung heutiger Unternehmensgewinne<br />

zu verzichten <strong>und</strong> stattdessen Unterhaltungsaufwendungen<br />

<strong>und</strong> Investitionen zu erhöhen, um spätere Kostensteigerungen<br />

zu begrenzen. Jedoch können bei Gründung des gemischt-privatöffentlichen<br />

Unternehmens zwischen Kommune <strong>und</strong> dem Unternehmen<br />

126


Quoten für Erneuerungsaufwendungen, bestimmte Netzzustände oder<br />

Erhaltungsstrategien vertraglich vereinbart werden. Die bereits erwähnte<br />

vertragsrechtliche <strong>und</strong> vor allem wirtschaftliche Zwitterposition der Kommune,<br />

als Leistungserbringer einerseits <strong>und</strong> Leistungsempfänger andererseits,<br />

lassen vermuten, dass der Schwerpunkt für die Kommunen bei<br />

der Verhandlung eher auf der Erzielung eines hohen Erlöses, auf laufenden<br />

Einnahmen <strong>und</strong> in der Begrenzung <strong>von</strong> kurzfristigen Entgeltsteigerungen<br />

für die Bürger liegen wird.<br />

Die Kooperationslösung ist in der Regel nicht auf einen begrenzten Zeitraum,<br />

sondern unbefristet angelegt. Dass die Renditeerwartungen sich<br />

im Laufe der Zeit vermindern, steht nicht zu erwarten. Nicht auszuschließen<br />

ist aber, dass der anfängliche Druck zur Kosteneffizienz mit der Zeit<br />

erodiert. Die Zwitterposition der Kommune wirkt auch dabei nachhaltig<br />

als institutioneller Nachteil.<br />

3. Vergleich <strong>von</strong> Fällen getrennter <strong>und</strong> nicht getrennter<br />

Aufgabenwahrnehmung<br />

Der Gr<strong>und</strong>typ der getrennten Aufgabenwahrnehmung sind Betreibermodelle.<br />

Die <strong>Betrieb</strong>sführung kann durch ein privates Unternehmen oder<br />

durch ein Unternehmen, das sich im Besitz einer oder mehrerer öffentlich-rechtlicher<br />

Institutionen befindet, erfolgen. Betreibermodelle gelten<br />

neben den Kooperationsmodellen als weitere Alternative <strong>und</strong> möglicherweise<br />

– der Titel dieser Veranstaltung weist es aus – als Königsweg<br />

zwischen der rein privaten <strong>und</strong> der ausschließlich öffentlich-rechtlichen<br />

Aufgabenwahrnehmung.<br />

Im Folgenden werden nur die für den kommunalen Bereich wesentlichen<br />

Fälle betrachtet, in denen sich die <strong>Infrastruktur</strong> im öffentlich-rechtlichen<br />

Besitz befindet. Nicht betrachtet werden Fälle, in denen sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />

im Besitz eines privaten Unternehmens, etwa eines Industriebetriebs,<br />

befindet <strong>und</strong> die Dienstleistung durch ein öffentliches oder<br />

privates Unternehmen erbracht wird. Verzichtet wird ferner auf die Betrachtung<br />

des Falles einer gemischt öffentlich-rechtlich-privaten Eigentümergesellschaft,<br />

die den <strong>Betrieb</strong> einer privaten Betreibergesellschaft<br />

überträgt.<br />

Der <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong> durch eine private Betreibergesellschaft im<br />

Rahmen eines zeitlich befristeten Vertrages bietet sowohl gegenüber<br />

dem Fall der vollständig öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung<br />

als auch gegenüber dem Fall der gemischt öffentlich-rechtlich-privaten<br />

127


Aufgabenwahrnehmung einige wesentliche Veränderungen. Unverändert<br />

bleibt die eher schwache wirtschaftliche Regulierung. Der Druck zur Verbesserung<br />

der betrieblichen Kosteneffizienz ist zweifellos größer als<br />

beim rein öffentlich-rechtlichen <strong>Betrieb</strong>. Längerfristig bestehen auch<br />

größere Anreize zur Steigerung der betrieblichen Kosteneffizienz als<br />

beim Kooperationsmodell, denn es tritt ein Wettbewerbsdruck durch die<br />

periodische Neuausschreibung 26 der <strong>Betrieb</strong>sführung hinzu. Dabei<br />

handelt es sich um einen Wettbewerb „um den Markt“. 27 Diese<br />

Ausschreibung hat neben dem preislichen auch einen qualitativen<br />

Aspekt <strong>und</strong> bietet einen Anreiz, vertragliche Detaillierungen hinsichtlich<br />

der Qualität sowie der Unterhaltungs- <strong>und</strong> Investitionsaufwendungen zu<br />

treffen. Dieser Qualitätsanreiz ist ebenfalls größer als beim Kooperationsmodell,<br />

da die verhandelnde Kommune sich nicht zusätzlich in einer<br />

Verkäufer- <strong>und</strong> Betreiberrolle sieht, die neben einem hohen Kaufpreis<br />

laufende Einnahmen erlösen will. Überdies lassen sich die Qualitätsanforderungen<br />

nicht nur durch periodisch zu erfüllende Größen angeben,<br />

sondern können auch auf einen festen Zeitpunkt bezogen werden, z.B.<br />

auf das Vertragsende. Der Abschluss solcher vertraglichen Detaillierungen<br />

erfordert allerdings auf Seiten der ausschreibenden Kommune<br />

nicht nur den Willen zu einer längerfristigen inhaltlichen – d.h. auch<br />

planerischen – Festlegung, sondern eine spezifische fachliche Kompetenz<br />

<strong>und</strong> einen besonderen fachlichen Aufwand. Kleinere Kommunen<br />

mögen es im Einzelfall vorziehen, auf diese Transaktionskosten zu<br />

verzichten <strong>und</strong> dafür eine geringere Transparenz in Kauf nehmen.<br />

Als spezialisierter Dienstleister hat der professionelle Betreiber auch bei<br />

detaillierter Festlegung <strong>von</strong> in die Zukunft weisenden Qualitätsparametern<br />

wie z.B. der Reinvestitionsleistung oder des Netzzustandes bei<br />

Vertragsende gute Möglichkeiten, eine höhere betriebliche Kosteneffizienz<br />

zu erreichen. Zum einen verfügt er aus anderen Aufträgen über<br />

interne Vergleichszahlen, gleichsam ein internes Benchmarking. Zum<br />

anderen sind durch Bündelung <strong>von</strong> Aufgaben Effizienzvorteile zu erzielen.<br />

Damit stellt sich die Vergabe des <strong>Betrieb</strong>s im Rahmen eines<br />

Betreibermodells als sinnvolle Möglichkeit dar, die Nachteile eines rein<br />

öffentlich-rechtlichen <strong>Betrieb</strong>es zu vermeiden, die in mangelnder betrieblicher<br />

Effizienz <strong>und</strong> der fehlende Unabhängigkeit <strong>von</strong> lokalpolitischen<br />

Tagesentscheidungen bestehen könnte. Ebenso können die Nachteile<br />

eines gemischt öffentlich-rechtlich-privaten Unternehmens vermieden<br />

26 Je nach Vertragszeitdauer wird das Betreibermodell weiter differenziert. Bei sehr kurzen Verträgen<br />

hat der Betreiber angesichts der langen technischen Nutzungsdauern sehr wenig Ansatzpunkte zur<br />

Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, bei sehr langen Vertragsdauern leidet der Wettbewerbsgedanke.<br />

Eine große Zahl <strong>von</strong> Verträgen weist Laufzeiten zwischen 15-30 Jahren auf.<br />

27 Im Gegensatz zur „Ausschreibung im Markt” bezeichnet die Ausschreibung „um den Markt“ die<br />

Ausschreibung eines befristeten Vertrags mit einer Monopolsituation.<br />

128


werden, mit den Interessenkonflikten auf Seiten der Kommune. Gegenüber<br />

einer rein privaten Aufgabenerledigung englischer Prägung kann<br />

dagegen stärker auf lokale Belange eingegangen werden.<br />

Andererseits ist auch diese Konstruktion nicht in allen Aspekten vorteilhaft.<br />

Da die ausschreibende Kommune nicht über ein umfassendes<br />

unternehmensinternes Benchmarking verfügt, steht zu vermuten, dass<br />

sie sich gr<strong>und</strong>sätzlich gegenüber dem anbietenden Betreiberunternehmen<br />

in einer schwächeren Informationsposition befindet. Vermutlich<br />

wird sogar einer Gründe für die Kommune den <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong><br />

auszuschreiben darin liegen, Einsparungen bei den Kosten für das<br />

Vorhalten <strong>von</strong> Fachkompetenz bzw. bei den notwendigen Informations-<br />

<strong>und</strong> Planungskosten zu erzielen. Dennoch ist die Kommune bei der Ausschreibung,<br />

der Vergabe <strong>und</strong> der Kontrolle während der Vertragslaufzeit<br />

auf zuverlässige Beratung angewiesen, was in der Gesamtbilanz des<br />

Vorhabens Berücksichtigung finden muss. Dann steht zu fragen, ob die<br />

kontinuierlich zu erzielenden Effizienzvorteile die Renditeerwartung des<br />

Betreiberunternehmens auf Dauer überkompensieren können, sodass<br />

die Gesamtbilanz auch für die ausschreibende Kommune positiv bleibt.<br />

Der <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong> durch einen Verband oder Betreibergesellschaft<br />

mit öffentlich-rechtlichen Eigentümern ist eine Lösung, die<br />

gegenüber der privaten Betreibergesellschaft weniger stark durch<br />

Renditeerwartungen geprägt ist. Gleichzeitig werden aber Vorteile<br />

realisiert, die für die Verbesserung der Effizienz wichtig sind. So kann<br />

<strong>von</strong> einer breiteren Informationsbasis ausgegangen werden, als sie eine<br />

einzelne Kommune als Eigentümer aufweisen würde, <strong>und</strong> es gibt wie bei<br />

einem privaten Betreiberunternehmen die Möglichkeit, Effizienzsteigerungen<br />

bei einer Reihe <strong>von</strong> Aufgaben durch Zusammenführung zu<br />

erzielen wie z.B. bei Abrechungen, Wartungen, Einkauf bis hin zum<br />

Vorhalten spezifischer Fachkompetenz.<br />

Als Vorteil dieser Konstruktion mag schließlich auch gelten, dass die<br />

starke Kopplung an örtliche Politikentscheidungen gemildert wird,<br />

während gleichzeitig aber lokale Gremien nicht gänzlich ohne Einfluss<br />

bleiben.<br />

Auf der anderen Seite besteht allerdings ein weniger starker Druck zur<br />

Verbesserung der betrieblichen Kosteneffizienz. Insbesondere Verbandslösungen,<br />

die durch unbefristete Aufgabenübertragung gekennzeichnet<br />

sind, stellen hier keine längerfristig wirksamen Anreize bereit.<br />

Auch bei der vom <strong>Infrastruktur</strong>besitz getrennten Aufgabenwahrnehmung<br />

durch öffentlich-rechtliche Institutionen sind deshalb befristete Verträge<br />

129


vorzuziehen. Die Teilnahme an Benchmark-Initiativen kann einen Informationsausgleich<br />

im Hinblick auf mögliche Effizienzpotentiale schaffen,<br />

wird jedoch ein weniger wirksamer Anreiz sein, als der regelmäßige<br />

Wettbewerb um den Markt. Auch hier besteht schließlich für die einzelne<br />

Kommune im Laufe der Zeit die Gefahr der Informationserosion <strong>und</strong> die<br />

Notwendigkeit, sich eigene oder beratende Fachkompetenz für die Vergabe<br />

<strong>und</strong> die Vertragskontrolle zu sichern.<br />

V. Fazit<br />

Die Gr<strong>und</strong>frage dieses Beitrags, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong> der Königsweg für die öffentliche Aufgabenerledigung in der<br />

Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung sei, ist nicht mit einem Wort zu<br />

beantworten. Als wichtigstes Kriterium wurde die Wirtschaftlichkeit der<br />

Aufgabenerledigung hervorgehoben. Jedoch ist die Wirtschaftlichkeit in<br />

Bezug setzen zu einer definierten Qualität. Da Wasser- <strong>und</strong><br />

Abwasserqualität rechtlich geregelt <strong>und</strong> vorgegeben sind, bleiben als<br />

wesentliche weitere kostenwirksame Qualitätsvariablen die<br />

Aufwendungen für Netzunterhalt <strong>und</strong> –investitionen. Die Eigentums- <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong>sstrukturen sind deshalb im Hinblick auf die Anreize zu<br />

diskutieren, die mit ihnen in Bezug auf das Investitionsverhalten <strong>und</strong> das<br />

Anstreben einer betrieblichen Kosteneffizienz verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Der Vergleich der deutschen Situation mit der privaten<br />

Aufgabenerledigung englischer Prägung weist auf deutliche Vorteile<br />

einer umfassenden zentralen Informationsbasis für eine wirtschaftliche<br />

Aufgabenerledigung hin. Es ist zu wünschen, dass die in Deutschland<br />

vorhandenen Benchmark-Initiativen hinsichtlich der Informationsbreite<br />

<strong>und</strong> –dichte ausgeweitet werden. Derzeit haben ortsübergreifend tätige<br />

Dienstleister deutliche Vorteile gegenüber der rein kommunalen<br />

Aufgabenwahrnehmung insbesondere aus der erweiterten<br />

Vergleichsmöglichkeit ihrer eigenen größeren Informationsbasis.<br />

Aufgr<strong>und</strong> ihrer Größe <strong>und</strong> ihrer Tätigkeit an verschiedenen Kommunen<br />

haben Betreiberinstitutionen weitere Vorteile in der erweiterten<br />

Möglichkeit, Aufgaben <strong>und</strong> Beschaffungsnachfrage zu bündeln. Diese<br />

Vorteile fallen umso mehr ins Gewicht, je kleiner der kommunale<br />

Aufgabenträger ist. Die Renditeerwartungen <strong>und</strong> die periodische<br />

Ausschreibung im Wettbewerb um den Markt lassen schließlich bei der<br />

<strong>Betrieb</strong>sführung durch private Betreiberunternehmen einen höheren<br />

Anreiz zur Realisierung <strong>von</strong> Effizienzpotentialen vermuten als bei<br />

Betreiberinstitutionen im öffentlich-rechtlichen Eigentum. Öffentlichrechtliche<br />

Betreiberinstitutionen, die mit privaten Betreiberunternehmen<br />

130


im Wettbewerb stehen, können ebenfalls mit Größenvorteilen operieren<br />

<strong>und</strong> sollten bei geringeren Renditeerwartungen zu vergleichbaren Kosten<br />

für den Bürger führen.<br />

Der Effizienzanreiz aus dem privaten Betreibermodell wird sich für die<br />

Kommune vor allem dann vorteilhaft auswirken, wenn es ihr gelingt,<br />

ausreichend klar ihre Zielvorstellungen in Bezug auf Netzunterhalt <strong>und</strong><br />

Investitionsaufwendungen zu formulieren <strong>und</strong> den periodischen<br />

Ausschreibungen zugr<strong>und</strong>e zu legen. Dies kann für Kommunen<br />

durchaus aufwändig sein.<br />

Auch die nicht getrennte Aufgabenwahrnehmung durch kommunale<br />

Aufgabenträger kann deshalb eine sehr günstige Option darstellen, mit<br />

der Transaktionskosten eingespart <strong>und</strong> auf lokale Siedlungs- <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsentwicklungen vergleichsweise einfach reagiert werden kann.<br />

Die lokale Flexibilität kann vorteilhaft sein, aber auch zum Nachteil<br />

ausschlagen. Vorteilhaft ist sie, wenn Effizienzpotentiale konsequent<br />

genutzt werden, die Zusammenarbeit zwischen den lokalpolitischen<br />

Entscheidungsgremien <strong>und</strong> den für die technische Dienstleistung<br />

Verantwortlichen durch Verantwortungsbereitschaft auch für die<br />

zukünftige Aufgabenerledigung geprägt ist <strong>und</strong><br />

Investitionsentscheidungen mit einer gewissen Unabhängigkeit <strong>von</strong><br />

lokalpolitischen Tagesentscheidungen getroffen werden können.<br />

Nachteilig ist sie, wenn die fehlende Unabhängigkeit <strong>von</strong> den<br />

lokalpolitischen Entscheidungsgremien die wirtschaftliche Nachhaltigkeit<br />

beeinträchtigt. Nachteilig ist sie aber auch, wenn technisches<br />

Perfektionsstreben <strong>und</strong> das Kostendeckungsprinzip zu übertrieben<br />

hohen Standards führen. Modelle, die einen begrenzten, sehr moderaten<br />

Einfluss kommunaler Gremien gewährleisten, scheinen hier Vorteile zu<br />

bieten.<br />

Zu den vorstehenden Überlegungen passen statistische Daten zur<br />

Entwicklung der <strong>Betrieb</strong>sformen in der deutschen Wasser- <strong>und</strong><br />

Abwasserwirtschaft in den vergangenen Jahren. Danach hat in der<br />

Wasserversorgung eine Zunahme sowohl des prozentualen Anteils der<br />

Verbände als auch der privatrechtlichen Organisationsformen im<br />

öffentlich-rechtlichen Bereich stattgef<strong>und</strong>en. Auch in der<br />

Abwasserentsorgung hat in den letzten Jahren die Zahl der<br />

Zweckverbände erheblich zugenommen <strong>und</strong> sich die Zahl der<br />

Regiebetriebe deutlich reduziert 28 . Damit scheinen die Initiativen zur<br />

Qualifizierung <strong>und</strong> Modernisierung der deutschen Wasserwirtschaft zum<br />

28 BGW - ATV-DVWK (2004), DWA/BGW(2006).<br />

131


einen die Lockerung der früher engen Anbindung an die lokalpolitischen<br />

Entscheidungsgremien zugunsten <strong>von</strong> Organisationsformen mit mehr<br />

Eigenständigkeit zu befördern. Zum anderen scheint sich auch ein Trend<br />

zur <strong>Betrieb</strong>sführung in größeren überörtlichen Einheiten auszubilden, die<br />

Größenvorteile realisieren können. Beides würde den hier abgeleiteten<br />

Argumenten entsprechen.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Abwasserabgabengesetz-AbwAG (2005): Gesetz über Abgaben für das Einleiten<br />

<strong>von</strong> Abwasser in Gewässer, in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar<br />

2005 (BGBl. I S. 114).<br />

Abwasserverordnung (2004): Verordnung über Anforderungen an das Einleiten <strong>von</strong><br />

Abwasser in Gewässer vom 17. Juni 2004, BGBl. I Nr. 28 vom 22. Juni 2004<br />

S. 1108; ber. 2004 S. 2625.<br />

ATT et al. (2008): Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren e. V. (ATT), B<strong>und</strong>esverband<br />

der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), Deutscher B<strong>und</strong> der<br />

verbandlichen Wasserwirtschaft e. V. (DBVW), Deutsche Vereinigung des Gas-<br />

<strong>und</strong> Wasserfaches e. V. Technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW), Deutsche<br />

Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall e. V. (DWA), Verband<br />

kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) (2008); Branchenbild der deutschen<br />

Wasserwirtschaft, wvgw Wirtschafts- <strong>und</strong> Verlagsgesellschaft Gas <strong>und</strong> Wasser<br />

mbH, Bonn.<br />

BGW – ATV-DVWK (2004): B<strong>und</strong>esverband der deutschen Gas- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft<br />

(BGW) - Deutsche Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong><br />

Abfall e. V. (DWA) Marktdaten 2003 – Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage zur<br />

Abwasserentsorgung, Aachen, Berlin, Hennef, Koblenz.<br />

BMBF (2000): B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung, Aktionskonzept nachhaltige<br />

<strong>und</strong> wettbewerbsfähige deutsche Wasserwirtschaft, Karlsruhe, März 2000.<br />

BMBF (2007): B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung, Pressemitteilung vom<br />

13.12.2007.<br />

DWA-M 143-14 (2005): Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser <strong>und</strong><br />

Abfall e.V., Merkblatt: Sanierung <strong>von</strong> Entwässerungssystemen außerhalb <strong>von</strong> Gebäuden.<br />

Teil 14: Sanierungsstrategien.<br />

DWA/BGW(2006): Deutsche Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall<br />

e. V. (DWA)/ B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft e.V. (BDEW):<br />

Wirtschaftsdaten der Abwasserentsorgung 2005.<br />

Europäisches Parlament (2006): Richtlinie zum Schutz des Gr<strong>und</strong>wassers vor Verschmutzung<br />

<strong>und</strong> Verschlechterung Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen<br />

Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 12. Dezember 2006<br />

132


EU (1985): Europäische Union, Council Resolution of 7 May 1985 on a new<br />

approach to technical harmonization and standards, Official Journal C 136 ,<br />

04/06/1985 P. 0001–0009.<br />

Geyler / Holländer (2005): Stefan Geyler u. Robert Holländer, Ein Vergleich <strong>von</strong><br />

zentralen <strong>und</strong> dezentralen Lösungen zur Abwasserentsorgung im ländlichen<br />

Raum, ICAR Discussion Papers Humboldt Universität Berlin.<br />

Haakh u.a. (2008): F. Haakh, A. Krieger <strong>und</strong> B. Gagsch, Der <strong>Betrieb</strong>svergleich<br />

kommunaler Versorgungsunternehmen als Management-Instrument, in: GWF<br />

Wasser-Abwasser, Nr. 6, S. 490 ff.<br />

Hessische Landesregierung (2006): Verordnung über das Einleiten oder Einbringen<br />

<strong>von</strong> Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen<br />

(Indirekteinleiterverordnung – VGS) vom 13. Dezember 2006 GVBl. I S. 684,<br />

verkündet am 21. Dezember 2006.<br />

Holländer u.a. (2008): R. Holländer, C. Zenker, B. Ammermüller, S. Geyler <strong>und</strong><br />

S. Lautenschläger, Kernaussagen des Gutachtens Trinkwasserpreise in Deutschland<br />

– Welche Faktoren begründen regionale Unterschiede?, Hrsg. Verband<br />

kommunaler Unternehmen e.V.<br />

Hug (2006): Christophe Hug, Eine ordentliche Ausschreibung – ein echtes<br />

benchmarking mit zuverlässigen, planbaren Effekten, in: Gesellschaft für öffentliche<br />

Wirtschaft (Hrsg.), Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft, Heft 23, <strong>Öffentliche</strong><br />

Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität <strong>und</strong> günstigen<br />

Preisen, Berlin 2006.<br />

ISO: International Standard Organisation, ISO 24510-24512<br />

Metropolitan Consulting Group (2006): VEWA – Vergleich Europäischer Wasser-<br />

<strong>und</strong> Abwasserpreise, Berlin.<br />

Rat der Europäischen Union (1998): Trinkwasserrichtlinie (DWD), Richtlinie des<br />

Rates 98/83/EG, Official Journal L 330 , 05/12/1998 P. 0032 - 0054<br />

Weltbank (1993): Water Resources Management; Weltbank (2003), Water Resources<br />

Sector Strategy; sowie Weltbank (2004), The World Bank Group’s Program<br />

for Water Supply and Sanitation, jeweils abrufbar über<br />

http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/TOPICS/EXTWAT/0,,menuPK:460<br />

2384~pagePK:149018~piPK:149093~theSitePK:4602123,00.html<br />

133


Anhang


Anhang<br />

Dieser Band der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ hat ausnahmsweise<br />

einen Anhang mit Powerpoint-Präsentationen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> technischer Probleme können nicht alle Beiträge in bewährter<br />

Form veröffentlicht werden. Die Präsentationen der Herren Stüer,<br />

Dr. Krawinkel <strong>und</strong> Hüls finden Sie nachstehend.<br />

Der Vortrag <strong>von</strong> Herrn Dr. König kann leider nicht wiedergegeben<br />

werden. Wir bitten dies zu entschuldigen.<br />

Die Herausgeber<br />

137


Raim<strong>und</strong> Stüer *<br />

Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus der Sicht<br />

des privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />

* Raim<strong>und</strong> Stüer ist Vorstand der TXLogistik AG, Bad Honnef.<br />

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Gerhard König *<br />

Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />

Aus technischen Gründen kann der Vortrag leider nicht wiedergegeben<br />

werden. Wir bitten dies zu entschuldigen. *<br />

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* Dr. Herbert König ist Geschäftsführer <strong>und</strong> Leiter des Geschäftsbereichs Erdgasvertrieb Deutsch-<br />

land der WINGAS GmbH, Kassel.<br />

* Siehe S. 137.<br />

146


Holger Krawinkel *<br />

Geschäftsmodell „Integrierte Unternehmen“ vor dem Aus?<br />

*<br />

Dr. Holger Krawinkel ist Leiter des Fachbereichs Bauen, Energie, Umwelt beim Verbraucherzentrale<br />

B<strong>und</strong>esverband in Berlin.<br />

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149


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151


Reinhold Hüls *<br />

<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen Wasserwirtschaft<br />

– im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong> privaten Betreibern<br />

* Reinhold Hüls ist Geschäftsführer der Veolia Wasser GmbH.<br />

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161


Die Teilnehmer des Symposiums<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle, Universität Gießen<br />

Frederik Aldag, DB Stadtverkehr GmbH, Frankfurt a.M.<br />

Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen<br />

Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin<br />

Dr. Achim-Rüdiger Börner, Kanzlei Börner, Köln<br />

Dr. Petra Brangsch, Kommunalpolitisches Forum, Berlin<br />

Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen<br />

Dr. Peter Breitenstein, GESA GmbH, Bonn<br />

Dr. Andreas Brenck, IGES Institut GmbH, Berlin<br />

Horst Brum, Horst Brum Unternehmensberatung, Berlin<br />

Jörg Bünning, Deloitte Consulting GmbH, Berlin<br />

Prof. Dr. Helmut Cox, Universität Duisburg<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Universität Mannheim<br />

Dr. Mark Eppe, Städtische Werke AG, Kassel<br />

Patricia Erb-Korn, Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- <strong>und</strong> Hafen GmbH, Karlsruhe<br />

Alexander Fischer, Berliner Verkehrsbetriebe, AöR<br />

Dr. Claucio Franzius, Freie Universität Berlin<br />

Prof. Dr. Rainer Freise, Deutsche Bahn AG, Frankfurt a.M.<br />

Bernd Fuchs, Münchner Stadtentwässerung, München<br />

Dr. Gerd Gebhardt, Ministerium für <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> Raumordnung des Landes Brandenburg,<br />

Potsdam<br />

Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Verband kommunaler Unternehmen, Köln<br />

Prof. Dr. Giuseppe Grossi, Universität Siena<br />

Uwe Grote, SWITCH Transit Consult GmbH, Stuttgart<br />

Dr. Frieder Haakh, Zweckverband Landeswasserversorgung Baden-Württemberg, Stuttgart<br />

Andreas Habicht, Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH<br />

Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH<br />

Prof. Dr. Jens Harms, Rechnungshof <strong>von</strong> Berlin<br />

Prof. Dr. Justus Haucap, Universität Nürnberg-Erlangen, Mitglied der Monopolkommission,<br />

Nürnberg<br />

Dr. Martin Henke, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln<br />

Prof. Dr. Roland Holländer, Universität Leipzig<br />

Reinhold Hüls, Veolia Wasser GmbH, Leipzig<br />

Otto Huter, Deutscher Städtetag, Berlin<br />

Prof. Dr. Christian Jänig, Stadtwerke Unna GmbH<br />

Prof. Dr. Dres. h.c. Helmut W. Jenkis, Universität Dortm<strong>und</strong><br />

Hubert Jung, Dortm<strong>und</strong>er Stadtwerke AG<br />

Peter Kalusche, Thüringer Rechnungshof, Rudolstadt<br />

Prof. Dr. Alfred Katz, Schneider, Geiwitz & Partner, Neu-Ulm<br />

Eric Keil, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />

Folkert Kiepe, Deutscher Städtetag, Köln<br />

Gabriele C. Klug, Transparency International, Wesel<br />

Dr. Gerhard König, WINGAS GmbH, Kassel<br />

Dr. Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>esverband, Berlin<br />

Dr. Stephan Krieger, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />

162


Dr. Markus Kroll, Deutsche Bahn AG, Berlin<br />

Wolf-Ingo Kunze, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />

Rikta Lahiri, Berlin<br />

Pranab C. Lahiri, INDIA PRESS, Berlin<br />

Wolf Leetz, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft; B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen<br />

- Deutsche Sektion des CEEP, Berlin<br />

Dr. Otmar Lell, Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>esverband, Berlin<br />

Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig<br />

Jens Libbe, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin<br />

Dr. Christian Lieberknecht, GdW B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen,<br />

Berlin<br />

Andreas Lüdtke, Rostocker Straßenbahn AG<br />

Eckard Mahlert, Hallesche Verkehrs-AG, Halle (Saale)<br />

Dr. Wolf-Rüdiger Meier, Dresdner Verkehrsbetriebe AG<br />

Reiner Metz, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln<br />

Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer<br />

Herr Müller, Stadtwerke Köln GmbH, Köln<br />

Dr. Hans-Georg Napp, Hessische Landesbank, Frankfurt a.M.<br />

Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg<br />

Dr. Christian Ochsenbauer, Deutsche Gesellschaft für das Badewesen, Essen<br />

Ulf Papenfuß, Hamburg<br />

Prof. Dr. Johann Christian Pielow, Ruhr Universität Bochum<br />

Rainer Plaßmann, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft, Brüssel<br />

Joachim Podworny, E.ON Kernkraft KBR, Eddelak<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen<br />

Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam<br />

Inge Reichert, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft, Brüssel<br />

Dr. Ralf Resch, Berliner Verkehrsbetriebe, AöR<br />

Oliver Rottmann, Universität Leipzig<br />

Dr. Stefan Ryll, Freie Universität Berlin<br />

Barbara Sak, Internationales Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrum für öffentliche Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gemeinwirtschaft - IFIG/CIRIEC, Liège<br />

Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik <strong>und</strong> Wirtschaft Berlin<br />

Bernd Schenke, Berlin<br />

Guido Schneeloch, Kölner Verkehrs-<strong>Betrieb</strong>e AG<br />

Michael Schöneich, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft; B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong><br />

Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP; Verband kommunaler Unternehmen,<br />

Berlin/Köln<br />

Sebastian Schülke, Osthannoversche Eisenbahnen AG, Celle<br />

Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität Köln<br />

Joachim Schwerd, Stadtwerke Mainz AG<br />

Mathias Siegert, Stadtwerke Nordhausen - <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Verkehrsgesellschaft mbH<br />

Thomas Singer, Mittelrheinische Treuhand GmbH / Wikom, Koblenz<br />

Raim<strong>und</strong> Stüer, TX-Logistik AG, Bad Honnef<br />

André Tegtmeier, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH<br />

Prof. Dr. Bernard Thiry, Internationales Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrum für öffentliche<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Gemeinwirtschaft - IFIG/CIRIEC, Liège<br />

Steffen Tippach, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH<br />

163


Rolf Valussi, Stadt Frankfurt / traffiq, Frankfurt a.M.<br />

Birk Völker, Veolia Verkehr GmbH, Leipzig<br />

Prof. Dr. Ludwig <strong>von</strong> Auer, Universität Trier<br />

Dr. Nicole Weiß, Verband kommunaler Unternehmen, Berlin<br />

Peter Welling, thp treuhandpartner GmbH, Krefeld<br />

Olaf Wendler, Berliner Stadtreinigungsbetriebe AöR<br />

Prof. Dr. Joachim Wieland, Universität Frankfurt a.M.<br />

164


Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />

Bisher sind erschienen:<br />

Heft 28 <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> – Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />

Wirtschaft, des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche<br />

Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes<br />

Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages (2008)<br />

Heft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft. Referate eines Symposiums<br />

der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Europäischen Zentralverbandes<br />

der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler<br />

Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen<br />

Städtetages <strong>und</strong> der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2008)<br />

Heft 26 Auswirkungen der Globalisierung auf die öffentlichen Banken – <strong>Trennung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat<br />

der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten Tagung (2008)<br />

Heft 25 Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen – Plädoyer<br />

für ein Wahlrecht der Gebietskörperschaften. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />

Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (2007)<br />

Heft 24 Die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen. Referate einer vom Wissenschaftlichen<br />

Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten<br />

Tagung (2007)<br />

Heft 23 <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität <strong>und</strong><br />

günstigen Preisen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />

Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der<br />

öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des<br />

Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages<br />

(2006)<br />

Heft 22 <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen zwischen Eigenerstellung <strong>und</strong> Wettbewerb.<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen<br />

Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft<br />

(CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher<br />

Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2005)<br />

Heft 21 Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen. Referate eines<br />

Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion<br />

des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des<br />

Verbandes kommunaler Unternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages (2004)<br />

Heft 20 Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen<br />

Dienstleistungen? Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />

Wirtschaft, des Verbandes kommunaler Unternehmen <strong>und</strong> des Deutschen<br />

Städtetages (2003)<br />

Heft 19 Rollenwechsel kommunaler Unternehmen. Referate eines Symposiums der<br />

Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. (2002)<br />

Heft 18 Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland – Bestandsaufnahme zu Beginn<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts. Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen<br />

Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) (2001)<br />

Heft 17 Sparkassen <strong>und</strong> Landesbanken in der Wettbewerbs- <strong>und</strong> Privatisierungsdiskussion.<br />

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für<br />

öffentliche Wirtschaft (1998)<br />

Heft 16 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen – eine Alternative zur Privatisierung. Referate<br />

eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> des Kommunalen<br />

Arbeitgeberverbandes Sachsen (1996)<br />

165


Heft 15 Europa, Wettbewerb <strong>und</strong> öffentliche Dienstleistungen. Bericht des CEEP <strong>und</strong><br />

Vorschläge zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />

sowie für eine Europäische Charta der Dienstleistungen <strong>von</strong> allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse (1996)<br />

Heft 14 Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb <strong>und</strong> Gemeindewirtschaftsrecht.<br />

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />

(1995)<br />

Heft 13 Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft. Stellungnahme<br />

des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1994)<br />

Heft 12 Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts – Rechtsformänderung<br />

bei den Berliner Eigenbetrieben? Referate eines Workshops<br />

der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> des Senators für Verkehr <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong>e <strong>von</strong> Berlin (1993)<br />

Heft 11 Die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Referate einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />

(1992)<br />

Heft 10 Die Auswirkungen der EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen auf<br />

die öffentlichen Unternehmen – Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Verbesserungsvorschläge.<br />

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für<br />

öffentliche Wirtschaft, Federführung: Rudolf Eiermann (1992)<br />

Heft 9 Die Unternehmen der Deutschen B<strong>und</strong>espost als juristische Personen des<br />

öffentlichen Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Postreform II. Stellungnahme<br />

des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />

Federführung: Helmut Cox (1992)<br />

Heft 8 Die Unternehmen der öffentlichen Energieversorgung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland im europäischen Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />

Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />

Paul Münch (1991)<br />

Heft 7 Die öffentlichen Eisenbahnen in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland angesichts<br />

der Vollendung des EG-Binnenmarktes. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />

Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />

Achim <strong>von</strong> Loesch (1991)<br />

Heft 6 <strong>Öffentliche</strong> Kreditinstitute in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> EG-<br />

Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft<br />

für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Peter Eichhorn (1990)<br />

Heft 5 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen <strong>und</strong> soziale Marktwirtschaft – Aktueller Handlungsbedarf<br />

im Umstrukturierungsprozeß der DDR. Gutachten des Wissenschaftlichen<br />

Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />

Dietrich Budäus (1990)<br />

Heft 4 Abfallentsorgung <strong>und</strong> ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicher Unternehmen.<br />

Referate <strong>und</strong> Diskussionsbericht einer Vortrags- <strong>und</strong> Diskussionsveranstaltung<br />

der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1989)<br />

Heft 3 Gemischtwirtschaftlichkeit <strong>und</strong> öffentliche Aufgabe. Referate <strong>und</strong> Diskussionsbeiträge<br />

einer Vortrags- <strong>und</strong> Diskussionsveranstaltung der Gesellschaft für<br />

öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> Gemeinwirtschaft (1988)<br />

Heft 2 Thesen zur künftigen Struktur der Deutschen B<strong>und</strong>espost. Stellungnahme<br />

des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Gemeinwirtschaft zur Neuordnung der Deutschen B<strong>und</strong>espost, Federführung:<br />

Helmut Cox (1988)<br />

Heft 1 Peter Eichhorn: Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> öffentliche Unternehmen<br />

(1986)<br />

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