Trennung von Infrastruktur und Betrieb - Bundesverband Öffentliche ...
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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft 28<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />
Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen –<br />
Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unter-<br />
nehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong><br />
des Deutschen Städtetages<br />
mit Beiträgen <strong>von</strong><br />
Gerd Aberle / Frieder Haak / Justus Haucap / Robert Holländer<br />
Reinhold Hüls / Christian Jänig / Hubert Jung / Holger Krawinkel<br />
Rainer Plaßmann / Raim<strong>und</strong> Stüer / Bernard Thiry<br />
Joachim Wieland<br />
Herausgegeben <strong>von</strong> der<br />
Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />
Berlin 2008
Herausgeber:<br />
Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />
Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirt-<br />
schaft, des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche<br />
Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des<br />
Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages<br />
am 6./7. Dezember 2007 in Berlin<br />
Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />
Heft 28
ISBN 3-928615-23-8<br />
Die „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ wurden bisher herausgegeben <strong>von</strong> der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft e.V. (jetzt i.L.), Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Telefon (030)<br />
852 10 45, Telefax (030) 852 51 11, E-Mail info@bvoed.de, Internet www.bvoed.de<br />
Sie werden künftig herausgegeben vom B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen –<br />
Deutsche Sektion des CEEP e.V. (Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail wie oben).<br />
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks <strong>von</strong> Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe<br />
<strong>und</strong> der Übersetzung, vorbehalten.<br />
Printed in Germany.<br />
Gesamtherstellung: Druckerei H. Schlesener KG, Berlin<br />
Berlin 2008
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />
Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche Sektion<br />
des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes<br />
Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages am<br />
6./7. Dezember 2007 in Berlin<br />
Inhalt Seite<br />
Referate im Plenum des Symposiums<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei kommunalen Versorgungsunternehmen?<br />
Justus Haucap 5<br />
Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> als Problem der<br />
Eigentumsgarantie<br />
Joachim Wieland 42<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> unter dem Aspekt<br />
Regulierung/Kontrolle der <strong>Infrastruktur</strong><br />
Bernard Thiry 53<br />
Die Entflechtungspolitik der Europäischen Kommission<br />
<strong>und</strong> deren mögliche Folgen<br />
Rainer Plaßmann 58<br />
Referate in den Workshops des Symposiums<br />
Workshop 1: Verkehrssektor<br />
Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man trennen,<br />
was technisch zusammengehört?<br />
Hubert Jung 75<br />
Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzausgliederung?<br />
Das Spannungsverhältnis zwischen innovativer Effizienz <strong>und</strong><br />
Wettbewerbssicherung<br />
Gerd Aberle 81<br />
3
Workshop 2: Energiesektor<br />
Stadtwerke als „kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>leister“<br />
Christian Jänig 91<br />
Workshop 3: Wassersektor<br />
Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />
Wasserversorgung?<br />
Frieder Haakh 105<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Bereich Wasserver-<br />
<strong>und</strong> Abwasserentsorgung – Entscheidungsrelevante Aspekte<br />
aus wissenschaftlicher Sicht<br />
Robert Holländer 112<br />
Anhang<br />
Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus Sicht des privaten<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />
Raim<strong>und</strong> Stüer 138<br />
Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />
Gerhard König 146<br />
Geschäftsmodell „Integriertes Unternehmen“ vor dem Aus?<br />
Holger Krawinkel 147<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen<br />
Wasserwirtschaft - im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong><br />
privaten Betreibern<br />
Reinhold Hüls 152<br />
Die Teilnehmer des Symposiums 162<br />
4
Justus Haucap */<br />
Vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien als Königsweg zu<br />
mehr Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft? **<br />
I. Einleitung<br />
Die mögliche eigentumsrechtliche vertikale <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netzeigentum<br />
einerseits <strong>und</strong> Diensteanbietern (welche diese Netze nutzen) andererseits<br />
wird momentan kontrovers in zahlreichen Netzindustrien diskutiert,<br />
sowohl auf politischer Ebene als auch in akademischen Zirkeln. Für die<br />
leitungsgeb<strong>und</strong>ene Energiewirtschaft hat die EU-Kommission im September<br />
2007 die strikte eigentumsrechtliche <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Stromtransportnetzen<br />
<strong>und</strong> im Gastransport <strong>von</strong> den anderen Stufen der Wertschöpfungskette<br />
vorgeschlagen. Im Bahnsektor wurde im Zuge der Teilprivatisierung<br />
der Deutschen Bahn AG, bis zu dem mittlerweile nach<br />
zähem Ringen gef<strong>und</strong>enen Kompromiss, darüber gestritten, ob die<br />
Deutsche Bahn AG als integrierter Konzern teilprivatisiert werden sollte<br />
oder aber das Schienennetz <strong>und</strong> andere <strong>Infrastruktur</strong>einrichtungen (wie<br />
Bahnhöfe) nicht besser vom Rest des Konzerns getrennt werden sollten.<br />
Diese Diskussion wird sicherlich in der Zukunft bei weiteren Privatisierungsschritten<br />
wieder aufleben. Selbst im mittlerweile seit über<br />
10 Jahren liberalisierten Telekommunikationsmarkt hat die EU-Kommission<br />
Vorschläge für eine strikte funktionelle Abtrennung <strong>und</strong> Herauslösung<br />
des Ortsnetzes aus den vertikal integrierten ehemaligen Monopolunternehmen<br />
unterbreitet. Und auch in der Wasserversorgung <strong>und</strong><br />
Abwasserentsorgung zeichnet sich eine ähnliche Diskussion ab.<br />
Diese Diskussion um die vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />
ist oftmals ideologisch aufgeladen. Die Analysen sind zumeist interessengeleitet<br />
<strong>und</strong> wenig systematisch. Auch die <strong>von</strong> der EU-Kommission<br />
selbst beauftragten Studien <strong>von</strong> London Economics 1 erwecken nicht den<br />
Eindruck einer ergebnisoffenen Analyse. Dies ist zwar aus politökonomischer<br />
Sicht interessant, aus wirtschaftspolitischer Perspektive jedoch<br />
bedauerlich.<br />
*<br />
Prof. Dr. Justus Haucap ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg.<br />
/<br />
Unter Mitwirkung <strong>von</strong> Ulrich Heimeshoff (Universität Erlangen-Nürnberg) <strong>und</strong> Andre Uhde (Ruhr-<br />
Universität Bochum).<br />
**<br />
Dank gilt den Teilnehmern des Symposiums „<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>: Königsweg<br />
öffentlicher Aufgabenerledigung?“ in Berlin für wertvolle Kommentare <strong>und</strong> Diskussionen.<br />
1<br />
London Economics/PricewaterhouseCoopers (2006); London Economics (2007).<br />
5
Es ist daher sinnvoll, ein ökonomisches Prüfschema zu entwickeln, anhand<br />
dessen die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen Entflechtung systematisch<br />
beurteilt werden können. Genau dies leistet der vorliegende<br />
Beitrag.<br />
Zu diesem Zweck werden im folgenden Abschnitt zunächst die theoretischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Liberalisierung netzbasierter Industrien erörtert,<br />
bevor im dritten Abschnitt dann die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen<br />
Entflechtung der natürlichen Monopolbereiche aus ökonomischer Perspektive<br />
analysiert werden. Darauf aufbauend wird in Abschnitt 4 das angesprochene<br />
ökonomische Prüfschema entwickelt. In Abschnitt 5 wird<br />
dieses dann auf die Bereiche Eisenbahn, Elektrizität <strong>und</strong> Wasser exemplarisch<br />
angewendet, bevor in Abschnitt 6 die Ergebnisse noch einmal<br />
zusammengefasst werden.<br />
II. Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen der Liberalisierung netzbasierter<br />
Industrien<br />
1. Einführende Aspekte<br />
Die Reformen netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien sind regelmäßig durch drei zusammenhängende<br />
<strong>und</strong> wiederkehrend auftretende Aspekte: 2 , 3<br />
1. Privatisierung ehemals staatlicher Monopolunternehmen in differierenden<br />
Umfängen 4<br />
2. Liberalisierung des Marktzutritts <strong>und</strong><br />
3. Deregulierung.<br />
In diesem Kontext spielt die Unterscheidung <strong>von</strong> Liberalisierung <strong>und</strong> Deregulierung<br />
eine bedeutende Rolle. Liberalisierung steht für die Öffnung<br />
des Marktes für neue Anbieter <strong>und</strong> somit den Abbau <strong>von</strong> Markteintrittsbarrieren.<br />
Demgegenüber impliziert Deregulierung den Abbau staatlicher<br />
Vorschriften bezüglich des Verhaltens der Marktteilnehmer. 5<br />
Die Reform netzbasierter Industrien weist gegenüber herkömmlichen<br />
Branchen den entscheidenden Unterschied auf, dass Liberalisierung<br />
2<br />
Für einen allgemeinen Überblick zum Thema Erfolge ökonomischer Liberalisierung vgl. Winston<br />
(1993); Newbery (2000) sowie Geradin (2006). Eine Zusammenfassung der Reformen des Telekommunikationssektors<br />
in Deutschland findet sich in Vogelsang (2003). Dewenter/Haucap (2004a)<br />
u. (2004b) bewerten Erfolge <strong>und</strong> Verbesserungspotenziale der Telekommunikationsliberalisierung<br />
in Deutschland.<br />
3<br />
Vgl. Haucap/Heimeshoff (2005); Haucap u.a. (2006).<br />
4<br />
Martin u.a. (2005); Brunekreeft/Knieps (2003).<br />
5<br />
Vogelsang (2003).<br />
6
nicht mit Deregulierung gleichgesetzt werden kann. Stattdessen kann in<br />
netzbasierten Industrien treffender <strong>von</strong> einer Re-Regulierung gesprochen<br />
werden. Liberalisierung umfasst zwar auch hier Deregulierung im<br />
Sinne der Privatisierung des ehemaligen staatlichen Monopolisten. Dem<br />
privatisierten Unternehmen wird folglich weitestgehende Handlungsfreiheit<br />
im Rahmen seiner Unternehmenspolitik gewährt <strong>und</strong> dementsprechend<br />
erfolgt eine Entlassung aus der Regulierung durch öffentliches<br />
Eigentum. 6 Diese deregulierenden Maßnahmen sind allerdings keineswegs<br />
ausreichend um Wettbewerb in netzbasierten Industrien zu stimulieren,<br />
da das ehemalige Staatsunternehmen nach wie vor über ein<br />
Monopol bzw. zumindest beträchtliche Marktmacht verfügt <strong>und</strong> die Kontrolle<br />
über die wesentlichen Einrichtungen der jeweiligen Branche besitzt.<br />
Genau diese monopolistischen Engpassbereiche, wie z.B. die Stromnetze<br />
im Bereich der leitungsgeb<strong>und</strong>enen Energie, bedürfen einer völligen<br />
Neuregulierung. Ohne diese Neuregulierung bzw. Re-Regulierung<br />
wird die Liberalisierung <strong>von</strong> Netzindustrien allein nicht zum Erfolg führen.<br />
Ein wesentliches Merkmal netzbasierter Industrien ist die vertikale Integration<br />
der ehemaligen Staatsmonopolisten. Beispielsweise erzeugen<br />
die großen Energieversorgungsunternehmen nicht nur Elektrizität, sondern<br />
transportieren diese auch über ihr Netz <strong>und</strong> veräußern sie entweder<br />
selbst direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften an Endk<strong>und</strong>en.<br />
Somit üben die ehemaligen Monopolisten als vertikal integrierte Eigentümer<br />
der monopolistischen Engpassbereiche mehr oder minder starken<br />
Einfluss auf ihre Nutzung aus. Beispiele für solche wesentlichen Einrichtungen<br />
sind die Teilnehmeranschlussleitung im Telekommunikationsbereich,<br />
die Leitungsnetze im Stromsektor, die Schieneninfrastruktur<br />
im Bahnbereich sowie Transport- <strong>und</strong> Verteilungseinrichtungen in der<br />
Trinkwasserversorgung. Damit Wettbewerb in netzbasierten Industrien<br />
überhaupt entstehen kann, benötigen die neuen Wettbewerber Zugang<br />
zu den wesentlichen Einrichtungen des Ex-Monopolisten. Nur so können<br />
sie Leistungen an Endk<strong>und</strong>en auf dem nachgelagerten Markt anbieten.<br />
Wie bereits zuvor angesprochen, sind die ehemaligen Staatsmonopolisten<br />
i.d.R. vertikal integrierte Unternehmen, die somit auch auf der nachgelagerten<br />
Ebene tätig sind. Für solche Unternehmen können starke Anreize<br />
bestehen, den Konkurrenten auf dem nachgelagerten Markt den<br />
Zugang zu den Bottlenecks zu verwehren <strong>und</strong> ihre Marktmacht im Netzbereich<br />
auf den nachgelagerten Markt zu übertragen. 7 (Diese vertikale<br />
Marktmachtübertragung kann zu einer vollständigen Marktabschottung<br />
6 Unter Unternehmenspolitik wird hier das gesamte Spektrum unternehmerischer Entscheidungen<br />
wie beispielsweise Preissetzung, Produktpolitik, Investitionsentscheidungen, Personalpolitik <strong>und</strong><br />
weiteren Aspekten verstanden.<br />
7 Vgl. auch Haucap/Heimeshoff (2005).<br />
7
(Foreclosure) führen. 8 Um eine solche Marktabschottung effektiv zu verhindern<br />
bzw. die vertikale Marktmachtübertragung einzudämmen, wird in<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis im Zuge der Liberalisierung netzgeb<strong>und</strong>ener<br />
Industrien gleichermaßen intensiv über eine vertikale Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener<br />
Industrien diskutiert. Dem Vorschlag zur Entflechtung wird<br />
dann regelmäßig das Argument umfassender Effizienzverluste in vertikal<br />
entflochtenen Industrien entgegengehalten. Darüber hinaus könnten reduzierte<br />
Investitionsanreize Folge vertikaler Entflechtung sein.<br />
Die klassische ökonomische Begründung zur Regulierung <strong>von</strong> Versorgungsunternehmen<br />
wird aus der Theorie natürlicher Monopole abgeleitet.<br />
9 In der ökonomischen Theorie spricht man <strong>von</strong> natürlichen Monopolen,<br />
wenn die Kostenfunktion im relevanten Bereich subadditiv ist. Der<br />
Spezialfall strikter Subadditivität liegt vor, wenn ein Unternehmen eine<br />
Leistung in bestimmtem Umfang günstiger bereitstellen kann als zwei<br />
oder mehr Unternehmen. 10 Als Ursachen subadditiver Kosten kommen<br />
unter anderem folgende Aspekte in Betracht:<br />
1. Sinkende Durchschnittskosten aufgr<strong>und</strong> steigender Skalenerträge,<br />
wobei dies eine hinreichende aber nicht notwendigerweise notwendige<br />
Bedingung für ein natürliches Monopol ist,<br />
2. Verb<strong>und</strong>- oder Dichtevorteile.<br />
Verb<strong>und</strong>- oder Dichtevorteile im lokalen Bereich sind i.d.R. die Ursache<br />
für natürliche Monopole in Netzindustrien. 11 Aus der Subadditivität der<br />
Kostenfunktion resultiert die Folge, dass die Leistungserstellung durch<br />
mehrere Unternehmen als volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung<br />
interpretiert werden muss. 12<br />
Um diese Ressourcenverschwendung zu vermeiden <strong>und</strong> die Leistungsbereitstellung<br />
durch einen einzigen Anbieter zu gewährleisten, wurden<br />
Anbietern in Netzindustrien lange Zeit Monopolrechte eingeräumt. Ein<br />
zweiter Gr<strong>und</strong> für die Einräumung <strong>von</strong> Monopolrechten bestand in der<br />
politisch gewünschten flächendeckenden Versorgung, die ohne Eingriffe<br />
aufgr<strong>und</strong> regional differierender Kosten nicht zu Einheitspreisen gewährleistet<br />
ist. Zwar konnten dadurch Skalenerträge zur Erlangung produktiver<br />
Effizienz erreicht werden, konträr dazu entstanden aber neue<br />
Ineffizienzen. Gemäß der ökonomischen Standardtheorie verknappt ein<br />
8<br />
Rey/Tirole, (2007).<br />
9<br />
Joskow/Rose (1989); Train (1991).<br />
10<br />
Panzar (1989).<br />
11<br />
Kruse (2001a) u. (2001b).<br />
12<br />
Diese Interpretation setzt voraus, dass andere Kosteneinflussgrößen nicht systematisch durch die<br />
Monopolstellung beeinflusst werden.<br />
8
gewinnorientiertes Monopolunternehmen sein Angebot künstlich, um dadurch<br />
einen gewinnmaximalen Preis erzielen zu können. Daraus entstehen<br />
jedoch allokative Ineffizienzen bzw. anders ausgedrückt wird zu<br />
wenig produziert <strong>und</strong> konsumiert. Durch diese Form der Regulierung<br />
entstehen aber nicht nur Ineffizienzen, sondern politökonomisch betrachtet<br />
auch unerwünschte Verteilungswirkungen, da im Vergleich zur<br />
Wettbewerbsituation eine Teil der Konsumentenrente zu Produzentenrente<br />
wird, was auch als Transfer <strong>von</strong> den Verbrauchern zum Monopolisten<br />
interpretiert werden kann. Prinzipiell sind solche Verteilungseffekte<br />
irrelevant für die Beurteilung der ökonomischen Effizienz, im Zeitablauf<br />
können daraus aber weitere Ineffizienzen durch Rent-seeking <strong>und</strong><br />
andere unproduktive Tätigkeiten entstehen. 13 Des Weiteren sollte die<br />
Wirkung solcher Verteilungseffekte in Bezug auf die Durchsetzung <strong>und</strong><br />
Akzeptanz <strong>von</strong> Reformen nicht unterschätzt werden. Zur Vermeidung<br />
allokativer Ineffizienzen sowie unerwünschter Verteilungseffekte wurden<br />
in den meisten Staaten die Endverbraucherpreise in Versorgungsbereichen<br />
staatlich kontrolliert (wie z.B. die Strompreise für Privatk<strong>und</strong>en in<br />
Deutschland) oder Leistungen direkt staatlich erbracht, wie z.B. im<br />
Bahnbereich oder in der Wasserwirtschaft. In diesem Kontext ist zu<br />
konstatieren, dass das Angebot <strong>und</strong> die Preise überwiegend politisch<br />
determiniert wurden.<br />
Die in den letzten Jahren zu beobachtende Liberalisierung netzbasierter<br />
Industrien in Europa ist vor allem mit den folgenden zwei Erkenntnissen<br />
zu erklären:<br />
1. Zum einen führt ein Monopol nicht nur zu allokativer Ineffizienz, sondern<br />
darüber hinaus zu ineffizienter Produktionsweise. Es kommt infolgedessen<br />
zu X-Ineffizienzen bzw. produktiver Ineffizienz. 14 Anders<br />
ausgedrückt produziert das Monopolunternehmen in einem solchen<br />
Fall zu ineffizient hohen Kosten, wodurch auch Innovationsanreize<br />
negativ beeinflusst werden können. 15<br />
2. Zum anderen betrachtet man inzwischen nicht mehr die gesamte Versorgungsbranche<br />
monolithisch als natürliches Monopol, sondern ersetzt<br />
diese traditionelle Betrachtungsweise durch einen disaggregierten<br />
Ansatz. Dabei wird die Wertschöpfungskette in ihren einzelnen<br />
Stufen betrachtet, um die Stufen zu identifizieren, die als natürliches<br />
Monopol angesehen werden müssen. 16 Im Gegensatz zum<br />
13 Tullock (1967).<br />
14 Leibenstein (1966).<br />
15 Martimort/Verdier (2004).<br />
16 Knieps (1999) u. (2002).<br />
9
10<br />
traditionellen Ansatz werden die übrigen Stufen der Wertschöpfungskette<br />
als kompetitive Bereiche angesehen.<br />
Diese beiden Aspekte sollen in den folgenden Abschnitten näher betrachtet<br />
werden.<br />
2. Effizienzprobleme<br />
Im Falle staatlicher Monopole ist insbesondere das Problem produktiver<br />
Ineffizienzen als besonders ausgeprägt anzusehen. Private Monopole<br />
arbeiten i.d.R. gewinnorientiert <strong>und</strong> haben infolgedessen ein Interesse<br />
daran, Verschwendung zu vermeiden <strong>und</strong> effizient zu produzieren. Darüber<br />
hinaus unterliegen sie zusätzlich der Kontrolle <strong>und</strong> daraus folgend<br />
der Disziplinierung der Kapitalmärkte. Demgegenüber verfolgen staatliche<br />
Monopole kein klares Gewinnmaximierungsmotiv, sondern stattdessen<br />
häufig mehrere, in Konflikt zueinander stehende, Ziele. Außerdem<br />
unterliegen sie nicht der Kontrolle sowie der disziplinierenden Wirkung<br />
<strong>von</strong> Kapitalmärkten. Verb<strong>und</strong>en mit weichen Budgetrestriktionen, laden<br />
diese Aspekte gerade zu ineffizienter Produktion ein. 17 Daraus wird deutlich,<br />
dass das Problem der produktiven Ineffizienz im Falle staatlicher<br />
Monopole besonders ausgeprägt ist. Dies wird auch nicht dadurch aufgehoben,<br />
dass die allokative Verzerrung im Vergleich zu privaten Monopolen<br />
aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Gewinnorientierung geringer sein kann. 18<br />
Wie Erfahrungen größtenteils zeigen, überwiegen die produktiven <strong>und</strong><br />
dynamischen Ineffizienzen staatlicher Monopole ihre möglichen allokativen<br />
Effizienzvorteile gegenüber gewinnorientierten privaten Anbietern<br />
bei weitem.<br />
Als Fazit bleibt, dass staatliche Monopole insgesamt weniger effizient als<br />
private Monopole sind. Aus dieser Beobachtung zu schließen, dass ein<br />
bloße Privatisierung des staatlichen Unternehmens bereits zu einer<br />
Lösung aller Effizienzprobleme führen würde, wäre hingegen zu kurz gegriffen.<br />
19 Wird ein staatliches Monopolunternehmen in Privateigentum<br />
überführt, verändert dies die Anreizstruktur des Unternehmens gr<strong>und</strong>legend.<br />
Von einer Vielzahl unter Umständen konfligierender Ziele findet<br />
ein Paradigmenwechsel hin zu einer verstärkten Gewinnorientierung<br />
17<br />
Stiglitz (1994).<br />
18<br />
Statt der Gewinnmaximierung kann z.B. <strong>von</strong> einer Umsatz- oder Budgetmaximierung ausgegangen<br />
werden, die zu einer Ausdehnung der angebotenen Menge führt <strong>und</strong> somit konträr zu der im privaten<br />
Monopol zu beobachtenden Verknappung der angebotenen Menge steht.<br />
19<br />
Dies gilt sowohl für eine Überführung in eine private Organisationsform als auch für die tatsächliche<br />
materielle Privatisierung.
statt. Die Durchsetzung derartiger Privatisierungsvorhaben setzt aber<br />
regelmäßig eine wirksame Regulierung des ehemaligen Monopolunternehmens<br />
zum Schutz der Konsumenten vor Ausbeutung voraus.<br />
Des Weiteren spielen trotz des Paradigmenwechsels, den es bei der<br />
Regulierung vieler netzbasierter Industrien mittlerweile gegeben hat,<br />
verteilungspolitische Ziele nach wie vor eine erhebliche Rolle. So hat die<br />
B<strong>und</strong>esnetzagentur in dem 2006 vorgelegten Bericht zur Anreizregulierung<br />
der Elektrizitätsnetze sehr deutlich gleich auf der ersten Seite in<br />
Textziffer (3) auf diese Verteilungsaspekte hingewiesen. Dort heißt es:<br />
„Eine Effizienzsteigerung kann dabei nicht ausschließlicher Zweck der<br />
Anreizregulierung sein. Ziel des staatlichen Eingriffs muss es auch sein,<br />
Gewinne aus natürlichen Monopolen zu begrenzen“. 20 Und in Textziffer<br />
(166) heißt es etwas ausführlicher: „Eine Effizienzsteigerung <strong>und</strong> die<br />
damit verb<strong>und</strong>ene Möglichkeit für die Unternehmen, die erzielten Gewinne<br />
einzubehalten, kann dabei nicht ausschließlicher Zweck der Anreizregulierung<br />
sein. Ziel des staatlichen Eingriffs muss es auch sein,<br />
Gewinne aus natürlichen Monopolen zu begrenzen <strong>und</strong> Effizienzgewinne<br />
an die K<strong>und</strong>en weiterzugeben. Neben ökonomischen Aspekten spielen<br />
auch Fragen der öffentlichen <strong>und</strong> politischen Akzeptanz eine Rolle. Wird<br />
ein Regulierungsregime <strong>von</strong> der Öffentlichkeit abgelehnt oder produziert<br />
es unerwünschte Ergebnisse, kann es dauerhaft nicht bestehen“. 21 In der<br />
Tat hat die empirische Arbeit <strong>von</strong> Henisz, Holburn <strong>und</strong> Zelner 22 jüngst<br />
gezeigt, dass fehlende politische Akzeptanz zu instabilen Rahmenbedingungen<br />
führt. Dies wiederum wirkt sich gerade in netzgeb<strong>und</strong>enen Industrien,<br />
welche sich durch ein hohes Maß an spezifischen Investitionen<br />
<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en irreversiblen Kosten auszeichnen, äußerst negativ<br />
auf die Investitionsanreize aus. Somit ist die politische Akzeptanz, welche<br />
durch eine faire Verteilung der Effizienzgewinne erreicht wird, nicht<br />
zwangsläufig als außerökonomisches Ziel anzusehen. Vielmehr wird<br />
durch eine faire Verteilung der Effizienzgewinne das Regulierungssystem<br />
stabilisiert <strong>und</strong> durch die dadurch abgesicherten Investitionsanreize<br />
auch die langfristige Effizienz des Marktes unterstützt. Verteilungs- <strong>und</strong><br />
Effizienzziele müssen sich somit nicht widersprechen, legt man einen<br />
institutionenökonomischen Effizienzbegriff à la Williamson 23 <strong>und</strong> Dixit 24<br />
zugr<strong>und</strong>e.<br />
20<br />
B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006), S. 13.<br />
21<br />
Ebenda, S. 46.<br />
22<br />
Henisz u.a. (2006).<br />
23<br />
Williamson (1996).<br />
24<br />
Dixit (1996).<br />
11
3. Die disaggregierte Betrachtung<br />
Neben dem Effizienzproblem ist die disaggregierte Betrachtung der<br />
Wertschöpfungskette der zweite wichtige Aspekt bei der Liberalisierung<br />
netzbasierter Industrien. Netzindustrien wie die Telekommunikationsbranche<br />
wurden lange Zeit als eine Einheit betrachtet. Eine disaggregierte<br />
Betrachtung zeigt aber, dass nicht alle Stufen der Wertschöpfungskette<br />
als natürliche Monopole zu charakterisieren sind. 25 Stattdessen<br />
wird diese Eigenschaft inzwischen nur noch den sog. Bottlenecks<br />
zugebilligt.<br />
Die theoretische Gr<strong>und</strong>lage des disaggregierten Ansatzes stellt das <strong>von</strong><br />
Baumol, Panzar <strong>und</strong> Willig 26 entwickelte Modell der bestreitbaren Märkte<br />
dar. Im Rahmen ihres Konzepts stellen sie fest, dass ein Monopol aus<br />
ordnungspolitischer Sicht unproblematisch ist, wenn das Monopol entweder<br />
temporärer Natur oder angreifbar ist. In diesem Fall würde es sich<br />
um einen bestreitbaren Markt (contestable market) handeln. Die Bestreitbarkeit<br />
eines Marktes ist dann gegeben, wenn keine Markteintrittsbarrieren<br />
existieren, die neuen Anbietern den Markteintritt erschweren<br />
bzw. ihn ausschließen <strong>und</strong> infolgedessen Ineffizienzen aufrechterhalten<br />
werden können. 27 Ist Bestreitbarkeit gegeben, können auch Monopole<br />
effizient sein <strong>und</strong> somit wäre in diesem Fall jegliche Regulierung überflüssig.<br />
Effizienz würde aufgr<strong>und</strong> des potenziellen Konkurrenzdrucks<br />
gesichert. Sind Monopole hingegen nicht temporärer Natur <strong>und</strong> auch<br />
nicht angreifbar, spricht man <strong>von</strong> resistenten natürlichen Monopolen. Bei<br />
resistenten natürlichen Monopolen sind regulatorische Eingriffe regelmäßig<br />
sinnvoll, weil der potenzielle Konkurrenzdruck fehlt. Die wesentliche<br />
Markteintrittsbarriere in Netzindustrien stellt der Aufbau <strong>von</strong> Netzinfrastrukturen<br />
dar, der erhebliche spezifische Investitionen bedingt.<br />
Diese spezifischen Investitionen verursachen versunkene Kosten, die<br />
sich auch bei einem möglichen Marktaustritt nicht vermeiden lassen.<br />
Im Rahmen des disaggregierten Ansatzes wird untersucht, welche Stufen<br />
der Wertschöpfungskette kompetitiv ausgestaltet werden können <strong>und</strong><br />
welche resistente natürliche Monopole darstellen. Dazu werden die jeweiligen<br />
Wertschöpfungsketten vertikal aufgegliedert. Im Anschluss kann<br />
dann grob zwischen der <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> den mit Hilfe dieser <strong>Infrastruktur</strong><br />
erbrachten Diensten unterschieden werden. Etwas detaillierter kann<br />
25 Knieps (1997) u. (1999).<br />
26 Baumol (1982).<br />
27 Vgl. auch <strong>von</strong> Weizsäcker (1980) u. (2005); McAfee u.a. (2004).<br />
12
Tabelle 1: Subadditivität, Irreversibilität <strong>und</strong> Monopolresistenz in<br />
ausgewählten Bereichen<br />
Branche Produktionsstufe, TeilSub-additiMarkt-IrreverMonopolbereichvität*sibilität Resistenz<br />
1 2 3 4 5<br />
Telekommunikation Teilnehmeranschlussleitung ja** hoch<br />
noch<br />
(Festnetz)<br />
Verbindungsnetz<br />
nein gering<br />
nein<br />
Endgeräte<br />
nein gering<br />
nein<br />
Strom Erzeugung<br />
nein gering<br />
nein<br />
Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />
hoch<br />
ja***<br />
Vertrieb<br />
nein gering<br />
nein<br />
Gas Produktion/Import<br />
nein gering<br />
nein<br />
Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />
hoch<br />
ja<br />
Trinkwasser Gewinnung<br />
evtl. evtl.<br />
evtl.<br />
Aufbereitung<br />
nein nein<br />
nein<br />
Transport <strong>und</strong> Verteilung ja<br />
hoch<br />
ja<br />
Abwasser Kanalisation<br />
ja<br />
hoch<br />
ja<br />
Aufbereitung<br />
nein gering<br />
nein<br />
Briefe, Pakete Annahme, Transport nein gering<br />
Nein<br />
Zustellung<br />
evtl. gering<br />
nein<br />
Kabelfernsehen Programm<br />
nein gering<br />
nein<br />
Distribution<br />
ja<br />
hoch<br />
ja<br />
Schienenverkehr Schienennetz<br />
ja<br />
hoch<br />
Ja<br />
(Eisenbahn) Personenverkehr bei:<br />
- geringer Verkehrsdichte ja<br />
gering<br />
nein<br />
- hoher Verkehrsdichte nein gering<br />
nein<br />
Güterverkehr<br />
nein gering<br />
nein<br />
U-/Straßen-Bahn Wege <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ja hoch Ja<br />
Busverkehr bei geringer Verkehrsdichte ja<br />
gering<br />
nein<br />
bei hoher Verkehrsdichte nein gering<br />
nein<br />
Flugverkehr Flughäfen<br />
evtl. hoch<br />
evtl.<br />
gesamtes Liniennetz nein gering<br />
nein<br />
einzelne Relationen ja<br />
gering<br />
nein<br />
Schifffahrt Häfen<br />
evtl. hoch<br />
evtl.<br />
Verkehr<br />
nein gering<br />
nein<br />
Quelle: Die Übersicht stellt eine anhand eigener Recherchen überarbeitete Version <strong>von</strong> Kruse<br />
(1985), S. 66 dar.<br />
* Natürlich besteht in fast jedem Industriezweig für einen bestimmten Bereich sehr geringer Nachfragemengen<br />
eine Subadditivität der Kostenfunktion (nämlich bis die mindestoptimale <strong>Betrieb</strong>sgröße<br />
erreicht ist). Von daher beziehen sich die Angaben auf typische Nachfragegrößen außerhalb<br />
<strong>von</strong> dünn besiedelten ländlichen Bereichen in Deutschland. Auf einer kleinen entlegenen Südseeinsel<br />
ist fast jegliche Produktion ein natürliches Monopol.<br />
** Über die Subadditivität der Kostenfunktion im TK-Ortsnetz gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen<br />
(vgl. Correa (2003), Shin/Ying (1992).<br />
*** Die Monopolresistenz im Bereich des Stromtransports <strong>und</strong> der Stromverteilung kann sich jedoch<br />
auflösen, wenn die Kosten für sog. Mikro-Power-Anlagen weiter sinken, welche Transport <strong>und</strong><br />
Verteilung weitgehend überflüssig machen.<br />
zwischen Netzleistungen (Erstellung, <strong>Betrieb</strong>, Instandhaltung der Netzinfrastruktur),<br />
Steuerungsleistungen (z.B. Trassenallokation, Fahrplanmanagement),<br />
vorgelagerten Leistungen (z.B. Energieerzeugung, Trinkwasseraufbereitung,<br />
Posteinsammeln) <strong>und</strong> nachgelagerten Leistungen<br />
13
(z.B. Vertrieb, Verteilung, Entsorgung) differenziert werden. Dabei stellen<br />
Netz- <strong>und</strong> Steuerungsleistungen oftmals resistente natürliche Monopolbereiche<br />
dar, zu denen Wettbewerber auf vor- oder nachgelagerten<br />
Märkten Zugang benötigen. Ohne Zugriff auf die entsprechenden<br />
wesentlichen Einrichtungen wie z.B. die Stromnetze im Elektrizitätsbereich<br />
oder dem Schienennetz der Bahn zu bekommen können potenzielle<br />
Wettbewerber nicht auf den jeweiligen vor- oder nachgelagerten<br />
Märkten ihre Dienste anbieten. In Anlehnung an Kruse 28 lässt sich eine<br />
disaggregierten Betrachtung netzbasierter Industrien, wie in vorangehender<br />
Tabelle 1, dargestellt vornehmen.<br />
4. Vertikale Marktabschottung<br />
Wird der Zugang zu wesentlichen Einrichtungen nicht durch eine Regulierungsbehörde<br />
durch adäquate Maßnahmen sichergestellt, besteht für<br />
den etablierten Anbieter die Möglichkeit <strong>und</strong> darüber hinaus der Anreiz,<br />
Wettbewerber durch überhöhte Netzzugangsentgelte vom nachgelagerten<br />
Markt fernzuhalten. 29 Um eine solche vertikale Marktabschottung auf<br />
nachgelagerten Dienstemärkten zu vermeiden, enthält der regulatorische<br />
Rahmen vieler netzbasierter Industrien Vorschriften, die den Zugang zu<br />
wesentlichen Einrichtungen ermöglichen sollen. 30<br />
Die Diskussion der spezifischen Charakteristika netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />
zeigt, dass im Hinblick auf Diskriminierungspotenziale die vertikale<br />
Industriestruktur ein wesentlicher Einflussfaktor ist. Bei der Analyse der<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteile vertikaler Entflechtung in Netzindustrien, sollten<br />
neben der Betrachtung <strong>von</strong> Diskriminierungspotenzialen vor allem aber<br />
auch Anreize für eine effiziente Investitionstätigkeit des <strong>Infrastruktur</strong>anbieters<br />
im Mittelpunkt der Analyse stehen. Im folgenden Kapitel werden<br />
zunächst theoretische Erwägungsgründe für oder gegen die vertikale<br />
Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien diskutiert.<br />
28 Kruse (1985).<br />
29 Die Theorie der Inputpreisdiskriminierung <strong>und</strong> vertikalen Marktabschottung soll hier nicht im Detail<br />
dargestellt werden. Stattdessen sei auf Haucap/Heimeshoff (2005) sowie Rey/Tirole (2007) <strong>und</strong> die<br />
dort zitierte Literatur verwiesen.<br />
30 Für weitere Details siehe Haucap/Heimeshoff (2005).<br />
14
III. Vertikale Integration <strong>und</strong> Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />
aus ökonomischer Perspektive<br />
Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, ist ein diskriminierungsfreier<br />
Netzzugang elementar für einen Wettbewerb auf den vor-<br />
<strong>und</strong> nachgelagerten Märkten <strong>von</strong> Netzindustrien. Gleichsam werden die<br />
Missbrauchspotenziale aus einer zusätzlich vertikalen Marktabschottung<br />
des Netzbetreibers als beträchtlich <strong>und</strong> wettbewerbspolitisch nur schwer<br />
lösbar angesehen. Die vertikale Disintegration oder auch vertikale Entflechtung<br />
(vertical unb<strong>und</strong>ling) stellt eine Marktstrukturregulierung dar,<br />
die sich gegen diese in Netzindustrien oftmals historisch gewachsene<br />
vertikale Konzentration auf zwei oder mehreren verb<strong>und</strong>enen Märkten<br />
richtet. Im Sinne des disaggregierten Ansatzes 31 ist es das Ziel dieser<br />
wettbewerbspolitischen Maßnahme, die wettbewerbsfähigen <strong>von</strong> den<br />
monopolistischen Bereichen einer netzgeb<strong>und</strong>enen Industrie zu trennen.<br />
In diesem Zuge gilt es, die industrielle Wertschöpfungskette funktional in<br />
die Bereiche der Netzinfrastruktur (Transport, Verteilung), der vorgelagerten<br />
Produktionsstufen (Upstream-Aktivitäten, Erzeugung) <strong>und</strong> der<br />
nachgelagerten Produktionsstufen (Downstream-Aktivitäten, Versorgung,<br />
Dienstleistungen) aufzugliedern. Im Hinblick auf den Intensitätsgrad der<br />
Entflechtung sowie ihre wettbewerbsökonomische Wirkung lassen sich<br />
die folgenden vier Desintegrationsansätze differenzieren 32 .<br />
Unb<strong>und</strong>ling of Accounts. Die buchhalterische Aufspaltung des zu regulierenden<br />
Unternehmens in die idealtypischen Einzelkonten der Erzeugung,<br />
des Netzbetriebs <strong>und</strong> der Versorgung beschreibt die schwächste der<br />
möglichen Desintegrationsmaßnahmen, da lediglich eine nach zuvor definierten<br />
Funktionsbereichen des Unternehmens getrennte Rechnungslegung<br />
vorgeschrieben wird ohne tiefer in die Unternehmensorganisation<br />
<strong>und</strong> -aktivitäten einzugreifen. Das wesentliche Ziel einer solchen bilanziellen<br />
Entflechtung ist es, die Kosten für den Netzbetrieb <strong>von</strong> den Kosten<br />
für Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung zu trennen <strong>und</strong> auf diese Weise für<br />
ein höheres Maß an Transparenz für die Berechnung des Netzzugangsentgelts<br />
zu sorgen. Obwohl die Bilanzierung der zukünftigen Unternehmensaktivitäten<br />
in der Art <strong>und</strong> Weise zu erfolgen hat, als ob es sich bei<br />
den bilanziell getrennten Funktionsbereichen um selbstständig wirtschaftende<br />
Segmente des Unternehmens handelt, bleiben die internen<br />
Organisationsabläufe, die rechtlichen Beziehungen nach innen <strong>und</strong><br />
außen sowie die Eigentumsverhältnisse de facto <strong>von</strong> der Entflechtung<br />
unberührt. Zudem kann eine <strong>Trennung</strong> der Rechnungslegung nur dann<br />
31 Vgl. Knieps (1999).<br />
32 Vgl. zu den weiteren Ausführungen auch Monopolkommission (2003), Tz. 811.<br />
15
eine erhöhte Transparenz der Kostenstruktur sowie die Offenlegung<br />
wettbewerbsverzerrender Quersubventionen (interne Verrechnungspreise)<br />
zwischen den Funktionsbereichen bewirken, wenn einem solchen<br />
Verfahren ein übermäßiger Grad an bilanziellen Ansatz- <strong>und</strong> Bewertungswahlrechten<br />
nicht entgegensteht. Aus wettbewerbsökonomischer<br />
Sicht darf die buchhalterische <strong>Trennung</strong> demzufolge als eine notwendige,<br />
jedoch keinesfalls als eine hinreichende Bedingung für die Sicherstellung<br />
eines diskriminierungsfreien Netzzugangs beschrieben werden.<br />
Management Unb<strong>und</strong>ling. Eine im Vergleich zum Unb<strong>und</strong>ling of<br />
Accounts weitergehende Entflechtungsmaßnahme stellt die zusätzliche<br />
Verpflichtung des betroffenen Unternehmens zur eigenständigen Organisation<br />
der Netzinfrastruktur als eine separate Unternehmenssparte dar.<br />
Aus wettbewerbsökonomischer Perspektive besteht das Ziel dieser<br />
Maßnahme darin, die Unabhängigkeit der Netzinfrastruktur <strong>von</strong> den anderen<br />
Unternehmenssegmenten (Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung) noch<br />
weiter zu erhöhen <strong>und</strong> mithin das Diskriminierungspotenzial gegenüber<br />
Newcomern bei der Überlassung des Netzzugangs zu verringern. Dieses<br />
Potenzial lässt sich durch eine organisatorische Abspaltung der Netzinfrastruktur<br />
jedoch nicht vollständig einschränken, da die einzelnen<br />
separierten Sparten noch immer dem Weisungsrecht der hierarchisch<br />
übergeordneten Unternehmensführung unterworfen sind.<br />
Legal Unb<strong>und</strong>ling. Im Zuge der (gesellschafts-) rechtlichen Entflechtung<br />
sind die verschiedenen Bereiche des zu regulierenden Unternehmens zu<br />
separieren, wobei nun jedoch die Organisation der Segmente in eigenständige<br />
Rechtsformen erfolgt, deren Aktien (Stimmrechte) <strong>von</strong> einer<br />
Holding vorgehalten werden, die typischerweise durch die Muttergesellschaft<br />
verkörpert wird. Die Unabhängigkeit des auf diese Weise neu<br />
geschaffenen Netzbetreiberunternehmens soll dadurch sicher gestellt<br />
werden, dass eine gemeinsame Führung mit anderen Unternehmenssegmenten<br />
(Erzeugung, Versorgung) durch Personalunion ausgeschlossen<br />
<strong>und</strong> der Informationsaustausch zwischen diesen Bereichen mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> so genannten Chinese Walls erschwert wird. Eine vollkommene<br />
Unabhängigkeit lässt sich jedoch auch durch eine rechtliche Entflechtung<br />
nicht erreichen, da die Netzinfrastrukturgesellschaft noch immer der uneingeschränkten<br />
Entscheidungsgewalt des hierarchisch übergeordneten<br />
Vorstands der Holding unterliegt.<br />
Ownership Unb<strong>und</strong>ling. Den tiefsten wirtschaftspolitischen Eingriff verkörpert<br />
die eigentumsrechtliche Entflechtung des betroffenen Unternehmens.<br />
Wie im Zuge des Legal Unb<strong>und</strong>ling wird die Netzinfrastruktur<br />
institutionell separiert, wobei sie jedoch zusätzlich aus dem bisherigen<br />
16
Unternehmensverb<strong>und</strong> ausgegliedert wird <strong>und</strong> das Eigentum anschließend<br />
in die Hände außenstehender Dritter als neue Anteilseigner übergeht.<br />
Unter Vernachlässigung allgemeiner Effizienzüberlegungen ist<br />
diese Art <strong>von</strong> Entflechtung aus einer rein wettbewerbsorientiertenSicht<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich zu begrüßen, da die Anreize der Netzbetreiber, potenzielle<br />
Wettbewerber zu diskriminieren, aufgr<strong>und</strong> der nun geschaffenen vollständigen<br />
Unabhängigkeit der Netzinfrastruktur entfallen.<br />
Es ist also festzuhalten, dass eine vertikale Entflechtung am besten<br />
geeignet ist, das Diskriminierungspotenzial zu bändigen <strong>und</strong> eine vertikale<br />
Marktabschottung zu verhindern. Was also spricht dann gegen eine<br />
solche Entflechtung? Neben juristischen Argumenten gibt es auch eine<br />
Reihe <strong>von</strong> ökonomischen Aspekten, welche gegen eine vertikale Entflechtung<br />
netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien sprechen können: 33<br />
a) Zunächst gilt es zu betonen, dass die vertikale Entflechtung zwar das<br />
Problem der vertikalen Marktabschottung zu lösen vermag, doch<br />
unabhängig da<strong>von</strong> dürfte das Problem monopolistischer Netzzugangsentgelte<br />
auch im Falle nicht integrierter Monopolanbieter bestehen<br />
bleiben. Dies liegt daran, dass sich ein gewinnmaximierendes<br />
Unternehmen selbst bei einer verpflichtenden Offenlegung <strong>von</strong> Informationen<br />
aus der internen <strong>und</strong> externen Rechungslegung im Zuge<br />
des Management oder Legal Unb<strong>und</strong>ling weiterhin opportunistisch<br />
verhalten wird <strong>und</strong> bewusst Informationen verzerrt. 34 Begünstigt durch<br />
eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Regulierungsbehörden<br />
<strong>und</strong> betroffenen Unternehmen bleibt die Preisdiskriminierung<br />
des Netzbetreibers aus Sicht der Behörde somit weiterhin intransparent.<br />
Zwar kann die Behörde nun die Festsetzung der Netzzugangsentgelte<br />
beobachten, ob diese die tatsächliche Kostenstruktur<br />
des Unternehmens widerspiegeln <strong>und</strong> ob ggf. Rabatte an integrierte<br />
Diensteanbieter vergeben werden, ist für sie jedoch weiterhin nur sehr<br />
schwer zu erkennen. 35<br />
b) Ein zweites Argument gegen eine vertikale Entflechtung des integrierten<br />
Betreibers einer wesentlichen Einrichtung ist der etwaige Verlust<br />
<strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen (economies of scope). Solche Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
lassen sich in vertikalen Netzindustrien oftmals dadurch erzielen, dass<br />
vor- <strong>und</strong> nachgelagerte Stufen der Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung, zwischen<br />
denen sonst Marktbeziehungen bestehen würden, in einer<br />
Wertschöpfungskette stehen <strong>und</strong> somit eine gemeinsame Produktion<br />
33 Vgl. z.B. Bühler (2004) u. (2005).<br />
34 Vgl. Phlips (1983).<br />
35 Vgl. auch Haucap/Heimeshoff (2005), S. 8.<br />
17
18<br />
<strong>von</strong> Netzinfrastruktur <strong>und</strong> netzgeb<strong>und</strong>enen Dienstleistungen erfolgt. 36<br />
Zudem lassen sich je nach Grad der Unsicherheit, Häufigkeit <strong>und</strong><br />
Faktorspezifität <strong>von</strong> Transaktionen zwischen den Wertschöpfungsstufen<br />
die hierdurch entstehenden Transaktionskosten durch eine<br />
vertikale Integration reduzieren. 37 Im Sinne eines efficiency tradeoff<br />
38 s sind demzufolge die allokativ-statischen Effizienzverluste aus<br />
verlorenen Verb<strong>und</strong>vorteilen <strong>und</strong> Transaktionskostenersparnissen<br />
gegenüber den möglichen dynamischen Effizienzgewinnen aus einem<br />
potenziellen Wettbewerb bei vertikaler Entflechtung abzuwägen.<br />
c) Ein drittes Argument gegen die vertikale Entflechtung ergibt sich aus<br />
der Möglichkeit steigender Preise infolge des Problems der doppelten<br />
Marginalisierung, wobei das Ausmaß der Preissteigerung <strong>von</strong> der<br />
Regulierung der Netzzugangsentgelte, <strong>von</strong> der jeweiligen Ausgestaltung<br />
der Verträge zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong> Diensteanbietern <strong>und</strong><br />
vom Grad der Imperfektion des Wettbewerbs im Endk<strong>und</strong>enmarkt abhängt.<br />
So könnte der Netzbetreiber nach erfolgter Entflechtung <strong>und</strong> je<br />
nach Ausgestaltung der Netzzugangsregulierung einen über den<br />
Grenzkosten liegenden Preis (mark-up pricing) für sein Produkt, also<br />
den Zugang zu seiner Netzinfrastruktur <strong>und</strong> deren Nutzung, <strong>von</strong> den<br />
Diensteanbietern verlangen. Das wird typischerweise auch der Fall<br />
sein, da ein Grenzkostenpreis in einer so fixkostenintensiven Bereich<br />
wie der Netzinfrastruktur nicht kostendeckend im Regelfall ist. Daher<br />
beinhalten die typischen auf Kostenbasis regulierten Zugangspreise<br />
wie z.B. die Kosten der effizienten Leistungserstellung (KEL) nach<br />
dem Telekommunikationsgesetz (TKG) Gemeinkostenzuschläge auf<br />
die langfristigen Zusatzkosten. De facto dürften die Zugangspreise<br />
aufgr<strong>und</strong> der bekannten Fix- <strong>und</strong> Gemeinkostenproblematik fast<br />
immer über den Grenz- oder Inkrementalkosten liegen. Je nach Ausmaß<br />
des Wettbewerbs im Endk<strong>und</strong>enmarkt werden die Diensteanbieter<br />
dann wieder einen über Grenzkosten liegenden Preisaufschlag<br />
kalkulieren, der den Endverbraucherpreis sukzessive erhöht. Insgesamt<br />
wird somit ein zweistufiger Preisaufschlag realisiert werden, der<br />
im Fall vertikaler Integration nur einstufig erfolgen würde.<br />
d) Ein letztes, jedoch innerhalb der ökonomischen Fachliteratur zentrales<br />
Argument gegen die vertikale Entflechtung, wird in einem aus der<br />
Separation resultierenden Unterinvestitionsrisiko gesehen. 39 Der mög-<br />
36<br />
Vgl. Knieps (2001), S. 25; Rottenbiller (2002), S. 52.<br />
37<br />
Ebenso werden die aus einer vertikalen Entflechtung resultierenden Reorganisationskosten für das<br />
betreffende Unternehmens vermieden.<br />
38<br />
Vgl. Brunekreeft/Keller (2001), S. 8.<br />
39<br />
Vgl. bspw. Bühler u.a. (2004), S. 253 ff.
liche Rückgang <strong>von</strong> Investitionen sowohl auf Seiten des Netzinfrastrukturbetreibers<br />
als auch in vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten lässt<br />
sich auf folgende drei theoretische Ursachen zurückführen:<br />
1. Investitionen des Netzbetreibers in die Netzinfrastruktur sind als<br />
spezifische Investitionen zu kennzeichnen, die sich dadurch auszeichnen,<br />
dass sie zu einem großen Teil marktirreversibel, also<br />
sunk costs, sind. Im Zuge einer vertikalen Entflechtung besteht nun<br />
die Gefahr, dass sich der investierende Netzbetreiber zukünftig nur<br />
noch einen Teil seiner Investitionsrente aneignen kann. Antizipieren<br />
rationale Investoren dieses Risiko, werden sie in der Folge zu<br />
wenig oder überhaupt nicht in den Aufbau oder Ausbau bzw. die<br />
Erhaltung der Netzinfrastruktur investieren.<br />
2. Der Betreiber einer wesentlichen Einrichtung verfügt im Anschluss<br />
an eine vertikale Entflechtung nur mehr über einen begrenzten<br />
Einfluss auf die Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise, wobei die Nutzung<br />
seiner <strong>Infrastruktur</strong>leistungen <strong>und</strong> somit typischerweise seine<br />
Erlöse jedoch <strong>von</strong> der Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise <strong>und</strong> der<br />
Dienstevermarktung im Endk<strong>und</strong>enmarkt abhängen. Unter diesen<br />
Umständen dürfte die Investitionsbereitschaft ebenfalls sinken.<br />
3. Eine vertikale Separation der Netzinfrastruktur erhöht sukzessive<br />
die Koordinations- <strong>und</strong> Verhandlungskosten zwischen dem Netzbetreiber<br />
<strong>und</strong> den Diensteanbietern auf der nachgelagerten Stufe.<br />
Diese Transaktionskosten können ebenso die Investitionsanreize<br />
des Netzbetreibers schmälern.<br />
Bei einer regulatorischen oder wirtschaftspolitischen Entscheidung für<br />
oder gegen eine vertikale Entflechtung kommt es also darauf an zu prüfen,<br />
inwiefern die oben angeführten Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen<br />
Entflechtung im Einzelfall tragen. Es muss betont werden, dass die einzelnen<br />
Argumente für <strong>und</strong> gegen eine vertikale Entflechtung nicht für alle<br />
netzgeb<strong>und</strong>enen Industrien gleichermaßen gelten. Pauschale Urteile für<br />
oder gegen eine vertikale Entflechtung sind somit in jedem Fall fehl am<br />
Platz.<br />
Zu prüfen ist vielmehr, inwiefern (a) überhaupt ein dauerhaft resistentes,<br />
natürliches Monopol vorliegt, (b) Wettbewerb auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />
Märkten überhaupt möglich ist, (c) welches Diskriminierungspotenzial<br />
die Betreiber wesentlicher Einrichtungen haben <strong>und</strong> wie einfach oder<br />
schwierig dieses durch Regulierungsbehörden kontrolliert werden kann,<br />
(d) welche Verb<strong>und</strong>vorteile bei einer Entflechtung verloren gehen, (e) wie<br />
19
die Investitionsanreize beeinflusst werden, (f) welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten<br />
entstehen <strong>und</strong> (g) welche anderen Faktoren (z.B. juristischer<br />
oder politischer Natur) es zu bedenken gilt.<br />
IV. Ein Prüfschema für die Entflechtung netzgeb<strong>und</strong>ener Industrien<br />
Die Kernfrage in der Debatte eines Pro oder Contra vertikaler Entflechtung<br />
muss aus ökonomischer Sicht also zunächst lauten, welches<br />
Potenzial für einen Wettbewerb auf dem einem vor- oder nachgelagerten<br />
Markt in welcher netzgeb<strong>und</strong>enen Industrie zu erwarten ist. Ist das<br />
Potenzial für Wettbewerb auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten gering,<br />
gibt es aus rein ökonomischer Sicht weitaus weniger Gründe für eine<br />
vertikale Entflechtung.<br />
Selbst wenn Wettbewerb auf einem Markt sich nicht realisieren lässt,<br />
kann jedoch Wettbewerb um einen Markt in Form einer Ausschreibung<br />
sinnvoll sein, 40 d.h. wird das Potenzial für Wettbewerb auf einem vor-<br />
oder nachgelagerten Markt als eher gering eingeschätzt, kann ein Wettbewerb<br />
um einen Markt über Ausschreibungen Effizienzpotenziale<br />
heben. Hier ließen sich ggf. auch Teilleistungen ausschreiben, z.B. um<br />
den Wettbewerb um einzelne Dienste in einer Ausschreibung zu intensivieren.<br />
So könnte der Netzbetrieb als Leistung A unabhängig <strong>von</strong> der<br />
Erbringung eines Dienstes B über dieses Netz ausgeschrieben werden.<br />
Das Problem ist jedoch, dass so ggf. Verb<strong>und</strong>vorteile nicht realisiert<br />
werden.<br />
Besteht Unsicherheit bzgl. des Ausmaßes möglicher Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
zwischen A <strong>und</strong> B, so könnte die Ausschreibung den Netzbetrieb <strong>und</strong> die<br />
Dienste zusammen (A <strong>und</strong>B) oder jeweils separat als Leistung A <strong>und</strong><br />
Leistung B umfassen. Liegen signifikante Verb<strong>und</strong>vorteile vor, so werden<br />
Teilnehmer einer Ausschreibung bessere Gebote für einen gemeinsamen<br />
<strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Netzen <strong>und</strong> Diensten abgeben. Sind die Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
hingegen nicht signifikant, werden diejenigen die besten Gebote<br />
abgeben, die z.B. aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Spezialisierungsvorteilen am kostengünstigsten<br />
operieren können. Der wesentliche Vorteil eines solchen<br />
Ausschreibungsverfahrens liegt dann in der Tatsache, dass etwaige<br />
Verb<strong>und</strong>vorteile durch den Bieterwettbewerb, also quasi experimentell,<br />
ermittelt werden können.<br />
40 Vgl. schon Demsetz (1968).<br />
20
Eine differenzierte Analyse ist auch im Hinblick auf das Diskriminierungspotenzial<br />
<strong>von</strong> Nöten. Die Frage ist hier, wie einfach oder schwierig<br />
es für Regulierungsbehörden aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Informationsasymmetrien ist,<br />
eine faktische Diskriminierung zu erkennen <strong>und</strong> effektiv zu unterbinden.<br />
Auch was die mögliche Veränderung möglicher Investitionsanreize angeht,<br />
gilt es <strong>von</strong> Fall zu Fall zu prüfen, wie diese durch eine Entflechtung<br />
tangiert werden. So spielt bspw. das Unterinvestitionsproblem im Bahnbereich<br />
eine nur untergeordnete Rolle, da Investitionen in die Netzinfrastruktur<br />
zu einem überwiegenden Teil durch die öffentliche Hand<br />
subventioniert werden. 41 Zudem lässt sich die Reduktion der Investitionsanreize<br />
bei vertikaler Entflechtung durch eine adäquat ausgestaltete<br />
Regulierung mildern oder sogar beseitigen. So können z.B. Rate-of-<br />
Return- oder Return-on-Ouput-Regulierungen das Unterinvestitionsproblem<br />
reduzieren, da diese Art der Netzzugangsregulierung die Investitionsanreize<br />
des Netzbetreibers tendenziell erhöht. Die Ausgestaltung<br />
der Entgeltregulierung ist somit nicht unabhängig <strong>von</strong> der Frage, ob eine<br />
vertikale Entflechtung stattfindet order nicht.<br />
Des Weiteren sollte bedacht werden, dass nach einer vertikalen Entflechtung<br />
typischerweise eine wesentlich weniger eingriffstiefe Regulierung<br />
notwendig wird, da das besonders schwierig zu beherrschende<br />
Diskriminierungsproblem stark gemildert wird. Daher müssen reduzierte<br />
Regulierungskosten ebenfalls in eine Wohlfahrtsberechnung einfließen.<br />
Auf der anderen Seite sind jedoch auch politische Transaktionskosten zu<br />
beachten, welche durch eine Entflechtung möglicherweise entstehen<br />
können. Wie Williamson 42 <strong>und</strong> Dixit 43 verdeutlicht haben, sollte ein<br />
institutionenökonomischer Effizienzbegriff auch politische Transaktionskosten<br />
berücksichtigen <strong>und</strong> politisch umsetzbare Lösungen miteinander<br />
vergleichen, nicht jedoch idealtypische Lehrbuchlösungen, welche ggf.<br />
nicht realisiert werden können. Dies impliziert z.B. auch, dass bestehende<br />
gr<strong>und</strong>gesetzliche Bestimmungen (wie der Schutz des Privateigentums)<br />
zu beachten sind bzw. die Transaktionskosten zu bedenken<br />
sind, welche sich durch eine Änderung oder gar Missachtung solcher<br />
politisch determinierter Nebenbedingungen ergeben.<br />
Somit schlagen wir für die Beurteilung der vertikalen Entflechtung ein<br />
mehrstufiges Bewertungsschema vor, das auf den folgenden sieben<br />
Fragen aufbaut:<br />
41<br />
Vgl. Monopolkommission (2006), Tz. 17.<br />
42<br />
Williamson (1996).<br />
43<br />
Dixit (1996).<br />
21
(1) Liegt in der betrachteten Industrie dauerhaft ein resistentes natürliches<br />
Monopol (z.B. im Netzbereich) vor? Wenn nicht, sollte keine<br />
Entflechtung erfolgen.<br />
(2) Ist Wettbewerb auf vor oder nachgelagerten Märkten wahrscheinlich?<br />
Falls nicht, sollte eine zwangsweise vertikale Entflechtung nicht<br />
erfolgen.<br />
(3) Sind die Diskriminierungsmöglichkeiten vertikal integrierter Anbieter<br />
für Regulierungsbehörden relativ leicht zu kontrollieren (z.B. bei reiner<br />
Preisdiskriminierung) oder eher schwierig zu begrenzen (z.B. bei<br />
vielfältigen Möglichkeiten nicht-preislicher Diskriminierung)? Bei<br />
einer relativ einfachen Kontrolle durch Regulierungsbehörden, sollte<br />
eine vertikale Entflechtung nur erfolgen, wenn damit keine anderen<br />
Effizienzverluste verb<strong>und</strong>en sind.<br />
(4) Welche Verb<strong>und</strong>vorteile gehen verloren <strong>und</strong> sind dies auch<br />
volkswirtschaftliche Effizienzverluste (im Gegensatz zu rein<br />
betriebswirtschaftlichen Kosten)? Sind diese Verluste signifikant,<br />
müssen auch die zu erwartenden Effizienzgewinne aus dem<br />
zunehmenden Wettbewerb signifikant sein, um eine Entflechtung zu<br />
rechtfertigen.<br />
(5) Werden Anreize zu effizientem Investitions- <strong>und</strong> Innovationsverhalten<br />
durch eine vertikale Entflechtung negativ verändert? Wenn ja, ist<br />
zu weiter fragen, ob dies durch eine geeignete daran anschließende<br />
Regulierung kompensiert werden kann (z.B. relativ großzügige<br />
Netznutzungsentgelte oder Regulierungsferien). Wenn dies nicht<br />
möglich sein sollte, müssen wie schon bei (3) die zu erwartenden<br />
Effizienzgewinne aus dem zunehmenden Wettbewerb signifikant<br />
sein, um eine Entflechtung zu rechtfertigen.<br />
(6) Welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten entstehen volkswirtschaftlich?<br />
(7) Gibt es andere Argumente außerökonomischer Natur, welche Transaktionskosten<br />
bei einer Entflechtung verursachen würden?<br />
Zusammenfassend sei noch mal betont: Eine pauschale Aussage für<br />
oder gegen die Entflechtung vertikal integrierter Netzindustrien lässt sich<br />
ökonomisch nicht herleiten. Wie so oft, kommt es auf die genauen Umstände<br />
an, welche es zu würdigen gilt. Genau dies wollen wir im Folgenden<br />
anhand dreier Beispiele tun. Wie wir sehen werden, ergibt eine zusammenfassende<br />
Würdigung der Umstände anhand der eben genannten<br />
Kriterien, dass eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Schienenverkehr<br />
in Deutschland sinnvoll erscheint, während im Bereich der Wasserwirtschaft<br />
eine forcierte <strong>Trennung</strong> heute wenig effizient sein dürfte. Im<br />
Gegenteil wäre ggf. sogar eine weitere Integration zwischen den Berei-<br />
22
chen Trinkwasserversorgung <strong>und</strong> Abwasserentsorgung denkbar. Viel<br />
weniger klar ist hingegen der Fall der Elektrizitätswirtschaft, für den ja die<br />
EU-Kommission gerade die vertikale Entflechtung als eine Reformoption<br />
propagiert.<br />
V. Bewertung vertikaler Entflechtung in ausgewählten<br />
Netzindustrien<br />
1. Vertikale Entflechtung im Bahnbereich in Deutschland<br />
Um die Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer möglichen Entflechtung im Bahnsektor<br />
besser beurteilen zu können, wird an dieser Stelle zunächst die Struktur<br />
bzw. die Wertschöpfungskette eines typischen Eisenbahnsektors betrachtet.<br />
Der Bahnsektor teilt sich vertikal in die folgenden drei Stufen<br />
ein:<br />
1. Netzdienstleistungen<br />
2. Verkehrsdienstleistungen<br />
3. Steuerungsleistungen<br />
Unter den Bereich der Netzdienstleistungen fasst man die Erstellung, die<br />
Instandhaltung <strong>und</strong> den <strong>Betrieb</strong> der Bahninfrastruktur. Im Bereich des<br />
Netzes liegt der monopolistische Engpassbereich im Bahnsektor, der<br />
potenziellen Konkurrenten auf dem nachgelagerten Markt zugänglich<br />
gemacht werden muss. Verkehrsdienstleistungen beinhalten den Transport<br />
<strong>von</strong> Personen <strong>und</strong> Gütern auf der vorhandenen Netzinfrastruktur.<br />
Dieser Bereich ist in jedem Fall kompetitiv bzw. soll durch eine adäquate<br />
Netzzugangsregulierung <strong>von</strong> Seiten der B<strong>und</strong>esnetzagentur (BNetzA) zu<br />
einem wettbewerblichen Markt transformiert werden. Der Bereich der<br />
Steuerung umfasst vor allem die Trassenallokation. Von Seiten des <strong>Infrastruktur</strong>betreibers<br />
muss ein reibungsloser Ablauf des Schienenverkehrs<br />
sichergestellt werden. Dies geschieht zum einen durch die Zuteilung<br />
bestimmter Trassen <strong>und</strong> zum anderen durch Aufstellung geeigneter<br />
Fahrpläne sowie entsprechender Maßnahmen zu deren Einhaltung.<br />
Festzuhalten bliebt somit, dass das Schienennetz ein resistentes natürliches<br />
Monopol ist. Wettbewerb im Bereich der Verkehrsdienstleistungen<br />
ist <strong>und</strong>enkbar ohne eine wirksame Netzzugangsregulierung für das<br />
Streckennetz. Mit einem wirksamen Zugang zu den wesentlichen <strong>Infrastruktur</strong>anlagen<br />
der Deutschen Bahn AG (vor allem Trassen <strong>und</strong> Stationen)<br />
ist jedoch in vielen Bereichen Wettbewerb auf den Schienenverkehrsmärkten<br />
prinzipiell möglich.<br />
23
Der wesentliche wettbewerbsökonomische Vorteil einer vertikalen <strong>Trennung</strong><br />
liegt somit darin begründet, dass ein integrierter Netzbetreiber<br />
wesentliche Diskriminierungspotenziale <strong>und</strong> -an-reize besitzt. Diese<br />
Diskriminierungspotenziale sind im Bahnbereich insbesondere nichtpreislicher<br />
Natur, wie z.B. Fahrplankonzeptionen, die sich ausschließlich<br />
an den Wünschen der dominierenden nationalen Bahngesellschaften<br />
orientieren. Auch das Einrichten <strong>von</strong> Langsamfahrtsellen, die verzögerte<br />
Vergabe oder gar Verweigerung <strong>von</strong> Trassen <strong>und</strong> auch strategische<br />
Investitionen (z.B. das selektive Ausbessern <strong>von</strong> selbst stark befahrenen<br />
Trassen) sind mögliche Formen der Diskriminierung. Diese nicht-preislichen<br />
Diskriminierungsformen effektiv zu unterbinden, ist für eine Regulierungsbehörde<br />
aufgr<strong>und</strong> der gravierenden Informationsasymmetrien<br />
kaum möglich. Hingegen wird eine funktionsfähige Zugangsregulierung<br />
durch eine vertikale <strong>Trennung</strong> des Netzes stark vereinfacht, da die Anreize<br />
zur nicht-preislichen Diskriminierung erheblich sinken. Dies bestätigen<br />
unter anderem positive Erfahrungen aus Schweden <strong>und</strong> Großbritannien.<br />
44<br />
Wie sieht es im Bahnbereich mit den theoretischen Argumenten gegen<br />
eine vertikale Entflechtung wie dem Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen aus?<br />
Hier ist anzumerken, dass dieser Verlust im Bahnbereich zwar vorhanden<br />
ist, aber nicht in dem Ausmaß wie z.B. vom sog. Primon-Bericht<br />
unterstellt. 45 Zum einen müssen bestimmte Koordinationsaufgaben, wie<br />
z.B. die Trassenallokation oder die Fahrplanabstimmung auch in einem<br />
integrierten Konzern zwischen den verschiedenen Konzernunternehmen<br />
der DB AG geleistet werden. Dabei ist nicht ersichtlich, warum diese<br />
Aufgaben nicht auch zwischen der DB AG <strong>und</strong> einem unabhängigen<br />
Netzbetreiber bzw. anderen Wettbewerbern relativ effizient durchgeführt<br />
werden können, wenn auch geringfügig höhere Transaktionskosten<br />
durch vertikale Entflechtung entstehen könnten. Zum anderen werden im<br />
Primon-Bericht für einen 4-Jahreszeitraum betriebswirtschaftliche <strong>Trennung</strong>skosten<br />
<strong>und</strong> Synergieverluste in Höhe <strong>von</strong> gut 2,5 Mrd. Euro ermittelt.<br />
Ein Großteil dieser Kosten stellt aber keine volkswirtschaftlichen<br />
Kosten dar, da es sich lediglich um Transfers handelt. So werden z.B. im<br />
Falle der <strong>Trennung</strong> zusätzliche Personalkosten in Höhe <strong>von</strong> kumuliert<br />
915 Mio. Euro errechnet. Dies sind jedoch größtenteils keine volkswirtschaftlichen<br />
Kosten, sondern Transfers! Auch Erlösrückgänge in Höhe<br />
<strong>von</strong> 298 Mio. Euro durch die Einstellung bestimmter Güterverkehre durch<br />
die DB AG werden in die Kosten miteinbezogen. Auch hier handelt es<br />
sich größtenteils nicht um volkswirtschaftliche Kosten, da diese Verkehre<br />
44 Monopolkommission (2006) u. (2007a).<br />
45 Vgl. Booz u.a. (2006).<br />
24
lediglich umgelenkt werden. Insgesamt dürften die volkswirtschaftlichen<br />
Kosten, welche aufgr<strong>und</strong> des Verlusts an Verb<strong>und</strong>vorteilen entstehen,<br />
wesentlich geringer sein als im Primon-Bericht vermutet.<br />
Das Hauptargument gegen die vertikale Entflechtung <strong>von</strong> Netzindustrien<br />
im Allgemeinen ist jedoch nicht der Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen, sondern<br />
die aus einer Separierung resultierende Reduktion der Investitionsanreize.<br />
46 Dafür werden i.d.R. drei Gründe angeführt:<br />
1. Existenz spezifischer Investitionen <strong>von</strong> Netzbetreibern <strong>und</strong> Transportunternehmen<br />
(irreversible Kosten).<br />
2. Begrenzter Einfluss des Netzbetreibers auf die Preisgestaltung <strong>und</strong><br />
Vermarktung <strong>von</strong> Bahnfahrten.<br />
3. Investitionen erfordern Abstimmung zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong><br />
Transportunternehmen.<br />
Daraus resultierend besteht, ceteris paribus, ein Unterinvestitionsproblem<br />
bei vertikaler <strong>Trennung</strong>. Spezifische Investitionen <strong>von</strong> Netzbetreibern<br />
<strong>und</strong> Transportunternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />
irreversible Kosten entstehen. Anders ausgedrückt können Investitionen,<br />
wenn sie erst einmal getätigt sind, nur mit unter Umständen erheblichen<br />
Verlusten anderen als der ursprünglich geplanten Verwendung zugeführt<br />
werden. Man geht da<strong>von</strong> aus, dass neue Züge <strong>und</strong> insbesondere die<br />
Schienennetzinfrastruktur einen hohen Grad an Spezifität aufweisen <strong>und</strong><br />
sich investierende Unternehmen bei vertikaler Entflechtung nur einen<br />
Teil der durch die Investition entstehenden Rente aneignen können. Somit<br />
würde tendenziell zu wenig investiert. 47<br />
Darüber hinaus nimmt bei vertikaler <strong>Trennung</strong> der Einfluss des <strong>Infrastruktur</strong>betreibers<br />
auf die Gestaltung der Endk<strong>und</strong>enpreise stark ab. Es<br />
ist aber offensichtlich, dass die Nutzung seiner <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> somit<br />
auch seine Erlöse insbesondere <strong>von</strong> den Endk<strong>und</strong>enpreisen <strong>und</strong> der korrespondierenden<br />
Vermarktung abhängen. Infolgedessen nimmt die Investitionsneigung<br />
aufgr<strong>und</strong> der mangelnden Einflussmöglichkeiten auf<br />
die Endk<strong>und</strong>enpreisgestaltung weiter ab. Eine weitere Folge vertikaler<br />
Separation ist die erschwerte Abstimmung zwischen Netzbetreibern <strong>und</strong><br />
Transportunternehmen. Beispielsweise bedingt die Verwendung bestimmter<br />
Zugarten möglicherweise eine Aufrüstung des Schienennetzes.<br />
Ebenso gibt es Koordinationsbedarf bei der Einführung neuer Signaltechniken,<br />
für die typischerweise sowohl das rollende Material als auch<br />
46 Vgl. auch Monopolkommission (2006).<br />
47 Ebenda.<br />
25
die Netzinfrastruktur umgerüstet werden muss. Daraus entstehen Koordinations-<br />
<strong>und</strong> Verhandlungskosten, die ebenfalls zu einer Reduktion der<br />
Investitionsanreize beitragen könnten.<br />
Die Unterinvestitionsproblematik im Bereich der DB AG wird allerdings<br />
durch staatliche Subventionen stark eingeschränkt. Im Verlauf der Jahre<br />
1994 bis 2003 sind 38 Mrd. Euro Investitionsmittel des B<strong>und</strong>es an die DB<br />
AG geflossen, wogegen lediglich 11 Mrd. an Eigenmitteln der DB AG für<br />
Investitionen verwendet wurden. Tabelle 2 gibt einen Überblick bezüglich<br />
der Hauptfinanzierungsquellen der Bahninfrastruktur in Deutschland.<br />
Hierbei wird deutlich, dass der B<strong>und</strong> insbesondere im Bereich der Neu-<br />
<strong>und</strong> Ausbauinvestitionen sowie der Bestandsnetzinvestitionen Finanzierungsverantwortung<br />
trägt. 48 Somit kann gerade im deutschen Bahnsektor<br />
die durch eine vertikale Entflechtung hypothetisch induzierte Reduktion<br />
der Investitionsanreize aufgr<strong>und</strong> der massiven staatliche Subventionierung<br />
nur sehr begrenzt als Problem angeführt werden. 49<br />
Tabelle 2: Finanzierungsquellen der Bahninfrastruktur<br />
Finanzierungsverantwortung für Finanzmittelquellen Finanzierungsart<br />
B<strong>und</strong> � Neu- <strong>und</strong> Ausbauinvestitio- � Finanzmittel des � Baukostenzuschüsse<br />
�<br />
nen<br />
Bestandsnetzinvestitionen<br />
B<strong>und</strong>es<br />
� Zinslose Darlehen<br />
DB Netz<br />
AG<br />
26<br />
� Neu-/Ausbauinvestitionen<br />
� Bestandsnetzinvestitionen<br />
� Instandhaltung<br />
� <strong>Betrieb</strong>sführung<br />
Quelle: BOOZ/ALLEN/HAMILTON (2006), S 137.<br />
� Erlöse aus Trassenentgelten<br />
� Eigenmittel<br />
� Cashflow<br />
� Fremdkapital<br />
Schließlich würde eine vertikale <strong>Trennung</strong> auch die Gewährleistungspflicht<br />
des B<strong>und</strong>es nach Artikel 87e Gr<strong>und</strong>gesetz nicht antasten, d.h. der<br />
B<strong>und</strong> würde auch bei einer Entflechtung an den Investitionen in Netzinfrastruktur<br />
beteiligt sein. Daneben könnte die B<strong>und</strong>esnetzagentur durch<br />
eine angemessene Ausgestaltung der Regulierung, beispielsweise in<br />
Form einer Return-on-Output-Regulierung, für ausreichende Investitionsanreize<br />
sorgen.<br />
Betrachtet man die im Falle der Deutschen Bahn AG durch Subventionen<br />
abgemilderte Unterinvestitionsproblematik sowie die erheblichen<br />
Vorteile in Bezug auf die einfachere Verhinderung insbesondere nicht-<br />
48 Vgl. dazu auch Hellwig (2006).<br />
49 Vgl. auch Monopolkommission (2006).
preislicher Diskriminierung, so wird deutlich, dass im vorliegenden Fall<br />
die Vorteile einer vertikalen <strong>Trennung</strong> des Netzes klar überwiegen. Darüber<br />
hinaus würde eine Privatisierung des integrierten Konzerns den<br />
Verlust diverser wettbewerbspolitischer Optionen für künftige Politikgestaltung<br />
bedeuten. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine horizontale<br />
Entflechtung gewünscht werden oder eine Ausschreibung gemeinsamer<br />
Aufträge für Transportleistungen <strong>und</strong> Netzbetrieb im Regionalverkehr<br />
sinnvoll erscheinen, wäre dies im Falle der vorherigen Privatisierung des<br />
integrierten Konzerns wohl kaum möglich. Eine solche Ausschreibung,<br />
die vorrangig im Bereich des Regionalverkehrs sinnvoll erscheint, könnte<br />
sogar quasi-experimentell Verb<strong>und</strong>vorteile ermitteln, indem zwei Alternativen<br />
ausgeschrieben werden:<br />
1. Gemeinsames Angebot <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> Verkehrsdienstleistung.<br />
2. Getrennte Ausschreibung beider Bereiche.<br />
Anhand der jeweiligen Gebote kann eingeschätzt werden, ob die Bieter<br />
signifikante Verb<strong>und</strong>vorteile sehen. Wenn dies der Fall ist, werden sie für<br />
die integrierte Ausschreibung höhere Gebote als für den separierten Fall<br />
abgeben. Somit könnte eine vertikal integrierte Vergabe im Regionalbereich<br />
vorgenommen werden, d.h. in den Gebieten, in denen nicht mit<br />
Wettbewerb auf der Schiene zu rechnen ist.<br />
Folglich würde die (Teil-)Privatisierung der DB AG als vertikal integriertes<br />
Unternehmen inklusive des Schienenetzes einen nur schwer korrigierbaren<br />
wettbewerbspolitischen Fehler darstellen. Auch durch massive<br />
Regulierung könnten die insbesondere nicht preislichen Diskriminierungspotenziale<br />
kaum unter Kontrolle gebracht werden. Daher sollt eine<br />
neutrale, vertikal separierte Gesellschaft mit der Vergabe der Trassen<br />
beauftragt werden. Mit dieser regulatorischen Strategie wären die nicht<br />
zu negierenden Diskriminierungsanreize eines vertikal integrierten<br />
Bahnunternehmens wesentlich besser einzudämmen als durch vertikale<br />
Integration <strong>und</strong> dadurch erforderte schärfere Regulierung. Bei einer vertikalen<br />
Entflechtung <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> Schienenverkehr könnte im Rahmen<br />
einer relativ leichthändigen Regulierung die Trassenentgelte überprüft<br />
werden, wobei durch eine großzügige Entgeltregulierung auch Investitionsanreize<br />
gestärkt werden können.<br />
27
Hinzu kommen weitere Aspekte, welche für eine vertikale <strong>Trennung</strong><br />
sprechen: Wenn der B<strong>und</strong> Mehrheitsaktionär eines vertikal integrierten<br />
Unternehmens bleiben würde, bestünde zusätzlich das massive Problem,<br />
dass die Steuerzahler die Geschäftsrisiken eines globalen Logistikkonzerns<br />
<strong>und</strong> seiner internationalen Expansion tragen würden. Eine<br />
Vollprivatisierung ist jedoch aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> gr<strong>und</strong>gesetzlichen Bestimmungen<br />
nicht möglich.<br />
2. Vertikale Entflechtung in der Strombranche<br />
Nicht ganz so einfach ist die Analyse für den Elektrizitätsbereich: Für<br />
eine Beurteilung der vertikalen Entflechtung im Energiesektor, wie sie die<br />
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes in jüngerer Zeit wiederholt<br />
gefordert hat, empfiehlt es sich, die deutsche Elektrizitätswirtschaft zunächst<br />
vertikal disaggregiert zu betrachten. Vereinfacht lassen sich die<br />
vorgelagerte Produktion (Stromerzeugung), die Netzinfrastruktur (Übertragung)<br />
sowie die Dienstleistungen aus dem Netz (Verteilung <strong>und</strong> Versorgung)<br />
differenzieren. Diese Wertschöpfungsstufen stellt Abbildung 1<br />
schematisch dar. Während sich die Bereiche der Stromerzeugung <strong>und</strong> -<br />
versorgung gr<strong>und</strong>sätzlich als wettbewerbsfähige Bereiche charakterisieren<br />
lassen, sind die Bereiche der Übertragung sowie Verteilung über das<br />
Netz als monopolistische Bottlenecks des Marktes zu identifizieren,<br />
deren Zugang die Zahlung eines Netznutzungsentgelts an die Eigentümer<br />
dieser wesentlichen Einrichtungen erforderlich macht 50 , sowie aus<br />
neuerer Zeit. 51<br />
Der Markt für Stromerzeugung ist aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> technologischen Fortschritten<br />
hinsichtlich der Leistungsfähigkeit <strong>von</strong> Turbinen, welche es ermöglichen,<br />
dass nun auch kleinere Kraftwerke rentabel auf dem Markt<br />
agieren können, gr<strong>und</strong>sätzlich als ein konkurrenzfähiger Teilsektor anzusehen.<br />
Zudem ist durch die Etablierung der Strombörse die Handelbarkeit<br />
<strong>von</strong> Strom weiter erhöht worden, sodass auch hier ein zusätzlicher<br />
Wettbewerbsdruck entsteht. Schließlich ließe sich die Wettbewerbsintensität<br />
auf dem Markt für Stromerzeugung weiter durch eine konsequente,<br />
wettbewerbsfre<strong>und</strong>liche Regulierung der grenzüberschreitenden<br />
Durchleitung mittels transeuropäischer Verb<strong>und</strong>netze erhöhen. Die geplante<br />
Netzanschlussverordnung erleichtert zudem den Marktzutritt für<br />
neue Kraftwerke erheblich.<br />
50 Vgl. bereits Joskow/Schmalensee (1983).<br />
51 Bier (2002); Brunekreeft (2003); B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006).<br />
28
Abbildung 1: Disaggregation der Elektrizitätswirtschaft<br />
Quelle: Brunekreeft/ Keller (2000).<br />
Sowohl das Übertragungs- als auch das Verteilnetz sind aus einer<br />
industrieökonomischen Perspektive hingegen als resistente Monopole zu<br />
beschreiben. Neben der Subadditivität der Kosten, welche sich aus den<br />
Verb<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Dichtevorteilen gerade im regionalen Bereich erklären lassen,<br />
existiert zudem ein erhebliches Maß an versunkenen Kosten im<br />
Zuge der Errichtung solcher Netze. 52 Auch wenn in Deutschland gleich<br />
vier Verb<strong>und</strong>unternehmen (VU) 53 als Netzbetreiber auf dem Markt agieren,<br />
handelt es sich dennoch um resistente Monopolbereiche. Denn aufgr<strong>und</strong><br />
einer geografisch eindeutigen Abgrenzung, stellt jedes Teilnetz für<br />
sich ein regionales Monopol dar.<br />
Während die Netzbetreiber auf der Ebene der Stromversorgung für den<br />
physikalischen Anschluss des Verteilnetzes an die Endk<strong>und</strong>en zuständig<br />
sind, besteht zwischen den Versorgungsunternehmen <strong>und</strong> den Endk<strong>und</strong>en<br />
nahezu eine rein wirtschaftliche Beziehung. Indem die Versorger im<br />
Rahmen <strong>von</strong> Lieferungsverträgen zunächst Strom ein- <strong>und</strong> anschließend<br />
an die Endk<strong>und</strong>en weiterverkaufen, nehmen sie eine klassische Intermediationsposition<br />
ein. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass im Rahmen dieser<br />
Funktion kaum versunkene Kosten auftreten <strong>und</strong> auch Skaleneffekte<br />
vernachlässigbar gering sind, gilt der Bereich der Stromversorgung in<br />
einem sehr starken Maße als wettbewerbsfähig 54 .<br />
Die soeben skizzierte disaggregierte Betrachtung des deutschen Elektrizitätsmarktes<br />
führt zu der Schlussfolgerung, dass ein funktionsfähiger<br />
Wettbewerb auf der Erzeugungs- <strong>und</strong> Versorgungsstufe den Zugang<br />
potenzieller Wettbewerber zu den Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetzen<br />
52<br />
Vgl. Kumkar (2000); Brunekreeft (2003); B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006).<br />
53<br />
Nach horizontalen Zusammenschlüssen auf der Verb<strong>und</strong>ebene sind dies RWE, E.ON, EnBW,<br />
Vattenfall.<br />
54<br />
Vgl. auch Brunekreeft/Keller (2003).<br />
29
erfordert. Die Besonderheit des deutschen Elektrizitätsmarktes liegt nun<br />
darin, dass der deutsche Markt durch ein nicht unerhebliches Maß an<br />
vertikaler Integration zwischen den wettbewerbsfähigen <strong>und</strong> monopolistischen<br />
Bereichen gekennzeichnet ist. So sind die VU zunächst sowohl<br />
in den Bereichen der Erzeugung als auch der Übertragung integriert.<br />
Zudem entfällt die Dienstleistung aus dem Netz (Verteilung <strong>und</strong> Versorgung)<br />
auf r<strong>und</strong> 930 regionale <strong>und</strong> kommunale Versorgungsunternehmen,<br />
an denen die VU allerdings nahezu flächendeckend ebenfalls vertikale<br />
Haupt- <strong>und</strong> Minderheitsbeteiligungen auf der regionalen Ebene halten,<br />
sodass nur wenige Versorger als tatsächlich unabhängig bezeichnet<br />
werden können. 55<br />
Aus einer rein wettbewerbsorientierten Perspektive sind solche vertikalen<br />
Verflechtung des deutschen Elektrizitätsmarktes zunächst einmal als<br />
negativ zu beurteilen, denn eine erfolgreiche Regulierung setzt – wie gezeigt<br />
wurde – eine eindeutig abgegrenzte Disaggregation der netzgeb<strong>und</strong>enen<br />
Industrie in wettbewerbsfähige <strong>und</strong> monopolistische Bereiche<br />
voraus. Aus einer an gesamtwirtschaftlicher Effizienz orientierten<br />
Sicht ist die Beurteilung der vertikalen Verflechtung hingegen ungleich<br />
schwieriger. Die möglichen Verb<strong>und</strong>vorteile <strong>und</strong> auch die potenziellen<br />
Effizienzgewinne aus einer vertikalen Integration verschiedener Wertschöpfungsstufen<br />
wurden bereits oben ausführlich erläutert, sodass eine<br />
strikte vertikale Entflechtung aus ökonomischer Sicht nicht zwangsläufig<br />
geboten ist. Allerdings gilt es zu beachten, dass potenziellen Wettbewerbern<br />
auch bei einer fortbestehenden vertikalen Integration der Zugang<br />
zum Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetz als einer wesentlichen Einrichtung<br />
unbedingt ermöglicht wird.<br />
Das aus der Zweiten Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Juli<br />
2005 hervorgegangene neue EnWG 56 fokussiert neben einem<br />
verbesserten Zugang zu den Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilnetzen sowie<br />
günstigeren Netzzugangsentgelten für die Nutzung dieser <strong>Infrastruktur</strong>en<br />
durch potenzielle Wettbewerber vor allem auf eine striktere <strong>Trennung</strong><br />
dieser monopolistischen Bereiche <strong>von</strong> den wettbewerbsfähigen Bereichen<br />
bislang vertikal integrierter VU. So verpflichtet § 7 EnWG die vertikal<br />
integrierten VU im Sinne eines Legal Unb<strong>und</strong>ling, den Netzbetrieb<br />
hinsichtlich seiner Rechtsform <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen der<br />
Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung zu trennen. 57 Die in § 8 EnWG festgelegte<br />
operative Entflechtung schreibt zudem eine Separierung des Leitungs-<br />
55<br />
Für weitere Details siehe Monopolkommission (2007b).<br />
56<br />
EnWG (2005).<br />
57<br />
Hinsichtlich der Verteilernetze wurde den deutschen VU eine Übergangsfrist bis Juli 2007 zugestanden.<br />
30
personals des Netzbetriebs <strong>von</strong> den übrigen Wertschöpfungsstufen vor<br />
(Management Unb<strong>und</strong>ling). §§ 9 <strong>und</strong> 10 EnWG legen zusätzlich eine informatorische<br />
<strong>und</strong> bilanzielle Entflechtung des Netzbetriebs fest.<br />
Der deutsche Gesetzgeber (<strong>und</strong> mithin die EU) reagierte damit auf den<br />
geringen Grad funktionsfähiger Wettbewerbsprozesse auf der nachgelagerten<br />
Vertriebs- oder Versorgungsebene sowie auf die Steigerung der<br />
Netzzugangsentgelte seit der Liberalisierung der deutschen Energiewirtschaft<br />
im Jahre 1998. Die vollständige Öffnung des deutschen Elektrizitätsmarktes<br />
im April 1998 <strong>und</strong> die Umsetzung des verhandelten Netzzugangs<br />
führten zunächst zwar zu einem unmittelbaren <strong>und</strong> intensiven<br />
Wettbewerb auf der Vertriebs- oder Versorgungsebene insbesondere für<br />
Industriek<strong>und</strong>en, während der Wettbewerb durch unabhängige Erzeuger<br />
auf der vorgelagerten Ebene bis heute nicht hinreichend ausgeprägt ist<br />
<strong>und</strong> allenfalls im Bereich regenerierbarer Energien zu beobachten ist. 58<br />
Auf der Vertriebs- oder Versorgungsebene etablierte sich somit eine<br />
gewisse Konkurrenz vor allem um industrielle Großk<strong>und</strong>en. Etwas verzögert<br />
begann dann auch der Wettbewerb um Haushaltsk<strong>und</strong>en, welcher<br />
durch eine große Zahl <strong>von</strong> neu auf den Markt getretenen, unabhängigen<br />
Versorgungsunternehmen sowie durch nachhaltig angelegte Marketinginitiativen<br />
der etablierten Verb<strong>und</strong>unternehmen forciert wurde. 59 Diese<br />
anfängliche Wettbewerbsdynamik ist jedoch nach 2000 relativ schnell<br />
wieder zum Erliegen gekommen, sodass heute nicht <strong>von</strong> funktionsfähigem<br />
Wettbewerb im Elektrizitätsmarkt gesprochen werden kann, wie<br />
auch die Monopolkommission 60 in ihrem diesbezüglichen Sondergutachten<br />
klar festgestellt hat.<br />
Die bisherige Wettbewerbsentwicklung auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt<br />
muss daher sowohl aus wettbewerbsökonomischer als auch aus<br />
effizienzorientierter Sicht als unbefriedigend bezeichnet werden. 61<br />
Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für den fehlenden Wettbewerb war sicherlich zunächst<br />
die bis zur EnWG-Novelle 2005 unzureichende Kontrolle der<br />
Netznutzungsentgelte. Durch überhöhte Netznutzungsentgelte können<br />
integrierte Versorgungsunternehmen potenzielle Konkurrenten sowohl<br />
auf der Erzeugerstufe als auch im vertrieb effektiv vom Markt fernhalten,<br />
es kommt zur vertikalen Marktabschottung. Schon seit 2006 findet daher<br />
eine verschärfte Preiskontrolle auf Kostenbasis durch die B<strong>und</strong>esnetzagentur<br />
statt. Nach der Verordnung über die Anreizregulierung soll ab<br />
58<br />
Vgl. BMWA (2003); Monopolkommission (2007b).<br />
59<br />
Vgl. Brunekreeft/Keller (2003).<br />
60<br />
Monopolkommission (2007b).<br />
61<br />
Vgl. Ebenda.<br />
31
dem 1. Januar 2009 eine Festlegung <strong>von</strong> Erlösobergrenzen (Revenue<br />
Cap) in Form einer Anreizregulierung Anwendung finden, sodass dann<br />
eine schärfere Aufsicht über die Netznutzungsentgelte greift. Die BNetzA<br />
hat sich in ihrem Bericht zur Anreizregulierung für eine Regulierung der<br />
Erlösobergrenzen ausgesprochen, 62 da die Vorgabe einer Erlösobergrenze<br />
weniger tiefe Einblicke in die Preisstruktur eines Unternehmens<br />
verlangt als ein System, das auf Preisobergrenzen beruht. So wird nach<br />
Ansicht der BNetzA die größtmögliche unternehmerische Freiheit zugelassen.<br />
63 Diese Auffassung der BNetzA basiert auf dem Bef<strong>und</strong>, dass ein<br />
Marktauschluss vor allem durch einen Preishöhenmissbrauch gegenüber<br />
potenziellen Wettbewerbern erfolgt <strong>und</strong> weniger durch Preisdiskriminierung.<br />
Nicht-preisliche Diskriminierung spielt im Vergleich zur Höhe der Netznutzungsentgelte<br />
eine untergeordnete Rolle in der Elektrizitätswirtschaft.<br />
Hierin liegt ein signifikanter Unterschied zum Bahnbereich. Diskriminierung<br />
<strong>und</strong> Marktabschottungsversuche sind für die Regulierungsbehörden<br />
im Elektrizitätsbereich daher wesentlich einfacher festzustellen <strong>und</strong> zu<br />
unterbinden als bei der Bahn. Anders ausgedrückt, kann beim Strom<br />
keine diskriminierende Trassenvergabe erfolgen oder strategisch eine<br />
Langsamfahrstelle eingerichtet werden. Durch die 2007 verabschiedete<br />
Kraftwerksnetzanschlussverordnung ist zudem nun geregelt, dass neue<br />
Kraftwerke prioritär an ein Netz anzuschließen sind – damit sind die<br />
Diskriminierungsmöglichkeiten gegenüber neuen Anbietern im Erzeugungsmarkt<br />
weiter eingeschränkt.<br />
Ein weiterer Unterschied zum Bahnbereich liegt darin, dass im Energiebereich<br />
Investitionen nicht oder kaum staatlich subventioniert werden.<br />
Die Auswirkungen einer Entflechtung auf das Investitionsverhalten sind<br />
daher im Energie bereich besonders zu berücksichtigen, gerade auch,<br />
weil die Versorgungssicherheit <strong>und</strong> -qualität den Nachfragern <strong>von</strong> Strom<br />
besonders wichtig zu sein scheint (d.h. plastisch ausgedrückt möglichst<br />
geringe Schwankungen bei der Netzspannung <strong>und</strong> möglichst seltene<br />
<strong>und</strong> nicht längere Stromausfälle). 64 Sollten niedrigere Preise mit zunehmenden<br />
Stromausfällen oder Schwankungen bei der Energieversorgung<br />
verb<strong>und</strong>en sein, ist nicht klar, dass hierdurch die Konsumentenwohlfahrt<br />
gesteigert wird.<br />
Wie eine eigentumsrechtliche Entflechtung die Investitionsanreize beeinflusst,<br />
ist nicht einfach zu beantworten. Zum einen dürften die Investi-<br />
62<br />
Vgl. B<strong>und</strong>esnetzagentur (2006), S. 61.<br />
63<br />
Ebenda, S. 61 f.<br />
64<br />
Vgl. zu den daraus resultierenden Regulierungsproblemen auch Haucap/Rötzel (2007).<br />
32
tionsanreize in die Qualität des Netzes, also die Verlässlichkeit bzw.<br />
Versorgungssicherheit, abnehmen. Dies hat mehrere Gründe: 65 Erstens<br />
steigt der Koordinationsaufwand <strong>und</strong> zweitens ist für einen reinen Netzbetreiber<br />
ein temporärer Netzausfall weniger tragisch, da er – im Gegensatz<br />
zu einem integrierten Betreiber – in einem solchen Fall nicht auch<br />
noch die Erlöse aus der Stromerzeugung verliert. Zum anderen steigen<br />
für einen reinen Netzbetreiber jedoch die Anreize, Investitionen in den<br />
länderübergreifenden Netzausbau vorzunehmen, da er sich – im Gegensatz<br />
zu einem integrierten Netzbetreiber – nicht gegen die ausländische<br />
Konkurrenz auf der Erzeugerebene abschotte muss oder will. 66 Der Ausbau<br />
der Grenzkuppelstellen würde also durch unabhängige Netzbetreiber<br />
vermutlich forciert werden. Diese Argumentation gilt jedoch wohl<br />
gemerkt nur für die Übertragungsnetzbetreiber, nicht für die Verteilnetze.<br />
Insgesamt betrachtet sind die Effekte einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
somit unklar: Während die Anreize zum Netzausbau an den<br />
Marktgrenzen (Grenzkuppelstellen) zunehmen, sinken die Anreize in die<br />
Netzqualität bzw. Versorgungssicherheit zu investieren.<br />
Anzumerken ist in diesem Kontext auch, dass zumindest für Deutschland<br />
die Vorteile einer zwangsweisen eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
dramatisch dadurch gesunken sind, dass E.ON sein Übertragungsnetz<br />
mehr oder minder freiwillig verkaufen wird. Durch den Verkauf des E.ON-<br />
Netzes an einen unabhängigen Netzbetreiber sinken nämlich auch die<br />
Diskriminierungsmöglichkeiten für die anderen drei Übertragungsnetzbetreiber.<br />
Warum? Sollte sich einer der drei vertikal integrierten Unternehmen<br />
weigern, ein neues Kraftwerk anzuschließen bzw. dieses diskriminieren,<br />
so können nichtsdestotrotz Kraftwerke im E.ON-Netzgebiet<br />
angeschlossen werden. Da das Übertragungsnetz insgesamt wie eine<br />
Kupferplatte funktioniert <strong>und</strong> Deutschland als ein Marktgebiet an der<br />
EEX behandelt wird, bedeutet dies, dass der Strom alternativer Kraftwerksbetreiber<br />
nicht aus dem EnBW-, RWE- oder Vattenfall-Versorgungsgebiet<br />
ferngehalten werden kann, selbst wenn er nicht dort originär<br />
eingespeist wird. Somit macht auch für diese drei Anbieter eine Diskriminierung<br />
alternativer Anbieter relativ wenig Sinn, wenn diese dann alternativ<br />
<strong>und</strong> problemlos in das E.ON-Netz <strong>und</strong> damit auch in das deutsche<br />
Gesamtnetz einspeisen können. Dies gilt zwar zunächst nur für den zukünftigen<br />
Kraftwerksbau innerhalb Deutschlands <strong>und</strong> nicht für den Ausbau<br />
der Grenzkuppelstellen, nichtsdestotrotz reduziert sich jedoch so die<br />
Diskriminierungs-Problematik, welche durch die Kraftwerksnetzanschlussverordnung<br />
sowie die Anreizregulierungsverordnung ohnehin<br />
schon gemildert ist, noch weiter.<br />
65 Vgl. Haucap (2007).<br />
66 Vgl. Ebenda.<br />
33
Für den Strombereich ist daher insgesamt festzuhalten, dass die Vor-<br />
<strong>und</strong> Nachteile einer vertikalen Entflechtung viel schwieriger zu beurteilen<br />
sind als z.B. im Bahnbereich. Wie auch im Bahnbereich haben vertikal<br />
integrierte Anbieter Anreize <strong>und</strong> Möglichkeiten, potenziellen Wettbewerbern<br />
auf vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten den Zugang zur wesentlichen<br />
Netzinfrastruktur zu erschweren <strong>und</strong> so die Märkte effektiv zu verschließen.<br />
Im Energiebereich findet diese vertikale Marktabschottung jedoch<br />
primär durch die Gestaltung der Netznutzungsentgelte, d.h. durch preisliche<br />
Maßnahmen, statt, welche <strong>von</strong> der B<strong>und</strong>esnetzagentur im Zuge der<br />
Entgeltregulierung wesentlich einfacher kontrolliert werden können als<br />
die nicht-preislichen Diskriminierungsmöglichkeiten, welcher der Bahn<br />
offen stehen. Des Weiteren sind auch die Auswirkungen auf die Investitionsanreize<br />
im Energiebereich genauer zu betrachten, da Investitionen in<br />
Netze <strong>und</strong> Kraftwerke hier, anders als im Bahnbereich, nicht in nennenswertem<br />
Umfang staatlich subventioniert werden. Und schließlich ist<br />
zu bedenken, dass sinkende Preise politisch nicht gewollt zu sein scheinen,<br />
wenn dies eine Zunahme des Stromverbrauchs induziert (was typischerweise<br />
bei einer fallenden Nachfragefunktion zumindest mittelfristig<br />
der Fall wäre).<br />
Kritisch zu beurteilen ist gleichwohl die momentan zu beobachtende zunehmende<br />
Vorwärtsintegration der vier großen Verb<strong>und</strong>netzbetreiber auf<br />
der Stadtwerksebene. Aufgr<strong>und</strong> des trägen Wechselverhaltens vieler<br />
Nachfrager könnte hier eine Marktabschottung auf der Erzeugungsseite<br />
(durch den Verschluss der Absatzwege) erreicht werden. 67 Eine vertikale<br />
Entflechtung bestehender Unternehmen sollte allerdings aufgr<strong>und</strong> der<br />
Schärfe des Eingriffs, wenn überhaupt, nur als allerletztes Mittel gewählt<br />
werden.<br />
3. Vertikale Entflechtung in der Wasserwirtschaft<br />
Einfacher liegt der Fall wiederum in der Wasserwirtschaft: Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
werden der Wasserwirtschaft vier Aufgaben zugeordnet, die gleichzeitig<br />
die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette darstellen (OELMANN,<br />
2005). Diese sind:<br />
1. Wassergewinnung<br />
2. Wasseraufbereitung<br />
3. Wassertransport<br />
4. Wasserverteilung.<br />
67 Vgl. Monopolkommission, 2007b.<br />
34
Die Wassergewinnung erfolgt regelmäßig durch Förderung <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>-<br />
<strong>und</strong> Quellwasser, welches im Jahre 2001 75% der Wasserversorgung in<br />
Deutschland ausmachte. Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Quellwasser wird vor allem wegen<br />
der verhältnismäßig geringen Verschmutzung bevorzugt, weil es nur in<br />
geringem Maße oder teilweise gar nicht vor der Weiterleitung an die<br />
Verbraucher gereinigt werden muss (OELMANN, 2005). In Abhängigkeit<br />
der Qualität des gewonnenen Wassers wird in der Produktionsstufe der<br />
Wasseraufbereitung die Reinigung des Wassers vorgenommen. An dieser<br />
Stelle sei darauf verwiesen, dass die zur Aufbereitung des Frischwassers<br />
verwendeten Verfahren in sehr ähnlicher Form auch in der Aufbereitung<br />
<strong>von</strong> Abwasser Verwendung finden. Im Rahmen des Wassertransports<br />
wird Frischwasser <strong>von</strong> den Produzenten zu den jeweiligen<br />
Versorgungsgebieten transportiert. Innerhalb dieser Gebiete erfolgt die<br />
eigentliche Wasserverteilung. Hier handelt es sich im Gegensatz zu den<br />
Transportleitungen um regional begrenzte Leitungen, die dem Transport<br />
über kurze Strecken dienen <strong>und</strong> bei denen mit Hilfe zusätzlicher Pumpen,<br />
der in den Haushalten benötigte Wasserdruck aufgebaut wird. Führt<br />
man für diese Wertschöpfungskette eine disaggregierte Analyse zur<br />
Identifizierung potenzieller resistenter natürlicher Monopole durch,<br />
gelangt man zu dem Ergebnis, dass zumindest im Bereich des Wassertransports<br />
sowie der Wasserverteilung resistente natürliche Monopole<br />
vorliegen.<br />
Mögliche Entflechtungspotenziale scheinen im Bereich der Wasserversorgung<br />
kaum gegeben zu sein, da Wettbewerb auf den vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />
Ebenen in den allermeisten Bereichen keine Rolle spielen<br />
dürfte. Darüber hinaus dürften bei integriertem Angebot aller Wertschöpfungsstufen<br />
in einem Unternehmen beträchtliche Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
anfallen. Man kann sicherlich da<strong>von</strong> ausgehen, dass aufgr<strong>und</strong> bestehender<br />
Hygienevorschriften die integrierte Erbringung <strong>von</strong> Wassergewinnung,<br />
Wasseraufbereitung <strong>und</strong> Wassertransport bzw. –verteilung<br />
wesentliche Effizienzvorteile bieten wird. Damit Wasser wirklich in der<br />
notwendigen Qualität zum Endverbraucher geliefert werden kann, sind<br />
erhebliche Koordinationsprozesse zwischen den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen<br />
notwendig, die im Rahmen einer vertikalen Separierung<br />
kaum effizient erbracht werden können. Aus diesen Überlegungen<br />
kann darüber hinaus geschlossen werden, dass eine vertikale Separierung<br />
die erforderlichen Investitionsanreize in erheblichem Maße einschränken<br />
würde. Aufgr<strong>und</strong> des kaum möglichen Wettbewerbs auf den<br />
vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Märkten erübrigt sich eine Analyse potenzieller<br />
Diskriminierungsanreize.<br />
35
Innovative dezentrale Wassergewinnungsformen, wie z.B. die Gewinnung<br />
<strong>und</strong> Aufbereitung <strong>von</strong> Frischwasser durch das Sammeln <strong>von</strong><br />
Regenwasser, dürfte eher in gering besiedelten Gebieten eine Rolle<br />
spielen <strong>und</strong> wird in Deutschland schon aufgr<strong>und</strong> der existierenden<br />
gesetzlichen Hygienestandards kaum auf breiter Front anwendbar sein. 68<br />
Wasser, welches auf diese Art gewonnen wird ist i.d.R. nicht als Trinkwasser,<br />
sondern nur für Bereiche mit geringeren Anforderungen verwendbar.<br />
Zusammengefasst erscheint eine vertikale Separierung des Transport-<br />
bzw. Verteilungsnetzes in der Wasserwirtschaft nicht sinnvoll, da der<br />
immense Verlust <strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen sowie der korrespondierenden<br />
Investitionsanreize gegen eine solche Vorgehensweise sprechen. Anders<br />
ausgedrückt, erscheint Wettbewerb auf den vor- <strong>und</strong> nachgelagerten<br />
Märkten der Wasserwirtschaft kaum möglich, so dass derartige Entflechtungsüberlegungen<br />
sich erübrigen. Mangels vorhandener Potenziale<br />
für Wettbewerb auf dem Markt wäre zumindest Wettbewerb um den<br />
Markt in der Wasserwirtschaft eine unter Umständen viel versprechende<br />
Alternative. Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten diskutiert,<br />
wäre dadurch eine experimentelle Ermittlung potenzieller Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
möglich, die in eine effizientere Struktur der Wasserindustrie führt.<br />
Einschränkend sollte aber eingeräumt werden, dass aufgr<strong>und</strong> der existierenden<br />
Bedingungen auch in Bezug auf den Wettbewerb um den<br />
Markt keine überzogenen Erwartungen aufgebaut werden sollten.<br />
An dieser Stelle sei noch kurz auf die Problematik der Abwasserentsorgung<br />
eingegangen, die in Deutschland vielfach separat <strong>von</strong> der Frischwasserversorgung<br />
betrieben wird. 69 Hier könnten unter Umständen Verb<strong>und</strong>vorteile<br />
mit der Wasserversorgung gegeben sein, da in Bezug auf<br />
die Aufbereitung <strong>von</strong> Frisch- <strong>und</strong> Abwasser wesentliche technische<br />
Parallelen bestehen, die Effizienzgewinne für ein vertikal integriertes<br />
Unternehmen verursachen könnten. Hier wäre eine Ermittlung potenzieller<br />
Verb<strong>und</strong>vorteile unter Zuhilfenahme der Ausschreibung unterschiedlicher<br />
Angebotspakete durchaus sinnvoll <strong>und</strong> viel versprechend.<br />
VI. Fazit<br />
Eine aus ökonomischer Sicht adäquate vertikale Struktur <strong>von</strong> Netzindustrien<br />
hängt, wie die Betrachtung der Sektoren Bahn, Strom <strong>und</strong> Wasser<br />
68<br />
Vgl. dazu auch OECD (2006).<br />
69<br />
Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass auch ein integriertes Angebot <strong>von</strong> Frischwasserversorgung<br />
<strong>und</strong> Abwasserversorgung möglich ist.<br />
36
gezeigt hat, in erheblichem Maße da<strong>von</strong> ab, in welcher Höhe mögliche<br />
Effizienzgewinne aus der vertikalen Entflechtung monopolistischer Engpassbereiche<br />
potenziellen Effizienzverlusten aus gesunkenen Investitionsanreizen<br />
<strong>und</strong> einem Verlust an Verb<strong>und</strong>vorteilen gegenüberstehen.<br />
Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass es aus theoretischer<br />
Sicht gute Gründe für <strong>und</strong> gegen eine vertikale Entflechtung gibt.<br />
Pauschale Urteile bezüglich einer angemessenen Vorgehensweise sind<br />
hier strikt abzulehnen, da in jedem Einzelfall oder jeder Netzindustrie<br />
eine sorgfältige Einzelfallprüfung notwendig ist.<br />
Die Kernfrage einer solchen Analyse muss zunächst sein: (1) Liegt in der<br />
betrachteten Branche dauerhaft ein resistentes natürliches Monopol in<br />
einem Teilbereich (z.B. im Netz) vor? Anschließend (2) ist zu fragen, wie<br />
viel Wettbewerb auf einem vor- oder nachgelagerten Markt möglich ist.<br />
Sind hier hohe Wettbewerbspotenziale ersichtlich, bedarf es einer eingehenden<br />
detaillierten Betrachtung möglicher Effizienzgewinne (z.B. aus<br />
der Eindämmung <strong>von</strong> Diskriminierungspotenzialen) <strong>und</strong> Effizienzverlusten<br />
(aus der Senkung <strong>von</strong> Investitionsanreizen). Ist Wettbewerb auf vor-<br />
oder nachgelagerten Märkten möglich, so stellt sich als nächstes die<br />
Frage (3) nach dem Diskriminierungspotenzial, welches die Betreiber<br />
wesentlicher Einrichtungen haben <strong>und</strong> wie einfach oder schwierig dieses<br />
durch Regulierungsbehörden kontrolliert werden kann. Letzteres wiederum<br />
hängt stark da<strong>von</strong> ab, ob eine vertikale Marktabschottung eher aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>von</strong> preislichen Maßnahmen (prohibitiven Netznutzungsentgelten)<br />
wie im Energiebereich oder aufgr<strong>und</strong> nicht-preislicher Diskriminierung<br />
(wie im Fall der Bahn) entsteht. Dabei ist nicht-preisliche Diskriminierung<br />
typischerweise viel schwieriger für Regulierungsbehörden zu kontrollieren.<br />
Weiter ist zu fragen (4), welche Verb<strong>und</strong>vorteile bei einer Entflechtung<br />
verloren gehen, (5) wie die Investitionsanreize beeinflusst werden,<br />
(6) welche einmaligen <strong>Trennung</strong>skosten entstehen <strong>und</strong> (7) welche anderen<br />
Faktoren (z.B. juristischer oder politischer Natur) es zu bedenken gilt.<br />
Die Analyse verschiedener Netzindustrien wird in diesem Kontext zu<br />
differierenden Ergebnissen führen. Während im Bereich der Bahn eine<br />
vertikale Separierung des Schienennetzes sehr deutlich als vorteilhaft zu<br />
identifizieren ist, erscheinen die Vorteile einer vertikalen <strong>Trennung</strong> im<br />
Energiebereich nicht so klar. Eine vertikale Separierung des Wassertransport-<br />
<strong>und</strong> Wasserverteilungsnetzes in der Wasserwirtschaft erscheint<br />
aus ökonomischer Sicht in absehbarer Zeit fast gar nicht vertretbar<br />
zu sein. Diese stark unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen die<br />
Notwendigkeit einer sorgfältigen Einzelfallanalyse.<br />
37
Gelangt man zu dem Ergebnis, dass in einer bestimmten Netzindustrie<br />
kein Wettbewerb auf einem Markt möglich ist, so könnte dennoch Wettbewerb<br />
um einen Markt sinnvoll sein. Ein wesentlicher Vorteil eines<br />
Wettbewerbs um den Markt ist die unter Umständen mögliche Ermittlung<br />
<strong>von</strong> Verb<strong>und</strong>vorteilen durch adäquate Ausschreibungsverfahren. Wird<br />
sowohl eine Ausschreibung für ein integriertes Angebot (z.B. gleichzeitiger<br />
<strong>Betrieb</strong> des Schienennetzes sowie Angebot der Verkehrsdienstleistung<br />
im Regionalverkehr) als auch eine separate Ausschreibungen beider<br />
Wertschöpfungsstufen vorgenommen, können anhand der eingegangenen<br />
Gebote vorhandene Verb<strong>und</strong>vorteile abgeschätzt <strong>und</strong> durch<br />
die Vergabe berücksichtigt werden.<br />
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41
Prof. Dr. Joachim Wieland *<br />
Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> als Problem der<br />
Eigentumsgarantie<br />
I. Problemaufriss<br />
Die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Netzwirtschaft ist bislang<br />
vor allem aus wirtschaftspolitischer <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlicher<br />
Sicht erörtert worden. Sie wirft aber auch gr<strong>und</strong>rechtsdogmatische<br />
Fragen auf, die ihren Ort vor allem in der Eigentumsgarantie des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
haben. Mit diesen Fragen werde ich mich im Folgenden<br />
beschäftigen. Dabei werde ich in fünf Schritten vorgehen. Ich stelle die<br />
Eigentumsgarantie des Gr<strong>und</strong>gesetzes in den Mittelpunkt meiner Überlegungen<br />
<strong>und</strong> konzentriere mich auf die eigentumsrechtliche Entflechtung,<br />
also auf einen Spezialfall der Entflechtung. In einem ersten Schritt<br />
analysiere ich die in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur bislang entwickelten<br />
Lösungsansätze. Dann untersuche ich in gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischer Sicht<br />
den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Was schützt Eigentum im<br />
verfassungsrechtlichen Sinne? Liegt drittens bei einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung ein Eingriff in die Eigentumsgarantie vor? In meinem<br />
vierten Schritt gehe ich der Frage nach, ob ein solcher Eingriff zu rechtfertigen<br />
wäre. Ich schließe mit einer kurzen Zusammenfassung meiner<br />
Ergebnisse.<br />
Beginnen wir mit der Klärung des Begriffs der eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />
Eigentumsrechtliche Entflechtung ist ganz offensichtlich eine<br />
Übersetzung des englischen Fachausdrucks ownership unb<strong>und</strong>ling.<br />
Gemeint ist die vertikale Separierung <strong>von</strong> (Versorgungs-)Unternehmen<br />
durch eine vollständige Herauslösung des Netzbetriebs aus der Wertschöpfungskette<br />
eines zuvor vertikal integrierten Unternehmens. Begriffs<br />
prägend ist also die vertikale Separierung eines bis dahin vertikal integrierten<br />
Unternehmens. Der neue Netzbetreiber wird Eigentümer der<br />
Netzinfrastruktur. Der Bezug zur Eigentumsgarantie ergibt sich aus dem<br />
Übergang <strong>von</strong> Eigentum. Der neue Netzbetreiber ist nach dem Eigentumserwerb<br />
allein verantwortlich für die <strong>Infrastruktur</strong> inklusive der Wartung<br />
des Netzes <strong>und</strong> der Vornahme der notwendigen Investitionen. Der<br />
<strong>Betrieb</strong>, genauer der Netzbetrieb – also etwa die Erzeugung, der Import<br />
*<br />
Prof. Dr. Joachim Wieland LL.M., ist Lehrstuhlinhaber an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />
Speyer.<br />
42
<strong>und</strong> der Vertrieb <strong>von</strong> Energie oder Wasser – verbleiben beim Ursprungsunternehmen.<br />
Nach der Separierung oder eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
sind folglich zwei Unternehmen in die Wertschöpfungskette<br />
eingeschaltet. Die vorliegenden Modelle gehen insoweit da<strong>von</strong> aus, dass<br />
beide Unternehmen sich nicht auf der jeweils anderen Wirtschaftsstufe<br />
betätigen. Deshalb ist <strong>von</strong> <strong>Trennung</strong> <strong>und</strong> Entflechtung die Rede. Dazu<br />
gehört auch, dass es keine relevante Kapitalbeteiligung gibt, dass nicht<br />
etwa beide Unternehmen wechselseitig am Kapital des jeweils anderen<br />
Unternehmens beteiligt sind, sondern dass die beiden Unternehmen<br />
auch gesellschaftsrechtlich zwei völlig getrennte Akteure sind. Erörtert<br />
werden die Modelle der eigentumsrechtlichen Entflechtung für die Bereiche<br />
Verkehr, Energie <strong>und</strong> Wasser.<br />
Den folgenden Überlegungen liegt ganz wesentlich das Konzept der<br />
Kommission der Europäischen Union zur <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Betrieb</strong> zu Gr<strong>und</strong>e, so wie es in der Mitteilung vom 10. Januar 2007 niedergelegt<br />
worden ist. Nach Auffassung der Kommission ist die eigentumsrechtliche<br />
Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen <strong>von</strong><br />
ihren Netzen gegenüber dem Modell des unabhängigen Netzbetreibers<br />
vorzugswürdig. Das Alternativmodell des unabhängigen Netzbetreibers<br />
hält die EU-Kommission aus einer Begründung heraus für nachrangig,<br />
die später auch für die verfassungsrechtlichen Überlegungen bei der<br />
Suche nach einer Rechtfertigung für den in der Entflechtung liegenden<br />
Eingriff in die Eigentumsgarantie <strong>von</strong> Bedeutung sein werden. Nach<br />
Auffassung der Kommission ist eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
das wirksamste Mittel zur Gewährleistung <strong>von</strong> Wahlfreiheit für den Energieverbraucher.<br />
Die Kommission richtet also ihren Blickpunkt nicht auf<br />
die Unternehmen, sondern auf die Verbraucher <strong>und</strong> damit nicht auf den<br />
Wettbewerb zwischen den Unternehmen, sondern auf den Nutzen für<br />
den Verbraucher. Die Gründe für diese Fokussierung sind politisch<br />
nachvollziehbar. Man kann in der Öffentlichkeit mehr Akzeptanz für<br />
eigene Vorschläge erwarten, wenn man Projekte für den Verbraucherschutz<br />
präsentiert, als wenn man Probleme einzelner Wirtschaftszweige<br />
zu lösen sucht. Ein wesentlicher weiterer Vorteil des Modells der eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung liegt nach Auffassung der Kommission<br />
darin, dass ein fairer Netzzugang ohne Diskriminierung ermöglicht wird.<br />
Dagegen kann eine Diskriminierung bei einer Verflechtung tatsächlich<br />
nicht ausgeschlossen werden, zumal es gewisse wirtschaftliche Anreize<br />
dafür gibt.<br />
Die Investitionsentscheidungen in das Netz erfolgen nach einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung getrennt <strong>von</strong> den Erzeugerinteressen. Zwei<br />
Unternehmen betätigen sich wirtschaftlich, <strong>und</strong> beide treffen ihre Ge-<br />
43
schäftsentscheidungen getrennt <strong>und</strong> unabhängig <strong>von</strong> einander. Welche<br />
Entscheidungen sie tatsächlich treffen würden <strong>und</strong> insbesondere, ob der<br />
Netzbetreiber ausreichende ökonomische Anreize hätte, in sein Netz zu<br />
investieren, bleibt abzuwarten. Denkbar ist immerhin auch, dass er<br />
versuchen würde, seine Kosten so niedrig wie möglich zu halten, um<br />
seine Erträge zu optimieren. Der Niedergang des britischen Eisenbahnnetzes<br />
nach dessen Privatisierung bietet ein wenig ermutigendes Beispiel<br />
für die Folgen einer <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Rahmen<br />
einer Privatisierung.<br />
Die Europäische Kommission sieht einen ganz wesentlichen Vorteil einer<br />
eigentumsrechtlichen Entflechtung in der <strong>von</strong> ihr erwarteten Möglichkeit,<br />
die Intensität der Regulierung zu verringern, also zu deregulieren. Der<br />
Verwaltungsaufwand würde sinken, weil eine Struktur geschaffen würde,<br />
die aus sich heraus Vorteile für den Wettbewerb mit sich brächte, während<br />
bei einer Integration <strong>von</strong> Energieerzeugung <strong>und</strong> Netzbetrieb in<br />
einem Unternehmen eine Regulierungsbehörde <strong>von</strong> außen die Rahmenbedingungen<br />
für einen funktionierenden Wettbewerb durchsetzen<br />
müsste.<br />
Weiterhin erhofft sich die Kommission <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung eine stärkere Nutzung des Netzes, die wiederum Investitionen<br />
in die Netzinfrastruktur fördern soll. Grenzüberschreitende Netzverbindungen<br />
<strong>und</strong> damit die Bildung internationaler Netze würden nach<br />
Meinung der Kommission erleichtert. Es leuchtet jedenfalls ein, dass<br />
gegenwärtig der Anreiz für integrierte Unternehmen, durch grenzüberschreitende<br />
Netze für mehr Wettbewerb zu sorgen, begrenzt ist. Jedes<br />
integrierte Unternehmen hat ein natürliches Eigeninteresse, sich seinen<br />
abgegrenzten Markt möglichst ohne das Hinzutreten <strong>von</strong> Wettbewerbern<br />
zu erhalten.<br />
Schließlich hält die Europäische Kommission als Folge einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung auch Effektivitätssteigerungen im Netzbetrieb<br />
für möglich, weil nach einer Entflechtung der Informationsaustausch einfacher<br />
werde. Damit sind die wesentlichen Punkte der Position geschildert,<br />
welche die Europäische Kommission zu Beginn des Jahres<br />
2007 vertreten hat. Dieses Modell werde ich im Folgenden unter verfassungsrechtlichen<br />
Gesichtspunkten näher untersuchen.<br />
Rechtliche Regelungen über eine eigentumsrechtliche Entflechtung sind<br />
nicht völlig neu. § 7 Abs. 1 einer Verordnung der Europäischen Union im<br />
Wettbewerbsrecht kann als Vorbild für die jetzt geplante Normierung<br />
dienen. Bei einem Verstoß gegen Art. 81, 82 EG – das sind die Wett-<br />
44
ewerbsvorschriften des EG-Vertrages – darf die Kommission danach<br />
„alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller<br />
Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung<br />
verhältnismäßig <strong>und</strong> für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung<br />
erforderlich sind“. Aus juristischer Sicht fällt bei der Analyse<br />
dieser europarechtlichen Norm auf, dass als Reaktion auf Wettbewerbsverstöße<br />
– also auf ein Fehlverhalten – als Sanktion strukturelle – nicht<br />
nur verhaltensorientierte – Abhilfemaßnahmen getroffen werden dürfen,<br />
sofern sie verhältnismäßig sind. § 7 der Verordnung enthält damit eine<br />
Regelung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene, die eine eigentumsrechtliche<br />
Entflechtung erlauben würde.<br />
Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist insoweit<br />
deutlich vorsichtiger: Die Kartellbehörde kann Unternehmen alle Maßnahmen<br />
aufgeben, die für ein wirksames Abstellen einer Zuwiderhandlung<br />
gegen das Wettbewerbsrecht erforderlich <strong>und</strong> in Bezug zu dem<br />
festgestellten Verstoß verhältnismäßig sind. Wenn man die europäische<br />
<strong>und</strong> die deutsche Rechtsnorm vergleicht, fällt sofort der wesentlich konkretere<br />
Wortlaut der europarechtlichen Verordnung auf: Während im<br />
Gemeinschaftsrecht zu allen erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter<br />
oder struktureller Art ermächtigt wird, spricht das deutsche<br />
Recht nur <strong>von</strong> allen Maßnahmen. Von strukturellen Maßnahmen ist<br />
dagegen nicht die Rede. Die Frage drängt sich auf, was das Schweigen<br />
des deutschen Gesetzes bedeutet. Jedenfalls wollte der Gesetzgeber<br />
eine Ermächtigung zu strukturellen Maßnahmen nicht ausdrücklich in<br />
das Gesetz schreiben. In der Gesetzesbegründung heißt es dementsprechend,<br />
§ 32 treffe keine ausdrückliche Regelung über strukturelle<br />
Maßnahmen, schließe Eingriffe in die Unternehmenssubstanz aber nicht<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich aus – wer Juristen kennt, weiß was diese Formulierung<br />
bedeutet. Juristen sagen immer dann, gr<strong>und</strong>sätzlich sei etwas möglich<br />
oder nicht ausgeschlossen, wenn sie sich (noch) nicht festlegen wollen,<br />
sondern sich die weitere Argumentation vorbehalten. In der Gesetzesbegründung<br />
folgt der Satz, es seien Befugnisse erfasst, die bei Missbrauch<br />
einer marktbeherrschenden Stellung strukturelle Elemente einschlössen.<br />
Damit wird die Aussage schon eindeutiger. Man sieht, wie<br />
sich der Gesetzgeber vorsichtig dem Problem struktureller Eingriffe<br />
angenähert hat. Er hat es im Gesetzestext nicht angesprochen, sondern<br />
ganz allgemein nur zu allen Maßnahmen ermächtigt. Die Gesetzesbegründung<br />
ist dann schon ein wenig mutiger, ohne sich völlig eindeutig<br />
festzulegen.<br />
Den nächsten Schritt auf dem Weg zur Regelung einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung bildet der hessische Entwurf eines Gesetzes zur<br />
45
Verbesserung der Marktstruktur bei Wettbewerbsversagen vom Herbst<br />
2007. In diesem Entwurf sieht der hessische Wirtschaftsminister eine<br />
Entflechtung auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung vor,<br />
wenn die Aufgreifschwellen der Funktionskontrolle erfasst sind, wenn<br />
also der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bekämpft werden<br />
soll. Die Entflechtung stellt eine Reaktion auf den Missbrauch wirtschaftlicher<br />
Macht mit Sanktionscharakter dar. Wer seine wirtschaftliche<br />
Machtstellung missbraucht, muss eine strukturelle Entflechtung hinnehmen,<br />
wenn sonst wettbewerbliche Strukturen nicht erreicht werden können.<br />
Das B<strong>und</strong>eskartellamt hat in seinem letzten Jahresbericht betont, keine<br />
Möglichkeit zur Stärkung des Wettbewerbs dürfe <strong>von</strong> vornherein ausgeschlossen<br />
werden. Ob das bedeutet, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
nach Auffassung des B<strong>und</strong>eskartellamts zu den Instrumenten<br />
gehört, die Teil des Wettbewerbsrechts sein sollen, ist damit nicht<br />
gesagt. Auch die B<strong>und</strong>esregierung hält sich alle Optionen offen. Sie will<br />
die eigentumsrechtliche Entflechtung gründlich prüfen. Über das Ergebnis<br />
der Prüfung kann dementsprechend noch nichts gesagt werden.<br />
Jedenfalls wird die B<strong>und</strong>esregierung eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
zunächst einmal nicht umzusetzen versuchen.<br />
II. Schutzbereich der Eigentumsgarantie<br />
Nach dieser Bestandsaufnahme der tatsächlichen Gegebenheiten, Pläne<br />
<strong>und</strong> Absichten ebenso wie der bereits vorhandenen Regelungen folgt im<br />
zweiten Schritt eine Analyse der verfassungsrechtlichen Dogmatik. Sie<br />
beginnt traditionell mit der Frage, ob eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
überhaupt in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt. Was<br />
den persönlichen Schutzbereich angeht, muss geklärt werden, ob sich<br />
die <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen Entflechtung betroffenen Unternehmen<br />
überhaupt auf die Eigentumsgarantie berufen können, auch<br />
wenn sie dem Staat, Kommunen oder der öffentlichen Hand im weitesten<br />
Sinne gehören. Eigengesellschaften <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong> gemischtwirtschaftliche<br />
Unternehmen wie Stadtwerke waren bis vor kurzem nach der<br />
Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts <strong>und</strong> der ihr folgenden<br />
herrschenden Meinung in der Literatur nicht gr<strong>und</strong>rechtsfähig, weil sie<br />
als Teil der gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten öffentlichen Verwaltung angesehen<br />
wurden. Folgte man dieser Auffassung, konnten sie sich auf die Eigentumsgarantie<br />
nicht berufen. Der Staat sollte nicht die Möglichkeit erhalten,<br />
sich durch die Wahl einer privatrechtlichen Gesellschaftsform<br />
<strong>und</strong>/oder das Zusammenwirken mit privaten Unternehmen vom Gr<strong>und</strong>rechtsadressaten<br />
zum Gr<strong>und</strong>rechtsträger zu wandeln.<br />
46
Diese Rechtsprechung hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht 2006 wesentlich<br />
modifiziert. In einem Beschluss des Ersten Senats zum gr<strong>und</strong>rechtlichen<br />
Schutz <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen der Deutschen Telekom AG<br />
musste entschieden werden, ob sich die Deutsche Telekom auf Gr<strong>und</strong>rechte<br />
berufen <strong>und</strong> Verfassungsbeschwerde erheben kann, obwohl der<br />
Staat an der Deutschen Telekom AG noch zu etwa einem Drittel beteiligt<br />
war. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat 2006 entschieden, dass auch<br />
die Deutsche Telekom AG in den persönlichen Schutzbereich der Gr<strong>und</strong>rechte<br />
fällt, weil der Staat keinen beherrschenden Einfluss auf die Führung<br />
des Unternehmens ausübe. Nur wenn der Staat das Unternehmen<br />
direkt selber steuere, die Führung des Unternehmens also nicht dessen<br />
Vorstand überlasse, sei es kein Gr<strong>und</strong>rechtsträger, sondern falle in die<br />
Sphäre des gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten Staates.<br />
Diese Voraussetzung erfüllen die <strong>von</strong> einer eigentumsrechtlichen Verflechtung<br />
betroffenen Unternehmen regelmäßig nicht. Sie werden nicht<br />
hoheitlich gelenkt, sondern nach privatwirtschaftlichen Maximen im täglichen<br />
Geschäft unabhängig <strong>von</strong> der Willensbildung der öffentlichen Verwaltung<br />
geführt. Auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen oder Eigengesellschaften,<br />
deren Träger allein die öffentliche Hand ist, können sich<br />
also jetzt auf die Eigentumsgarantie berufen, solange der gr<strong>und</strong>rechtsverpflichtete<br />
Staat oder die gr<strong>und</strong>rechtsverpflichteten Kommunen sie<br />
nicht ausnahmsweise unmittelbar steuern. Sie fallen also in den persönlichen<br />
Schutzbereich der Eigentumsgarantie.<br />
Auch der sachliche Schutzbereich der Eigentumsgarantie ist berührt.<br />
Das Anteilseigentum an integrierten Unternehmen <strong>und</strong> das Eigentum<br />
dieser Unternehmen an den einzelnen Netzbestandteilen gehört sachlich<br />
zu dem, was die Verfassung als Eigentum schützt. Prägend für Eigentum<br />
im verfassungsrechtlichen Sinne sind Privatnützigkeit <strong>und</strong> Verfügungsbefugnis.<br />
Anteilseigentum dient ebenso wie Netzeigentum dem privaten<br />
Nutzen, der Rechtsinhaber kann über sie verfügen, in dem er sie etwa<br />
veräußert. Anteilseigentum <strong>und</strong> Netzeigentum gehören also zum Eigentum<br />
im verfassungsrechtlichen Sinne. Als Unternehmenseigentum haben<br />
sie einen sozialen Bezug <strong>und</strong> eine soziale Funktion. Das hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
1979 in der Mitbestimmungsentscheidung zu<br />
Recht herausgearbeitet.<br />
III. Eigentumseingriff<br />
Nicht weniger spannend als die Reichweite des Schutzbereichs der verfassungsrechtlichen<br />
Eigentumsgarantie ist aus verfassungsrechtlicher<br />
47
Sicht die Frage, wie eine eigentumsrechtliche Entflechtung in das Eigentum<br />
im verfassungsrechtlichen Sinne eingreifen würde. Unter einem Eingriff<br />
in ein Gr<strong>und</strong>recht versteht man jedes staatliche Handeln, das dem<br />
Einzelnen ein Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, das in<br />
den Schutzbereich des Gr<strong>und</strong>rechts fällt. Da eine eigentumsrechtliche<br />
Entflechtung für das betroffene Unternehmen die Beibehaltung der<br />
gr<strong>und</strong>rechtlichen geschützten Stellung als Unternehmensträger unmöglich<br />
macht, beschränkt sie dessen Verfügungsbefugnis <strong>und</strong> greift damit<br />
in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ein.<br />
Nicht so eindeutig ist die Antwort auf die Frage, wie der Eingriff rechtlich<br />
zu qualifizieren ist. Die Gr<strong>und</strong>rechtsdogmatik kennt zwei Eingriffe in das<br />
Eigentum: zum einen die Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong> Schranken des<br />
Eigentums <strong>und</strong> zum anderen die Enteignung. Unter einer Inhaltsbestimmung<br />
versteht man eine in die Zukunft gerichtete generelle <strong>und</strong> abstrakte<br />
Festlegung <strong>von</strong> Rechten <strong>und</strong> Pflichten hinsichtlich der Rechtsgüter,<br />
die der Eigentumsgarantie unterfallen. Ein Beispiel für eine<br />
Inhalts- <strong>und</strong> Schrankenbestimmung findet sich etwa in den Landesbauordnungen,<br />
die regeln, wie ein Gr<strong>und</strong>stück bebaut werden darf, wie nah<br />
an der Gr<strong>und</strong>stücksgrenze ein Bauwerk errichtet werden darf <strong>und</strong> welche<br />
Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden müssen.<br />
Eine Enteignung setzt demgegenüber den vollständigen oder teilweisen<br />
Entzug <strong>von</strong> Eigentum voraus. Bei der Enteignung wird dem Eigentümer<br />
im Interesse der Allgemeinheit etwas weggenommen, <strong>und</strong> zwar regelmäßig<br />
zur Güterbeschaffung. Das Tatbestandsmerkmal der Güterbeschaffung<br />
geht auf die Ursprünge der Eigentumsdogmatik in der ersten<br />
Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zurück, die in der Landbeschaffung für<br />
den Eisenbahnbau liegen. Seit dieser Zeit wird unter einer Enteignung<br />
ein Entzug <strong>von</strong> vermögenswerten Rechten zur Beschaffung <strong>von</strong> Gütern<br />
im Interesse der Allgemeinheit verstanden.<br />
Wie ist nun die eigentumsrechtliche Entflechtung in die eigentumsrechtliche<br />
Eingriffsdogmatik einzuordnen? Handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung<br />
oder um eine Enteignung? Für die Annahme einer Inhaltsbestimmung<br />
spricht, dass eine Pflicht zum Verkauf für die Zukunft generell<br />
<strong>und</strong> abstrakt festgelegt wird. Es wird normiert, unter welchen Voraussetzungen<br />
die Netze verkauft werden müssen. Gegen eine Inhaltsbestimmung<br />
spricht aber, dass das Verhalten, das vorgeschrieben wird,<br />
gerade dazu führt, dass der Netzeigentümer in Zukunft nicht mehr über<br />
ein Netz verfügt. Das könnte darauf hindeuten, dass eine Enteignung<br />
vorliegt. Aber es ist auch keine klassische Enteignung, weil der Staat<br />
dem Eigentümer das Netz nicht wegnimmt. Er verpflichtet ihn nur dazu,<br />
48
es zu veräußern. Außerdem findet keine hoheitliche Güterbeschaffung<br />
statt, jedenfalls werden keine Güter für den Staat beschafft.<br />
In der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik ist eine vergleichbare<br />
Konstellation in der sogenannten Boxberg-Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
erörtert worden. Das Unternehmen Daimler-Benz<br />
wollte eine Teststrecke am Boxberg errichten, war aber wegen des<br />
Widerstands einiger Gr<strong>und</strong>eigentümer nicht in der Lage, alle benötigten<br />
Gr<strong>und</strong>stücke zu kaufen. Damit stellte sich die Frage, ob der Staat die<br />
privaten Gr<strong>und</strong>eigentümer zugunsten eines privaten Dritten enteignen<br />
durfte, damit dieser auf den enteigneten Gr<strong>und</strong>stücken seine Teststrecke<br />
bauen konnte. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat eine Enteignung<br />
zugunsten eines privaten Dritten gr<strong>und</strong>sätzlich für zulässig erklärt <strong>und</strong><br />
sich in diesem Zusammenhang erneut auf die Ursprünge der Eigentumsdogmatik<br />
im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert berufen. Seinerzeit wurden die Eisenbahnen<br />
häufig <strong>von</strong> Privaten gebaut, weil der Staat nicht über das notwendige<br />
Kapital verfügte. Eisenbahnrechtliche Enteignungen erfolgten<br />
dementsprechend häufig zugunsten eines privaten Dritten.<br />
Unter Geltung des Gr<strong>und</strong>gesetzes wirft eine Enteignung zu Gunsten<br />
eines privaten Unternehmens die Frage auf, ob sie im Interesse der Allgemeinheit<br />
erfolgt. Sie begünstigt schließlich ein privatwirtschaftliches<br />
Unternehmen, nicht den Staat als Agenten der Allgemeinheit. Und wie<br />
kann gegebenenfalls die Verfolgung <strong>von</strong> Interessen der Allgemeinheit<br />
dauerhaft gesichert werden? Die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
ist insoweit nicht eindeutig. Im Boxbergurteil wird darauf<br />
abgehoben, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG den konkreten<br />
Bestand in der Hand des Eigentümers schütze. Danach wäre eine<br />
eigentumsrechtliche Entflechtung wohl als Enteignung zu qualifizieren. In<br />
einer neueren Entscheidung zur Baulandumlegung hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
aber entschieden, dass nicht jeder Entzug <strong>von</strong><br />
Eigentum eine Enteignung darstelle. Erforderlich sei vielmehr eine<br />
hoheitliche Güterbeschaffung. Bei der Baulandumlegung geht es aber<br />
nicht um eine hoheitliche Güterbeschaffung, sondern um den Ausgleich<br />
privater Interessen.<br />
Die eigentumsrechtliche Entflechtung ist strukturell einer privatnützigen<br />
Enteignung vergleichbar wie sie Gegenstand der Boxberg-Entscheidung<br />
des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts war. Der Staat würde den Netzeigentümer<br />
verpflichten, sein Netz an einen privaten Dritten zu veräußern.<br />
Diese strukturelle Vergleichbarkeit deutet auf eine Enteignung hin. Aber<br />
es handelt sich nicht um eine unmittelbare Güterbeschaffung, wie sie in<br />
der neueren Entscheidung als Merkmal der Enteignung betont wurde.<br />
49
Das Netz soll an private Dritte übergehen. Anders als bei der Baulandentscheidung<br />
steht aber bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung nicht<br />
der Ausgleich privater Interessen in Rede. Von einer Baulandumlegung<br />
haben alle Beteiligten einen Vorteil, weil sie in den Genuss eines bebaubaren<br />
Gr<strong>und</strong>stücks kommen. Demgegenüber ist der Vorteil einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung für das zu entflechtende Unternehmen<br />
nicht ersichtlich. Wenn man eine Pflicht zur Veräußerung eines durch die<br />
Eigentumsgarantie geschützten Gegenstands nicht als Enteignung qualifiziert,<br />
droht zudem die Gefahr der Umgehung des verfassungsrechtlichen<br />
Schutzes vor Enteignung. Denn bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
entzieht der Staat zwar selbst kein Eigentum, zwingt aber das<br />
betroffene Unternehmen bzw. seinen Träger zur Veräußerung <strong>und</strong> führt<br />
auf diesem Wege den Zustand herbei, der sich auch als Ergebnis einer<br />
Enteignung ergeben würde. Wirtschaftlich kann der innerhalb der vorgegebenen<br />
Entflechtungsfrist erzielbare Veräußerungserlös im Übrigen<br />
durchaus hinter der Höhe einer Enteignungsentschädigung zurückbleiben<br />
IV. Eingriffsrechtfertigung<br />
Letztlich kann die Frage, ob in einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
eine Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong> Schranken des Eigentums oder eine<br />
Enteignung zu sehen ist, aber offen bleiben. Jedenfalls liegt die Schwere<br />
des Eingriffs, der mit einer eigentumsrechtlichen Entflechtung verb<strong>und</strong>en<br />
ist, in der Nähe derjenigen einer Enteignung. Die Veräußerungspflicht ist<br />
in ihrer Wirkung dem hoheitlichen Entzug <strong>von</strong> Eigentum durchaus vergleichbar.<br />
Deshalb gibt es einen erheblichen Rechtfertigungsbedarf für<br />
eine eigentumsrechtliche Entflechtung. Denn die Enteignung selbst ist<br />
als der härteste Eingriff in das Eigentum nur als ultima ratio zulässig. Die<br />
Rechtfertigung des in einer eigentumsrechtlichen Entflechtung liegenden<br />
Gr<strong>und</strong>rechtseingriffs setzt zunächst ein Parlamentsgesetz voraus. In der<br />
Staatspraxis dürfte dieses Erfordernis keine hohe Hürde bieten. Weiter<br />
ist ein legitimes Regelungsziel erforderlich. Das wird im Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
näher qualifiziert. Eine Inhalts- <strong>und</strong> Schrankenbestimmung muss der<br />
Vorgabe genügen, dass Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll<br />
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Insoweit stellt sich die<br />
Frage, ob ein Zwangsverkauf eigentlich als Gebrauch des Eigentums<br />
anzusehen ist. Es wäre jedenfalls der letzte Gebrauch, den der Betroffene<br />
<strong>von</strong> seinem Eigentum machen kann, weil es nach dem Verkauf<br />
nicht mehr sein Eigentum ist.<br />
50
Die Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Darunter<br />
könnten die Stärkung des Wettbewerbs, ein diskriminierungsfreier Netzzugang,<br />
Investitionsanreize sowie die Verhütung des Missbrauchs einer<br />
wirtschaftlichen Machtstellung fallen. Damit dürften hinreichende Gründe<br />
des Wohls der Allgemeinheit genannt sein.<br />
Ist aber eine eigentumsrechtliche Entflechtung geeignet, um dieses<br />
Gemeinwohl zu verwirklichen? Dazu muss die eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
als Mittel die genannten Zwecke fördern. Nach der Verfassungsrechtsprechung<br />
verfügt der Gesetzgeber insoweit über einen<br />
Prognosespielraum, dessen Grenzen vorliegend wohl nicht überschritten<br />
wären. Dafür spricht insbesondere, dass der Netzzugang wahrscheinlich<br />
tendenziell einfacher wird. Ob eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
einen Investitionsanreiz bietet, dürfte umstritten sein.<br />
Verhältnismäßigkeit setzt aber weiter voraus, dass der Eingriff auch<br />
erforderlich ist. Das heißt, es darf kein gleich wirksames, aber für den<br />
Eigentümer weniger belastendes Mittel geben. Insoweit stellt sich die<br />
Frage, ob nicht die Regulierung der Netzwirtschaft weniger belastend<br />
wäre. Die Kosten der Regulierung, die sich aus dem notwendigen Verwaltungsaufwand<br />
ergeben, spielen für die Antwort auf die Frage nach<br />
der Erforderlichkeit des Eigentumseingriffs keine Rolle. Es handelt sich<br />
um Kosten des Rechtsstaates, die der Staat tragen muss, um den <strong>von</strong><br />
der Verfassung gebotenen Gr<strong>und</strong>rechtsschutz zu gewährleisten.<br />
Schließlich ist die Zumutbarkeit einer eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
zu prüfen. Jeder Eigentumseingriff muss proportional zum verfolgten<br />
Zweck sein. Es handelt sich bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung<br />
um einen einschneidenden Eingriff in das Eigentum. Dessen Nutzen ist<br />
nicht unumstritten. Insoweit besteht Klärungsbedarf. Möglicherweise ist<br />
eine eigentumsrechtliche Entflechtung dem betroffenen Unternehmen<br />
nur bei nachgewiesenem Missbrauch seiner wirtschaftlichen Machtstellung<br />
zumutbar. Solange kein Missbrauch nachweisbar wäre, käme dann<br />
eine eigentumsrechtliche Entflechtung nicht in Betracht.<br />
V. Ergebnis<br />
Zusammenfassend lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht feststellen,<br />
dass die eigentumsrechtliche Entflechtung in die Eigentumsgewährleistung<br />
eingriffe. Ob es sich um eine Bestimmung <strong>von</strong> Inhalt <strong>und</strong><br />
Schranken des Eigentums oder um eine Enteignung handelt, ist nicht<br />
leicht zu entscheiden. Jedenfalls wiegt der in einer eigentumsrechtlichen<br />
51
Entflechtung liegende Eingriff in die Eigentumsgarantie so schwer, dass<br />
er nur mit gewichtigen Argumenten gerechtfertigt werden kann. Ob der<br />
Eingriff den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen<br />
würde, ist fraglich. Möglicherweise wäre eine eigentumsrechtliche Entflechtung<br />
für das betroffene Unternehmen nur zumutbar, wenn ihm ein<br />
Missbrauch seiner wirtschaftlichen Machtstellung nachgewiesen werden<br />
könnte.<br />
52
Bernard Thiry *<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> unter dem Aspekt<br />
Regulierung/Kontrolle der <strong>Infrastruktur</strong><br />
Abstrakt:<br />
Bernard Thiry kommentiert aus dem Blickwinkel seiner Erfahrung als<br />
Vorstandsmitglied der belgischen Regulierungsbehörde die Regulierung<br />
<strong>von</strong> Energienetzen. Die belgische Regierung gründete für die Energienetze<br />
ein neues privates Unternehmen, ELIA. Nicht nur das System an<br />
sich war ein Kulturschock. Auch die Herausforderungen eines neuen regulatorischen<br />
Rahmens sind immer noch immens.<br />
Thiry nennt einige Gründe hierfür. Seiner Meinung nach muss die Legitimität<br />
der Regulierungsbehörden durch die Regulatoren selbst aufgebaut<br />
werden. Der Artikel nennt Kontrollschwierigkeiten, mahnt zu Transparenz,<br />
<strong>und</strong> zur Aufrechterhaltung der <strong>Infrastruktur</strong> allgemeinen Interesses.<br />
Er schließt mit einem Ausblick auf die nahe Zukunft, in der ein europäisches<br />
Regulatorensystem aufgr<strong>und</strong> des Drucks der großen Player<br />
entstehen könnte.<br />
SPEACH:<br />
First of all I want to thank you for your invitation. I want also to apologize<br />
for not being able to speak German. I will speak in English – more exactly<br />
in “Globish” with a strong French-speaking accent.<br />
I was asked to give you some personal comments on the regulation of a<br />
network industry taking advantage of my short experience of member of<br />
the board of the Belgian Commission of Regulation for Electricity and<br />
Gas (CREG).<br />
Before doing so I want to tell you how happy I am to be here with you.<br />
* Professor Bernard Thiry ist Generaldirektor des Internationalen Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrums<br />
für öffentliche Wirtschaft, Sozialwirtschaft <strong>und</strong> Genossenschaftswesen – IFIG –<br />
(frz. CIRIEC) <strong>und</strong> Professor an der Universität Lüttich, Belgien. Er war Gründungsmitglied <strong>und</strong> im<br />
Vorstand der belgischen Regulierungsbehörde für Elektrizität <strong>und</strong> Gas (CREG).<br />
53
The GÖW (Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft), as German Section of<br />
CIRIEC, is since about 50 years a basic component of CIRIEC. When I<br />
arrived as director of CIRIEC in 1990, Theo Thiemeyer was President of<br />
the Scientific Commission of CIRIEC. He was a very good president of<br />
this scientific body. I may also mention Helmut Cox who was President of<br />
the Scientific Commission on Public Enterprises. Now Frank Schulz-<br />
Nieswandt with other German members of the scientific network of CI-<br />
RIEC and also the many German members of the international Board of<br />
CIRIEC are strongly involved in CIRIEC activities. I would also wish to<br />
address a special thank to your very efficient and very friendly General<br />
Secretary Wolf Leetz.<br />
CIRIEC was chaired some years ago by a chief executive of a large<br />
German municipal enterprise and CIRIEC held its 22nd International<br />
Congress in Köln – 10 years ago. It may happen that in a near future CI-<br />
RIEC will be chaired again by a member of the German Section and that<br />
an international congress could take place in another German city. I feel<br />
very happy with these prospects. I am sure that you will maintain your<br />
important involvement in CIRIEC. Thanks in advance.<br />
You asked me to give some comments on the regulation of a network<br />
industry. I will base my speech on several articles I have written on this<br />
topic, on the content of my lectures on the economics of the regulation at<br />
the University of Paris-Nanterre and on my short experience as a fo<strong>und</strong>ing<br />
member of the Belgian CREG.<br />
The Belgian CREG was set up in December 1999. I was appointed by<br />
the Belgian Government as one of the six fo<strong>und</strong>ing members of the<br />
board and I was in charge of the finance, of the study department and of<br />
the overall administrative tasks.<br />
I resigned after 2 years for personal reasons. I did not find this job very<br />
exciting.<br />
Being a regulator is a very nice job but also a real challenge. The main<br />
point I want to develop this afternoon is that regulating a network industry<br />
is a difficult task – a kind of ART. The difficulties are of course greater<br />
when there is a shift in the way the industry is regulated and organized.<br />
This was the case in Belgium at that time.<br />
� Electrabel (for electricity) and Distrigaz (for gas) were two completely<br />
integrated private companies. These companies managed the electricity<br />
and gas sectors together with numerous municipal distribution<br />
54
companies (mostly in partnership with Electrabel). Most of the operational<br />
tasks were de facto taken in charge by the private companies.<br />
� In the electricity sector, the Belgian Government set up a new private<br />
enterprise, ELIA, in charge of the network. ELIA is a mixed enterprise<br />
with as shareholders: Electrabel (30%), municipalities (30%) and<br />
stock exchange (40%).<br />
� Since Electrabel held capital shares in Elia, a very strong separation<br />
was installed between the ownership and the management, the latter<br />
remaining largely out of control of the Board composed half of people<br />
linked to shareholders and half of directors independent from the<br />
shareholders.<br />
This organization looks a little like the banking sector where the operational<br />
responsibilities rest on the executive board of management<br />
and not on the board of directors.<br />
� Before 2000, a so-called Control Committee, the CCGE, composed<br />
mainly of delegates from the public authorities, from trade unions and<br />
from customers, was in charge of price fixing and investment programming.<br />
The new system put in place was a cultural shock.<br />
A new mode of regulation had to be implemented and accepted. But implementing<br />
this new regulatory framework appears to be quite difficult for<br />
several reasons:<br />
1. A regulator is suffering from a very strong asymmetry of information.<br />
To a very large extent, the regulated enterprise knows the situation<br />
much better than the regulator and it tends to give only the elements<br />
of information it wants or it is forced to give.<br />
To be in a better position, the regulator may use several<br />
means/instruments:<br />
� benchmarking studies, which can however be quite expensive;<br />
� build up an internal (costly) expertise with a team of lawyers, technical<br />
experts and economists; hiring this expertise is quite easy<br />
especially if you can offer an attractive wage and employee benefit<br />
package but keeping the people after a few years of experience is<br />
much harder because they may receive very attractive job propositions<br />
from the regulated industry to cope with the regulator;<br />
� count on external expertise: this is of course feasible, but not a<br />
real solution since it is often more expensive; the consultancy<br />
company often uses information and results from expertise already<br />
55
56<br />
provided in other countries; the know-how does not belong to the<br />
regulator.<br />
2. Regulators must be independent from the regulated enterprises:<br />
“Easy to say, not so easy to be”.<br />
You must talk: you must meet people, ask for advice, realize impact<br />
assessments. All the people in charge of the regulated industries are<br />
not “thieves”. Some of them have a very strong sense of the general<br />
interest. You are always in close connection with the regulated<br />
people. Of course you cannot accept any gift but the risk of capture of<br />
the regulator by the regulated industry is a real danger. It is thus not<br />
wise to keep the same people in charge of the regulatory body for a<br />
very long time.<br />
3. Regulators must also be very cautious in terms of relations with the<br />
ministers, ministries, political parties etc.<br />
I think that the legitimacy of the regulation is in the hands of the public<br />
authorities but the regulators must be free to act as they want in the<br />
framework defined by the public authorities without receiving any order<br />
from them or without being in a very weak position in relation with<br />
the public authorities. They will be in a weak position for example if<br />
their budget is annually approved by the public authorities. It might<br />
thus be wise to have clear financing framework securing a pluriannual<br />
structural budget.<br />
Further, it is important to pay attention to what the former regulators<br />
are allowed to do when they are not member of the regulatory body<br />
anymore. And I want to stress again the fact that the public authorities<br />
must have and keep the responsibility to determine the objectives of<br />
the regulator.<br />
4. Other difficulties<br />
In Belgium the Commission of Regulation for Electricity and Gas<br />
(CREG) is composed of two bodies:<br />
� the Board<br />
� and a general council composed of people representing the trade<br />
unions, the consumers’ lobbying organizations, the industrial customers<br />
as well as the enterprises that are active in the regulated<br />
industry sectors.<br />
This general council is only a “consultative” committee but the relations<br />
between the board and the general council are not easy.<br />
Before enacting a rule it is important to discuss with people, to do<br />
a kind of assessment.
5. Finally, I think that to a large extent the legitimacy of the regulatory<br />
body is something that must be built by the regulators themselves.<br />
This implies several elements for the regulators:<br />
� they must dialogue with the regulated;<br />
� they must pay attention to the transparency of the rules (with respect<br />
to the European market), to the stability of these rules, the<br />
rules must be easily <strong>und</strong>erstandable;<br />
� they must see to achieve a good balance between the different objectives<br />
that the regulation may pursue (general interest versus<br />
competition);<br />
� they must pay attention to the overall costs of the regulation including:<br />
� studies, benchmarking, internal and external expertise<br />
� personnel costs<br />
� direct costs of compliance since all enterprises are obliged to<br />
apply strict rules that very often vary from one country to the<br />
other<br />
� overall efficiency cost of the implementation of the rules.<br />
In a very near future, my opinion is that the big European players will exert<br />
pressure and force the harmonization of the regulatory systems in Europe.<br />
National regulators will then be part of a European Regulation System,<br />
like the European Central Bank.<br />
However, exerting the necessary control of the edicted rules – especially<br />
the non-discrimination and the access to the network – will remain particularly<br />
difficult. The networks are becoming more and more integrated<br />
and activities outside the energy sector are stepping into the networks<br />
(telecommunications, data transfer). From a technical point of view, the<br />
regulation of the network management and access will be more complex.<br />
For the regulator, having only one network to control per country might<br />
be easier, but seen from the point of view of transparency and for the<br />
sake of the general interest, this might not necessarily be the good solution.<br />
Investing in the networks will always remain an obligation to secure the<br />
long term developments and prevent shortage risks.<br />
57
Rainer Plassmann *<br />
Die Entflechtungspolitik der Europäischen Kommission<br />
<strong>und</strong> deren mögliche Folgen<br />
Kurze Einführung<br />
In den meisten Sektoren der Wirtschaft setzen sich die Produkte, Erzeugnisse<br />
oder Dienstleistungen aus mehreren <strong>von</strong> einander getrennten<br />
wirtschaftlichen Aktivitäten zusammen, die ihrerseits „Zwischen-Erzeugnisse”<br />
oder „Zwischen-Dienstleistungen” produzieren. Sind diese Zwischen-Erzeugnisse<br />
oder -Dienstleistungen komplementär zur Herstellung<br />
des Endproduktes, spricht man <strong>von</strong> einer vertikalen Beziehung. Im<br />
Bereich der Netzwirtschaften finden sich darüber hinaus üblicherweise<br />
Elemente oder Komponenten zur Herstellung des Endprodukts, die nicht<br />
unter herkömmlichen Wettbewerbsbedingungen erbracht werden<br />
können. In diesen Wirtschaftsbereichen, die sowohl wettbewerbliche wie<br />
nicht-wettbewerbliche Elemente enthalten <strong>und</strong> die komplementär sind,<br />
können dann Probleme entstehen, wenn der Eigentümer der nicht-wettbewerblichen<br />
Aktivitäten zur gleichen Zeit in Wettbewerbsmärkten aktiv<br />
ist. Eine solche Bündelung <strong>von</strong> wettbewerblichen <strong>und</strong> nicht-wettbewerblichen<br />
Komponenten findet sich z.B. in den Sektoren Eisenbahn, Elektrizität,<br />
Gas, Wasser, Abwasser, Postdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen,<br />
Flughäfen <strong>und</strong> Seehäfen. Für all diese Sektoren<br />
gilt, dass über eine Entbündelung der nicht-wettbewerblichen <strong>von</strong> den<br />
möglicherweise wettbewerblichen Aktivitäten der Wettbewerb in letzteren<br />
gefördert werden kann. Da alle genannten Sektoren spezifische Besonderheiten<br />
aufweisen, welche jeweils unterschiedliche Entbündelungsma�nahmen<br />
erfordern würde, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen<br />
auf den Sektor der Elektrizität, an dem exemplarisch die Entflechtungspolitik<br />
der Europäischen Kommission <strong>und</strong> deren möglichen<br />
Folgen dargestellt werden sollen.<br />
I. Warum entflechten?<br />
In der Wertschöpfungskette des Elektrizitätsmarktes, die sich aus den<br />
Komponenten Erzeugung, Handel, Übertragung, Verteilung <strong>und</strong> Vertrieb<br />
*<br />
Rainer Plaßmann ist Generalsekretär des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft<br />
(CEEP), Brüssel.<br />
58
zusammensetzt, können die Erzeugung, der Handel <strong>und</strong> der Vertrieb im<br />
Wettbewerb erbracht werden, während die Übertragung <strong>und</strong> Verteilung<br />
<strong>von</strong> Elektrizität so genannte natürliche Monopole darstellen.<br />
Die idealtheoretische Vorstellung der Europäischen Kommission ist wie<br />
folgt: Die elektrische Energie wird über europaweit durchlässige <strong>und</strong> zugängliche<br />
Netze zum Verbraucher transportiert, die Netze werden reguliert<br />
<strong>und</strong> in allen Wettbewerbsbereichen herrscht höchste Transparenz.<br />
Dieses Modell setzt eine Entflechtung voraus. Die Europäische Kommission<br />
hat seit ihrer Mitteilung “Aussichten für den Erdgas- <strong>und</strong> den Elektrizitätsbinnenmarkt”<br />
1 eine sehr konsistente Begründung zur Entflechtungsproblematik<br />
entwickelt, die schlie�lich in einen Vorschlag für eine Richtlinie<br />
“zur Änderung der Richtlinie 2003/54 EG über gemeinsame Vorschriften<br />
für den Elektrizitätsbinnenmarkt” 2 führte. Die dort verwandten<br />
Argumente lassen sich in drei Kategorien gliedern. In solche, die die Vorteilhaftigkeit<br />
der Entflechtung hervorheben (I.1.), in solche, die die Wettbewerbshemmnisse<br />
durch unzureichende Entflechtung in den Vordergr<strong>und</strong><br />
stellen (I.2.), <strong>und</strong> in solche, die die Unvollkommenheit der bestehenden<br />
Entflechtungsregelungen betonen (I.3.).<br />
1. Vorteile der Entflechtung<br />
Die Europäische Kommission führt folgende Vorteile der Entflechtung an:<br />
� Durch Wettbewerb in den Wertschöpfungsbereichen Erzeugung,<br />
Handel <strong>und</strong> Vertrieb entsteht mehr Effizienz im Energiemarkt <strong>und</strong> die<br />
Allokation wird verbessert.<br />
� Die Netzbetreiber können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren,<br />
was die Qualität der Netzdienstleistungen erhöht.<br />
� Die Versorgungssicherheit steigt durch das Setzen richtiger Investitionssignale.<br />
� Die Entflechtung ist eine Bedingung für die Schaffung eines funktionierenden<br />
Emissionshandels.<br />
� Entflechtung schafft erst einen fairen Netzzugang für alle potentiellen<br />
Investoren.<br />
� Liberalisierte Märkte mit entflochtenen vertikal integrierten Unternehmen<br />
begünstigen die Diversifizierung, was das flexible Reagieren<br />
auf Marktbedingungen befördert.<br />
1 KOM (2006) 841 endgültig vom 10.01.2007.<br />
2 KOM (2007) 528 endgültig vom 19.09.2007.<br />
59
� Entflochtene Energiemärkte, in denen Wettbewerb herrscht, sorgen<br />
für grö�tmögliche Effizienz bei der Energieversorgung <strong>und</strong> unterbinden<br />
Monopolgewinne.<br />
2. Wettbewerbshemmnisse<br />
In ihrem Abschlussbericht über die „Untersuchung der Europäischen<br />
Gas- <strong>und</strong> Elektrizitätssektoren gemä� Artikel 17 der Verordnung (EG)<br />
1/2003“ 3 kommt die Europäische Kommission u.a. zu folgenden Schlussfolgerungen:<br />
� Es besteht eine Marktaufteilung entlang nationaler Grenzen.<br />
� Die Europäische Kommission will Marktaufteilungsabsprachen zwischen<br />
den etablierten Marktteilnehmern festgestellt haben.<br />
� Es besteht eine zu hohe Marktkonzentration.<br />
Aus diesen Feststellungen folgert die Europäische Kommission 4 :<br />
� Übertragungsnetzbetreiber behandeln verb<strong>und</strong>ene Unternehmen<br />
besser als die Wettbewerber.<br />
� Unterschiedlich starke Entflechtung in verschiedenen Mitgliedstaaten<br />
führt zu Asymmetrien, die auf Unionsebene den Wettbewerb<br />
zwischen Marktakteuren verzerren <strong>und</strong> mit dem gemeinschaftsrechtlichen<br />
Gr<strong>und</strong>satz des freien Kapitalverkehrs kaum zu vereinbaren<br />
sind. Die Mitgliedstaaten, in denen die Entflechtung weiter<br />
vorangetrieben wurde, werden dadurch benachteiligt.<br />
� Nicht alle Marktteilnehmer haben einen gleichen Zugang zu Marktinformationen,<br />
die den etablierten Unternehmen vorliegen, weshalb<br />
diese sich strategisch verhalten können, was wiederum den Wettbewerb<br />
verzerrt.<br />
� Bei vertikaler Integration besteht die Gefahr, dass die Netze als<br />
strategische Güter betrachtet werden, die den wirtschaftlichen<br />
Interessen des integrierten Unternehmens dienen, nicht dem allgemeinen<br />
Interesse der Netzk<strong>und</strong>en.<br />
� Neue Marktteilnehmer müssen in neue Stromerzeugungskapazitäten<br />
investieren können, sonst könnten etablierte Unternehmen vor einer<br />
künstlichen Knappheit profitieren.<br />
3 KOM (2006) 851 endgültig vom 10.01.2007.<br />
4 In KOM (2006) 841 endgültig <strong>und</strong> in KOM (2007) 528 endgültig.<br />
60
3. Unvollkommenheit der bestehenden Entflechtungsregelungen 5<br />
In kritischer Auseinandersetzung mit der bisher verfolgten Entflechtungspolitik<br />
stellt die Europäische Kommission fest:<br />
� Die rechtliche <strong>und</strong> funktionale Entflechtung löst nicht den f<strong>und</strong>amentalen<br />
Konflikt in integrierten Unternehmen, innerhalb derer Vertrieb<br />
<strong>und</strong> Erzeugung ihre Umsätze oder Marktanteile steigern wollen <strong>und</strong><br />
der Netzbetreiber diskriminierungsfreien Zugang für alle Wettbewerber<br />
garantieren soll.<br />
� Unter Geltung der gegenwärtigen Entflechtungsregelungen ist ein<br />
diskriminierungsfreier Umgang mit Informationen nicht gewährleistet.<br />
Es gibt kein wirksames Mittel, um zu verhindern, dass Übertragungsnetzbetreiber<br />
sensible Marktinformationen an die für Erzeugung oder<br />
Versorgung zuständigen Bereiche des integrierten Unternehmens<br />
weitergeben<br />
� Vertikal integrierte Netzbetreiber haben keinen Anreiz, neuen Marktteilnehmern<br />
Zugang für Vertrieb oder Erzeugung zu verschaffen.<br />
� Der Übertragungsnetzbetreiber kann seine verb<strong>und</strong>enen Unternehmen<br />
gegenüber Dritten, die als Mitbewerber auftreten, begünstigen.<br />
� Integrierte Unternehmen können die Netzvermögenswerte nutzen, um<br />
Wettbewerbern den Markteinstieg zu erschweren<br />
� Die unzureichende Entflechtung <strong>von</strong> Übertragungs- <strong>und</strong> Verteilernetzbetreibern<br />
gewährleistet nicht deren Unabhängigkeit.<br />
� Beim Netzzugang für Dritte ist diskriminierendes Verhalten zu beobachten;<br />
namentlich erhalten etablierte Betreiber mit bestehenden<br />
langfristigen Verträgen Vorzugsbedingungen beim Netzzugang.<br />
� Die Befugnisse der Regulierungsbehörden sind unzureichend.<br />
� Vertikal integrierte Unternehmen haben weniger <strong>von</strong> ihren Einnahmen<br />
aus grenzüberschreitenden Engpasserlösen in neue Verbindungsleitungen<br />
reinvestiert als vollständig entflochtene.<br />
� Effektive Entflechtung beseitigt diese gestörten Investitionsanreize,<br />
die typisch für vertikal integrierte Unternehmen sind <strong>und</strong> fördert dadurch<br />
die Versorgungssicherheit.<br />
� In den letzten 10 Jahren haben vertikal integrierte Unternehmen ihre<br />
Preise mehr als entflochtene erhöht.<br />
5 KOM (2006) 841 endgültig <strong>und</strong> in KOM (2007) 528 endgültig.<br />
61
� Für vertikal integrierte Netzbetreiber besteht kein Anreiz, im allgemeinen<br />
Marktinteresse das Netz auszubauen <strong>und</strong> auf diese Weise<br />
anderen einen Markteinsteig in die Bereiche Erzeugung oder<br />
Versorgung zu erleichtern.<br />
� Die Kommission hat beobachtet, dass sich eine wirksame Entflechtung<br />
der Übertragungsnetzbetreiber förderlich auf deren Investitionstätigkeit<br />
ausgewirkt hat. Betreffende Mitgliedstaaten haben in der<br />
Folge neue <strong>Infrastruktur</strong>investoren angezogen.<br />
Die sektorspezifischen Untersuchungen <strong>und</strong> Länderüberprüfungen, die<br />
die Europäische Kommission im Jahre 2006 durchgeführt hat 6 , haben<br />
nach Auffassung der Europäischen Kommission konkrete Beispiele für<br />
folgende Mängel des derzeitigen Regulierungsrahmens zu Tage gefördert:<br />
� Gro�e <strong>und</strong>/oder vertikal integrierte Unternehmen sind hinsichtlich der<br />
Informationen für ihre Handelsstrategie deutlich im Vorteil (z.B. mit<br />
ihren Informationen über Erzeugungsausfälle).<br />
� In einigen Fällen herrscht innerhalb vertikal integrierter Gruppen Unklarheit<br />
über die Zuständigkeit für gr<strong>und</strong>legende Aufgaben des Übertragungsnetzbetreibers,<br />
z.B. was Dispatching- <strong>und</strong> Ausgleichsdienste<br />
angeht.<br />
� Die Übertragungsnetzbetreiber, vor allem vertikal integrierte, haben<br />
es versäumt, Bedingungen zu schaffen, die zu liquiden Wettbewerbsmärkten<br />
führen, z.B. dadurch, dass sie örtlich begrenzte, getrennte<br />
Ausgleichszonen beibehalten haben, anstatt deren Integration auf<br />
nationaler <strong>und</strong> grenzüberschreitender Ebene zu erleichtern. Dies<br />
kann auf mangelndes Vertrauen zwischen den vollständig entflochtenen<br />
<strong>und</strong> den nicht vollständig entflochtenen Übertragungsnetzbetreibern<br />
zurückzuführen sein.<br />
� Die Übertragungsnetzbetreiber scheinen den Ausbau der grenzüberschreitenden<br />
Kapazitäten, sei es durch Investitionen oder durch<br />
andere Mittel, recht langsam betrieben zu haben. In vielen Fällen ist<br />
dies die Folge des Umstandes, dass der Regulierungsrahmen keinen<br />
ausreichenden Anreiz erbietet.<br />
� Es gibt Anzeichen dafür, dass sowohl die Übertragungsnetzbetreiber<br />
als auch die Regulierungsbehörden zu sehr an kurzfristigen nationalen<br />
Anliegen orientiert sind, statt pro-aktiv zu versuchen, zu integrierten<br />
Märkten zu gelangen.<br />
6 Siehe KOM (2006) 851 endgültig <strong>und</strong> SEC (2006) 1724.<br />
62
Die bestehenden Entflechtungsregeln schaffen also nach Meinung der<br />
Europäischen Kommission Anreize zur Diskriminierung des Netzzugangs<br />
Dritter, sie erschweren den Markteintritt <strong>von</strong> Wettbewerbern wie auch<br />
den Anschluss neuer Kraftwerke Dritter, sie perpetuieren einen ungleichen<br />
Zugang zu Netzkapazitäten <strong>und</strong> sie beseitigen nicht Probleme<br />
der künstlich klein gehaltenen Ausgleichszonen <strong>und</strong> das Vorenthalten<br />
ungenutzter Kapazitäten.<br />
4. Exkurs: Entflechtung in den Niederlanden<br />
Seit März 2004 findet in den Niederlanden eine intensive Diskussion um<br />
das Entbündeln <strong>von</strong> Verteilerunternehmen statt. Einer der Hauptgründe<br />
für diese Debatte liegt im Interesse einiger Kommunen begründet, ihre<br />
Anteile an Verteilerunternehmen zu verkaufen. Sie erwarten kurzfristige<br />
Cash-flows durch diese Verkäufe. In dieser Debatte spielen u.a. die<br />
folgenden Argumente eine Rolle. 7<br />
� Die öffentliche Hand soll sich nicht in Sektoren engagieren, die <strong>von</strong><br />
Privatunternehmen bedient werden können.<br />
� Unternehmen in öffentlicher Hand sollen keine gro�en wirtschaftlichen<br />
Risiken eingehen, die durch die Deregulierung des Energiesektors<br />
gestiegen sind.<br />
� Diskriminierungen beim Netzzugang auf Verteilernetzebene sollen<br />
beseitigt werden.<br />
� Reine Verteilernetzgesellschaften arbeiten unabhängiger <strong>und</strong> konzentrierter<br />
auf das Kerngeschäft.<br />
� Die niederländischen Verteilergesellschaften sind zu klein zum Überleben<br />
– dennoch sollen die Netze in öffentlicher Hand bleiben.<br />
� Verteilernetze dürfen nur an solche Unternehmen verkauft werden,<br />
die bereits Eigentümer <strong>von</strong> Energie-Netzwerken in den Niederlanden<br />
sind.<br />
� Die Subventionierung wirtschaftlicher Unternehmenseinheiten aus<br />
den Netzen soll verhindert werden.<br />
Die Diskussion in den Niederlanden zeigt daher deutlich, dass die Debatte<br />
um das Unb<strong>und</strong>ling nicht nur <strong>von</strong> sektorspezifischen Überlegungen<br />
7 Ownership unb<strong>und</strong>ling of energy distribution companies in The Netherlands, Chistoph Tönjes,<br />
August 2005, Clingendael international energy programme.<br />
63
estimmt ist, sondern dass auch wirtschaftsideologische <strong>und</strong> finanzielle<br />
Erwägungen eine gro�e Rolle spielen. 8<br />
II. Wie entflechten?<br />
Teil des dritten Legislativpakets zu den europäischen Elektrizitäts- <strong>und</strong><br />
Gasmärkten der Europäischen Kommission vom 19.09.2007 ist ein<br />
Vorschlag für eine Richtlinie „zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG<br />
über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt“ deren<br />
Artikel 8 ff. eine <strong>Trennung</strong> der Erzeugung <strong>und</strong> Versorgung <strong>von</strong> den<br />
Übertragungsnetzen vorsehen. Die Europäische Kommission favorisiert<br />
dabei die Option der eigentumsrechtlichen Entflechtung, bei der ein <strong>und</strong><br />
dasselbe Unternehmen nicht mehr gleichzeitig sowohl Eigentümer der<br />
Übertragungsnetze als auch Energieerzeuger oder Energieversorger<br />
sein darf. Darüber hinaus schlägt die Europäische Kommission als<br />
zweite Möglichkeit die Option des unabhängigen Netzbetreibers vor, bei<br />
der bestehende vertikal integrierte Unternehmen Eigentümer ihrer Netze<br />
bleiben können, sofern sie den tatsächlichen <strong>Betrieb</strong> anderen<br />
Unternehmen oder Stellen anvertrauen, die <strong>von</strong> ihnen völlig unabhängig<br />
sind.<br />
Diese Optionen lesen sich im Kommissionsvorschlag wie folgt:<br />
1. Option „ eigentumsrechtliche Entflechtung“<br />
� Es darf nicht dieselbe Person direkt oder indirekt (auch nicht durch<br />
Sperrminoritäten) eine Kontrolle über ein Erzeugungs- oder Versorgungsunternehmen<br />
ausüben <strong>und</strong> gleichzeitig eine Beteiligung an<br />
einem Übertragungsnetz halten oder dort Rechte haben.<br />
� Umgekehrt sollte die Kontrolle über einen Übertragungsnetzbetreiber<br />
die Möglichkeit ausschlie�en, eine Beteiligung an einem Versorgungsnetzbetreiber<br />
zu halten oder dort Rechte auszuüben. Diese<br />
Rechte schlie�en ein:<br />
� das Halten <strong>von</strong> Kapital,<br />
� die Befugnis zur Ausübung <strong>von</strong> Stimmrechten,<br />
� die Befugnis, Leitungs- oder Aufsichtsorgane zu bestellen,<br />
� den Anspruch auf Auszahlung <strong>von</strong> Dividenden/Gewinnen.<br />
8 Weitere Informationen zur Situation des Elektrizitätssektors in den Niederlanden in« An ex-ante<br />
welfare analysis of the unb<strong>und</strong>ling of the distribution and supply companies in the Dutch electricity<br />
sector. », Michiel de Nooij and Barbara Baarsma, Amsterdam, April 2007.<br />
64
� Die Personengleichheit in Vorständen, Aufsichtsräten etc. <strong>von</strong> Erzeugungs-<br />
<strong>und</strong>/oder Versorgungsunternehmen einerseits <strong>und</strong><br />
Übertragungsnetzunternehmen andererseits ist ausgeschlossen.<br />
� Es darf keine Weitergabe sensibler Informationen aus Übertragungsnetzbereichen<br />
an Unternehmen mit den Funktionen Erzeugung<br />
oder Versorgung geben.<br />
Zusammengefasst: Die Betreiber <strong>von</strong> Übertragungsnetzen dürfen nicht<br />
mehr zu Konzernen gehören, die auch in der Energieversorgung oder<br />
-erzeugung tätig sind.<br />
2. Alternativvorschlag „unabhängiger Netzbetreiber“ 9 :<br />
� Auf Vorschlag des Netz-Eigentümers kann der Mitgliedstaat einen unabhängigen<br />
Netzbetreiber benennen, den die Kommission genehmigen<br />
muss.<br />
� Das Versorgungsunternehmen kann auf diese Weise Eigentümer<br />
bleiben, muss aber den technischen <strong>und</strong> kommerziellen <strong>Betrieb</strong><br />
einem eigenständigen Unternehmen übertragen.<br />
� Der unabhängige Netzbetreiber muss dieselben Entflechtungsvorgaben<br />
einhalten wie bei der eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />
� Der Netzeigentümer muss den Teil seines Unternehmens, dem das<br />
Netz gehört, rechtlich <strong>und</strong> funktional abtrennen.<br />
� Der Netzeigentümer muss die vom unabhängigen Netzbetreiber beschlossenen<br />
Investitionen finanzieren.<br />
� Der unabhängige Netzbetreiber muss einen <strong>von</strong> der Regulierungsbehörde<br />
vorgegebenen 10-jährigen Investitionsplan erfüllen.<br />
3. „Dritte Option“<br />
� Einige Mitgliedstaaten, u.a. Deutschland <strong>und</strong> Frankreich haben <strong>von</strong><br />
der in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 verantwortlichen portugiesischen<br />
Ratspräsidentschaft verlangt, eine dritte Option hinsichtlich<br />
der Entflechtung vorzuschlagen. Diesbezüglich nennt der Vorbereitungstext<br />
der Portugiesischen Präsidentschaft vom 16.11.07 als<br />
Bedingungen für eine dritte Option 10 :<br />
9 Artikel 10 im Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame<br />
Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt.<br />
10 ENER277<br />
65
66<br />
� Der Gr<strong>und</strong>satz der Nicht-Diskriminierung zwischen den Entflechtungsalternativen<br />
muss eingehalten werden;<br />
� Die in Bezug auf Übertragung <strong>und</strong> Investitionen auferlegten Verpflichtungen<br />
müssen bei den Entflechtungsalternativen ähnlich<br />
sein;<br />
� Jede Entflechtung muss auf Gr<strong>und</strong>lage unabhängig organisierter<br />
<strong>und</strong> angemessen regulierter Strukturen für den Netzbetrieb erfolgen;<br />
� Die Unabhängigkeit <strong>von</strong> Entscheidungen über <strong>Infrastruktur</strong>investitionen<br />
muss gewährleistet sein.<br />
Am 28. Februar 2008 wird der Energieministerrat die weiteren Entscheidungen<br />
vorbereiten, bevor der Rat auf dem Frühjahrsgipfel 2008<br />
letztendlich entscheiden wird.<br />
III. Mögliche Auswirkungen der Entflechtung<br />
Die erwarteten positiven Auswirkungen der Entflechtung aus Sicht der<br />
Europäischen Kommission wurden bereits oben unter Abschnitt I.<br />
geschildert. Die Entflechtungspolitik der Kommission könnte aber auch<br />
einige kritisch zu bewertende Folgen haben, <strong>von</strong> denen einige im<br />
Folgenden etwas näher beleuchtet werden sollen.<br />
1. Entflechtung <strong>und</strong> Klimapolitik<br />
Der Europäische Rat hat in seiner Tagung am 8. <strong>und</strong> 9. März 2007 einen<br />
umfassenden energiepolitischen Aktionsplan für die Jahre 2007-2009 11<br />
angenommen, der sich auf die Mitteilung der Kommission „Eine Energiepolitik<br />
für Europa“ 12 gründet <strong>und</strong> mit dem sehr ehrgeizige Ziele für die<br />
Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien <strong>und</strong> die Verwendung <strong>von</strong><br />
Biokraftstoffen festgelegt wurden. Die Europäische Kommission erklärt in<br />
ihrer zitierten Mitteilung, das strategische energiepolitische Ziel zu realisieren<br />
bedeute, „Europa in eine in hohem Ma�e energieeffiziente <strong>und</strong><br />
CO2-arme Energiewirtschaft umzuwandeln, eine neue industrielle Revolution<br />
in Gang zu setzen, den Wandel hin zu einem kohlenstoffarmen<br />
Wachstum beschleunigt voranzutreiben <strong>und</strong> über mehrere Jahre hinweg<br />
den Anteil der <strong>von</strong> uns erzeugten <strong>und</strong> verwendeten heimischen, emis-<br />
11 Siehe die Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 2. Mai 2007 (7224/1/07 REW 1).<br />
12 KOM (2007) 1 endgültig vom 10.01.2007.
sionsarmen Energie drastisch zu erhöhen“. Die Herausforderung bestehe<br />
darin, dieses auf eine Weise zu bewerkstelligen, die das Potential<br />
für eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas maximiere <strong>und</strong><br />
die Kosten begrenze.<br />
Die Europäische Kommission hält das Bestehen eines echtes Energiebinnenmarktes<br />
für eine wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung<br />
der drei energiepolitischen Herausforderungen, vor denen Europa stehe,<br />
nämlich durch verstärkte Wettbewerbsfähigkeit die Kosten für die Bürger<br />
<strong>und</strong> Unternehmen zu senken <strong>und</strong> gleichzeitig die Energieeffizienz <strong>und</strong><br />
Investitionstätigkeit zu steigern, nachhaltig zu wirtschaften <strong>und</strong> höchste<br />
Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Europäische Kommission ist<br />
der Meinung, dass vertikal integrierte Unternehmen diesen Herausforderungen<br />
nicht gewachsen sind, weshalb sie die Entflechtung der<br />
Unternehmen, bevorzugt über eine eigentumsrechtliche Entflechtung,<br />
auch für die Verwirklichung der Klimaziele für unabdingbar hält.<br />
Die <strong>von</strong> der Europäischen Kommission betriebene Koppelung <strong>von</strong> Ma�nahmen<br />
zur Schaffung eines Energiebinnenmarkts einerseits <strong>und</strong> der<br />
Verwirklichung <strong>von</strong> ehrgeizigen Klimazielen andererseits wird eine immer<br />
stärkere nationale <strong>und</strong> auch europäische Regulierung erfordern, um die<br />
politischen Ziele z.B. über Investitionsanreize im Markt umzusetzen.<br />
Erzeugungs- oder Vertriebsunternehmen sind zunächst einmal daran<br />
interessiert, ihre Umsätze zu steigern. Marktanreize, die dieses „natürliche<br />
Verhalten“ der Erzeugungs- <strong>und</strong> Vertriebsunternehmen ändern <strong>und</strong><br />
diese zu veranlassen suchen, die Erzeugung <strong>und</strong> den Verkauf <strong>von</strong><br />
Elektrizität zurückzufahren, somit auch Umsatzrückgänge in Kauf zu<br />
nehmen, müssen schon überzeugend <strong>und</strong> stark sein.<br />
Die Koppelung <strong>von</strong> Klima- <strong>und</strong> Wettbewerbszielen im Energiebereich<br />
schafft darüber hinaus auch Probleme insofern, als die durch die Europäische<br />
Binnenmarktpolitik erforderlich gewordene Markt- <strong>und</strong> Unternehmensreorganisation<br />
<strong>von</strong> den umweltpolitischen Zielen überlagert<br />
wird. Dies erschwert es den Leitungsorganen der Energieunternehmen,<br />
sich voll auf eine optimale organisatorische Ausrichtung ihrer Unternehmen,<br />
die einerseits den gesetzlichen Vorgaben entspricht, andererseits<br />
die Position der Unternehmen im Wettbewerb erhöht, zu konzentrieren.<br />
67
2. Entflechtung <strong>und</strong> De-Minimis<br />
In der bereits zitierten Mitteilung der Europäischen Kommission „Eine<br />
Energiepolitik für Europa“ 13 erklärt die Kommission, dass die Vorschriften<br />
zur Entflechtung der Verteilungstätigkeiten einer Überprüfung bedürfe,<br />
denn derzeit seien Verteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000<br />
K<strong>und</strong>en <strong>von</strong> den meisten Entflechtungsanforderungen ausgenommen.<br />
Es würde der unter Abschnitt I. dargestellten Marktlogik entsprechen,<br />
dass sich zumindest grö�ere Verteilerunternehmen organisatorisch<br />
ebenso aufstellen wie ihre grö�eren Wettbewerber. Insbesondere ist das<br />
<strong>von</strong> der Europäischen Kommission angestrebte durchgehende Europäische<br />
Netz auch aus Sicht einiger Mitgliedstaaten (z.B. der Niederlande<br />
oder Großbritanniens) nur herstellbar, wenn Verteilerunternehmen<br />
keine Inseln im ansonsten diskriminierungsfrei <strong>und</strong> transparent betriebenen<br />
Energienetz bilden. Auch die oben unter I.4. dargestellte<br />
Diskussion in den Niederlanden zur Entflechtung der Verteilernetze weist<br />
in diese Richtung. Es spricht daher viel dafür, dass der derzeitige<br />
Schwellenwert reduziert werden könnte <strong>und</strong> die De-minimis-Regeln<br />
somit allenfalls für kleinere Verteilerunternehmen gelten würden.<br />
Unabhängig da<strong>von</strong>, welche Form der Entflechtung für die Übertragungs-<br />
oder auch die Verteilerebene zugelassen werden, wird man da<strong>von</strong> ausgehen<br />
müssen, dass sich europaweit agierende Netzgesellschaften oder<br />
Netzbetreiber-Gesellschaften herausbilden werden, die den Eigentümern<br />
der Netze entweder deren Verkauf oder aber zumindest deren<br />
„operating“ anbieten werden.<br />
3. Entflechtung <strong>und</strong> Selektion des Betreibers<br />
Für die Variante des unabhängigen Netzbetreibers ergibt sich in diesem<br />
Zusammenhang die Frage nach der Selektion dieses Netzbetreibers.<br />
Nahezu alle Verteilerunternehmen in Europa befinden sich in öffentlicher<br />
Hand. Für diese gelten aber gr<strong>und</strong>sätzlich die Binnenmarktregeln, insbesondere<br />
die Regeln zum öffentlichen Auftragswesen <strong>und</strong> wohl auch<br />
eventuelle künftige Rechtsvorschriften zur Vergabe <strong>von</strong> Dienstleistungskonzessionen.<br />
In ihrer Mitteilung „Zu öffentlich-privaten Partnerschaften<br />
<strong>und</strong> den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen<br />
<strong>und</strong> Konzessionen“ 14 hat die Europäische Kommission<br />
dargelegt, dass letztere den Gr<strong>und</strong>sätzen der Artikel 43 <strong>und</strong> 49 des EG-<br />
13 KOM (2007) 1 vom 10.01.2007.<br />
14 KOM (2005) 569 endgültig vom 15.11.2005.<br />
68
Vertrages unterliegen, vornehmlich den Gr<strong>und</strong>sätzen der Transparenz,<br />
der Gleichbehandlung, der Verhältnismä�igkeit <strong>und</strong> der gegenseitigen<br />
Anerkennung. Künftige Regeln könnten eine angemessene Bekanntmachung<br />
der Absicht der Konzessionserteilung vorschreiben <strong>und</strong> Vorschriften<br />
für die Auswahl der Konzessionäre auf Gr<strong>und</strong>lage objektiver,<br />
nicht-diskriminierender Kriterien festlegen. Ganz allgemein ist in diesen<br />
Regeln auf die Anwendung des Gr<strong>und</strong>satzes der gleichen Behandlung<br />
aller Teilnehmer am Konzessionsvergabeverfahren abgezielt. Das würde<br />
bedeuten, dass die Eigentümer der Netze bei der Selektion des Netzbetreibers<br />
nicht frei wären, sondern ein ausschreibungsähnliches Verfahren<br />
anzuwenden hätten. Wenn die Überlagerung des sektoralen<br />
Energierechts durch horizontales Binnenmarktrecht nicht erwünscht sein<br />
sollte, müsste dies im Rahmen der weiteren legislativen Behandlung des<br />
Entflechtungsthemas klargestellt werden.<br />
Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit möglichen Ausschreibungsverpflichtungen<br />
stellt, ist die nach Abwehrmöglichkeiten gegen unerwünschte<br />
Investoren oder Betreiber. Internationale Abkommen wie z.B.<br />
das General Agreement on Trade in Services (GATS) <strong>und</strong> das immer zu<br />
beachtende Prinzip der Nicht-Diskriminierung würden es öffentlichen<br />
Stellen erheblich erschweren, Bewerber um den Netzbetrieb etwa wegen<br />
einer wettbewerbsschädlichen Politik des Staates, in dem der Bewerber<br />
ansässig ist, zurückzuweisen.<br />
4. Entflechtung <strong>und</strong> Synergien<br />
Die Entflechtungsvorgaben werden es Unternehmen mit mehreren Netzsparten<br />
nicht einfacher machen, Synergien aus dem <strong>Betrieb</strong> dieser<br />
verschiedenen Netze zu heben.<br />
Auch das in den integrierten Unternehmen selbstverständliche Zusammenspiel<br />
der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette unter<br />
einheitlicher Leitung muss nun unter wesentlich komplizierteren Bedingungen<br />
bewältigt werden. So ist es z.B. schwierig für die Netzbetreiber,<br />
ihre Rolle mit den anderen Akteuren (Erzeugung, Handel, Vertrieb)<br />
in einem Marktsystem zu finden, in dem man kaum auf die Preise,<br />
die Dienstleistungsbreite oder die Dienstleistungsqualitäten Einfluss <strong>und</strong><br />
zudem noch politisch motivierte <strong>und</strong> regulierte Zielvorgaben zu beachten<br />
hat. Hinzu kommt die Unklarheit, welche Glieder der Wertschöpfungskette<br />
die politischen Zielvorgaben, wie z.B. den Klimaschutz, umzusetzen<br />
haben.<br />
69
5. Entflechtung <strong>und</strong> Kapitalmarkt<br />
Viele integrierte Versorgungsunternehmen befürchten schlechtere<br />
Kreditbedingungen für die jeweiligen entflochtenen Unternehmensteile<br />
bei der Kapitalbeschaffung nach einer eigentumsrechtlichen Entflechtung.<br />
Auch hier ist Handlungsbedarf für die europäischen <strong>und</strong> nationalen<br />
Gesetzgeber.<br />
Ein anderes Problem mit dem Kapitalmarkt könnte dadurch entstehen,<br />
dass regional oder lokal geb<strong>und</strong>ene öffentliche Verteilernetzgesellschaften<br />
nicht wachsen können. Diese fehlende unternehmerische<br />
Perspektive könnte Kapitalgeber weniger aufgeschlossen sein lassen.<br />
Ein in der öffentlichen Diskussion wenig beachtetes Thema sind die <strong>von</strong><br />
zahlreichen Kommunen abgeschlossenen cross-border-leasing-Verträge<br />
über öffentliche <strong>Infrastruktur</strong>en (z.B. auch über Stromnetze) mit amerikanischen<br />
Investoren. Hier könnten im Falle einer eigentumsrechtlichen<br />
Entflechtung Schadenersatzforderungen drohen.<br />
6. Entflechtung <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en / Kosten<br />
Die Schaffung eines Energiebinnenmarktes wird nicht nur mehr Wahlmöglichkeiten<br />
für die Verbraucher, Privatpersonen <strong>und</strong> Unternehmen<br />
kreieren, sie wird auch zu zunehmender Verwirrung insbesondere bei<br />
privaten Verbrauchern oder kleineren Unternehmen führen. Es ist z.B.<br />
für viele, besonders ältere Verbraucher nur schwer einsichtig <strong>und</strong> überschaubar,<br />
warum Ihnen plötzlich verschiedene Anbieter für Netzdienstleistungen<br />
<strong>und</strong> Verkauf <strong>von</strong> Elektrizität entgegentreten, während dies<br />
bisher ein einziges Unternehmen mit einem Ansprechpartner war. Hinzu<br />
kommt, dass die unterschiedlich ausgestalteten Angebote an die Verbraucher<br />
eine vergleichende Kalkulation erschweren. Besonders bei Umzügen<br />
oder grö�eren Bauma�nahmen dürfte dies für Komplikationen<br />
sorgen, zumal die Abstimmung zwischen den Vertriebs- <strong>und</strong> den <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaften<br />
nicht immer optimal gestaltet sein dürfte.<br />
Nicht unterschätzt werden sollten die Kosten der Entflechtung, die z.B.<br />
durch neue IT-Systeme oder erforderlich werdende Personalma�nahmen<br />
auftreten werden.<br />
70
IV. Fazit<br />
Die Entflechtungspolitik im Elektrizitätsmarkt wird voranschreiten <strong>und</strong><br />
könnte auch zumindest grö�ere Verteilerunternehmen – <strong>und</strong> nicht nur,<br />
wie derzeit vorgesehen, nur die Übertragungsnetzbetreiber – erfassen.<br />
Aus den oben unter III. dargestellten Gründen will die übergroße Mehrzahl<br />
der deutschen Kommunen <strong>und</strong> ihrer kommunalen Energieversorgungsunternehmen<br />
an vertikal integrierten Unternehmen auf der Verteilerstufe<br />
festhalten. Dieser Wunsch sollte auch im Interesse eines<br />
funktionierenden Marktes bei der künftigen Energiepolitik der Europäischen<br />
Union berücksichtigt werden.<br />
Die Entflechtung wird auch in anderen Industrien, die wettbewerbliche<br />
<strong>und</strong> nicht-wettbewerbliche Komponenten aufweisen, weiterhin eine<br />
Option sein. So hat z.B. kürzlich die Europäische Kommission ein verstärktes<br />
funktionales Unb<strong>und</strong>ling für den Telekom-Markt vorgeschlagen,<br />
das sich an dem Beispiel Gro�britanniens ausrichtet, wo sich die British<br />
Telecom in BT <strong>und</strong> Open Reach aufgeteilt 15 hat.<br />
Es wird ein Mehr an Marktkonzentration <strong>und</strong> Regulierung geben.<br />
Die zum Teil politisch motivierten Aufgabenbestimmungen für Netzbetreiber<br />
(s. Abschnitt III.1. Entflechtung <strong>und</strong> Klimapolitik) <strong>und</strong> andere Marktakteure<br />
müssen mit Marktbedingungen kompatibel gemacht werden.<br />
Investitionsanreize für die Netzinfrastrukturen müssen erheblich verbessert<br />
werden, um einen hohen Qualitätsstandard zu halten <strong>und</strong> Innovation<br />
anzuregen.<br />
15 KOM (2007) 697 endg.<br />
71
Workshop 1: Verkehrssektor<br />
Referenten:<br />
Hubert Jung<br />
Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man<br />
trennen, was technisch zusammengehört?<br />
Professor Dr. Gerd Aberle<br />
Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzaus-<br />
gliederung? Das Spannungsverhältnis zwischen<br />
innovativer Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbssicherung<br />
Raim<strong>und</strong> Stüer *<br />
Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus Sicht des<br />
privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />
* Siehe Anhang.
Hubert Jung *<br />
Systemeinheit Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahn: Soll man trennen,<br />
was technisch zusammengehört?<br />
Die Veranstaltung heute steht unter der Frage, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />
Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> einen Königsweg darstellt. Aus der Sicht des <strong>Betrieb</strong>sführers<br />
eines lokalen Stadtbahn- <strong>und</strong> Straßenbahnbetriebs lautet vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> der deutschen Rechtsordnung meine Antwort schlicht:<br />
Nein. Nicht die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>, sondern deren<br />
Systemeinheit sieht für den Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahnbetrieb in Deutschland<br />
§ 9 des Personenbeförderungsgesetzes <strong>und</strong> daran anknüpfend die<br />
<strong>Betrieb</strong>sordnung für Straßenbahnen, genannt BOStrab, vor. Die <strong>Trennung</strong><br />
hätte somit revolutionären, nicht royalen Charakter.<br />
Nun wissen wir, Rechtsvorschriften, auch <strong>Betrieb</strong>sordnungen, kann man<br />
ändern. Eine Rechtsordnung ist gerade in Brüssel geändert worden. Das<br />
Europäische Parlament hat im Konzert mit dem Ministerrat <strong>und</strong> der<br />
Kommission für den Personennahverkehr die VO Nr. 1370/2007 1 erlassen,<br />
die in zwei Jahren in Kraft treten wird. Im Zuge der Diskussion um<br />
diese Verordnung wurde natürlich auch erörtert, ob auch bei den lokalen<br />
Schienennahverkehrsnetzen <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> zukünftig getrennt<br />
werden sollten.<br />
Die Befürworter einer solchen <strong>Trennung</strong> verweisen auf die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei den europäischen Schienennetzen. Hier<br />
kann der Nachfrager nach Verkehrsleistungen den Anbieter wählen, der<br />
seine Waren beispielsweise <strong>von</strong> Dortm<strong>und</strong> nach Berlin transportieren<br />
soll. Die Befürworter einer <strong>Trennung</strong> wollen, dass das Netz diskriminierungsfrei<br />
konkurrierenden Anbietern geöffnet wird. Jeder Nutzer soll<br />
wissen können, welche Kosten mit der Nutzung des Netzes verb<strong>und</strong>en<br />
sind. Natürlich bauen alle darauf, dass diese Transparenz zum sparsamen<br />
Umgang mit den Ressourcen zwingt <strong>und</strong> die Benutzung des<br />
Netzes billiger wird. Jeder weiß, zahlreiche Mitarbeiter des öffentlichen<br />
Nahverkehrs haben zu lange die Vokabel "Wettbewerbsfähigkeit" nicht<br />
mit dem eigenen <strong>Betrieb</strong> in Verbindung gebracht. Seit Anfang der 1990er<br />
Jahre hat sich der Wind gedreht. Viele meinen, das Lüftchen sei noch zu<br />
* Hubert Jung ist Mitglied des Vorstandes der Dortm<strong>und</strong>er Stadtwerke AG.<br />
1 Verordnung des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche<br />
Personenverkehrsdienste auf Schiene <strong>und</strong> Straße <strong>und</strong> zur Aufhebung der Verordnungen (EWG)<br />
Nr. 1191/69 <strong>und</strong> (EWG) Nr. 1107/70 des Rates.<br />
75
lau, <strong>und</strong> sagen, eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> wäre ein gutes<br />
Mittel, alle Bereiche der Verkehrsbetriebe zur Wettbewerbsfähigkeit zu<br />
zwingen.<br />
Wir wissen, gerade die <strong>Infrastruktur</strong> für den Nahverkehr auf Schienen ist<br />
teuer <strong>und</strong> funktioniert in der Regel nicht ohne öffentliche Zuschüsse.<br />
Warum soll es Schienenverkehrswegen anders gehen als Straßen, die<br />
ebenfalls durch Abnutzung reparaturbedürftig werden <strong>und</strong> auf Kosten<br />
des Staates repariert werden? Und wenn man weiß, dass öffentliche<br />
Zuschüsse fließen müssen, soll dies allen Anbietern <strong>von</strong> Zugleistungen<br />
in gleicher Weise zu Gute kommen. Derjenige, der die <strong>Infrastruktur</strong> zu<br />
unterhalten hat, soll beim Fahren auf den Schienen im Vergleich zu<br />
anderen Anbietern keinen Vorteil haben.<br />
Verkehrsunternehmen sind chronisch klamm. Ein Kostendeckungsgrad<br />
aus Fahrgeldeinnahmen <strong>von</strong> 65 – 75 % lädt nicht zu großen Sprüngen<br />
ein. Hinzu kommt, auch die Eigentümer der Verkehrsbetriebe sind in der<br />
Regel nicht auf Rosen gebettet. Da will man natürlich keinen Euro zu viel<br />
aus Steuermitteln zahlen. Man schaut auch über den Tellerrand <strong>und</strong><br />
sucht nach Unternehmen, die über flüssige Mittel verfügen <strong>und</strong> an die<br />
Zukunft der Verkehrsbranche glauben.<br />
So ist die Welt heute. Wenn es anders wäre, hätten wir in unserem<br />
Hause in den letzten Jahren keine Ergebniscenterrechnung eingeführt,<br />
kein Benchmarking mit anderen Unternehmen betrieben <strong>und</strong> sicher auch<br />
auf einen US-Lease für Fahrzeuge <strong>und</strong> Anlagen großzügig verzichtet.<br />
Wir taten dies, um unsere Wettbewerbsfähigkeit herzustellen im Interesse<br />
unserer Fahrgäste, im Interesse unseres Eigentümers <strong>und</strong> aus der<br />
blanken Not heraus, dass man die Mark <strong>und</strong> jetzt den Euro nur einmal<br />
ausgeben kann. Wir taten dies innerhalb unserer deutschen Rechtsordnung,<br />
die in der BOStrab ganz eindeutig das Leitbild einer Systemeinheit<br />
<strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei Straßenbahnen, Stadtbahnen <strong>und</strong> U-<br />
Bahnen verfolgt. Dieses Leitbild muss auch nicht abgeändert werden,<br />
wenn demnächst die neue EU-Verordnung zum ÖPNV in Kraft tritt. 2 Für<br />
die Durchführung wettbewerblicher Verfahren, wie sie diese EU-Verordnung<br />
vorsieht, ist eine <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ebenso<br />
wenig erforderlich wie bei einer Direktvergabe an einen internen Betreiber,<br />
die der lokale Aufgabenträger alternativ verfügen kann.<br />
2 Siehe Fußnote 1.<br />
76
Sicher ist richtig: Wenn die Rechtsordnung uns nicht zur <strong>Trennung</strong><br />
zwingt, können doch ökonomische Gründe dafür streiten.<br />
Aber wenn wir dieser Frage nachgehen, müssen wir uns erst ein wenig<br />
damit befassen, wie die Realität heute vor Ort aussieht. Im nationalen<br />
Eisenbahnnetz gibt es eine <strong>von</strong> Reichsbahn <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esbahn entwickelte<br />
strikte Normierung zur Beschaffenheit der Schienenstrecken, der<br />
Signaltechnik, der Lokomotiven <strong>und</strong> der übrigen Fahrzeuge. Nach diesen<br />
Vorschriften kann jeder potenzielle Nutzer des Schienennetzes seine<br />
Fahrzeuge für das nationale Netz ausstatten. Unterschiedliche Vorgaben<br />
einzelner Länder, etwa zur richtigen Bahnsteighöhe, führen allerdings<br />
dazu, dass Nahverkehrsfahrzeuge oft nicht länderübergreifend eingesetzt<br />
werden können.<br />
Diese einheitliche Vorschriftenwelt des nationalen Eisenbahnwesens gibt<br />
es im Straßen- <strong>und</strong> Stadtbahnverkehr nicht. Zumeist ist es schon nicht<br />
möglich, auf Schienen <strong>von</strong> außen mit einem Fahrzeug in ein lokales<br />
Schienennetz zu fahren. Anders als in der Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
sind heute die Straßenbahnnetze meist nur noch in den Innenstädten<br />
<strong>und</strong> auf den großen Magistralen <strong>von</strong> den Vororten in die Innenstädte zu<br />
finden. Städteübergreifende Gleisnetze gibt es in Deutschland heute<br />
noch im Rhein-Neckar-Raum, zwischen Düsseldorf, Duisburg, Essen<br />
<strong>und</strong> Bochum, im Bereich Köln/Bonn. In den Räumen Karlsruhe <strong>und</strong><br />
Kassel fahren Stadtbahnen auch in das Eisenbahnnetz des Umlands ein.<br />
Nur dort ist es möglich, mit dem gleichen Fahrzeug ohne Umbauten <strong>von</strong><br />
einer Stadt in eine andere zu kommen. Nur in diesen wenigen Bereichen<br />
wäre es theoretisch denkbar, dass der K<strong>und</strong>e Fahrgast nicht nur beim<br />
Kauf <strong>von</strong> Brötchen <strong>und</strong> Zeitungen, sondern auch bei seiner Straßenbahnfahrt<br />
zwischen konkurrierenden Anbietern wählen kann. In den<br />
übrigen Fällen kann der K<strong>und</strong>e nur zwischen dem lokalen Straßenbahnunternehmen<br />
<strong>und</strong> den Möglichkeiten des motorisierten Individualverkehrs<br />
wählen. Denkbar ist in diesen Fällen allein ein Wettbewerbsverfahren,<br />
bei dem die Behörde aussucht, wer zukünftig als Monopolist auf<br />
Zeit seine Leistung auf der Schiene zur Verfügung stellen darf. Ob der<br />
K<strong>und</strong>e Fahrgast da<strong>von</strong> einen Vorteil hat, ist umstritten. Eine Wahlmöglichkeit<br />
zwischen vergleichbaren Nahverkehrsleistungen auf der Schiene<br />
hat er jedenfalls nicht.<br />
Die vielen kleinen lokalen Netzinseln sind in den letzten 50 Jahren natürlich<br />
technisch aufgerüstet worden. Jeder Schienenverkehrsbetreiber hat<br />
nach bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen seine Anlagen optimiert <strong>und</strong> dabei in<br />
der Regel ohne Änderung der Spurbreite, die er vor vielen Jahrzehnten<br />
festgesetzt hatte, sein Gleisnetz <strong>und</strong> seine Fahrzeuge aufeinander ab-<br />
77
gestimmt. Das führte dazu, dass wir heute nicht nur bei den Gleisnetzen<br />
<strong>von</strong> alters her unterschiedliche Spurweiten haben. Weitere Unterschiede<br />
gibt es bei der maximalen Wagenbreite, bei den möglichen Wagenlängen<br />
<strong>und</strong> etwa bei den Hüllkurven der Fahrzeuge. Während in der<br />
einen Stadt bereits mit 2,65 m breiten Straßenbahnen überall gefahren<br />
werden kann, geht es andernorts etwas enger zu. Dies hat zur Folge,<br />
dass Sie nur 2,3 oder 2,4 m breite Wagen einsetzen können. Und<br />
während man beispielsweise in Dresden nur Ein-Richtungs-Fahrzeuge<br />
mit einer Fahrerkabine <strong>und</strong> Türen nur auf der rechten Wagenseite<br />
braucht, weil an jeder Linienendhaltestelle eine Schleife das Wenden<br />
ermöglicht, braucht man etwa in Dortm<strong>und</strong> stets an beiden Fahrzeugenden<br />
einen Fahrerarbeitsplatz. Hier gibt es seit langem nur noch im<br />
Ausnahmefall Wendeschleifen <strong>und</strong> der Einstieg in das Fahrzeug findet<br />
mal links am Mittelbahnsteig <strong>und</strong> mal an den Türen in Fahrtrichtung<br />
rechts statt. Es wird Sie bei dieser Ausgangslage auch nicht überraschen,<br />
wenn die Beschaffenheit der Räder, insbesondere die Form der<br />
Spurkränze in Abhängigkeit zur ortsüblichen Schiene, <strong>von</strong> Ort zu Ort<br />
unterschiedlich ist.<br />
Nicht anders sieht es indes bei der Zugsicherung aus. Hier hat jeder <strong>Betrieb</strong><br />
seine eigene Philosophie <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en seine eigene Ausrüstung.<br />
Wir verwenden bei unseren Stadtbahnen <strong>und</strong> Straßenbahnen<br />
das punktförmige Sicherungssystem „ZUB100“. Dabei kommt der Name<br />
nicht daher, dass die Zugsicherungseinrichtung am Fahrzeug selbst<br />
jeweils etwa 100.000 € kostet. Das ist noch verhältnismäßig preisgünstig<br />
im Vergleich zu anderen Systemen, in denen die Zugsicherung mit<br />
Linienleitern bewerkstelligt wird.<br />
Dass Bahnsteige unterschiedlich hoch sind, ist nichts Neues. Von der<br />
höchsten Höhe des jeweils auf einer Linie befindlichen Bahnsteigs hängt<br />
aber ab, wie hoch mindestens die Einstiegshöhe an der Fahrzeugtür der<br />
Straßenbahn sein muss. Nach der BOStrab ist – aus guten Gründen –<br />
ein Einstieg <strong>von</strong> einem Bahnsteig in einen tiefer liegenden Fahrzeuginnenraum<br />
nicht zulässig. Das heißt, der Bahnsteig mit der höchsten<br />
Oberkante über der Schiene gibt das Mindestmaß für die Höhe des<br />
Innenraums eines Fahrzeugs vor. Wir hätten gerne beispielsweise bei<br />
der Beschaffung der neuen Wagen für unsere Ost-West-Strecke das in<br />
Frankfurt eingesetzte Fahrzeug bestellt. Da wir jedoch an einem Turmbahnhof,<br />
der bereits vor mehr als einem Jahrzehnt gebaut <strong>und</strong> für<br />
andere Linien in <strong>Betrieb</strong> genommen wurde, bei der Bahnsteighöhe ein<br />
Maß <strong>von</strong> 38 cm nicht mehr unterschreiten konnten, mussten wir bei der<br />
Ausschreibung der Fahrzeuge eine Fußbodenhöhe im Wagen vorgeben,<br />
die 5 cm über dem Frankfurter Maß lag. Allein dieser Umstand führte<br />
78
dazu, dass die Konstruktion mit großem Aufwand überarbeitet werden<br />
musste. Wir hätten gerne dem Hersteller <strong>und</strong> uns diesen Aufwand erspart.<br />
Sie sehen hieran, anders als im Verkehr auf dem DB-Netz müssen<br />
Sie die Fahrzeuge detailliert auf die örtlichen Bedingungen ausrichten.<br />
Dies führt dazu, dass ein Wechsel zwischen den Netzen nicht möglich<br />
ist. Im Wettbewerbsfall müsste also ein Anbieter Fahrzeuge aus einem<br />
Fahrzeugpool mieten können oder Gelegenheit haben, mit genügendem<br />
Vorlauf neue Fahrzeuge zu kaufen <strong>und</strong> sie dann über den gesamten<br />
Zeitraum der Abschreibung zu nutzen.<br />
Noch weniger ist eine <strong>Trennung</strong> bei fahrerlosen U-Bahnstrecken möglich.<br />
Hier ist jeweils ein umfassendes technisches Gesamtsystem in<br />
Benutzung, das zwingend aus einer Hand zu bewirtschaften ist.<br />
Wir wollen die Verkehrsunternehmen zu effizientem Handeln zwingen.<br />
Das Geld liegt für uns nicht auf der Straße. Dazu braucht man jedoch<br />
keine gesellschaftsrechtliche <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>. Nach<br />
unseren Erfahrungen reicht es aus, eine konsequente <strong>Trennung</strong>srechnung<br />
durchzuführen <strong>und</strong> für die operativ zu erbringenden Leistungen<br />
Kostenvergleiche mit anderen Verkehrsunternehmen anzustellen. Wir<br />
haben dies etwa für eine Reihe <strong>von</strong> Leistungen im Gleisbau in den vergangenen<br />
Jahren gemacht. Dabei haben wir im Vergleich mit anderen<br />
Verkehrsunternehmen aber auch sorgsam darauf geachtet, dass nicht<br />
Äpfel mit Birnen <strong>und</strong> Kirschen mit Pflaumen, sondern nur definierte<br />
Leistungen miteinander verglichen wurden. Erst in den letzten Tagen<br />
haben wir im Kreis der stadtbahnbetreibenden Städte Nordrhein-Westfalens<br />
einen Vergleich über die Energiekosten je Zugkilometer durchgeführt.<br />
Die Erkenntnisse über den Energieverbrauch <strong>und</strong> über die<br />
Kosten für die bezogene Kilowattst<strong>und</strong>e waren sehr aussagekräftig. Sie<br />
zeigten uns auf, wo wir mit unserem Unternehmen stehen. Es ist dann<br />
keine Kunst, realistische Handlungsziele zu formulieren <strong>und</strong> durchzusetzen.<br />
Diese Ziele müssen Sie auch verfolgen, weil Sie sonst bei einer<br />
Abrechnung etwa für die Leistungen zur Unterhaltung der Trasse nicht<br />
überzeugend belegen könnten, dass Sie nur den Aufwand eines gut<br />
geführten, durchschnittlichen Verkehrsunternehmens haben.<br />
Wenn Sie in den einzelnen Leistungsbereichen eine konsequente <strong>Trennung</strong>srechnung<br />
durchführen, können Sie auch durch das Hereinnehmen<br />
<strong>von</strong> Partnern etwa in Werkstätten oder in eine Fahrergesellschaft das<br />
Know-how oder die Kapitalkraft Dritter fruchtbar machen. Eines darf<br />
dabei aber nicht in Frage stehen: Die Leitung eines <strong>Betrieb</strong>es auf einem<br />
Netz kann – anders als im Eisenbahnverkehr – nicht aufgeteilt werden.<br />
Der <strong>Betrieb</strong>sführer ist allein für die Funktionsfähigkeit des <strong>Betrieb</strong>es <strong>und</strong><br />
79
des Netzes umfassend verantwortlich. Er ist der Chef, der bei Schadensfällen<br />
auch den Kopf alleine hinhalten muss. Als Chef im Ring ist er<br />
gleichzeitig dafür verantwortlich, dass die eigenständig agierenden Bereiche<br />
sich nicht gegenseitig in ihrem Bestreben, den eigenen Sektor zu<br />
optimieren, das Leben schwer machen. Er trägt die Verantwortung zum<br />
Beispiel dafür, dass Reparaturarbeiten am Gleis so vorgenommen<br />
werden, dass der <strong>Betrieb</strong> nicht über Gebühr zum Erliegen kommt. Natürlich<br />
wäre es billig für den Gleisbauer, die Reparaturarbeiten tagsüber<br />
durchzuführen. Dann ist die Sicht besser. Dann sind die Personalaufwendungen<br />
niedriger als bei einem Einsatz in der Nacht zu Nachttarifen.<br />
Und dem Gleisbauer, der nur auf sein Ergebnis schaut, ist es herzlich<br />
egal, ob der Fahrbetrieb einen teuren Schienenersatzverkehr durchführen<br />
muss, der so unattraktiv ist, dass die Fahrgäste flüchten. Ökonomischer<br />
ist es dagegen, in diesen Fällen weitestgehend die <strong>Betrieb</strong>sruhezeiten<br />
zu nutzen <strong>und</strong> zügiges Handeln einzufordern. Entscheidend<br />
ist die Gesamtsicht über alle beteiligten Bereiche für die Beurteilung,<br />
welches Vorgehen am ökonomisch sinnvollsten ist. Ein Königsweg ist es<br />
in diesem Zusammenhang gerade nicht, zwischen Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong><br />
Brandwände zu errichten.<br />
Und dies gilt unabhängig da<strong>von</strong>, ob wir je zu vertretbarem Aufwand die<br />
technischen Rahmendaten für den Straßenbahn-, Stadtbahn- <strong>und</strong> U-<br />
Bahnbetrieb in Deutschland so vereinheitlichen könnten, dass Fahrzeuge<br />
aus Frankfurt auch in Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> umgekehrt eingesetzt werden<br />
könnten. Denn dieses Maß an technischer Einheitlichkeit ist notwendig,<br />
um mehr als einmal innerhalb <strong>von</strong> 15 Jahren Wettbewerb um ein<br />
befristetes Monopol über Fahrbetrieb <strong>und</strong> Netz zu veranstalten.<br />
Wer ökonomisch über eine Wettbewerbsordnung für Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im<br />
Straßenbahn-, Stadtbahn- <strong>und</strong> U-Bahnbereich nachdenkt, kommt an den<br />
technischen Unterschieden zwischen den örtlichen <strong>Betrieb</strong>ssystemen<br />
nicht vorbei. Stadtbahnbetrieb funktioniert erheblich anders als der <strong>Betrieb</strong><br />
mit Eisenbahnen, weshalb die guten Argumente, die dort für eine<br />
<strong>Trennung</strong>, auch für eine gesellschaftsrechtliche <strong>Trennung</strong> zwischen<br />
<strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> sprechen, hier in dem <strong>von</strong> mir vertretenen<br />
Branchensektor ins Leere gehen. Auch wenn sich die Erde beim Stadtbahnbetrieb<br />
in die gleiche Richtung dreht wie beim Eisenbahnbetrieb,<br />
<strong>und</strong> auch wenn Stadtbahnen genauso wie Eisenbahnen auf Schienen<br />
fahren, können die gravierenden Unterschiede zwischen den lokalen<br />
Netzen nicht mal eben so beseitigt werden. Diese Unterschiede führen<br />
aber dazu, dass bei dem <strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Straßen-, Stadt- <strong>und</strong> U-Bahnen der<br />
Weg, Netz <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> zu trennen, kein Königsweg, sondern ein Irrweg<br />
ist.<br />
80
Gerd Aberle *<br />
Integriertes Eisenbahnunternehmen oder Netzausgliederung?<br />
Das Spannungsverhältnis zwischen<br />
innovativer Effizienz <strong>und</strong> Wettbewerbssicherung **<br />
Das Thema, das ich hier gewählt habe, verdeutlicht bereits das Gr<strong>und</strong>problem,<br />
mit dem ich mich auseinandersetzen möchte. Eisenbahnen als<br />
innovative Unternehmen, die unter Effizienzüberlegungen zu führen sind<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig aber eine Wettbewerbsproblematik, die in erheblichem<br />
Umfang existiert.<br />
Zunächst einmal natürlich Eisenbahnnetze – <strong>und</strong> ich spreche nicht über<br />
Strecken, über einzelne Strecken. Ich denke hier an Netze <strong>und</strong> vor allen<br />
Dingen an sehr komplexe Netzstrukturen, wie wir sie hier beispielsweise<br />
in Deutschland in einem ganz besonderen Maße haben – nicht vergleichbar<br />
mit skandinavischen Netzen, die ein völlig anderes Bild abgeben.<br />
Zunächst einmal die Kostenstrukturen. Sie sind natürlich ein ganz<br />
wesentlicher Punkt für die Gesamtbetrachtung. Wir haben einen extrem<br />
hohen Fixkostenanteil, der liegt zwischen 60 <strong>und</strong> 70 % bei den Netzen.<br />
Die Grenzkosten der Benutzung des Netzes sind extrem niedrig. Da<br />
kann man, je nachdem, welchen Grenzkostenbegriff man zugr<strong>und</strong>e legt,<br />
auf Werte kommen – ich will jetzt nicht in das Detail hineingehen –<br />
zwischen 2 <strong>und</strong> maximal 8 %. Das sind die Grenzkosten der Benutzung<br />
des Netzes. Welche Kosten spielen hier eine besondere Rolle? Das sind<br />
eben die Kapitalkosten. Die Kapitalintensität <strong>von</strong> Netzen ist überragend<br />
wie bei den meisten <strong>Infrastruktur</strong>einrichtungen <strong>und</strong> das heißt natürlich<br />
auch, dass hier die Frage der Auslastung eine ganz entscheidende Rolle<br />
spielt, um eine ökonomische Tragfähigkeit überhaupt irgendwann einmal<br />
realisieren zu können.<br />
Wir haben es weiterhin zu tun mit einer sehr hohen Spezifität, das heißt<br />
alternative Verwendung- <strong>und</strong> Nutzungsmöglichkeiten eines Netzes bestehen<br />
nicht. Das heißt, wenn man zu der Entscheidung kommen muss,<br />
dass eine Netzinvestition möglicherweise ein ökonomischer Fehlschlag<br />
ist, dann kann man mit dem Netz im Gr<strong>und</strong>e nichts mehr anfangen,<br />
*<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle ist Professor für Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik <strong>und</strong> Transportwirtschaft<br />
an der Universität Gießen.<br />
**<br />
Vortragsmitschrift.<br />
81
sondern das sind dann die berühmten „sunk costs“. Die gehen natürlich<br />
in die Überlegungen eines jeden Investors ein – das ist natürlich auch<br />
ein wichtiger Punkt.<br />
Nun, wenn wir uns dann, daraus abgeleitet, die Finanzierungserfordernisse<br />
vorstellen, dann bedeutet es natürlich, Netze haben ganz unterschiedliche<br />
Auslastungssituationen. Das bedeutet aber auch, dass eine<br />
Finanzierung durch die Nutzer des Netzes bei solchen komplexen Netzstrukturen<br />
mit sehr unterschiedlichen Auslastungsgraden regelmäßig<br />
nicht möglich ist. Bei einzelnen Strecken natürlich. Jeder kann Strecken<br />
definieren, die aufgr<strong>und</strong> einer sehr hohen Auslastung <strong>und</strong> sehr hoher<br />
Nutzervorteile einen wesentlich höheren Kostendeckungsgrad, vielleicht<br />
eben eine Gesamtkostendeckung einschließlich eines Gewinnzuschlags<br />
noch ermöglichen würden. Das geht aber nicht, wenn man komplexe<br />
Netze betrachtet. Daraus folgt auch, dass die Finanzierung über den<br />
Nutzer nicht voll möglich ist, was natürlich immer die Hauptaufgabe ist.<br />
Das bitte ich niemals aus den Augen zu verlieren.<br />
Wir in Deutschland haben auch eine gewisse Mentalität zu sagen, dass<br />
muss die öffentliche Hand eben finanzieren. Das ist immer nur eine<br />
subsidiäre, ergänzende Finanzierung, aber keinesfalls etwas, was man<br />
nach vorne rücken sollte. Auch wenn das bei uns manchmal, gerade<br />
auch im öffentlichen Verkehrsbereich sehr stark durchschlägt, dass man<br />
sagt, das muss dann die Allgemeinheit finanzieren. Das geht nur unter<br />
sehr strengen Überlegungen. Und solche strengen Überlegungen finden<br />
hier auch beim Netz der Eisenbahn Einzug.<br />
Natürlich, <strong>und</strong> da ist das Zentralproblem, wenn man ein integriertes<br />
Unternehmen hat, ein Eisenbahnunternehmen, was sowohl die <strong>Infrastruktur</strong><br />
besitzt wie auch den Transport durchführt: das Problem der<br />
Monopolmacht in einem Hause, das Netz als unabdingbarer Produktionsfaktor,<br />
als „monopolistic bottleneck“, zur Erstellung der Eisenbahnverkehrsleistungen.<br />
Das bedeutet natürlich auch, dass hier bestimmte<br />
ergänzende Regelungen dargestellt werden müssen. Das heißt, es<br />
besteht ein natürliches Monopol, was bedeutet, dass es ineffizient ist,<br />
hier eine Duplizierung des Angebotes bei solchen Netzleistungen vorzunehmen.<br />
Insofern ist ein natürliches Monopol unter bestimmten Bedingungen,<br />
auf die ich jetzt hier nicht weiter eingehen möchte, auch<br />
immer ein sogenanntes Effizienzmonopol, weil eine Parallelinvestition,<br />
also eine Duplizierung ökonomisch zu ineffizienten Ergebnissen führt.<br />
Das bedeutet natürlich auch, dass, wenn eine solche Netzintegration<br />
vorliegt, eine sehr umfängliche, ja sehr komplexe Regulierungsaufgabe<br />
besteht, um die nicht wegzudiskutierenden Diskriminierungspotenziale<br />
82
auf ein Minimum zu reduzieren. Ich werde darauf dann noch im Einzelnen<br />
eingehen.<br />
Wenn wir uns heute Eisenbahnsysteme anschauen, <strong>und</strong> zwar moderne<br />
Eisenbahnsysteme, die sehr komplex strukturiert sind, dann kann man<br />
einfach nicht die Augen davor verschließen, dass es einen sehr engen<br />
produktionstechnischen, einen sehr engen steuerungstechnischen Zusammenhang<br />
gibt. Nämlich einen Systemverb<strong>und</strong> <strong>von</strong> Schienenweg,<br />
<strong>von</strong> Fahrzeugkonfigurationen <strong>und</strong> der Fahrzeugsteuerung.<br />
Es wird häufig der Vergleich mit dem Luftverkehr gezogen, <strong>und</strong> gesagt,<br />
im Luftverkehr geht die vollständige Separierung auch. Dies ist aber hier<br />
absolut nicht zutreffend. Im Luftverkehr können Sie heutzutage, wenn<br />
Sie mit der Flugsicherung in irgendeiner Weise kommunizieren können –<br />
das geht sehr weit, das geht vom Sprechfunk bis hin zu sehr komplexen<br />
anderen Systemen – können Sie heute mit jeder Maschine, weltweit, auf<br />
jedem Flughafen landen. Das ist überhaupt kein Problem. Bei der Bahn<br />
sieht das aber wesentlich anders aus. Es besteht eine außerordentlich<br />
wachsende Komplexität bei den Steuerungs- <strong>und</strong> Sicherungssystemen.<br />
Man kann einfache Beispiele bilden, die natürlich aus besonders<br />
komplexen Situationen heraus gewählt werden, die aber durchaus<br />
eindeutig sind. Man könnte fragen, warum konnte der ICE nicht in Frankreich<br />
fahren? Die Schienenbreite ist gleich. Damit ist aber auch fast alles<br />
an Kompatibilität zu Ende. Die Umrüstung des ICEs kostete 7 Mio. pro<br />
Einheit, 7 Mio. €, um sie so <strong>von</strong> den Zugsicherungs- <strong>und</strong> Steuerungssystemen<br />
kompatibel zu gestalten, dass sie auf dem französischen Netz<br />
fahren kann; auch die französischen TGV-Züge mussten dementsprechend<br />
umgebaut werden. Die Umbauzeit hat zwei Jahre gedauert.<br />
Jetzt neuerdings, ab 9. Dezember 2007, das ist ab Sonntag, fahren ICE<br />
nach Dänemark. Die Umrüstung pro Einheit <strong>von</strong> ICE, das ist ICE-T, ist<br />
mit 1 Mio. € pro Zugeinheit veranschlagt, da die Sicherungssysteme <strong>und</strong><br />
Steuerungssysteme umgebaut werden müssen.<br />
Wenn man nach Minden ins Innovationszentrum der DB AG fährt, um<br />
sich dort einmal über die Technik <strong>und</strong> den Systemverb<strong>und</strong> zu informieren,<br />
was an produktionstechnischen, steuerungstechnischen Systemen<br />
dort so eng zusammenhängt zwischen der Konfiguration einer<br />
Strecke <strong>und</strong> der Konfiguration der Fahrzeuge, die auf dieser Strecke<br />
fahren, dann sieht man, dass das sehr eng ist. Vor allen Dingen, <strong>und</strong> das<br />
ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, den ich nicht hinten anstellen<br />
möchte, dass nämlich Innovationen <strong>und</strong> darüber sprechen wir natürlich<br />
im Verkehrsbereich <strong>und</strong> im Eisenbahnbereich ganz besonders, dass<br />
83
Innovationen sehr stark diesen Systemsystemverb<strong>und</strong> zum Inhalt haben.<br />
Das heißt, man kann nicht einfach nur ein neues Fahrzeug konfigurieren<br />
<strong>und</strong> sagen, dann setze ich dieses auf <strong>und</strong> lasse es fahren, sondern man<br />
muss dieses eben parallel gestalten, sowohl <strong>von</strong> der Seite der <strong>Infrastruktur</strong>,<br />
wie auch <strong>von</strong> der Seite der Fahrzeuge.<br />
Innovationen kommen zustande durch eine parallele Entwicklung, durch<br />
eine wechselseitige Beziehung zwischen dem, was im Netz etwa mit den<br />
Sicherungssystemen <strong>und</strong> mit den Steuerungssystemen passiert, <strong>und</strong><br />
dem was jetzt an Fahrzeugen konfiguriert wird. Dann muss natürlich<br />
auch gefragt werden: Wer soll das den eigentlich machen? Da kann man<br />
durchaus die Auffassung vertreten – <strong>und</strong> dieser Auffassung hänge ich<br />
an – dass man sagt, dass derjenige, der als „main user“, <strong>und</strong> den wird es<br />
immer auf Netzen geben, aktiv ist, natürlich ein besonders starker Innovationstreiber<br />
in einem solchen Systemverb<strong>und</strong> ist. Ich kann es mir nicht<br />
vorstellen, dass andere, die nur kleine Streckenteile bedienen, das heißt<br />
mit sehr kleinen Marktanteilen, dass die als besondere Innovationstreiber<br />
des Systemverb<strong>und</strong>es auftreten. Was nicht heißt, dass sie nicht exzellente<br />
Fahrzeuge einsetzen, aber in der Entwicklung, braucht man einen<br />
Akteur, der ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung <strong>von</strong> Fahrzeugen<br />
<strong>und</strong> an der Entwicklung der <strong>Infrastruktur</strong> hat, um diese Fahrzeuge<br />
entsprechend zu nutzen.<br />
Das ist meines Erachtens eine wichtige Größe im Hinblick auf die<br />
Weiterentwicklung des Systems Schienenverkehr. Es geht hier um das<br />
System Schienenverkehr <strong>und</strong> nicht um den einzelnen Betreiber, der am<br />
Markt als <strong>Infrastruktur</strong>betreiber <strong>und</strong> als Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
auftritt.<br />
Ich hatte es vorhin schon angesprochen: Es gibt da ganz erhebliche<br />
Konfliktpotenziale. Das ist nicht wegzudiskutieren. Das ist bei jedem<br />
natürlichen Monopol gegeben. Es stellt sich die Frage, wie werden die<br />
intramodalen Wettbewerber behandelt? Werden sie möglicherweise<br />
diskriminiert? Ich hatte vorhin schon gesagt, es gibt eine ganze Reihe<br />
<strong>von</strong> Diskriminierungsmöglichkeiten. Ich habe in einer Anhörung des Verkehrsausschusses<br />
des Deutschen B<strong>und</strong>estages gesagt, die Kreativität<br />
der Entwicklung <strong>von</strong> Diskriminierung ist unbegrenzt, genau wie die<br />
Unternehmenskreativität. Also benötigt man ein Regulierungssystem.<br />
Wir haben in Deutschland eine immer noch laufende – <strong>und</strong> auf Parteitagen<br />
auch besonders gepflegte – Diskussion einer Netzausgliederung<br />
an den Staat. Meine Herren, der Staat als Netzbetreiber? Das ist wirklich<br />
die Katastrophe per Excellence. Dann sind wir nämlich genau dort, wo<br />
84
wir vor der Bahnreform 1994 waren. Warum wurde die Bahnreform<br />
gemacht? Ich war in der Regierungskommission Bahn. Wir haben gesagt,<br />
die Bahn muss weit weg vom Staat. Das Eisenbahnsystem muss<br />
innovativ werden, es muss unter Wettbewerbsgesichtspunkten arbeiten.<br />
Wir brauchen eine Marktöffnung. Das alles ist auch durchgesetzt<br />
worden. Aber: möglichst weit weg vom Staat. Deswegen haben wir eine<br />
Aktiengesellschaft vorgeschlagen. Jetzt gibt es einige Interessierte, die<br />
versuchen, das wieder zurückzudrehen. Sie möchten am liebsten das<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz wieder ändern. Die Bahn, die Deutsche Bahn hat keine Gemeinwohlverpflichtung<br />
mehr, die liegt beim Staat. Das ist ganz eindeutig<br />
in § 87 e geregelt <strong>und</strong> auch im Regionalisierungsgesetz verankert usw.<br />
Das ist alles an sich ganz gut gelaufen. Aber es gefällt einigen heutzutage<br />
nicht. Staatsgläubigen. Wie soll der Staat das Netz managen? Das<br />
frage ich mich ganz konkret. Das ist ein Widerspruch zu dem Gr<strong>und</strong>gedanken<br />
der Bahnreform <strong>von</strong> 1994. Der Staat kann ein Netz nur verwalten.<br />
Er darf gar nicht handeln. Eine Netzverwaltung hatte die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
bis 1994 mit allen Negativfolgen.<br />
Eine weitere größere Gefahr besteht darin, dass dann alle Fehler wieder<br />
auftauchen, die vor der Bahnreform existierten. Ich habe damals den<br />
Satz geprägt – bezogen auf die Deutsche B<strong>und</strong>esbahn –, die B<strong>und</strong>esbahn<br />
ist ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse. Diese Aussage ist viel<br />
kolportiert worden. Das würde beim Netz genau so wieder kommen, weil<br />
jeder dann politischen Zugriff auf eine staatliche Netzverwaltung hat. Das<br />
fängt an bei den Ländern. Das geht hinunter bis auf die kommunale<br />
Ebene. Wie wollen Sie dann noch eine innovative Netzpolitik betreiben,<br />
die insgesamt die Leistungsfähigkeit des Systems Schienenverkehr<br />
steigern muss? Dann haben Sie auch die Abhängigkeit in der Finanzierung<br />
in einer Verwaltungsorganisation gibt es natürlich viel größere<br />
Chancen, die Finanzierung des Netzes auch wieder zurückzufahren.<br />
Finanzielle Knappheiten des Staates wird es in absehbarer Zeit wieder in<br />
erheblichem Umfang geben. Insofern erscheint mir die Aussage, das<br />
Netz muss an den Staat gehen, entweder <strong>von</strong> einer Sozialromantik<br />
verklärt, oder es entbehrt jeder fachlichen Kenntnis.<br />
Wenn man also die Hypothese vertritt – <strong>und</strong> darüber kann man streiten –,<br />
dass ein innovatives Schienenverkehrssystem aufgr<strong>und</strong> dieses doch erheblichen,<br />
<strong>und</strong> zwar wachsenden produktionstechnischen Systemverb<strong>und</strong>es<br />
zwischen dem Netz <strong>und</strong> den Fahrzeugen – <strong>und</strong> damit auch<br />
dem Einsatzbetrieb der Fahrzeugen – besteht, dann müssen das natürliche<br />
Monopol Schienennetz <strong>und</strong> darüber hinaus auch Stationen usw.<br />
reguliert werden. Das ist ganz eindeutig. Es muss vieles reguliert werden:<br />
Trassenpreise, Netzzugang, Netzinvestitions- <strong>und</strong> Desinvestitionsmaß-<br />
85
nahmen, Netzzustand, Anreize zur Kostensenkung <strong>und</strong> Instrumente, die<br />
Effizienzsteigerungen bei der Erstellung der Netzleistungen beinhalten.<br />
Diese Regulierungserfordernisse bestehen immer. Das hat nichts zu tun<br />
mit der entsprechenden Eingliederung oder Ausgliederung des Netzes.<br />
Im Prinzip muss jedes natürliche Monopol entsprechend reguliert<br />
werden, auch wenn es beim Staat liegt.<br />
Es gibt eine durch Vergangenheitserfahrungen an sich sehr gut abgestützte<br />
Erkenntnis, dass die Regulierung <strong>von</strong> staatlichen Institutionen<br />
wesentlicher komplexer ist als <strong>von</strong> Institutionen, die etwas vom Staat abgerückt<br />
sind. Ich glaube, da brauchen wir auch nicht lange darüber zu<br />
diskutieren. Aber wichtig bleibt, die Regulierungserfordernisse sind aufgr<strong>und</strong><br />
des Aspektes des natürlichen Monopols gegeben.<br />
Wenn man sich hier noch einmal die Situation in Deutschland anschaut:<br />
Wir haben damals in der Regierungskommission Bahn die Frage nicht<br />
abschließend beantwortet, wo das Netz bleibt. Da ist wörtlich im Bericht<br />
der Regierungskommission Bahn zu finden, die ja die Gr<strong>und</strong>lage für die<br />
Bahnreform 1994 darstellte. Also für die f<strong>und</strong>amentale Bahnreform: Es<br />
seien die Erfahrungen abzuwarten, die dann sich ergeben, wenn die<br />
organisatorische <strong>und</strong> rechnerische <strong>Trennung</strong>, also die Marktöffnung realisiert<br />
ist. Die Regierungskommission Bahn hat sich nicht definitiv für eine<br />
Netzausgliederung ausgesprochen, sondern hat dieses Problem zunächst<br />
noch mal offen gelassen, um die Erfahrungen abzuwarten.<br />
Ich selbst habe zunächst sehr stark dafür plädiert, auch eine institutionelle<br />
<strong>Trennung</strong> vorzunehmen. Das war in der Phase, als der empirische<br />
Bef<strong>und</strong> noch ein anderer war. Die Marktöffnung hatte zunächst – <strong>und</strong><br />
das ist in der Retrospektive auch nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich – noch nicht<br />
die Erfolge, die man vielleicht relativ kurzfristig erwartet hatte. Aber wir<br />
haben seit dem Jahre 2000 eine andere Situation, was die Marktentwicklungen<br />
des intramodalen Wettbewerbs angeht. Wir haben mittlerweile<br />
auch ein Regulierungssystem, was sehr umfänglich ist. Wir praktizieren<br />
in Deutschland eine Netzöffnung, die sicherlich beispielhaft ist für<br />
die meisten Länder Europas. Wenn man den empirischen Bef<strong>und</strong> berücksichtigt,<br />
etwa im Schienenpersonennahverkehr wie auch im Güterverkehr<br />
– den Personenfernverkehr lasse ich aus - kann man relativ<br />
schnell ökonomisch darlegen, warum er nicht relevant ist für dritte Wettbewerber<br />
– aufgr<strong>und</strong> natürlicher Marktzugangsbeschränkungen, die<br />
nicht irgendwie gewillkürt, jedoch sehr hoch sind.<br />
86
Die Marktöffnungen im Schienengüterverkehr wurden forciert durch<br />
Druck <strong>von</strong> Brüssel. Diesen Druck möchte ich ausdrücklich positiv unterstreichen.<br />
Ohne den Druck <strong>von</strong> Brüssel wäre vieles nicht gelaufen. Man<br />
kann viel über Brüssel schimpfen – auch mit gutem Recht – aber im Verkehrsbereich<br />
haben die Weichenstellungen erst so stattgef<strong>und</strong>en, nachdem<br />
<strong>von</strong> der EU der Druck kam. In Deutschland waren wir weiter. Die<br />
Bahnreform ist nicht gemacht worden, weil die RL 440/91 1 kam, sondern<br />
völlig unabhängig <strong>von</strong> der 440/91. Wir sind vorausgeeilt. Europa ist viel<br />
langsamer vorgegangen. Aber insgesamt haben später die entsprechenden<br />
Richtlinien 2001/12 bis 14 <strong>und</strong> folgende einen ordentlichen Schub<br />
gegeben.<br />
Der deutsche Regulierungsrahmen ist sehr stark ausdifferenziert. Es gibt<br />
die B<strong>und</strong>esnetzagentur, die sich noch immer im Aufbau befindet, die<br />
aber erhebliche Regulierungsaktivitäten entfaltet – was man nicht<br />
unterschätzen sollte – die auch dabei ist, eine Anreizregulierung einzuführen,<br />
die möglicherweise sehr komplex ist, aber auch neue Anreize für<br />
innovative Lösungen schaffen <strong>und</strong> Kostenminimierung sichern soll. Es<br />
gibt das Eisenbahnb<strong>und</strong>esamt, die Monopolkommission, die sehr aktiv<br />
beteiligt ist an diesen Prozessen <strong>und</strong> mittlerweile zwei Gutachten vorgelegt<br />
hat. Es ist das B<strong>und</strong>eskartellamt, was ex post im Diskriminierungsbereich<br />
gewisse Dinge zu korrigieren versucht. Es gibt den Nutzerbeirat<br />
bei der Netz AG. Er kann verschiedene Dinge in der Öffentlichkeit<br />
transparent machen <strong>und</strong> damit auch gewissen Druck beim Netz ausüben.<br />
Es gibt weiterhin einen <strong>Infrastruktur</strong>beirat, in dem die Länder vertreten<br />
sind. Es gibt die Aktivitäten der EU-Kommission <strong>von</strong> zwei Generaldirektionen,<br />
sowohl <strong>von</strong> Verkehr wie auch <strong>von</strong> Wettbewerb.<br />
Wenn man dieses Regulierungsbündel zusammenfasst, kann man schon<br />
<strong>von</strong> komplexer Regulierungsbürokratie sprechen. Es gibt mittlerweile<br />
auch noch eine europäische Rail Agency, über deren Bedeutung ich mir<br />
nicht im Klaren bin.<br />
Ich will damit auch abschließen. Es gibt eine Vielzahl <strong>von</strong> Regulierungsaktivitäten<br />
hier in Deutschland, <strong>und</strong> ich glaube, dass man die negativen<br />
Möglichkeiten eines natürlichen Monopols im Rahmen einer integrierten<br />
Eisenbahn, die der „main user“ besitzt, durch eine entsprechende Regulierung<br />
<strong>und</strong> Aufrechterhaltung des offenen Netzzuganges durchaus beherrschen<br />
kann. Insofern muss die Frage, ist die Wettbewerbsproblematik<br />
so dominierend, dass man eine Netzausgliederung durchführen<br />
muss, wesentlich differenzierter behandelt werden.<br />
1 Richtlinie des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.<br />
87
Der Forderung einer institutionellen Netzabtrennung kann ich also nicht<br />
entsprechen. Ich glaube, dass man unter Innovationsgesichtspunkten<br />
<strong>und</strong> mit einer straffen Regulierung das erreichen kann, was wir vorfinden:<br />
Nämlich einen enorm aktiven Wettbewerb auf dem Netz sowohl<br />
im Schienenpersonennahverkehr wie auch beim Güterverkehr. Die<br />
große Bahn verliert einen Großteil – über 50 % - der Ausschreibungen.<br />
Man kann es auch umgekehrt formulieren: nur über 40 % gewinnen sie.<br />
Das ist ein Ergebnis, was starken Druck ausübt. Wir haben große mittelstarke<br />
Player sowohl im Schienenpersonennahverkehr wie auch im<br />
Güterverkehr. Man sollte nicht übersehen, dass da auch ganz große<br />
dritte Player als Ableger <strong>von</strong> Staatsbahnen aktiv sind, die mit großen<br />
Ressourcen in den Markt hineingehen. Ich erinnere nur an die SBB, die<br />
eine starke Marktposition hat, allerdings mit ökonomisch schlechten Ergebnissen,<br />
an die FS <strong>und</strong> die SNCF mit Tochterunternehmen. Aber das<br />
ist eben der intramodale Wettbewerb. Er läuft bei uns in einer hohen<br />
Intensität. Wir können uns nicht beklagen. Regulierung muss sein, auch<br />
wenn sie die deutsche große Bahn häufig stark einengt.<br />
88
Workshop 2: Energiesektor<br />
Referenten:<br />
Dr. Gerhard König *<br />
Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />
Professor Dr. Christian Jänig<br />
Stadtwerke als „kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>leister“<br />
Dr. Holger Krawinkel *<br />
Geschäftsmodell „Integriertes Unternehmen“<br />
vor dem Aus?<br />
* Siehe Anhang.
Prof. Dr. Christian Jänig *<br />
Stadtwerke als „kommunaler Infrastruktudienstleister“<br />
I. Ausgangssituation<br />
Die Globalisierung wird primär sowohl durch gr<strong>und</strong>sätzlich neue, teilweise<br />
diametral gegenüber den bisherigen Bedingungen wirkende wirtschaftspolitische<br />
Ordnungsrahmen als auch durch eine (r)evolutionäre<br />
Veränderung <strong>von</strong> Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsstrukturen charakterisiert.<br />
1 So haben die globalen Bestrebungen einer marktdogmatischen<br />
Liberalisierung <strong>und</strong> nationale bzw. transnationale Re-Regulierungsmaßnahmen<br />
2 die ordnungs- <strong>und</strong> wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
wesentlich verändert <strong>und</strong> nationale Veränderungsprozesse in bisher<br />
nicht gekanntem Umfang initiiert. Wettbewerb in Form des marktdogmatischen<br />
Liberalismus bzw. Kapitalismus einerseits <strong>und</strong> Gemeinwohl<br />
andererseits sind jedoch dichotome Elemente. 3 Beispielhaft hierfür seien<br />
einige Konsequenzen dieser Dichotomie angeführt:<br />
� Überwälzung der sozialen Folgen der Globalisierung auf die nationalstaatliche<br />
Sozialpolitik bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen<br />
aus Unternehmenssteuern <strong>und</strong> somit Reduzierung der finanziellen<br />
Ressourcen für diese Sozialpolitik,<br />
� Reduzierung der unternehmensbezogenen Beiträge zur Finanzierung<br />
der <strong>Infrastruktur</strong>leistungen durch eine global optimierte (Aus-)Nutzung<br />
der Steuersysteme bei gleichzeitiger Forderung nach nationalstaatlichen<br />
Anstrengungen zur Verbesserung dieser <strong>Infrastruktur</strong> als<br />
Standortkriterium,<br />
� Marginalisierung der traditionellen Rolle des Staates als Sicherheitsgarant<br />
<strong>von</strong> der Ausbildung über die Berufstätigkeit bis zur Altersvorsorge,<br />
weil die gesellschaftspolitischen Sozialsysteme „individualisiert“<br />
bzw. „atomisiert“ werden,<br />
� Transnationale Unternehmen als Resultante des marktdogmatischen<br />
Liberalismus üben indirekt eine politische Macht durch ihr wirtschaft-<br />
*<br />
Prof. Dr. Christian Jänig ist Geschäftsführer der Stadtwerke Unna GmbH.<br />
1<br />
Vgl. Jänig (2004), S. 23 ff.<br />
2<br />
So ist z. B. die sog. „Weltformel“, d. h. die Aggregation der Einstein’schen Relativitätstheorie sowie<br />
der Heisenberg’schen Unschärferelation kürzer als die mathematische Formel zur Anreizregulierung.<br />
3<br />
Vgl. Stiglitz (2002).<br />
91
92<br />
liches (Droh-)Potenzial aus <strong>und</strong> zwingen sowohl den Nationalstaat als<br />
auch Regionen zu einem Standort- <strong>und</strong> Steuerwettbewerb. 4<br />
Diese skizzierten Auswirkungen der Globalisierung bleiben jedoch nicht<br />
nur auf den Nationalstaat begrenzt, sondern wirken sich zwangsläufig<br />
auch auf die sozialen, ökologischen, kulturellen etc. Strukturen der<br />
Kommunen aus: Die Überwindung der Raum-Zeit-Grenzen implizieren<br />
eine Wettbewerbssituation zwischen Kommunen bzw. Regionen um<br />
Investoren <strong>und</strong> Kapitalgeber, Bevölkerungspotenziale, Dienstleistungsangebote,<br />
<strong>Infrastruktur</strong>en usw. Dieses auch als „Glokalisierung“<br />
bezeichnete Phänomen 5 intendiert sowohl den Wettbewerb als auch ein<br />
Benchmarking zwischen Kommunen <strong>und</strong> Regionen um (richtig) qualifizierte<br />
Arbeitskräfte, (Aus-)Bildung <strong>und</strong> Kultur, effiziente <strong>Infrastruktur</strong>en,<br />
kommunale Wirtschaftsförderung, flexible <strong>und</strong> leistungsfähige Verwaltungsorganisationen<br />
etc. – es impliziert letztendlich auch ein ganzheitliches<br />
„Marketing“ des „Konzerns Stadt“.<br />
Der marktdogmatische Liberalismus als Phänotyp der Globalisierung in<br />
Verbindung mit der (teilweise desolaten) Finanzsituation führen somit zu<br />
einer radikalen Veränderung der tradierten kommunalen Geschäftsgr<strong>und</strong>lagen.<br />
Verschärft wird dies noch sowohl durch die Aushöhlung des<br />
Subsidiaritätsbegriffes als auch durch die Debatte über das zulässige<br />
bzw. notwendige Aufgabenspektrum kommunaler Wirtschaftstätigkeit in<br />
Abgrenzung zur privaten Leistungserbringung. Überpointiert sollen jene<br />
Leistungsbereiche „privatisiert“ werden, die Gewinn bzw. Deckungsbeiträge<br />
generieren; „sozialisiert“ bzw. kommunalisiert bleiben dagegen<br />
jene Aufgabenbereiche, die keine Renditen erbringen <strong>und</strong> daher aus der<br />
(verständlichen) Perspektive privater Investoren uninteressant sind –<br />
dies verschärft zwangsläufig noch zusätzlich die finanzielle Situation der<br />
kommunalen Haushalte.<br />
Andererseits sind aus moralisch-ethischen Gründen heraus an <strong>und</strong> für<br />
sich weitere Haushaltsdefizite als Konsequenz tradierter Handlungs- <strong>und</strong><br />
Aufgabenfelder sowie einer gedanken-, ideen- <strong>und</strong> ziellosen Verschuldungspolitik<br />
den derzeitigen Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern als auch zukünftigen<br />
Generationen nicht mehr verantwort- noch zumutbar. Zwingend<br />
erforderlich ist es demnach, „klassische“ Vorstellungen, Aufgabenstellungen<br />
<strong>und</strong> Denkweisen sowie Mentalitäten im Hinblick auf den Begriff<br />
„Daseinsvorsorge“ über Bord zu werfen. Dies impliziert auch den Paradigmenwechsel<br />
<strong>von</strong> der hoheitlichen Vollzugsverwaltung zur proaktiven,<br />
unternehmerisch denkenden <strong>und</strong> handelnden Verwaltung, die in der<br />
4 Vgl. Beck (1998), S. 24 ff.<br />
5 Vgl. Hennig (2003).
Lage ist, (fast) alles Bisherige prinzipiell in Frage zu stellen. Hierzu gehört<br />
auch, dass das derzeitige System <strong>von</strong> Subventionen, Beihilfen <strong>und</strong><br />
Zuwendungen sowohl unter marktwirtschaftlichen als auch Globalisierungsgründen<br />
nicht mehr zeitgemäß ist.<br />
Der mittlerweile inhaltlich ausgehöhlte Begriff der „Daseinsvorsorge“ bedarf<br />
daher einer neuen Definition bzw. Präzisierung resp. Konkretisierung<br />
unter den Rahmenbedingungen der Liberalisierung – Daseinsvorsorge<br />
wandelt sich zur <strong>Infrastruktur</strong>verantwortung <strong>und</strong> zur Gewährleistungsverantwortung<br />
anstelle der Erfüllungsverantwortung. Dies erfordert<br />
notwendigerweise neue Konzeptionen <strong>und</strong> Strukturen kommunaler <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />
mit dem Fokus auf eine nachhaltige Entwicklung<br />
in Verbindung mit der Erreichung gemeinwirtschaftlicher Ziele in einem<br />
sozialen, kulturellen <strong>und</strong> gesellschaftspolitischen Kontext. Verb<strong>und</strong>en<br />
damit sind qualitativ höherwertige Anforderungen an die kommunale<br />
Leistungserbringung, an Organisation <strong>und</strong> Controlling im Sinne einer<br />
nachhaltigen <strong>und</strong> effizienten Steuerung. Gleichzeitig ergeben sich hierdurch<br />
jedoch auch neue Gestaltungsoptionen, Handlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> -spielräume, um den Einfluss <strong>von</strong> Kommunalpolitik <strong>und</strong> -verwaltung<br />
auch weiterhin mindestens zu gewährleisten, wenn nicht gar zu vergrößern.<br />
Zum einen ist der unter marktwirtschaftlichen Bedingungen notwendige<br />
Wettbewerb kein Selbstzweck bzw. eine „ideologische Waffe“: Zielsetzung<br />
darf gr<strong>und</strong>sätzlich nur die Verbesserung der Qualität der kommunalen<br />
<strong>Infrastruktur</strong> sein. Zum anderen steht im Fokus der Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger sicher nicht die Erhöhung <strong>von</strong> Vielfalt, Komplexität <strong>und</strong> Undurchsichtigkeit<br />
der Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen durch eine Erhöhung<br />
der Anbieterwahl: Entscheidend sind vielmehr deren Zuverlässigkeit,<br />
Sicherheit, Qualität <strong>und</strong> Preiswürdigkeit sowie kommunalpolitische Beeinflussbarkeit.<br />
Kommunal beherrschte Stadtwerke bieten sich zwangsläufig zur Übernahme<br />
bzw. Wahrnehmung dieser <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />
an. Zum einen haben sie sich auf den liberalisierten<br />
Energiemärkten durch die Übernahme neuer Geschäftsfelder, Aufgaben<br />
etc. wirtschaftlich erfolgreich durchgesetzt. Zum anderen sind sie es auf<br />
Gr<strong>und</strong> der Dynamik ihres Umfeldes gewohnt, (fast permanent) neue<br />
Strukturen, Prozesse zu generieren <strong>und</strong> effizient einzusetzen. Schließlich<br />
verfügen sie auch über die erforderlichen Managementinstrumentarien<br />
<strong>und</strong> -strukturen, um Planungs-, Controlling- <strong>und</strong> Steuerungsprozesse<br />
sowie das notwendige Risikomanagement handhaben zu können.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur<br />
93
Altmark-Trans GmbH sowie zur Stadt Halle 6 muss allerdings der Begriff<br />
„kommunal beherrscht“ sehr eng bzw. eindeutig ausgelegt werden: Die<br />
Kommune muss die einzige Gesellschafterin sein. Gesellschaftsanteile<br />
dürfen nicht <strong>von</strong> Dritten, unabhängig <strong>von</strong> ihrer Höhe, gehalten werden.<br />
II. Die Konzeption einer Kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />
(KIG)<br />
Nachfolgend soll daher der Versuch unternommen werden, das Modell<br />
bzw. die Konzeption einer „Kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft“ zu<br />
skizzieren. Im Fokus der Überlegungen steht hierbei, die kommunale<br />
Daseinsvorsorge als <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />
anstelle der „hoheitlichen“ Erfüllungsverantwortung zu definieren. Auf<br />
Gr<strong>und</strong> des „Modellcharakters“ im Verständnis einer abstrahierten, vereinfachenden<br />
Darstellung eines komplexen Systems sind die nachfolgenden<br />
Ausführungen teilweise plakativ, „holzschnittartig“ <strong>und</strong> zwangsläufig<br />
unvollständig. Sie repräsentieren keine „Blaupause“, sondern Denkanstösse,<br />
die situativ <strong>und</strong> lokal auf Gr<strong>und</strong> der jeweiligen Gegebenheiten<br />
angepasst werden müssen. Zielsetzung ist auf jeden Fall der Paradigmenwechsel<br />
vom Shareholder-Value-Ansatz zum Citizen-Value-Denken.<br />
1. Die Zielsetzungen der KIG<br />
Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich die wesentlichen Zielsetzungen<br />
„holzschnittartig“ ableiten:<br />
� Verbesserung der kommunalen Position im interkommunalen Wettbewerb,<br />
� Strategisch nachhaltige Ausrichtung des „Konzerns Stadt“, um die<br />
Kommune im Bestand zu schützen <strong>und</strong> ihre Funktions- <strong>und</strong> Aufgabenbereiche<br />
zu gewährleisten,<br />
� Bereitstellung spezifischer Güter <strong>und</strong> (<strong>Infrastruktur</strong>-)Dienstleistungen,<br />
auf die jeder Bürger angewiesen ist (Gr<strong>und</strong>versorgung bzw. Dienstleistungen<br />
im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse),<br />
� Sicherstellung der kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung,<br />
6<br />
Urteil v. 24.07.2003 (Altmark-Trans GmbH – Rs. C-280/00); Urteil v. 11.01.2005 (Stadt Halle – Rs.<br />
C-26/03).<br />
94
� Generierung <strong>von</strong> Effizienz- <strong>und</strong> Synergiepotenzialen (auch durch die<br />
Sicherstellung eines chancenreichen Wettbewerbes für Leistungen,<br />
die am Markt vergeben werden können),<br />
� Optimierung <strong>von</strong> Investitions- <strong>und</strong> Instandhaltungsstrategien unter<br />
Berücksichtigung eines definierten Anlagenzustandes, der Ver- <strong>und</strong><br />
Entsorgungssicherheit sowie die Reduzierung der Transaktionskosten<br />
im Rahmen einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Kosteneffizienz <strong>und</strong> -effektivität<br />
gewährleistet,<br />
� Etablierung <strong>und</strong> Institutionalisierung „moderner“ Management-, Controlling-<br />
<strong>und</strong> Risikomanagementsysteme.<br />
2. Das Geschäftsmodell der KIG<br />
Im Fokus steht hierbei die Überlegung resp. Überzeugung, dass die<br />
„Straße“ als dreidimensionaler Raum das wichtigste Anlagevermögen<br />
einer Kommune repräsentiert. Dieser wesentliche kommunale (Anlage-)<br />
Vermögenswert muss daher mindestens erhalten, wenn nicht gar gesteigert<br />
werden, um – analog zum privatwirtschaftlichen Bereich – eine<br />
Kommune nicht zum Insolvenzfall werden zu lassen 7 : Unterlassene Instandhaltung<br />
kann den Vermögenswert gegen Null tendieren lassen, so<br />
dass die Kommune unter Berücksichtigung der „Basel II-Kriterien“ kreditunwürdig<br />
werden kann.<br />
Diese gr<strong>und</strong>sätzlichen Festlegungen als auch die o. a. Zielsetzungen<br />
bzw. -vorgaben definieren zwangsläufig das Geschäftsmodell: Die KIG<br />
erbringt als Dienstleister alle (kommunalen) <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen,<br />
in dem sie prozessorientiert die zugr<strong>und</strong>e liegenden <strong>Infrastruktur</strong>en<br />
(Straßen-, Leitungs- <strong>und</strong> Verkehrsinfrastruktur) mit ausgewiesener <strong>und</strong><br />
ausgestalteter Kompetenz managt. Gr<strong>und</strong>sätzlich können sämtliche<br />
„Netz-Dienstleistungen“ (Energie, Wasser, Telekommunikation/Informations-<br />
resp. Datenverarbeitung, ÖPNV, Verkehrswege <strong>und</strong> deren <strong>Infrastruktur</strong><br />
(z. B. auch Haltestellen etc.), Abwasser/Entwässerung, Entsorgung,<br />
Gleis- <strong>und</strong> Hafenanlagen, Straßenbeleuchtung etc.) in die KIG<br />
integriert werden. Da alle Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsnetze etc. gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
im Kontext mit dem jeweiligen Straßen- <strong>und</strong> Wegebau/-unterhaltung<br />
stehen, erscheint es als sinnvoll, den „klassischen“ Tiefbauamtsbereich<br />
ebenfalls einzubeziehen.<br />
7 Eine Kommune kann auf Gr<strong>und</strong> ihres öffentlich-rechtlichen Status nicht insolvent werden – sie kann<br />
jedoch den interkommunalen Wettbewerb verlieren <strong>und</strong> dadurch „notleidend“ werden.<br />
95
Situativ <strong>und</strong> einzelfallbezogen können dann weitere „periphere“ Leistungssegmente<br />
in der KIG aggregiert werden - Parkhäuser, Bäder <strong>und</strong><br />
Sportstätten, Grünflächen, Stadtmöblierung, Immobilienmanagement etc.<br />
Hierbei wäre es auch vorstellbar, unterhalb der KIG einen „<strong>Infrastruktur</strong>-<br />
Eigenbetrieb“ zu initiieren <strong>und</strong> zu institutionalisieren. Zu dessen Aufgabenbereich<br />
gehörten dann all jene Dienstleistungen, die originär keine<br />
Netz-Dienstleistung, jedoch Dienstleistungen im allgemeinen Interesse<br />
sind. Das gesamte integrierte Management sollte für sämtliche <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />
in der KIG angesiedelt sein, um Effizienz- <strong>und</strong><br />
Synergiepotenziale zu erschließen - ihre diesbezüglichen (Management-)<br />
Leistungen muss die KIG dann zu Marktpreisen bzw. auf Gr<strong>und</strong>lage der<br />
Verordnung Pr. 30/53 8 mit Anlage LsP gegenüber der Kommune abrechnen,<br />
so dass die Kostenvorteile direkt der Stadt <strong>und</strong> somit indirekt den<br />
Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern zu Gute kommen würden (vgl. zur organisations-rechtlichen<br />
Struktur Abbildung 1).<br />
Abbildung 1: Kommunale <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />
96<br />
Asset<br />
Owner<br />
Geschäftsführung<br />
Asset<br />
Manager<br />
Asset<br />
Service<br />
-technische<br />
Planung<br />
Kommune<br />
Kommunale <strong>Infrastruktur</strong>gesellschaft<br />
Prozesssteuerung<br />
Unternehmensplanung<br />
Controlling<br />
Asset<br />
Service<br />
-technischer<br />
Service<br />
Shared<br />
Service<br />
Eigengesellschaften<br />
<strong>Infrastruktur</strong>-<br />
Eigenbetrieb<br />
Die KIG als wirtschaftlich tätiger Akteur der Kommune wird somit <strong>von</strong><br />
letzterer mit der Wahrnehmung der <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Gewährleistungsverantwortung<br />
„betraut“. 9 Dies erfordert, dass Kommunalpolitik <strong>und</strong> Verwaltung<br />
qualitative <strong>und</strong> quantifizierte Leistungs- <strong>und</strong> Gegenleistungskriterien<br />
definieren <strong>und</strong> vorgeben. Diese sind quasi die wirtschaftlichen<br />
Zielvereinbarungen bzw. -vorgaben. Da Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsleitungen<br />
8<br />
Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen v. 21.11.1953, http://www.bmwi.de/BMWi/<br />
Navigation/Service/gesetze,did=191388.html (02.09.2008).<br />
9<br />
Dieser Begriff ist zugegebenermaßen derzeit noch semantisch unscharf <strong>und</strong> bedarf der Präzisierung.
häufig (nicht mehr) im Eigentum der Kommune sind, sondern Dritten<br />
gehören, muss die KIG mit diesen Eigentümern anstelle der „klassischen<br />
Konzessionsverträge“ (Energie, Wasser, Verkehr) <strong>Infrastruktur</strong>-Leistungsverträge<br />
mit exakt definierten Leistungskriterien abschließen, die<br />
eine „Überkompensation“ im Rahmen des Altmark Trans-Urteils ausschließen<br />
<strong>und</strong> somit den beihilferechtlichen Kompensationsmaßstäben<br />
gerecht werden. Analog zu diesen Beispielen können auch für die anderen<br />
<strong>Infrastruktur</strong>bereiche Leistungen definiert <strong>und</strong> quantifiziert werden.<br />
Im Entscheidungsbereich des Auftraggebers liegt es dann, ob spezifische<br />
Leistungskriterien trotz ihrer objektiven Unwirtschaftlichkeit dennoch<br />
vereinbart <strong>und</strong> dementsprechend als „Gegenleistung“ auch bezuschusst<br />
werden.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich unterliegt die KIG bei der Vergabe <strong>von</strong> Subaufträgen dem<br />
öffentlichen Vergaberecht. Da gemäß Abbildung 1 alle „Untergruppierungen“<br />
ebenfalls zu 100 Prozent dem „Konzern Stadt“ angehören, können<br />
mit diesen (Teil-)Einheiten auf der Basis „marktorientierter Dienstleistungen“<br />
Aufträge kontrahiert werden. Um dem Anspruch der „Marktnähe“<br />
gerecht zu werden, muss auf der Basis <strong>von</strong> Kennzahlen bzw.<br />
einem Benchmarking der gemäß des Altmark Trans-Urteils geforderte<br />
Nachweis einer „durchschnittlich guten Wirtschafts- bzw. Geschäftsführung“<br />
erbracht werden, so dass auch eine Ausschreibung keine anderen<br />
„marktorientierten Preise“ erbringen würden (sog. „marktorientierte<br />
Direktvergabe“).<br />
Durch diese „holzschnittartige“ Konzeption sollen neben der wirtschaftlichen<br />
Effizienz <strong>und</strong> Effektivität der <strong>Infrastruktur</strong>(-dienstleistungen) sowie<br />
der Gewährleistungserfüllung auch Qualität <strong>und</strong> Effizienz sowie Nachhaltigkeit<br />
der kommunal(-politischen) Planungsprozesse verbessert werden,<br />
um<br />
� die strategische <strong>und</strong> operative Planung ganzheitlich zu integrieren,<br />
� die strategischen Planungsprozesse im Sinne der „Balanced Scorecard“<br />
zu personalisieren <strong>und</strong> ständig einem Monitoring zu unterwerfen,<br />
um Umfeldveränderungen proaktiv in Strategieanpassungen einfließen<br />
lassen zu können 10 ,<br />
� die Planungsprozesse zu flexibilisieren <strong>und</strong> zu dynamisieren, um der<br />
Dynamik des liberalisierten (Markt-)Umfeldes gerecht werden zu können,<br />
10 Vgl. Jänig, a.a.O., S. 298 ff.<br />
97
� die starre Budgetierung durch eine leistungsbezogene, proaktive<br />
Planung zu ersetzen, um die im Wettbewerb auftretenden Schwankungen<br />
zeitnah erfassen <strong>und</strong> steuern zu können,<br />
� die Planungs- <strong>und</strong> Zielvereinbarungsprozesse eng miteinander zu<br />
verzahnen,<br />
� die (fast) ausschließlich an der Finanzplanung orientierten Prozesse<br />
um nicht-finanzielle Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Steuerungsgrößen zu<br />
erweitern.<br />
Die KIG muss demnach die <strong>von</strong> der Kommune beauftragten <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen<br />
erwerbswirtschaftlich <strong>und</strong> marktkonform erbringen.<br />
Dies impliziert zwangsläufig „neue“ Managementmodelle <strong>und</strong> -strukturen<br />
unter Einbeziehung <strong>von</strong> Informations- <strong>und</strong> Wissensmanagement, um im<br />
Rahmen einer „selbstlernenden Organisation“ 11<br />
� budgetunabhängige, auf Zielvereinbarungen beruhende Steuerungsprozesse<br />
zu generieren,<br />
� ein prozessorientiertes „Performance Measurement“ zu realisieren,<br />
� zeitgemäße Managementmethoden (Balanced Scorecard, Risikomanagement,<br />
Customer Relationship Management etc.) zu institutionalisieren,<br />
� das Leistungsspektrum einem ständigen Benchmarking zu unterwerfen,<br />
� statische Planungsprozesse durch eine proaktive, dynamische Und<br />
tschüß rollierende Planung zu ersetzten, um die vorhandenen<br />
Ressourcen (Finanzmittel, Personal, Anlagegüter etc.) optimal zu<br />
nutzen.<br />
Hierdurch sollen die nachfolgend plakativ angeführten Zielvorgaben der<br />
Kommune erfüllt werden:<br />
� Sicherstellung des politischen Einflusses auf die Leistungserstellung,<br />
� Positionierung der Kommune im interkommunalen Wettbewerb als<br />
effiziente <strong>und</strong> kostengünstige Leistungserbringerin für Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger sowie Unternehmen,<br />
� Identität des kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Dienstleistungsportfolios<br />
(als „Produktportfolio“ der Kommune) mit den Lebenszyklen der<br />
Kommune als Ganzem, als auch den jeweiligen Bürgerlebenszyklen<br />
(60-jährige haben zwangsläufig andere Vorstellungen über kommunale<br />
<strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen als 20-jährige usw.),<br />
� Realisierung langfristiger Haushaltsentlastungspotenziale,<br />
11 Vgl. ebenda, S. 477 ff.<br />
98
� Sicherung <strong>von</strong> Beschäftigung <strong>und</strong> Wertschöpfung in der Kommune,<br />
� Planungs- <strong>und</strong> Preissicherheit sowie Kostentransparenz,<br />
� Optimierung der Verwaltungsprozesse durch den Einsatz konsistenter,<br />
einheitlicher IT-Systeme.<br />
3. Die Organisationsstruktur der KIG<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sind verschiedene gesellschaftsrechtliche Strukturen in<br />
Abhängigkeit <strong>von</strong> den lokalen Gegebenheiten <strong>und</strong> Möglichkeiten denkbar.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der in Abbbildung dargestellten, beispielhaften<br />
Struktur soll die KIG im Sinne des „Konzerns Stadt“ die kommunalen<br />
Eigengesellschaften sowie den kommunalen „<strong>Infrastruktur</strong>-Eigenbetrieb“<br />
einer einheitlichen Planung <strong>und</strong> Steuerung unterwerfen, um Unternehmensplanung<br />
<strong>und</strong> Prozesssteuerung ganzheitlich <strong>und</strong> nachhaltig zu<br />
integrieren. Des Weiteren übt der „Asset Owner“ die Eigentümerfunktion<br />
über die <strong>Infrastruktur</strong>en aus, um – auch vor dem Hintergr<strong>und</strong> des wettbewerbsrechtlichen<br />
Unb<strong>und</strong>lings – eine adäquate Kapitalverzinsung des<br />
Anlagevermögens zu erreichen. Der sog. „Asset Manager“ übernimmt<br />
dann die Planung <strong>und</strong> Steuerung aller kommunalen <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen.<br />
Hierzu bedient er sich des „Asset Service“, der auf der Basis<br />
einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung für den kostengünstigen<br />
<strong>und</strong> effizienten Bau <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong>en zuständig ist. Die als<br />
„Shared Service“ bezeichnete Organisationseinheit erbringt alle kaufmännischen<br />
Querschnittsfunktionen für die anderen Organisationseinheiten,<br />
Eigengesellschaften <strong>und</strong> Eigenbetriebe, um den Kriterien der<br />
„Economies of Scale“ gerecht werden zu können. Gr<strong>und</strong>lage für alle<br />
Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen sind Zielvorgaben bzw. Zielvereinbarungen.<br />
Dieses informations- <strong>und</strong> wissensbasierte „Process<br />
Chain Management“ auf der Gr<strong>und</strong>lage hierarchisch vermaschter Regelkreissysteme<br />
soll die eindeutige <strong>und</strong> einheitliche Strategie- <strong>und</strong> Zielausrichtung<br />
im Rahmen dieser komplexen Struktur gewährleisten. 12 Sowohl<br />
durch diese einheitliche Strategie- <strong>und</strong> Zielausrichtung als auch durch<br />
die koordinierte, abgestimmte Leistungserbringung im Sinne eines<br />
„Collaborative Business“ auf der Gr<strong>und</strong>lage des sog. „Enterprise<br />
Resource Managements“ 13 über alle „<strong>Infrastruktur</strong>grenzen“ hinweg wird<br />
die Generierung der notwendigen Synergie- <strong>und</strong> Effizienzpotenziale<br />
ermöglicht.<br />
12 Vgl. ebenda, S. 58 ff.<br />
13 Vgl. ebenda, S. 276 ff.<br />
99
4. Die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die KIG<br />
Die KIG erfasst die Gesamtheit der materiellen, institutionellen <strong>und</strong> personellen<br />
Einrichtungen, die ihr in Folge öffentlicher Aktivität zur Verfügung<br />
stehen müssen. 14<br />
Die Möglichkeit einer allgemeinen Definition besteht kaum. Wegen der<br />
Dynamik des <strong>Infrastruktur</strong>begriffs ist vielmehr eine Aufzählung <strong>von</strong> Einrichtungen,<br />
die zur <strong>Infrastruktur</strong> zu zählen sind, zu bevorzugen. 15<br />
Auch das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht verwendet zur Bestimmung des<br />
<strong>Infrastruktur</strong>begriffs eine weite <strong>und</strong> nicht abschließende Aufzählung <strong>von</strong><br />
Einrichtungen, wie etwa Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, Nahverkehr,<br />
Abfallentsorgung sowie Krankenhäuser, Altersheime <strong>und</strong> Kindergärten. 16<br />
Ähnlich weit „definiert“ das Europäische Parlament den Begriff der <strong>Infrastruktur</strong><br />
17 : Die Ausstattung mit materiellen Gütern, die nicht unmittelbar<br />
im Produktionsprozess verwendet werden, wobei diese Ausstattung<br />
einer Vielzahl <strong>von</strong> Benutzern zur Verfügung steht <strong>und</strong> normaler Weise<br />
vom Staat selbst oder eigens dafür vorgesehenen halbstaatlichen Stellen<br />
oder auch privaten Körperschaften errichtet <strong>und</strong> finanziert wird. 18<br />
Bei der KIG wird ein extensives Verständnis des <strong>Infrastruktur</strong>begriffes<br />
zugr<strong>und</strong>e gelegt.<br />
Inhouse-Geschäfte eröffnen die Möglichkeit einer vergaberechtsfreien<br />
Erteilung <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong>aufgaben. Die Einrichtung der KIG hat dabei<br />
die Vorgaben des EuGH zum Inhouse-Geschäft 19 zu beachten. Allerdings<br />
verhindert jede private Drittbeteiligung das Vorliegen eines Inhouse-Geschäfts,<br />
da die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches<br />
Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines<br />
freien <strong>und</strong> unverfälschten Wettbewerbs beeinträchtigt, da ein solches<br />
Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten<br />
Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinem Konkurrenten verschaffen<br />
würde.<br />
14 Hünnekens (1994), S. 16.<br />
15 Koenig/Kühling (2001), S. 821 f.<br />
16 BVerfGE 38, 258, S. 270 f.; das BVerfG hat den Begriff der <strong>Infrastruktur</strong> in Anführungszeichen ge-<br />
setzt.<br />
17 Europäisches Parlament, Entschließung v. 17.03.1989, ABl. EG 1989, C 96/243 (244).<br />
18 Vgl. auch Koenig u.a. (2004), S. VIII.<br />
19 Urteil v. 11.01.2005 (Stadt Halle – Rs. C-26/03 – VergabeR 2005, 44); Urteil v. 13.01.2005 (Königreich<br />
Spanien – Rs. C-84/03 – VergabeR 2005, 176).<br />
100
Die KIG muss daher so strukturiert sein, dass auch die Kriterien des<br />
EuGH (Altmark Trans) 20 zur Vermeidung <strong>von</strong> unzulässigen Beihilfen erfüllt<br />
werden. Dies bedingt u. a.:<br />
� Die tatsächliche Betrauung der KIG mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher<br />
Verpflichtungen, die klar zu definieren sind (vgl. beispielhaft<br />
Abbildung 2).<br />
� Die Parameter, anhand deren ein Ausgleich berechnet wird, werden<br />
zuvor objektiv <strong>und</strong> transparent aufgestellt (vgl. beispielhaft Abbildung<br />
3).<br />
Abbildung 2: Vertragsstruktur<br />
Vertragsstruktur<br />
Stadt mit umfassender Aufgaben- bzw. Gewährleistungsverantwortung<br />
<strong>Öffentliche</strong> Betrauung, Konzessionsverträge,<br />
Gewährleistungsdurchführung<br />
KIG (gewinnerzielendes IS-Unternehmen)<br />
(Sicherstellung Querverb<strong>und</strong>)<br />
Abbildung 3: Finanzierungsströme<br />
Finanzierungsströme<br />
Konzessionsabgaben<br />
Stadt Unna<br />
KIG<br />
Beherrschungs-/<br />
Ergebnisabführungsverträge<br />
Zuwendungen<br />
Beihilfen<br />
Entgelte für sonstige<br />
Dienstleistungen<br />
Entgelt für IS-<br />
Dienstleistungen<br />
Beh./EAV<br />
(IS) Nutzungsentgelte<br />
Netznutzungsentgelte <strong>von</strong> Dritten<br />
20 Urteil v. 24.07.2003 (Altmark-Trans GmbH – Rs. C 280/00).<br />
IS-DLV<br />
Stadtwerk<br />
Entgelt<br />
Konzessionsverträge, Nutzungsverträge, Pachtverträge,<br />
Beherrschungsverträge, Ergebnisabführungsverträge<br />
Land NRW<br />
Körperschaften<br />
B<strong>und</strong><br />
EU<br />
Stadtwerk<br />
101
� Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist,<br />
um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen<br />
unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen <strong>und</strong> eines<br />
angemessenen Gewinnes aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen<br />
ganz oder teilweise zu decken.<br />
� Die Höhe des erforderlichen Ausgleichs erfolgt auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
einer Analyse der Kosten, die ein durchschnittlich gut geführtes<br />
Unternehmen hat, um die gemeinwirtschaftlichen Anforderungen erfüllen<br />
zu können, wobei ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung<br />
der Verpflichtungen zu berücksichtigen ist.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Beck (1998): Ulrich Beck, Was ist Globalisierung?, 4. Aufl., Frankfurt a.M. 1998, S. 24 ff.<br />
Hennig (2003): Eike Hennig (Hrsg.), Glokalisierung, Frankfurt a.M. 2003.<br />
Hünnekens (1995): Georg Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen <strong>Infrastruktur</strong>, In:<br />
Rolf Stoiber (Hrsg.), Studien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, Köln et al. 1995, S. 16.<br />
Jänig (2004): Christian Jänig, Wissensmanagement: Die Antwort auf die Herausforderung<br />
der Globalisierung, Berlin et al. 2004.<br />
Koenig/Kühling (2001): Christian Koenig u. Jürgen Kühling, EG-beihilfenrechtliche Beurteilung<br />
mitgliedstaatlicher <strong>Infrastruktur</strong>förderung im Zeichen zunehmender Privatisierung, in:<br />
Die <strong>Öffentliche</strong> Verwaltung, H. 21, Stuttgart 2001, S. 821 f.<br />
Koenig u.a. (2004): Christian Koenig, Jürgen Kühling u. Christian Theobald (Hrsg)., Recht<br />
der <strong>Infrastruktur</strong>förderung. Ein Leitfaden für die Praxis, 2004, S. VIII.<br />
Stiglitz (2002): Joseph E. Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002.<br />
102
Workshop 3: Wassersektor<br />
Referenten:<br />
Reinhold Hüls *<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen<br />
Wasserwirtschaft – im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong><br />
privaten Betreibern<br />
Dr. Frieder Haakh<br />
Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />
Wasserversorgung?<br />
Professor Dr. Robert Holländer<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> im Bereich<br />
Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung – Entscheidungs-<br />
relevante Aspekte aus wissenschaftlicher Sicht<br />
* Siehe Anhang.
Frieder Haakh *<br />
Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die<br />
Wasserversorgung?<br />
Ich danke zunächst, dass ich Ihnen heute dieses Referat zum Thema<br />
„Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für die Wasserversorgung?“<br />
halten darf. Um es gleich vorweg zu nehmen, Sie werden <strong>von</strong> mir als<br />
einem Vertreter eines großen kommunalen Wasserversorgungszweckverbandes<br />
mit annähernd 100 Millionen Kubikmetern Jahreswasserabgabe<br />
<strong>und</strong> über 100 Verbandsmitgliedern nicht hören, dass eine<br />
Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung für kommunale Wasserversorgungsunternehmen<br />
nicht in Frage kommen darf. Die Situation stellt<br />
sich hier vielschichtig dar, <strong>und</strong> ich möchte versuchen, Ihnen die Zusammenhänge<br />
darzulegen <strong>und</strong> eine aus unserer Sicht, aus kommunaler<br />
Sicht, differenzierte Antwort zu geben.<br />
Hier ist es zunächst wichtig, sich die Ziele der kommunalen Wasserversorgung<br />
vor Augen zu führen. Diese sind, bis auf den ersten <strong>und</strong><br />
letzten Punkt, weitgehend identisch mit den Zielen einer ambitionierten<br />
privaten Wasserversorgung. Wir wollen Trinkwasser zu günstigen<br />
Preisen, wir wollen Trinkwasser bester Qualität, wir wollen eine sichere<br />
<strong>und</strong> nachhaltige Versorgung <strong>und</strong> einen guten Service im Dienstleistungsbereich.<br />
Die kommunal getragene Wasserversorgung legt besonderen<br />
Wert auf die direkte demokratische Kontrolle durch den Gemeinderat,<br />
durch die Verbandsversammlung, durch Aufsichtsgremien,<br />
die unter direkter Kontrolle der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger stehen <strong>und</strong> auf<br />
günstige Preise.<br />
Neben diesen Zielen müssen selbstverständlich auch operative Aspekte<br />
bei der Organisation der Wasserversorgung beachtet werden. Diese sind<br />
zum einen die Frage nach einer gerichtsfesten Organisation der Wasserversorgung<br />
– Stichwort DVGW-Arbeitsblatt W 1000 – <strong>und</strong> dem Regelwerk<br />
überhaupt, auch vor der Frage eines möglichen Organisationsverschuldens,<br />
wenn beispielsweise Qualitätsziele nicht erreicht wurden<br />
<strong>und</strong> Verstöße gegen die Trinkwasserverordnung festgestellt werden<br />
müssen. In den vergangenen Jahren hat auch die Frage nach der Personalqualifikation<br />
zunehmend an Bedeutung gewonnen, wiederum im<br />
*<br />
Dr.-Ing. Frieder Haakh ist technischer Geschäftsführer des Zweckverbandes Landeswasserversorgung<br />
Baden-Württemberg.<br />
105
Zusammenhang mit dem DVGW-Arbeitsblatt W 1000. Sehr viele kommunale<br />
Wasserversorgungsunternehmen stellen sich auch die Frage<br />
hinsichtlich der wirtschaftlichen Größe der <strong>Betrieb</strong>seinheit <strong>und</strong> ob diese<br />
ausreicht, um hier eigene Kernkompetenzen auch effizient vorhalten zu<br />
können. Das Ganze ist auch verquickt mit der Frage nach der Personalpolitik<br />
innerhalb der Kommune.<br />
Genügt es, die Wasserversorgung noch im eigenen Bauhof zu betreiben,<br />
oder sind hier andere Wege zu beschreiten?<br />
Insbesondere die Frage der Effizienz <strong>und</strong> der günstigen Preise hat in<br />
den vergangenen sieben/acht Jahren an Bedeutung gewonnen. Von der<br />
Politik wurde mehr Wettbewerb in der Wasserwirtschaft gefordert mit<br />
dem Ziel, effizientere Strukturen <strong>und</strong> damit auch günstigere Preise für<br />
den Trinkwasserk<strong>und</strong>en zu erlangen. Die überaus strittige Frage war<br />
allerdings, wie dieser Weg zu beschreiten ist. Es wurde hier zunächst<br />
vorgeschlagen, durch eine Liberalisierung des Marktes – in Unkenntnis<br />
der spezifischen Zusammenhänge des Lebensmittels Trinkwasser –<br />
mehr Wettbewerb, sei es auch durch staatliche Vorgaben <strong>und</strong> ein<br />
Unb<strong>und</strong>ling <strong>und</strong> Regulierung analog zu anderen netzgeb<strong>und</strong>enen <strong>Infrastruktur</strong>dienstleistungen,<br />
herbeizuführen. Dem wurde die Modernisierungsstrategie<br />
entgegengestellt mit dem Benchmarking als Wettbewerbssurrogat,<br />
getragen durch zahlreiche Verbände der Wasserwirtschaft.<br />
Aber unten steht das gleiche Ziel, nämlich effizientere Strukturen<br />
<strong>und</strong> günstigere Preise.<br />
Deswegen darf die Frage der Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />
nicht losgelöst <strong>von</strong> der Zielvorstellung der Erwartungshaltung der Politik<br />
gesehen werden, <strong>und</strong> diese ist ganz klar. Die Politik wird eines Tages<br />
fragen, wie viele Unternehmen beteiligen sich am Benchmarking?<br />
Welche Effizienzsteigerungen ließen sich damit erzielen, <strong>und</strong> in welchem<br />
Maße haben sich dadurch die Trinkwasserpreise verbessert?<br />
Diese Erwartungshaltung wird <strong>von</strong> den B<strong>und</strong>sländern z. T. sehr konkret<br />
in entsprechenden Schriften erkennbar. Dies gesellt sich also zu den<br />
Fragen nach Organisationsverschulden, nach Trinkwasserqualität <strong>und</strong><br />
Nachhaltigkeit als Triebfeder, die für eine Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />
sprechen können, aber nicht sprechen müssen.<br />
Um Klarheit zu schaffen, sollten auch die Begriffe „Technische <strong>Betrieb</strong>sführung“<br />
bzw. „<strong>Betrieb</strong>sleitung“ differenziert werden.<br />
Die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung bedeutet die verantwortliche Wahrnehmung<br />
aller technischen Aufgaben im operativen Bereich der Wasser-<br />
106
versorgung durch qualifiziertes Personal, einschließlich der technisch<br />
verantwortlichen Leitung, des Bereitschaftsdienstes <strong>und</strong> der Qualitätsüberwachung<br />
entsprechend dem Technischen Regelwerk durch eigenes<br />
Personal des <strong>Betrieb</strong>sführers. Die <strong>Betrieb</strong>sleitung bezieht sich nur auf<br />
die technisch verantwortliche Leitung für das operative technische Geschäft<br />
in der Wasserversorgung mit Weisungsbefugnis gegenüber<br />
fremdem Personal.<br />
Die Frage nach dem „Warum Technische <strong>Betrieb</strong>sführungen?“ bzw.<br />
deren Vergabe aus kommunaler Sicht lässt sich als Zwischenfazit relativ<br />
einfach beantworten. Es gibt gestiegene gesetzliche Anforderungen<br />
durch die neue Trinkwasserverordnung. Demnach ist das Technische<br />
Regelwerk einzuhalten. Aber auch im Hinblick auf Nachfolgeregelungen<br />
für Wassermeister, die die Altersgrenze erreichen, muss jetzt Personal<br />
mit höheren Qualifikationen eingestellt werden. Die erwähnte Frage nach<br />
dem Organisationsverschulden, insbesondere bei unklar geregelten Zuständigkeiten<br />
für Bereitschaftsdienst, Urlaubs- <strong>und</strong> Krankheitsvertretung,<br />
der erwähnte Kostendruck. Aber eine weitere Frage ist auch: Ist es nicht<br />
eine Überlebensstrategie der kommunalen Wasserversorgung vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> der Liberalisierungs- <strong>und</strong> Privatisierungsdiskussion? Ich<br />
stelle hier die These in den Raum: Nur effiziente Strukturen sind dauerhaft<br />
stabil.<br />
Dies kann an der Frage der Personalqualifikation verdeutlicht werden.<br />
Angenommen, Sie haben eine Wasserversorgung mit eigener Wassergewinnung<br />
<strong>und</strong> einfacher Aufbereitung bei einer Jahreswasserabgabe<br />
<strong>von</strong> 800.000 m³ – das ist die Kommune mit 13.000–14.000 Einwohnern –<br />
dann benötigen Sie hierfür nach dem Technischen Regelwerk bereits<br />
einen Ingenieur. Ich wage die Behauptung, dass nicht alle Kommunen in<br />
der Lage sind, diesen Ingenieur für die Wasserversorgung wirtschaftlich<br />
vorzuhalten, sodass sich allein schon daraus die Notwendigkeit einer<br />
<strong>Betrieb</strong>sführung oder einer Unterstützung für die kommunale Wasserversorgung<br />
ergibt.<br />
Das Thema „Organisationsverschulden“ kann manchem Bürgermeister<br />
den Angstschweiß auf die Stirn treiben, <strong>und</strong> entsprechende Urteile im<br />
Bereich der Wasserversorgung wegen der Abgabe verunreinigten Trinkwassers<br />
zeigen, dass beim Trinkwasser als unserem wichtigsten (Über)-<br />
Lebensmittel eine gerichtsfeste Organisation <strong>und</strong> eine einwandfreie Qualitätssicherung<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung sind <strong>und</strong> dass mit diesem Thema<br />
auch nicht zu spaßen ist.<br />
107
Analysieren wir jetzt die Möglichkeiten:<br />
Ein Wasserversorgungsunternehmen ist zunächst ein Wassergewinnungsbetrieb<br />
<strong>und</strong> dann Netzbetreiberbetrieb, wobei insbesondere der<br />
Netzbereich in der Wasserversorgung zumeist dominiert, sodass auch<br />
hier die Möglichkeiten <strong>und</strong> Handlungsalternativen, die generell für Netzbetreiber<br />
gelten, herangezogen werden können. Für das Netz <strong>und</strong> auch<br />
die Erzeugung ergeben sich als wesentliche Handlungsalternativen<br />
einmal Effizienzsteigerungen <strong>und</strong> Kooperationen, um günstige Preise<br />
auch in Zukunft zu gewährleisten. In einem ersten Schritt sollten wir<br />
daher die Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen näher betrachten.<br />
Jeder kennt es. Effizienzsteigerungen können unterschieden werden in<br />
kurzfristige <strong>und</strong> langfristige Effizienzsteigerungen. Kurzfristige sind beispielsweise<br />
die Kostensenkung durch Insourcing, Aufgabenreduzierung<br />
<strong>und</strong> Arbeitsverdichtung oder auch durch Erlössteigerungen. Langfristige<br />
Effizienzsteigerungen erzielen Sie beispielsweise durch Steuerungsmodelle<br />
hinsichtlich Rentabilität, Produktivität <strong>und</strong> Auslastung. Ich<br />
möchte aber auf [den unteren Ast hinaus], nämlich auf das Asset-<br />
Management, <strong>und</strong> dort sind wir bei der Instandhaltungsstrategie, der<br />
Investitionsstrategie <strong>und</strong> der Risikostrategie. Genau in diesem Segment<br />
ist die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung festzumachen.<br />
Damit ist die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung ein Instrument des Asset-<br />
Managements, <strong>und</strong> hier muss man sich auch <strong>von</strong> kommunaler Seite sehr<br />
genau darüber klar werden, was eine Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />
bedeutet. Dazu ist es notwendig, dass man sich mit den<br />
Stellhebeln des Asset-Managements auseinandersetzt.<br />
Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Aufwand, den Sie für die<br />
Wasserversorgung betreiben, steigt, ja sogar überproportional steigt mit<br />
der Verfügbarkeit, die Sie an die Komponente stellen wollen. Wenn Sie<br />
100 %ige Sicherheit haben wollen, können Sie dies nicht bezahlen.<br />
Wenn Sie sagen, ich riskiere z.B. 10 oder 15 Rohrbrüche in der Kommune<br />
mit den besagten 13.000 Einwohnern – das ist ein landläufiger<br />
Durchschnittswert – dann steht dem ein bestimmter Aufwand gegenüber.<br />
Das heißt, zunächst muss der Asset-Owner, d.h. die Kommune, das<br />
Anspruchsniveau definieren hinsichtlich Versorgungsqualität <strong>und</strong> Verfügbarkeit.<br />
Es genügt nicht zu sagen, wir vergeben die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung,<br />
ohne sich über diese wesentlichen Gesichtspunkte klare<br />
Gedanken gemacht <strong>und</strong> auch quantifizierbare Vorstellungen erarbeitet<br />
zu haben. Das haben die Engländer bei Thames Water nicht beachtet<br />
<strong>und</strong> dürfen jetzt im Sommer den Englischen Rasen nicht mehr sprengen,<br />
weil 30 % Netzverluste die Wasserknappheit bescheren.<br />
108
Wenn Sie jetzt zu einer Effizienzsteigerung kommen wollen, dann ist der<br />
nächste Stellhebel beim Asset-Manager. Das kann die Kommune oder<br />
es kann auch bereits der Dienstleister sein. Wir müssen dort Spezifikationen<br />
definieren. Welche Arten <strong>von</strong> Rohrleitungen verlegen wir?<br />
Nehmen wir PE- oder duktilen Guss? Welche Schiebertypen nehmen<br />
wir? Bleiben wir beim württembergischen Schachtsystem oder nicht? Wir<br />
müssen über Komponenten <strong>und</strong> Standards des <strong>Betrieb</strong>s diskutieren <strong>und</strong><br />
auch die Instandhaltungsstrategien definieren. Fahren wir eine vorbeugende<br />
Instandhaltung für alle Anlagenteile, oder können wir bestimmte<br />
Anlagenteile auf Verschleiß fahren? Diese Frage muss vom<br />
Asset-Manager kommen. Auch hier sind Effizienzsteigerungen möglich.<br />
In der letzten Stufe sind wir beim Asset-Service. Das betrifft dann den<br />
<strong>Betrieb</strong>sführer, den Dienstleister. Er muss anhand der oben genannten<br />
Vorgaben die Ausführungsprozesse definieren <strong>und</strong> den <strong>Betrieb</strong>smitteleinsatz.<br />
Er muss sagen, wie viele Mitarbeiter er beispielsweise im Bereitschaftsdienst<br />
vorhält, wie viele Fahrzeuge, welche Werkzeuge. Er<br />
legt die spezifische Produktivität der <strong>Betrieb</strong>sorganisation fest. Beispielsweise:<br />
Wo muss der Bereitschaftsdienst sitzen, damit eine Störung<br />
innerhalb <strong>von</strong> 30 Minuten dann auch beseitigt werden kann? Wenn diese<br />
Fragen bei der Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung nicht geklärt<br />
sind, dann wird die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung ein „Blindflug“, <strong>und</strong> der<br />
Konflikt ist bereits vorprogrammiert.<br />
Halten wir also fest: Vor einer Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung<br />
müssen die Kriterien des Asset-Managements exakt abgearbeitet<br />
werden.<br />
Der zweite Aspekt steckt im Thema „Kooperation“. Dort bin ich auch bei<br />
einem ureigenen kommunalen Thema: „Effizienzsteigerung durch Kooperation“<br />
oder vielleicht sogar „Asset-Management in Kooperation“. Die<br />
Wasserversorgung in Deutschland ist sehr klein strukturiert. Wir haben<br />
über 6.000 Wasserversorgungsunternehmen, <strong>und</strong> auf dem flachen Land<br />
wurschtelt jeder vor sich hin.<br />
Ich wage diese Aussage. Wir haben viele „Insellösungen“, jeder ist mit<br />
seinen Problemen allein <strong>und</strong> wir finden keine Synergien.<br />
Jede Gemeinde für sich schlägt sich herum mit der Frage nach dem<br />
Wassermeister <strong>und</strong> dem <strong>Betrieb</strong>spersonal, dem Fuhrpark, dem Lager,<br />
dem geeigneten Tiefbauunternehmer, dem Wasserzählereinkauf, der<br />
Planung, dem Labor, den Kontakten zu Behörden usw.<br />
109
Wenn wir uns die operativen Prozesse ansehen <strong>und</strong> anhand der<br />
Kriterien Koordinationsaufwand, wirtschaftliche oder unwirtschaftliche<br />
Größe, notwendige Auftraggeberkompetenz, Qualifikation <strong>und</strong> Verfügbarkeit<br />
abprüfen, dann ist festzustellen, dass in allen den genannten<br />
operativen Prozessen durch Kooperation ein Effizienzsteigerungspotenzial<br />
zu heben ist.<br />
Darüber hinaus lehrt uns das Benchmarking, dass größere Strukturen in<br />
der Regel effizienter werden. Aber die Wasserversorgung wird nicht nur<br />
kostengünstiger, sie wird auch sicherer, weil mit zunehmender Größe die<br />
Anzahl der beanstandeten Proben in Prozent pro Jahr nach unten abnimmt.<br />
Für die kommunale Wasserversorgung kann die Kopplung <strong>von</strong> Effizienzsteigerungen<br />
im Asset-Management durch Kooperation, das Bündeln<br />
<strong>von</strong> Kräften auf kommunaler Ebene auch bedeuten, dass Kompetenzen<br />
gebündelt werden können durch das Labor, durch die gemeinsame<br />
Wasserzählerprüfstelle, durch eine gemeinsame Planungsabteilung.<br />
Das Kosten sparen kommt dadurch <strong>von</strong> allein, weil dadurch effizientere<br />
Strukturen geschaffen werden können, beispielsweise durch gemeinsame<br />
Ingenieurbereitschaft, Elektrikerbereitschaft <strong>und</strong> Bereitschaftsdienstgruppen.<br />
Dies steigert auch die Versorgungssicherheit, weil dann<br />
beispielsweise eine Zentralwarte mit einer Fernüberwachung finanzierbar<br />
wird, weil sich qualifiziertes Personal in größeren Einheiten rechnet,<br />
weil auch entsprechende Kompetenz in „shared-services“ vorgehalten<br />
werden können. Ein ganz wichtiger Punkt: Die Einflussmöglichkeit in<br />
dieser Paarung „Asset-Management in kommunaler Hand“ bleibt erhalten,<br />
weil in so einer Kooperation zum Beispiel – <strong>und</strong> dann bin ich bei<br />
einem Zweckverband – die öffentliche Kontrolle nach wie vor gegeben<br />
ist.<br />
Das Modell, das dem zugr<strong>und</strong>e liegt: Wir haben hier beispielsweise vier<br />
Gemeinden, die zusammenarbeiten <strong>und</strong> in einem gemeinsamen <strong>Betrieb</strong>sführer<br />
die operativen Abläufe bündeln <strong>und</strong> dadurch wesentlich an<br />
Schlagkraft gewinnen. Es kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt<br />
hinzu, der gerade bei kleineren Kommunen deutlich zu spüren ist.<br />
Wasserversorgung ist eben keine X-beliebige Handelsware, <strong>und</strong> deswegen<br />
wird auf die Eigenständigkeit, die Selbständigkeit der Wasserversorgung<br />
hoher Wert gelegt.<br />
Die Vergabe einer Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung <strong>und</strong> die Wahrung der<br />
Selbständigkeit schließen sich nicht aus, weil in dieser Konstruktion das<br />
110
Eigentum bei der Gemeinde verbleibt <strong>und</strong> der <strong>Betrieb</strong>sführer entsprechend<br />
dem Asset-Management die operativen Dinge ausführt.<br />
Gerade dieser Gesichtspunkt wird bei Technischen <strong>Betrieb</strong>sführungen,<br />
die wir wahrnehmen, in aller Regel in einer Präambel zum <strong>Betrieb</strong>sführungsvertrag<br />
festgelegt. Die Bausteine, die sich dann in einer Technischen<br />
<strong>Betrieb</strong>sführung wiederfinden, sind die Dinge des Asset-Managements.<br />
Es geht um den ordnungsgemäßen Versorgungsbetrieb, um<br />
die Wartung der Anlagen, die Überwachung der Anlagen, um den Bereitschaftsdienst,<br />
die Überwachung der Trinkwassergüte, ergänzende<br />
Dienstleistungen <strong>und</strong> die Beratung der Gemeinden, insbesondere was<br />
die Wirtschaftsplanerstellung anbelangt.<br />
Wird die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung kommunal organisiert, so lassen<br />
sich die Vorteile, [die hier gelistet sind], ohne Wenn <strong>und</strong> Aber realisieren.<br />
Nämlich eine sichere <strong>und</strong> nachhaltige Trinkwasserversorgung, alles aus<br />
einer Hand in schlagkräftigen Einheiten, das Schöpfen <strong>von</strong> Synergien<br />
auf kommunaler Ebene, kein Ausverkauf der kommunalen Wasserversorgung,<br />
Kompetenz, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Erfahrung in kommunaler<br />
Hand, <strong>und</strong> die Wasserversorgung bleibt eine kommunale Aufgabe mit<br />
direkter demokratischer Kontrolle auf Ebene der Kommunen.<br />
Bei dieser Form der kommunalen Zusammenarbeit finden sich Partner<br />
mit gleicher Philosophie. Es entsteht eine „Win-win-Situation“, die bürgernah<br />
aufgestellt ist. Die kommunale Mitbestimmung bleibt gewahrt – bei<br />
hoher Qualität, Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit der erbrachten<br />
Dienstleistungen.<br />
Damit möchte ich auch die Frage aus der Überschrift meines Referates<br />
„Vergabe der Technischen <strong>Betrieb</strong>sführung in der Wasserversorgung?“<br />
beantworten. Ja, die Technische <strong>Betrieb</strong>sführung in der Wasserversorgung<br />
kann delegiert werden – auch zum Vorteil der Kommune –<br />
aber nur, wenn der kommunale, bürgernahe Einfluss unter demokratischer<br />
Kontrolle gewährleistet ist, die Zuständigkeiten des Asset-Managements<br />
klar geregelt sind, Versorgungssicherheit, hohe Trinkwasserqualität<br />
<strong>und</strong> Nachhaltigkeit als quantifizierte Ziele des Asset-Services<br />
definiert sind, eine Reversibilität, d.h. Rückabwicklung, im Vertrag klar<br />
geregelt ist <strong>und</strong> die wirtschaftlichen Vorteile für die Kommunen auch<br />
langfristig gegeben <strong>und</strong> die Risiken gleichmäßig verteilt sind. Ich habe<br />
auch bewusst „delegiert“ gesagt. Denn wenn dies beispielsweise an<br />
einen kommunalen Zweckverband geht, dann hat sich das Vergaberecht<br />
nicht darum zu kümmern. Hier sind wir im Bereich der Organisationsfreiheit<br />
<strong>und</strong> -hoheit der Kommunen.<br />
111
Robert Holländer *<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> – Königsweg für<br />
die öffentliche Aufgabenerledigung im Bereich Wasserver-<br />
<strong>und</strong> Abwasserentsorgung ?<br />
I. Einführung<br />
Die Frage, ob <strong>Infrastruktur</strong>eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> einer Einrichtung oder<br />
einer Anlage zu trennen sei, löst erst einmal Erstaunen aus. Ist nicht<br />
jede betriebliche Organisation in höchstem Maße abhängig <strong>von</strong> den<br />
materiellen Voraussetzungen, also der <strong>Infrastruktur</strong>? Wird nicht jeder<br />
Verantwortliche für eine komplexe Aufgabe sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />
schaffen müssen, mit der er die Aufgabe am besten bewältigen kann?<br />
Und sind es nicht vor allem die lokalen Gegebenheiten, die die infrastrukturelle<br />
Aufgabe <strong>und</strong> damit die notwendige materielle Ausstattung<br />
<strong>und</strong> die betrieblichen Erfordernisse definieren?<br />
Andererseits gibt es Beispiele, in denen es sich bewährt hat, zwischen<br />
Eigentum <strong>und</strong>/oder Beschaffenheit einer Einrichtung einerseits <strong>und</strong><br />
ihrem <strong>Betrieb</strong> andererseits zu unterscheiden, um beide Bereiche jeweils<br />
eigenen technischen Regelungen oder wirtschaftlichen Optimierungsstrategien<br />
zu unterwerfen. Genannt seien hier die Pacht landwirtschaftlicher<br />
Flächen, das Mieten <strong>von</strong> Immobilien oder das Leasen <strong>von</strong><br />
Anlagen. Genannt sei in diesem Zusammenhang ferner der weite<br />
Bereich der Verwendung <strong>von</strong> Standardprodukten wie Kraftfahrzeugen,<br />
Maschinen oder Anlagen zur Erbringung <strong>von</strong> Dienstleistungen verschiedenster<br />
Art. Schließlich ist auch zu nennen der sog. „Neue Ansatz“<br />
(new approach) der EU, der Anforderungen an den <strong>Betrieb</strong> <strong>von</strong> Anlagen,<br />
Bauten <strong>und</strong> Bauteilen nationalen, lokalen oder betrieblichen Regelungen<br />
überlässt 1 , während Anforderungen an die Beschaffenheit der dazu<br />
genutzten Bauteile <strong>und</strong> Geräte sich im Wesentlichen an gemeinschaftsweit<br />
festgelegten Anforderungen <strong>und</strong> Klassen orientieren müssen. Gemein<br />
ist allen diesen Beispielen die konzeptionelle <strong>Trennung</strong> zwischen<br />
„hardware“ <strong>und</strong> „software“. Die materielle Basis für eine Leistung, die<br />
„hardware“ also, mag zwar auf die spezifischen Anforderungen ausge-<br />
* Prof. Dr. Robert Holländer ist Professor an der Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche<br />
Fakultät, Umwelttechnik in der Wasserwirtschaft / Umweltmanagement in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Unternehmen.<br />
1 EU (1985).<br />
112
ichtet sein, setzt sich im Wesentlichen aber aus standardisierten<br />
Elementen zusammen, während mit der „software“, der <strong>Betrieb</strong>sweise,<br />
letztlich die Optimierung der Leistung im Hinblick auf die Anforderungen<br />
erbracht wird.<br />
Bei der kommunalen Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung liegt eine<br />
Reihe besonderer Bedingungen vor. Zum einen wird die technische<br />
Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur bestimmt durch Geologie, Hydrologie<br />
<strong>und</strong> den Einfluss der Topographie, zum anderen durch die besonderen<br />
Leistungsanforderungen, die sich aus der Nutzerstruktur ergeben. Damit<br />
ist einerseits eine hohe Spezifität gegeben, andererseits ist die <strong>Infrastruktur</strong><br />
selbst aber durch die Verwendung vieler technischer Standardprodukte<br />
gekennzeichnet. Es stellt sich die Frage, ob sich in einer<br />
solchen Konstellation durch die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong><br />
Vorteile erzielen lassen, etwa hinsichtlich der Qualität, der betrieblichen<br />
Effizienz oder aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtsicht.<br />
Der vorliegende Diskussionsbeitrag will Aspekte beleuchten, die für die<br />
Frage, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei der öffentlichen<br />
Aufgabenerledigung im Bereich Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung zu<br />
Vorteilen führt oder nicht, wichtig sind. Dabei bedarf es erst einmal der<br />
Klarstellung der Ziele dieser Aufgabenerledigung <strong>und</strong> dann möglicher<br />
Beurteilungskriterien. Die Ziele werden im zweiten <strong>und</strong> mögliche Kriterien<br />
im dritten Abschnitt erörtert. Der vierte Abschnitt widmet sich den<br />
unterschiedlichen Fallkonstellationen <strong>und</strong> diskutiert diese mithilfe der<br />
vorher abgeleiteten Kriterien <strong>und</strong> institutioneller Betrachtungen. Abschließend<br />
wird ein Fazit gezogen.<br />
II. Kennzeichen der kommunalen Wasserwirtschaft<br />
Für die Erörterung <strong>von</strong> Kriterien ist es nützlich, sich den Charakter <strong>und</strong><br />
die Ziele der öffentlichen Aufgabe in der kommunalen Wasserwirtschaft<br />
zu vergegenwärtigen. Im Falle der Wasserversorgung sind es die<br />
Lebensmittel- <strong>und</strong> Siedlungshygiene, die den Charakter der öffentlichen<br />
Aufgabe begründen. Im Falle der Abwasserentsorgung treten zur<br />
Siedlungshygiene der Umweltschutz <strong>und</strong> die Stadtentwässerung als<br />
öffentliche Güter 2 hinzu. Zur Wasserversorgung gehört die Förderung<br />
<strong>und</strong> Aufbereitung <strong>von</strong> Trinkwasser sowie dessen Verteilung. Zur Abwasserentsorgung<br />
gehört die Sammlung des kommunalen Abwassers,<br />
die Reinigung des Abwassers, die Entsorgung der dabei anfallenden<br />
2 Geyler/Holländer (2005).<br />
113
Rückstände <strong>und</strong> die Ableitung des gereinigten Abwassers in ein Gewässer.<br />
Weiterhin gehört dazu die Ableitung <strong>von</strong> Niederschlagswasser<br />
<strong>und</strong> damit der Schutz <strong>von</strong> Bauwerken <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücken vor Überflutung<br />
nach Regenfällen. Falls erforderlich, ist auch das gefasste Niederschlagswasser<br />
vor der Ableitung zu reinigen.<br />
Die Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen mit zentraler Ver- <strong>und</strong> Entsorgung<br />
verfügen als zentrales Charakeristikum über ein Netz. Das<br />
Trinkwassernetz zur Wasserverteilung <strong>und</strong> das Abwassernetz zur Abwassersammlung<br />
besitzen signifikante Größenvorteile (economies of<br />
scale), Dichteffekte (economies of density) <strong>und</strong> weisen teilweise auch<br />
Verb<strong>und</strong>effekte (economies of scope) auf. Wirtschaftlich bedeutsam sind<br />
die hohen Erstellungskosten <strong>und</strong> die langen Nutzungsdauern der Netze.<br />
Auch in diesem Bereich wird deshalb <strong>von</strong> einem Generationenvertrag<br />
gesprochen. Die Subadditivität dieser Erstellungskosten zusammen mit<br />
den hohen irreversiblen Kosten für Netze <strong>und</strong> Behandlungsanlagen, die<br />
sowohl den Markteintritt als auch den Marktaustritt erschweren, begründen<br />
die Eigenschaft des natürlichen Monopols 3 . Aus der Bereitstellung<br />
der öffentlichen Güter <strong>und</strong> dem natürlichen Monopol leitet sich<br />
die Anschlusspflicht ab, aus der sich unter anderem eine sichere<br />
K<strong>und</strong>enbasis für die Versorgungsdienstleistung ergibt.<br />
Einerseits ist die bei diesen Dienstleistungen zu erreichende Qualität<br />
EU-weit stark reguliert. So ist die Beschaffenheit des Trinkwassers als<br />
Lebensmittel mit Mindestanforderungen geregelt, die die Qualität des<br />
Wassers bis zur Zapfstelle jedes Verbrauchers beschreiben. Seit einigen<br />
Jahren sind vom Wasserversorger auch klare Regelungen zu Qualitätskontrolle<br />
<strong>und</strong> Qualitätssicherung zu beachten. 4 Den umfangreichen<br />
Regelungen zur Beschaffenheit des Trinkwassers stehen jedoch keine<br />
entsprechend detaillierten Regeln zur Konstanz der Dienstleistung<br />
gegenüber, mit denen beispielsweise maximale Unterbrechungs- oder<br />
Ausfallzeiten pro Jahr festgelegt würden, Verlustraten oder eine maximale<br />
Schwankungsbreite des <strong>Betrieb</strong>sdrucks. Solche Parameter, die unmittelbare<br />
Auswirkungen auf vorzuhaltende Reservekapazitäten, auf die<br />
Pflege des Netzes, auf notwendige Instandhaltungsaufwendungen <strong>und</strong><br />
3<br />
Größenvorteile <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>effekte führen zu subadditiven Kostenfunktionen, d.h. die<br />
Durchschnittskosten sinken bei Erweiterung der Produktionsmenge bzw. bei der parallelen<br />
Produktion <strong>von</strong> mehreren Gütern. Wenn gleichzeitig die Kostenstruktur einen hohen Anteil an<br />
irreversiblen Kosten an den Gesamtkosten aufweist, ist es volkswirtschaftlich günstiger, wenn der<br />
Markt nur durch einen Anbieter versorgt wird.<br />
4<br />
The Drinking Water Directive (DWD), Council Directive 98/83/EC, Official Journal L 330, 05/12/1998<br />
P. 0032 – 0054.<br />
114
Erneuerungsinvestitionen hätten, sind eher Gegenstand nationaler technischer<br />
Regeln 5 sowie Ziel internationaler Normungsinitiativen. 6<br />
Die Qualität des einzuleitenden Abwassers ist ebenfalls strikten allgemeinen<br />
Regelungen unterworfen 7 , die sich auf EU-Richtlinien zurückführen<br />
lassen. Qualität <strong>und</strong> Menge sind darüber hinaus mit Abgaben<br />
belegt. 8 Auch im Bereich des Abwassers gibt es aber qualitätsrelevante<br />
Größen, die nicht allgemein rechtlich geregelt sind. Dies betrifft insbesondere<br />
die Ableitung des Niederschlagswassers. So ist die maximale<br />
Überflutungshäufigkeit <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>stücken oder Bauwerken nach Niederschlägen<br />
nicht allgemein geregelt <strong>und</strong> auch nicht die maximale Anzahl<br />
des Anspringens so genannter Entlastungsbauwerke, aus denen nach<br />
Starkregenereignissen zur Entlastung der Mischwasserkanalisation ungeklärtes<br />
Abwasser in die Gewässer abgeleitet wird. Damit unterliegt die<br />
Dimensionierung der Straßen- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung keiner<br />
präzisen rechtlichen Vorgabe. Ferner gibt es wie in der Wasserversorgung<br />
keine wirksamen allgemeinen Vorschriften, die direkt oder indirekt<br />
den Zustand des Abwassernetzes eingrenzen würden. Zwar ist die<br />
direkte <strong>und</strong> indirekte Ableitung <strong>von</strong> Schadstoffen in das Gr<strong>und</strong>wasser<br />
auch über das Versickern aus defekten Abwasserkanalisationen nicht<br />
erlaubt 9 , aber es fehlt an Überwachungs- <strong>und</strong> Kontrollverpflichtungen. 10<br />
Entsprechendes gilt gr<strong>und</strong>sätzlich für das Dränen <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>wasser<br />
durch <strong>und</strong>ichte Abwasserkanäle, eigentlich ein wasserrechtlicher Genehmigungstatbestand,<br />
der überdies zur Verdünnung des Abwassers<br />
beiträgt. Jedoch wird ein gewisser Umfang so genannten Fremdwassers,<br />
nämlich das Wasser, das mit dem durch Gebrauch veränderten Wasser<br />
bei Trockenwetter mit abfließt 11 , durch den Gesetzgeber ebenfalls als<br />
Teil des Schmutzwassers definiert. Durch Abwasseranlagenbetreiber<br />
wird dieser Anteil vielfach nicht nur in Kauf genommen, sondern bei geringem<br />
Umfang sogar als vorteilhaft angesehen, da durch das Gr<strong>und</strong>wasser<br />
in der Kanalisation der Abfluss des Abwassers dort auch in<br />
5 Vgl. Regelwerke <strong>und</strong> Merkblätter der Deutschen Vereinigung des Gas <strong>und</strong> Wasserfachs e.V.<br />
(DVGW) <strong>und</strong> der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall e.V. (DWA).<br />
6 ISO 24510-24512.<br />
7 Für Direkteinleiter: Abwasserverordnung - Verordnung über Anforderungen an das Einleiten <strong>von</strong><br />
Abwasser in Gewässer vom 17. Juni 2004, BGBl. I Nr. 28 vom 22.6.2004 S. 1108; ber. 2004<br />
S. 2625, für Indirekteinleiter z.B. in Hessen: Verordnung über das Einleiten oder Einbringen <strong>von</strong><br />
Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen (Indirekteinleiterverordnung –<br />
VGS) Vom 13. Dezember 2006 GVBl. I S. 684. Verkündet am 21. Dezember 2006.<br />
8 Gesetz über Abgaben für das Einleiten <strong>von</strong> Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz-<br />
AbwAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I S. 114).<br />
9 EU-Gr<strong>und</strong>wasserrichtlinie zum Schutz des Gr<strong>und</strong>wassers vor Verschmutzung <strong>und</strong> Verschlechterung<br />
Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 12. Dezember<br />
2006.<br />
10 Die Eigenkontrollverordnungen der Länder lassen einen relativ weiten Spielraum.<br />
11 Schmutzwasserdefinition lt. Abwasserabgabengesetz § 2.<br />
115
Trockenwetterperioden gewährleistet wird. Hohe Fremdwasseranteile 12<br />
verursachen auch beim Abwasseranlagenbetreiber Zusatzkosten, jedoch<br />
wären die Sanierungskosten zur vollständigen Abdichtung des Abwassernetzes<br />
für die Begrenzung des Fremdwasserzutritts ganz erheblich.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für Trinkwasser wie<br />
für Abwasser die zu erreichenden Qualitäten stark reguliert sind <strong>und</strong><br />
damit auch der für die Aufbereitung zu treibende Aufwand. Weder für<br />
Trinkwasser noch für Abwasser sind jedoch Umfang, technische<br />
Qualität, Instandhaltungs- <strong>und</strong> Erneuerungsaufwand der Netze reguliert.<br />
Diese Größen sind ebenfalls wichtige Qualitätsparameter. Sie haben<br />
erheblichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Dienstleistung <strong>und</strong> auf<br />
die Leistungsfähigkeit der Netze in Bezug auf seltene Extrembeanspruchungen<br />
(Extremverbrauch, Extremniederschläge). Sie haben darüber<br />
hinaus erheblichen Einfluss auf die Höhe der Unterhaltungs- <strong>und</strong><br />
Investitionskosten sowie auf die Länge der Reinvestitionszyklen. Die<br />
nachfolgenden Ausführungen beziehen sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieses<br />
Qualitätsbegriffes vor allem auf die Netze.<br />
III. Kriterien<br />
Die voran gegangene Aufzählung der Charakteristika kommunaler<br />
Wasserwirtschaft lässt eine Vielzahl möglicher Einflussgrößen erkennen.<br />
In dieser Stelle sollen nun wesentliche Kriterien aufgegriffen werden, die<br />
für die Erörterung der Fallkonstellationen im darauf folgenden Abschnitt<br />
die Gr<strong>und</strong>lage bilden. Die Diskussion der Kriterien wird beschränkt auf<br />
die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung sowie auf eine Zusammenfassung<br />
weiterer Ziele in der kommunalpolitische, wirtschaftspolitische<br />
<strong>und</strong> ordnungspolitische Aspekte angesprochen werden.<br />
1. Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung<br />
Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit sind Qualitätsparameter, an deren<br />
Erfüllung die Nutzer in Deutschland in einem sehr weitgehenden Maß<br />
gewöhnt sind. Beide Größen sind auch wichtige Randbedingungen für<br />
die betriebliche Wirtschaftlichkeit. Unterhaltungs- <strong>und</strong> Investitionskosten<br />
sowie die Länge der Reinvestitionszyklen stehen miteinander in einem<br />
engen Zusammenhang. Mit einem verminderten Unterhaltungsaufwand<br />
12 Fremdwasseranteile <strong>von</strong> 100% werden in Deutschland vielfach als Stand der Technik angesehen.<br />
116
<strong>und</strong> der Verwendung weniger dauerhafter Materialien lassen sich in der<br />
Gegenwart Einsparungen erzielen, die zu einem höheren <strong>und</strong>/oder<br />
häufigeren Reinvestitionserfordernis in der Zukunft führen können. Auf<br />
der anderen Seite belastet ein überdimensionierter Ausbau durch die<br />
kalkulatorischen Abschreibungen <strong>und</strong> Zinsen die Kostenstruktur des<br />
Dienstleisters bzw. die Entgelte für die Nutzer über Jahrzehnte. Ein<br />
wesentlicher Aspekt der wirtschaftlichen Aufgabenerledigung ist deshalb<br />
der Generationenvertrag beim <strong>Betrieb</strong> <strong>und</strong> dem Erhalt der Netze, d.h. die<br />
wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Wirtschaftlicher Strukturwandel, demografischer<br />
Wandel <strong>und</strong> veränderte Verbrauchsgewohnheiten haben gezeigt,<br />
dass einfache Extrapolationen derzeitiger Bedarfe für die Zukunft fehlerbehaftet<br />
<strong>und</strong> die zukünftig erforderlichen Kapazitäten nur begrenzt abschätzbar<br />
sind. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten Unterhaltungsaufwendungen auf<br />
den Werterhalt der <strong>Infrastruktur</strong> ausgerichtet sein, dabei ist die plausibelste<br />
Bezugsgröße der Substanzwert <strong>und</strong> nicht Buchwert oder Ertragswert.<br />
Jedoch lassen die Anpassungserfordernisse an absehbare<br />
Nutzungsänderungen sowie die Erfüllung umweltrelevanter, baulicher<br />
oder hydraulischer Ziele auch dabei verschiedene Optionen zu. Ist der<br />
Finanzrahmen vorgegeben, gilt es, mit begrenzten Mitteln die bestmögliche<br />
Wirkung zu erzielen. Dafür haben Fachverbände verschiedene<br />
Strategien formuliert: Bei der so genannten Mehrspartenstrategie werden<br />
Arbeiten am Netz bevorzugt dann ausgeführt, wenn auch aus Gründen<br />
des Straßenbaus oder wegen anderer Versorgungsnetze Baustellen<br />
einzurichten sind. Mit der gebietsbezogenen Strategie wird bei Unterhaltungsmaßnahmen<br />
gebietsweise vorgegangen, bei der Zustandsstrategie<br />
wird dagegen angestrebt, einen definierten Erhaltungs- <strong>und</strong> Zuverlässigkeitsstandard<br />
im Gesamtnetz aufrecht zu erhalten, <strong>und</strong> mit der so<br />
genannten Feuerwehrstrategie werden Maßnahmen nur im Schadensfall<br />
durchgeführt. 13 Alle diese Strategievarianten haben die optimale Aufgabenerledigung<br />
bei begrenztem Budget zum Ziel, können aber gegeneinander<br />
deutlich unterschiedliche Kostenverläufe zur Folge haben. Vergleichende<br />
Aussagen zur betrieblichen Kosteneffizienz sind nur dann<br />
sinnvoll, wenn über Anforderungen zur Zuverlässigkeit <strong>und</strong> zur Leistungsfähigkeit<br />
der Dienstleistung Transparenz hergestellt ist <strong>und</strong> vergleichbare<br />
Plangrößen für die Entwicklung des Netzes zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />
2. Weitere Ziele<br />
Neben der Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> dem damit eng verb<strong>und</strong>enen Qualitätsbegriff<br />
werden in der öffentlichen Diskussion über die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong><br />
13 DWA-M 143 -14 ggf. DIN EN 752 (-5); für den Trinkwasserbereich Arbeitsblatt DVGW W 401.<br />
117
Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> kommunaler Wasserinfrastruktur weitere Argumente<br />
gebraucht. Diese im Folgenden genannten Ziele sind mit dem Ziel<br />
der wirtschaftlichen Aufgabenerledigung nicht gleich gerichtet <strong>und</strong> befrachten<br />
die eigentliche Dienstleistung – gute <strong>und</strong> günstige Versorgung –<br />
für den Bürger potentiell mit weiteren Kosten.<br />
2.1. Kommunalpolitische Argumente<br />
Eine Gruppe <strong>von</strong> Argumenten ist kommunalpolitischer Natur. Die finanzielle<br />
Lage vieler Kommunen kann einen Anreiz bieten, <strong>von</strong> den kommunalen<br />
Wasserdienstleistungen Beiträge zur Verbesserung der Haushaltslage<br />
zu erwarten. Eine Möglichkeit besteht darin, den <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong><br />
einem privaten Betreiber zu übertragen <strong>und</strong> gleichzeitig einen<br />
Teil der <strong>Infrastruktur</strong> an dieses Unternehmen zu veräußern. Damit wird<br />
eine einmalige Einnahme erzielt, die zum Abbau <strong>von</strong> Investitionsrückständen<br />
in der Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur, zum kommunalen<br />
Schuldenabbau <strong>und</strong> für überfällige anderweitige kommunale Ausgaben<br />
verwendet wird. Da das erwerbende Unternehmen den Kaufpreis<br />
refinanzieren muss, handelt es sich bei dieser Form der Haushaltsentlastung<br />
letztlich um ein Darlehen, das <strong>von</strong> den Wassernutzern im<br />
Laufe der Zeit zurück zu zahlen ist. Sofern das neue Unternehmen<br />
deutlich effizienter wirtschaftet als die Kommune vorher, muss es durch<br />
die Veräußerung nicht zu höheren Preisen für die Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />
kommen. Der erhebliche Wert der Ver- oder<br />
Entsorgungsinfrastruktur geht dann allerdings nur noch teilweise auf der<br />
Habenseite in die kommunale Bilanz ein.<br />
Ein weiterer Anreiz könnte darin bestehen, aus den Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />
laufende Beiträge zum kommunalen Haushalt zu<br />
erwirtschaften, jedoch widerspricht das Verfolgen eines erwerbswirtschaftlichen<br />
Einnahmeziels dem Prinzip der kommunalen Dienstleistung<br />
in der Daseinsvorsorge.<br />
Gelegentlich werden auch arbeitsmarktpolitische Ziele in die Diskussion<br />
eingebracht. Dabei geht es weniger um die Effizienz der kommunalen<br />
Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen als um den Erhalt <strong>und</strong> die<br />
Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze. Mit dem Erhalt <strong>von</strong> Arbeitsplätzen<br />
wird beispielsweise die Übernahme zusätzlicher Aufgaben (in-sourcing)<br />
begründet.<br />
Dem Gr<strong>und</strong>e nach sind weder die Verbesserung der kommunalen Haushaltssituation<br />
noch die Schaffung kommunaler Arbeitsplätze gleichge-<br />
118
ichtet mit dem Ziel, den Bürger kostengünstig <strong>und</strong> zukunftssicher mit<br />
kommunalen Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen zu versorgen.<br />
2.2. Wirtschaftspolitische Argumente<br />
Auch wirtschaftspolitische Erwägungen beeinflussen die Diskussion um<br />
die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> bei Einrichtungen der kommunalen<br />
Wasserwirtschaft. Seit Mitte der neunziger Jahre des letzten<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts wurde ausgehend <strong>von</strong> einer neu formulierten Wasserstrategie<br />
der Weltbank 14 in der internationalen Entwicklungshilfe versucht,<br />
zum Abbau der bestehenden Defizite in der Wasserversorgung<br />
<strong>und</strong> Abwasserentsorgung in Entwicklungsländern auch privates Kapital<br />
<strong>und</strong> Know-How <strong>von</strong> privaten Unternehmen zu interessieren <strong>und</strong> einzubinden.<br />
In der Erkenntnis, dass die deutschen kommunal organisierten<br />
Wasserdienstleister dafür zu klein, nicht kapitalkräftig genug <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />
ihrem Geschäftsziel her auch nicht legitimiert waren, begann eine<br />
politische Diskussion, in der sich die B<strong>und</strong>esministerien für Bildung <strong>und</strong><br />
Forschung, für Wirtschaft <strong>und</strong> weitere Akteure zuerst für einen Konzentrations-<br />
<strong>und</strong> dann für einen Modernisierungsprozess in der deutschen<br />
kommunalen Wasserwirtschaft aussprachen mit dem Ziel, die Exportfähigkeit<br />
des deutschen Wassersektors <strong>und</strong> seine Weltmarkposition zu<br />
stärken. Ministerien des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder fördern seither Exportinitiativen<br />
der deutschen Wasserwirtschaft. 15 Dies umfasst nicht nur<br />
Forschung <strong>und</strong> Technologie, sondern ausdrücklich auch Betreiberkompetenz.<br />
So wünschenswert aus gesamtstaatlicher Sicht die Herausbildung eines<br />
oder mehrerer starker Unternehmen („nationaler Champions“) zur<br />
Stärkung der deutschen Weltmarktposition im Wassersektor auch sein<br />
mag, in Bezug auf die Erledigung kommunaler Aufgaben in Deutschland<br />
ist dieses Bestreben ohne Belang.<br />
2.3. Ordnungspolitische Argumente<br />
Der zum Abbau eines Investitionsrückstandes oder sogar zur (Teil-)Sanierung<br />
<strong>von</strong> Kommunalfinanzen vorgenommene Teilverkauf der kommunalen<br />
Wasser- <strong>und</strong> Abwasserinfrastruktur begegnet ordnungspolitisch<br />
Bedenken, sofern die Kommune sowohl am Eigentum der <strong>Infrastruktur</strong><br />
als auch am <strong>Betrieb</strong> beteiligt bleibt. Dies ist dann der Fall, wenn das<br />
14<br />
Vgl. Weltbank (1993), (2003) u. (2004).<br />
15<br />
BMBF (2000).<br />
119
kommunale Eigentum auf eine neue Gesellschaft übertragen wird, die<br />
auch den <strong>Betrieb</strong> übernimmt <strong>und</strong> deren Anteile gemeinsam <strong>von</strong> einem<br />
privatwirtschaftlichen Unternehmen <strong>und</strong> <strong>von</strong> der Kommune gehalten<br />
werden. Kritisch zu sehen ist hier die Doppelrolle der Kommune einerseits<br />
als Eigentümer <strong>und</strong> andererseits als Beaufsichtigender, einerseits<br />
als Erbringer <strong>und</strong> andererseits als Empfänger der Dienstleistung.<br />
Gelegentlich wird im ordnungspolitischen Zusammenhang auch ein<br />
Qualitätsargument angeführt, nach dem staatliche <strong>Infrastruktur</strong>dienstleister<br />
zusätzliche Aufgaben zur Verbesserung oder dem Erhalt der<br />
Umweltqualität übernehmen würden, private dagegen nicht. Dem ist entgegenzuhalten,<br />
dass auch privaten Anlagenbetreibern Maßnahmen zur<br />
Selbstüberwachung <strong>und</strong> zum Monitoring aufgegeben werden können.<br />
Wo solche Fälle hingegen lediglich auf mangelnder Transparenz <strong>von</strong><br />
Definition, Zuweisung oder Finanzierung staatlicher Aufgaben beruhen,<br />
ist ein bestehendes Transparenzdefizit sicher kein Argument gegen eine<br />
veränderte Aufgabenwahrnehmung.<br />
Pauschalisierend werden auch für die Frage einer <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> generelle Argumente angeführt, die auf politischen<br />
Gr<strong>und</strong>überzeugungen beruhen <strong>und</strong> sich in Slogans wie „Wasser ist kein<br />
Wirtschaftsgut“ artikulieren oder in dem Gr<strong>und</strong>satz, dass die Marktwirtschaft<br />
der Gemeinwirtschaft gr<strong>und</strong>sätzlich überlegen sei. Diese Verkürzungen<br />
werden der Problematik in der Regel nicht gerecht, einerseits<br />
wegen der oben beschriebenen starken Regulierung <strong>von</strong> Wasser als<br />
Lebensmittel, andererseits wegen des engen Zusammenhangs der<br />
Wasserinfrastruktur mit der Kommunalentwicklung, der in den bereits<br />
genannten strategischen Entscheidungsproblemen bei der Unterhaltung<br />
<strong>und</strong> dem weiteren Ausbau der Netze deutlich wird. Die Diskussion zu<br />
den Gegensatzpaaren Gemeinwirtschaft versus Privatwirtschaft, Planwirtschaft<br />
versus Marktwirtschaft hat Gr<strong>und</strong>satzcharakter <strong>und</strong> wird in der<br />
Regel unabhängig vom tangiblen Nutzen geführt, der sich für die betroffenen<br />
Bürger eher über Qualität <strong>und</strong> Kosten der Dienstleistung<br />
ausdrückt.<br />
3. Zwischenfazit<br />
Das Wirtschaftlichkeitskriterium ist nicht leicht zu präzisieren, da es <strong>von</strong><br />
der Definition einer Qualität abhängt. Es kommt daher auf das Verhalten<br />
der Kommune an 16 , ob <strong>und</strong> wie sie die gewünschten Dienstleistungen in<br />
16 Hug (2006).<br />
120
ihrer eigenen Planung für die Zukunft projektiert oder in einer Ausschreibung<br />
präzisiert. Unterbleibt dies, wird die zu vergleichende Leistung in<br />
weiten Teilen unbestimmt sein. Die Fähigkeit <strong>und</strong>/oder die Bereitschaft<br />
der Kommune, die Qualität der gewünschten Leistung näher zu bestimmen,<br />
schafft die Voraussetzung für einen rationalen Vergleich der<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer vom Eigentum der <strong>Infrastruktur</strong> getrennten oder<br />
eben nicht getrennten Aufgabenwahrnehmung. Als wichtigstes Kriterium<br />
ist dann die Wirtschaftlichkeit zu nennen. Alle anderen Kriterien sind für<br />
Einzelentscheidungen schwer zu operationalisieren <strong>und</strong> führen im<br />
Zweifel zu höheren Kosten <strong>und</strong> einer schlechteren Qualität der Dienstleistung.<br />
Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage werden nachfolgend die institutionellen<br />
Konstellationen diskutiert, inwieweit sich Indizien für die Vorteilhaftigkeit<br />
der <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> oder der nicht getrennten<br />
Aufgabenerledigung betrachtet ableiten lassen.<br />
IV. Bewertung<br />
1. Fallbeispiele für unterschiedliche <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>skonstellationen<br />
Beispiele für getrennte <strong>und</strong> nicht getrennte Aufgabenwahrnehmung<br />
finden sich sowohl im Bereich öffentlicher als auch im Bereich privater<br />
Institutionen. In beiden Fällen sind auch Mischformen zu berücksichtigen<br />
(vgl. nachfolgende Tabelle).<br />
Als privat soll hier ein Unternehmen bezeichnet werden, das eine Gewinnerzielungsabsicht<br />
im Markt verfolgt <strong>und</strong> sich nicht im Eigentum<br />
öffentlich-rechtlicher Einrichtungen befindet. Als öffentlich soll demgegenüber<br />
eine Kommune gelten, ein Unternehmen oder eine sonstige<br />
Institution, die sich vollständig im Besitz <strong>von</strong> Kommunen oder anderen<br />
öffentlich-rechtlichen Einrichtungen befindet. Institutionen, die nicht unter<br />
diese Definitionen fallen, werden als Mischformen bezeichnet.<br />
In der Betrachtung der Fallkonstellationen im Hinblick auf ihre institutionellen<br />
Implikationen wird für den Fall der nicht getrennten Aufgabenwahrnehmung<br />
durch private Unternehmen das Beispiel England <strong>und</strong><br />
Wales zugr<strong>und</strong>e gelegt, während Deutschland mit seiner vielfältigen Ver-<br />
<strong>und</strong> Entsorgungsstruktur für die Aufgabenwahrnehmung durch öffentlichrechtliche<br />
Institutionen <strong>und</strong> durch gemischt öffentlich-rechtlich-private<br />
Institutionen herangezogen wird. Danach erfolgt eine Gegenüberstellung<br />
für nicht getrennte <strong>und</strong> getrennte Aufgabenwahrnehmung. Auf einen<br />
weitergehenden Vergleich der Wasser- oder Abwasserqualität im enge-<br />
121
en Sinn wird verzichtet, weil hier EU-weit enge vergleichbare Vorgaben<br />
bestehen.<br />
Tabelle: Übersicht über die gr<strong>und</strong>legenden Fallkonstellationen <strong>von</strong> getrenntem<br />
<strong>und</strong> integriertem <strong>Infrastruktur</strong>besitz <strong>und</strong> <strong>Infrastruktur</strong>betrieb<br />
<strong>Infrastruktur</strong><br />
Besitz <strong>und</strong><br />
<strong>Betrieb</strong><br />
122<br />
Fall<br />
Status Beispiele<br />
Nicht getrennt 1 Privat Wassergesellschaften in England <strong>und</strong> Wales<br />
(Water only Companies, Water and Waster<br />
Water Service Providers), Beispiele auch in<br />
2 Öffentlich<br />
anderen Ländern;<br />
für Deutschland sind hier Regiebetriebe,<br />
Eigenbetriebe <strong>und</strong> Eigengesellschaften zu<br />
nennen, das Modell ist auch vorherrschend in<br />
den Niederlanden <strong>und</strong> den Vereinigten Staaten;<br />
3 Mischform für Deutschland sind die sog.<br />
Kooperationsmodelle zu nennen, d.h. die<br />
Eigentümergesellschaft betreibt <strong>und</strong> befindet sich<br />
im gemischt-privat-öffentlichem Besitz 17 ;<br />
Getrennt 4 Privat Industrielle Dienstleistungen 18<br />
5 Öffentlich Kooperationen zwischen Kommunen <strong>und</strong><br />
anderen öffentlicher Einrichtungen<br />
(Zweckverbänden, Eigen-gesellschaften <strong>und</strong><br />
/oder Gemeinschaftsunternehmen), Zunahme bei<br />
6 Mischform<br />
weiterem Unb<strong>und</strong>ling zu erwarten;<br />
Referenzfall für die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> ist das Betreibermodell mit<br />
<strong>Infrastruktur</strong> im öffentlichen Besitz <strong>und</strong> privater<br />
Betreibergesellschaft, die einen zeitlich<br />
befristeten Vertrag erfüllt; vor allem in<br />
Frankreich häufig, aber auch in Deutschland 19<br />
<strong>und</strong> vielen weiteren Ländern;<br />
2. Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> Qualität bei Beispielen nicht getrennter<br />
Aufgabenwahrnehmung<br />
In England <strong>und</strong> Wales werden Wasser- <strong>und</strong> Abwasserdienstleistungen<br />
durch private Unternehmen erbracht, in deren Besitz sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />
befindet, sodass im Sinne dieses Beitrags <strong>von</strong> nicht getrennter<br />
Aufgabenwahrnehmung gesprochen werden kann. Ausgangspunkt der<br />
17<br />
ATT et al. (2008), In der Wasserversorgung inzwischen 25 % in der Abwasserbeseitigung ca. 4 %.<br />
18<br />
Ebenda.<br />
19<br />
Ebenda, Der Anteil der privatrechtlichen Unternehmensformen bei der Abwasserableitung beträgt<br />
10 %, bei der Abwasserbehandlung 12 % jeweils bezogen auf die erfassten Einwohner.
Privatisierung war der schlechte Zustand <strong>und</strong> die drohende weitere<br />
Erosion der <strong>Infrastruktur</strong> unter kommunaler Verantwortung. Dies führte<br />
zu Beginn der 70er Jahre zu einer Reorganisation in regionale <strong>Betrieb</strong>e<br />
<strong>und</strong> Ende der 80er Jahre zur Privatisierung dieser regionalen Strukturen.<br />
Die vollständige Privatisierung erforderte eine umfassende Regulierung.<br />
Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit unterliegen die Unternehmen heute<br />
einer zentralen Regulierung durch die Water Services Regulation<br />
Authority (OFWAT). Die OFWAT stützt ihre Auflagen einerseits auf sehr<br />
weitgehende Informationsanforderungen aus den Unternehmen, die<br />
sowohl den zurückliegenden Zeitraum als auch die Investitionsplanungen<br />
betreffen. Damit findet sowohl eine ex-post als auch eine exante<br />
Bewertung statt. Zum anderen hat die OFWAT als zentrale<br />
Regulierungsbehörde eine Übersicht über alle Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgungsdienstleister<br />
des Regulierungsbereiches. Damit verfügt<br />
die OFWAT über ein Benchmark-System, das es auch erlaubt,<br />
Größeneffekte (economies of scale) <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>vorteile (economies of<br />
scope) in die Bewertung einzubeziehen. Indem die OFWAT nicht nur die<br />
Preisgestaltung reguliert, sondern auch Investitionserfordernisse, nimmt<br />
sie sowohl Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf die Entwicklung<br />
der Dienstleistungsqualität, die entscheidend <strong>von</strong> aktuellen<br />
Unterhaltungsmaßnahmen <strong>und</strong> getätigten Investitionen abhängt.<br />
Dieser Informationspool ist die wichtigste Gr<strong>und</strong>lage der Regulierungsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> sicher als ein Vorteil des Systems zu werten. Nachteilig<br />
ist aber nicht nur der aufwendige Apparat. Es besteht auch die Gefahr<br />
standardisierte Maßnahmen <strong>und</strong> einer unzureichenden Berücksichtigung<br />
lokaler Besonderheiten <strong>und</strong> lokaler Kenntnisse. Auch bleibt abzuwarten,<br />
ob es dem straffen Regulierungsregime gelingt, das Interesse privater<br />
Kapitalgeber zu erhalten. 20 Im Hinblick auf den Erfolg dieses Modells ist<br />
schließlich darauf hinzuweisen, dass die Qualität der Wasserversorgung<br />
gemessen an den Verlustraten, Rohrbrüchen oder Abweichungen <strong>von</strong><br />
der erwünschten Wasserqualität immer noch niedriger ist als im deutschen<br />
Mittel, <strong>und</strong> dass trotz dieser Tatsachen auch die Investitionen<br />
niedriger als in Deutschland sind. 21<br />
Öffentlich-rechtliche Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorger in Deutschland<br />
unterliegen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit allgemeinen gesetzlichen<br />
Regelungen <strong>und</strong> einer im Wesentlichen dezentralen Kontrolle.<br />
Gesetzlich geregelt sind Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Prinzipien in den Kommunalabgabengesetzen<br />
(KAG) der Länder. Trotz aller Unterschiede im Detail<br />
20 Es hat in England in jüngerer Zeit Versuche der Rekommunalisierung gegeben: vgl.<br />
http://archive.corporatewatch.org/magazine/issue12/cw12w2.html<br />
21 Metropolitain Consulting Group (2006).<br />
123
egeln sie das Prinzip der Kostendeckung, Gr<strong>und</strong>sätze zum Substanzerhalt<br />
in unterschiedlicher Konkretisierung, zur Verzinsung des Eigenkapitals<br />
<strong>und</strong> Refinanzierung der Anlagen sowie zur Kalkulation der Entgelte.<br />
Die Festlegung der Entgelthöhe erordert Beschlüsse des Stadt-<br />
oder Gemeinderats bzw. der Verbandsgremien <strong>und</strong> unterliegt der Kommunalaufsicht<br />
sowie der Aufsicht durch die Kartellämter. Darüber hinaus<br />
steht den K<strong>und</strong>en, betroffenen Bürgern also, der Rechtsweg zur Überprüfung<br />
der Höhe der <strong>von</strong> ihnen geforderten Entgelte offen. Damit ist<br />
eine mehrfache Kontrolle gegeben.<br />
Gegenüber dem englischen Modell einer zentralen Preisregulierungsbehörde<br />
handelt es sich dennoch um eine deutlich schwächere Form der<br />
Regulierung. Der Stadt- oder Gemeinderat ist ein Gremium, das dem örtlichen<br />
Versorger lokalpolitisch näher steht als eine zentrale Behörde.<br />
Auch dürfte dort weniger Sachverstand hinsichtlich der Interpretation der<br />
Bilanzen <strong>und</strong> der Bewertung der betriebswirtschaftlichen Planungen vorliegen<br />
als in einer speziellen Fachbehörde. Schließlich aber fehlen den<br />
überprüfenden Institutionen Vergleichsdaten. Dies ist ganz wesentlich<br />
<strong>und</strong> unter zwei Aspekten nachteilig. Zum einen verfügen die Institutionen<br />
über keinen Vergleich hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Kosteneffizienz<br />
der Leistungserbringung. Dies ist nachteilig, weil der öffentlichrechtliche<br />
Versorger keinem direkten Wettbewerbsdruck unterliegt. Ein<br />
Druck, der bestehen könnte, ist kein wirtschaftlicher, sondern eher ein<br />
politischer. Er kann sich aufbauen durch direkten Vergleich der Entgelthöhen<br />
in Nachbargemeinden oder durch Medienberichte über stark<br />
unterschiedliche Preise für Versorgungsdienstleistungen. 22 Zum anderen<br />
verfügen die überprüfenden Institutionen in der Regel nicht über den<br />
technischen Vergleich hinsichtlich Unterhaltungsaufwendungen <strong>und</strong><br />
Investitionen. Dies ist nachteilig, weil Zustand <strong>und</strong> Entwicklung der technische<br />
<strong>Infrastruktur</strong> wesentlich für die künftige Qualität der Leistung <strong>und</strong><br />
für die künftigen Kosten sind. Im ungünstigsten Fall könnte also ein<br />
öffentlich-rechtlicher Versorger, der ineffizient wirtschaftet <strong>und</strong> wegen<br />
des lokal- oder regionalpolitischen Drucks sein Entgelt nicht erhöhen<br />
kann – oder sogar zu einer Ermäßigung gezwungen ist –, statt mit einer<br />
Erhöhung seiner Kosteneffizienz mit einer Reduzierung seiner Unterhaltungsaufwendungen<br />
<strong>und</strong> Investitionen reagieren. Damit wäre zwar<br />
dem lokal- oder regionalpolitischem Druck nachgegeben, aber es wären<br />
Qualitätseinbußen vorprogrammiert, <strong>und</strong> es würden höhere Kosten für<br />
das Netz in die Zukunft verschoben, weil eigentlich notwendige Ausgaben<br />
unterblieben. Möglicherweise sind es in manchen Fällen sogar die<br />
lokalpolitischen Gremien selbst, die bewusst andere Prioritäten hinsicht-<br />
22 Dieser Druck kann sich aufbauen unter Außerachtlassung aller unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
in Hydrologie, Topographie <strong>und</strong> weiterer lokaler Bedingungen, vgl. Holländer et al. (2008).<br />
124
lich der Vordringlichkeit <strong>und</strong> Notwendigkeit <strong>von</strong> Unterhaltungsaufwendungen<br />
<strong>und</strong> Netzinvestitionen setzen als es die betrieblich Verantwortlichen<br />
beim Versorger tun würden. Allerdings ist aber auf der anderen<br />
Seite auch nicht auszuschließen, dass <strong>von</strong> den technisch Verantwortlichen<br />
eine Versorgungsqualität angestrebt wird, die das benötigte<br />
Maß deutlich übersteigt.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Nähe zur <strong>und</strong> die Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />
Lokalpolitik ambivalent. Einerseits ermöglicht sie eine enge Abstimmung<br />
mit der lokalen Entwicklungsplanung <strong>und</strong> das flexible Eingehen auf<br />
aktuelle Entwicklungen. Unter der Voraussetzung eines ausgewogenen<br />
Verhältnisses zwischen technisch Verantwortlichen <strong>und</strong> politischen Entscheidungsträgern<br />
kann dies zu einer kostengünstige Versorgung <strong>von</strong><br />
hoher Qualität führen. Andrerseits besteht die Gefahr, dass entweder<br />
aufgr<strong>und</strong> technischen Perfektionsstrebens bei garantierter Kostendeckung<br />
ein sinnvoller technischer Standard überschritten oder aufgr<strong>und</strong><br />
kurzfristiger lokalpolitischer anderer Zielsetzungen der Netzerhalt vernachlässigt<br />
wird. Letzteres war der Gr<strong>und</strong> für die englischen Reformen.<br />
Auch wenn in Deutschland nach den verfügbaren Vergleichsparametern<br />
über den Zustand der Versorgungsnetze <strong>und</strong> den Grad der Abwasserreinigung<br />
eine höhere Versorgungsqualität erreicht wird als in den europäischen<br />
Nachbarstaaten England <strong>und</strong> Frankreich, ist doch festzustellen,<br />
dass Investitionen zurückgehen <strong>und</strong> der Substanzverzehr zunimmt. 23<br />
Wünschenswert wäre eine allgemeine Informationsbasis, die unter Berücksichtigung<br />
des heterogenen <strong>und</strong> föderalen Charakters der deutschen<br />
kommunalen Wasserwirtschaft Vergleichsdaten bereitstellt. Eine größere<br />
Zahl Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorger in Deutschland haben sich<br />
deshalb zu Benchmarking-Initiativen zusammengef<strong>und</strong>en. Diese Aktivität<br />
wird teilweise <strong>von</strong> Verbänden koordiniert <strong>und</strong> <strong>von</strong> Landesregierungen<br />
gefördert. 24 Wesentliche Charakteristika dieser Initiativen sind Anonymität,<br />
Freiwilligkeit <strong>und</strong> Vertraulichkeit für die Unternehmen, sodass<br />
Rückschlüsse für das teilnehmende Unternehmen selbst möglich sind,<br />
ohne dass dessen Leistungskennzahlen direkt öffentlich werden. Anonymität<br />
<strong>und</strong> Vertraulichkeit sind sehr förderlich für ehrliche <strong>und</strong> ungeschönte<br />
Auskünfte schränken jedoch die Vergleichbarkeit im Hinblick auf<br />
Größeneffekte, Verb<strong>und</strong>vorteile <strong>und</strong> unterschiedliche regionale Voraussetzungen<br />
ein. 25<br />
23<br />
Haakh u.a. (2008).<br />
24<br />
Eine aktuelle Übersicht bietet das Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft, ATT et al (2008).<br />
25<br />
Vgl. auch Haakh et al. A.a.O., S. 491.<br />
125
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass bei öffentlich-rechtlichen Versorgern<br />
zwar die Entgelte einer politischen Kontrolle durch die zuständigen lokalen<br />
oder Verbandsgremien <strong>und</strong> darüber hinaus durch eine weitere, administrative<br />
Instanz (Kommunalaufsicht, Kartellbehörden) unterliegen, dass<br />
daraus aber nur begrenzt ein Anreiz für kosteneffiziente Aufgabenwahrnehmung<br />
erwächst. Einerseits besteht wegen fehlender technischer<br />
Kompetenz in den Kontrollinstitutionen die Möglichkeit einer übertriebenen<br />
technischen Perfektionierung bei der Versorgung, andererseits besteht<br />
jedoch die Gefahr einer Unterfinanzierung bei zukunftsrelevanten<br />
Investitionen, die durch die enge lokalpolitische Anbindung nicht vermindert<br />
wird.<br />
Als eine Alternative gilt das Privat-<strong>Öffentliche</strong> Kooperationsmodell, bei<br />
dem kommunale Einrichtungen <strong>und</strong> private Unternehmen gemeinsam<br />
Besitzer <strong>und</strong> Betreiber der Wasserver- <strong>und</strong> /oder der Abwasserentsorgungsanlagen<br />
sind. Gegenüber der Aufgabenwahrnehmung durch<br />
öffentlich-rechtliche Einrichtungen lassen sich einige Gemeinsamkeiten<br />
<strong>und</strong> einige Unterschiede erkennen. Unverändert ist die gegenüber den<br />
englischen Verhältnissen schwache Form der Regulierung auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
der schwachen Informationsposition der zuständigen Regulierungsinstitutionen.<br />
Unverändert ist ebenfalls der mangelnde Wettbewerbsdruck,<br />
an dessen Stelle sich aber wie oben ausgeführt politischer Druck<br />
durch reine Entgeltvergleiche aufbauen kann. Deutlich verändert zeigt<br />
sich jedoch ein höherer Kostendruck, da der private Partner im gemeinsamen<br />
Unternehmen gezwungen ist, eine Rendite auf das eingesetzte<br />
Kapital zu erwirtschaften. Verändern kann sich ebenfalls der Technologie-<br />
<strong>und</strong> Informationszugang, sofern der private Partner ein größeres<br />
Unternehmen ist <strong>und</strong> diesen Informationsfluss aus anderen Unternehmensteilen<br />
aktiv betreibt. Gelegentlich werden auch Größenvorteile<br />
angeführt, die der private Partner im Interesse des gemeinsamen Unternehmens<br />
zu realisieren in der Lage sei. Das Einlösen eines solchen Anspruchs<br />
erscheint nur begrenzt wahrscheinlich, solange es sich bei der<br />
privaten Unternehmensmutter <strong>und</strong> dem lokalen Unternehmen um rechtlich<br />
unabhängige Einheiten handelt <strong>und</strong> zwischen ihnen nicht zusätzliche<br />
Dienstleistungsverflechtungen (etwa für Einkauf, Abrechnung o.ä.) eingegangen<br />
worden sind.<br />
Im Gr<strong>und</strong>satz besteht bei dieser Konstellation für keinen der beiden<br />
Partner ein wirtschaftlicher Anreiz, auf die Realisierung heutiger Unternehmensgewinne<br />
zu verzichten <strong>und</strong> stattdessen Unterhaltungsaufwendungen<br />
<strong>und</strong> Investitionen zu erhöhen, um spätere Kostensteigerungen<br />
zu begrenzen. Jedoch können bei Gründung des gemischt-privatöffentlichen<br />
Unternehmens zwischen Kommune <strong>und</strong> dem Unternehmen<br />
126
Quoten für Erneuerungsaufwendungen, bestimmte Netzzustände oder<br />
Erhaltungsstrategien vertraglich vereinbart werden. Die bereits erwähnte<br />
vertragsrechtliche <strong>und</strong> vor allem wirtschaftliche Zwitterposition der Kommune,<br />
als Leistungserbringer einerseits <strong>und</strong> Leistungsempfänger andererseits,<br />
lassen vermuten, dass der Schwerpunkt für die Kommunen bei<br />
der Verhandlung eher auf der Erzielung eines hohen Erlöses, auf laufenden<br />
Einnahmen <strong>und</strong> in der Begrenzung <strong>von</strong> kurzfristigen Entgeltsteigerungen<br />
für die Bürger liegen wird.<br />
Die Kooperationslösung ist in der Regel nicht auf einen begrenzten Zeitraum,<br />
sondern unbefristet angelegt. Dass die Renditeerwartungen sich<br />
im Laufe der Zeit vermindern, steht nicht zu erwarten. Nicht auszuschließen<br />
ist aber, dass der anfängliche Druck zur Kosteneffizienz mit der Zeit<br />
erodiert. Die Zwitterposition der Kommune wirkt auch dabei nachhaltig<br />
als institutioneller Nachteil.<br />
3. Vergleich <strong>von</strong> Fällen getrennter <strong>und</strong> nicht getrennter<br />
Aufgabenwahrnehmung<br />
Der Gr<strong>und</strong>typ der getrennten Aufgabenwahrnehmung sind Betreibermodelle.<br />
Die <strong>Betrieb</strong>sführung kann durch ein privates Unternehmen oder<br />
durch ein Unternehmen, das sich im Besitz einer oder mehrerer öffentlich-rechtlicher<br />
Institutionen befindet, erfolgen. Betreibermodelle gelten<br />
neben den Kooperationsmodellen als weitere Alternative <strong>und</strong> möglicherweise<br />
– der Titel dieser Veranstaltung weist es aus – als Königsweg<br />
zwischen der rein privaten <strong>und</strong> der ausschließlich öffentlich-rechtlichen<br />
Aufgabenwahrnehmung.<br />
Im Folgenden werden nur die für den kommunalen Bereich wesentlichen<br />
Fälle betrachtet, in denen sich die <strong>Infrastruktur</strong> im öffentlich-rechtlichen<br />
Besitz befindet. Nicht betrachtet werden Fälle, in denen sich die <strong>Infrastruktur</strong><br />
im Besitz eines privaten Unternehmens, etwa eines Industriebetriebs,<br />
befindet <strong>und</strong> die Dienstleistung durch ein öffentliches oder<br />
privates Unternehmen erbracht wird. Verzichtet wird ferner auf die Betrachtung<br />
des Falles einer gemischt öffentlich-rechtlich-privaten Eigentümergesellschaft,<br />
die den <strong>Betrieb</strong> einer privaten Betreibergesellschaft<br />
überträgt.<br />
Der <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong> durch eine private Betreibergesellschaft im<br />
Rahmen eines zeitlich befristeten Vertrages bietet sowohl gegenüber<br />
dem Fall der vollständig öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung<br />
als auch gegenüber dem Fall der gemischt öffentlich-rechtlich-privaten<br />
127
Aufgabenwahrnehmung einige wesentliche Veränderungen. Unverändert<br />
bleibt die eher schwache wirtschaftliche Regulierung. Der Druck zur Verbesserung<br />
der betrieblichen Kosteneffizienz ist zweifellos größer als<br />
beim rein öffentlich-rechtlichen <strong>Betrieb</strong>. Längerfristig bestehen auch<br />
größere Anreize zur Steigerung der betrieblichen Kosteneffizienz als<br />
beim Kooperationsmodell, denn es tritt ein Wettbewerbsdruck durch die<br />
periodische Neuausschreibung 26 der <strong>Betrieb</strong>sführung hinzu. Dabei<br />
handelt es sich um einen Wettbewerb „um den Markt“. 27 Diese<br />
Ausschreibung hat neben dem preislichen auch einen qualitativen<br />
Aspekt <strong>und</strong> bietet einen Anreiz, vertragliche Detaillierungen hinsichtlich<br />
der Qualität sowie der Unterhaltungs- <strong>und</strong> Investitionsaufwendungen zu<br />
treffen. Dieser Qualitätsanreiz ist ebenfalls größer als beim Kooperationsmodell,<br />
da die verhandelnde Kommune sich nicht zusätzlich in einer<br />
Verkäufer- <strong>und</strong> Betreiberrolle sieht, die neben einem hohen Kaufpreis<br />
laufende Einnahmen erlösen will. Überdies lassen sich die Qualitätsanforderungen<br />
nicht nur durch periodisch zu erfüllende Größen angeben,<br />
sondern können auch auf einen festen Zeitpunkt bezogen werden, z.B.<br />
auf das Vertragsende. Der Abschluss solcher vertraglichen Detaillierungen<br />
erfordert allerdings auf Seiten der ausschreibenden Kommune<br />
nicht nur den Willen zu einer längerfristigen inhaltlichen – d.h. auch<br />
planerischen – Festlegung, sondern eine spezifische fachliche Kompetenz<br />
<strong>und</strong> einen besonderen fachlichen Aufwand. Kleinere Kommunen<br />
mögen es im Einzelfall vorziehen, auf diese Transaktionskosten zu<br />
verzichten <strong>und</strong> dafür eine geringere Transparenz in Kauf nehmen.<br />
Als spezialisierter Dienstleister hat der professionelle Betreiber auch bei<br />
detaillierter Festlegung <strong>von</strong> in die Zukunft weisenden Qualitätsparametern<br />
wie z.B. der Reinvestitionsleistung oder des Netzzustandes bei<br />
Vertragsende gute Möglichkeiten, eine höhere betriebliche Kosteneffizienz<br />
zu erreichen. Zum einen verfügt er aus anderen Aufträgen über<br />
interne Vergleichszahlen, gleichsam ein internes Benchmarking. Zum<br />
anderen sind durch Bündelung <strong>von</strong> Aufgaben Effizienzvorteile zu erzielen.<br />
Damit stellt sich die Vergabe des <strong>Betrieb</strong>s im Rahmen eines<br />
Betreibermodells als sinnvolle Möglichkeit dar, die Nachteile eines rein<br />
öffentlich-rechtlichen <strong>Betrieb</strong>es zu vermeiden, die in mangelnder betrieblicher<br />
Effizienz <strong>und</strong> der fehlende Unabhängigkeit <strong>von</strong> lokalpolitischen<br />
Tagesentscheidungen bestehen könnte. Ebenso können die Nachteile<br />
eines gemischt öffentlich-rechtlich-privaten Unternehmens vermieden<br />
26 Je nach Vertragszeitdauer wird das Betreibermodell weiter differenziert. Bei sehr kurzen Verträgen<br />
hat der Betreiber angesichts der langen technischen Nutzungsdauern sehr wenig Ansatzpunkte zur<br />
Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, bei sehr langen Vertragsdauern leidet der Wettbewerbsgedanke.<br />
Eine große Zahl <strong>von</strong> Verträgen weist Laufzeiten zwischen 15-30 Jahren auf.<br />
27 Im Gegensatz zur „Ausschreibung im Markt” bezeichnet die Ausschreibung „um den Markt“ die<br />
Ausschreibung eines befristeten Vertrags mit einer Monopolsituation.<br />
128
werden, mit den Interessenkonflikten auf Seiten der Kommune. Gegenüber<br />
einer rein privaten Aufgabenerledigung englischer Prägung kann<br />
dagegen stärker auf lokale Belange eingegangen werden.<br />
Andererseits ist auch diese Konstruktion nicht in allen Aspekten vorteilhaft.<br />
Da die ausschreibende Kommune nicht über ein umfassendes<br />
unternehmensinternes Benchmarking verfügt, steht zu vermuten, dass<br />
sie sich gr<strong>und</strong>sätzlich gegenüber dem anbietenden Betreiberunternehmen<br />
in einer schwächeren Informationsposition befindet. Vermutlich<br />
wird sogar einer Gründe für die Kommune den <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong><br />
auszuschreiben darin liegen, Einsparungen bei den Kosten für das<br />
Vorhalten <strong>von</strong> Fachkompetenz bzw. bei den notwendigen Informations-<br />
<strong>und</strong> Planungskosten zu erzielen. Dennoch ist die Kommune bei der Ausschreibung,<br />
der Vergabe <strong>und</strong> der Kontrolle während der Vertragslaufzeit<br />
auf zuverlässige Beratung angewiesen, was in der Gesamtbilanz des<br />
Vorhabens Berücksichtigung finden muss. Dann steht zu fragen, ob die<br />
kontinuierlich zu erzielenden Effizienzvorteile die Renditeerwartung des<br />
Betreiberunternehmens auf Dauer überkompensieren können, sodass<br />
die Gesamtbilanz auch für die ausschreibende Kommune positiv bleibt.<br />
Der <strong>Betrieb</strong> der <strong>Infrastruktur</strong> durch einen Verband oder Betreibergesellschaft<br />
mit öffentlich-rechtlichen Eigentümern ist eine Lösung, die<br />
gegenüber der privaten Betreibergesellschaft weniger stark durch<br />
Renditeerwartungen geprägt ist. Gleichzeitig werden aber Vorteile<br />
realisiert, die für die Verbesserung der Effizienz wichtig sind. So kann<br />
<strong>von</strong> einer breiteren Informationsbasis ausgegangen werden, als sie eine<br />
einzelne Kommune als Eigentümer aufweisen würde, <strong>und</strong> es gibt wie bei<br />
einem privaten Betreiberunternehmen die Möglichkeit, Effizienzsteigerungen<br />
bei einer Reihe <strong>von</strong> Aufgaben durch Zusammenführung zu<br />
erzielen wie z.B. bei Abrechungen, Wartungen, Einkauf bis hin zum<br />
Vorhalten spezifischer Fachkompetenz.<br />
Als Vorteil dieser Konstruktion mag schließlich auch gelten, dass die<br />
starke Kopplung an örtliche Politikentscheidungen gemildert wird,<br />
während gleichzeitig aber lokale Gremien nicht gänzlich ohne Einfluss<br />
bleiben.<br />
Auf der anderen Seite besteht allerdings ein weniger starker Druck zur<br />
Verbesserung der betrieblichen Kosteneffizienz. Insbesondere Verbandslösungen,<br />
die durch unbefristete Aufgabenübertragung gekennzeichnet<br />
sind, stellen hier keine längerfristig wirksamen Anreize bereit.<br />
Auch bei der vom <strong>Infrastruktur</strong>besitz getrennten Aufgabenwahrnehmung<br />
durch öffentlich-rechtliche Institutionen sind deshalb befristete Verträge<br />
129
vorzuziehen. Die Teilnahme an Benchmark-Initiativen kann einen Informationsausgleich<br />
im Hinblick auf mögliche Effizienzpotentiale schaffen,<br />
wird jedoch ein weniger wirksamer Anreiz sein, als der regelmäßige<br />
Wettbewerb um den Markt. Auch hier besteht schließlich für die einzelne<br />
Kommune im Laufe der Zeit die Gefahr der Informationserosion <strong>und</strong> die<br />
Notwendigkeit, sich eigene oder beratende Fachkompetenz für die Vergabe<br />
<strong>und</strong> die Vertragskontrolle zu sichern.<br />
V. Fazit<br />
Die Gr<strong>und</strong>frage dieses Beitrags, ob die <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Betrieb</strong> der Königsweg für die öffentliche Aufgabenerledigung in der<br />
Wasserver- <strong>und</strong> Abwasserentsorgung sei, ist nicht mit einem Wort zu<br />
beantworten. Als wichtigstes Kriterium wurde die Wirtschaftlichkeit der<br />
Aufgabenerledigung hervorgehoben. Jedoch ist die Wirtschaftlichkeit in<br />
Bezug setzen zu einer definierten Qualität. Da Wasser- <strong>und</strong><br />
Abwasserqualität rechtlich geregelt <strong>und</strong> vorgegeben sind, bleiben als<br />
wesentliche weitere kostenwirksame Qualitätsvariablen die<br />
Aufwendungen für Netzunterhalt <strong>und</strong> –investitionen. Die Eigentums- <strong>und</strong><br />
<strong>Betrieb</strong>sstrukturen sind deshalb im Hinblick auf die Anreize zu<br />
diskutieren, die mit ihnen in Bezug auf das Investitionsverhalten <strong>und</strong> das<br />
Anstreben einer betrieblichen Kosteneffizienz verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Der Vergleich der deutschen Situation mit der privaten<br />
Aufgabenerledigung englischer Prägung weist auf deutliche Vorteile<br />
einer umfassenden zentralen Informationsbasis für eine wirtschaftliche<br />
Aufgabenerledigung hin. Es ist zu wünschen, dass die in Deutschland<br />
vorhandenen Benchmark-Initiativen hinsichtlich der Informationsbreite<br />
<strong>und</strong> –dichte ausgeweitet werden. Derzeit haben ortsübergreifend tätige<br />
Dienstleister deutliche Vorteile gegenüber der rein kommunalen<br />
Aufgabenwahrnehmung insbesondere aus der erweiterten<br />
Vergleichsmöglichkeit ihrer eigenen größeren Informationsbasis.<br />
Aufgr<strong>und</strong> ihrer Größe <strong>und</strong> ihrer Tätigkeit an verschiedenen Kommunen<br />
haben Betreiberinstitutionen weitere Vorteile in der erweiterten<br />
Möglichkeit, Aufgaben <strong>und</strong> Beschaffungsnachfrage zu bündeln. Diese<br />
Vorteile fallen umso mehr ins Gewicht, je kleiner der kommunale<br />
Aufgabenträger ist. Die Renditeerwartungen <strong>und</strong> die periodische<br />
Ausschreibung im Wettbewerb um den Markt lassen schließlich bei der<br />
<strong>Betrieb</strong>sführung durch private Betreiberunternehmen einen höheren<br />
Anreiz zur Realisierung <strong>von</strong> Effizienzpotentialen vermuten als bei<br />
Betreiberinstitutionen im öffentlich-rechtlichen Eigentum. Öffentlichrechtliche<br />
Betreiberinstitutionen, die mit privaten Betreiberunternehmen<br />
130
im Wettbewerb stehen, können ebenfalls mit Größenvorteilen operieren<br />
<strong>und</strong> sollten bei geringeren Renditeerwartungen zu vergleichbaren Kosten<br />
für den Bürger führen.<br />
Der Effizienzanreiz aus dem privaten Betreibermodell wird sich für die<br />
Kommune vor allem dann vorteilhaft auswirken, wenn es ihr gelingt,<br />
ausreichend klar ihre Zielvorstellungen in Bezug auf Netzunterhalt <strong>und</strong><br />
Investitionsaufwendungen zu formulieren <strong>und</strong> den periodischen<br />
Ausschreibungen zugr<strong>und</strong>e zu legen. Dies kann für Kommunen<br />
durchaus aufwändig sein.<br />
Auch die nicht getrennte Aufgabenwahrnehmung durch kommunale<br />
Aufgabenträger kann deshalb eine sehr günstige Option darstellen, mit<br />
der Transaktionskosten eingespart <strong>und</strong> auf lokale Siedlungs- <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsentwicklungen vergleichsweise einfach reagiert werden kann.<br />
Die lokale Flexibilität kann vorteilhaft sein, aber auch zum Nachteil<br />
ausschlagen. Vorteilhaft ist sie, wenn Effizienzpotentiale konsequent<br />
genutzt werden, die Zusammenarbeit zwischen den lokalpolitischen<br />
Entscheidungsgremien <strong>und</strong> den für die technische Dienstleistung<br />
Verantwortlichen durch Verantwortungsbereitschaft auch für die<br />
zukünftige Aufgabenerledigung geprägt ist <strong>und</strong><br />
Investitionsentscheidungen mit einer gewissen Unabhängigkeit <strong>von</strong><br />
lokalpolitischen Tagesentscheidungen getroffen werden können.<br />
Nachteilig ist sie, wenn die fehlende Unabhängigkeit <strong>von</strong> den<br />
lokalpolitischen Entscheidungsgremien die wirtschaftliche Nachhaltigkeit<br />
beeinträchtigt. Nachteilig ist sie aber auch, wenn technisches<br />
Perfektionsstreben <strong>und</strong> das Kostendeckungsprinzip zu übertrieben<br />
hohen Standards führen. Modelle, die einen begrenzten, sehr moderaten<br />
Einfluss kommunaler Gremien gewährleisten, scheinen hier Vorteile zu<br />
bieten.<br />
Zu den vorstehenden Überlegungen passen statistische Daten zur<br />
Entwicklung der <strong>Betrieb</strong>sformen in der deutschen Wasser- <strong>und</strong><br />
Abwasserwirtschaft in den vergangenen Jahren. Danach hat in der<br />
Wasserversorgung eine Zunahme sowohl des prozentualen Anteils der<br />
Verbände als auch der privatrechtlichen Organisationsformen im<br />
öffentlich-rechtlichen Bereich stattgef<strong>und</strong>en. Auch in der<br />
Abwasserentsorgung hat in den letzten Jahren die Zahl der<br />
Zweckverbände erheblich zugenommen <strong>und</strong> sich die Zahl der<br />
Regiebetriebe deutlich reduziert 28 . Damit scheinen die Initiativen zur<br />
Qualifizierung <strong>und</strong> Modernisierung der deutschen Wasserwirtschaft zum<br />
28 BGW - ATV-DVWK (2004), DWA/BGW(2006).<br />
131
einen die Lockerung der früher engen Anbindung an die lokalpolitischen<br />
Entscheidungsgremien zugunsten <strong>von</strong> Organisationsformen mit mehr<br />
Eigenständigkeit zu befördern. Zum anderen scheint sich auch ein Trend<br />
zur <strong>Betrieb</strong>sführung in größeren überörtlichen Einheiten auszubilden, die<br />
Größenvorteile realisieren können. Beides würde den hier abgeleiteten<br />
Argumenten entsprechen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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<strong>von</strong> Abwasser in Gewässer, in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar<br />
2005 (BGBl. I S. 114).<br />
Abwasserverordnung (2004): Verordnung über Anforderungen an das Einleiten <strong>von</strong><br />
Abwasser in Gewässer vom 17. Juni 2004, BGBl. I Nr. 28 vom 22. Juni 2004<br />
S. 1108; ber. 2004 S. 2625.<br />
ATT et al. (2008): Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren e. V. (ATT), B<strong>und</strong>esverband<br />
der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), Deutscher B<strong>und</strong> der<br />
verbandlichen Wasserwirtschaft e. V. (DBVW), Deutsche Vereinigung des Gas-<br />
<strong>und</strong> Wasserfaches e. V. Technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW), Deutsche<br />
Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall e. V. (DWA), Verband<br />
kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) (2008); Branchenbild der deutschen<br />
Wasserwirtschaft, wvgw Wirtschafts- <strong>und</strong> Verlagsgesellschaft Gas <strong>und</strong> Wasser<br />
mbH, Bonn.<br />
BGW – ATV-DVWK (2004): B<strong>und</strong>esverband der deutschen Gas- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft<br />
(BGW) - Deutsche Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong><br />
Abfall e. V. (DWA) Marktdaten 2003 – Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage zur<br />
Abwasserentsorgung, Aachen, Berlin, Hennef, Koblenz.<br />
BMBF (2000): B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung, Aktionskonzept nachhaltige<br />
<strong>und</strong> wettbewerbsfähige deutsche Wasserwirtschaft, Karlsruhe, März 2000.<br />
BMBF (2007): B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung, Pressemitteilung vom<br />
13.12.2007.<br />
DWA-M 143-14 (2005): Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser <strong>und</strong><br />
Abfall e.V., Merkblatt: Sanierung <strong>von</strong> Entwässerungssystemen außerhalb <strong>von</strong> Gebäuden.<br />
Teil 14: Sanierungsstrategien.<br />
DWA/BGW(2006): Deutsche Vereinigung für Wasser wirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall<br />
e. V. (DWA)/ B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft e.V. (BDEW):<br />
Wirtschaftsdaten der Abwasserentsorgung 2005.<br />
Europäisches Parlament (2006): Richtlinie zum Schutz des Gr<strong>und</strong>wassers vor Verschmutzung<br />
<strong>und</strong> Verschlechterung Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen<br />
Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 12. Dezember 2006<br />
132
EU (1985): Europäische Union, Council Resolution of 7 May 1985 on a new<br />
approach to technical harmonization and standards, Official Journal C 136 ,<br />
04/06/1985 P. 0001–0009.<br />
Geyler / Holländer (2005): Stefan Geyler u. Robert Holländer, Ein Vergleich <strong>von</strong><br />
zentralen <strong>und</strong> dezentralen Lösungen zur Abwasserentsorgung im ländlichen<br />
Raum, ICAR Discussion Papers Humboldt Universität Berlin.<br />
Haakh u.a. (2008): F. Haakh, A. Krieger <strong>und</strong> B. Gagsch, Der <strong>Betrieb</strong>svergleich<br />
kommunaler Versorgungsunternehmen als Management-Instrument, in: GWF<br />
Wasser-Abwasser, Nr. 6, S. 490 ff.<br />
Hessische Landesregierung (2006): Verordnung über das Einleiten oder Einbringen<br />
<strong>von</strong> Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen<br />
(Indirekteinleiterverordnung – VGS) vom 13. Dezember 2006 GVBl. I S. 684,<br />
verkündet am 21. Dezember 2006.<br />
Holländer u.a. (2008): R. Holländer, C. Zenker, B. Ammermüller, S. Geyler <strong>und</strong><br />
S. Lautenschläger, Kernaussagen des Gutachtens Trinkwasserpreise in Deutschland<br />
– Welche Faktoren begründen regionale Unterschiede?, Hrsg. Verband<br />
kommunaler Unternehmen e.V.<br />
Hug (2006): Christophe Hug, Eine ordentliche Ausschreibung – ein echtes<br />
benchmarking mit zuverlässigen, planbaren Effekten, in: Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft (Hrsg.), Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft, Heft 23, <strong>Öffentliche</strong><br />
Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität <strong>und</strong> günstigen<br />
Preisen, Berlin 2006.<br />
ISO: International Standard Organisation, ISO 24510-24512<br />
Metropolitan Consulting Group (2006): VEWA – Vergleich Europäischer Wasser-<br />
<strong>und</strong> Abwasserpreise, Berlin.<br />
Rat der Europäischen Union (1998): Trinkwasserrichtlinie (DWD), Richtlinie des<br />
Rates 98/83/EG, Official Journal L 330 , 05/12/1998 P. 0032 - 0054<br />
Weltbank (1993): Water Resources Management; Weltbank (2003), Water Resources<br />
Sector Strategy; sowie Weltbank (2004), The World Bank Group’s Program<br />
for Water Supply and Sanitation, jeweils abrufbar über<br />
http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/TOPICS/EXTWAT/0,,menuPK:460<br />
2384~pagePK:149018~piPK:149093~theSitePK:4602123,00.html<br />
133
Anhang
Anhang<br />
Dieser Band der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ hat ausnahmsweise<br />
einen Anhang mit Powerpoint-Präsentationen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> technischer Probleme können nicht alle Beiträge in bewährter<br />
Form veröffentlicht werden. Die Präsentationen der Herren Stüer,<br />
Dr. Krawinkel <strong>und</strong> Hüls finden Sie nachstehend.<br />
Der Vortrag <strong>von</strong> Herrn Dr. König kann leider nicht wiedergegeben<br />
werden. Wir bitten dies zu entschuldigen.<br />
Die Herausgeber<br />
137
Raim<strong>und</strong> Stüer *<br />
Anforderungen an die <strong>Infrastruktur</strong> aus der Sicht<br />
des privaten Eisenbahnverkehrsunternehmens<br />
* Raim<strong>und</strong> Stüer ist Vorstand der TXLogistik AG, Bad Honnef.<br />
138
139
140
141
142
143
144
145
Gerhard König *<br />
Investitionen – Ein Königsweg zum Wettbewerb!<br />
Aus technischen Gründen kann der Vortrag leider nicht wiedergegeben<br />
werden. Wir bitten dies zu entschuldigen. *<br />
������������������������������������������������������������<br />
* Dr. Herbert König ist Geschäftsführer <strong>und</strong> Leiter des Geschäftsbereichs Erdgasvertrieb Deutsch-<br />
land der WINGAS GmbH, Kassel.<br />
* Siehe S. 137.<br />
146
Holger Krawinkel *<br />
Geschäftsmodell „Integrierte Unternehmen“ vor dem Aus?<br />
*<br />
Dr. Holger Krawinkel ist Leiter des Fachbereichs Bauen, Energie, Umwelt beim Verbraucherzentrale<br />
B<strong>und</strong>esverband in Berlin.<br />
147
148
149
150
151
Reinhold Hüls *<br />
<strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> Eigentum <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> in der Deutschen Wasserwirtschaft<br />
– im Interesse <strong>von</strong> Kommunen <strong>und</strong> privaten Betreibern<br />
* Reinhold Hüls ist Geschäftsführer der Veolia Wasser GmbH.<br />
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
Die Teilnehmer des Symposiums<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Aberle, Universität Gießen<br />
Frederik Aldag, DB Stadtverkehr GmbH, Frankfurt a.M.<br />
Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen<br />
Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin<br />
Dr. Achim-Rüdiger Börner, Kanzlei Börner, Köln<br />
Dr. Petra Brangsch, Kommunalpolitisches Forum, Berlin<br />
Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen<br />
Dr. Peter Breitenstein, GESA GmbH, Bonn<br />
Dr. Andreas Brenck, IGES Institut GmbH, Berlin<br />
Horst Brum, Horst Brum Unternehmensberatung, Berlin<br />
Jörg Bünning, Deloitte Consulting GmbH, Berlin<br />
Prof. Dr. Helmut Cox, Universität Duisburg<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Universität Mannheim<br />
Dr. Mark Eppe, Städtische Werke AG, Kassel<br />
Patricia Erb-Korn, Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- <strong>und</strong> Hafen GmbH, Karlsruhe<br />
Alexander Fischer, Berliner Verkehrsbetriebe, AöR<br />
Dr. Claucio Franzius, Freie Universität Berlin<br />
Prof. Dr. Rainer Freise, Deutsche Bahn AG, Frankfurt a.M.<br />
Bernd Fuchs, Münchner Stadtentwässerung, München<br />
Dr. Gerd Gebhardt, Ministerium für <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> Raumordnung des Landes Brandenburg,<br />
Potsdam<br />
Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Verband kommunaler Unternehmen, Köln<br />
Prof. Dr. Giuseppe Grossi, Universität Siena<br />
Uwe Grote, SWITCH Transit Consult GmbH, Stuttgart<br />
Dr. Frieder Haakh, Zweckverband Landeswasserversorgung Baden-Württemberg, Stuttgart<br />
Andreas Habicht, Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH<br />
Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH<br />
Prof. Dr. Jens Harms, Rechnungshof <strong>von</strong> Berlin<br />
Prof. Dr. Justus Haucap, Universität Nürnberg-Erlangen, Mitglied der Monopolkommission,<br />
Nürnberg<br />
Dr. Martin Henke, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln<br />
Prof. Dr. Roland Holländer, Universität Leipzig<br />
Reinhold Hüls, Veolia Wasser GmbH, Leipzig<br />
Otto Huter, Deutscher Städtetag, Berlin<br />
Prof. Dr. Christian Jänig, Stadtwerke Unna GmbH<br />
Prof. Dr. Dres. h.c. Helmut W. Jenkis, Universität Dortm<strong>und</strong><br />
Hubert Jung, Dortm<strong>und</strong>er Stadtwerke AG<br />
Peter Kalusche, Thüringer Rechnungshof, Rudolstadt<br />
Prof. Dr. Alfred Katz, Schneider, Geiwitz & Partner, Neu-Ulm<br />
Eric Keil, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />
Folkert Kiepe, Deutscher Städtetag, Köln<br />
Gabriele C. Klug, Transparency International, Wesel<br />
Dr. Gerhard König, WINGAS GmbH, Kassel<br />
Dr. Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>esverband, Berlin<br />
Dr. Stephan Krieger, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />
162
Dr. Markus Kroll, Deutsche Bahn AG, Berlin<br />
Wolf-Ingo Kunze, B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Berlin<br />
Rikta Lahiri, Berlin<br />
Pranab C. Lahiri, INDIA PRESS, Berlin<br />
Wolf Leetz, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft; B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen<br />
- Deutsche Sektion des CEEP, Berlin<br />
Dr. Otmar Lell, Verbraucherzentrale B<strong>und</strong>esverband, Berlin<br />
Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig<br />
Jens Libbe, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin<br />
Dr. Christian Lieberknecht, GdW B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen,<br />
Berlin<br />
Andreas Lüdtke, Rostocker Straßenbahn AG<br />
Eckard Mahlert, Hallesche Verkehrs-AG, Halle (Saale)<br />
Dr. Wolf-Rüdiger Meier, Dresdner Verkehrsbetriebe AG<br />
Reiner Metz, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln<br />
Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer<br />
Herr Müller, Stadtwerke Köln GmbH, Köln<br />
Dr. Hans-Georg Napp, Hessische Landesbank, Frankfurt a.M.<br />
Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg<br />
Dr. Christian Ochsenbauer, Deutsche Gesellschaft für das Badewesen, Essen<br />
Ulf Papenfuß, Hamburg<br />
Prof. Dr. Johann Christian Pielow, Ruhr Universität Bochum<br />
Rainer Plaßmann, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft, Brüssel<br />
Joachim Podworny, E.ON Kernkraft KBR, Eddelak<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen<br />
Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam<br />
Inge Reichert, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft, Brüssel<br />
Dr. Ralf Resch, Berliner Verkehrsbetriebe, AöR<br />
Oliver Rottmann, Universität Leipzig<br />
Dr. Stefan Ryll, Freie Universität Berlin<br />
Barbara Sak, Internationales Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrum für öffentliche Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Gemeinwirtschaft - IFIG/CIRIEC, Liège<br />
Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik <strong>und</strong> Wirtschaft Berlin<br />
Bernd Schenke, Berlin<br />
Guido Schneeloch, Kölner Verkehrs-<strong>Betrieb</strong>e AG<br />
Michael Schöneich, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft; B<strong>und</strong>esverband <strong>Öffentliche</strong><br />
Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP; Verband kommunaler Unternehmen,<br />
Berlin/Köln<br />
Sebastian Schülke, Osthannoversche Eisenbahnen AG, Celle<br />
Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität Köln<br />
Joachim Schwerd, Stadtwerke Mainz AG<br />
Mathias Siegert, Stadtwerke Nordhausen - <strong>Infrastruktur</strong>- <strong>und</strong> Verkehrsgesellschaft mbH<br />
Thomas Singer, Mittelrheinische Treuhand GmbH / Wikom, Koblenz<br />
Raim<strong>und</strong> Stüer, TX-Logistik AG, Bad Honnef<br />
André Tegtmeier, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH<br />
Prof. Dr. Bernard Thiry, Internationales Forschungs- <strong>und</strong> Informationszentrum für öffentliche<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Gemeinwirtschaft - IFIG/CIRIEC, Liège<br />
Steffen Tippach, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH<br />
163
Rolf Valussi, Stadt Frankfurt / traffiq, Frankfurt a.M.<br />
Birk Völker, Veolia Verkehr GmbH, Leipzig<br />
Prof. Dr. Ludwig <strong>von</strong> Auer, Universität Trier<br />
Dr. Nicole Weiß, Verband kommunaler Unternehmen, Berlin<br />
Peter Welling, thp treuhandpartner GmbH, Krefeld<br />
Olaf Wendler, Berliner Stadtreinigungsbetriebe AöR<br />
Prof. Dr. Joachim Wieland, Universität Frankfurt a.M.<br />
164
Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft<br />
Bisher sind erschienen:<br />
Heft 28 <strong>Trennung</strong> <strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong> – Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung?<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft, des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen – Deutsche<br />
Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes<br />
Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages (2008)<br />
Heft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft. Referate eines Symposiums<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Europäischen Zentralverbandes<br />
der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler<br />
Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen<br />
Städtetages <strong>und</strong> der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2008)<br />
Heft 26 Auswirkungen der Globalisierung auf die öffentlichen Banken – <strong>Trennung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Infrastruktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten Tagung (2008)<br />
Heft 25 Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen – Plädoyer<br />
für ein Wahlrecht der Gebietskörperschaften. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (2007)<br />
Heft 24 Die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen. Referate einer vom Wissenschaftlichen<br />
Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten<br />
Tagung (2007)<br />
Heft 23 <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität <strong>und</strong><br />
günstigen Preisen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der<br />
öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des<br />
Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages<br />
(2006)<br />
Heft 22 <strong>Öffentliche</strong> Dienstleistungen zwischen Eigenerstellung <strong>und</strong> Wettbewerb.<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen<br />
Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft<br />
(CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher<br />
Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2005)<br />
Heft 21 Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen. Referate eines<br />
Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion<br />
des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des<br />
Verbandes kommunaler Unternehmen <strong>und</strong> des Deutschen Städtetages (2004)<br />
Heft 20 Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen<br />
Dienstleistungen? Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche<br />
Wirtschaft, des Verbandes kommunaler Unternehmen <strong>und</strong> des Deutschen<br />
Städtetages (2003)<br />
Heft 19 Rollenwechsel kommunaler Unternehmen. Referate eines Symposiums der<br />
Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. (2002)<br />
Heft 18 Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland – Bestandsaufnahme zu Beginn<br />
des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts. Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen<br />
Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) (2001)<br />
Heft 17 Sparkassen <strong>und</strong> Landesbanken in der Wettbewerbs- <strong>und</strong> Privatisierungsdiskussion.<br />
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für<br />
öffentliche Wirtschaft (1998)<br />
Heft 16 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen – eine Alternative zur Privatisierung. Referate<br />
eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> des Kommunalen<br />
Arbeitgeberverbandes Sachsen (1996)<br />
165
Heft 15 Europa, Wettbewerb <strong>und</strong> öffentliche Dienstleistungen. Bericht des CEEP <strong>und</strong><br />
Vorschläge zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />
sowie für eine Europäische Charta der Dienstleistungen <strong>von</strong> allgemeinem<br />
wirtschaftlichem Interesse (1996)<br />
Heft 14 Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb <strong>und</strong> Gemeindewirtschaftsrecht.<br />
Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />
(1995)<br />
Heft 13 Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft. Stellungnahme<br />
des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1994)<br />
Heft 12 Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts – Rechtsformänderung<br />
bei den Berliner Eigenbetrieben? Referate eines Workshops<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> des Senators für Verkehr <strong>und</strong><br />
<strong>Betrieb</strong>e <strong>von</strong> Berlin (1993)<br />
Heft 11 Die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Referate einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft<br />
(1992)<br />
Heft 10 Die Auswirkungen der EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen auf<br />
die öffentlichen Unternehmen – Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Verbesserungsvorschläge.<br />
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für<br />
öffentliche Wirtschaft, Federführung: Rudolf Eiermann (1992)<br />
Heft 9 Die Unternehmen der Deutschen B<strong>und</strong>espost als juristische Personen des<br />
öffentlichen Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Postreform II. Stellungnahme<br />
des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft,<br />
Federführung: Helmut Cox (1992)<br />
Heft 8 Die Unternehmen der öffentlichen Energieversorgung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland im europäischen Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />
Paul Münch (1991)<br />
Heft 7 Die öffentlichen Eisenbahnen in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland angesichts<br />
der Vollendung des EG-Binnenmarktes. Stellungnahme des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />
Achim <strong>von</strong> Loesch (1991)<br />
Heft 6 <strong>Öffentliche</strong> Kreditinstitute in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> EG-<br />
Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft<br />
für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Peter Eichhorn (1990)<br />
Heft 5 <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen <strong>und</strong> soziale Marktwirtschaft – Aktueller Handlungsbedarf<br />
im Umstrukturierungsprozeß der DDR. Gutachten des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung:<br />
Dietrich Budäus (1990)<br />
Heft 4 Abfallentsorgung <strong>und</strong> ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicher Unternehmen.<br />
Referate <strong>und</strong> Diskussionsbericht einer Vortrags- <strong>und</strong> Diskussionsveranstaltung<br />
der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1989)<br />
Heft 3 Gemischtwirtschaftlichkeit <strong>und</strong> öffentliche Aufgabe. Referate <strong>und</strong> Diskussionsbeiträge<br />
einer Vortrags- <strong>und</strong> Diskussionsveranstaltung der Gesellschaft für<br />
öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong> Gemeinwirtschaft (1988)<br />
Heft 2 Thesen zur künftigen Struktur der Deutschen B<strong>und</strong>espost. Stellungnahme<br />
des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Gemeinwirtschaft zur Neuordnung der Deutschen B<strong>und</strong>espost, Federführung:<br />
Helmut Cox (1988)<br />
Heft 1 Peter Eichhorn: Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> öffentliche Unternehmen<br />
(1986)<br />
166