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„Von Scharzfeld bis Northeim“ - Strukturen und Aktivitäten von Neonazis in<br />
Südniedersachsen<br />
Das raue Klima bestimmt die Flora und Fauna<br />
des Harzes. Das Mittelgebirge in Niedersachsen<br />
und seine endlosen, unwegsamen Tannenwälder bieten<br />
ein Rückzugsgebiet für seltene Pflanzen und Tierarten.<br />
Doch während unberührte Harzer Natur schon<br />
lange Beachtung gefunden hat, wird kaum Notiz von<br />
den gefährlichen gesellschaftlichen Entwicklungen<br />
genommen. Denn nicht nur Luchs und Auerhahn fühlen<br />
sich im Harz wohl - in den kleinen Gemeinden<br />
rund um Kurorte wie Bad Harzburg, <strong>Goslar</strong> oder Bad<br />
Lauterberg tummeln sich verstärkt Neonazis aus den<br />
Reihen von NPD und „Freien Kameradschaften“, oft<br />
geduldet von Teilen der Bevölkerung. Ihre Netzwerke<br />
knüpfen die Kameraden und Kameradinnen bis in die<br />
südlichsten Zipfel Niedersachsens.<br />
Tatsächlich stellt der Südharz inzwischen sogar<br />
eine Schwerpunkt-Region der Neonazi-Szene in Niedersachsen<br />
dar. Seit mehreren Jahren scheint es so,<br />
als würden einige ihrer Anführer gezielt in diese Region<br />
ziehen. Die breite Öffentlichkeit wurde erst im<br />
Mai 2007 auf die Strukturen im Südharz aufmerksam,<br />
nachdem im Dorfgemeinschaftshaus von Scharzfeld<br />
der Landesparteitag der NPD stattfinden konnte. Zuvor<br />
war der Partei von Gasthöfen und Saalbetreibern<br />
in zahlreichen anderen niedersächsischen Orten eine<br />
Abfuhr erteilt worden. In Scharzfeld konnte die NPD<br />
dagegen ungestört tagen.<br />
NPD tagt am Harzrand<br />
Nach eigenen Angaben war die zuständige Polizeibehörde<br />
in Northeim über den geplanten NPD-Parteitag<br />
am 15. April 2007 im Harz-Ort Scharzfeld vorab<br />
nicht informiert worden. Das Dorfgemeinschaftshaus<br />
ist privat verpachtet. Der Betreiber hatte es den etwa<br />
70 NPD-Delegierten für ihre Zusammenkunft überlassen.<br />
Gegen Mittag begrüßten Wirt und verantwortliche<br />
NPD-Kader den Herzberger CDU-Bürgermeister<br />
Gerhard Walter. Walter trank ein Glas Apfelsaft<br />
mit den Rechten und ging dann wütend auf anwesende<br />
Journalisten los, die filmten und fotografierten.<br />
Zornig rief er in die Kamera, dass er nichts dagegen<br />
habe, dass die NPD in seinem Amtsbereich, im Dorfgemeinschaftshaus,<br />
tage, „solange nichts passiert“.<br />
Den Fotografen gegenüber war der konservative Po-<br />
litiker weniger tolerant, er griff in die Kamera und<br />
wies drohend auf seine 20-jährige Laufbahn bei der<br />
Polizei hin. Später, nachdem sein Verhalten landesweite<br />
Empörung hervorgerufen hatte und der Druck<br />
auch aus der eigenen Partei wuchs, entschuldigte er<br />
sich in einem öffentlichen Schreiben.<br />
Im Januar 2009 sorgte Bürgermeister Gerhard<br />
Walter erneut für Schlagzeilen, als bekannt wurde,<br />
dass gegen seinen Widerstand der Verwaltungsausschuss<br />
der Stadt Herzberg in einer nichtöffentlichen<br />
Sitzung dem Juristen Dr. Hermann Muhs posthum die<br />
Ehrenbürgerschaft der Stadt aberkannt hatte. Muhs<br />
soll im Hitlerregime ein aktiver Nationalsozialist gewesen<br />
sein. Wieder versuchte der CDU-Politiker die<br />
Begründung für sein umstrittenes Handeln den Medien<br />
unterzuschieben. So berichtet der „Harz-Kurier“,<br />
Walter habe sich gegen die Aberkennung ausgesprochen<br />
mit der Begründung, dass die Verleihung bereits<br />
70 Jahre zurückliege und er um den „guten Ruf der<br />
Stadt“ besorgt sei. Der Herzberger Bürgermeister<br />
fürchte ein großes mediales Interesse, wenn der Vorgang<br />
publik würde.<br />
Ungestörtes Treiben<br />
Fernab von zivilgesellschaftlicher Wahrnehmung<br />
und politischer Warnung haben neonazistische Strukturen<br />
seit Jahren immer wieder bestehende Möglichkeiten<br />
genutzt, um in der Gebirgsregion Sonnenwendfeiern,<br />
Skinheadkonzerte, Liederabende,<br />
Werbeaktionen oder Kameradschaftstreffen abzuhalten.<br />
Ohne auf kulturelles und gesellschaftliches Gegen-Engagement<br />
zu stoßen, konnten sie sich lange im<br />
Harz wohlfühlen, regional organisieren und punktuell<br />
sogar etablieren.<br />
Seit der Kommunalwahl 2006 sitzt Michael Hahn<br />
für die NPD im Stadtrat von Osterode. Der 38-jährige<br />
Kaufmann gilt als Bindeglied zwischen NPD<br />
und „Freien Kameradschaften“ in der Region. Hahn<br />
scheint beliebt zu sein in seinem Heimatort, denn bei<br />
der niedersächsische Landtagswahl im Frühjahr 2008<br />
fuhr der NPD-Stadtrat als Direktkandidat in Bad<br />
Lauterberg 5,9 Prozent der Stimmen für seine Partei<br />
ein. Ihm gelingt es, das neue bürgernahe Auftreten<br />
der Neonazis, die Wahl sozialer Brennpunktthemen,<br />
Professionalisierung und Intellektualisierungsbestre-