79Zur Vollendung des 79. Lebensjahres - Tiroler Jägerverband
79Zur Vollendung des 79. Lebensjahres - Tiroler Jägerverband
79Zur Vollendung des 79. Lebensjahres - Tiroler Jägerverband
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jäger & Disziplinarrecht<br />
Fehlabschuss! Schütze oder Pirschführer:<br />
Wer wird dafür bestraft?<br />
In mehreren Artikeln in loser<br />
Abfolge („Jagd in Tirol“ Oktober<br />
2008, November 2008, Jänner<br />
2009, April 2010) habe ich<br />
versucht, in einfacher Form<br />
„Jägerisches Rechtswissen“ aus<br />
dem Bereich Disziplinarrecht und<br />
Verwaltungsstrafrecht zu vermitteln.<br />
Da all diese Artikel aufeinander<br />
aufbauen, ist ohne Verständnis<br />
der dort erläuterten Rechtsbegriffe<br />
der folgende schwer lesbar; insbesondere<br />
den Artikel „Jagd in Tirol“<br />
April 2010 sollte man sich – nach<br />
Möglichkeit – in Erinnerung rufen.<br />
Jagd in TiRol 07-08/2011<br />
Dr. Hermann Tscharre<br />
Disziplinaranwalt<br />
Jetzt zieht es den Jäger unbändig ins<br />
Revier. Auch viele Jungjäger sind<br />
darunter und fiebern unter fachkundiger<br />
Pirschführung ihrem ersten Abschuss<br />
entgegen.<br />
Vor Fehlern ist aber niemand gefeit; so<br />
stellt sich auch mancher Abschuss, den der<br />
Pirschführer freigegeben hat, hinterher als<br />
Fehlabschuss heraus. Welche Rechtsfolgen<br />
für Schützen und Pirschführer hat dies<br />
nun?<br />
Nehmen wir als Beispiel an, dass der Pirschführer<br />
einen ungeraden Vierzehnender als<br />
vermeintlich passenden I-er Hirschen dem<br />
Schützen zum Abschuss freigegeben hat und<br />
sich nach der Erlegung herausstellt, dass ein<br />
eindeutig schonungswürdiger achtjähriger<br />
II-er Hirsch gestreckt wurde.<br />
Rechtsfolgen nach<br />
Verwaltungsstrafrecht<br />
Damit Strafbarkeit überhaupt gegeben ist,<br />
muss – wie schon in einem Vorartikel gesagt<br />
– das betreffende Verhalten<br />
› tatbestandsmäßig,<br />
› rechtswidrig und<br />
› schuldhaft<br />
sein. Die Erlegung gemäß unserem Beispiel<br />
ist zweifellos tatbestandsmäßig, weiters<br />
rechtswidrig und auch schuldhaft, wobei<br />
die Behörde von der „Schuldvermutung“<br />
gemäß § 5 VStG (Verwaltungsstrafgesetz<br />
1991) ausgehen kann.<br />
Eine nähere Begründung dafür würde<br />
den Rahmen dieses Artikels sprengen, weil<br />
er nicht die Frage der Strafbarkeit an sich,<br />
sondern die Frage, ob Schütze oder Pirschführer<br />
(oder allenfalls beide) zu bestrafen<br />
sind, als Gegenstand hat. Ich kann zur näheren<br />
Erläuterung den interessierten Jäger<br />
nur auf meinen Artikel „Jagd in Tirol“ April<br />
2010 verweisen.<br />
Selbst wenn man nun davon ausgeht,<br />
dass der Behörde bekannt war, dass der<br />
Schütze nur auf Grund der Schussfreigabe<br />
durch seinen Pirschführer das Wild erlegt<br />
hat, wird jedenfalls der Schütze bestraft.<br />
Die Behörde stützt sich dabei zum Ersten<br />
auf die herrschende Rechtssprechung, dass<br />
ein Wildstück nur dann erlegt werden darf,<br />
wenn es zuvor eindeutig angesprochen<br />
wurde. Weiters wird sie darauf verweisen,<br />
Rechtsecke<br />
dass die Verantwortung für die richtige,<br />
abschussplanmäßige Erlegung eines Wildstückes<br />
der Schütze trägt und sich dabei<br />
auf die in diesem Zusammenhang immer<br />
wieder zitierten Entscheidungen <strong>des</strong> Verwaltungsgerichtshofes<br />
vom 26. Mai 1972,<br />
Zl. 2059/71 und Zl. 2060/71 berufen.<br />
Auf diese immer wieder zitierten Entscheidungen<br />
will ich kurz eingehen: Es ging<br />
damals darum, dass ein Kärntner Jäger unter<br />
Führung <strong>des</strong> „Revierjägers“ mit <strong>des</strong>sen Zustimmung<br />
einen Fehlabschuss (schonungswürdiger<br />
Hirsch der Kl. II a) tätigte und dafür<br />
bestraft wurde. Das Verfahren ging bis zum<br />
Verwaltungsgerichtshof. In seiner Beschwerde<br />
führte der bestrafte Schütze unter anderem<br />
als Verfahrensmangel ins Treffen, dass man<br />
den Revierjäger nicht als Zeugen vernommen<br />
habe, der bestätigen könne, dass auch er den<br />
Hirschen als „erlegbar“ qualifiziert hätte. Dazu<br />
entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass<br />
die Einvernahme <strong>des</strong> Pirschführers schon<br />
<strong>des</strong>halb nicht erforderlich gewesen sei, weil<br />
der Schütze bei seiner Vernehmung vor den<br />
Unterinstanzen angegeben habe, dass er selbst<br />
den Hirsch als erlegbaren Hirschen der Kl. I<br />
b angesprochen hätte und diese Beurteilung<br />
vom Pirschführer geteilt worden sei. Daher<br />
habe der Schütze (hier möchte ich ergänzen:<br />
in seiner eigenen Verantwortung) bei der<br />
fehlerhaften Ansprache zumin<strong>des</strong>t fahrlässig<br />
gehandelt, was für seine Bestrafung ausreiche.<br />
Auf die Frage, welchen Einfluss die Beurteilung<br />
<strong>des</strong> Pirschführers auf die Strafbarkeit <strong>des</strong><br />
Schützen hat, ging daher der Verwaltungsgerichtshof<br />
gar nicht näher ein!<br />
Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass<br />
aus diesen immer wieder zitierten Entscheidungen<br />
nicht in allen Fällen von vorne herein<br />
die Verantwortung <strong>des</strong> Schützen für einen<br />
vom Pirschführer freigegebenen Fehlabschuss<br />
abgeleitet werden kann. Vielmehr<br />
wird in bestimmten Einzelfällen, wenn dem<br />
Schützen der Entlastungsbeweis gemäß § 5<br />
Zum Weiterlesen blättern Sie bitte auf Seite 16<br />
15