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GRÜNE AUTOS RÜCKSCHRITTLICH - Sonnenzeitung

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SZ: Würden Sie sagen, diese ganze Klimaschutzinitiative<br />

wäre dann gescheitert, wenn<br />

es keine ökologische Steuerreform gibt?<br />

Wabl: Es gibt ja bereits ökologische Ansätze<br />

im Steuersystem, die doch deutliche Anhebung<br />

der Mineralölsteuer war ja schon ein<br />

Schritt in die richtige Richtung. Aber wie<br />

wir schmerzhaft gesehen haben, und das<br />

ist ja das Dilemma des Umweltministers, er<br />

setzt überall Initiativen, die sehr umsichtig<br />

sind, aber in der eigentlichen Umkehr, in<br />

der Trendwende ist einfach nichts passiert.<br />

SZ: Der Bundeskanzler gilt parteiintern als<br />

beratungsresistent. Glauben Sie, dass Sie<br />

diese Hürde überwinden werden.<br />

Wabl: Ich halte das für ein Gerücht. Ein<br />

Berater, der gesucht wird und der klug<br />

darüber nachdenkt, was zu tun wäre und<br />

das vorträgt, ist meines Erachtens ein<br />

guter Berater und ich hab den Eindruck,<br />

dass Gusenbauer alles andere als beratungsresistent<br />

ist.<br />

SZ: Sie glauben an eine ökologische<br />

Veränderung?<br />

Wabl: Sonst wäre ich ein schlechter Berater.<br />

Das Klimathema durchzieht die ökologische<br />

Bewegung, seitdem es sie gibt.<br />

Es gibt zwei entscheidende Bereiche, den<br />

Verkehrsbereich und den Steuerbereich.<br />

Sie sind schwierig, denn du verschiebst<br />

dabei die Einkommensverhältnisse und<br />

du verletzt Interessen.<br />

SZ: Kann man das konkretisieren?<br />

Wabl: Was ich realpolitisch für machbar<br />

einschätze, dass wir in Österreich an den<br />

Steuerschrauben und zum Teil auch an den<br />

Förderelementen und an den Kriterien, vor<br />

allem im Förderbereich, eine so dramatische<br />

Veränderung erreichen, dass nicht<br />

nur die Richtung stimmt, sondern dass es<br />

auch eine tatsächliche Trendumkehr gibt.<br />

Da muss auch noch viel in die Forschung<br />

gehen. Wir wissen, Photovoltaik ist eine<br />

Zukunftstechnologie, die für uns eine der<br />

größten Hoffnungen ist, die wir haben,<br />

trotzdem wird auf diesem Sektor noch viel<br />

zu tun sein. Das ist im Augenblick nur ökonomisch<br />

sinnvoll, wenn es hoch gefördert<br />

wird. Das ist eine Bewusstseinsfrage, eine<br />

Innovationsfrage, das ist eine Hoffnungsfrage.<br />

Wir müssen in dem Sektor auf jeden<br />

Fall viel Geld in die Hand nehmen. Die andere<br />

Sache ist die technologische, im traditionellen<br />

Verkehrsbereich. Das ist eindeutig<br />

die Eisenbahn, hier ist im Schienenbereich<br />

in den letzten 50 Jahren so gut wie nichts<br />

passiert. Im Vergleich zu den Investitionen<br />

im Autoverkehr ist das beschämend.<br />

SZ: Welchen Stellenwert hat der Energiewandel<br />

im gesamtökologischen Konnex?<br />

SONNENZEITUNG 1/08<br />

Wabl: Die Energiefrage ist die zentrale<br />

Lebensfrage. Wir sind in unserem Wirtschaftssystem<br />

ausschließlich auf Wachstum<br />

orientiert. Wir haben nur einmal einen<br />

Einbruch gehabt, die Ölengpässe in den<br />

siebziger Jahren, da wurde mit einer Ölverknappung,<br />

die künstlich gemacht worden<br />

ist, ein großer Ölschock ausgelöst. Danach<br />

ist es gelungen, in den Industrieländern<br />

das Wachstum vom Energieverbrauch zu<br />

entkoppeln. Wenn das nicht weiter gelingt,<br />

ist jede Ökologisierung sinnlos.<br />

SZ: Sind wir nicht jetzt genau dort, wo die<br />

künstlichen Ölschocks der siebziger Jahre<br />

zu natürlichen werden?<br />

Wabl: Also, ich fürchte, dass nicht das<br />

Energieproblem an sich der Menschheit<br />

Schwierigkeiten macht, sondern es ist einfach<br />

das moderne Pyromanentum, da wir<br />

bei fast jedem Prozess heizen, dass wir damit<br />

den Ball, die Kugel auf der wir sitzen,<br />

systematisch aufessen und verbrauchen.<br />

SZ: Sie meinen nicht, dass wir uns in einer<br />

Phase der Verknappung befinden?<br />

Wabl: Es wird immer noch Technologien<br />

geben, in der Arktis oder Antarktis Öl- und<br />

Gasfelder zu finden oder am Meer und sie<br />

auszubeuten.<br />

SZ: Die angekündigte Verknappung der<br />

fossilen Energie sehen Sie nicht in diesem<br />

Ausmaße?<br />

Wabl: Ich glaube nicht, dass die Verknappung<br />

der Energie uns ein Problem machen wird.<br />

SZ: Das Ökostromgesetz?<br />

Wabl: Ich bin da beim Ökostromgesetz ein<br />

bisschen gespalten. Auf der einen Seite<br />

habe ich mich darüber gefreut, dass hier<br />

Zur Person: Andreas Wabl<br />

die Impulse und auch die Geldmittel in<br />

die richtige Richtung gegangen sind.<br />

SZ: Zurzeit gibt es da aber fast keine?<br />

Wabl: Auf der anderen Seite habe ich die<br />

Fehlentwicklung im Ökostromgesetz gesehen.<br />

Da sind Dinge gefördert worden, die<br />

meines Erachtens nicht zu fördern waren.<br />

Dann kam die Novelle und hat praktisch automatisch<br />

alles zum Erliegen gebracht. Die<br />

Novelle war der Untergang des Gesetzes.<br />

SZ: Wie soll eine neue ausschauen?<br />

Wabl: Das ist mir noch nicht ganz klar. Ob<br />

wir da nicht in diesem Bereich eine andere<br />

Möglichkeit finden oder ob das Ökostromgesetz<br />

überhaupt entsorgt werden soll.<br />

Darüber, was der richtige Weg ist, bin ich<br />

mir noch nicht im Klaren. Ich bin selber in<br />

diesen Gremien gesessen, wo die Förderansuchen<br />

gestellt worden sind. Was da<br />

an kapitalbringenden Projekten gefördert<br />

worden ist, wo man dann praktisch nach<br />

zwei Jahren nur noch zur Bank hingehen<br />

braucht und sagt: „Da bitte kaufen sie<br />

meine Windkraftanlage, das ist gesichert,<br />

wir haben 20 Jahre Abnahme und damit<br />

danke.“ Das war sozusagen ein einarmiger<br />

Bandit, den du dir kaufen konntest, unter<br />

dem Siegel Ökostrom. Das halte ich für<br />

eine falsche Entwicklung.<br />

SZ: Eine persönliche Frage zum Abschluss:<br />

Welchen Strom beziehen Sie privat?<br />

Wabl: Also ich muss gestehen, dass ich<br />

meinem Strom noch immer von, wie heißt<br />

die Firma, ESTAG beziehe.<br />

SZ: Also mit Atomstrom?<br />

Wabl: Ist das so, ich weiß, dass die<br />

Vorarlberger einen so hohen Atomstromanteil<br />

haben ...<br />

Optisch spielt er seit Menschengedenken<br />

den Großvater von Struwwelpeter.<br />

Politisch ist er ein abgeklärter Grüner.<br />

Persönlich ist er einer der angenehmsten<br />

und sympathischsten Zeitgenossen, die die<br />

Politik in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht<br />

hat. Als Berater des Kanzlers<br />

und dessen Vertreter im neu geschaffenen<br />

Klimafonds ist ihm wohl eher die Funktion<br />

zugeteilt, sein Gegenüber, den Umweltminister,<br />

zu reizen, als die Umweltpolitik der<br />

SPÖ, falls es sie überhaupt gibt, umzusetzen.<br />

Dafür ist er mit dem kolportierten<br />

70-Euro-Brutto-Stundenlohn deutlich<br />

unterdotiert. Schmerzensgelder sehen<br />

anders aus. Den ernsten Willen wird ihm niemand absprechen, ob man ihn auch<br />

durchsetzt, wird nicht zuletzt von seinem eigenen Geschick abhängen.<br />

© Isabella Lukasser<br />

REPORTAGE<br />

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