20Dossier <strong>Banken</strong>UBS transferiert haben? Hunderte von Kundendaten haben die<strong>Banken</strong> ja bereits überwiesen. Machen sie sich dadurch in der<strong>Schweiz</strong> in jedem Fall strafbar? Können sich <strong>Banken</strong> und die US-Behörden einigen oder werden Finanzinstitute angeklagt mitmöglicherweise existenziellen Konsequenzen? Was bedeutet esfür Bankmitarbeitende, wenn sie auf einer US-Liste stehen?Vieles ist also unklar. Sicher ist nur:Das Bankgeheimnis, von dem der frühereFinanzminister Hans-RudolfMerz vor wenigen Jahren noch gesagthat, wer es attackiere, würde sich dieZähne ausbeissen – dieses Bankgeheimnis gibt es so nicht mehr.Die <strong>Schweiz</strong> bewegt sich aufgrund des internationalen DrucksRichtung automatischen Informationsaustausch. Selbst die Abgeltungssteuerscheint Makulatur.«Daten von mir wurden bereitsan die USA geliefert.»Schutz vor willkürlicher DatenlieferungDas Parlament hat die Lex USA also abgelehnt. «Für den <strong>KV</strong><strong>Schweiz</strong> ist der Parlamentsentscheid gegen die Lex USA ausrechtsstaatlicher Sicht sehr gut nachvollziehbar», sagt DanielJositsch, Präsident des <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>. «Das Risiko für Bankmitarbeitende,ungerechtfertigt und unkontrolliert in den Fokus deramerikanischen Justiz zu geraten, ist damit aber noch einmalgestiegen. Die Vorlage hätte einen gewissen, wenn auch marginalenSchutz vor willkürlicher Datenlieferung geboten.» Hinzukommt, dass nun die zwischen dem Arbeitgeberverband der<strong>Banken</strong> und dem <strong>Banken</strong>personalverband getroffene Vereinbarungzum Mitarbeitendenschutz dahinfällt, denn deren Inkrafttretenwar an die Bedingung geknüpft, dass das Programm derUS-Behörden von der <strong>Schweiz</strong> unterstützt wird.Um für jene Bankangestellten, die nicht gestaltend und aktivins US-Geschäft verwickelt waren, eine gewisse Rechtssicherheitzu schaffen, macht sich der <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> nun bei den Sozialpartnernfür neue Verhandlungenstark. Die betroffenen Mitarbeitendensollen bei Datenlieferungen besser geschütztwerden. «Zudem muss dasmassiv erschütterte Vertrauen zwischenMitarbeitenden und Arbeitgebern wieder gestärkt werden»,sagt Daniel Jositsch.Besorgte BankangestellteWie beschädigt das Vertrauen in den eigenen Arbeitgeber beiden <strong>Banken</strong> zurzeit ist, zeigt eine Umfrage, die der <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>vor kurzem bei seinen Mitgliedern, die in einer Bank arbeiten,durchgeführt hat. Was beschäftigt die Bankangestellten? Welchessind ihre Sorgen? Wie schätzen sie die Zukunft des <strong>Banken</strong>platzes<strong>Schweiz</strong> ein? Die Antworten zeigen: Viele Mitarbeitendesind verunsichert, wütend und haben das Vertrauen in Verantwortlicheund Politik verloren. Wir veröffentlichen hier eineAuswahl der Antworten.> > Ich bin im Risk Management tätig und war eine Zeitlangauch im US-Business engagiert. E-Mails und andere Datenvon mir wurden bereits an die USA ausgeliefert. Es war, wieDie Zukunft aller <strong>Banken</strong>plätze der <strong>Schweiz</strong> ist ungewiss.context 6/7 – <strong>2013</strong>
man mir sagte, nicht zu verhindern. Ich brauchte mir aberkeine Sorgen darüber zu machen, da Hunderte von Namengemeldet worden seien.> > Ich bin mit grosser Wahrscheinlichkeit von der Datenauslieferungbetroffen, da ich wenige US-Kunden betreute. Ichhabe nicht vor, in die USA zu reisen.> > Da ich bereits freigestellt bin, kannich an der Umfrage leider nicht mehr«objektiv» teilnehmen. Ich denkeaber, dass die Verunsicherung unterden Bankangestellten gross ist.> > Mir machen nicht die Drohungen aus den USA Sorgen, sonderndie Inkompetenz und Naivität der Politiker.> > Man muss versuchen, den USA Einhalt zu gebieten, undzwar mit allen Mitteln – auch wenn wir uns dadurchNachteile einhandeln.> > Einmal mehr werden wir von unseren Arbeitgebern imStich gelassen. Die Manager werden nicht zur Verantwortunggezogen, das Fussvolk büsst.> > Ich bin vermutlich als Mitarbeiter nicht direkt betroffen.Ich mache mir aber Sorgen über den <strong>Banken</strong>platz <strong>Schweiz</strong>.> > Meine grösste Sorge gilt dem Rechtsstaat. Die Lex USA hättediesen bedroht. Wenn unzählige Mitarbeiter strafbareHandlungen begangen haben, hat das Management versagt,weil es Regeln nicht durchgesetzt hat.> > Der Worst Case wäre für Bankangestellte, dass sie nicht mehrin die USA reisen und sogar die <strong>Schweiz</strong> nicht mehr verlassenkönnten. Im Falle eines internationalen Haftbefehlswürden andere Länder betroffene <strong>Schweiz</strong>er wohlden USA ausliefern.> > Ich, IT-Mitarbeiter, wurde «outgesourced». Nun mache ichmeinen bisherigen Job zu viel schlechteren Konditionen.> > Der Verrat der «Oberen» an den «Ameisli» ist historisch.Die Verantwortlichen retten die eigene Haut.> > Der Druck auf die <strong>Banken</strong> ist enorm, und zwar von vielen«Wir werden von unserenArbeitgebern im Stich gelassen.»Seiten. Das wirkt sich auf die Arbeitsstimmung und die Arbeitsbedingungenaus. Viele Bankangestelltesind am Limit, machenDutzenden von Überstunden, werdenteilweise depressiv, weil siedem Druck nicht standhalten. Nervenzusammenbrüchehäufen sich. Das Management sieht zuund kassiert. Ich nenne das moderne Sklaverei.> > Diejenigen, die die USA-Geschichte betrifft, werden nurlückenhaft informiert. Man fühlt sich von der Bank imStich gelassen.> > Ich habe den Eindruck, dass alle Akteure ihre persönlichenInteressen verfolgen und nicht im Interesse der <strong>Schweiz</strong>bzw. des Finanzplatzes handeln. Wie auf der Titanic: Rettesich, wer kann.> > Die Politik hat keine Erfolge erzielt, und die Arbeitgeber habenihre Mitarbeitenden verpfiffen, damit sie den eigenenHals aus der Schlinge ziehen können.> > Was heisst heute schon Vertrauen? Jeder versucht seine Hautzu retten – oft auf Kosten der anderen.> > Alle Bankangestellten werden in einen Topf geworfen. Früherwar Bankangestellter ein angesehener Beruf. Heute muss mansich fast schon entschuldigen, wenn man seinen Beruferwähnt. Der Verband müsste eine Image-Kampagne lancieren.Die schönen Worte der <strong>Banken</strong> sind unglaubwürdig.21Chronologie des Steuerstreits mit den USA2007Im Zuge der Finanzkrise geriet die UBS ins Visier der US-Behörden.Das US-Justizministerium forderte die Namen von Kunden,die ihr Geld in der <strong>Schweiz</strong> vor dem Fiskus versteckt hielten.2008Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärte sichschuldig, für UBS-Kunden Geld am Fiskus vorbeigeschleust zuhaben. Die USA beantragten im Sommer ein Amtshilfeverfahrenin der <strong>Schweiz</strong>, um an die Daten der Bankkunden zu gelangen.2009Die <strong>Schweiz</strong> und die USA einigten sich auf einen Vergleich: DieUSA sollten 4450 UBS-Kundendaten erhalten. Die UBS zahltezudem eine Busse von 780 Mio. Dollar.2010Das Bundesgericht befand die Herausgabe der Daten als rechtmässig.Nach deren Erhalt zog die US-Steuerbehörde ihre Klagegegen die UBS zurück.2011Die USA nahmen weitere <strong>Banken</strong> ins Visier – darunter die CreditSuisse, die HSBC <strong>Schweiz</strong>, die Basler und Zürcher Kantonalbanken,<strong>Juli</strong>us Bär und die Bank Wegelin. Das US-Justizministeriumverlangte Kundendaten und die Herausgabe von Namenvon Kundenberatern.2012Der Bundesrat entschied, dass codierte Bankdaten ans US-Justizministeriumgeliefert werden dürfen. Den Schlüssel zur Dekodierungsollen die USA erst erhalten, wenn eine Lösung im Steuerstreitvereinbart ist. Der Bundesrat erlaubte dann aber den<strong>Banken</strong> die Herausgabe auch von uncodierten Mitarbeiterdaten.Das Bundesverwaltungsgericht hingegen stoppte auf die Klageeines CS-Kunden hin die Lieferung von Kundendaten der CreditSuisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanischeAmtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.<strong>2013</strong>Die Bank Wegelin bekennt sich in den USA schuldig, Beihilfe zurSteuerhinterziehung geleistet zu haben. Die Busse beläuft sichauf 74 Mio. Dollar. Auf ein präziser formuliertes Amtshilfegesuchder US-Steuerbehörde hin erlaubt das Bundesverwaltungsgerichtnun doch die Lieferung von Kundendaten der Credit Suissean die USA. Der Bundesrat legt dem Parlament ein dringlichesGesetz vor, das es den betroffenen <strong>Banken</strong> erlaubt, sich mit Datenlieferungenund Ablasszahlungen an die USA freizukaufen.Die Lex USA wird vom Nationalrat am 19. <strong>Juni</strong> bachab geschickt.Quellen: Tages-Anzeiger, Handelszeitungcontext 6/7 – <strong>2013</strong>