Alter – Schicksal oder Gnade?
Alter – Schicksal oder Gnade?
Alter – Schicksal oder Gnade?
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Gunda Schneider-Flume, <strong>Alter</strong> <strong>–</strong> <strong>Schicksal</strong> <strong>oder</strong> <strong>Gnade</strong>?<br />
noch kommen sollen.“ (Psalm 71,18) Im Gebet spricht hier<br />
ein Mensch die Bitte um Gemeinschaft aus, um Gottesgemeinschaft<br />
und Gemeinschaft mit Menschen bis zum Ende<br />
des Lebens. Allerdings musste auch im ersten Jahrtausend<br />
v.Chr. die ökonomische Integration der Alten durch ein Gebot<br />
Gottes gesichert werden. Das vierte Gebot <strong>–</strong> „Du sollst deinen<br />
Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in<br />
dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, geben wird.“ (2. Mose<br />
20,12) <strong>–</strong> fordert nicht jugendliche Kinder auf zum Gehorsam<br />
gegenüber den Eltern, vielmehr verlangt es die Achtung und<br />
Versorgung der alt gewordenen Eltern. Die Alten gehören<br />
dazu und können und dürfen nicht abgeschoben werden.<br />
Sowohl im Blick auf Abraham wie im Blick auf Simeon<br />
kann man sagen: Sie sind auch als alte Menschen eingefügt<br />
in den Lebenszusammenhang einer größeren Gemeinschaft<br />
und einer größeren Geschichte. Nur in einem solchen Zusammenhang<br />
kann das <strong>Schicksal</strong> von <strong>Alter</strong> und Endlichkeit auch<br />
als gnädige Fügung erfahren werden. Die Frage, ob <strong>Alter</strong>(n)<br />
<strong>Schicksal</strong> <strong>oder</strong> <strong>Gnade</strong> sei, bezieht sich auf die gesamte<br />
Lebensgeschichte eines Menschen. Das Lebensverständnis<br />
einer Gemeinschaft im Ganzen steht in Frage, wenn es um<br />
<strong>Schicksal</strong> <strong>oder</strong> <strong>Gnade</strong> des <strong>Alter</strong>(n)s geht.<br />
Das ist heute nicht anders als vor zwei- <strong>oder</strong> dreitausend<br />
Jahren, wenngleich sich unsere Lebenssituation in vielen<br />
Punkten dramatisch verändert hat gegenüber den Zeiten von<br />
Simeon und gar von Abraham. <strong>Gnade</strong>, dieses Aufleuchten<br />
von Wohlwollen und Güte in einem Leben, ereignet sich in<br />
Beziehungen zwischen Gott und Menschen und zwischen<br />
Menschen untereinander. Es geht dabei nicht um die Erfahrung<br />
von einsamen Einzelnen, so als bestünde menschliches<br />
Leben in der Einzigkeit eines Individuums, vielmehr ereignet<br />
sich <strong>Gnade</strong> in den Beziehungen von Menschen, die mehr<br />
erfahren, als sie mit den Worten „ich bin ich“ ausdrücken<br />
können. Die Deutung und das Verstehen eines menschlichen<br />
Lebens <strong>oder</strong> einer Phase des Lebens wie des <strong>Alter</strong>s können<br />
nicht lediglich im Blick auf einen Einzelnen und seine letzte<br />
Lebensphase geschehen.<br />
Aber die gesellschaftliche Situation alter Menschen hat<br />
sich verändert. Heute drängt die Ausgrenzung des <strong>Alter</strong>s als<br />
<strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong> 16 <strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><br />
© 2010; 2008 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 978-3-525-62404-3