MÜNDUNGSBREMSEN MEHR ALS SCHALL ... - Schweizer Jäger
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Wildkunde<br />
lutionsbiologe Josef H. Reichholf,<br />
der bei Rabenkrähen beobachtete,<br />
wie sie Walnüsse aus grosser Höhe<br />
abwerfen, um die Schale zerplatzen<br />
zu lassen und sie dann im Boden<br />
verstecken, geht davon aus,<br />
dass die Krähen «so etwas wie<br />
eine Karte ihres Territoriums im<br />
Kopf» abspeichern können. Ganz<br />
besondere Leistungen, die auf ein<br />
sehr präzises Raum- und Mengengedächtnis,<br />
verbunden mit einem<br />
phänomenalen, möglicherweise<br />
sogar am Erdmagnetismus<br />
ausgerichteten Orientierungssinn<br />
schliessen lassen, vollbringt beim<br />
Wiederauffinden seiner zahlreichen<br />
Futterverstecke im Übrigen<br />
der nordeuropäische Tannenhäher<br />
(Nucifraga caryocatactes), um in<br />
diesem Zusammenhang einmal<br />
kurz einen anderen Rabenverwandten<br />
zu erwähnen.<br />
Überaus erstaunliche Dinge<br />
konnte der deutsch-amerikanische<br />
Biologe und Verhaltensforscher<br />
Bernd Heinrich bei seinen<br />
Forschungen an Kolkraben in<br />
den Wäldern des US-Bundesstaates<br />
Maine beobachten. In seinem<br />
Buch, das im Originaltitel «Ravens<br />
in Winter» heisst, schildert er zum<br />
Beispiel, wie Raben, die den grossen<br />
Kadaver eines von Raubtieren<br />
gerissenen Elches entdecken, mit<br />
einem ganz eigenartigen, im Gegensatz<br />
zu ihrem üblichen tiefen<br />
Gequorre besonders hellen und<br />
lauten Schrei andere Raben herbeirufen,<br />
um mit ihnen zu teilen.<br />
Dies erscheint zunächst überaus<br />
uneigennützig und grossherzig,<br />
ist es aber bei näherer Kenntnis<br />
der bereits erwähnten Sozialstruk-<br />
Foto: Matthias Loretto, Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau<br />
28 <strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 5/2012<br />
turen gar nicht: Den Schrei stossen<br />
nämlich nur umherfliegende<br />
Nichtbrüter, meist jüngere Raben<br />
aus, die, wenn sie allein oder<br />
in geringer Zahl blieben, von den<br />
Revierinhabern wieder vertrieben<br />
würden und sich durch das Herbeirufen<br />
anderer Nichtbrüter die<br />
notwendige Übermacht schaffen.<br />
Finden diese übrigens eine kleinere<br />
Beute, etwa einen Hasen, unterbleibt<br />
das Herbeirufen meistens<br />
und es wird versucht, schnell etwas<br />
davon zu fressen und die Reste<br />
zu verstecken.<br />
Heinrich und seine Mitarbeiter<br />
bzw. Schüler konnten weiterhin,<br />
vor allem auch bei Forschungen<br />
im Yellowstone-Nationalpark,<br />
eine überaus enge Bindung von<br />
Rabenscharen an Wolfsrudel feststellen,<br />
die im Ergebnis zu einer<br />
tatsächlichen «ernährungsokologischen<br />
Allianz» führt. Die Wölfe<br />
werden fast ständig von Raben<br />
begleitet und die Vögel versuchen,<br />
wenn ein Beutetier gerissen wurde,<br />
möglichst bald an das frische<br />
Fleisch heranzukommen. Im Rahmen<br />
anderer Forschungsarbeiten<br />
in Nordamerika wurde sogar beobachtet,<br />
dass Raben, wenn sie<br />
schwache oder kranke Tiere oder<br />
den Kadaver eines verendeten<br />
Tieres entdecken, sich durch bestimmte<br />
Schreie bemerkbar machen,<br />
so dass Wölfe dadurch herbeigerufen<br />
werden, um das Stück<br />
zu reissen oder den Kadaver zu<br />
öffnen, was sie selbst trotz ihrer<br />
starken Schnäbel nicht schaffen –<br />
Wölfe als «Dosenöffner» für Raben,<br />
wie es ein Biologe durchaus<br />
zutreffend formulierte.<br />
Die kaum glaublicheAnpassungsfähigkeit<br />
der<br />
Dschungelkrähe<br />
im baumarmen<br />
Grossstadtdschungel<br />
der Megacity<br />
Tokio beweist<br />
dieses Nest aus<br />
Drahtkleiderbügeln.<br />
Regelmässig finden<br />
sich Kolkraben<br />
als «Gäste»<br />
bei der Fütterung<br />
der Wildschweine<br />
im Cumberland-<br />
Wildpark der<br />
Konrad-Lorenz-<br />
Forschungsstelle<br />
in Grünau ein.<br />
Einige sitzen auf<br />
den Sauen, um zu<br />
imponieren oder<br />
um den Überblick<br />
zu gewinnen.<br />
Die effektive Nutzung von Futterquellen,<br />
die eigentlich nicht für<br />
sie, sondern für Wölfe und Wildschweine<br />
bestimmt ist, wird auch<br />
im Cumberland-Wildpark der<br />
von Konrad Lorenz gegründeten<br />
Ethologischen Forschungsstelle<br />
bei Grünau im oberösterreichischen<br />
Almtal beobachtet. Hier ist<br />
ihnen der Tisch, anders als in der<br />
amerikanischen Wildnis, reich<br />
gedeckt und sie brauchen nur in<br />
den Bäumen zu warten, bis die<br />
Fütterung beginnt; im Wolfsgehege<br />
verhalten sie sich sehr vorsichtig,<br />
im Wildschweingehege<br />
hingegen kann man häufig sehen,<br />
wie sie auf den Sauen reiten, wohl<br />
um sich einen besseren Überblick<br />
über die ausliegenden Vorräte zu<br />
verschaffen oder vielleicht auch<br />
einfach nur zu imponieren.<br />
Jedoch nicht nur in der Wildnis<br />
und in der Natur, sondern auch in<br />
der von Menschen geschaffenen,<br />
motorisierten und mittlerweile<br />
weitgehend elektronisch gesteuerten<br />
und überwachten Welt,<br />
können Raben und Krähen sich<br />
überaus gut anpassen und sogar<br />
die Technik, die ihnen doch eigentlich<br />
unheimlich und abschreckend<br />
erscheinen müsste, zur<br />
Nahrungsbeschaffung einsetzen.<br />
Dies wurde ganz besonders auffällig<br />
bei den in Tokio lebenden,<br />
mit der Rabenkrähe verwandten<br />
Dickschnabelkrähen Corvus<br />
macrorynchus, die bezeichnenderweise<br />
auch gleichzeitig als<br />
Dschungel- oder Hauskrähen bekannt<br />
sind, beobachtet. Im engen<br />
Grossstadtdschungel der Megacity<br />
lernten die Krähen an Ampelkreuzungen<br />
die Verkehrsregeln:<br />
Bleiben die Autos stehen, legen<br />
sie Nüsse auf die Fahrbahn, die<br />
bei der nächsten Grünphase von<br />
den Autoreifen geknackt, allerdings<br />
auch plattgefahren werden;<br />
Quelle: Wikipedia, Creative Commons, Foto: Götz