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Bauwerk – die neue Marke bei Beuth - Baukammer Berlin

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Titelthema<br />

traggeber und in seiner repräsentativen<br />

Schaufront, in der Handschrift Albert<br />

Speers antikisierend dekoriert, Machtarchitektur<br />

des „Tausendjährigen Reiches“.<br />

Auf dem „Platz der Luftbrücke“ erinnert<br />

ein Denkmal an <strong>die</strong> Piloten, <strong>die</strong> mit ihren<br />

„Rosinenbomber“ 1948/49 den Westteil<br />

der Stadt versorgten. Die legendäre<br />

„Luftbrücke“ ist Symbol des Überlebensund<br />

Freiheitswillen <strong>Berlin</strong>s geworden.<br />

Mut und Freiheitswillen haben auch <strong>die</strong><br />

<strong>Berlin</strong>er Mauer zu Fall gebracht und <strong>die</strong><br />

Teilung der Welt überwunden. Der Traum<br />

von der grenzenlosen Freiheit des Fliegens<br />

verbindet sich mit einem Grenzen<br />

und Mauern überwindenden Freiheitswillen.<br />

In <strong>die</strong>sem historischen Vermächtnis<br />

liegt <strong>die</strong> Zukunftschance für Tempelhof.<br />

Was könnte <strong>die</strong> Erinnerung an <strong>die</strong> Pionierzeit<br />

des Fliegens und <strong>die</strong> Luftbrücke<br />

besser wachhalten als ein Museum und<br />

Zentrum für Luft- und Raumfahrt? Warum<br />

nicht <strong>die</strong> Tradition der <strong>Berlin</strong>er Luftfahrt-Sammlung<br />

wieder aufgreifen?<br />

Auch sie war legendär. Geboren in einer<br />

Baracke zwischen den ersten Flugzeughallen<br />

auf dem Tempelhofer Feld wuchs<br />

sie, von Ort zu Ort wandernd, zum größten<br />

Flugzeug-Museum der Welt. Viele<br />

Ausstellungsstücke sind verschollen,<br />

manche finden sich in dem von dem <strong>Berlin</strong>er<br />

Architekten Justus Pysall entworfenen,<br />

2010 eröffneten Polnischen Luftfahrtmuseum<br />

in Krakau. Das National Air<br />

and Space Museum in Washington ist<br />

das meistbesuchte Museum der Welt.<br />

Wie viel mehr aber hat Tempelhof mit seiner<br />

Aura der Authentizität zu bieten, seinem<br />

historischen Flughafengebäude,<br />

den großen Hangars, dem Flugfeld und<br />

der flugtechnischen Infrastruktur! Ein<br />

Museum und Zentrum für Luft- und<br />

Raumfahrt wäre mehr als ein weiterer<br />

touristischer Magnet, es würde das Interesse<br />

an Technologie, Wissenschaft, Forschung<br />

und Ingenieurwesen wecken und<br />

<strong>neue</strong> wirtschaftliche Perspektiven für<br />

<strong>Berlin</strong> eröffnen.<br />

„<strong>Berlin</strong> könnte zum dritten großen deutschen<br />

Luft- und Raumfahrt - Zentrum<br />

werden“, prognostizierte <strong>die</strong> Deutsche<br />

Bank 2005. Mit dem <strong>neue</strong>n Großflughafen<br />

als Drehkreuz im weltweiten Luftverkehr<br />

wird <strong>Berlin</strong> zur mitteleuropäischen<br />

Verkehrsmetropole für Passagier- und<br />

Güterverkehr. Wie eng <strong>die</strong> Verkehrslogistik<br />

und Raumfahrttechnologie verknüpft<br />

ist, zeigt das System Toll Collect mit Sitz<br />

in <strong>Berlin</strong>, das <strong>die</strong> Einziehung der LKW-<br />

Maut über Satelliten-Navigation betreibt.<br />

Rund um <strong>die</strong> Luft- und Raumfahrt können<br />

weitere Zukunftstechnologien<br />

12 | <strong>Baukammer</strong> <strong>Berlin</strong> 2/2011<br />

andocken. So will <strong>die</strong> Bundesregierung<br />

Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität<br />

machen. Tempelhof in der Mitte<br />

der Hauptstadt Deutschlands, gibt es<br />

einen besseren Standort für <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Elektromobilität zur globalen<br />

Mobilität der Zukunft?<br />

Schon Fontane ahnte gesellschaftliche<br />

Umbrüche, wenn „es weit draußen in der<br />

Welt, sei´s auf Island, sei´s auf Java zu rollen<br />

und zu grollen beginnt oder gar der<br />

Aschenregen der hawaiischen Vulkane<br />

bis weit auf <strong>die</strong> Südsee hinausgetrieben<br />

wird.“ Wie abhängig <strong>die</strong> moderne Gesellschaft<br />

vom Netz der Flugverbindungen<br />

ist, das Tag und Nacht um den Globus<br />

gespannt wird, hat im April 2010 eine<br />

unsichtbare Wolke aus Vulkanasche vor<br />

Augen geführt. Angesichts fehlender<br />

empirischer Messungen kapitulierte ein<br />

ganzer Kontinent vor der mysteriösen<br />

Wolke. Jetzt sollen Grenzwerte festgelegt<br />

und ein einheitlicher europäischer<br />

Luftraum geschaffen werden. Wäre nicht<br />

Tempelhof in seiner europäischen Mittellage<br />

der richtige Standort für eine europäische<br />

Flugsicherungszentrale?<br />

Umweltberater der Bundesregierung<br />

plä<strong>die</strong>ren für eine wissenschaftliche Partizipation<br />

der Bürgergesellschaft, für Einrichtungen,<br />

in denen „Bürger und Wissenschaftler<br />

gemeinsam lernen“. Tempelhof<br />

könnte ein solcher Ort aufgeklärter<br />

und teilhabender Bürgergesellschaft<br />

werden, ein Forum für Wissenschaftler<br />

und Bürger, um sich über Verkehr und<br />

Energie, Umwelt und Klima, Gentechnik<br />

und Kernkraft auszutauschen und zu verständigen.<br />

Der Entideologisierung und<br />

Entpolitisierung der Diskussion gesellschaftlich<br />

kontroverser Zukunftstechnologien<br />

soll auch ein Projekt der Bundesregierung<br />

<strong>die</strong>nen, das „Haus der<br />

Zukunft“. Eine gute Sache! Es gehört<br />

aber nicht in den politischen Bannkreis<br />

des Forschungsministeriums, sondern<br />

an einen Ort wissenschaftlicher Freiheit <strong>–</strong><br />

nach Tempelhof!<br />

Eines der größten <strong>Bauwerk</strong>e und Denkmale<br />

der Welt steht leer. Gelegentlich<br />

<strong>die</strong>nt es als Resterampe der <strong>Berlin</strong>er<br />

Event-Kultur. Tempelhofs große<br />

Geschichte ist dem Vergessen anheim<br />

gegeben. Das freie Flugfeld, unübersehbar<br />

als großer runder Teller in den Grundriss<br />

der Stadt geprägt, überwältigend in<br />

seiner prosaischen Würde und Schönheit,<br />

soll zu einem gigantischen Vergnügungspark<br />

werden. Der Flugplatz soll<br />

verschwinden - unter Waldrändern aus<br />

2000 Bäumen, unter Blumenbeeten, Biotopen<br />

und Teichen, unter einer 30 000<br />

Quadratmeter großen Wasserfläche und<br />

Bachläufen mit hölzernen Stegen, unter<br />

Pavillons, Aussichtsplattformen und<br />

Rundwegen als „Planetenbahnen“. Der<br />

Gipfel aber ist ein 63 Meter hoher Kletterfelsen<br />

als Denkmal für Alexander von<br />

Humboldt. Dieser habe, so <strong>die</strong> Planer, im<br />

Gebirge Pflanzen erkundet und um<br />

Pflanzen und Natur gehe es ja auch <strong>bei</strong><br />

der Gestaltung des Tempelhofer Feldes.<br />

Der Siegerentwurf im Landschaftswettbewerb<br />

zeigt Humboldt auf der Bergspitze<br />

in Überlebensgröße. Er zögert noch.<br />

Soll er wie der Erlöser auf dem Zuckerhut<br />

<strong>die</strong> Arme breiten? Oder sich hinabstürzen?<br />

Es ist zum Verzweifeln. Der Flughafen<br />

Tempelhof, <strong>die</strong>ses in der Welt einzigartige<br />

Denkmalensemble, geht der Zerstörung<br />

entgegen. Dass es gutwillig, nicht<br />

mutwillig geschieht, macht es nicht besser.<br />

Die Planer sind vom Horror Vacui<br />

geplagt. Sie ertragen sie nicht, <strong>die</strong> Leere,<br />

<strong>die</strong> einen umhaut in ihrer grenzenlosen<br />

Weite und elementaren Wucht. Sie<br />

ertragen es nicht, das Ungekünstelte,<br />

das Gewöhnliche und typisch <strong>Berlin</strong>ische<br />

<strong>die</strong>ses rohen und kargen Flugfeldes,<br />

seine schlichte Schönheit aus dem<br />

Geist der Zweckmäßigkeit. Also muss<br />

mit bunten Blumen und blauen Teichen<br />

geschönt, durch Kletterfelsen und Pavillons<br />

der Blick gefangen und durch Wälder<br />

der Horizont verengt und beschränkt<br />

werden. Kleinteiligkeit ist das Zauberwort.<br />

Mit künstlichen Biotopen wird das<br />

Tempelhofer Feld zurechtgestutzt zur<br />

kleinbürgerlichen Idylle aus dem Geiste<br />

des Ökokitschs. Und über allem Humboldt<br />

als Naturheiliger. Er sollte sich vom<br />

Felsen stürzen.<br />

Noch ist Tempelhof nicht verloren. Noch<br />

ist Zeit, <strong>die</strong> Planspiele zu beenden. 62<br />

Millionen Euro soll das Zerstörungswerk<br />

kosten. Es wäre besser angelegt für <strong>die</strong><br />

Sanierung und Entwicklung des historischen<br />

<strong>Bauwerk</strong>s. Lasst dem Tempelhofer<br />

Feld <strong>die</strong> Freiheit!<br />

Florian Mausbach<br />

<strong>Berlin</strong> im April 2011<br />

(Der Autor ist Diplom-Ingenieur und<br />

Stadtplaner und hat den technischen<br />

Universität en Braunschweig und <strong>Berlin</strong><br />

Architektur und Städtebau stu<strong>die</strong>rt. Von<br />

1995 bis 2009 war er Präsident des Bundesamtes<br />

für Bauwesen und Raumordnung.<br />

2010 erschien im Verlag DOMpublishers,<br />

<strong>Berlin</strong>, sein Buch „Ideen für <strong>Berlin</strong><br />

<strong>–</strong> Bausteine für eine Metropole, das<br />

einen weiter ausgreifenden Essay zum<br />

Flughafen Tempelhof enthält „Tempelhof<br />

und der Traum vom Fliegen“)

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